Das Aufgebot und die Amortisation verlorener oder ver⸗ nichteter Schuldverschreibungen erfolgt nach Vorschrift der §§. 838 und ff. der Civilprozeßordnung für das Deutsche Reich vom 30. Ja⸗ nuar 1877 (R.⸗G.⸗Bl. S. 83 und ff.) und §. 20 des preußischen Ausführungsgesetzes zur Deutschen Civilprozeßordnung vom 24. März 1879 (G.-S. S. 281 und ff.).
Zinsscheine können weder aufgeboten, noch amortisirt werden. Doch soll Demjenigen, welcher den Verlust von Zinsscheinen vor Ablauf der fünffährigen Verjährungsfrist bei dem Stadtrath anmel⸗ det und den stattgehabten Besitz der Zinsscheine durch Vorzeigung der Schuldverschreibung oder sonst in glaubhafter Weise darthut, nach Ablauf der Verjährungsfrist der Betrag der angemeldeten und bis dahin nicht vorgekommenen Zinsscheine gegen Quittung ausgezahlt werden. Mit dieser Schuldverschreibung sind zwanzig halbjaͤhrige Zinsscheine bis zum .. ten — 18. einschließsich ausgegeben. Für die weitere Zeit werden
insschene auf zehnjährige Perioden ausgegeben werden. ie Ausgabe einer neuen Zinsscheinreihe erfolgt bei der Stadtkasse zu Eschwege gegen Ablieferung der, der älteren Zinsscheinreihe bei⸗ egebenen Anweisung. 1 Beim Verluste der Anweisung erfolgt die Aushändigung der neuen Zinsscheinreihe an den Inhaber der Schuldverschreibung, wenn solche rechtzeitig zu diesem Zwecke vorgezeigt wird.
Zur Sicherung der hierdurch eingegangenen Verpflichtungen haftet die Stadt Eschwege mit ihrem gesammten Vermögen und ihren ämmtlichen Einkünften.
Dessen zu Urkunde haben wir diese Ausfertigung mit Stadt⸗ siegel und Zeichnung sämmtlicher Stadtrathsmitglieder, auch der eigenhändigen Namensunterschrift des Stadtschreibers versehen.
Eschwege, den . . ten. “
(Siegel.)
Beglaubigt:
N., qsbth UAnmerkung: Anzudrucken sind hier die §§. 5 und 10 der Verordnung vom 18. Dezember 1823.
Regierungsbezirk Kassel.
Erster (bis.) Zinsschein I. Reihe dem Anleihescheine der Stadt Eschwege N über Reichsmark der Anleihe von 18 .. b Der Inhaber dieses Zinsscheines empfängt gegen dessen Rückgabe am 1 EI Zinsen des vorgenannten Anleihescheines für das 1m Reichsmark. . . Pf. bei der Stadtkasse zu Eschwege.
Jbb11ö11A““
(Siegel.) Der Stadtrath.
N. N.
Anmerkung: Die Unterschriften der Mitglieder des Stadt⸗ raths können mit Lettern oder mit Faksimile⸗Stempeln gedruckt werden,
jedoch muß jeder Zinsschein mit der eigenhändigen Namensunter⸗ schrift eines Kontrolbeamten ersehen sein.
Provinz Hessen⸗Nassau.
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alenderjah gerechnet, erhoben wird.
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Dieser Zinsschein wird un innerbalb
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Provinz Hessen⸗Nassau. Regierungsbezirk Kassel. Anweisung u dem Anleiheschein
Inhaber dieser Anweisung empfängt gegen deren Rück⸗ abe zu dem Anleihescheine der Stadt Eschwege Litt.. . . Nr.... ber. ..Reichsmark des Anlehens von 18 . die ... Reihe
Zinsscheine vom 1. 18. ab laufend bis zum 18 .. einschließlich, bei der Stadtkasse zu Eschwege, sofern nicht von dem Inhaber der Schuldverschreibung gegen diese Ausreichung protestirt worden ist. — ee“ (Siegel.) Der Stadtrath.
Anmerkung: Die Unterschriften der Mitglieder des Stadt⸗ raths können mit Lettern oder mit Faksimile⸗Stempeln gedruckt werden, jedoch muß jede Anweisung mit der eigenhändigen Namens⸗ unterschrift eines Kontrolbeamten versehen sein.
Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und 8 Medizinal⸗Angelegenheiten.
Dem Realgymnasial⸗Direktor Dr. Friebe ist die Direktion des Real gymnasiums in Fraustadt übertragen worden.
Ministerium für Landwirthschaft, Domänen und Forsten
„Dem Kreis⸗Thierarzt Grebin zu Bublitz ist, unter Ent⸗ bindung von seinem gegenwärtigen Amt, die Verwaltung der Kreis⸗Thierarzistelle der Kreise Bütow und Rummelsburg, unter Anweisung seines Amtswohnsitzes in Rummelsburg, übertragen worden.
Nichtamtliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 21. Mai. Se. Majestät der Kaiser und König empfingen gestern Nachmittag den Be⸗ such Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen und hierauf den kommandirenden General des VIII. Armee⸗ Corps, General⸗Adjutanten Freiherrn von Loë.
Heute Nachmittag empfingen Se. Majestät den Besuch Ihrer Kaiserlichen Hoheiten der Kronprinzlichen Herrschaften.
— Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz besichtigte gestern Morgen auf dem Tempel⸗ hofer Felde die 3. Garde⸗Infanterie⸗Brigade und kehrte gegen Mittag nach dem Neuen Palais bei Potsdam zurück
— Der Bundesrath trat heute zu einer Sitzung zu sammen.
— Wenn Soldaten wegen angeblicher Ausschreitungen durch Waffenmißbrauch, welche dieselben außer dem Dienst be⸗ gangen haben sollen, beleidigt werden, so ist nach einem Ur⸗ theil des Reichsgerichts, II. Strafsenats, vom 24. Februar d. J., der béz. Regiments Commandeur zur Stellung eines Strafantrages gegen den Beleidiger berechtigt.
— Der vortragende Rath im Auswärtigen Amt, Wirk⸗ liche Legations⸗Rath Schöll, ist zum Kaiserlichen Konsul in Havre, unter Beilegung des bebqnn.“.“]
Charakters als General⸗Konsul,
— Der französische Botschafter am hiesigen Allerhöchsten Hofe, Baron de Courcel, ist nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Botschaft wieder übernommen.
