sofern dieselben einzeln zwei Prozent und im Gesammtbetrage
eines Etatsjahres fünf Prozent der Solleinnahme nicht über⸗
steigen, bedurfen der Genehmigung der Staatsbehörden nicht. §. 4.
Die kirchlichen Organe bedürfen zur Führung von Pro⸗ zessen keiner Ermächtigung von Seiten einer Staatsbehörde.
Die Staatsbehörde ist berechtigt, von der kirchlichen Ver⸗ mögensverwaltung Einsicht zu nehmen, zu diesem Behuf die Etats und Rechnungen einzufordern, sowie außerordentliche Revisionen vorzunehmen und auf Abstellung der etwa gefun⸗ denen Gesetzwidrigkeiten durch Anwendung der gesetzlichen Zwangsmittel zu dringen. b
Weigern sich kirchliche Gemeindeorgane, gesetzliche Leistun⸗ gen, welche aus dem kirchlichen Vermögen zu bestreiten sind oder den Pfarreingesessenen obliegen, auf den Etat zu bringen, festzusetzen oder zu genehmigen, so ist sowohl die betreffende Kirchenbehörde als auch die Staatsbehörde, jedoch nur unter gegenseitigem Einvernehmen, befugt, die Eintragung in den Etat zu bewirken und die weiter erforderlichen Anordnungen zu treffen.
Bestreiten die Gemeindeorgane die Gesetzwidrigkeit bean⸗ standeter Posten oder die Verpflichtung zu den auf Anordnung der Kirchenbehörde und der Staatsbehörde in den Etat ein⸗ getragenen Leistungen, so entscheidet auf Klage der Gemeinde⸗ organe im Verwaltungsstreitverfahren das Ober⸗Verwaltungs⸗ gericht.
8 .
Die Kirchenbehörde, ebenso die Staatsbehörde, beide aber nur unter gegenseitigem Einvernehmen, sind berechtigt, die Geltendmachung rechtsbegründeter Ansprüche des von dem Kirchenvorstande zu verwaltenden Vermögens, insbesondere auch einer durch Pflichtwidrigkeit eines Vorstandsmitgliedes begründeten Ersatzforderung im Wege des Prozesses zu be⸗ gehren und äußersten Falles durch Bestellung eines Kirchen⸗ anwalts zu erwirken, auch die weiter erforderlichen Anordnun⸗ gen zu treffen.
S. .
Unbeschadet der den Staatsbehörden durch dieses Gesetz vorbehaltenen Zuständigkeiten verbleibt den Kirchenobern das Recht der oberen Leitung der Kirchenvorstände auch in Betreff der vermögensrechtlichen Zuständigkeiten derselben.
Die Ausübung dieses Rechts wird durch Kirchengesetz ge⸗ ordnet. 8
Durch Königliche Verordnung werden diejenigen Staats⸗ behörden bestimmt, welche die in den §§. 2, 3, 5 wähnten Rechte auszuüben haben.
Für die Beamten, welche bei der stattfindenden Umbildung der Konsistorien nicht verwendet werden, kommen die Be⸗ stimmungen der §§. 147 bis 150 des Gesetzes über die allge⸗ meine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (Gesetz⸗Samml. S. 195) zur Anwendung.
§. 10.
Alle diesem Gesetze entgegenstehenden Bestimmungen, mögen dieselben in allgemeinen Landesgesetzen, in Pro⸗ vinzial⸗ oder Lokalgesetzen und Lokalordnungen enthalten oder durch Observanz oder Gewohnheit begründet sein, treten außer Kraft.
Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Juli 1885 in Kraft.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel.
Gegeben Berlin, den 6. Mai 1885. (L. S.) Wilhelm. von Bismarck. von Puttkamer. Maybach. Lucius. Friedberg. von Boetticher. von Goßler. von Scholz. Graf von Hatzfeldt. Bronsart von Schellendorff.
Auf Ihren Bericht vom 7. d. M. verordne Ich nach An⸗ hörung der zufolge Meines Erlasses vom 17. November 1884 berufenen außerordentlichen Landessynode kraft der Mir als Träger des landesherrlichen Kirchenregiments zustehenden Be⸗ fugnisse für die evangelisch lutherische Kirche der Provinz Hannover, was folgt:
Die Konsistorien zu Osnabrück (A. C.) und Otterndorf, der evangelische Magistrat zu Osnabrück und das Kloster Loccum hören auf, als Konsistorialbehörden der evangelisch⸗ lutherischen Kirche zu fungiren.
28
8. .
Die kirchlichen Zuständigkeiten dieser Behörden betreffs der evangelisch⸗lutherischen Kirche werden künftig wahr⸗ genommen:
11) bezüglich der Bezirke des Konsistoriums zu Osna⸗ brück, des evangelischen Magistrats zu Osnabrück und des Klosters Loccum durch das Konsistorium zu Han⸗ nover, auf welches auch die jetzt dem Stadtkon⸗ sistorium zu Osnabrück zustehenden Rechte der Dis⸗ ziplinarstrafgewalt übergehen,
2) bezüglich des Bezirks des Konsistoriums zu Ottern⸗ dorf durch das Konsistorium zu Stade.
Auf das Konsistorium zu Stade gehen auch die kirchlichen Zuständigkeiten über, welche das Konsistorium zu Hannover gegenwärtig in der Generaldiözese Harburg und in der Stadt Lüneburg ausübt.
Obige Bestimmungen “ am 1. Juli d. J. in Kraft. Der gegenwärtige Erlaß ist durch die Gesetz⸗Sammlung zur öffentlichen Kenntniß zu bringen.
Berlin, den 13. April 1885.
Wilhelm. von Goßler.
An den Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten.
Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
Dem von der Kögiglichen Eisenbahn⸗Direktion zu Brom⸗ berg ressortirenden Königlichen Eisenbahn⸗Betriebsamt zu Danzig ist vom 1. Juni d. J. ab die Verwaltung und Be⸗ triebsleitung der bisher dem Königlichen Eisenbahn⸗Betriebs⸗ amt zu Stettin (Eisenbahn⸗Direktionsbezirk Bromberg) unter⸗ stellten Strecke Danzig — Zoppot innerhalb der den König⸗ lichen Eisenbahn⸗Betriebsämtern durch die unter
dem 24. November 1879 Allerhöchst genehmigte Organisation der
8 Staatseisenbahnverwaltung zugewiesenen übertragen worden. Berlin, den 25. Mai 1885. Der Minister der öffentlichen Arbeiten. Maybach.
Abgereist: Se. Excellenz der General⸗Intendant der Königlichen Schauspiele, von Hülsen, nach Hannover.
Die Nummer 20 der Gesetz⸗Sammlung, welche von heute ab zur Ausgabe gelangt, enthält unter 8
Nr. 9061 das Gesetz, betreffend Aenderungen der Kirchen⸗ verfassung der evangelisch⸗lutherischen Kirche der Provinz Hannover. Vom 6. Mai 1885; und unter
Nr. 9062 das Gesetz über die Veräußerung und hypothe⸗ karische Belastung von Grundstücken im Geltungsbereich des Rheinischen Rechts. Vom 20. Mai 1885. Beerlin, den 27. Mai 1885.
Königliches Gesetz⸗Sammlungs⸗Amt Didden.
Personalveränderungen. Königlich Preußische Armee.
Ernennungen, Beförderungen und Versetzung Im aktiven Heere. Berlin, 24. Mai. v. Wallenberg, Hauptm. aggreg. dem Generalstabe der Armee, in seinem Kommando zur Dienstleistung von dem Großen Generalstabe zum Generalstabe“ des III. Armee⸗Corps übergetreten. Ladewig, Sec. Lt. à la suite des Drag. Regts. Nr. 11, in das Regt. wiedereinrangirt.
Königlich Bayerische Armee.
Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im aktiven Heere. 19. Mai. Vogl, Major z. D., zum Landw. Bez. Commandeur in Kissingen, v. Praun, Major z. D., zum Landw. Bez. Commandeur in Zweibrücken, Schuster, Major im 2. Inf. Regt., Frhr. v. Pfetten, Major im 13. Inf. Regt., zu Bats. Commandeuren, Beichhold, Hauptm. im 13. Inf. Regt,, zum Comp. Chef, ernannt. Roth, Hauptm. und Comp. Chef vom 8. Inf. Regt., zum 2. Inf. Regt. unter Beförder. zum überzähl Major, Ulmer, Pr. Lt. vom 4. JInf. Regt., zum 8. Inf. Regt. versetzt.
Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. 19. Mai. Remich v. Weißenfels, Oberst z. D., Commandeur des Landw. Bez. Kissingen, Ament, Oberst z. D., Commandeur des Landw. Bez. Zweibrücken, der erbetene Abschied mit Pension und mit der Er⸗ laubniß zum Tragen der Uniform bewilligt. Vogl, Major und Bats. Commandeur vom 13. Inf. Regt., v. Praun, Major und Bats. Commandeur vom 2. Inf. Regt., mit Pens. zur Disp gestellt.
Nichtamtliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 27. Mai. Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hohriten der Kronprinz und die Kronprinzessin begaben Sich mit Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Vickvbria gestern mit dem Mittagszuge von Potsdam nach Charlottenburg, statteten den Erbprinzlich sachsen⸗meiningenschen Herrschaften einen Besuch ab und wohnten dem Rennen des Hinderniß⸗Rennvereins bei.
Sodann fuhren Höchstdieselben nach Berlin zum Besuch Sr. Majestät des Kaisers und Königs.
Ihre Kaiserliche Hoheit die Kronprinzessin begab Sich von hier um 7 Uhr 20 Minuten Abends nach Potsdam zurück, während Se. Kaiserliche Hoheit der Kronprinz in Höchstseinem
Jalais noch verschiedene Vorträge entgegennahm, dann die Vorstellung im Opernhause besuchte und mit dem um 9 Uhr 50 Minuten abgehenden Zuge nach dem Neuen Palais zurückkehrte.
— Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich württem⸗ bergische General⸗Lieutenant von Faber du Faur, ist von hier abgereist.
— Der General⸗Inspecteur der Artillerie, General⸗ Lieutenant von Voigts⸗Rhetz, ist zur Besichtigung des Pommerschen Fuß⸗Artillerie⸗Regiments Nr. 2 und des Schles⸗ wigschen Fuß⸗Artillerie⸗Bataillons Nr. 9 abgereist; desgleichen der Inspecteur der 1. Fuß⸗Artillerie⸗Inspektion, General⸗ Lieutenant Wiebe, nach dem Schießplatz bei Lockstedt in Holstein behuss Besichtigung von Schießübungen.
— Der General⸗Lieutenant von Kleist, Commandeur der 1. Garde⸗Infanterie⸗Division, ist aus Pessin bei Paulinenaue, wohin derselbe sich vor einigen Tagen mit Urlaub begeben hatte, gestern hierher zurückgekehrt.
— Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren: Hampel in Lindow, Dr. A. Kauder in Schlichtingsheim, Dr. Krayn in Pudewitz, Dr. Ernst Knauer und Galle in Breslau, Gorke in Reichenbach i. Schl., Dr. Lueddecke in Halberstadt, Dr. Muhlert in Stolberg a. H. und Unterarzt Losechner in Wittenberg.
Breslau, 26. Mai. (W. T. B.) Ihre Majestäten der König und die Königin von Sachsen trafen heute Nachmittag 4 Uhr mittelst Extrazuges auf der Station Mochbern ein und begaben sich von dort nach Schloß Sy⸗
billenort.
Sigmaringen, 25. Mai. (Allg. Ztg.) Das heute Vormittag über das Befinden Sr. Königlichen Hoheit des Fürsten ausgegebene Bulletin meldet:
Schlaf vor Mitternacht unruhig, später befriedigend. Puls Feenlich regelmäßig, 46. Kräfte etwas geringer als gestern. Appetit e .
