1885 / 118 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 22 May 1885 18:00:01 GMT) scan diff

den „Deutschen Reichs⸗ und Preußischen Staats⸗An⸗ zeiger“, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung in Poiedam und der Stadt Berlin, sowie durch zwei Berliner Zei⸗ tungen und eine Charlottenburger Zeitung. Die Namen der letzte⸗ ren und etwaige Veränderungen werden im „Reichs⸗Anzeiger“ be⸗ kannt gemacht. 1 1 1

Bis zu dem Tage, wo solchergestalt das Kapital zu entrichten ist, wird es in halbjährlichen Terminen, am 1. Juli und am 2. Januar, von heute an gerechnet, mit vier Prozent jährlich ver⸗ zinset.

Die Auszahlung der Zinsen und des Kapitals erfolgt gegen bloße Rückgabe der fällig gewordenen Zinsscheine bezw. dieses An⸗ leihescheins bei der Stadt⸗Hauptkasse in Charlottenburg und zwar auch in der nach dem Eintritt des Fälligkeitstermins folgenden

Zeit. Mit dem zur Empfangnahme des Kapitals eingereichten An⸗ leihescheine sind auch die dazu gehörigen Zinsscheine der späteren Fälligkeitstermine zurückzuliefern. Für die fehlenden Zinsscheine wird der Betrag vom Kapital abgezogen. Die gekündigten Kapitalbeträge, welche innerhalb dreißig Jahren nach dem Rückzahlungstermine nicht erhoben werden, sowie die innerhalb vier Jahren, nach Ablauf des Kalenderjahres, in welchem sie fällig geworden, nicht erhobenen Zinsen verjähren zu Gunsten des Stadkkreises Charlottenburg. Das Aufgebot und die Kraftloserklärung verlorener oder vernichteter Anleihescheine erfolgt nach Vorschrift der §§. 838 ff. der Civilprozeßordnung für das Deutsche Reich vom 30. Januar 1877 (R.⸗G⸗Bl. S. 83) bezw. nach §. 20 des Ausfühbrungsgesetzes zur

Deutschen Civilprozeßordnung vom 24. März 1879 (G.⸗S. S. 281.)

Zinsscheine können weder aufgeboten noch für kraftlos erklärt werden. Doch soll Demjenigen, welcher den Verlust von Zins⸗ scheinen vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist bei dem Ma⸗ gistrat anmeldet und den stattgehabten Besitz der Zinsscheine durch Vorzeigung des Anleihescheines oder sonst in glaubhafter Weise dar⸗ thut, nach Ablauf der Verjährungsfrist der Betrag der angemeldeten

und bis dahin nicht vorgekommenen Zinsscheine gegen Quittung aus⸗

gezahlt werden. 1

Mit den Anleihescheinen werden halbjährige Zinsscheine für einen

fünfjährigen Zeitraum und eine Anweisung zur Erneuerung der Zins⸗

scheine ausgegeben. 8 8

Die Ausgabe einer neuen Reihe von Zinsscheinen erfolgt bei der Stadt⸗Hauptkasse in Charlottenburg gegen Ablieferung der

der älteren Zinsscheinreihe beigedruckten Anweisung. Beim Verlust der Anweisung erfolgt die Aushändigung der neuen Zinsscheinreihe an den Inhaber des Anleihescheins, sofern deren Vorzeigung rechtzeitig geschehen ist.

Zur Sicherheit der hierdurch eingegangenen Verpflichtungen aftet der Stadtkreis Charlottenburg mit seinem Vermögen und mit einer Steuerkraft.

Dessen zu Urkund haben wir diese Ausfertigung unter unserer Unterschrift ertheilt.

Charlottenburg, den ..

(Stadtsiegel.) 1 Der Magistrat. Unterschrift des Vorsitzenden und eines Mitgliedes des Magistrats unter Beifügung des Amtstitels.) d Zinsscheine Nr. . . . Kontrolbuch nebst Anweisung aus⸗ 1X“

8 (Unterschrift des Kontrol⸗

beamten.)

Provinz Brandenburg. Regierungsbezirk Potsdam.

Charlottenburger Stadtanleihe (Stadtwappen) 8 Zinsschein Nr. . .. über zum Anleiheschein des Stadtkreises Charlottenburg. Buchstabe. . Nr über. ... Mark Reichswährung. 8

Der Inhaber dieses Zinsscheins empfängt gegen dessen Rückgabe

in der Zeit vom .. ten . . . . ... ab an halbjährlichen Zinsen des vorbenannten Anleihescheins aus der Stadt⸗Hauptkasse in Char⸗

ottenburg 8 ““ .Pf. Reichswährung. Charlottenburg, Der Magistrat.

Trocken⸗ (Unterschriften des Magistrats⸗Vorsitzenden und eines Mitgliedes des Magistrats.) (Unterschrift des Kontrolbeamten) Gesetz vom 31. März 1838 am. Ungültig, wenn die Vorder⸗ seite durchkreuzt ist.

Ungültig, wenn eine Ecke ab⸗ getrennt oder der Zinsschein durchlocht ist. Regierungsbezirk Potsd Anweisung zum Anleiheschein des Stadkreises Charlottenburg. ““ über Mark Reichswährung. Inhaber empfängt gegen diese Anweisung die .. te Reihe Zirs⸗ scheine für die Zeit vom bis bei der Stadt⸗ auptkasse in Charlottenburg, sofern von dem Inhaber des Anleihe⸗ cheins nicht rechtzeitig Widerspruch erhoben ist.

vneeö“ Der Magistrat. (Unterschrift des Vorsitzenden und eines Mitglie Magistrats.) (Unterschrift des Kontrolbeamten.) 8 Anmerkung zu den Schemas für die Zinsscheine und An⸗ weisungen:

Die Namensunterschriften des Magistrats⸗Vorsitzenden und des zweiten Magistratsmitgliedes können mit Lettern oder Faesimile⸗ stempeln gedruckt werden, doch muß jeder Zinsschein oder jede An⸗ weisung mit der Namensunterschrift eines Kontrolbeamten versehen werden.