— Der General⸗Lieutenont Freiherr von Loë, General⸗ Adjutant Sr. Majestät des Kaisers und Königs und komman⸗ dirender General des VIII. Armee⸗Corps, welcher gestern früh hier eingetroffen war, hat am Abend Berlin wieder verlassen.
— Der General⸗Lieutenant des Barres, Präses der Ober⸗Militär⸗Examinationskommission, hat einen fünfwöchent⸗ lichen Urlaub nach Eisenach und Bad Oeynhausen angetreten.
Sigmaringen, 19. Mai. Der „Schwäbische Merkur“ schreibt: Es ist eine nicht nur die Fürstliche Familie und die hiesige Bevölkerung beunruhigende und traurige Nachricht, welche wir mitzutheilen haben: auch weitere Kreise werden durch dieselbe vielfach schmerzlich berührt werden. Se. Königliche Hoheit der Fürst von Hohenzollern ist schwer erkrankt, und leider sind die Witterungsverhältnisse einer Besserung sehr im Wege stehend. Der Fürst hält sich zwar mit der ganzen Energie, die seiner thatkräftigen Natur von jeher eigen war, so viel als möglich aufrecht, und so dürfen auch wir die Hoffnung auf eine günstige Wendung nicht aufgeben. Die Theilnahme in der Bevölkerung ist ebenso allgemein als aufrichtig und warm. Se. Hoheit der Erbprinz ist gestern Nacht mittelst Sonderzugs hier eingetroffen. Hoch⸗ derselbe ist leider von mehrfacher schwerer Sorge gedrückt, in⸗ dem nicht nur die Besorgniß um den Fürstlichen Vater, son⸗ dern auch für seine erlauchte Gemahlin, welche in Meran weilt, ihn belasten. Wenn auch der Gesundheitszustand der hohen Frau nicht gerade zu ernsten Besorgnissen Anlaß giebt, so läßt derselbe gerade jetzt viel zu wünschen übrig. Auch Prinz Friedrich von Hohenzollern ist eingetroffen.
Ueber das Befinden des Fürsten wurde heute von dem Leibarzt folgendes Bulletin ausgegeben:
„Se. Königliche Hoheit der Fürst leiden seit einigen Tagen an größerer Schwäche, Schläfrigkeit und Benommenheit des Bewußtseins. Der Puls ist etwas unregelmäßig, der Appetit gering. Die vergan⸗ gene Nacht war ruhig. Se. Königliche Hoheit sind vollkommen schmerzfrei. Dr. Koch.“
Baden. Karlsruhe, 19. Mai. (Karlsr. Ztg.) Das heutige Bulletin des Geheimen Raths Dr. Tenner über das Befinden des Erbgroßherzogs sagt, daß zwar gestern Abend die Temperatur eine kleine Steigerung erfahren habe, daß Se. Königliche Hoheit aber heute wieder fieberfrei sei. „Tem⸗
peratur nicht ganz 37, Puls 68. Die Nacht über ununter⸗ brochenen Schlaf, von 9 bis 5 Uhr in der Frühe. Mit Appetit gefrühstückt.
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Allgemeinbefinden sehr gut.“
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 19. Mai. (Wien. Abdpost.) König Milan von Serbien ist heute früh aus Belgrad hier eingetroffen und wurde, da auf speziellen Wunsch jede offizielle Empfangsfeierlichkeit unterblieb, auf dem Bahnhofe nur von dem hiesigen serbischen Gesandten Milan Bogitchevitch und den Mitgliedern der Gesandtschaft empfangen.
— 20. Mai. (W. T. B.) Heute empfing der König von Serbien den Besuch Hes Kaisers, später auch denjenigen des Grafen Kalnoky.
Pest, 19. Mai. (Wien. Ztg.) Im Oberhause wurde heute der Gesetzentwurf über die Beschaffung des Betriebs⸗ kapitals für die Staatsbahnen und Eisenwerke nach einer kurzen Bemerkung des Grafen Ferd. Zichy in Be⸗ treff der Evidenzhaltung und nach der hierauf ertheilten Auf⸗ klärung des Finanz⸗Ministers im Allgemeinen und Speziellen einstimmig angenommen. Die Gesetzentwürfe über die Biharer, Bekeser und Matraer Lokalbahnen wurden gleichfalls ohne Debatte votirt.
In der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses wurden nach Erledigung einiger wirthschaftlicher Berichte Immunitäts⸗Angelegenheiten verhandelt und die Auslieferung der Abgg. Papp und Verhovay be⸗ schlossen. Sodann wurde eine Serie von Petitionen den Ausschußanträgen gemäß erledigt.
Die ungarische Regnicolar⸗Deputation wählte in ihrer heutigen konstituirenden Sitzung den Tavernicus Ladislaus von Szögyényi Marich zum Präsidenten, und Max Falk zum Referenten.
Niederlande. Haag, 19. Mai. (Köln. Ztg.) Der König und die Königin sind in Karlsbad zur Kur ein⸗ getroffen. Die Königin begiebt sich Ende dieses Monats nach Teplitz.
Großbritannien und Irland. London, 20. Mai. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Unterhauses kündigte der Premier Gladstone an: er werde nach Pfingsten eine Novelle zu dem Gesetz, betreffend den Ankauf von Pachtgütern in Irland, einbringen. — Die Bills, betreffend die Eintragung für die Wählerlisten in England, Schottland und Irland, wurden von beiden Häusern in dritter Lesung definitiv erledigt. — Der Finanzsekretär im Kriegsdepartement, Hayter, theilte mit, daß die von Suakim abgegangene Brigade Garde⸗Infanterie den Befehl bekommen habe, in Alexandria anzuhalten, für den Fall, daß die Umstände ihre Zurückhaltung in Egypten nöthig machen möchten; die⸗ selbe habe aber keinen Besfehl, daselbst zu landen.