Dr. Koch. — 27. Mai, Mittags. (W. T. B.) Ihre Majestäten der König und die Königin von Rumänien sind mit ihren beiden Neffen, den Söhnen des Erbprinzen von Hohenzollern, hier angekommen.
Anhalt. Dessau, 23. Mai. (Anh. St.⸗A.) Heute
trafen Ihre v. die Herzogin und die Prinzessin Hilda von Nassau hier ein.
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 26. Mai. (W. T. B.) Der König und die Königin von Rumänien sind hier ein⸗ getroffen.
“ 8 . — Der „Politischen Korrespondenz“ wird aus Lemberg gemeldet, das Seitens des Ministers des Innern für die gemeinsam mit den preußischen Kommissären zu unter⸗ nehmenden technischen Vorerhebungen zur Regulirung der Weichselstrecke an der österreichisch⸗deutschen Grenze die Bauräthe Matulg und Moraczewski, der Hofrath Beyer, der Regierungsrath Fürer und der Baurath Swoboda zu Dele⸗ girten ernannt seien.
Pest, 24. Mai. Der „Budapesti Közlöny“ publizirt die Gesetze, betreffend die Vermehrung der Kupfer⸗ scheidemünze, den Ausbau der Eisenbahn von Doboij bis Siminhan und die Modifikation des Gesetzes über die Bergwerksschürfungen.
Belgien. Brüssel, 25. Mai. (Köln. Ztg.) Gestern haben in einigen Kantonen die Ergänzungswahlen zu den Provinzialräthen stattgefunden. Klerikal sind die⸗ selben ausgefallen in Luxemburg, Brügge, Mecheln u. s. w. liberal dagegen in Namur, Charleroi, Mons, Nirelles Jodoigne u. s. w. In Charleroi betrug der Unterschied der Stimmenzahl für beide Parteien 1200.
Großbritannien und Irland. London, 25. Mai. (Allg. Corr.) Der Geburtstag der Königin wurde gestern in Windsor und London durch Glockengeläut und Be⸗ flaggung der öffentlichen Gebäude gefeiert. Die Abfeuerung der üblichen Salutschüsse unterblieb wegen der Sonntagsfeier und wird erst heute stattfinden. Die ministeriellen Bankette und Truppenparaden zur Feier des Geburtstages werden am 6. Juni abgehalten werden.
Dem „Observer“ zufolge dürften die Meinungs⸗ verschiedenheiten im Kabinet gleich nach Pfingsten durch einen Ausgleich beseitigt werden, wonach das irische Zwangsgesetz so milde als nur möglich gestaltet und nur für die Dauer eines Jahres erneuert werden würde.
Der Marine⸗Oberbefehlshaber in Portsmouth, Admiral Sir Geoffrey Hornby, hat den Oberbefehl über die Flotte von 15 Panzerschiffen erhalten, welche in Kurzem nebst den dazu gehörigen Torpedobooten und anderen kleinen Fahrzeugen zusammengezogen werden soll. Das Ge⸗ schwader wird in Kurzem eine Kreuzungstour an der irischen Küste behufs Ausführung einiger wichtiger Evolutionen unternehmen.
Ottawa, 23. Mai. (A. C.) Riel ist nach Regina gebracht worden, wo ihm der Prozeß wegen Hochverraths gemacht werden wird.
Frankreich. Paris, 26. Mai. (W. T. B.) Der Ministerrath billigte anläßlich der gestrigen Vor⸗ gänge einen heute Morgen ergangenen Erlaß der Polizei⸗ Präfekten, welcher im ganzen Seine⸗Departement die Auf⸗ hissung aller Embleme mit Ausnahme der nationalen Flagge und der Flaggen fremder Nationen verbietet.
Die Regierung wünscht das Leichenbegängniß Victor Hugo's auf Sonnabend zu verschieben, doch sind bestimmte Anordnungen noch nicht ergangen. Der Unter⸗ richts⸗Minister Goblet wird bei der Trauerfeier Namens der Regierung das Wort ergreifen.
Dem Leichenbegängniß des Commune⸗Mitglie⸗ des Amouroux wohnten heute Morgen ungefähr 4000 Per⸗ sonen bei, darunter die Majorität des Munizipalraths von Paris. Es wurden zwölf Reden gehalten. Im Innern des Kirchhofs waren die Fahnen der revolutionären Comités auf⸗ gepflanzt. Man hörte Rufe: „Es lebe die Commune!“ Ein anderer Zwischenfall hat jedoch nicht stattgefunden.
