Rezgierungstisch diese
mit den Verhältnissen in den Regierungsbezirken Düsseldorf, Maade⸗ burg oder Merseburg, aber nicht in Parallele stellen mit den Ver⸗ hältnissen der gesammten preußischen Monarchie. Ich habe auch darauf hingewiesen, daß schon der einzige Umstand, daß in Preußen etwa 64 % — wenn ich nicht irre — des gesammten Waldbodens Kiefernboden geringerer Klasse ist, während der bei weitem größere Theil des säcksischen Waldareals Fichtenboden ist, für jeden Sach⸗ kundigen die Erklärung dafür abgiebt, daß die Erträge verschieden sein müssen, mag die Verwaltung eine kaufmännische oder bureau⸗ kratische sein. Bis zu einem gewissen Grade wird überhaupt in so großen Verwaltungen — je größer die Verwaltung wird, in um so höherem Grade — eine Verwaltung, die mit über 2 Millionen Hek⸗ tar Forsten zu rechnen hat, wird nothwendig schon aus Rücksicht der Kontrole eine strengere, etwas umständlichere Kassen⸗ und Natural⸗ wirthschaft haben müssen, als eine kleinere Verwaltung eines kleine⸗ ren Staates oder gar eine Privatverwaltung. Also in der Beziehurg kann sich die Königliche Verwaltung bestreben, höhere Erträge durch eine geschäftsmäßige Verwerthung der Holzbestände zu erstreben, sie kann aber sicherlich nicht das erreichen, was eine kleinere Staats⸗ oder mittlere Privatverwaltung nach der Richtung erreichen kann.
Was den Hinweis betrifft auf die Petition, welche die Schulitzer Verhältnisse betrifft, so kann ich nur sagen, ich werde der Offerte der Firma Büttchers, das Schwellenholz aus der dortigen Oberförsterei zu dem genannten Satze zu erwerben, ohne Zweifel gern näher treten und werde sehen, ob es sich dabei wirklich um eine reelle Offerte handelt oder vielleicht blos um eine gelegentlich hingeworfene Be⸗ hauptung. Es kommt sehr häufig vor, daß gesprächsweise solche Offerten gemacht werden, die dann, wenn sie realisirt werden sollen, doch eine wesentlich andere Gestalt gewinnen. Was die beiden mehr untergeordneten Spezialfragen betrifft, die noch angeregt worden sind,
b würde ich allerdings anheimgeben, daß die Anmerkung zu «l, die sich bezieht auf Buxbaum, Cedern und Mahagoni, in der Weise geändert wird, daß in der Ueberschrift gesagt wird: Anmerkung zu
1 und 2, und daß an die Stelle von Rohholz eventuell gesetzt wird
„Nutzholz“. Es würde dadurch jedenfalls dem Zweifel begegnet werden, der hier ausgesprochen worden ist. Jedenfalls wird auch am Anmerkung so verstanden werden müssen, daß sie sich bezieht auf das nur roh vorgearbeitete Holz von Bur⸗ baum, Cedern ꝛc. von diesen Qualitäthölzern, welche nebenbei bemerkt in großen Mengen kaum eingeführt werden. Was die Frage des Klaviaturholzes betrifft, so ist dabei der Zoll sowohl, wie auch der eigentliche Holzwerth von so untergeordneter Bedeutung, daß nach dieser Richtung hin eine Ausnahme zu statuiren, dieses ziemlich fein vorgearbeitete Qualitätholz einem niedrigeren Satze zu unterwerfen, ich meinerseits ein Bedürfniß nicht anzuerkennen vermag.
Ich resumire mich also dahin, daß ich wiederholt empfehle, die
Beschlüsse der zweiten Lesung in der Form zu bestätigen, wie sie durch den Antrag Dr. Frege und Genossen formulirt ist, mit der geringen Modifikation, die ich mir in Bezug auf die Anm erkung zu c. 1 näher auszuführen erlaubt habe. Der Abg. Udo Graf zu Stolberg⸗Wernigerode erklärte, er nehme zunächst Akt davon, daß der Abg. Rickert selbst zu⸗ gegeben habe, in Folge der von der Rechten gemachten weit⸗ gehenden Konzession werde der Holzhandel der Seestädte durch diese Zölle nicht geschädigt werden. Für den Antrag Thomsen bezüglich der Bahnschwellen sei kein einziger Grund angeführt worden; es sei wohl nur den Importeuren un⸗ bequem, daß sie einen Theil des Zolls würden tragen müssen. Wenn gesagt werde, daß man bei zu theurem Holz immer mehr eiserne Schwellen benutzen werde, so stehe es ja längst fest, daß das Brennholz durch die Kohle, das Nutzholz durch das Eisen mehr und mehr verdrängt werde; aber gerade des⸗ halb müsse man, damit das Holz nicht ganz entwerthet werde, an diesen Zöllen festhalten.