— 21. Mai. (W. T. B.) Die „Morgenblätter“ be⸗ sprechen die in der gestrigen Sitzung des Unterhauses gemachte Mittheilung, daß die von Suakim zurückkehrende Garde⸗Infanterie⸗Brigade Befehl erhalten habe, bis auf Weiteres in Alexandria zu dleiben, und stellen über die Motivirung dieses Befehls Vermuthun⸗ gen an. Während nach den „Daily News“ dieser Befehl mit den Unterhandlungen betreffs der afghanischen Grenzfrage in Zusammenhang stehen dürfte, meint die „Times“: in den Angelegenheiten Egyptens liege mehr als genug Grund, um ein vorsichtiges, ja selbst ängstliches Vorgehen zu rechtfertigen. — Dem „Standard“ zufolge wäre die russische Regierung nicht nur gegen die Be⸗ festigung Herats unter englischer Oberaussicht, sondern über⸗ ene gegen alle Maßregeln zur Befestigung der afghanischen
renze.
— (Allg. Corr.) Ueber die Rebellion im Nordwesten von Kanada berichtet ein Correspondent des „Standard“ aus Guardapuy's Crossing, vom 17. d.:
Der Dampfer „Northcote“ kam heute Nachmittag an. Zur A der Truppen bringt er die Post. Der Dampfer hilft dem „Marquis“ bei der Beförderung der Vorräthe über den Fluß,
und es herrscht darüber kein Zweifel, daß diese Arbeit morgen 1
digt werden wird. Maxim Lepine. ein anderer Rebellenfükren Iten Lager gekommen und hat sich ergeben. Ich hatte eine Unterredung mit Riel, der als Grund des Aufstandes angab, daß die Mischlinge nach dem Vorgehen der Regierung befürchteten, es werde ihr völliger Ruin beabsichtigt, weshalb sie es für besser hielten zu kämpfen, als ohne Widerstand vernichtet zu werden. Heute Nachmittag erhielten wir die Nachricht, das Poundmaker 28 Meilen von Battleford einen Transportzug von 30 Waggons erbeutet hat, sowie daß die aus berittener Polizei bestehende Eskorte desselben mit dem Verlust von 1 Todten und 1 Verwundeten in die Flucht geschlagen wurde. Diese Meldung wird für ernst gehalten, da sie die Ansicht zu bestätigen scheint, daß die Indianer mit aller Erbitterung bis zum Ende kämpfen werden. Sie sind viel mächtigere Feinde als die Mischlinge da aber Poundmaker und Big Bear nur über ihre eigenen Leute verfügen, und die übrigen Indianer sich von ihnen fern halten, sollte unsere Streitkraft mit der des Obersten Otter genügen, um mit ihnen fertig zu werden. Wenn wir von hier weiter vorrücken, wird keine Möglichkeit zum Telegraphiren sein, bis wir Prince Albert erreichen und es ist wahrscheinlich, daß wir auch dort die Drähte durchschnitten finden.
Aus Ottawa vom 19. d.:
Der Transportdienst zwischen Swift Current und Battle⸗ ford ist suspendirt worden, da die Indianer sich auf dem Wege befinden sollen, um die Vorräthe zu erbeuten. Späteren Nachrichten zufolge hat der Marsch Oberst Otters gegen die Indianer, welcher die Rettung des Faktors M'Lean zum Zweck hatte, sowie die schwere Niederlage, welche er in dem sich entspinnenden Kampfe den Indianern beibrachte, viele andere Indianer davon abgehalten, sich den Rebellen anzuschließen.
Frankreich. Paris, 19. Mai. (Fr. Corr.) Die Deputirtenkammer beschäftigte sich gestern mit der Be⸗ rathung über das Kolonialheer. Der Kriegs⸗Minister General Campenon legte die Hauptpunkte des Gesetzes dar. Die Kolonialtruppen zerfallen nach Titel 1 in die afri⸗ kanischen Truppen und in die eigentlichen Kolonialtruppen. Die ersteren sind so organisirt, daß sie den Dienst in Algerien und Tunesien zu versehen haben und nöthigenfalls auch noch Verstärkungen für das Kolonialheer liefern können. Diese Bestimmung wird der gegenwärtig fern von Frankreich wei⸗ lenden Infanterie und Kavallerie die Heimkehr gestatten und ihnen ihre normale Stellung für den Mobilisationsfall wiedergeben. Die afrikanischen Truppen sind zusammengesetzt aus französischen und einheimischen Soldaten, welch letzteren ihre bisherige Organisirung gelassen wird. Sie bilden vier Regimenter Infanterie und ein Regiment Artillerie. Die ersteren zählen nur 36, statt 45 Compagnien, das Artilllerie⸗ Regiment nur 2 Batterien, und nur 2 Arbeiter⸗Compagnien, statt 6. Diese Einrichtung begünstigt eine ernstliche Herab⸗ setzung der Cadres und folglich eine nicht unerhebliche Ersparniß. Titel 2 hat auf die Organisirung der Kolonialtruppen Bezug und soll den Unzukömmlichkeiten steuern, die mit der jetzigen Trennung des Landheeres und des Seeheeres verbunden sind. Dieser Unzukömmlichkeiten sind namentlich zwei: eine beträchtliche Sterblichkeit unter den Offizieren während ihres Aufenthalts in den Kolonien und in Folge dessen ein kostspieliger Unter⸗ halt zahlreicher Cadres, dann die Nothwendigkeit, allzu starke Seetruppenkörper für den Dienst der Kolonien unter Waffen zu lassen. Die Zutheilung der Seetruppen an das Kriegs⸗ Ministerium hebt diese Uebelstände größtentheils auf, da die Offiziere nach sechsjährigem Dienst oder schon früher, wenn ihre Gesundheit es erheischt, nach Frankreich heimkehren können, und die Sterblichkeit weniger empfindlich sein wird, weil sie sich mehr vertheilt. Titel 3 beschäftigt sich mit der Rekrutirung der Kolonialtruppen“ die so viel als möglich aus Freiwilligen gebildet werden sollen. Selbstverständlich beziehen sie stattliche Handgelder und hohen Sold und haben auf angemessene Altersversor⸗ gungen nach fünfzehnjähriger Dienstzeit Anspruch. Titel 4 enthält transitorische Bestimmungen. Der Kriegs⸗Minister empfahl dringend die Annahme des Gesetzes, ohne zu ver⸗ hehlen, daß nach seiner Ansicht der Berichterstatter, Baron Reille, die Ziffern zu niedrig greift, wenn er nur 6 Millionen jährlich für den Unterhalt der Kolonialtruppen in Anschlag bringt. 10 Millionen, meint er, wären erforderlich, wenn die Heeresordnung von 1872 in Kraft bleibe, sieben oder acht Millionen, wenn die dreijährige Dienstpflicht ein⸗ geführt würde. Die Vertheidigung der großen Interessen, welche Frankreich im Mittelmeere hat, sei aber wohl ein solches Opfer werth. — Der Deputirte Margaine bekämpfte die Vorlage an und für sich und das Prinzip, auf welches sie sich stützt. Die Kolonialtruppen, sagte er, dürften nur dazu da sein, die Kolonien in Friedenszeiten zu schützen; mehr von ihnen zu verlangen, wäre ein politischer, ein militärischer und ein finanzieller Irrthum. Die Regierung könnte sich durch die Bildung eines Kolonialheeres versucht fühlen, ohne die Erlaubniß des Parlaments ferne Expeditionen zu unternehmen und dadurch Frankreich in unausgesetzter Ver⸗ legenheit zu erhalten. Das Richtige wäre seines Erachtens, daß die lediglich aus Einheimischen zusammengesetzen Kolonialtruppen den Dienst in Friedenszeiten versähen, auch kleine Aufstände dar⸗ niederhielten, daß aber das französische Landheer selbst berufen würde, bei fernen Unternehmungen mitzuwirken. Dann würden diese sich nothgedrungen auf ein Minimum beschränken. Eine Aeußerung des Redners, nach der gewöhnlich die schlechten Truppen nach den Kolonien geschickt werden und gewisse Vor⸗ gänge in Tongking nur diesem Umstande zugeschrieben werden können, rief eine heftige Entgegnung des Kriegs⸗Ministers hervor, der aber die Ueberzeugung Margaine's nicht zu er⸗ schüttern vermochte. — Der Berichterstatter Baron Reille entwickelte die Vortheile des Gesetzes, das übrigens nur einen transitorischen Charakter habe, worauf die Fortsetzung auf heute vertagt wurde.