In der Deputirtenkammer legte Gomot heute den
Bericht der Kommission zur Vorberathung des Antra⸗ ges, den ehemaligen Minister⸗Präsidenten Ferry in An⸗ klagezustand zu versetzen, vor. — Lacroix, von der äußersten Linken, brachte eine Interpellation über die Vorgänge auf dem Pere Lachaise ein. Derselbe tadelt das provokatorische Vorgehen der Polizei und bestritt der Regierung das Recht, die Entfaltung rother Fahnen zu verhindern, da das bezügliche Gesetz noch gar nicht votirt sei. Der Minister des Innern, Allain⸗Targe, erklärte, daß er jede Verantwortlichkeit für die Vorgänge übernehme. Wenn auch noch irgend welche Unsicherheit darüber existire, was unter aufrührerischen Emblemen zu verstehen sei, so müsse die Regierung gleichwohl die Ordnung aufrecht erhalten und die Entfaltung von Fahnen verhindern, welche den Bürgerkrieg bedeuten. Der Minister erklärte, weit davon entfernt zu sein, die Pariser Demokratie zusammenzuwerfen mit einer Minorität anarchistischer Agitatoren, welche Ruhe⸗ störungen hervorriefen und die Polizei durch ihre Angriffe gezwungen hätten, sich zu vertheidigen. Die Polizeibeamte wären bei den betreffenden Vorgängen als die berufenen und wahrhaften Vertreter des Gesetzes aufgetreten. Lelievre (Opportunist) rieth der Regierung, ihre Energie zu verdoppeln, um die Entfaltung rother Fahnen und Banner zu verhindern. — Die Kammer verwarf schließlich mit 423 gegen 44 Stimmen den Antrag Lacroix, welcher hervorhebt, daß kein Gesetz das Entfalten von Fahnen und Emblemen verhindert und das gewaltthätige Auftreten der Polizei tadelt. Sodann gelangte mit 388 gegen 10 Stimmen ein Antrag Péerier zur Annahme, welcher das Ver⸗ trauen ausdrückt, die Regierung werde hinreichende Festigkeit besitzen, um der nationalen Fahne die gebührende Achtung zu verschaffen. Die Regierung hatte ihre Zustimmung zu dem Antrage Périer vorher erklärt. — 27. Mai, Vormittags. (W. T. B.) Das „Journal officiel“ veröffentlicht ein Dekret, welches die jetzige Kirche Sainte⸗Genevieve (das frühere Pantheon) seiner ursprünglichen Bestimmung wiedergiebt, für berühmte und um Frankreich verdiente Männer als Be⸗ gräbnißstätte zu dienen, — ingleichen ein weiteres Dekret, welches anordnet, daß die Leiche Victor Hugo's im Pantheon beigesetzt werde. — Nach den neuerdings ge⸗ troffenen Dispositionen dürfte die feierliche Beisetzung Victor Hugo's erst am nächsten Montag stattfinden.
Italien. Rom, 26. Mai. (W. T. B.) Die tech⸗ nische Kommission der Sanitätskonferenz beschloß in ihrer heutigen Sitzung, die Quarantänefrage vor⸗ läufig bei Seite zu lassen, und nahm den Antrag Brouardels, auf Errichtung von Musterhäfen und Konstatirung der allgemeinen Gesundheitsverhältnisse in den Häfen, an.
— 27. Mai. (W. T. B.) Der „Agenzia Stefani“ zufolge berichtete der Kapitän Ferrari an den Minister des Aeußeren, Mancini, daß ihn der König von Abys⸗ sinien in bester Weise empfangen und den Wunsch aus⸗
sie im November 1880 mit 215 ℳ
gesprochen habe, mit Italien freundschaftliche Beziehun⸗ gen zu unterhalten.
Türkei. Konstantinopel, 23. Mai. (Allg. Corr. Die Pforte hat das Entlassungsgesuch 168 en. neurs von Creta, Photiades Pascha, welches der⸗ selbe in Folge eines Streites mit der cretensischen Legislatur einreichte, angenommen, ihn jedoch ersucht, bis zur Ankunft seines Nachfolgers auf der Insel zu bleiben. — Adossides Pascha, der Fürst von Samos, ist in Folge eines Miß⸗ trauensvotums, welches die Legislatur dieser Insel annahm, seiner Funktionen enthoben worden.
— 25. Mai. (W. T. B.) Der ehemalige Minister des Aeußeren, Karatheodory Pascha, ist zum Gouverneur von Samos ernannt worden.
RAußland und Polen. St. Petersburg, 27. Mai. (W. T. B.) Der finnländische Landtag ist am 23. d. M. geschlossen worden.
Der russischen „Petersburger Zeitung“ zufolge werden nach den Sommer⸗Lagerübungen weitere größere Manö⸗ ver in den Odessaer und Moskauer Militärbezirken stattfinden. 3
Die neueste Gesetzsammlung enthält einen vom Kaiser sanktionirten Beschluß des Minister⸗Comites, wonach die durch den Fiskus anzukaufende Putilow⸗Bahn (Ver⸗ bindungsbahn mit dem Seekanal), ebenso wie die durch den Fiskus erbaute Gutujew⸗Zweiglinie der Großen Russischen Eisenbahngesellschaft auf ein Jahr zur Benutzung übergeben wiro.
Die Reichseinnahmen betrugen bis zum 1. März 1885 126 409 986 Rbl., gegen 112 351 346 Rbl., die Aus⸗ gaben 123 347 206 Rbl., gegen 113 383 891 Rbl. in dem gleichen Zeitraum des vorigen Jahres.
Amerika. New⸗York, 22. Mai. (Allg. Corr.) Einer Meldung aus Guagymas zufolge hat daselbst ein Treffen zwischen den mexikanischen Truppen und den Naqui⸗ Indianern stattgesunden, in welchem die Regierungstruppen 57 Todte und viele Verwundete hatten. Der Verlust der Indianer ist nicht bekannt. Die Veste der Naqui's wurde eingenommen. — Ein Telegramm aus Panama meldet, daß das letzte Detachement der amerikanischen See⸗ truppen von dort nach Aspinwall abging. Das ganze Bataillon wird am nächsten Montag von Aspinwall die Rück⸗ reise nach New⸗York antreten.
— 24. Mai. (A. C.) Der General⸗Prokurator Garland hat entschieden, daß die Kopfsteuer von ½ Dollar, welche die in den Vereinigten Staaten ankommen⸗ „. u“ zu entrichten haben, sich auch auf Touristen ezieht.
Eine heute hier veröffentlichte Depesche meldet, daß der Präsident von San Domingo, General Bellini, seinen Posten niedergelegt hat.
Afrika. Egypten. Kairo, 22. Mai. (A. C.) Lord Wolseley ist mit seinem Stabe heute Nachmittag hier an⸗ gekommen.
Suakim, 22. Mai. (A. C.) Es wird erwartet, daß 3500 Mann Truppen hier bleiben werden. Otao wurde heute geräumt. Das Shropshire⸗Regiment, welches die Besatzung des Platzes gebildet hatte, kehrte per Eisenbahn nach Suakim zurück. Die Eisenbahnlinie wurde in ver⸗ flossener Nacht vom Feinde nicht behelligt.