Provinz Brandenburg.

Ministerium des Innern.

Bei dem Ministerium des Innern ist der Regierungs⸗ Sekretariats⸗Assistent Zorll zum Geheimen expedirenden Sekretär und Kalkulator, und

der Geheime Registratur⸗Assistent Blümel zum Geheimen Registrator ernannt worden.

Justiz-Ministerium.

Dem Notar Custodis in Ehrenfeld im Landgerichtsbezirk Köln ist vom 1. Juni d. J. ab der Wohnsitz in Köln ange⸗ wiesen worden.

Der Rechtsanwalt Dörffler zu Marburg ist zum Notar im Bezirk des Ober⸗Landesgerichts zu Kassel, mit Anweisung seines Wohnsitzes in Marburg, ernannt worden.

Ministerium für Landwirthschaft, Domänen und Forsten.

Der Oberförster Georg zu Fischbach ist auf die durch Pensionirung des Oberförsters Mallmann erledigte Oberförster⸗ stelle zu St. Wendel im Regierungsbezirk Trier versetzt worden.

Dem Thierarzt Johannes Buch hierselbst ist die kom⸗

missarische Verwaltung der vierten Kreis Thierarztstelle für

über⸗ tragen worden. 8

Ministerium der öffentlichen Arbeiten.

Der technische bei der Regierung in Oppeln, Land⸗Bauinspektor Wentzeel, ist als Kreis⸗Bauinspektor nach Marburg versetzt.

Dem Wasser⸗Bauinspektor, Baurath Tolle in Grohn ist gestattet worden, seinen Wohnsitz bis auf Weiteres in Vegesack zu nehmen.

Abgereist: der Direktor der Königlichen Staatsarchive, Wirkliche Geheime Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. von Sybel, nach Hessen. b

Die Nummer 19 der Gesetz⸗Sammlung, welche von heute ab zur Ausgabe gelangt, enthält unter

Nr. 9058 das Gesetz zur Ergänzung des §. 7 des Ge⸗ setzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883. Vom 27. April 1885; unter 8 8

Nr. 9059 das Gesetz, betreffend Ueberweisung von Beträgen, welche aus landwirthschaftlichen Zöllen eingehen, an die Kom⸗ munalverbände. Vom 14. Mai 1885; und unter

Nr. 9060 die Verfügung des Justiz⸗Ministers, betreffend die Anlegung des Grundbuchs für einen Theil der Bezirke der Amtsgerichte Freiburg a. d. E., Herzberg a. H. und Neu⸗ stadt a. R. Vom 8. Mai 1885.

Berlin, den 22. Mai 1885.

Königliches Gesetz⸗Sammlungs⸗Amt. Didden.

In der heutigen andelsregister⸗Beilage wird Nr. Zeichenregister⸗Bekanntmachungen veroöffentlicht.

Aichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 22. Mai. Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin kamen mit Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Victoria gestern Mittag nach Berlin und besich⸗ tigten die Sonder⸗Ausstellung im Kunstgewerbe⸗Museum, be⸗ suchten sodann Se. Majestät den Kaiser und König und nahmen danach um 2 Uhr die Ausstellung der Lehrlings⸗ Arbeiten in den Räumen der ehemaligen Hygiene⸗Ausstellung

in Augenschein.

Se. Kaiserliche Hoheit der Kronprinz empfing um 4 Uhr

in Höchstseinem Palais den Wirklichen Geheimen Rath von

Wilmowski zum Vortrage sowie ferner den Legations⸗Rath Reichardt und andere Personen. h Um 5 Uhr kehrten die Kronprinzlichen Herrschaften nach

dem Neuen Palais bei Potsdam zurück.

unter dem Vorsitz des Staats⸗Ministers, Staatssekretärs des Innern, von Boetticher stattgehabten Plenarsitzung ertheilte der Bundesrath dem Entwurf eines Gesetzes wegen Abänderung des Zolltarif⸗ gesetzes vom 15. Juli 1879 in der Fassung des Reichstages,

