Verhaftungen vornahm. Gegenwärtig findet die Fest⸗ stellung des Resultates statt. In den übrigen städtischen Be⸗ 2 Nieder⸗Oesterreichs wurden meist die liberalen Kandi⸗
aten gewählt; nur in dem Bezirk von Baden siegte der anti⸗ semitische Kandidat gegen den bisherigen Abg. Prof. Lustkandl. In den städtischen Bezirken von Salzburg wurden zwei Libe⸗ rale gewahlt; der ehemalige Minister Bach blieb in der Minorität. In Steyr siegte der bisherige Abg. Wickhof gegen den Handels⸗Minister.
8 1. Juni. (W. T. B.) Bei den Wahlen der Landgemeinden zum Reichsrath wurden meist die früheren Abgeordneten wiedergewählt; nur in zwei deutschen Wahl⸗ bezirken wurden statt der früheren deutsch⸗liberalen Abgeord⸗ neten die deutsch⸗nationalen Kandidaten gewählt. Dies ge⸗
schah u. A. in Tetschen, wo Herbst gegen Pickert unterlag. m Bezirk Prachatitz unterlag Herbst ebenfalls und wurde der egenkandidat Fürst Schwarzenbererg gewählt. In einem eutschen Bezirk ging der von der Wirthschaftspartei auf⸗ estellte Kandidat als Sieger aus der Wahl hervor.
Schweiz. Bern, 1. Juni. (W. T. B.) Die Bundes⸗ versammlung ist heute zusammengetreten. Gewählt wur⸗ den zum Präsidenten des Nationalraths: Bezzola aus Graubünden (radikal), zum Vize⸗Präsidenten: Morel aus Neuenburg (radikal), zum Präsidenten des Ständeraths: Zweifel aus Glarus (Centrum), zum Vize⸗Präsidenten: Borg aus Waadt (radikal).
Großbritannien und Irland. London, 2. Juni. (W. T. B.) Ein heute ausgegebenes Blaubuch behandelt fast ausschließlich die Geschichte des Zwischenfalls von Pendjeh und die darauf bezüglichen Unterhandlungen. Die Depeschen umfassen den Zeitraum vom 29. März bis 4. Mai; der Inhalt ist größtentheils bekannt. Als die russische Regierung nach langem Bedenken sich mit dem britischen Vor⸗ schlage einverstanden erklärte, die Frage, wer das Abkommen vom 16. März verletzt habe, die Russen oder die Afghanen, der Beurtheilung eines Schiedsrichters zu unter⸗ breiten, brachte der russische Botschafter im Laufe einer Unterredung mit Lord Granville Se. Majestät den Deutschen Kaiser als die einzige Persönlichkeit in Vor⸗ schlag, welcher die Entscheidung anvertraut werden könne. Lord Granville entgegnete: Die Wahl des Deutschen Kaisers sei ein sehr natürlicher Gedanke des Botschafters, sowohl wegen der Verwandtschaft des Kaisers mit dem Czaren als auch wegen der intimen Beziehungen beider Länder. In Anbetracht der Stellung Sr. Majestät, seiner langen Echahrung, seines großen Rufes als Soldat würde Seitens der britischen Regierung keine Neigung vor⸗ handen sein, die Wahl zu beanstanden. Wenn das Gesuch von beiden Regierungen gestellt würde, würde es dem Kaiser gewiß sehr schwer fallen, die Annahme des Amtes zu ver⸗ weigern und somit die Gelegenheit zu verlieren, ein großes Unglück abzuwenden.
Fftrankreich. Paris, 31. Mai. (Fr. Corr.) Der Rappel“ berichtet zu der großen, Alles absorbirenden Tages⸗ Angelegenheit 3 „Die Sarglegung der Leiche Victor Hugoss ist in dieser Nacht um 10 ½ Uhr erfolgt. Es waren zugegen: Herr und Frau Lockroy, Auguste Vacquerie, Paul Meurice, Leopold Hugo, Dr. Allix, Mme. E. Lefèvre, Herr und Frau Leon Glaize, Armand Gouzien, George Perin, Amory de Lacretelle, Pierre und Jacques Lefévre. Mit der Leiche wurden in den Sarg gelegt: Photo⸗ graphien der Kinder und Enkel Victor Hugo's, ein Rosenstrauß aus Villequier, ein Bronzemedaillon, Auguste Vacquerie darstellend, von Chapu, zwei Bronzemedaillen mit dem Bildniß Victor Hugo's, diejenige, welche die Verleger der „Nationalausgabe“ haben prägen lassen, und die Borrels. Der Sarg ist doppelt: der Dichter liegt in einem Bleisarg, und diesen umhüllt ein solcher aus Eichenholz. Die Ueberführung aus dem Trauerhause nach dem Triumphbogen hätte um 1 ½ Uhr Morgens stattfinden sollen; da aber der Kata⸗ falk noch nicht ganz fertig war, mußte man bis um 5 ½ Uhr Mor⸗ gens warten. Erst jetzt trug man den Sarg aus dem Nebenzimmer in einen bereitstehenden Wagen hinunter. Man hätte gewünscht, den Transport in aller Stille vollziehen zu können; aber es bedurfte dazu einer Erklärung auf der Mairie, und so konnte die Sache nicht ge⸗ heim gehalten werden. In Folge dessen fanden sich die 20 Maires von Paris ein und geleiteten den Sarg mit der Familie und den nächststehenden Freunden. Diesen hatten sich auch junge Leute an⸗ geschlossen, welche sich erboten, den Sarg einen Tag und eine Nacht zu bewachen, sowie eine Menge, die seit gestern Abend vor dem Hause die Ueberführung abgewartet hatte.“
Ferner wird berichtet:
Seit gestern Abend sind die Champs⸗Elysées der Wall⸗ fahrtsort aller Andächtigen und Neugierigen, denen das schöne Wetter sehr zu statten kommt; denn ein Theil derselben blieb die Nacht über um den Triumphbogen gelagert, dessen Umgebung gegen Mitternacht wie ein Jahrmarkt aussah. Für die einen handelte es sich darum, bei der Ankunft des Leichenzuges, den man, wie shen oben erwähnt, gegen zwei Uhr erwartete, zugegen zu ein, für die anderen, Krämer aller Art, Bilder⸗, Me⸗ daillen⸗, Blumen⸗, Zeitungshändler, zu denen sich die unver⸗ meidlichen Limonadeverkäufer und Zuckerbäcker gesellen, sich für heute einen Platz zu sichern. Der Triumphbogen ist theilweise umflort, von drei Seiten schwarz verhängt und nur gegen die Champs⸗Elysées hin, wo sich der Katafalk bis über die Hälfte des Gewölbes aufthürmt, offen. Der Sarg steht nicht auf demselben, wie Viele geglaubt hatten, sondern davor in Manneshöhe und ist mit Blumen bedeckt. Schon um 9 Uhr Morgens wimmelte es um das Denkmal von sonn⸗ täglichen Besuchern. Die aufgestellten Lampadarien für die grünen Feuer bilden den Kreis innerhalb der Ketten; außerhalb sind umflorte und dreifarbig beflaggte Pfähle mit Schildern, welche die Titel der Werke des Dichters tragen, über den Platz verstreut. Umflort er⸗ scheinen auch schon die Gaslaternen der Champs⸗Elysées bis zum Concordiaplatz, dessen die großen Städte des Landes darstellenden Standbilder ebenfalls in Trauerumhüllung prangen.