— 23. Mai. (A. C.) Handub wurde heute früh geräumt. Kleine Abtheilungen Marodeure feuerten auf die Truppen, aber sie zogen sich eiligst zurück, als die Mannschaften des Berkshire⸗Regiments die Schüsse erwiderten. Es verlautet, daß Otao von den Rebellen niedergebrannt wurde. Das Berkshire⸗ und das Ost⸗Surrey⸗ Regiment segelten heute Morgen an Bord der Transportdampfer „Conway Castle“ und „Loch Ard“ von hier ab. Unter den britischen und indischen Truppen sind Krankheiten im stetigen Zunehmen. Die für die Vertheidigung von Suakim bestimmten Truppen sind jetzt hier konzentrirt. Die auf der Rhede liegenden Schiffe mit Eisen⸗ bahnmaterial werden morgen anfangen nach England zurück⸗ zukehren.
— 24. Mai. Heute Nachmittag fuhr der gepanzerte Zug mit den Gardnerkanonen, 50 Mann des Shropshire⸗ Regiments und einer gleichen Anzahl von Sikhs und indischer Infanterie die Eisenbahn entlang und überraschten den Feind beim Zerstören des Geleises. Als die Engländer zu feuern begannen, zog sich der Feind zurück, nachdem er Ver⸗ luste erlitten, die auf mehrere hundert Mann geschätzt werden. Ein anderer Rebellenhaufen, der bei Handub der Eisenbahn beträchtlichen Schaden zufügte, erlitt keine Verluste.
Dongola, 23. Mai. (A. C.) Der Nil ist noch immer im Steigen. Ueber 1100 Flüchtlinge haben Dongola jetzt verlassen.
Madagascar. (Allg. Corr.) Aus Tamatave wird unterm 11. d. gemeldet: Die Lage hierselbst hat keine Ver⸗ änderung erfahren. Es liegen acht französische Kriegs⸗ schiffe auf der Rhede vor Anker. Das britische Kriegs⸗ schiff „Kingfisher“ geht heute nach Mauritius ab.
eitungsstimmen.
Der „Danziger Allgemeinen Zeitung“ wird aus Berlin geschrieben:
Die „Brodvertheuerung“ wirkt ansteckend. Die Bäckerinnung in Apolda hat nach dem Vorbild der Bäcker ciniger wenizer anderer Städte beschlossen, den Preis des Brodes zu steigern. Das ist wieder ein Fall der verderblichen Wirkung der freisinnig⸗freihändlerischen Agitation in Parlament und Presse, welche von der Behauptung lebt, daß die Zollerhöhung das Brod vertheuere, und durch welche die Baͤcker thörichter Weise veranlaßt werden, die Brodpreise zu steigern, obwohl die Getreidepreise ein derartiges Vorgehen in keiner Weise rechtfertigen.
Sehen wir uns letztere einmal etwas näher an. Im Jahre 1884 erreichten die Weizenpreise (auf dem Berliner Markt) den niedrigsten Stand und zwar im September 147,70 ℳ für 1000 kg. Im
Jahre 1879 waren die Preise nur auf 173 ℳ gesunken, im Jahre 1882 im September auf 171,50 ℳ:
dazwischen kamen als höchste Preise 234 ℳ (im Dezember 1879) und 236 ℳ (im November 1881) vor. Die Roggenpreise fielen im September 1884 auf 137,25 ℳ, nachdem ihren höchsten Stand erreicht und inzwischen vielfach geschwankt hatten. Von diesen Schwankungen, die zwischen dem niedrigsten und höchsten Preise bei Weizen mehr als 88 ℳ betrages, hat das brodkonsumirende Publikum, wie sich Jeder erinnern wird, nichts gemerkt: das Brod wurde nicht theuerer, als die Getreidepreise heraufgingen, und es wurde nicht billiger, als sie ihren niedrigsten Stand erreichten.
1
1b
In diesem Jahre hat sich nun allerdings der Weizenpreis gegen den niedrigen Preis vom September vorigen Jahres etwas gehoben, — eine Beobachtung, die in den ersten Monaten der Jahre 1879, 1881 und 1883 gleichfalls gemacht wurde. Aker die Hebung des Weizenpreises ist eine sehr geringe: er ist vom Septemder bis Januar, also vor der Zollerhöhung, von 147,70 ℳ auf 159 40 ℳ gestiegen; in dem Monat der Zollerhöhung (Februar) betrug er 162,50 ℳ, im März 164,80 ℳ, — gegenwärtig (Ende Mai) an der Berliner Börse zwischen 156 und 180 ℳ, im Durchschnitt also 168 ℳ Die Weizen⸗ preise haben also etwa jetzt erst den Stand erreicht, den sie im April, Mai und Juli vorigen Jahres hatten. Vor diesem Zeitpunkt aber hatten die Weizenpreise während der letzten sechs Jahre noch niemals so niedrig gestanden. 1
„Roggen kostete, wie erwähnt, im September 1884 (in Berlin), 137,25 ℳ, der niedrigste Stand im Vorjahr. Dann hob er sich auf 143,50 ℳ im Januar dieses Jahres; im Februar, dem Monat der Zollerhöhung, kostete er 146 25 ℳ, im März 145,25 ℳ, — gegenwärtig (Ende Mai) an der Berliner Börse zwischen 138 und 150 ℳ, im Durchschnitt also 144 ℳ Die Roggenpreise sind also gegenwärtig niedriger als im Monat der Zoll⸗ erhöhung und entsprechen überdies dem Stande vom März des Jahres 1884, vom April 1883 und vom September 1879, während die Jahre 1880 und 1881 durchweg bedeutend höhere Preise zeigten.
Was folgt hieraus?