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In der am gestrigen Tage

dem vom Reichstage angenommenen Gesetzentwurf wegen Abänderung des Reichsstempelgesetzes vom 1. Juli 1881 und dem Entwurf eines Gesetzes für Elsaß⸗Lothringen über die Verzinsung der Gelder der Sparkassen und Hülfsgenossen⸗ schaften nach den Beschlüssen des Landesausschusses die Zu⸗ stimmung, erklärte sich mit der bereits erfolgten Ueberweisung des Nachtrags zu der Denkschrift des Reichs⸗Versicherungsamts, betr. die Bildung von Berufsgenossenschaften, auf Grund des Unfallver⸗ sicherungsgesetzes an den Ausschuß für Handel und Verkehr und an den Ausschuß für Justizwesen einverstanden und überwies die Vorlage über die allgemeine deutsche Volkszählung im Dezember 1885 den Ausschüssen für Rechnungswesen, für das Landheer und die Festungen und für Zoll⸗ und Steuerwesen, den Antrag Preußens, betreffend die Thronfolge im Herzogthum Braun⸗ schweig, dem Ausschuß für Justizwesen. Die Anträge der Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Handel und Verkehr, betreffend das Entrippen von Taback in Theilungs⸗ lägern, und die Ergänzung des Verzeichnisses der Massengüter im Sinne des Gesetzes über die Waarenstatistik, wurden genehmigt. Hierauf wurde über die Bildung von Berufsgenossenschaften auf Grund des Unfallversicherungsgesetzes Beschluß gefaßt. Die⸗ selbe ersol te im wesentlichen nach den Anträgen der Aus⸗ schüsse. Nachdem noch Eingaben, betr. die Ablassung von Roggen, Weizen und Malz zu den früheren Zollsätzen, eine Eingabe wegen zollamtlicher Abfertigung von Krystallzucker in Säcken, eine Eingabe, betr. die bei Ausführung des Gesetzes wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung in Baden hervor⸗ getretenen Mängel, sowie der Antrag Badens wegen Ermittelung des Nettogewichts des mit dem Anspruch auf Steuervergütung in Kisten ausgehenden Kandiszuckers Er⸗ ledigung gefunden hatten, wurde die Sitzung mit der Vor⸗ legung von Eingaben verschiedenen Inhalts geschlossen.

Die diesjährige große Frühjahrsparade über die Truppen der Berliner und Spandauer Garnison sowie über das Kadetten⸗Corps in Groß⸗Lichterfelde fand heute Vormittag 10 Uhr auf dem Infanterie⸗Exerzierplatz östlich der Tempelhoser Chaussee im Allerhöchsten Auftrage durch Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit den Kronprinzen in Anwesen⸗ heit Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Kronprinzessin nebst Prinzessinnen Töchtern, Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin von Baden, Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Friedrich Carl, Ihrer Königlichen Hoheiten des Prinzen und der Prinzessin Wilhelm, des Prinzen Albrecht und anderer hoher Fürstlichkeiten statt.

Die Truppen waren im Parade⸗Anzuge mit Gepäck er⸗ schienen und so zeitig ausgerückt, daß sie 20 Minuten vor Beginn der Parade zum Einrücken in das durch Täfelchen bezeichnete Alignement bereit standen.

Die Parade befehligte der kommandirende General des

Garde⸗Corps, General der Infanterie von Pape.

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Die gesammte Parade⸗Aufstellung erfolgte in zwei Treffen das erste Treffen kommandirte der General⸗Lieutenant von Kleist, Commandeur der 1. Garde⸗Infanterie⸗Division, das zweite Treffen der General⸗Lieutenant von Winterfeld, Com⸗ mandeur der Garde⸗Kavallerie⸗Division.

Im ersten Treffen hatten auf dem rechten Flügel die Leib⸗Gendarmerie und die Stäbe Aufstellung genommen, Dann folgten: die 2. Garde⸗Infanterie⸗Brigade unter Kom⸗ mando des Generals à la suite Sr. Majestät des Kaisers und Königs, General⸗Majors von Derenthall, dem Kadetten⸗Corps, dem 2 dem Garde-Füsilier⸗Regiment und dem 1. und 2. Bataillo 4. Garde Regiments z. F. (das Füsilier⸗Bataillon des Regi

ments ist zur Wahrnehmung des Wachtdienstes in Spandau zurückgeblieben); die 3. Garde⸗Infanterie⸗Brigade unter dem

Kommando des General⸗Majors von Wißmann, bestehen aus dem Kaiser Alexander Garde⸗Grenadier⸗Regiment Nr. 1 dem 3. Garde⸗Grenadier⸗Regiment Königin Elisabeth ung dem Garde⸗Schützen⸗Bataillon; die kombinirte Infanterie⸗Brigade unter dem Befehl

der 4. Garde Infanterie⸗Brigade, General⸗Majors Grafe von Roon, bestehend aus dem Kaiser Franz Garde⸗Grenadier Regiment Nr. 2 und dem 3. Garde⸗Regiment z. F., und di kombinirte Brigade, befehligt vom Inspecteur der 1. Ingenieur Inspektion, General⸗Major von Adler, bestehend aus dem 1. Bataillon Garde⸗Fuß⸗Artillerie⸗Regiments, dem Eisenbahn Regiment, dem Garde⸗Pionier⸗Bataillon und der Lehr Compagnie der Artillerie⸗Schießschule.

Im zweiten Treffen befanden sich: die kombinirte Garde Kavallerie⸗Brigade unter Kommando des Commandeurs de 1. Garde⸗Kavallerie⸗Brigade, Generals à la suite Sr. Majestä des Kaisers und Königs, General⸗Majors Grafen von Alten bestehend aus dem Garde⸗Kürassier⸗Regiment, dem 1. Garde Dragoner⸗Regiment, dem 2. Garde⸗Ulanen⸗Regiment und dem 2. Garde⸗Dragoner⸗Regiment, und die Artillerie und der Trai unter dem Befehl des Commandeurs der Garde⸗Feld⸗Artillerie Brigade, Obersten von Schell (1. Garde⸗Feld⸗Artillerie⸗Regiment, 2. Garde⸗Feld⸗Artillerie⸗Regiment, Lehrbatterie der Artillerie Schießschule, Garde⸗Train⸗Bataillon und Brandenburgische Train⸗Bataillon Nr. 3).

Die Aufstellung war im ersten Treffen bei den Batail lonen in Compagniefront⸗Kolonne, bei der Lehr⸗Compaani der Artillerie⸗Schießschule in Zugkolonne; im zweiten Treffe bei der Kavallerie in Kolonne in Escadrons und bei de Artillerie und dem Train in Linie.