Der Abg. Dirichlet führte aus, daß nach der Rede des Ministers sich die Waldwirthschaft bedeutend gehoben habe, eine Zollerhöhung also überflüssig sei. Er bitte, Knüppel⸗ holz, welches lange nicht 18 cm stark und nicht 1 m lang,
üußerdem auch nicht mit der Axt bearbeitet sei, nicht als Nutz⸗, sondern als Brennholz zu verzollen; in Schlesien seien mehr⸗ fach Fälle von ungerechter Verzollung dieses Holzes vor⸗ gekommen. Der Minister Dr. Lucius habe gemeint, es wäre unbillig, in Bezug auf Rein⸗ und Nutzholzertrag an die preußische wie an die sächsische Forstverwaltung dieselben An⸗ sorderungen zu stellen. Er gebe das zu, aber das tertium comparationis liege doch nahe, das sei die preußische Provinz Sachsen, deren Forstverhältnisse denen des Königreichs Sachsen nahe verwandt seien. Daß aber da die Re⸗ sultate trotzdem geringere seien, zeige doch, daß der Ge⸗ schäftsbetrieb in Preußen einer Reform dringend bedürfe. Möge die Verwaltung nur im Geiste dieser Reform fort⸗ fahren, thätig zu sein, wenn es auch den Beamten schwer werden möge, sich die Allüren und die Geschäftspraxis des für „unproduktiv“ geltenden Kaufmannsstandes anzueignen. Es sei sodann behauptet worden, es sei falsch, in Zollfragen auf den Staat als Konsumenten Rücksicht zu nehmen, dieser potenteste Konsument müsse reichlich den gleichen Zoll bezahlen. Warum habe man denn aber diese zarte Rücksicht bei Hafer walten lassen? Da sei die Erhöhung auf 3 ℳ nicht beliebt worden, weil der Reichs Kriegsfiskus der Hauptkonsument sei. Im Interesse von Industriellen der Provinz Schlesien möchte er dann noch Seitens des Bundesraths eine Erklärung extra⸗ hiren. In der Kommission sei von dem Staatssekretär des Reichs Schatzamts erklärt worden, Brennholz sei zollfrei, un⸗ abhängig davon, ob es wirklich nachher verbrannt werde oder nicht, wenn es sich nur der äußeren Erscheinung nach als Brennholz charakterisire. Eine Firma in Breslau nun impor⸗ tire zur Spundfabrikation Brennholz der allergeringsten Art,
undes Knüppelholz, müsse dasselbe aber, da sie es einge⸗ standenermaßen nicht verbrenne, als Nutzholz verzollen. Die
Firma werde doppelt getroffen durch die Art, wie der Zoll er⸗ hoben werde. Der Beamte messe nämlich nicht jedes Stück nach, sonbern übermesse das ganze Quantum und der Konsument ser gezwungen, den Raummeter als Festmeter zu verzollen, wodurch eine Mehrverzollung von 30—40 Proz. stattfinde. Beschwerden bei der betreffenden Steuerbehörde in Ziegenhals, bei der Provinzialsteuerbehörde und beim Minister seien er⸗ folglos geblieben. Er bitte um eine Erklärung, daß es sich hier in der That nur um Brennholz handle, sonst müsse man für derartige Hölzer eine besondere Klasse schaffen.
Der Staatssekretär von Burchard erwiderte, er habe in der Kommission gesagt, die Zollbehörde habe nicht nach der Bestimmung des Holzes zu fragen, sondern, wenn ein Holz seiner äußeren Erscheinung nach sich als Brennholz darstelle, es als Brennholz zu betrachten, ohne Rücksicht darauf, ob es nachher verbrannt werde oder nicht. Wenn der Fall des Abg. Dirichlet so liege, wie derselbe hier vorgetragen sei, so würde er rathen, mit der Beschwerde an den Bundesrath zu gehen.
Der Bundeskommissar, Königlich bayerische Ministerial⸗ Rath Ganghofer entgegnete, die Broschüre, die der Abg. Rickert erwähnt habe, sei seiner Zeit in der Tendenz geschrieben, der bayerischen Verwaltung bezüglich der neuen Forstorganisation Hindernisse zu bereiten. Dieselbe sei, wie ein vollständig ob⸗ ektiv gehaltener Artikel. eines Fachblattes darüber urtheile,
mnscheinend mit Sachkenntniß geschrieben und geeignet, einen der Sache nicht kundigen Leser zu täuschen; sie sei aber von
zweiselhastem Werthe, da darin Wahres mit Falschem ver⸗ mischt dem Leser vorgesetzt werde, so daß sie an sich keine Be⸗ achtung verdiene. Die in der Broschüre gemachten Angaben seien auch thatsachlich zum großen Theil nicht zutreffend. Der Antrag der freien wirthschaftlichen Vereinigung wurde mit der von dem Abg. Rickert beantragten Aenderung des zweiten Antrags Thomsen angenommen, der Antrag Thomsen bezüglich der Eisenbahnschwellen abgelehnt. Nach einer Anmerkung zu den Positionen der Holzzölle sollen Hornstäbe aus Büffel⸗ und anderen Thierhörnern, wenn sie vorgerichtet sind, mit 60 ℳ verzollt werden. Der Abg. Veiel beantragte, diese Position zu streichen. Die freie wirthschaftliche Vereinigung beantragte folgende Fassung: 8 1) Hornstäbe aus Büffel⸗ oder anderen Thierhörnern, geebnete, glatte oder sonst zur Verwendung bereits vorgerichtete. 40 ℳ mm1.“* In dieser Fassung wurde die Anmerkung angenommen. Kleider, Leibwäsche ꝛc. von Seide oder Floretseide; auch in Verbindung mit Metallfäden, gestickte und Spitzen⸗ kleider sollen mit 1200 ℳ verzollt werden. 8 Die freie wirthschaftliche Vereinisung beantragte, diese Gegenstände, auch wenn sie von Halbseide sind, anstatt wie bisher mit 450, mit 675 ℳ zu verzollen. 8 Ferner beantragte die freie wirthschaftliche Vereinigung, anstatt der Fassung der Nr. 30 des Tarifs nach der zweiten Lesung: 8 Zwirn aus Rohseide (Nähseide, Knopflochseide u. s. w.) ge⸗ btt e 1) Waaren aus Seide oder Floretseide, auch in Verbin⸗ dung mit Metallfäden; Waaren aus Seide, gemischt mit anderen Spinnmaͤterialien und zugleich in Verbindung mit Metallfäden: b11416“ 7. gemustert, zwei⸗oder mehrfarbig, Gaze, Crèpe, Flor 800 „ 2) Spitzen, Blonden und Stickereien, ganz oder theilweise aus für 100 kg. Anmerkung zu e 1: Tülle, roh oder gefärbt, ungemustert für 100 kg fotgende Fassung: b 8 d. Zwirn aus Rohseide (Nähseide, Knopflochseide ꝛc.) gefärbt undddm1““ e. 1) Waaren aus Seide oder Floretseide, auch in Verbindung mit Metallfäden; Waaren aus Seide, gemischt mit anderen Spinn⸗ materialien und zugleich in Verbindung mit Metallfäden 800 ℳ 2) Spitzen, Blonden und Stickereien, ganz oder theilweise aus eide “ 600 ℳ oder theilweise aus —. 1000 ℳ
250 ℳ
3) Gaze, Crépe und Flor, ganz für 100 kg. 8 Anmerkung zu e 1:
Tülle, roh oder gefüärbt, ungemustert 250 ℳ und schließlich sollen in Position f.alle nicht unter e. begriffenen Waaren aus Seide oder Floretseide in Verbindung mit Baumwolle, Leinen, Wolle oder anderen animalischen Stoffen oder vegetabilischen Spinnstoffen anstatt mit 300 ℳ wie bisher mit 450 ℳ verzollt werden.