Erstens, daß der Zoll einen Einfluß auf die gegenwärtigen Weizen⸗ und Roggenpreise nicht gehabt hat; erstere bewegen sich auf dem noch nicht einmal als normal anzusehenden sehr niedrigen Stande der Preise in denselben Monaten des Vorjahrs, letztere sind niedriger geworden als im Februar. Wenn sich beide gegenüber dem niedrigen Stande im September des Vorjahres erholt haben, so ist dies eine ganz natürliche, in jedem Jahre zu be⸗ obachtende Entwickelung, und ist hieran dem Zoll gar kein Ver⸗ dienst oder — wenn man mwill — gar keine Schuld beizumessen, da die Hebung der Preise schon in den Monaten vorher begann. Zweitens, daß die gegenwärtigen Weizen⸗ und Roggenprrise immer noch sehr niedrige sind, wie wir sie (namentlich der Weizen) nur in ganz bevorzugten Jahren hatten.
Drittens, daß das gegenwärtige Anziehen der Weizenpreise — von dem Sinken der Roggenpreise zu geschweigen — ebensowenig eine Erhöhung der Brodpreise zur Folge haben kann, wie in früheren Jahren, wo das Steigen der Getreidepreise thatsächlich eine Brod⸗ vertheuerung nicht bewirkt hat; daß die Brodvertheuerung jetzt um so weniger gerechtfertigt ist, als die Getreidepreise im Vergleich zu den Vorjahren noch sehr niedrige sind und als das unerhörte Sinken der Getreidepreise im Vorjabre kein Fallen der Brodpreise zur Folge gehabt hat und daß die Getreidepreise sogar noch um 50 oder 60 ℳ (d. h. bis zu dem Niveau der Preise vom Jahre 1879, 1880 und 1881) steigen können, ehe ein Heraufgehen der Brodpreise gerechtfertigt erscheint; denn auch damals hat bei jenen hohen Getreidepreisen eine „Brotvertheuerung“ nicht stattgefunden.
Viertens, daß wenn jetzt einige Bäcker trotz der niedrigen Getreidepreise eine Brodvertheuerung vornehmen, weil der Zoll erhöht ist, dies ein Vorgehen ist, welches in den thatsächlichen Verhältnissen keine Begründung findet und nur den Vorwand zu einer unberechtigten und deshalb nicht genug zu brandmarkenden Ausbeutung des Pablikums geben soll.
Der Gemeindevorstand in Apolda ist gegen den Beschluß der dortigen Bäcker eingeschritten, indem er den Beschluß der Brodver⸗ theuerung, zumal den Mitgliedern der Innung zu dessen Durchfüh⸗ rung eine Konventionalstrafe von 15 ℳ angedroht ist, als urgesetzlich erklärt und zugleich der Bäckerinnung durch Errichtung von Verkaufs⸗ stellen einer das Brod billiger liefernden Bäckerei Konkurrenz zu be⸗ reiten beschlossen hat. Sicherlich wird dieses Vorgehen des Gemeinde⸗ vorstandes vollen Beifall in der Bewohnerschaft finden.
— Die „Kölnische Zeitung“ schreibt:
In den Rückblicken, welche der zu Ende gegangenen Reichstags⸗ session gewidmet werden, kehrt auch die Frage wieder, ob an eine plötzliche Auflösung des kaum versammelten Reichstages ernstlich ge⸗ dacht worden ist, als die Herren Richter und Windthorst . .. gegen die auf das Auswärtige Amt und die Kolonialpolitik sich be⸗ ziehenden Forderungen des Reichskanzlers vorläufig siegreich waren. ... Am bezeichnendsten ist, daß grade der Reichskanzler es war, welcher der Heißspornpolitik entgegentrat, und dadurch selbstverständlich den Streit entschied. Die Folge hat gelehrt, daß er und die mit ihm Uebereinstimmenden damals den richtigen Blick gehabt, denn was die Auflösung in den unmittelbar streitigen Finanzfragen hätte bewirken sollen, ist auch ohne sie eingetreten. Die deutschfreisinnige Gegnerschaft mußte schon vor der Stimmung der Nation das Feld räumen, und schwetlich wäre eine solche Reihe von nützlichen Gesetzen im Laufe der Session zu Stande gekommen, wenn in den Monaten Januar und Februar ein neuer Wahlkampf durch das ga⸗ Reich getobt hätte. Welches Agitationsgeschäft in Folge der Zolltarifnovelle die deutschfreisinnige Presse machen wird, kann man ruhig abwarten. Jedenfalls hat die Partei mit ihrem blinden Widerstande gegen das Börsensteuergesetz sich bei der Masse der Wähler keine besondere Anerkennung erworben, und daß sie auch der Ausdehnung der Unfallversicherung auf Trans⸗ portgewerbe u. s. w. ihr doktrinaires Nein! entgegengeschleudert hat, statt auf der einmal gegebenen Grundlage mit den Freunden des Gesetzes fortzuarbeiten, muß entschieden als politischer Fehler ange⸗ sehen werden.
— In der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ lesen wir:
Der Art. 3 des Innunzssgesetzes vom 18. Juli 1881 bestimmt bekanntlich, daß bei Erlaß dieses Gesetzes bestehende Innungen, welche bis Ablauf des Jahres 1885 sich noch nicht nach jenem Ge⸗ setze reorganisirt baben würden, aufgelöst werden können. Die Königliche Regierung zu Schleswig hat bereits Anlaß genommen, in einer Verfügung anzuordnen, daß die Vorstände solcher noch nicht reorganisirter Innungen auf jenen Artikel aufmerksam zu machen
seien, und dürfte es für diese Innungsrorstände auch anderweitig von
Interesse sein, an diesen Fristablauf erinnert zu werden. Ueber das Vermögen der Innung wäre in einem solchen Auflösungsfalle nach Maßgabe des §. 94 der Gewerbeordnung zu verfügen, welcher anordnet, daß das Vermögen zuvörderst zur Berichtigung der Schul⸗ den und Erfüllung sonstiger Innungsverpflichtungen verwendet wird. Eine Vertheilung des Vermögens unter die zeitigen Mitglieder kann die Innung bei ihrer Auflösung nur so weit beschließen, als dasselbe aus Beiträgen dieser Mitglieder entstanden ist. Der Rest des Ver⸗ mögens wird, falls in dem Statut oder den Landesgesetzen nicht ein Anderes ausdrücklich bestimmt ist, der Gemeinde, in welcher die auf⸗ gelöste Innung ihren Sitz hatte, zur Benutzung für gewerbliche Zwecke uͤberwiesen.