Seit der frühesten Morgenstunde hält eine Abtheilung Garde reépublicaine zu Fuß und zu Pferde um den Katafalk Wache und sollte im Laufe des Vormittags durch die ersten Schulbataillone, denen die Ehre anvertraut ist, um die Hülle des Dichters Parade⸗ dienst zu halten, verstärkt werden. Außerdem hat die Familie eine Anzahl Dichter und Schriftsteller, denen der Verstorbene gewogen war, beauftragt, als Kommissäre in der Nähe des Katafalks zu weilen. Es sind dies die Herren: Paul Arène, Jean Aicard, Victor d'Auriae, Edmund Harancourt, Emile Blémont, Tancrede Martel, Catulle Mendes, Leon Dierrx, Armand Silvestre, Albert Mérat, Jacques Madeleine u. A. — Im Pantheon wird Tag und Nacht gearbeitet, um die Grabgewölbe in Stand zu setzen und im Inneren die Altäre so zu verhängen, daß es den kirchlichen Charakter verliert. Auch die schönen Wandgemälde von Puvis de Chavanne, J. P. Laurens, Cabanel, Bonnat, die religiöse oder der Legende entnommene Stoffe behandeln, werden verhuͤllt. Als gestern Morgen die Maurer das steinerne Kreuz über dem Eingang herabnahmen, entstand ein Auflauf, in dem kirchenfeindliche mit kirchenfreundlichen Redensarten getauscht wurden, bis die Polizei sich ins Mittel legte.
— 1. Juni, Abends 6 Uhr. (W. T. B.) Die Beisetzungsfeierlichkeiten für Victor Hugo nahmen
ihren Anfang. Der Platz bei dem Triumphbogen und alle dahin führenden Straßen waren mit dichten Menschenmengen angefüllt. An dem Katafalk unter dem Triumphbogen nahm zuerst der Senats⸗Präsident Leroyer das Wort. Er feierte Victor Hugo als den Mann, der unausgesetzt die höchsten Ideale der Gerechtigkeit und Humanität verfolgt und einen gewaltigen Einfluß auf die Moral Frankreichs aus⸗ geübt habe. Der Präsident der Deputirtenkammer, Floquet, betonte, daß es sich nicht um ein feierliches Leichen⸗ begängniß, sondern um eine Avpotheose des Verstorbenen handle, und bezeichnete denselben als einen Apostel, dessen über das Grab hinausdauernde Worte zum definitiven Erringen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit in der ganzen Welt führen würden. Augier, Mitglied der Aka⸗ demie sagte: Frankreich erweise heute dem Dichterfürsten Ehren, wie sie Souveränen zukomme. Der Minister des Unterrichts, Goblet, bemerkte in seiner Rede: Victor Hugo werde die erhabene Personifikation dieses Jahrhunderts bleiben, dessen Geschichte, dessen Widersprüche, Zweifel, Gedanken und Bestrebungen er am besten zum Ausdruck gebracht habe. Er sei ein tief humaner Charakter gewesen, der den Geist der Toleranz und des Friedens unter seinen Mitbvürgern repräsentirt habe. — Die Rede des Präsidenten des Kommunalraths, Michelin, in welcher die Wiedereinführung der kommunalen Autonomie verlangt wurde, rief Bekundungen des Mißfallens hervor. — Nach Beendigung der Reden setzte sich der Trauer⸗ zug gegen Mittag in Bewegung. Von Seiten der Polizei wurden einige rothe Fahnen fortgenommen. — Um 2 ½ Uhr traf die Spitze des Zuges am Pantheon ein, während die letzten Abtheilungen erst um 4 Uhr den Triumphbogen ver⸗ ließen. In dem Zuge befanden sich 12 Wagen mit Kränzen; außerdem wurden an 800 Kränze von den verschiedenen Dele⸗ gationen getragen. Um 4 Uhr fand die Einsenkung in die Gruft statt, nachdem noch 15 Redner am Sarge ge⸗ sprochen hatten. Das Defilkren der Theilnehmer des Zuges an der Gruft dürfte kaum vor 7 Uhr beendet sein. Der Zug selbst verlief, während er sich durch die Straßen bewegte, ahne jeden Zwischenfall, und die Ruhe wurde nirgends gestört. — 1. Juni, Abends. (W. T. B.) Den Abend⸗ blättern zufolge wurden etwa 15 rothe und schwarze Fahnen, welche von revolutionären Vereinen oder Freidenkervereinen getragen wurden, noch vor Beginn der Beerdigungsfeierlichkeiten von der Polizei in der Gegend des Bois de Boulogne fortgenommen und ohne Wider⸗ stand zerrissen. Der Zwischenfall wurde von der Volks⸗ menge nicht beachtet.
Italien. Rom, 1. Juni. (W. T. B.) Die Tech⸗ nische Kommission der Sanitätskonferenz geneh⸗ migte heute nahezu einstimmig den Antrag auf Isolirung von Kranken an Bord der auf dem Rothen Meere ver⸗ kehrenden Schiffe; die Kranken sollen auch nach der Rekonvalescenz unter die Verantwortlichkeit von Aerzten gestellt werden; der Kapitän eines Schiffes, welches keinen Arzt an Bord bat, soll sich an seinen Konsul wenden, um Schuff uns Passagiere vor der Landung unter⸗ suchen zu lassen. Diese Untersuchung ist unabhängig von der Inspektion durch die lokale Sanitätsbehörde. Schiffe ohne Aerzte, welche aus dem indischen Ozean in das Rothe Meer kommen und Pilger an Bord führen, werden einem speziellen Verfahren unterworfen. Dieselben unterliegen, wenn sie Passagiere im Rothen Meere landen, demselben Verfahren, dem die mit Aerzten versehenen Schiffe unterworsen sind. Schiffe, die aus dem indischen Ozean durch das Rothe Meer nach dem Mittelmeer fahren, unterliegen einer doppelten Untersuchung, und zwar bei der Einfahrt in das Rothe Meer und sodann bei der Einfahrt in den Suezkanal. Haben diese Schiffe Cholera⸗ kranke an Bord, so unterliegen dieselben dem gegen verseuchte Schiffe mit Aerzten an Bord vorgeschriebenen Verfahren.
Rumänien. Bukarest, 1. Juni, (W. T. B.) Der österreichisch⸗ungarische Gesandte hat den Handels⸗ vertrag, welcher von Rumänien bereits am 6. März ge⸗ kündigt war, nunmehr auch im Namen seiner Regierung ge⸗ kündigt.