Der Abg. Dr. Bamberger erklärte, in der Vorlage der verbündeten Regierungen, denen man doch ein Uebermaß von Blödigkeit in diesen Dingen nicht vorwerfen könne, seien nur die Spitzen, Blonden und Stickereien von 600 auf 800 ℳ hinaufgesetzt worden. Diese Position sei aber, da man in Rücksicht auf die Konfektion die Spitzen nicht habe vertheuern wollen, in zweiter Lesung nicht angenommen. Hingegen habe die Freie wirthschaftliche Vereinigung eine Erhöhung von ge⸗ musterter Seide, zwei⸗ oder mehrfarbig, Gaze, Crépe, Flor auf 800 ℳ, also um 200 mehr formulirt; ein Antrag Trim⸗ born auf eine viel stärkere Hinaufsetzung bieser Zölle, der in der zweiten Lesung ohne Vorbereitung in die Debatte hinein⸗ geschneit sei, sei aber trotz einer huldvollen Erklärung von Seiten des Bundesrathstisches nach eingehender Erörterung abgelehnt worden. Wenn man dadurch für die Seiden⸗ fabrikanten Entschädigung suche, daß man die Waaren vertheuere, so werde entweder in diesen oder in anderen Waaren, die in Deutschland produzirt würden, eine Ein⸗ schränkung am Konsum stattfinden müssen, und die Rechte habe so Andere wieder geschädigt, die dieselbe nicht habe schä⸗ digen wollen. Es komme hinzu, daß diese schon sehr hoch be⸗ steuerten Artikel eine gewisse Anziehungskraft auf die Lust, Zölle festzusetzen, ausgeübt hätten, weil es Luxusgegenstande seien, aber auch Luxuszölle könnten nicht in infinitum gesteigert werden; es gebe eine Grenze, wo die Zölle abschreckend wirken könnten. Das Mystische an dieser ganzen Schutzzollpolitik sei das Stehenbleiben auf halbem Wege. Der Abg. Gamp habe neulich in seiner Rede über die Getreidezölle gesagt, er (Redner) übersehe bei seinem Bedenken die Thatsache, daß die Ersparnisse, die dem Steuerzahler, dem Konsumenten durch die Zölle aufgezwungen würden, ja nicht an demselben Gegen⸗ stand gemacht zu werden brauchten, auf den sie zunächst wirken sollten. Das übersehe er gar nicht, sondern da sei er mit dem Abg. Gamp ganz einverstanden. Warum wolle die Rechte die Preise für Seide und Seidenwaaren so hoch steigern, daß nur der Allerreichste sie erschwingen könne? Er sehe hierin geradezu eine Begünstigung des höchsten Reichthums, welche eine Ungerechtigkeit gegen die mittleren Klassen sei. Unter dem Titel Gaze sei auch die „Müllergaze“ enthalten, welche zur Fabrikation feiner Mehle gebraucht werde. In diesem feineren Mehl werde Deutschland von Oesterreich eine namhafte Konkurrenz gemacht, deshalb erhöhe die Rechte die Mehlzölle im Interesse dieser Industrie und nun wolle die⸗ selbe der Industrie hier ein Hinderniß bereiten? Die ‚Freie wirthschaftliche Vereinigung“ sei ein Staat im Staate gewor⸗ den. Man wisse zwar nicht, auf welchem Verfassungspara⸗ graphen sie bestehe, sie sei ein Parlament im Parlamente, welches lediglich Zollerhöhungen, die nicht begründet werden könnten, durchbringen müsse. Schließlich sprach sich der Redner für die admission temporaire, wie sie in Frankreich bestehe, aus und befürwortete deren Einführung. Von der Krefelder Industrie wünsche nur ein kleiner Theil die Zollerhöhung.
Der Abg. Dr. Frege erklärte, daß die freie wirthschastliche
Vereinigung keine angenehmen Empfindungen in dem Vor⸗ redner hervorgerufen habe, sei ihm nicht neu. Aber es habe ihn doch überrascht, daß der Abg. Dr. Bamberger auch heute wieder nur alte Behauptungen wiederholt habe. Wenn sich drei Parteien des Hauses zusammengethan hätten, um der Noth der Zeit entgegenzutreten, so brauchten sich dieselben dieses Thuns nicht zu schämen, und auch die Linke sollte sich belehren lassen, daß es um eine Sache nicht schlecht bestellt sein könne, für die drei große Parteien hier im Hause fast geschlossen eintreten würden. Der Vorredner frage, welcher Verfassungsparagraph die freie Vereinigung zusammen⸗ geführt habe; derselbe, der die Herren von der Sezession mit der Fortschrittspartei vereine. Der Abg. Bamberger habe sich
weiter gegen die Behauptung gewendet, daß die Industrie für diese Zollerhöhung eingetreten sei. Das wundere ihn nicht. Er wisse, daß es die Linke unangenehm berühre, wenn auch die Industrie den Schutzzoll unterstütze, denn die Linke hoffe noch immer, daß die Industrie sich wieder zu ihren frei⸗ händlerischen Anschauungen bekehren werde. Für seine Partei handele es sich hier um zweierlei, entweder der admission temporaire zuzustimmen oder einen besseren Schutz für die Seidenindustrie herbeizuführen. Seine Partei habe sich, um den Nothstand dieser Industrie abzustellen, mit den verbün⸗ deten Regierungen für den zweiten Weg entschieden. Von einem unüberlegten Entschlusse könne hierbei nicht die Rede sein. Seine Partei habe nach Beendigung der zweiten Lesung noch einmal Erkundigungen eingezogen, auf denen die Vor⸗ schläge der freien wirthschaftlichen Vereinigung beruhten. Er bitte dieselben anzunehmen.