Statiftische Nachrichten.
Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund⸗ heitsamts sind in der 19. Jahreswoche von je 1000 Bewohnern auf den Jahresdurchschnitt berechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin 22,6, in Breslau 27,5, in Königsberg 29,7, in Köln 32,2, in Frankfurt a. M. 21,1, in Hannover 22,7, in Kassel 17,9, in Magdeburg 23,9, in Stettin 14,3, in Altona 31,7, in Straßburg 24,9, in Metz 21,1, in München 33,5, in Nürnberg 30,1, in Augsburg 30,7, in Dres⸗ den 25,4, in Leipzig 18,2, in Stuttgart 21,6, in Braunschweig 23,1, in Karlsruhe 16,4, in Hamburg 27,1, in Lübeck —, in Wien 35,1, in Budapest —, in Prag 32,1, in Triest 25,3, in Krakau 26,4, in Basel 18,9, in Brüssel 21,0, in Amsterdam 23,1, in e. 23,9, in London 19,1, in Glasgow 29,8, in Liverpool 24,8, in Dublin 35,0, in Edinburg 17,2, in Kopenhagen 17,6, in Stockholm 24,7, in Chri⸗ stiania 19.1, in St. Petersburg 31,7, in Warschau 31,5, in Odessa 28,4, in Rom 25,0, in Turin —, in Bukarest 28,3, in Madrid —, in Alexandria 31,2 — Ferner aus der Zeit vom 19. bis 25. April cr.: in New⸗York 26,8, in Philadelphia
23,5, in Chicago —, in St. „in Cincinnati —, in San Franzisko 20,0, in Kalkutta 38,5, in Bombay 27,8, in Madras 28,4.
Beim Beginn und in den ersten Tagen der Berichtswoche herrschten an den meisten deutschen Beobachtungsorten westliche und südwestliche, in Köln bis nach Nordwest gehende Luftströmungen, die am 12. in Karlsruhe nach Nordost, an den meisten andern Stationen an demselben Taze, in Konitz und Berlin erst am 13. nach Nord⸗ west und am 14. ziemlich an allen Stationen mit Ausnahme Bremens, wo Nordwest vorwiegend blieb, nach Nordost drehten. Zu Ende der Woche ging der Wind in Berlin und an den süddeutschen Stationen nach West und Südwest, in Köln nach Südost, an den übrigen Stationen nach Nordwest. Die Temperatur der Luft war eine für die Jahreszeit ungewöhnlich niedrige und lag an allen Stationen um 5 bis 60, in Süddeutschland bis 70 C. unter der normalen. In München, Heiligeastadt und in Berlin sank das Thermometer am 14. und 15. unter dem Gefrierpunkt. Niederschläge, auch Hagel, vielfach auch Schneefälle werden aus verschiedenen Stationen ge⸗ meldet. — Der beim Wochenbeginn mäßig hohe Druck der Luft nahm in den ersten Tagen der Woche ab, stieg am 11. Abends, sank am 12. abermals bis zum 14., wo der Luftdruck wohl zuzunehmen, zu Ende der Woche jedoch wieder zu sinken begann.
In den meisten größeren Städten Europas waren die Sterblich- keitsverhältnisse in der Berichtswoche günstige, wenngleich aus mel⸗ reren, namentlich aus den englischen, größere Sterblichkeitsziffern gemeldet werden. Im Allgemeinen war die Theilnahme des Säug⸗ lingsalters an der Sterblichkeit eine verminderte, so daß von 10000 Lebenden (in den deutschen Städten) 76 Säuglinge starben, gegen 79 der Vorwoche, in Berlin 70 in München 107. Die allgemeine Sterblichkeitsverhältnißzahl für die deutschen Städte sank auf 24,9, von 25,6 der Vorwoche (pro Mille und Jahr berechnet).
Unter den Todesursachen haben von den Infektionskrankheiten Masern, Diphtherie, Croup, Pocken und ins besondere typhöse Fieber ab⸗, Scharlach und Keuchhusten dagegen etwas zugenommen. Ferner riefen akute entzündliche Prozesse der Athmungsorgoane, sowie Darmkatarrhe und Brechdurchfälle der Kinder weniger Todes fälle hervor. — Masern veranlaßten in Beuthen O.⸗S, München, Hannover, Köln, Witten, Hagen, Wien, Paris, Glasgow, Liverpool, Manchester, Stockbolm, St. Petersburg, Warschau viel Todesfälle, in Berlin, Liegnitz, Pots⸗ dam, Wiesbaden, London nahm die Zahl derselben ab. — Das Schar⸗ lachfieber hat, oft in Verbindung mit Diphtberie, in Danzig, Beuthen O.⸗S., Plauen, Hamburg, Barmen, Elberfeld, Muͤlheim a. Ruhr größere Verbreitung gefunden. — Die Sterblichkeit an Diphtherie war in Königsberg, Danzig, Bromberg, Nürnberg, Chemnitz. Berlin, Paris, Warschau eine etwas größere, in Stolp, München, Dresden, Leipzig, Hamburg, London, Stockholm Christiania, Wien, Triest, St. Peters⸗ burg eine kleinere als in der Vorwoche. — Typhöse Fieber führten ziemlich allgemein seltener zum Tode, nur in London, St. Petersburg, Warschau war die Zahl der Todesfälle eine etwas gesteigerte. — Sterbefälle an Flecktyphus kamen nur 2 (aus Warschau) zur Anzeige. — Der Keuchhusten hat in Berlin, Wien, Prag weniger, in London mehr Opfer gefordert. — Todesfälle an Darmkatarrhen und Brechdurchfällen der Kinder waren in Berlin und Wien etwas zablreicher. — Ruhr⸗ fälle traten nur vereinzelt auf. — An epidemischer Genickstarre wur⸗ den aus deutschen Städten, wie in der Vorwoche, 4 Todesfälle ge⸗ meldet, von denen je 1 auf Hamburg, Bielefeld, Viersen und Frank⸗ furt a. M. entfallen. — Pocken riefen in Wien und London zahl⸗ reiche Todesfälle hervor, auch in Manchester, St. Petersburg, Odessa stieg, in Paris, Triest, Rom, Venedig sank die Zahl der Sterbefälle. Mehrfache Todesfälle an Pocken kamen auch aus Alexandria, Basel, Kalkutta, einzelne aus Prag zur Mittheilung. — Ja Kalkutta stiez die Zahl der Cholerafälle in der Zeit vom 29. März bis 4 April auf 101, in Bombay (8. bis 14 April) auf 25. Aus Madras kam aus der ersten Aprilwoche nur 1 Todesfall an Cholera zur Meldung.