Afrika. Egypten. (W. T. B.) Die „Agence Havas“ meldet aus Kairo, vom 1. Juni: der Unter⸗ richts⸗Minister Mahmud Pascha habe seine Entlas⸗ sung genommen, und voraussichtlich werde der Arbeits⸗ Minister Ibrahim Pascha ebenfalls von seinem Posten zurücktreten.
Dongola, 29. Mai. (A. C.) General⸗Major Dormer wird sich mit seinem Stabe nach Kairo begeben. Die Flüchtlinge begeben sich in großer Anzahl nach Unter⸗ Egypten.
8 Zeitungsstimmen. WVWWN11“ finden wir folgenden Artikel: Vor einigen Tagen feierte die Drechslerinnung in Berlin ihr 200 jähriges Jubiläum und wieder bewegte sich der zur Feier des Tages arrangirte Festzug vom Palais des Kaisers zu dem Heim des Fürsten Bismarck in der Wilhelmstraße, und wie früher die Schuh⸗ macher ꝛc., so brachten diesmal die Drechsler dem Lenker des Reiches ihre Ovationen dar. Das ist eine Thatsache, an der sich nicht rütteln läßt, die muß von allen Seiten, sogar von Fortschrittlern und Sozialdemokraten zugegeben werden. In der Erklärung dieser Thatsache aber weichen die Meinungen von einander ab, und zwar in sehr, sehr hobem Grade. Während nämlich die Gegner und Feinde Bismarckscher Politik diese Ovationen als eitle Kriecherei unmännlicher Schmeichler und Speichellecker an⸗ sehen und darstellen, sehen wir nur darin den Ausfluß des ungekünstel⸗ ten Dankgefühls und einer volksthümlichen Verehrung für den Kanzler des Deutschen Reiches. Während die Oppositionsparteien in derartigen Aeußerungen nur den Dank der „Zünftler und Dunkelmänner, der Reaktionäre und Mucker’ sehen, sind wir überzeugt, daß es das nationale Vollgefühl, der dankbare Patriotismus ist, der sich, oft unbewußt, in derartigen Manifestationen des Volkes kund giebt. Und wir glauben, wir haben Recht. Denn, so fragen wir, wenn es nur die Dankbarkeit der Zünftler ꝛc. wäre, die sich in derartigen Kundgebungen bemerkbar macht, wie wäre die Darbringung solcher Ovationen Seitens der Studenten u. s. w. zu erklären; welches wäre der Grund für die so zahlreichen Adressen, Glückwünsche ꝛc,, die dem Kanzler bei jeder Gelegenheit zugehen, und die doch zum größten Theil nicht von Innungen und „Bürgervereinen“ allein herrühren.
Nein, allen diesen Ausdrücken der Verehrung liegt unseres Er⸗ achtens eine andere Ursache zu Grunde, die, wie wir schon oben
Zeitungs⸗Correspondenz“
die Männer hintreibt vor das unscheinbare graue Haus in der Wilhelmstraße; es ist die Vaterlandsliebe und die Dankbarkeit für die Verdienste um das Vaterland. Sehen wir uns doch nur die Schaaren der gelegentlichen Bismarckverehrer an, wir sehen so manchen Fortschrittler darunter, der begeistert wie die anderen seinen Hut schwenkt oder die Adresse unterzeichnet Das Nationalgefühl kommt in solchen Augenblicken bei ihm zum Durchbruch und mit ihm die Erkenntniß der Verdienste des Kanzlerz der das deutsche Volk so herrlich und groß gemacht. Das werden freilich unsere wortführenden Fortschrittler, Ultramontanen ꝛc. nicht einsehen wollen, aber eben darin liegt der Beweis für die so oft be⸗ strittene Behauptung, daß die Opposition bei uns eines jeden Patrio⸗ tismus entbehrt, daß bei ihr das Vaterlandsgefühl im Laufe der Zeit herabgedrückt worden. Gerade die Elite der Opposition, diejenigen, die sich mit ihren Lehren wirklich beschäftigen und wirklich Parteimänner sind, sie vermögen nicht in dem Bismarck⸗Kultus den Ausdruck der natürlichen Dank⸗ barkeit des deutschen Mannes zu sehen, sondern sie suchen darin den Dank für befriedigten Egoismus. Der kleine Mann aber, dem, wenn er auch Fortschrittler ist, doch der höhere Geist des Parteimannes ab⸗ geht, der vermag das Richtige zu treffen. Nun bilden glücklicherweise in Deutschland jene noch die Minorität, diese repräsentiren doch das eigentliche Volk und darum können wir in des Volkes Stimme, die sich in dem Bismarckkultus kund giebt, wohl ein gutes Zeichen für Deutschlands Heil in der Zukunft erblicken.
8 8— Dem „Schwäbischen Merkur“ schreibt man aus erlin:
Der neue Zolltarif hat jetzt mit der Verkündigung im „Reichs⸗ Gesetzblatt“ Gesetzeskraft erlangt und tritt stufenweise, je nachdem für die verschiedenen Erzeugnisse der Anfangstermin für die neue Zollbelastung festgesetzt ist, in Kraft. Die gleichzeitige Vereinbarung über Abänderung des deutsch⸗spanischen Handelsvertrags ermöglicht es, alsbald auch die Getreidezölle in vollem Umfang einzuführen. Die letztere Maßregel ist der weitaus wichtigste und entscheidendste Theil des ganzen neuen Zollgesetzes, und die allgemeine Aufmerksamkeit wird sich vorzugsweise darauf richten, welche praktische Wirkung diese Zölle ausüben werden. Soweit bisher schon Erfahrungen vorliegen, haben sie die Befürchtungen derjenigen nicht gerechtfertigt, welche eine allgemeine Steigerung der Getreide⸗ und Brotpreise voraussagten. Nur sehr mühsam konnten vereinzelte örtliche Vorkommnisse zur Er⸗ härtung dieser Behauptung zusammengetragen werden, und einer beabsichtigten, auf der Brotvertheuerung sich aufbauenden Agitation hat es bisher so sehr an thatsächlichem Anhalt gefehlt, daß sie gänz⸗ lich einzuschlafen beginnt. Andererseits wird man freilich abzuwarten haben, inwiefern die Landwirthschaft den erhofften Nutzen von den höheren Getreidezöllen haben wird. Wir stehen offenbar vor einem in seiner vollen Wirkung nach allen Richtungen noch nicht überseh⸗ baren Versuch.
— In dem „Ledermarkt“ veröffentlicht die Handels⸗ kammer für den Kreis Siegen folgende Erklärung:
Nach den uns vorliegenden Zeitungsberichten hat sich der Abg. Schumacher in der Sitzung des Reichstages vom 1. Mai d. J. auf den Handelskammerbericht für Siegen bezogen, denselben als kompetenten Zeugen dafür angeführt, daß die Einfübrung eines Schutzzolles auf Sohlleder keinen Einfluß auf die Geschäfte der Sohllederfabrikation gehabt habe, eine Besserung dieser Fabrikation sich erst im Jahre 1883 fühlbar gemacht habe und hieraus den Beweis liefern wollen, daß eine Aenderung oder Erhöhung des Zoll⸗ tarifs zwecklos und ohne Einfluß sein würde.