— (Köln. Ztg.) Der Kammerausschuß erhielt gestern vom Kriegs⸗Minister die auf den dreijährigen Militärdienst Bezug habenden Tabellen, aus denen her⸗ vorgeht, daß die Einverleibung von drei ganzen Kontingenten den Effektivbestand des Budgets um 14⸗ bis 15 000 Mann übersteigt. Um in den Grenzen des Budgets zu bleiben, schlägt der Kriegs⸗Minister vor, sofort nach den großen Ma⸗ növern eine Klasse zu entlassen, sodaß, da die neue Klasse erst im November einverleibt wird, der Sold für 18 000, also für 4000 Mann mehr als nothwendig, vorhanden ist.
— 20. Mai. (W. T. B.) Die Initiativkommission der Kammer hat mit 11 gegen 9 Stimmen abgelehnt, den Antrag, das Kabinet Ferry unter Anklage zu stellen, in Erwägung zu nehmen.
Italien. Rom, 20. Mai. (W. T. B.) Der Ministe des Aeußern, Mancini, eröffnete heute die Inter nationale Sanitätskonferenz mit einer Ansprache
meldet eine Reutersche Depesche,
in welcher er die Delegirten im Namen des Königs begrüßte, an die Verhältnisse erinnerte, unter denen die Konferenz ein⸗ berufen sei, und die der Konferenz zufallenden Aufgaben aus⸗ einandersetzte. Der Doyen der Delegirten, Botschafter von Keudell, gab in seiner Erwiderungsrede den Gefühlen der auf der Konferenz vertretenen Regie⸗ rungen und deren Vertreter gegenüber dem Könige Ausdruck und stellte den Antrag: den Minister Mancini zum Präsiden⸗ ten der Konferenz zu erwählen. Dieser lehnte aber wegen Ueberhäufung mit Geschäften die Wahl ab, worauf gemäß dem Antrage des Botschafters von Keudell der italienische Delegirte Marchese Cadorna zum Präsidenten gewählt wurde. Die Konferenz nahm die Geschäftsordnung der Wiener internationalen Sanitätskonferenz vom Jahre 1874 an. Die nächste Sitzung findet am Freitag statt.
— 21. Mai. (W. T. B.) Der ẽ „Popolo Romano“ dementirt formell die gestrige Meldung der „Tribuna“ von einem angeblich zwischen italienischen Truppen und Abessiniern stattgehabten Kampfe, wobei ein höherer italienischer Offizier getödtet sein sollte.
Amerika. New⸗York, 20. Mai. (W. T. B.) Der frühere Staatssekretär im Kabinet des Präsidenten Arthur, Frelinghuysen, ist gestorben.
New⸗Orleans, 20. Mai. (W. T. B.) Die Aus⸗ stellung wird am 31. d. M. geschlossen und im No⸗ vem ber wieder eröffnet werden.
Mittel⸗Amerika. (W. T. B.) Nach einer über New York eingetroffenen Depesche aus La Libertad hat am 19. d. zwischen den Truppen von San Salvador und den Aufständischen unter Menendez ein crbitterter östündiger Kampf stattgefunden, nach welchem die Auf⸗ ständischen in die Flucht geschlagen wurden. Die Truppen von San Salvador machten mehrere Gefangene und erbeuteten eine Anzahl Waffen und zwei Geschütze, welche den Auf⸗ ständischen von Guatemala geliefert waren.
Afrika. Egypten. Kairo, 20. Mai. (W. T. B.) Das Journal „Le Bosphore égyptien“ ist heute Nach⸗ mittag wiederum erschienen.
Ein Telegramm des „Reuterschen Bureaus“ meldet: Nubar Pascha hat den Unter⸗Staatssekretär der Finanzen, Blum Pascha, angewiesen, die vorbereitenden Maß⸗ regeln zu treffen, um das Dekret vom 12. April, betreffend die antizipirte Couponr eduktion, wieder rückgängig zu machen. Es wird hierdurch die Nachzahlung von ins⸗ gesammt 100 000 Pfd. Zinsen an die Obligationenbesitzer er⸗ forderlich.
Einem weiteren Telegramm desselben Bureaus zufolge verlassen die Kranken und die Militärpolizei den Sudan auf dem Wasserwege. General Greaves hat mit dem Geniecorps einen Plan zur Vertheidigung von Suakim nach dem Abmarsch des größeren Theiles der dort befindlichen englischen Streitkräfte aufgestellt. Heute eingegangenen Be⸗ fehlen zufolge werden die Lanciers, die Husaren und ein Infanterie⸗Regiment, deren Abmarsch bevorsteht, von Suez nach Kairo und nicht nach England abrücken und das ge⸗ sammte Lagermaterial mitnehmen. Die Garnison von Kairo wird demnach voraussichtlich vermehrt.