Beim Erscheinen Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hohei des Kronprinzen wurden die Honneurs zuerst gleichzeitig von der ganzen Parade erwiesen; während des Abreitens der Auf⸗ stellung durch Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit wurd demnächst brigadeweise präsentirt.

Das zweite Treffen wurde, nachdem das erste vom rechten Flügel aus abgeritten war, vom linken Flügel aus besichtigt

Nach dem Abreiten der Fronten folgte der Parademarsch welcher zweimal ausgeführt wurde, und zwar zuerst von den Truppentheilen des ersten Treffens in Compagniefront, von der Kavallerie in halben Escadrons im Schritt, von der Ar⸗ tillerie in Batteriefront und vom Train in Zügen gleichfall im Schritt.

Bei dem zweiten Vorbeimarsch defilirten die Truppe des ersten Treffens in Regiments⸗Kolonne, ausschließlich de Garde⸗Schützen⸗Bataillons und des 1. Bataillons Garde⸗Fuß⸗ Artillerie⸗Regiments, welche in Compagniefront⸗Kolonne marschirten. Das Garde⸗Pionier⸗Bataillon und das Eisen bahn⸗Regiment bildeten hierbei eine Regiments⸗Kolonne. Das Kadetten⸗Corps und die Lehr⸗Compagnie der Artillerie⸗Schieß⸗ schule fielen aus. Die Kavallerie defilirte in Escadrons⸗ front, die Artillerie in Abtheilungsfront (die Lehrbatterie für fich hinter der 2. Abtheilung des 2 Garde⸗Feld⸗Artillerie Ze der Train in Compagniefront, sämmtlich i Trabe.

Nach Beendigung der Parade formirten sich die Truppen⸗ theile zum Abmarsch und rückten demnächst unter klingendem Spiel in ihre Quartiere ab. Das 1. Bataillon des Garde⸗ Fuß⸗Artillerie⸗Regiments, welches heute früh per Eisenbahn hier eingetroffen war, kehrte noch heute wieder nach Spandau zurück; während die beiden Bataillone des 4. Garde⸗Regiments z. F. und des 3. Garde⸗Grenadier⸗Regiments Königin Elisabeth erst morgen früh per Fußmarsch dorthin zurückkehren werden.

Die Fahnen, welche durch eine Compagnie des 2. Garde⸗ Regiments z. F. und die Standarten, welche durch eine Escadron des Garde⸗Kürassier⸗Regiments vorher aus dem Königlichen Palais abgeholt worden waren, wurden von den⸗ selben Truppentheilen nach beendigter Parade nach dem Palais zurückgebracht.

Das Paradediner begann Nachmittags 4 ³¾ Uhr im Weißen Saale und in den angrenzenden Gemächern des Königlichen Schlosses. Die Tafelmusik wurde von der Ka⸗ pelle des Kaiser Franz Garde⸗Grenadier⸗Regiments Nr. 2 aus⸗ geführt. Anschließend hieran findet Abends eine Militär⸗ vorstellung im Königlichen Opernhause statt.

In Folge der kriegerischen Wirren auf dem Isthmus von Panama ist die Stadt Colon am 31. März nieder⸗ gebrannt. Dabei sind auch die Posten nach Mittel⸗Amerika und nach der Westküste von Süd⸗Amerika, welche am 8. März mit dem Dampfer „Washington“ von St. Nazaire und am 20. März mit dem Dampfer „Colon“ von New York ab⸗ gegangen waren, vernichtet worden. Die Absender von Briefen, deren Beförderung mit den bezeichneten Schiffen etwa stattgefunden haben kann, werden hiervon in Kenntniß gesetzt.

Durch die Konkurseröffnung über das Vermögen eines Kaufmannes bhört dieser, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, I. Civilsenat, vom 4. März d. J., auf, Kauf⸗ mann im Sinne des Deutschen Handels⸗Gesetzbuchs zu sein, wenn er nicht fortfährt, gewerbsmäßig Handelsgeschäfte zu betreiben. Ein von einem im Konkurs befindlichen Kausmann ausgestellter Verpflichtungsschein ohne die Angabe des Ver⸗ pflichtungsgrundes oder das Empfangsbekenntniß der Valuta, kann daher auf Grund des Art 301 H. G. B. (nach welchen der⸗ artige kaufmännische Verpflichtungsscheine giltig sind) von dem Inhaber nur bdann geltend gemacht werden, wenn dieser nach⸗ weist, daß der Gemeinschuldner zur Zeit der Ausstellung des Scheins gewerbsmäßig Handelsgeschäfte betrieben hat.

Ein bewaffneter Dieb ist nach einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Strafsenats, vom 24. Februar d. J., nur dann wegen schweren Diebstahls aus §. 243 Ziff. 5 Str.⸗G.⸗B. zu bestrafen, wenn er zur Zeit der That sich be⸗ wußt ist, daß er eine Waffe bei sich führt. Sprechen dagegen die Thatumstände dafür, daß der Dieb bei dem Diebstahl

bestehend aus Garde⸗Regiment z. F.

geführt hatte, daß die Sache zu wichtig sei,

ran nicht gedacht hat, daß er eine Waffe bei sich führte, so 8 er nur wegen einfachen Diebstahls zu bestrafen. Der Chef der Admiralität, General⸗Lieutenant von aprivi, ist von seiner vor einigen Tagen angetretenen geeise nach Danzig wieder hierher zurückgekehrt.

Die Bundesraths⸗Bevollmächtigten, Großherzoglich meclenburgischer Ober-⸗Zolldirekter Aldenburg und Groß⸗ terzoglich oldenburgischer Geheimer Staͤatsrath Selkmann nd von hier abgereist.