Der Staatssekretär von Burchard entgegnete, der jetzige Antrag gehe davon aus, daß es nothwendig sei, der Krefelder Industrie neue Beschäftigung zuzuführen. Wenn der Abg. Bamberger sage, daß nur ein kleiner Theil der Krefelder Firmen die Zollerhöhung selbst wünsche, da sich 25 dafür und 90 dagegen ausgesprochen hätten, so sei das nach den der Re⸗ gierung zugegangenen Anträgen nicht richtig. Er habe hier eine Eingabe von 50 Firmen in Krefeld, die sich ent⸗ schieden dafür ausgesprochen hätten, daß eine Zollerhöhung ins Leben trete. Zerade dadurch würde der Seidenindustrie die Mögl chkeit gegeben, sich Artikeln zuzuwenden, deren Pro⸗ duktion bis jetzt nicht mit Nutzen in Angriff genommen werden könne. Die Regierung sei nicht mit jeder Zollerhöhung ein⸗ verstanden, sie habe die Erhöhung der Leder⸗, der Cement⸗ und der Superphosphatzölle abgelehnt. Hier handle es sich um einen Luxuszoll, der leicht getragen werden könne.
Der Abg. Trimborn bat ebenfalls, den Antrag der freien wirthschaftlichen Vereinigung anzunehmen, für den sich auch die Mehrheit der Industriellen des ganzen Niederrheins, von Krefeld, Barmen, Elberfeld, Rheydt und München⸗Gladbach ausgesprochen habe, den sie sogar theilweise auch noch nicht für genügend ansehe. Durch die Annahme der Erhöhung würden am Nieverrhein über 5000 Handstühle von Neuem in Bewegung gesetzt werden.
Die Anträge der freien wirthschaftlichen Vereinigung zu den beiden Tarifnummern wurden angenommen.
Bezüglich der Positionen künstliche BZlumen, Kurze Waaren (Taschenuhren), Leinengarn, Lichte, literarische und Kunstgegenstände verblieb es bei den Be⸗ schlüssen zweiter Berathung.
Es folgte Nr. 14 des Zolltarifs: „Materialwaaren“.
Gegen die in zweiter Lesung beschlossenen Zollsätze auf Branntwein und Schaumweine wurde Widerspruch nicht er⸗ hoben; bei der Position Fleisch wurde ein Antrag der Abgg Dr. Baumbach und Broemel: Lungen, Lebern, Herzen und Nieren von Schweinen statt mit 20 nur mit 12 ℳ zu verzollen, ab⸗ gelehnt, die Beschlüsse zweiter Lesung definitiv genehmigt.
Auch die in zweiter Lesung beschlossene Tarifirung von Fischen, Geflügel, Gewürzen, Honig, Kakao, Kaviar, Kakao masse, Krastmehl, Puder, Stärke, Nudeln, Makkaroni wurde ohne Debatte unverändert bestätigt.
Den Zoll auf Mühlenfabrikate hatte das Haus in zweiter Lesung auf 7,50 ℳ erhöht; die Abgg. von Vollmar und Kröber beantragten die Wiederherstellung der Regierungs⸗ vorlage, wonach der jetzige Zollsatz von 3 ℳ nur auf 6 ℳ erhöht werden sollte.
Der Antrag wurde abgelehnt, der Beschluß zweiter Lesung aufrecht erhalten. Dasselbe geschah hinsichtlich des Eingangs⸗ zolles für Muscheln, Austern, Hummern und Schildkröten.
Für Reis zur Stärkefabrikation ist in zweiter Lesung eine Zollerhöhung auf 3 ℳ beschlossen; die Abgg. von Fischer und Dr. Möller beantragten Ermäßigung auf 2 ℳ
Der Abg. Dr. Moeller erklärte, er bitte, die Reisstärke⸗ sabrikation, die sich auf Grund der früheren Zollfreiheit ihres Rohmaterials etablirt und schon bei dem seither eingetretenen Zollsatze mit großen Schwierigkeiten gekämpft habe, nicht durch die Zollerhöhung auf 3 ℳ in einem Grade zu belasten, der ihren Fortbestand geradezu gesährden würde. Man wolle berücksichtigen, daß das auswärtige Geschäft in diesem Artikel durch die belgische und englische Konkurrenz, über die ja von der Rechten bei anderen Gegenständen so oft geklagt sei, sehr ge⸗ drückt werde. Die dortigen Fabriken befänden sich meist in Hafenstädten, hätten also keine Eisenbahnfracht weder für das eingeführte Rohmaterial, noch für das auszuführende Fabrikat zu tragen. Dagegen hätten die Fabriken in Ostpreußen unter der Ungunst der geographischen Lage gelitten, die auch durch die Aussuhrvergütung nicht ausgeglichen werde. Die beabsichtigte Zollerbhöhung würde nun auch das inländische Geschäft in Reisstärke unmöglich machen, denn es würde die wohlfeilere, ganz steuerfreie Kartoffelstärke sie mehr und mehr verdrängen. Eine Konkurrenz der Reis⸗ mit der Weizenstärke finde schon deshalb nicht statt, weil beide ganz verschiedene Ver⸗ wendung fänden. Für die Kattundruckerei, Appretur, Papier⸗ fabrikation u. s. w,, in denen die Weizenstärke ihren bedeutendsten Absatz finde, sei die Reisstärke nicht geeignet. Dazu komme, daß die Weizenstärkefabrikation ohnehin in günstigerer Lage sei, weil der als Nebenprodukt gewonnene Kleber ungleich werthvoller sei als der Rückstand bei der Reisstärkebereitung. Auch müsse die letztere ihr gesammtes Rohmaterial voll verzollen, während zu Weizenstärke auch geringwerthige Sorten inländischen Weizens dienten, die nicht um den vollen Betrag des Zolles vertheuert würden. Aus diesen Gründen bitte er, den Zollsatz für den zur Stärkefabri⸗ kation unter Kontrole eingeführten Reis nur auf 2 ℳ zu erhöhen.
1 Die Abgg. Dr. Freiherr von Heereman und Nobbe bekämpften den Antrag, für den noch der Abg. von Fischer eintrat.
Der Zollsatz von 3 ℳ blieb unverändert, ebenso die Positionen Thee, Oel und Fette, nachdem der Staats⸗ Minister von Boetticher die Erklärung abgegeben hatte, daß bezüglich der Herbeiführung eines höheren Zolles auf Kunst⸗ butter die Reichsregierung bereits mit der Königlich preußischen Regierung in Verbindung getreten sei und eine Enquete ins. Auge gefaßt habe, um der Landwirthschaft den berechtigter Weise von ihr begehrten Schutz zu gewähren.