Suakim, 19. Mai. (W. T. B.) Lord Wolseley ist heute Morgen mit seinem Stabe abgereist, nachdem General Greaves gestern das Kommando hierselbst über⸗ nommen hatte.
Zeitungsstimmen.
Die „Schlesische Zeitung“ bringt eine Correspondenz aus Paris, in welcher es heißt:
Seit Deutschland seine Einheit errungen, ist in den Ansichten des Auslandes über dasselbe ein vollständiger Umschwung eingetreten. In den ersten Jahren nach dem Frieden glaubte man das neue Reich durch den Krieg und den Milliardenschwindel an den Rand des Ab⸗ grundes gebracht, und der Krach von 1873 mit seinen mehrere Jahre dauernden Folgen gab in der That einige Berechtigung zu dieser An⸗ nahme...
Uad jetzt! Seit etwa vier Jahren ertönen die Klagen über die Konkurrenz Deutschlands immer häufiger und lauter. Besonders in Frankreich sind sie an der Tagesordnung. In den Veröffentlichungen über die seit anderthalb Jahren begonnene wirthschaftliche Enquete kehren sie beständig wieder, die Tagesblätter und die Fachzeitschriften suchen dieselben bei jeder Gelegenheit eingehend zu begründen. Aehnlich lauten die Berichte aus England und Belgien, von den minder gewerbfleißigen Ländern ganz abgesehen. Berechtigt sind diese Klagen jedenfalls. Nach den amtlichen Ausweisen ist z. B. die Ausfuhr Frankreichs an verarbeiteten Waaren von 2139 Millionen im Jahre 1875 auf 1722 Millionen im Jahre 1884 gesunken; aus England meldet man, daß der Export sich nicht vermehrt, sondern sogar großentheils vermindert habe. Und in der That kann es kaum anders sein. In England mie in Belgien ist die Arbeitslosigkeit an der Tagesordnung, und in Frankreich ist durch amtliche Erhebungen festgestellt worden, daß im letzten Winter 426 000 (Industrie⸗) Arbeiter ohne Beschäftigung waren. Allein in Paris wird die Anzahl der Arbeitslosen auf 150 000 angegeben Jedenfalls dürfte die Gesammtzahl der Unbeschäftigten in Frankreich durchschnittlich 12 — 15 % der Gesammtbevölkerung, in einzelnen Industriezweigen noch viel mehr betragen. 1 Deutschland hatte während der ersten Jahre nach dem Frieden in seinem auswärtigen Handel eine Unterbilanz von einer Milliarde zu tragen. Dieselbe ist nun seit mehreren Jahren verschwunden, hauptsächlich weil die Ausfuhr endsprechend zugenommen bat. An dieser Steigerung der Ausfuhr sind die verarbeiteten Waaren mit etwa 4⸗ bis 500 Millionen betbeiligt. Die Berichte über die Lage der einzelnen Gewerbe in Deutschland bestätigen diese Vermehrung des Exports und ebenso auch die Thatsache, daß dort die Lage der Industrie entschieden günstiger ist, als hier in Frankreich. Aus den in Paris gelesenen Berliner Blättern ist zu ersehen, daß in der deutschen Reichshauptstadt während des letzten Winters solgende In dustriezweige sich mindestens einer befriedigenden Lage erfreuten, einige davon sogar einen neuen Aufschwung erlebten und gute Geschäfte machten; die Fabrikation von Gold⸗ und Silberschmiedearbeiten, Neusilber⸗, Bro ze., Messirg⸗ (cuivre poli) und ähnlichen Waaren, Lederwaaren, von Möbeln und Mustkinstrumenten, Farbendrucken und feinen
apierwaaren, ferner die Fabrikation von sogenannten Berliner Kurzwaaren (Articles de Berlin), von fertigen Kleidern, Mänteln und Wäͤsche, von Beleuchtungsgegenständen, von Teppich⸗, Seiden⸗, Brokat⸗, Tuch. und sonstigen Webewaaren, von Band⸗ und Strick⸗ waaren, von Hüten, Tüchern, Chäles, Kravatten und Knöpfen, Näh⸗ und sonstigen Maschinen ꝛc. An diese stattliche Reihe schließen sich noch die Baugewerbe, die Eisen⸗ und Zinkindustrie an. 1
Als ein greifbarer Beweis dafür, daß Deutschland jene Arbeits⸗ losigkeit, welche mehrere Jahre hindurch so furchtbare Wirkungen hervorbrachte, glücklich überwunden hat, dürfen schon die sich wieder⸗ holenden Arbeitseinstellungen gelten. Freilich versicherten viele Arbeit⸗ geber, daß höhere Löhne nicht gewährt werden könnten, da sie ohne⸗ dies nur sehr bescheidenen, oft ganz unzureichenden Gewinn erzielten.
Dies ist begreiflich, wenn man den Mitbewerb des Auslandes in Betracht cieht, welches bisher in den meisten dieser Industriezweige einen Vorsprung besaß und vielfach auch jetzt noch durch günstigere Verhältnisse verschiedener Art unterstützt wird. Nichtsdestoweniger haben die deutschen Betriebsinhaber und Arbeiter zur Zeit am allerwenigsten Grund zur Unzufriedenheit. So ziemlich alle diejenigen Gewerbzweige, welche jetzt in Berlin sich in verhältnißmäßig günstiger Situation befinden, liegen in Paris seit Jahr und Tag darnieder und werden voraussichtlich noch einen weiteren Rückgang erleiden. Die Pariser Industrie ist überhaupt in einem allgemeinen Nieder⸗ gange begriffen, trotzdem man durch öffentliche Arbeiten und Ver⸗ anstaltungen aller Art, zu denen auch die für 1889 geplante Welt⸗ ausstellung zu zählen ist, dagegen anzukämpfen sucht. Hieraus ergiebt sich wohl, daß die Klagen über die deutsche Konkurrenz nicht ganz unbegründet sind. Freilich übertreiben die Franzosen in dieser Hin⸗ sicht vielfach, da die Patriotenliga sich die deutsche Konkurrenz als Steckenpferd erkoren, um besser gegen Deutschland hetzen zu können.