Der heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staats⸗ Anzeigers“ ist eine „Besondere Beilage“ (Nr. 4, enthaltend Entscheidungen des Reichsgerichts, beigefügt.

Sigmaringen, 20. Mai. (Allg. Ztg.) Das heute ausgegebene Bulletin über das Befinden des Fürsten vii * Königliche Hoheit der Fürst haben in der vergangenen Nacht siemlich viel geschlafen und sind heute zur gewohnten Stunde auf⸗ gestanden Im Uebrigen ist der Zustand gegen gestern unverändert. 3 Dr. Koch.

Württemberg. Stuttgart, 21. Mai. (St.⸗A. f. W.) Die Stadt hat seit dem frühen Morgen Flaggenschmuck an⸗ gelegt, um ihrer Freude über die heute erfolgende Rückkehr des Königs Ausdruck zu geben. Von Seiten der Haupt⸗ und Residenzstadt wird Sr. Maäjestät ein festlicher Empfang bereitet werden. 1

21. Mai. (W. T. B.) Der König ist Nachmittags 1 Uhr nach sechsmonatlicher Abwesenheit hier eingetroffen und von der Bevölkerung enthusiastisch begrüßt worden.

Morgen erfolgt der Schluß des Landtages.

Baden. Karlsruhe, 20. Mai. (Karlsr. Zig.) Se. Königliche Hoheit der Großherzog wird sich heute Abend nach Baden⸗Baden begeben, um daselbst einige Zeit zu erweilen.

Von Sr. Königlichen Hoheit dem Erbgroßherzog sind auch heute sehr befriedigende Nachrichten eingelaufen. Der Leibarzt, Geheime Rath Dr. Tenner sagt, daß nach einer ruhig durchschlafenen Nacht heute früh die Temperatur 36,8, der Puls 68 zählte. „Husten und Auswurf sehr unbedeutend. Beginnende Abschuppung. Vortreffliches Allgemeinbefinden.“

Mecklenbura⸗Schwerin. Schwerin, 21. Mai. Den „Meckl. Anz.“ wird aus Lugano telegraphirt, daß die Großherzoglichen Herrschaften am 20. d. M., Vor⸗

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mittags, bei schönstem Wetter von Cannes wohlbehalten dort

eingetroffen sind und im Hotel du Parc Wohnung genom⸗ men haben. 8

Ihre Hoheiten die Herzogin Elisabeth und die Herzöge Adolph Friedrich und Heinrich sind in Be⸗ gleitung der Hofmeisterin Fräulein von Kummer und des Instruktors Sander gestern Mittag von hier zu einem mehr⸗ wöchigen Aufenthalt nach Reichenhall abgereist.

Braunschweig. Braunschweig, 21. Mai. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Landtages verlas der Staats⸗Minister Graf Görtz⸗Wrisberg den Wortlaut des Antrages, welchen Preußen im Bundesrath be⸗ züglich der Thronfolgefrage gestellt hat. Die Verlesung wurde vom Landtage mit Beifall aufgenommen. Der Mi⸗ nister bemerkte sodann: Aus dem Antrage sei deutlich zu entnehmen, welche Auffassung die preußische Regierung von der das Land tief bewegenden Thronsolgefrage habe. Es werde nun Aufgabe des Bundesraths sein, zu diesem Antrage Stellung zu nehmen. Man werde zu erwarten haben, welche Beschlüsse gefaßt werden sollen, sowie ob und in welcher Weise die Landesregierung in die Lage kommen werde, dem Antrage der preußischen Regierung gegen⸗ über auch ihrerseits bestimmte Stellung zu nehmen und Schritte zu thun. Darüber schon jetzt eine bestimmte An⸗ sicht auszusprechen, möchte zur Zeit noch nicht geboten erscheinen; die Landesregierung habe aber die bestimmte Absicht, keine entscheidenden Schritte in dieser An⸗ gelegenheit weiter zu thun, ohne zuvor sich mit der Landesversammlung ins Einvernehmen gesetzt zu haben. Ob solche Schritte in allernächster Zeit erforderlich, sei noch nicht zu übersehen, doch erscheine die Nothwendigkeit einer baldigen desfallsigen Wiedereinberufung des Landtages möglich. Die Mittheilungen des Ministers wurden der staatsrechtlichen Kommission überwiesen. Ein An⸗ trag, heute schon eine Aeußerung der staatsrechtlichen Kom⸗ mission und des Landtages herbeizuführen, wurde abgelehnt, nachdem der Minister diesem Antrage widersprochen und aus⸗ um so schnell erledigt zu werden, und

es überhaupt augenbl gemessen erscheine. 1

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Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 21. Mai. (W. T. B.) Die Königin und der Prinz Karl vonSchweden sind heute Nachmittag 2 Uhr hier eingetroffen, vom Erzherzog Wilhelm und der Gemahlin des Erzherzogs Rainer sowie dem Herzog von Nassau am Bahnhofe empfangen worden und im Hotel Imperial abgestiegen. Nachmittags empfing die Königin den Besuch des Königs von Serbien und des Erzherzogs Ludwig Victor. Heute Abend fand zu Ehren der Königin ein Diner bei dem Herzog von Nassau statt, die Abreise der Königin ist auf morgen Nachmittag 4 Uhr festgesetzt.

Pest, 20. Mai. (Wien. Ztg.) „Budapesti Közlöny“ publizirt das Gesetz, betreffend die Pensionirung der Staatsbeamten.