In einer Anmerkung zur Position 29 (Petroleum) war bestimmt worden, daß der Bundesrath befugt ist, Mineral⸗ öle unter Kontrole frei einzulassen, wenn die daraus gewonnenen Produkte nachher wie ausländische behandelt, d. h. verzollt werden. 8
Der Abg. Dr. Meyer (Halle) beantragte statt dessen zu sagen, daß sie beim Uebergang in den freien Verkehr mit 6 ℳ zu verzollen seien
Nachdem der Staatssekretär von Bur ard ege Aenderung ausge prochen hatte, wurde meesbar L- 8 Position Unneründert angenommen.
Der Präsident schlug vor, die weitere Be 1.
Abend 8 Uhr stattfinden zu lassen und dritte Berathung der Novelle zum spanischen Handelsvertrag vorzunehmen. Letzteres sei geschästsordnungsmäßig nur zulässig, wenn weniger als 15 Mitglieder widersprechen.
Der Abg. Kayser bemerkte, da er vor dem Lande konsta⸗ tiren wolle, daß er mit dieser sausenden Galoppberathung nicht einverstanden sei, widerspreche er auf Grund der Geschäftsordnung dem Vorschlage, den spanischen Handels⸗ ne r beratheu.
der Widerspruch des Abg. Kayser wurde durch m 15 Mitglieder, sämmtlich Sozlaldemtraten 8e 8
Der Präsident ertheilte dem Abg. Kayser wegen des Aus⸗ drucks „sausende Galoppberathung“ einen Ordnungsruf.
Der Abg. Kayser beantragte nunmehr, noch die weitere Berathung des Entwurfs, betreffend die Sonntagsruhe der Arbeiter, heute Abend vorzunehmen.
Dieser Vorschlag wurde abgelehnt.
Der Abg. von Helldorff konstatirte, daß der Vorwurf einer zu schnellen Berathung jedenfalls nicht auf die Novelle zum spanischen Handelsvertrag bezogen werden könne, wegen
dessen doch gerade der Abg. Kayser seinen Widerspruch erhoben dise Abg. Hasenel 1 er Abg. Hasenclever erklärte, auch er protestire ge⸗ die beschleunigte Berathung der Vorlagen; * 8 5 sein Schäfchen scheeren wolle, so solle man es wenigstens mit Anstand thun.
Der Präsident erklärte, der Abg. Hasenclever werfe dem Reichstag vor, derselbe wolle sein Schäschen scheeren; er rufe den Aög. Hasenclever dafür zur Ordnung.
8 uerang vertagte sich das Haus um 4 ³ Uhr auf Abends
r.
— Die vorgestrige Abendsitzung des Reichstages, welcher der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Staats⸗ Minister von Puttkamer, die Staats⸗Minister Dr. Lucius und von Boetticher, der Staatssekretär des Reichs⸗Schatzamts von Burchard sowie mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundes⸗ rath und Kommissarien desselben beiwohnten, wurde vom Präsidenten um 81¼ Uhr eröffnet.
Das Haus setzte die dritte Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des Zolltarif⸗ gesetzes vom 15. Juli 1879, auf Grund der Zusammenstellung der in zweiter Berathung gefaßten Beschlüsse fort. Die Be⸗ rathung begann bei der Position 33 Steine und Stein⸗ waaren.
In der Anmerkung zu dieser Position ist bestimmt, daß Dachschiefer, rohe Schieferplatten und roher Tafelschiefer see⸗ wärts eingehend einen Zoll von 50 ₰ tragen soll. Die freie wirthschaftliche Vereinigung beantragte eine andere redaktionelle Fassung der gesammten Position. Der Abg. Gebhard bean⸗ tragte die gleiche Bestimmung auch für den von den See⸗ städten an der Elbe eingehenden Schiefer.
Nachdem der Staatssekretär von Burchard sich dagegen ausgesprochen hatte, wurde der Antrag Gebhard abgelehnt und die Position angenommen.
Stroh⸗ und Bastwaaren und Thonwaaren blieben unver⸗ ändert.
Es folgten die Viehzölle. beantragte solgende Anmerkung:
Für Bewohner des Grenzbezirkes dürfen unter den vom Bundesrath vorzuschreibenden besonderen Kontrolen Zugochsen von 2 l bis 5 Jahren, d. i. mit 4 bis 7 Zähnen incl. zu dem Zollsatze von 20 ℳ pro 1 Stück eingelassen werden, sofern sie zum eigenen Wirthschaftsbetrieb nachweislich nothwendig sind.
Der Abg. Dr. Diendorfer empfahl seinen Antrag dem Wohlwollen der verbündeten Regierungen. Der bayerische Wald würde durch den Zoll erheblich geschädigt. Die Grenz⸗ bewohner müßten das Vieh theuer bezahlen und dem Schmuggel würde Thür und Thor geöffnet. Er sei prinzipiell kein Frei⸗ händler; er müsse zugeben, daß mit den Schutzzöllen Miß⸗ griffe gemacht werden könnten; ob sie aber gemacht seien, sei eine andere Sache. Hier aber sei ein Mißgriff gemacht worden. Er bitte deshalb dringend im Interesse der Grenzdistrikte, seinen Antrag anzunehmen.
Der Staats⸗Minister Dr. Lucius erwiderte, gegen die Annahme des Antrages hätten die verbündeten Regierungen nichts einzuwenden.
Der Abg. Kröber nahm den von dem Abg. Dienborfer fallengelassenen Prinzipalantrag wieder auf; derselbe autet:
Der Abg. Dr. Diendorfer
einschließlich 7 große Zähne) 1 Stück 20 ℳ
5) Aeltere Ochsen und Mastochsen 1 Stück 30 ℳ
d. Jungvieh bis zu 2 ½ Jahren (Kennzeichen: 4 große Zähne incl., ohne Ausnahme) Stück 6 ℳ
Der Antrag Kröber wurde abgelehnt, die Anmerkung nach dem Antrage Diendorfer angenommen, im Uebrigen die Viehzölle ohne Debatte nach den Beschlüssen der zweiten Le⸗ sung erledigt.