Die Ursachen des Aufschwungs des deutschen Gewerbefleißes werden in Frankreich durchweg richtig erkannt, wenn man auch viel⸗ fach ein zu großes Gewicht auf die billigen Arbeitslöhne legt. Mehr⸗ fach haben die Pariser Tageblätter unumwunden zugestanden, daß die deutsche Jadustrie bedeutende Fortschritte gemacht habe, besseren Ge⸗ schmack hbekunde und vervoll kommnete Maschinen und Werkzeuge an⸗ wende. Der „Economiste Frangais“ sagte kürzlich bei Besprechung des ungewöhnlichen Aufschwunges des deutschen Kunsthandwerkes, daß reichlich ein Drittel seiner Erzeugnisse allen Anforderungen des guten Ge⸗ schmacks entspreche — für einen Franzosen welcher an die Unübertrefflich⸗ keit der Pariser Arbeiten gewöhnt ist, gewiß ein bedeutsames Zugeständniß. Die Franzosen klagen jetzt auch viel weniger darüber, daß die Aus⸗ länder, besonders die Deutschen, ihnen ihre Modelle „sehlen“. Es hat sich herausgestellt, daß die eigenen Fabrikate, die selbsterfundenen oder bewährten alten (und nach orientalischen Originalen nachge⸗ machten) Muster vielfach mehr Anklang finden, als die Nachahmun⸗ gen französischer Vorlagen. Berichte aus verschiedenen Weltgegenden — so noch kürzlich der des österreichischen Konsuls in Lissabon — be⸗ stätigen, daß der Pariser Geschmack nicht mehr allein maßgebend ist, und daß deshalb andere, namentlich deutsche Waaren, jetzt weitere Absatzgebiete finden als früher. ...
Unstreitig haben die politischen Erfolge Deutschlands seinen
wirthschaftlichen Fortschritten den Weg bahnen helfen. .. . Die po⸗ litische Einigung hat die wirthschaftliche zur Folge gehabt Einheit⸗ liche Wahrung, Maß und Gewicht, einheitliche Vertretung im Aus⸗ lande sind erst nach 1871 möglich geworden. Nicht am wenigsten bewundern die Franzosen die günstigen Wirkungen, welche die Ver⸗ staatlichung der Bahnen bervorbringt. Der von deutscher Seite an⸗ geregte und mächtig geförderte Plan, den St. Gotthardtunnel herzustellen, wurde bier sofoct als ein Meisterzug erkannt, was denn auch seit Vollendung der Gotthardbahn mit jedem Tage mehr Bestätigung findet. Ueberhaupt erkennen die Franzosen voll und ganz an, daß das Deutsche Reich eine zielbewußte, einsichtige Handels⸗ politik verfolgt, wobei ihm seine politische Machtstellung trefflich zu statten kommt. Seine Konsularvertretung im Ausland wird allerseits als eine vorzügliche gepriesen. Allem, was sich in Deutschland in wirthschaftlicher Hinsicht vollzieht, folgt man hier mit der größten Aufmerksamkeit. Die Kolonialpolitik, die Handelsverträge und be⸗ sonders auch die Einrichtung subventionirter Dampferlinien würdigte man hier sofort als wohlberechnete Unternehmungen, aus welchen dem auswärtigen Handel Deutschlands großer Nutzen erwachsen müsse.
Das Urtheil des Auslandes, besonders Frankreichs und Englands, über Deutschland als wirthschaftliche Macht läßt sich dabin zusammen⸗ fassen: „Den Aufschwung des Gewerbfleißes und des Handels ver⸗ dankt Deutschland seiner politischen Einigung und seiner verständigen Handelspolitik. Es ist jetzt schon eine Industrie⸗ und Handelsmacht erster Ordnung und hat eine große Zukunft vor sich.“
— Der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ wird aus Bayern geschrieben:
Ueber die Lage der bayerischen Industrie im Jahre 1884 ent⸗ halten die soeben im Auftrage des Königlichen Staats⸗Ministeriums des Innern veröffentlichten Jahresberichte der Fabrikinspektoren Mit⸗ theilungen, welche Mangels anderer bis jetzt vorliegender Aeußerungen
— △̈ — — 80⁴ .,2„ ,—— . 2 . von großem Interesse sind. Das Gesammtbild ist ein entschieden günstiges. Im Einzelnen entnehmen wir den Berichten folgende Aeußerungen:
Der Fabrikinspektor für die Regierungsbezirke Ober⸗ und Nieder⸗ bayern und Schwaben berichtet:
„Im Berichtsjahre sind wiederum mehrere Fabrikanlagen neu entstanden, und viele der älteren wesentlich erweitert oder verbessert worden
Im großen Ganzen ergiebt sich immerhin eine, wenn auch nicht beträchtliche, Zunahme der Zahl der Fabriken und gewerblichen An⸗ lagen des Aufsichtsbezirks, ebenso ist die Zahl der in denselben be⸗ schäftigten Arbeiter, und zwar um mindestens 1000, d. i. 2 % der Gesammtzahl, gewachsen.
Gegen das Vorjahr hat sich die Lage der Industrie und die
wirthschaftliche Lage der Arbeiter, soweit ich beobachten konnte, nicht wesentlich geändert, sie ist also im Ganzen befriedigend, in mehreren Zweigen (Textilindustrie und Maschinenbau) sogar sehr günstig ge⸗ blieben, und hat sich wohl nur für einzelne Unternehmungen unzünstig gestaltet“ M .