Indem wir die erwähnte Kompetenz in dieser Angelegenheit für uns in Anspruch nehmen, müssen wir zur Steuer der Wahrheit er⸗ klären, daß dieser Auszug aus unseren Berichten ein ganz einseitiger ist, die Folgerungen daher unrichtig sind und ein falsches Bild, so⸗ wohl von unseren Ansichten als von der wirklichen Sachlage geben. Wenn der Abg. Schumacher unseren Bericht mit einiger Gründ⸗ lichkeit studirt hätte, so würde er aus dem Bericht pro 1879 Seite 13 unsere Ansicht in Folgendem gefunden haben:
„Der am 1. Januar d. J. in Kraft getretene Zoll von 36 ℳ pro 100 kg ist, wie wir stets behauptet und auch bewiesen zu haben glauben, viel zu niedrig gegriffen.
Der aus dem Bericht der New⸗Yorker Handelskammer mitge⸗ theilte Passus über die Vortheile, welche die amerikanischen Gerber voraus haben, beweist dies sehr deutlich.“
„Ueber den in der Sitzung vom 1. Mai zur Verhandlung be⸗ stimmten Gegenstand würde der Abgeordnete aber aus unserem Be⸗ richt pro 1880 auf Seite 13 eine der seinigen ganz entgegengesetzte Meinung ersehen haben. Dieselbe lautet:
. „Nach zuverlässigen Berichten werden von den Zollbehörden aus⸗ ländische Leder, die zu Unterlederzwecker verarbeitet werden, bald mit 36 ℳ, bald mit 18 ℳ verzollt ...
„Es ist daher eine Verzollung dieser Artikel mit nur 18 ℳ unrichtig und vereitelt den Zweck, welchen Regierung und Reichstag bei Erlaß des Zollgesetzes im Auge hatten: Die inländische Sohl⸗ gegen ausländische Konkurrenz mit 36 ℳ Zoll zu schüßeen
Auch die Anführung in unserem Bericht pro 1881 lautend:
„Die Einfuhr ausländischen Sohlleders betrug im vergangenen Jahre 32 028 Ctr., d. h. 10 172 mehr als in 1880. Die Vermeh⸗ rung bestätigt wiederum unsere stets aufrecht erhaltene Behauptung, daß der Zoll von 36 ℳ der Lederindustrie keinen hinreichenden Schutz gewährt. Das Reich hat aber an keinem anderen Gewerbe ein solches nahes Interesse, wie an diesem, weil das Heer für die Anschaffung seiner Fußbekleidung zu jeder Zeit unabhängig vom Auslande sein muß. Eine Erhöhung des Zolles auf 48 ℳ ist im Interesse dieses Gewerbes dringend erforderlich“, — würde ihn darauf haben aufmerksam machen müssen, wie wir in Uebereinstimmung mit den vorher angeführten Berichten es uns haben erklären können, daß der im Jahre 1878 beschlossene Schutzzoll noch nicht den gewünschten Einfluß auf die Lage unseres Geschäftes gehabt hat.
Endlich würde der Abgeordnete sich aus der im April d. J. unserseits dem Reichstage eingereichten Petition über eine Erhöhung des Lohzolles eine ergänzende und übersichtliche Information über den Verlauf der Geschäfte der Sohllederfabrikation haben aneignen können. . . . Wir haben darin gesagt:
„Von 1874 ab begannen die Verhältnisse ungemein schlecht zu werden, so daß in den Jahren 1876, 1877, 1878, 1879 keine Zinsen verdient wurden, einzelne dieser Jahre brachten sogar das ausgelegte baare Geld nicht zurück. Wenn sich nun auch seit Einführung des erhöhten Zolles seit 1879 die Lage etwas gebessert hat, so ist dies doch nur in einem geringen Maße geschehen, indem volle Zinsen auch seither nicht verdient worden sind....“
Aus alle diesem geht hervor, daß der Abg. Schumacher keine Berechtigung hat, uns als Zeugen für die Richtigkeit seiner Ansichten aufzuführen. Es geht ferner daraus hervor, daß wir den 1878 be⸗ schlossenen Sohllederzoll für viel zu niedrig halten, daß wir die Unterschiede, welche in Nr. 21 des Zolltarifs gemacht sind und welche in der Sitzung vom 1. Mai d. J. als verbesserungsbedürftig zur Verhandlung standen, als solche längst anerkannt haben. Endlich geht daraus hervor, daß wir eine gelinde, aber immerhin noch ungenügende Hebung des Geschäfts der Sohllederfabrikation seit 1878 betont haben. Diese Hebung bezieht stch nur auf die Preise der geringen Sorten von Sohlleder, welche aber durch die fremde Einfuhr stets am schlimmsten bedrängt waren.
Seite 13
Marineverordnungsblatt. Nr. 10. — Inhalt: Be⸗ satzungsetats. — Klassifizirung von Marinebeamten. — Dienstalters⸗ und Seefahrtszulage. — Schulverzeichnisse. — Briefadressen. —
heute zur festgesetzten Zeit — 10 ½ Uhr Vormittags —
sagten, meist unbewußt die Gedanken und die Herzen beeinflußt und
Schiffsbuͤcherkisten. — Cylinderschmieröl. — Personalveränderungen. — Benachrichtigungen.
Central⸗Blatt der Abgaben⸗Gesetzgebung und Ver⸗ waltung in den König ich preußischen Staaten. Nr. 11. — Inhalt: Anzeige der in der — und im Reichs⸗ eseßblatte erschienenen Gesetze und Verordnungen — I. Allgemeine
rwaltungsgegenstände: Veränderungen in dem Stande und in den Befugnissen der Zoll⸗ und Steuerstellen. — Einkommen der als Lohn⸗ schreiber beschäftigten Civilpensionaire und Wartegeldempfänger. — Tagegelder von Beamten der Lokalverwaltung der Zölle und indirekten Steuern. — III. Indirekte Steuern: Erkenntniß des Reichsgerichts. Folldefraudation.é Beihülfe. Werthsersatz. — Erweiterung der Be⸗ gniß der Hauptämter bezüglich der Deklarationen beim Brennerei⸗ betriebe. — Gesetz, betreffend die Steuervergütung für Zucker, sowie die Verlängerung der Frist für die Entrichtung der für 1884/85 kreditirten Rübensteuer. — Ausführungsbestimmungen zu dem eben⸗ gedachten Gesetze. — Erkenntniß des Reichsgerichts. Anschaffungs⸗ eschäft. Begriff desselben. Annahme von Wechseln an Zahlungs⸗ att. — Erkenntniß des Reichsgerichts. Stempelpflichtige Schuld⸗ verschreibungen. Begriff derselben. — Stempelpflichtigkeit der Zeugnisse über die Ablegung der ärztlichen Vorprüfung. — VI. Personalnachrichten.
Statistische Nachrichten.