Im Abgeordnetenhause überbrachte der Schriftführer des Oberhauses heute das Nuntium, betreffend die unveränderte Annahme der Gesetzentwürfe bezüglich des Betriebs⸗ kapitals der Staatsbahnen, der Biharer, Bekeser und Matraer Eisenbahnen, sowie bezüglich der an dem Gesetzentwurfe über das Wasserrecht vorgenommenen Aenderungen. Die ersteren Gesetzentwürfe wurden der Aller⸗ höchsten Sanktion unterbreitet, der letztgenannte Entwurf für morgen auf die Tagesordnung gestellt. Max Falk zeigte die erfolgte Konstituirung der ungarischen Regni⸗ colar⸗Deputation an. Olay interpellirte den Kommu⸗ nikations⸗Minister in Angelegenheit der gegen die Donau⸗ Dampfschiffahrts⸗Gesellschaft vorgebrachten Klagen.

Großbritannien und Irland. London, 21. Mai. (W. T. B.) Heute Vormittag fand eine längere Konferenz zwischen dem Botschaster Baron Staal und Hrn. Lessar statt, nach welcher beide Herren sich zu Lord Granville be⸗ gaben. Wie es heißt, würden die Unterhandlungen wegen der Grenzfrage sich noch über die Mitte des

icklich unan⸗

Juni hinausziehen, da Lumsden, welcher an denselben noch theilnehmen dürfte, erst am 16. Juni hier erwartet wird.

der heutigen Sitzung des Oberhauses erklärte Lord Granville: die Pariser Deklaration sei nicht bin⸗ dend für England, den Vereinigten Staaten sowie Spanien gegenüber, die derselben niemals beigetreten seien; dieselbe sei sicherlich auch in dem Falle für England nicht bindend, wenn einer der ihr beigetretenen Staaten es geeignet finde, dieselbe zu verletzen; in jeder anderen Beziehung aber sei die⸗ selbe für England bindend. Der Staatssekretär für In dien, Lord Kimberley, erklärte es für unbegründet, daß Rußland eine diplomatische Vertretung in Kabul ver⸗ habe, und bemerkte weiter: eine jüngst von ihm gethane Aeußerung sei von einem Wiener Blatte mißverstanden worden; er habe niemals ein völliges Aufgeben der englischen Stellung in Afghanistan angekündigt, im Gegentheil gesagt, daß die Regierung Afghanistan als außerhalb der russischen Einflußsphäre liegend angesehen habe. Englands Defensiv⸗ und Offensivlinie werde so gewählt werden, daß die Interessen Englands dadurch am besten gefördert würden. Die Grenz⸗ linie müsse eine derartige sein, daß sie England eine gute Defensivposition gewähre und auch eine geeignete Stellung ebe, sich nach jeder Richtung bewegen zu können, welche die Fnteressen Indiens und Englands erheischen sollten. Das Haus vertagte sich hierauf bis zum 5. k. M.

Im Unterhause erklärte der Parlaments⸗Unter⸗ Staatssekretär für Indien, Croß: eine Veröffent⸗ lichung der Schriftstücke über die Unterredung des Emirs von Afghanistan mit dem Vizekönig von Indien, Lord Dufferin, sei vor dem Abschluß der Verhandlungen mit Rußland im Staatsinteresse nicht wünschenswerth. Die Extra⸗Heereskosten auf die Zeit vom April bis Juli d. J. würden von Lord Dufferin auf 306 Lakhs Rupien geschätzt; dazu kämen noch 385 000 Pfd. Sterl. für gewisse Forde⸗ rungen für Geschütze hinzu. Lord Fitzmaurice er⸗ widerte auf eine bezügliche Anfrage: die französische Re⸗ gierung habe vor dem Wiedererscheinen des „Bosphore éegyptien“ erklärt: der Redacteur des Blattes habe das be⸗ stimmte Versprechen gegeben, daß der Ton der von dem⸗ selben gebrachten Artikel zu keinen Schwierigkeiten Anlaß geben solle. Wenn ein gerechter Grund zu einem Vor⸗ gehen gegen das Blatt vorliegen sollte, werde der frau⸗ zösische Konsul zur Unterdrückung des Blattes Beistand leisten. Der Premier Gladstone gab auf Befragen an: so lange die Unterhandlungen über Afghanistan mit Rußland dauerten, sei es ihm unmöglich, zu sagen, was er hinsichtlich der im Budget angekündigten erhöhten Sprit⸗ und Biersteuer zu thun beabsichtige. Wegen des Zwischen⸗ falls von Pendjeh habe die Ernennung eines Schieds⸗ richters noch nicht stattgefunden. Wegen der Besetzung von Suakim bei dem Rückzuge der englischen Truppen hätte nur mit der Pforte, aber mit keiner anderen Regierung ein Meinungsaustausch stattgefunden. Der Präsident des Local Government Board, Dilke, bezeichnete das Gerücht von dem Ausbruch der Cholera in England als gänzlich unbegründet. In Beantwortung einer An⸗ frage Northeote’s erklärte der Staatssekretär des Krie⸗ ges, Lord Hartington: es sei nicht wünschenswerth, die Gründe für das auf kurze Zeit angeordnete Zurückhalten der Gardetruppen in Alexandrien in allen Einzelnheiten anzugeben. Dem Hause seien ja die Gründe für die vor eini⸗ ger Zeit mitgetheilte Absicht, die Truppen im Sudanfür den Dienst in anderen Welttheilen zu concentriren, bekannt, ebenso auch die Gründe, welche die Kreditforderung für spezielle Vorbereitungen nothwendig gemacht hätten. Diese Vor⸗ bereitungen seien nicht suspendirt worden. Die Regierung habe es für wünschenswerth erachtet, daß die Gardetruppen vorläufig am Mittelmeere verblieben, nicht wünschenswerth aber bleibe es, genau anzugeben, wie lange und aus welchen Gründen das geschehen solle. Der Unter⸗Staatssekretär Croß beantragte die zweite Lesung der ost⸗ indischen Anleihe⸗Bill von 10 Millionen Pfd. Sterl. für Eisenbahnzwecke und erklärte dabei: fünf Millionen seien erforderlich für militärische Eisenbahnen zur Herstellung einer besseren Verbindung mit Quettah. Eine Eisenbahn solle westlich vom Indus gebaut werden, eine andere östlich; gleichzeitig solle eine Fähre über den Indus hergestellt werden. Ferner sei der Bau einer Brücke bei Ferozepore beabsichtigt sowie die Anlegung einer Militärstraße nach Pischsenhoch und einer neuen Eisenbahnlinie durch den Dolan⸗Paß. Nach mehr⸗ stündiger Debatte wurde die Bill in zweiter Lesung ohne be⸗ sondere Abstimmung angenommen.