Gewerbe und Handel. 8 Die „New⸗Yorker Hdls.⸗Ztg.“ schreibt in ihrem vom 15. d. M. datirten Wochenbericht: In der Lage des Geschäftes am Waaren⸗ und Produktenmarkt ist keine wesentliche Aende⸗ rung zu berichten. Weizen hatte Anfangs unter dem Einfluß un⸗ günstiger Berichte über den Stand der Wintersaat entschieden festere Tendenz, büßte aber später, ebenso wie Mais und Hafer, einen Theil des erzielten Avanz ein und begegnete Angesichts der matten Berichte von drüben nur schwacher Exportfrage, die für die beiden letztgenannten Getreidesorten ebenfalls sehr zurückhaltend aufgetreten ist. Weizenmehl war mit Ansnahme von geringen und Mittelsorten, die rar und fest sind, flau und williger. Petroleumfrachten haben sich etwas gebessert, während Getreide⸗ frachten gewichen sind. Am Baumwollenmarkte fand disponible Waare für Export etwas mehr Beachtung, während Termine nach durchgehends stillem Geschäfte in Folge lokaler Manipulation eine Kleinigkeit höher schlossen als vor einer Woche. Brasil Kaffees ver⸗ harrten in der ersten Hälfte der Woche bei anhaltend schleppender Nachfrage in matter Preistendenz, sind aber gegen Schluß wieder etwas lebhafter und fester gewesen. Für Rohzucker wande, trotz des augenblicklic, schwachen Begehrs Seitens der Raffinerien, ein weiterer Avanz etablirt. Am Theemarkt ist das Geschäft im Ganzen genommen still geblieben, doch machte sich gegen Schluß neuerdings eine stetigere Stimmung geltend. S chmalz, Schweinefleisch und Speck folgten den Fluktuationen der Getreide⸗ märkte und konnten vorwöchentliche Schlußnotirungen nicht ganz be⸗ haupten. Terpentinöl war etwas flau, Harz blieb begehrt und fest. Der Verkehr am Metallmarkt scheint sich etwas günstiger ge⸗ stalten zu wollen. Raffinirtes Petroleum ist ruhig, aber fest be⸗ hauptet. In National Transit Pipe lines Certificates war die Spe⸗ kulation träge, der Markt war aber seit gestern belebter und schloß heute fester zu 79 ½ c- B. Fremde Manufakturwaaren sind etwas lebhafter gewesen, mit einheimischen Fabrikaten ist es dagegen still geblieben. Der Import fremder Webstoffe beträgt für die heute beendete Woche 1 155 995 Doll. gegen 1 377 925 Doll. in der
Parallelwoche des Vorjahres.
Glasgow, 26. Mai. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Reheisen betrugen in der vorigen Woche 9100, gegen 16 200 Tons in derselben Woche des vorigen Jahres
St. Petersburg, 26. Mai. (W. T. B.) In der heutigen Generalversammlung der großen Russischen Gisenbahn gesell⸗ schaft wurden zu Mitgliedern des Verwaltungsraths gewählt: Thaddaeus Siehen, Felir Halpert, Ladislas Laski, Ingenieur Petroff und Franz Mendelssohn. Die Dividende wurde auf 312 ½ Gold⸗ kopeken gleich 10 sh. festgesetzt.
New⸗York, 25. Mai. (W. T. B.) Weizenverschif⸗ fungen der letzten Woche von den atlantischen Häfen der Ver⸗ einigten Staaten nach Großbritannien 57 000, do. nach Frank⸗ reich —, do. nach anderen Häfen des Kontinents 26 000, do. von Kalifornien und Oregon nach Großbritannien 56 000, do. nach an⸗ deren Häfen des Kontinents — Qrts.
—.26. Mai. (W. T. B.) Der Werth der Produkten⸗ ausfuhr in der letzten Woche betrug 6 407 000 Doll.
Submissionen im Auslande. Spanien
20. Juni, 2 Uhr. Direcciêön general de Correos y Telégrafos in Madrid, calle de claudio Coello Nr. 8. 20 000 kg schwefelsaures Kupferoxyd, (davon 5000 kg loco Madrid, je 4000 kg loco Medina del Campo und Barcelona, je 3500 kg loco Coruna und Cördoba). Voranschlag 880 Pesetas per 1000 kg Kaution vorläuftig 880 Pesetas, definitiv 5 % der Zuschlagssumme. Die Lieferung beginnt 2 Monate nach dem definitiven Zuschlage und muß in den beiden folgenden Monaten je zur Hälfte vor sich gehen. Die näheren Bedingungen zur Einsicht in der Expedition des „Deutschen Reichs⸗Anzeigers“.
Verkehrs⸗Anstalten. Stettin, 27. Mai. (W. T. B.) Der Stettiner Lloyd⸗ dampfer „Martha: ist heute direkt nach New⸗York abgegangen. Bremen, 26. Mai. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Hohenzollern“ ist heute früh in New⸗Pork eingetroffen.