92 1 2 2 2 Die Auswanderung Deutscher nach überseeischen Ländern über deutsche Häfen und Antwerpen betrug
3 „ in den 4 Monaten im Jahre im Monat April 1 en 4. Morst
28 391 58 173 Personen.
— Gemäß den Veröffentlichungen des erlichen Gesund⸗ Heltsante sind in der 20. Jahreswoche von je 1000 Bewohnern ouf den Jahresdurchschnitt berechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin 23,2, in Breslau 33,7, in Königsberg 33,7, in Köln 29,8, in Frankfurz g. M. 21,1, in Hannover 28,8, in Kassel 23,4, in Magdeburg 20 5 in Stettin 20,9, in Altona 36,4, in Straßburg 27,2, in Metz 25,5, in München 37,7, in Nürnberg 20,9, in Augsburg 32,3, in Dres⸗ den 25,4, in Leipzig 25,9, in Stuttgart 15,9, in Braunschweig 19.3, in Karlsruhe 31,8, in Hamburg 26,0, in Lübeck —, in Wien 33,2, in Budapest 31,9, in Prag 38,4, in Triest —, in Krakau 27,2, in Basel —, in Brüssel 21,3, in Amsterdam —, in Paris 25,0 5 in London 19,9, in Glasgow 24,8, in Liverpool 24,2, in Dublin 31,2, in Edinburg 18,1, in Kopenhagen 23,9, in Stockholm 28,1, in Chri⸗ stiania 24,0, in St. Petersburg 32,0, in Warschau 29 . Odessa 28,1, in Rom 25,5, in Turin 26,6, in Bukarest 29,1, in Madrid —, in Alexandria 33,7 — Ferner aus der Zeit vom 26. April bis 2. Mai cr.: in New⸗York 29,2, in Philadelphia 22 6, in Chicago —, in St. Louis —, in Cincinnati —, in San Frantisko 20,4, in Kalkutta 41,0, in Bombav 29,0, in Madras 36,1.
Beim Beginn der Berichtswoche herrschten an den deutschen Beobachtungsstationen westliche und südwestliche, in Berlin auch nord⸗ westliche Luftströmungen, die in Heiligenstadt und Karlsruhe während der ganzen Woche vorwiegend blieben, während an den ost⸗, mittel⸗ und westdeutschen Stationen der Wind am 19. und 20. nach Nord⸗ west, in Konitz bis nach Nord, dann jedoch wieder nach West, Süd⸗ west und Süd drehte und bis zu Ende der Woche aus diesen Rich⸗ tungen wehend blieb. Die Temperatur der Luft lag an allen Statio⸗ nen um 2 bis 3 Grad, in Karlsruhe bis über 5 Grad Celsius unter der normalen. In München sank das Thermometer am 19. bis unter den Gefrierpunkt. Niederschläge erfolgten häufig und sehr ergiebig; auch Hagelschauer und elektrische Entladungen waren nicht selten. Der beim Wochenbeginn niedrige Druck der Luft nahm bis um die Mitte der Woche zu, sank dann rasch, zeigte jedoch zu Ende der Woche an den meisten Stationen wieder Neigung zum Steigen.
Die Sterblichkeit erfuhr in der Berichtswoche in den meisten Großstädten Europas eine Steigerung; jedoch betraf die Zunahme der Sterblichkeit weniger das Säuglingsalter als die Alterskasse über 60 Jahre Von 10 000 Lebenden starben, pro Jahr berechnet: Säuglinge, in Berlin 72, in München 109. — Die allgemeine Sterb⸗ lichkeitsverhältnißzahl für die deutschen Städte stieg, pro Mille und Jahr berechnet, auf 25,8 von 24,9 der Vorwoche. 1 1
Unter den Todesursachen haben die Infektionskrankheiten meist an Ausdehnung zugenommen, und, besonders Masern und Diphtherie, mehr Sterbefälle hervorgerufen, nur Scharlach und Kindbettfieber führten etwas seltener zum Tode. — Recht bösartig zeigten sich die Masern in Liegnitz, Beuthen O.⸗S., Hannover, Wiesbaden, Ludwigshaten a. Rh., Berlin, Paris, London, Glasgow, Liverpool, Manchester, Stockholm; in München, Wien, Warschau, Petersburg hat die Zahl der Masern⸗ todesfälle etwas abgenommen. Das Scharlachfieber wurde in Schweidnitz. München, Dresden, Hamburg, Prag, Christiania häufiger Todesursache. — Die Sterblichkeit an Diphtherie war in Königsberg, Danzig, Stolp, Breslau, München, Dresden, Berlin, Merseburg, Hannover, Paris, Stockholm, Christiania eine größere, während sie in Bromberg, Chemnitz, Hamburg, Wien, London, St. Petersburg, Warschau, Odessa eine kleinere wurde. — Typhöse Fieber zeigten sich etwas häufiger und führten auch in Paris und St. Petersburg mehr Todesfälle herbei; in deutschen Städten zeigten sich typhöse Fieber nicht in größerer Ausdehnung. An Fleck⸗ tyvphus kamen nur 2 Sterbefälle aus London und 1 aus Rom zur Mittheilung. — Der Keuchhusten raffte in Würzburg, Glauchau, Görlitz, London, Glasgow, Liverpool, Manchester viel Kinder hinweg, in Berlin und Wien wurde die Zahl der Todesfälle eine kleinere. — Darmkatarrhe und Brechdurchfälle der Kinder zeigten in Berlin und München eine Abnahme der Sterbefälle — An epidemischer Genick⸗ starre kamen aus deutschen Städten 3 Todesfälle zur Mittheilung, und zwar je 1 aus Danzig, Leipzig und Köln. — Pocken riefen in Wien und London noch zahlreiche Sterbefälle hervor. Mehrfache Todesfälle veranlaßten Pocken in Odessa, St Petersburg, Paris, Rom, Venedig, Turin, Warschau, Prag, Manchester. Einzelne Pockentodesfälle wurden aus München, Wesel und Alexandria mit⸗ getheilt. — Der Cholera erlagen in Kalkutta und Madras in der Zeit vom 4. bis 10. April 96 bezw. 5 Personen, in Bombay (16. bis 21. April) 29.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Von Tesch's Prüfungs⸗Katechismus für Eisen⸗ bahn⸗Büreaubeamte, der im Verlag von Franz Siemenroth bierselbst erscheint, ist Lieferung 6/7 (Preis 2 ℳ) versandt worden. Dieselbe enthält von Abtheilung 4 (Gesetze und Verordnungen zur Abth. 1, 2 u 3) den Schluß von Nr. 8 (Gesetz, betr. die Verbindlichkeit zum Schadenersatz für die bei dem Betriebe von Eisenbahnen u. s. w. herbeigeführten Tödtungen und Körperverletzungen) und Nr. 9— 18 (Gesetz, betr. die Einführung von Bezirks⸗Eisenbahnräthen und eines Landes Eisenbahnraths für die Staats⸗Eisenbahnverwaltung; Ver⸗ ordnung, betr. die Kompetenzkonflikte zwischen den Gerichten und Verwaltungsbehörden; das Disziplinargesetz für nicht richterliche Beamte; Auszug aus dem Strafgesetzbuche für das Deutsche Reich; Gesetz, betr. die Beschlagnahme des Arbeits⸗ oder Dienstlohnes; Auszug aus der Civil⸗Prozeßordnung. betr. die Pfändung gegen Beamte [§§ 715 — 749]; das Pensionsgesetz der unmittelbaren Staatsbeamten: Gesetz, betr. die Fürsorge 18.5 Wittwen urd Waisen der unmittelbaren Staatsbeamten; Gesetz über den Unterstützungswohnsitz; Verordnung über die Festsetzung und den Ersatz der bei Kassen und anderen Verwaltungen vorkommenden Defekte); ferner die ganze Abtheilung 5 Bahnpolizei⸗ und Signalangelegenheiten), Nr. 1 — 9 (Bahnpolizei⸗ Reglement für die Eisenbahnen Deutschlands; Bahnordnung für deutsche Eisenbahnen untergeordneter Bedeutung; Bestimmungen über die Befähigung von Bahnpolizeibeamten und Lokomotivführern; Ge⸗ setz, betr. die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei Viehbeförderung auf Eisenbahnen; Ausführungsverordnung zum vorigen Gesetz; In⸗ struktion über die Desinfektion der Wagen bei Viehbeförderung auf