In der Position „Wolle“ war in zweiter Lesung für hartes Glanzgarn aus langhaariger, in England produzirter Wolle eine Zollermäßigung von 8 bezw. 10 und 12 ℳ auf 3 ℳ beschlossen. 1 Die freie Fassung: Länge“.
Der Abg. Penzig schlug vor, zu sagen „hartes Kamm⸗ garn aus langhaariger Glanzwolle.“
Die Position wurde nach dem Antrag der freien wirth⸗ schaftlichen Vereinigung angenommen.
Damit war die dritte Berathung des Tarifs beendigt.
Es folgte nunmehr die Berathung des Gesetzestextes.
Der Abg. Rickert beantragte zu §. 1, daß bezüglich der Getreidetransitlager die ausgeführte Menge von Getreide als die zollfreie Menge der Durchfuhr angesehen werden solle, damit würde der Nachweis der Identität wegfallen.
Der Abg. Dr. Freiherr von Heereman beantragte, der Reichskanzler möge die Frage diefer Transitläger und der ihnen zu gewährenden Erleichterungen einer besonderen Prü⸗ fung unterwerfen und dem Reichstage in der nächsten Session Abänderungsvorschläge machen.
Der Staatssekretär von Burchard entgegnete, diese schwie⸗ rige Frage bedürfe einer sehr eingehenden Prüfung, ehe sich das Haus darüber schlüssig machen könne. Der Bundesrath müsse sich darüber seine Entschließung vorbehalten. Er hebe hervor, daß der Antrag der Reichskasse einen erheblichen Aus⸗
wirthschaftliche Vereinigung beantragte die „hartes Kammgarn aus Glanzwolle über 20 Ctm.
c. a) Zugochsen von 2 ⅞ bis 5 Jahren (Kennzeichen: 5 bis 8
und gegen die Regierung einlegen. g 9g
ü
fall bringen würde. Er bitte, den Antrag Rickert abzulehnen und stelle anheim, den Antrag von Heereman 5. 8
Der Abg. von Kardorff erklärte, daß seine Partei für Antrag Heereman stimmen werde trotz mancherlei Be⸗
enken.
Der Antrag Rickert wurde abgelehnt, der waeeeer. angenommen.
Im Uebrigen wurde der Text des Gesetzes unverändert nach den Beschlüssen zweiter Lesung genehmigt. 8 — Hierauf genehmigte das Haus den §. 3 in folgender Fassung: 1 Dieses Gesetz tritt für die Tarifpositionen des §. 2 in
Antrag von
Kraft: a. Nr. 11 a Anmerkung (Kokosfasern ꝛc.), 14 a (Branntwein ꝛc.), 14g 1 und 2 (Kraftmehl ꝛc., Nudeln ꝛc.), sofort; b. bezüglich der in Nr. 5 /d a enthaltenen Artikel mit Ausnahme . vn und Rübsaat, der Nr. 8e 1 (Bau⸗ und Nutz⸗ volz ꝛc.); ferner bezüglich des in Nr. 22 enthaltenen Artikels (hartes Kammgarn ꝛc); “ am 1. Oktober 1885; 1 1 c. bezüglich der Nr. 5 i (Cichorien ꝛc.): am 1. Januar 1886.
. Für Strontianapparate beantragte der Abg. Dr. Meyer (Halle), den Termin des Inkrafttretens des Zolles von 2 ℳ bis 1. Januar 1887 hinauszuschieben.
Der Abg. Dr. Meyer (Halle) erklärte, er wolle durch seinen Antrag die Gefahren des Strontianzolles für die Zucker⸗ industrie in die Ferne rücken, bis eine Aenderung der Rüben⸗ zuckersteuer bis 1887 erfolgt sei.
Der Abg. von Kardorff hielt diesen Antrag für eine Um⸗ gehung des Strontianzolles. Es sei dies ein ganz minimer Zoll; andernfalls würde man nur englischen Interessen dienen.
Der Antrag Meyer wurde mit 169 gegen 127 Stimmen abgelehnt.
Der Abg. Richter beantragte, den Termin des Inkraft⸗ tretens des Gesetzes für geschlemmte Kreide bis 1. Juli 1886 hinauszuschieben. Der Abg. Richter begründete seinen Antrag damit, daß die Schlemmkreide jetzt unter „Droguen“ aus „Erden“ versetzt sei und daß der Handelsvertrag mit der Schweiz am 1. Juli 1886 ablaufe; der gestern bei Annahme des Zollsatzes begangene Fehler könne nur dadurch gut ge⸗ macht werden, daß der Einführungstermin dieses Zollsatzes bis zu dem genannten Termine ausgesetzt werde, andernfalls würde Deutschland sich dem Auslande gegenüber leicht des Verdachtes der Vertragsverletzung aussetzen. Bisher sei dieser Artikel unter den Erden tarifirt gewesen und so durch Han⸗ delsverträge gebunden. Später sei nun die Kreide unter die Apothekerwaaren und Droguenartikel gesetzt worden, um so die Handelsverträge zu umgehen; das stelle sich als ein Bruch der deutschen Verfassungstreue dar. (Lärm rechts. Rufe: Zur Ordnung!) Zur Ordnung müßten diejenigen gerufen werden, welche diesen Vertragsbruch gutgeheißen hätten.
Derr Präsident erklärte, er müsse dem Redner die Befug⸗ niß absprechen, in der Weise über die zu urtheilen, welche einen Beschluß gefaßt hätten. (Ruse des Abg. Braun: Es sei ja noch kein Gesetz.) Er bitte den Abg. Braun sich jeder Kritik seiner Geschäftsführung zu enthalten. Er rufe den Abg.
Richter zur Ordnung.