22. Mai. (W. T. B.) Die „Daily News“ sind in der Lage, mitzutheilen, daß die Unterhandlungen mit Rußland günstige Fortschritte machen. Gegenwärtig sei kein Grund zu der Annahme vorhanden, daß unüber⸗ windliche Meinungsverschiedenheiten zwischen England und Rußland entstehen würden; eine völlige Uebereinstimmung sei indessen noch nicht erzielt. Es sei niemals beabsichtigt ge⸗ wesen, die Garde vor dem Abschluß der Unterhandlungen nach England zurückkehren zu lassen; die Gardetruppen würden wahrscheinlich in Alexandrien bleiben, bis das Abkommen, dem sich die beiden Kabinette stetig aber langsam nähern, endgültig zu Stande gekommen sei. Dasselbe Blatt erfährt: es hätten sich im Kabinet bezüglich der theilweisen Ernenerung der Bill zur Verhütung von Ver⸗ brechen in Irland Meinungsverschiedenheiten heraus⸗ gestellt, welche wichtige Folgen haben dürften. Ein kleiner, aber einflußreicher Theil des Kabinets sei gegen die Er⸗ neuerung des Gesetzes, falls dieselbe nicht von einer weit⸗ gehenden Lokalverwaltung kbegleitet sei.

Kapstadt, 19. Mai. (A. C) Sir Charles Warren ist in Shoshong in Khama's Lande angekommen. Der Häuptling Khama hat das britische Protektorat freudig angenommen und einen großen Landstrich von bedeutendem Werthe zur Verfügung englischer Ansiedler gestellt. Das als Khama's Land bekannte Territorium dehnt sich bis zum Zambesiflusse aus.

Paris, 20. Mai. (Fr. Corr.) Die Deputirtenkammer setzte heute die Debatte über die Organistrung der Kolonialarmee fort Der Deputirte de Mahy tadelte die Vorlage, welche der Marine⸗Infanterie fortan eine untergeordnete Stellung anweise, das Kriegs⸗ Ministerium zum Nachtheil des Marine⸗Ministeriums begünstige und den Kolonien (der Redner ist Vertreter von Réunion) früher oder später schaden werde. Nach seiner Ansicht sollte das bisherige Verhältniß fortgesetzt werden, die Marine⸗Infanterie vorwiegend

Frankreich.

ihre Verwendung in den Kolonien haben und jeweils von Ein⸗ heimischen, die sich gern dazu verstehen würden, unterstützt werden. In gewöhnlichen Zeiten würde dies vollständig zur Sicherung der Ordnung genügen, und wenn Krieg ausbräche, wie in Tongking, so müßten Truppenkörper aus Frankreich rechtzeitig herbeigezogen werden. Wenn dies in Tongking geschehen wäre, so hätte man schwerem Mißgeschick vorbeugen können. Der Kriegs⸗Minister, General Campenon, stellte die Uebelstände, welche mit der Beibehaltung des jetzigen Regimes verbunden wären, in ein grelles Licht und drang auf die Annahme der Vorlage, welche in dem Obersten Langlois einen entschiedenen Gegner hat. Hauptsächlich fand dieser es tadelnswerth, daß der Dienst der Kolonien von „Söldlingen“ besorgt werden solle. Darunter verstehe er nicht nur die Ausländer, die sich anwerben lassen könnten, sondern auch die Franzosen, welche der höhere Sold verlocken würde, in den Kolonialtruppen zu dienen. Nachdem sowohl der Kriegs⸗Minister als de Lanjuinais (von der Rech⸗ ten) dieser Auffassung entgegengetreten waren und der Berechtigung der Anwerbungen Abenteuerlustiger das Wort geredet hatten, wurde die Generaldebatte geschlossen und die Berathung der einzelnen Artikel mit 441 gegen 39 Stimmen angenommen. Die vier ersten Artikel gaben nur zu einem kurzen Meinungsaustausch Anlaß; Art. 5 aber, zu welchem der Abg. Georges Roche ein Amendement entwickelte, dem⸗ gemäß die jetzigen Marinetruppen bei ihrem Uebergang zum Kriegs Ministerium ihre alte Benennung beibehalten und den Kern der Kolonialtruppen bilden sollten, führte den Marine⸗ Minister, Admiral Galiber auf die Tribüne. Derselbe gab die Erklärung ab: er habe sich mit dem Kriegs⸗Minister über gewisse Maßregeln geeinigt, welche die Interessen der Marinetruppen wahren und ihnen Entschädigung für vereitelte Hoffnungen bieten sollten. So werde z. B. das Gesetz nicht vor dem 1. Januar, welcher auf seine Bekanntmachung folgt, in Kraft treten, und dieses Datum könnte, wenn die Umstände es erforderten, noch weiter hinausgeschoben werden. Gewiß werde auch die Kammer sich diesen Verein⸗ barungen anschließen und nicht wollen, daß die Zutheilung der Marinetruppen an das Kriegs⸗Ministerium vor dem Ab⸗ schluß der noch schwebenden Expeditionen erfolge, in denen sie so viel Ruhm geerntet haben. Der Berichterstatter Reille zeigte sich dem Amendement Georges Roche geneigt, und das Haus beschloß, der Marine⸗Infanterie ihre bisherige Be⸗ nennung zu lassen. Art. 5, der die Marinetruppen dem Kriegs⸗Ministerium zutheilt, wurde mit 379 gegen 110 Stimmen angenommen.