u
Bahnpolizei⸗Kontraventionen; Normen für die Konstruktion und Aus⸗ rüstung der Eisenbahnen Deutschlands; Signalordnung für die Eisen⸗ bahnen Deutschlands); endlich von Abtheil. 6 (Personen⸗, Gepäck⸗ ꝛc. und Güterangelegenheiten) Nr. 1—4 (Betriebs⸗Reglement für die Eisenbahnen Deutschlands; Betriebs⸗Reglement des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen; Uebereinkommen zu diesem Betriebs⸗Regle⸗ ment nebst 5 Anhängen; Dienstvorschriften über die Beförderung von Personen, Reisegepäck, Leichen, Fahrzeugen und lebenden Thieren, sowie von Gütern). 1 K
— Karte der Entwickelung des Römischen Reichs Entworfen, gezeichnet und mit Erläuterungen versehen von Dr. phil. Wilb. Sieglin. Leipzig, Schmidt & Günther. — Auf mehrfach geäußertes Verlangen hat die Verlagshandlung von der Karte der Entwickelung des Römischen Reiches von D’. W. Sieglin eine Anzahl Separatabzüge herstellen lassen, um dieselbe durch einen billig gestellten Preis Lehrern und Schülern der oberen Klassen von Gymnasien und Realschulen zugänglich zu machen, die nicht im Besitz von Duruy⸗ Hertzberg Geschichte des Römischen Kaiserreichs sind. Die gefällig und übersichtlich (Maßstab 1: 12 000 000) ausgeführte Karte wird überall da willkommen sein, wo man es für wünschenswerth hält, dasjenige, was beim Vortrage des Lehrers, der römische Geschichte docirt, ohne lebendige Vorstellung geblieben ist, den Schülern durch Anschauung klar und deutlich vor Augen zu stellen. Zu diesem Zweck ist die römische Geschichte in acht Perioden eingetheilt worden; die erste umfaßt die Ausdehnung des Römischen Reiches am Ende des ersten punischen Krieges 251 v. Chr; die zweite: Eroberungen bis zum Ende des zweiten punischen Krieges 201 v. Chr.; die dritte: Erwerbungen bis ca. 120 v. Chr., die fol⸗ genden fünf zeigen die Erwerbungen bis zum Tode Cäsars, des Kaisers Augustus, Domitian u. Trajan; die achte endlich bis zur Ab⸗ dankung Diocletians. Der Verfasser der Karte hat weiter den Versuch gemacht, eine vollständige Darstellung der sogenannten „Civitates toederatae (außerhalb Italiens) zu geben, mit Angabe ihrer Grenzen, soweit sie darstellbar waren, und der Zeit, in der sie ihre Privilegien erbielten und verloren. In einem besonderen Carton „Achaia in der Römerzeit“ sind auch die „Civitates liberae“ dieser wichtigen Pro⸗ vinz mit ihren wechselnden Grenzen verzeichnet. In besonderen Er⸗ läuterungen (12. S.) endlich sind dem Lehrer die hauptsächlichsten Belegstellen für die Ansetzungen der Karte beguem zur Hand gegeben. Die mühevolle Arbeit darf einer freundlichen Aufnahme von Seiten der Direktoren und Lehrer höherer Schulanstalten sicher sein. 8
Land⸗ und Forstwirthschaft.
New⸗York, 1. Juni. (W. T. B.) Das Journal „Farmers Review“ in Chicago schätzt den voraussichtlichen Ertrag der Ernte an Winterweizen auf 200 Millionen Bushels und derjenigen an Frühjahrsweizen auf 130 Millionen Bushels. Von anderer sach⸗ verständiger Seite in Milwaukee wird der voraussichtliche Ertrag der Frübjahrsweizenernte auf den nämlichen Betrag, derjenigen der Winter⸗ weizenernte auf 231 Millionen Bushels beziffert.
Gewerbe und Handel.
ei den Abrechnungsstellen der Reichs ank sind im 1“ 947 167 600 ℳ abgerechnet worden, gegen 1 033 886 000 ℳ im April cr.
S.Tetieeeselkschafen rungs⸗ iengese ha n 1 1 entn benen wir Fölgendes: Es gelangten in 1884 zum Abschluß: 1101 Kapital⸗Versicherungen auf den Todesfall über 3 270 300 ℳ, 199 Kapital⸗Versicherungen auf den Lebensfall über 383 500 ℳ, 148 Sterbekassen⸗Versicherungen über 59 850 ℳ, 7 Renten⸗Versicherungen auf eine jährliche Rente von 2189 ℳ Hierdurch war Ende 1884 nach Abzug aller erloschenen Versicherungen der Bestand gewachsen auf: 4740 Kapitalversicherungen auf den Todesfall über 14 690 720 ℳ, 741 Kapital⸗Versicherungen auf den Lebensfall über 1 493 126 ℳ, 352 Sterbekassen⸗Versicherungen über 160 050 ℳ, 42 Renten⸗ Versicherungen über eine jährliche Rente von 28 919 ℳ Gegen Unfall waren Ende 1884: collectiv: 118 826 Personen mit 992 357 673 ℳ, individuell: 2753 Personen mit 27 461 149 ℳ und 25 100 ℳ jährliche Rente, auf Reisen: 232 Personen mit 3 647 500 ℳ versichert. Die Gesammt⸗Prämieneinnahme betrug 1 492 587 ℳ, die Gesammteinnahme 4 150 607 ℳ, die Gesammt⸗ Ausgabe 4 112 551 ℳ, der Gewinn also 38 056 ℳ. Von dem Gewinn gehen zum vv ℳ, zu werden 5425 ℳ, zur
ividende von 4 ½ % 27 000 ℳ verwandt. 1 8 Hamburg, 1. Juni. (W. T. B.) Der „Hamburg. Börsenh.“ zufolge hat ein Konsortium unter Leitung des Bankhauses L. Behrens Söhne in Hamburg und der dänischen Landmannsbank in Kopenhagen von der Hypothekenbank Norweßens für 30 Mill. Kronen = 33 750 000 ℳ, 4 % Pfandbriefe übernommen, welche zur Konvertirung des gleichen Betrages 4 ½ %, Pfandbriefe bestimmt sind. Die Ausloosung der letzteren, welche am 1. Januar 1886 rückzahlbar sind, wird demnächst bekannt gemacht werden. Die Uebernehmer sind verpflichtet, die neuen Pfandbriefe den Besitzern der auszuloosenden Obligationen vorzugsweise und zu einem im Voraus mit dem Konsortium verein⸗ barten, für die Besitzer der alten Pfandbriefe vortheilhaften Course LbEb 1. Juni. (W. T. B.) Wolle ruhig, in Gar⸗ nen mehr Geschäft, zweifädige anziehend, Fancystoffe ohne Besserung.