Der Abg. Richter (fortfahrend): Er habe sich noch lange nicht so geäußert, wie es der Reichskanzler gethan hätte. „Was Du nicht willst, daß Dir gescheh', das thue auch keinem andern.“ Wenn andere Staaten in ähnlicher Weise eskamo⸗ tiren wollten, so sei er der Ueberzeugung, daß der Reichs⸗ kanzler ein Weißbuch herausgeben würde mit so scharfen Noten über das Verfahren anderer Staaten, wie es dem Hause kaum zu Gesicht gekommen sei. Wenn das Haus diesen Weg beschreite, so schädige es die Handelsverträge und das Ansehen Deutschlands im Auslande. Wenn das Haus einmal den Zoll wolle, so setze es den Termin fest bis zu einer Zeit, wo der Handelsvertrag in Bezug auf diesen Artikel abgelaufen sei, bis zum 1. Juli 1886.
Der Staatssekretär von Burchard erwiderte, er müsse seinem Befremden Ausdruck geben, daß der Abg. Richter sich berufen gefühlt habe, die Interessen des Auslandes hier zu wahren. Er sehe sich dem gegenuͤber genöthigt, die Regierung gegen die Interpretation zu verwahren, welche nach der Ansicht des Abg. Richter die Regierung den Handelsverträgen beilegen könnte. Er finde keinen richtigen Ausdruck, um dieses Ver⸗ fahren des Abg. Richter zu kennzeichnen. Die deutsche Reichs⸗ regierung sei sich bewußt, daß sie im Ausland und auch wohl im Inland sich des Ansehens und des Rufes erfreue, daß sie bemüht sei, alle ihre Verpflichtungen dem Auslande gegenüber zu erfüllen. Der Abg. Nichter scheine seine Ausführungen bezüglich des Kreidezolls nicht gehört zu haben. Er habe gesagt, der Zoll könne immerhin im Tarife stehen, ohne daß derselbe den meistbegünstigten Nationen gegenüber angewendet werde. Besonders habe er angeführt, daß der Schweizer Handelsvertrag kein Hinderniß gegen die Einführung eines Kreidezolls bieten würde. Die Frage würde im Bundesrath einer eingehenden loyalen Prüfung unterworfen werden, und wenn man zu dem Resultat komme, daß es nicht im deutschen Interesse liege, einen Zoll einzuführen, so würde die Regierung sich diesem Zoll gegenüber ablehnend verhalten. Der Abg. Richter scheine weder den deutschen noch den schweizer Tarif zu kennen. Im deutschen Tarif stehe die rohe Kreide aller⸗ dings unter Erden, aber geschlemmte Kreide unter Droguen, ebenso auch im schweizer Tarif. Auch im amtlichen Waaren⸗ verzeichniß sei geschlemmte Kreide zu den Droguen gerechnet. Wenn der Abg. Richter vorschlage, als Termin für den Kreidezoll den 1. Juli 1886 festzusetzen, so wolle derselbe damit verhindern, daß der Zoll früher in Kraft trete, als der schweizer Handelsvertrag ablaufe. Dieser Zweck werde nur unvollkommen erreicht, der schweizer Hank
delsvertrag verlängere sich stillschwweigend, wenn derselbe nicht gekündigt werde, und dürfte letzterer Fall nicht zu den Unmöglichkeiten gehören. Er müsse zum Schluß nochmals lebhafteste Verwahrung gegen die Beschuldigungen des Abg. Richter gegen die Majorität Er glaube, dieselben werden nicht dazu beitragen, den Ruf und das Ansehen zu beeinträchtigen, dessen sich die Kaiserliche Regierung im In⸗ und Auslande erfreue.
Der Abg. Richter erklärte, er habe nur die Rede wieder⸗ holt, die der Staatssekretär selbst gehalten habe. Heute aber gelte die Meinung nur nach Tagen, man erkläre kurz nach⸗ einander das Allerentgegengesetzteste. Er wahre nicht Inter⸗ essen des Auslandes, sondern zunächst diejenigen, die auch Deutschland in seinem ganzen Export habe und die man
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schädigt werden solle, wie das beutsche Reich das Ausland schädige, indem es bestehende Venräge nicht berücksichtige. Dann sei es aber auch eine Ehrenfrage, daß man diese Ver⸗ träge achte. Der Staatssekretär habe früher selbar erklärt, daß im Waarenverzeichniß die Kreide immer unter (örden ge⸗ standen habe, und daß man die geschlemmte Kreide nicht anders behandeln könne als die rohe Kreide⸗
Der Staatssekretär von Burchard entgegnete, in seiner Rede habe er nicht vom Tarif, sondern vom Vertrag ge⸗ sprochen. Dieser habe die verbündeten Regierungen vinkukrt. Der schweizer Handelsvertrag habe so interpretirt werden müssen, wie derselbe nach allgemeinen Gesetzen zu interpretiren gewesen sei.
Der Abg. von Kardorff bemerkte, der Abg. Richter habe das Bedürfniß empfunden, die Ehre des Vaterlandes zu wahren. Die Ehre des Vaterlandes ruhe am sichersten in den Händen der Regierung. Er halte die Anariffe des Abg. Rich⸗
ter auf die Regierung für unwürdige Insinuationen. 8 von Kardorff wegen dieser
Der Präsident rief den Abg. Aeußerung zur Ordnung. 8 .„Der Abg. Richter erklärte, zur Zeit des Vertragsabschlusses habe Schlemmkreide zu den Farben gehört, das sei nicht aus der Welt zu schaffen.
Der Staatssekretär von Burchard entgegnete, daß ge⸗ schlemmte Kreide nicht nach dem deutschen Tarif zu den Far ben, sondern zu den Droguen gerechnet sei, dasselbe thue auch bei sich die Schweiz. Es sei gar nicht gesaat, daß von der — der Schweiz gegenüber Gebrauch gemacht werde.
Die Diskussion wurde geschlossen.
Der Antrag Richter wurde abgelehnt.
Den Petroleumzoll (mineralische Schmieröle) be⸗ antragte Abg. Dr. Meyer (Halle) bis 1. Juli 1886 hinauszu⸗ schieben. 85* Fateae wurde abgelehnt. “
Für alle übrigen im Tarif aufgeführten Gegenstände ein⸗ schließlich Raps und Rübsaat tritt der Tarif 8 1. Juli in Kraft. Schließlich erhält §. 3 auf Antrag der freien wirth⸗ schaftlichen Vereinigung folgenden letzten Absatz:
„Für denjenigen in Spanien oder einem der vertragsmäßig meist⸗ begünstigten Staaten nachweislich produzirten Roggen, welcher auf Grund von nachweislich vor dem 12. Mai 1885 abgeschlossenen Verträgen eingeführt wird, kommt der Zollsatz von 1 ℳ pro 100 kg zur Anwendung, sofern die Einfuhr der Waare bis zum 1. August 1885 erfolgt.