Der Fabrikinspektor für die drei fränkischen Regierungsbezirke und die Oberpfalz schreibt:
„Einige wenige Betriebszweige ausgenommen, habe ich die be⸗ suchten Fabriken voll beschäftigt gefunden, 31 Fabriken fand ich gegen⸗ über der vorhergehenden Inspektion baulich und im Betriebe er⸗ weitert; erst gegen Ende des Jahres mehrten sich die Klagen über stockenden Absatz. Die Beschaffung der nöthigen Arbeitskräfte stieß nirgends auf Schwierigkeit, im Gegentheil schien das Angebot die Nachfrage noch zu übersteigen; nur in der Schuhfabrikation Unter⸗ frankens klagte man über Mangel an Arbeitern.“. 16
Der Fabrikinspektor der Pfalz hat genaue Tabellen über die Arbeiterverhältnisse seines Aufsichtsbezirks entworfen. Aus einer der⸗ selben geht hervor, daß am Schlusse des Jahres 1884 die sämmt⸗ lichen Industriegruppen durchschnittlich eine Vermehrung um 1862 Arbeiter oder 8,1 % gegen den Stand om Schlusse des Jahres 1883 erfahren haben. 1 18
„Sofern nun“, heißt es hier weiter, „eine konstante Vermehrung des Arbeiterstandes auch auf ein allgemeines Gedeihen der betreffenden Industriezweige hinzeigt, obwohl mit einer Arbeitervermehrung nicht immer eine Steigerung des Geschäftsgewinnes, oder mindestens kein Nachlassen desselben in Verbindung stehen muß, kann man also im Allgemeinen sagen, daß die Beschäftigung beinahe sämmt⸗ licher Industriegruppen am Schlusse des Jahres 1884 eine lebhafte war und nur drei derselben einen kleinen Rückgang gezeigt haben. Es steht dies auch mit den persönlichen Wahr⸗ nehmungen und Besprechungen bei den Inspektionsreisen durchaus im Einklang. Es wurden mit wenig Ausnahmen beinahe alle Gewerbe⸗ betriebe in voller Beschäftigung gefunden, welche bei nicht wenigen so groß war, daß längere Zeit hindurch zur Bewältigung der Aufträge des Abends über die gewöhnliche Zeit hinaus gearbeitet werden mußte. Es wurde überdies von manchen Arbeitgebern auch Zufrieden⸗ heit mit dem finanziellen Ergebniß ihrer Bemühungen geäußert, während freilich die Mehrzahl wie gewöhnlich über die nicht im Ver⸗ hältniß zu den Produktionskosten stehenden Verkaufspreise klagten, obwohl die meisten zugeben mußten, daß immerhin ein Gewinn, wenn auch kein großer, bleibe.“ . .. 4 8 8
129 8. Kapitel der Unfallverhütung ist folgende Aeußerung
des pfälzischen Fabrikinspektors von Interesse. Derselbe schreibt: „Es verdient hier erwähnt zu werden, daß beinahe sämmtliche Arbeitgeber ihre Zufriedenheit über die Erlassung des Gesetzes über die Zwangs⸗ versicherung der in den Gewerbebetrieben beschäftigten Personen zu erkennen geben. Man freut sich, endlich der vielen Haftpflichtprozesse überhoben zu sein, die, obwohl sie meistens auf Kosten der betreffenden Versicherungsgesellschaften geführt werden, doch für Arbeitgeber und Ar⸗ beiter stets viel Unangenehmes im Gefolge haben, weil die Gerichts⸗
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termine, Oetsbesichtigungen, Zeugenrerhöre, Besprechungen mit den bezüg⸗ lichen Rechtsbeiständen ꝛc. für beide Theile manche Zeitvergeudung und Ausgaben verursachen und die verschiedenen Aussagen vor Gericht zwischen Arbeitgebern und Arbeitern häufig immer mehr oder minder Er⸗ bitterung hervorrufen. Dabei dauern die Prozesse, welche gewöhnlich von den Versicherungsgesellschaften und auch von den Arbeitern, so⸗ fern sie das Armenrecht erhalten hatten, bei ungünstigem Entscheid der unteren Jastanz für sie durch alle Instanzen weitergeführt wurden und noch werden, in der Regel ziemlich lange, was die Unzufrieden⸗ heit mit der bestehenden Gesetzgebung nur zu vermehren geeignet war.“
Statistische Nachrichten.
Nr. 334 der „Mittbheilunge der Großherzoglich Hessischen Centralstellle für die Landesstatistik“ hat fol⸗ genden Inhalt: Die überseeische Auswanderung aus dem Großherzog⸗ thum Hessen nach außereuropäischen Ländern 1884.— Vorläusige Ergeb⸗ nisse des Betriebes der Eisenbahnen März 1885. — Tabackbau im Großherzogthum Hessen 1883 — 84 — Todesfälle im Großherzogthum Hessen 1884. — Schiffs⸗ ꝛc. Verkehr im Hafen bei Mainz 1884. — Meteorologische Beobachtungen zu Darmstadt März 1885. — Meteorologische Beobachtungen zu Se. weinsberg März 1885. — Vergleichende Zusammenstellung der meteorologischen Beobachtungen 1884. — Preise der gewöhnlichen Verbrauchsgegenstände Januar 1885. — Sterblichkeitsverhältnisse März 1885. — Anzeige.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Die Gesetzgebung des Deutschen Reiches von der Gründung des Norddeutschen Bundes bis auf die Gegenwart. Min Erläuterungen und Registern herausgegeben von B. Gaupp, Geh. Regierungs⸗Rath, A. Hellweg, Landrichter, R. Kech, Kaiserlicher Geh. Ober⸗Finanz⸗Rath, W. Neubauer Ober⸗Landesgerichts⸗Rath, W. L. Solms, Ober⸗Corps⸗Auditeur. R. Sydow, Geh. Postratb⸗ W. Turnau, Kammergerichts⸗Rath, F. Vierhaus, Regierungs⸗Rath. Verlag von J Guttentag (D. Collin) in Berlin und Leipzig. — Von dieser Publikation erschienen soeben die 21. bis 23. Lieferung, welche den Jahrgang 1877 und einen Theil des Jahrganges 1878 enthalten. Von besonderem Werth ist die Bearbeitung der vier großen Justizgesetze, zu welchen die später ergangenen ergänzenden Gesetze übersichtlich geordnet abgedruckt sind; ferner das Patentgesetz mit den Verfügungen und Bekanntmachungen des Patentamtes. Das wichtige Werk geht somit, da in den Jahren 1879 — 1885 verhältniß⸗ mäßig nur wenig Gesetze emanirt sind, seiner Vollendung entgegen.