Paris, 29. Mai. Das heutige „Journal officiel' enthält ein Dekret des Präsidenten der Republik vom 26. d. Mts., wonach ge⸗ trocknete Kokosmandeln ZZöö1“ G han
ewissen Bedingungen zeitweise zollfrei zugelassen werden. 88 “ Juni. (W. T. B.) Wie die „Börsen⸗ zeitung“ meldet, soll wegen Schwierigkeiten, die zwischen dem Finanz⸗Ministerium und der Großen Russischen Eisen⸗ bahn⸗Gesellschaft anläßlich des Rechenschaftsberichts pro 1884 entstanden sind, die betreffende Dividende bis auf Weiteres nicht
ausgezahlt werden. 8
„Washington, 1. Juni. (W. T. B.) Die Staatsschuld der Vereinigten Staaten hat im Monat Mai um 3 350 (00 Doll. abgenommen, im Staatsschatze befanden sich ultimo
Mai 396 718 000 Doll.
“
Geschäftsbericht der Schlesischen Lebensversiche⸗ Breslau für das letzte Jahr
Verkehrs⸗Anstalten.
eichs sbuch (Nr. 3 für 1885) mit den Sommer⸗ G von Julius Springer hierselbst erschienen. (Preis 2 ℳ) Besonders reichhaltig sind in dieser Aus⸗ gabe die Abschnitte: direkte Billets, kombinirbare Rundreisebillets und feste Rundreise⸗ und Saisonbillets. “
Wichtige Aenderungen für größere Kurse bringen unter andern die neuen Zugverbindungen vom Berlin Anh. Bhf. auf dem kürzesten Wege Neudieten dorf⸗Ritschenhausen nach Kissingen, Würzburg, Stutt⸗ gart, Heidelberg und zurück (R. K. B. 193, 205, 284 a und 267);: — die Eisenbahn⸗ und Dampfschiffverbindungen Berlin Stett. Bhf.— Stralsund —Malmö —Stockholm, durch welche die Reise zwischen bei⸗ den Hauptstädten auf 27 bez. 28 Stunden abgekürzt und in Berlin Anschlüsse mit fast allen europaischen Hauptstädten gewonnen werden. (R. K. B. 50); — die mittels des von Kopenhagen abgehenden Abendzuges bergestellte ununterbrochene Verbindung über Korsör — Kiel — Hamburg mit Frankfurt (M.) ⸗ Basel (R. K. B. 124); — die Dampferverbindungen von Lübeck, Rostock und Stettin nach Kopen⸗ hagen, welche für die Reise nach Dänemark und Skandinavien säglich die Auswahl zwischen 5 bis 6 Linien darbieten; die neu eingerichteten Blitzzüge, welche den Weg zwischen St. Petersburg in 36 bezw. 33 Stunden zurücklegen (R. K. B. 881); — die neuen Courierzugverbindungen zwischen Moskau, Warschau und Wien (R. K. B. 584), sowie zwischen Odessa, Kiew und Wien (R. K. B. 415 und 586); — die beschleunigten, früher zweimal wschentlich, jetzt täglich verkehrenden Orient⸗Erxpreßzüge 5— Straßburg—Stuttgart München— Wien-— Budapest mit den An⸗
fahrplänen ist im
Eisenbahnen; Reglement für die Verfolgung und Bestrafung von
schlüssen an die Expreßzüge nach Belgrad— Nisch, sowie nach Bukarest
— Konstantinovel (R. K. B. 396 und 396 a); — die neue Verbin⸗ dung von Hamburg, sowie von Berlin über Leipzig — Eger nach Ischl, Pontebba — Venedig und Triest und umgekehrt (R. EET Die kleinen Uebersichtskarten des Kursbuchs, welche das Auf⸗ suchen der Fahrpläne bedeutend erleichtern, sind um drei vermehrt worden: weeeeen und Rumänien⸗ Bulgarien⸗Serbien⸗Türkei⸗Griechenland.
Len Ebenso pünktlich ist das Berliner ABC⸗Eisenbahn⸗ Kursbuch, Sommer 1885, bearbeitet im Kursbureau der Heraus⸗ geber (Brasch u. Rothenstein, Friedrichstraße 78, Verleger: Steinitz u. Fischer, Friedrichstraße 174) ausgegeben worden. Das ABC⸗Kurs⸗ buch, welches nur für Berlin bearbeitet ist, hat sich durch seine Zu⸗ verlässigkeit, Vollständigkeit und den bequemen Gebrauch in Berlin rasch wohlverdiente Beliebtheit erworben, wozu der geringe Preis von 75 ₰ (einschließlich einer großen Eisenbahnkarte und eines 222 Fahrpläne umfassenden Taschenfahrplanbuches) das Seinige bei⸗
getragen hat. Bremen, 2. Juni. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Rhein“ ist heute früh 3 Uhr in Southampton eingetroffen. 8
Hamburg, 1. Juni. (W. T. B.) Der Postdampfer „Hammonia' der Hamburg⸗Amerikanischen Packet⸗ fahrt⸗Aktiengesellschaft ist, von New⸗York kommend, heute Nachmittag auf der Elbe eingetroffen. “
Berlin, 2. Juni 1885.