Bezüglich der Führung des Nachweises über den Vertrogs abschluß, sowie bezüglich der Einfuhr solchen Roaggens über Häfen des Zollauslandes, finden die Bestimmungen des §. 2 a dieses Ge⸗ setzes analoge Anwendung.
§. 4 erhält folgende Fassung:
Der Reichskanzler wird ermächtigt, den Tert des Zolltarif⸗ gesetzes vom 15. Juli 1879, wie er sich aus den Aenderüͤngen er⸗ giebt, welche in diesem Gesetz und den Gesetzen vom 6. Juni 1880 (Reichs⸗Gesetzblatt Seite 120), 19. Juni 1881 (Reichs⸗Gesetzblatt Seite 119), 21. Jani 1881 (Reichs⸗Gesetzblatt Seite 121) und 23. Juni 1882 (Reichs⸗Gesetzblatt Seite 59) festgestellt sind, durch das Reichs⸗Gesetzblatt bekannt zu machen.
Schließlich wurden die in zweiter Lesung diskutirten Re⸗ solutionen Franckenstein (Exportvergütung für Zuckerwerk, Kakaofabrikate) und die der Kommission angenommen. Letztere lauten:
1) den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, Schritte zu thun, um
die RückzZahlung des von den deutschen Kokoswaarenfabrikanten
seit dem 1. Januar 1884 gezahlten Zolls auf Kokosgarne, soweit die betreffenden Garne zur Fertigung von Decken und ähnlichen
Gegenständen Verwendung fanden, herbeizuführen.
2) den Bundesrath zu ersuchen, über Umfang und Art des Handels mit pharmazeutischen Spezialitäten Ermittelungen an⸗ zustellen und geeignete Vorschläge zur Beseitigung der mit diesem Handel verbundenen Schädigungen des Publikums zu machen;
3) den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, die Frage einer ander⸗ weiten Normirung der Zölle für Leder⸗ und Lederwaaren einer Prüfung zu unterwerfen und nach dem Ergebniß derselben dem Reichstage in der nächsten Session die entsprechenden Abänderungs⸗ vorschläge zu machen.
In namentlicher Abstimmung wurde darauf die Zoll⸗
tarifnovelle im Ganzen mit 199 gegen 105 Stimmen an⸗ genommen. Der Antrag Kayser, den Antrag wegen der Sonntags⸗ ruhe auf die nächste Tagesordnung zu setzen, wurde abgelehnt. Hierauf vertagte sich das Haus um 11 ¾ Uhr auf Frei⸗ tag 10 Uhr.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Von Teschs Katechismus für die Prüfungen zum Subalternbeamten I. u. II. Klasse des inneren Dienstes⸗ und zum technischen Eisenbahnsekretär der Staats⸗ Eisenbahnen, welcher hierselbst im Verlage von Frz. Siemenroth⸗ erscheint, ist vor Kurzem die Doppal⸗Lieferung 4/5 veröffentlicht worden. Dieselbe enthält von der Abtheilung 2 (Etats⸗, Kassen⸗ und Rechnungs⸗ wesen) die 6 letzten Unterabtheilungen des 3 Abschnites (Rechnungs⸗ wesen), betreffend Stempelangekegenheiten, Amtskautionen; Tage⸗ gelder, Reisekosten und Nebenemolumente; Umzugskosten, Wohnungs⸗ geldzuschüsse, Dienstwohnungen: ferner die ganze 3. Abtheilung: „Ver⸗ fassung und Verwaltung des preußischen Staates und des Deutschen Reiches“, und von Abtheilung 4 (Gesetze und Verordnungen zur Abth. 1, 2 und 3): 1) das Gesetz über die Eisenbahnunternehmungen, 2) das Gesetz über die Enteignung von Grundeigenthum, 3) die Hinterlegungsordnung, 4) einen Auszug aus der Grundbuchordnung, 5) das Rezulativ der Eisenbahn⸗Kommifsariate detreffend, 6) das Gesetz, betreffend die Cinrichtung eines Reichs⸗Eisenbahnamtes, 7) das Gesetz, betreffend die von den Eisenbahnen zu entrichtanden Abgaben und 8) den Anfang des Gesetzes, betreffend die Verbindlich⸗ keit zum Schadenersatze für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen ꝛc. herbeigeführten Tödtungen und Körperverletzungen.
— Die Buch⸗ und Antiquariatshandlung von Ott? Har⸗ rassowitz in Leipzig hat den antiquarischen Katalog 114 „Lingnistik 3. Abtheilung: Semitische, ural⸗altaische und die uübrigen nicht indogermanischen Sprachen“ versandt. Derselbe euthält ein Verzeichniß von 970 Schriften unter folgenden Rubriken: I. Allgemeine und vermischte Schriften; II. Semitische Völker (Algemeine Schrifhen, Assyrisch, Aramäisch Sprisch,. Chaldäisch, Samaritanisch], Hebréäisch, Phönizisch, Arabisch Himjarisch und Maltesisch, Abessinische Sprachen); III. Hamitische Sprachen (Alt⸗ vnd Neusgyplisch, Koptisch); IV. Uebrige Afrikanische Sprachen; V. Ural⸗Altaische Sprachen (Tungusisch, Mongolisch, Samojedische Sprachen. Ural⸗Altaische Sprachen, Türkische Sprachen, Finnisch⸗ungarische Sprachen); VI. Davidische Sprachen; VII. Einsilbige Sprachen (Chinesisch, Hinterindische Sprachen, Tibetisch); VIII. Japanisch; IX. Malapisch⸗ Polynesische Sprachen; X. Argerikanische Sprachen; XI. Vereinzelt stehende Sprafhen (Baskisch, Jenissei⸗Ostjakisch, Aino, Kaukasische Sprachen).
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wahren müsse, wenn Deutschland nicht in gleicher Weise ge⸗