— Enthüllunngen und Erinnerungen eines fran⸗ NAösischen Geveralstabs⸗Offiziers aus den Unglückstagen von Metz und Sedan. Aus den hinterlassenen Papieren des Baron de la Belle⸗Croir. (Hannover 1885, Helwingsche Buchhandlung, 3 ℳ) — Diese hinterlassenen Auszeichnungen des französischen Generalstabs⸗Kapitäns, Baron de la Belle⸗Croix, schildern dessen Entsendung durch den Marschall Mac Mahon von Reims aus (20. August 1870) und den weiteren Verlauf der Ereignisse bis zur Schlacht von Sedan. Sie enthalten ferner Berichte über die Unterredungen, welche der Verfasser mit dem Kaiser Napoleon, den Marschällen Mac Mahon und Bazaine und vielen anderen maßgebenden Persönlichkeiten vor, während und nach seiner Mission hatte. Das Dunkel, welches bisber noch über die damaligen Beziehungen zwischen den Marschällen Bazaine und Mac Mahon herrschte, wird hier durch den Unterhändler selbst erhellt. Die An⸗ sichten, welche den Marschall Bazaine in Metz leiteten, die Intentionen des Marschalls Mac Mahon bis zu seiner Verwundung am Morgen des 1. Septembers 1870, die Intriguen der militärischen Umgebung des Kaisers Napoleon, die Schlachtpläne der Generäle Ducrot und Wimpffen während der Schlacht bei Sedan treten in voller Ursprüng⸗ lichkeit aus den persönlichen Erlebnissen des Verfassers dem Leser entgegen. Die Erzählung ist, abgeseben von diesem ihrem geschicht⸗ lichen Werth, durch die ergreifende Darstellung der Zustände der französischen Armee fesselnd und dabei für den Deutschen wohl⸗ thuend, weil der Verfasser dem deutschen Heere wie der Leitung volle Gerechtigkeit widerfahren läßt. Die frivolen Anekdoten im XIX. Kapitel hätten füglich fortbleiben können.
— Johann Georg Rists Lebenserinnerungen, heraus⸗ gegeben von G. Poel, 1. Theil, zweite verbesserte Auflage, Gotha, Friedr. Andr. Perthes, 1884 (8 ℳ) Der im Jahre 1847 zu Schles⸗ wig verstorbene Verfasser dieser Memoiren hat sich — abgesehen von einigen kleineren historischen und staatsrechtlichen Aufsätzen — in der Literatur nur durch dieses Werk bekannt gemacht, sich aber auch als aus⸗ gezeichneten Schriftsteller bekundet, der mit reichem Wissen, scharfer Beobachtung, tiefem Ernst, reger Phantasie und poetischer Be⸗ gabung die Fähigkeit verbindet, die interessanten Ecfahrungen eines vielbewegten, in eine große Zeit fallenden Lebens in der ansprechendsten und anregendsten Weise zu erzählen. Er schildert zunächst mit kindlicher Pietät die Verhältnisse des elterlichen Predigerhauses zu Niendorf in Holstein, in welchem seine Erziehung mit Liebe überwacht wird. Wir folgen ihm dann nach dem zu jener Zeit (1794) sich in einen Großhandelsplatz umwandeluden Hamburg, dessen Gymnasium er besuchte, weiter nach der Universität Jena, wo er mit Göthe, Fichte. Herbert, Hecker, Hufeland und anderen berühmten Männern in Berübrung trat. Später in Kiel seine Studien fortsetzend, befreundete er sich u. A. auch mit Steffens. Dann begleiten wir ihn nach Kopenhagen (1797), wo er bei dem Staats⸗Minister Grafen Schimmelmann eine Stellung als Privatsekretär einnahm und er u. A. mit Niebuhr zu⸗ sammentraf. Der interessante Abschnitt über den danischen Hof und die dänische Hauptstadt schließt mit der ergreifenden Episode der Schlacht auf der Kopenhagener Rhede (1801). Zum Legationssekretär bei der russischen Gesandtschaft in St. Petersbur ernannt, legt er die Reise dorthin über Schweden und Finnlan zurück. In St. Petersburg trifft er unmittelbar nach der Ermor dung des Kaisers Paul ein, die glänzende Kaiserkrönung in Moskal welcher er beiwohnt, führt ihn wieder mit einer Anzahl berühmte Männer, wie Duroc, Fürst Schwarzenberg, Prinz von Nassau u. A zusammen. Schon im Jahre 1802 muß er die nordische Hauptstad wieder verlassen, um sich als Legationssekretär nach Madrid zu bo⸗ geben. Diese mühselige Reise, die zu Lande über Schweden, Kopen hagen, Hamburg, Göttingen, Straßburg, Paris bewerkstelligt wird bildet eins der unterhaltendsten Kapitel des Buchs; in Pari wird Rist u. A. Hrn. von Tayllerand und dem Konsul Buona parte vorgestellt. In Spanien, wo er uns u. A. Clavigo vorführt („der alte dicke und heitere Mann lachte mit uns herzlich über die Ehre, welche man ihm in Deutschland erwiesen, deren Ausgang e jedoch bei seinem vollständigen Wohlbefinden etwas zu poetisch fand“) benutzte er seine Muße, Land und Leute, Kunst und Wissenschaf gründlich zu studiren. Im Jahre 1806 wurde Rist zum Geschäfts träger in London ernannt, wohin er von Lissabon aus zur See reiste. In der britischen Hauptstadt traf er u. A. mit von Vinck zusammen. Die ernsten Verwickelungen zwischen Dänemark, die seine politische Thätigkeit in ho 1 in Anspruch nahmen, ließen ihm doch noch Zeit, sich auch mit den Sitten und Verhältnissen Englands bekannt zu machen. De. Ausbruch des Krieges zwischen beiden Mächten im Jahre 1807 hatte Rists Rückkehr nach Kopenhagen zur Folge, mit welcher der erste Band dieser höchst interessanten Memoiren schließt, die im zweiten Bande bis zum Jahre 1815 fortgesetzt werden sollen Der Heraus⸗ geber stellt auch noch eine Weiterführung der Erzählung über das Jahr 1815 in Aussicht, wenn seine Kräfte zur Bewältigung der mannigfachen Schwierigkeiten ausreichen, welche die Bearbeitung dieses Abschnittes bieten
Gewerbe und Handel.
Der Geschäftsbericht der Mansfeldschen Kupfer⸗ schieferbauenden Gewerkschaft pro 1884 erwähnt Eingangs, daß der Kupferschieferbau des Unternehmens im verflossenen Jahre von zwei harten Schlägen betroffen wurde; zunächst waren bedeutend Schlottenwasser aus dem Hangenden “ so daß schließ.
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lich der größte Theil der Strebe eines R V