Auf Allerhöchsten Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs ist von S. M. S. „Olga“ nach der Rückkehr aus West⸗ Afrika ein Detachement von den bei Kamerun im Gefecht gewesenen Mannschaften beordert worden, um von morgen Mittag ab während 24 Stunden den Doppelposten vor dem Königlichen Palais zu besetzen. Das Detachement, in der Stärke von 1 Obermaat und
8 Matrosen, trifft hierzu heute Abend aus Kiel ein.
Das betreffende Comité verbreitet folgenden „Aufruf zur Betheiligung am Deutschen Innungstage vom 14. bis 16. Juni 1885 zu Berlin“ an die Vorstände der Innungen, Innungsverbände, Innungsausschüsse, Handwerker⸗Vereinigungen und Verbände in Deutschland:
„Wenn die Vorstände der unterzeichneten handwerkerlichen Ver⸗ bindungen es unternehmen, die Vertreter des deutschen Handwerker⸗ standes hiermit zu einem deutschen Innungstage nach Berlin ein⸗ zuladen, so ist dabei allerdings zunächst leitendes Motiv der Wunsch, alle diejenigen Mißstände der deutschen Gewerbegesetzgebung in einer gemeinsamen Handwerkerversammlung zu berathen und öffentlich zu kennzeichnen, unter welchen der Fortgang der Innungsbewegung und in Folge dessen auch die Weiterbildung der Organisation des Hand⸗ werkerstandes in Bezug auf Selbstverwaltung in gewerblichen An⸗ gelegenheiten zu leiden hat. Wir stehen auf dem Standpunkte, das Gute, was das bestehende Innungsgesetz vom 18. Juli 1881 uns bietet, zum Wohle des Handwerks bestens auszunutzen und rein von dem Boden gemachter praktischer Erfahrungen aus auf geeignete wei⸗ tere gewerbegesetzliche Reformen zu dringen. In diesem Sinne wün⸗ schen wir zunächst und allein unser Vorgehen aufgefaßt zu sehen. Es liegt uns fern, irgendwie auf die Organisation und die Zusammen⸗ setzung der bestehenden Handwerkervereinigungen und Verbände durch den von uns projektirten Innungstag einwirken oder die Selbständig⸗ keit solcher Verbindungen irgendwie beeinflussen zu wollen: wir ver⸗ treten ja eben selbständige Verbände und müßten vorweg uns dagegen verwahren, daß den selbständigen Entschließungen unserer speziellen Delegirtentage vorgegriffen werde. Zweck des Innungstages soll es sein, was zum Handwerk gehört, zur Zeit aber noch getrennt dasteht, zu einigen. Vielleicht gelingt es, den schönen Gedanken zu verwirk⸗ lichen, demnächst in Berlin eine Versammlung von Vertretern der verschiedenen Handwerksarten zu Stande zu bringen, welche, absehend von allen kirchlichen und politischen Meinungsverschiedenheiten, nur das Wohl des Handwerks im Auge behält und sich einig zeigt in den Endzielen, auf Grund welcher das reformirte Handwerk neu zu er⸗ stehen hat. Wir hoffen diesen Erfolg zu erreichen: Bürgen dafür sind uns die Zustimmungserklärungen, welche uns in den letzten Wochen in großer Zahl zu unserm Reform⸗Programm zu⸗ gegangen sind. Es kann demnach auch nicht unsere Absicht sein, dem Innungstage ein völlig abgeschlossenes Programm zur Beschlußfassung vorzulegen, sondern unsere Vorlagen be⸗ deuten nur Vorschläge, über welche der Majorität des einzuberufenden Innungstages die endgültige Entscheidung zu treffen zusteht. Die Lage der Verhältnisse des deutschen Handwerkerstandes bedingt ein rasches und einmüthiges Handeln. Nicht langes Hin⸗ und Herdebat⸗ tiren um Prinzipien und Schlagwörter, nicht leeres Klagen über die Nöthen der Zeit vermögen mehr das Wohl unseres Handwerks zu fördern, sondern allein von Einigkeit getragene zielbewußte Beschlüsse eines zahlreich beschickten deutschen Innungstages erobern uns das⸗ jenige Maß öffentlicher Achtung, welches erforderlich ist, um auf Re⸗ gierung und Reichstag bestimmenden Einfluß nach einer unseren In⸗
eressen fördersamen Richtung hin auszuüben.“
Die Verhandlungen finden von Morgens früh 9 Uhr ab im Kaisersaale von Buggenhagens Etablissement am Moritzplatz, die Vorversammlung ebendaselbst am Sonntag, den 14. Juni 1885, Abends 7 Uhr, statt Die Tagesordnung lautet: 1) Eröffnung des Deutschen Innungstages, Begrüßung der Delegirten und Gäste; 2) Feststellung der Geschäftsordnung; 3) Bericht über die Motive zur Abhaltung eines Deutschen Innungstages; 4) Bericht über die zum „Reformprogramm“ eingegangenen Zustimmungserklärungen; 5) die Anträge Ackermann, Biehl und Genossen im Deutschen Reichs⸗ tage, betreffend den „Befähigungsnachweis“; 6) die §§. 100 E und F der Reichs⸗Gewerbeordnung nach den Anträgen Ackermann, Biehl und Genossen im Deutschen Reichstage; 7) Segen und Unsegen der Fach⸗ und der gemischten Innungen; 8) die Organisation des deutschen Handwerks nach Innungen, Handwerkerkammern, Innungsverbänden und Reichs⸗Innungsamt; 9) die Mängel der Reichsgesetzgebung, betreffend a. das Krankenkassen⸗ und b. das Unfallversicherungswesen vom Standpunkte des deutschen Handwerkers aus; 10) über die den Handwerkerstand schädigenden gesetzlichen Bestimmungen und bestehen⸗ den Einrichtungen in Bezug auf a. die Gefängnißarbeit, b. die Militärwerkstätten, c. das Submissionswesen, d. das Hausirwesen; 11) die gegenwärtigen mißlichen Rechtsverhältnisse im Bauwesen in Rücksicht auf die Bauhandwerker. Weitere Anträge zur Tages⸗ ordnung sind bis zum 8. Juni d. J. an die Adresse des unterzeich⸗ neten Herrn C Koeppen, Berlin 8., Kommandantenstraße 25, ein⸗ zureichen.
Zu einer 12tägigen Uebung vom 9. d. M. ab sind bei jedem der hiesigen Garde⸗Jafanterie⸗Regimenter ca. 450 Mann der Land⸗ wehr einbeordert worden. Die Mannschaften werden für die Dauer der Uebung bei jedem Regiment zu einem besonderen Land⸗ wehr⸗Uebungs⸗Bataillon formirt und in den Kasernements einguartiert, wogegen von den aktiven Mannschaften je 1 Bataillon zur Abhaltung einer 12tägigen Gefechts⸗ und Schießübung im Te 9. d. M. früh die Garnison verlassen wird.
Der neue Justizpalast für die Civilabtheilungen des Land⸗ gerichts II und des Amtsgerichts I am Halleschen Ufer wurde gestern Vormittag 9 ½ Uhr in feierlicher Audienz eröffnet.
Die IV. ordentliche Generalversammlung des West⸗ deutschen Vereins für Kolonisation und Export (Zweig⸗ verein des Deutschen Kolonialvereins) wird am Mittwoch, den 10. Juni 1885, Vormittags 11 Uhr, in der Lesegesellschaft zu Köln, Mörsergasse 11/13, stattfinden. Die Tagesordnung lautet: 1) Kurzer JFahresbericht, 2) Kassenbericht, 3) Ergänzungswahl des Vorstandes,
4) etwaige Anträge von Mitgliedern.