Ueber den Stand der Dinge in Tongking sowie der Verhandlungen mit China schreibt der „Temps“: In drei Tagen läuft die von dem General Brieére de 1'Isle gesteckte Frist für die Uebergabe von Thanquan ab. Nach der Zusatznote zum Protokoll Campbell⸗Billot vom 4. April 1885 sollte die Evacuirung der chinesischen Truppen westlich von Thuyenquan am 30. Mai beendet sein, aber, wie es heißt, ist dieses Datum bis auf den 5. Juni verschoben. Da die Entfernung zwischen Thanquan und Laokai, dem nordwestlichen Grenzpunkt Chinas am Rothen Fluß, 120 km Luftlinie beträgt, so erscheint es uns schwierig, daß die vollständige Räumung zu den festgesetzten Zeitpunkten geschehen sein kann, wenn überhaupt der Vize⸗König des Nunnan hinlänglich Gewalt über die „Schwarzflaggen“ und ihren Chef Liuvinhphuoc be⸗ sitzt, um sie zur strikten Ausführung der Klauseln des Präliminarvertrages zu nöthigen. Es ist schwieriger, einen Wasserlauf mit so vielen natürlichen Hindernissen, wie den Rothen Fluß, herauf⸗ als herabzusteigen, und es liegen daher wirkliche materielle Schwierigkeiten vor, um die chinesischen Kontingente rückwärts zu führen. Allein man muß sich auch noch auf ganz andersartige Schwierigkeiten gefaßt machen, die dem Hof von Peking mancherlei Ver⸗ legenheiten bereiten dürsten. Was z. B. soll mit den „Schwarz⸗ flaggen“ geschehen? Dieselben auf dem chinesischen Gebiete zu entlassen, ist gefährlich, sie in ihrer gegenwärtigen Orga⸗ nisation zu behalten, nicht minder. Wahrscheinlich beschäftigt man sich mit alledem in Tientsin, wo die Verhandlungen über den Friedensvertrag ihren Fortgang nehmen. Viel⸗ leicht werden solche länger sein, als man es voraussah.

Das „Journal officiel“ veröffentlicht das Dekret des Präsidenten, welches den Marine⸗Minister, Contre⸗ Admiral Galiber zum Vize⸗Admiral ernennt.

20. Mai. (Köln. Ztg.) Die Absendung von Ver⸗ stärkungen nach Tongking dauert fort. Heute Nach⸗ mittag ging die „France“ von Toulon dorthin ab. Sie hat an Bord für das Expeditions⸗Corps 22 Marine⸗Offiziere und 22 Marinesoldaten, einen Arzt und einen Reserve⸗Unter⸗ Lieutenant, für Hué 239 Mann Marine⸗Infanterie, für Formosa 214 Mann Marine Infanterie und 15 Artilleristen, für Cochinchina 140 Civil⸗ und Militärpassagiere.

21. Mai. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer hat heute den Gesetzentwurf über die Organisation der Kolonial⸗Armee in erster Lesung angenommen.

Im Senat gelangte mit 129 gegen 121 Stimmen ein Amendement zur Annahme, welches bei der Berechnung der Bevölkerungsziffer, die der nach dem Listenskru⸗ tinium in jedem Departement zu wählenden Deputirtenzahl zu Grunde zu legen ist, die Ausländer in Abzug bringt. Der Minister⸗Präsident Brisson hatte sich gegen das Amendement ausgesprochen.

Griechenland. Athen, 21. Mai. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer wurde heute mit einer Botschaft des Königs eröffnet, in welcher hervorgehoben wird, daß die Beziehungen zu allen Mächten freundschaftliche seien, und daß Griechenland, welches des Friedens bedürfe, die Aufrecht⸗ erhaltung des status quo im Orient wünsche. Im Uebrigen berührt die Botschaft nur innere Fragen.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 21. Mai. (W. T. B.) Die Feier zur Eröffnung des Seekanals ist auf den 27. d. M. festgesetzt. Der Kaiser wird der⸗ selben beiwohnen; die Kaiserlichen Nachten und mehrere Kronstädter Kriegsfahrzeuge werden dabei den Kanal entlang bis nach St. Petersburg fahren.

22. Mai. (W. T B.) Der „Regierungsanzei⸗ ger“ bezeichnet die Meldung einzelner Blätter, daß die Wotjaken im Kreise Malmysch im Gouvernement Wiatka den Versuch gemacht hätten, die orthodoxen Priester dem bösen Geiste zu opfern, als vollständig un⸗ begründet.

Asien. Persien. Teheran, 21. Mai. (W. T. B.) Das „Reutersche Bureau“ meldet: Der Gouverneur von Serakhs (Provinz Khorassan) hat auf Ersuchen des