3) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, welche aus der Vollstreckung der von Justizbehörden erkannten oder fest⸗ gesetzten Geldstrafen einschließlich der Exekutiv⸗, Disziplinar⸗ unnd Ordnungsstrafen oder aus der auf die künftige Deckung Geldstrasen und Kosten abzielenden Beschlagnahme ein⸗ 1
elner Gegenstände (§§. 325, 480 der Strafprozeßordnung) Fervorgehen erfolgt die Vertretung des en
1 Fiskus durch den danten der Kasse der die Vollstreckung à— Beschlagnahme Nanordnenden Behörde. Ist die Vollstreckung oder Beschlag⸗ nahme durch ein waldeckisches Amtsgericht angeordnet, so wird der Fiskus durch den Rendanten der Kasse dieses Amts⸗ gerichts vertreten. 8 5 8 4) Im Konkursverfahren erfolgt die 4 des Fiskus, sofern es sich um Kosten und die unter Nr. 2 bezeich⸗ eten Geldbeträge handelt, durch den Rendanten der Kasse, zu welcher die Geldbeträge zu vereinnahmen sind.
— Der General⸗Lieutenant von Rauch, Commandeur der 19. Division, ist zur Abstattung persönlicher Meldungen aus Hannover hier angekommen.
—— Der bisherige Spezial⸗Kommissarius, Regierungs⸗ Assessor Homann in Kassel, ist als EEE“ ö der General⸗Kommission in Merseburg überwiesen worden.
— S. M. Brigg „Musquito“, Kommandant Korvetten⸗ Kapitän Piraly, ist am 12. Februar cr. in St. Croix ein⸗ getroffen und beabsichtigt am 15. d. M. die Reise fort⸗ zusetzen.
Sachsen. Dresden, 12. Februar. (Dr. J.) Die Erste Kammer erklärte sich in ihrer heutigen Sitzung mit dem Ankauf der Freiberger Gruben ‚Junge hohe Birke“, „Vereinigt Feld“, „Bescheert Glück“, „Himmelfahrt“ und „Himmelfürst“ durch den Etat für den Betrag von 2 244 000 ℳ einverstanden und bewilligte im Einklang mit er Zweiten Kammer die für diese Gruben eingestellten Be⸗ riebszuschüsse. Die Zweite Kammer erledigte den Etat der Staats⸗ Eisenbahnen.
„Beaden. Karlsruhe, 13. Februar. (W. T. B.) An⸗ läßlich der Erklärung, welche der Minister Turban bei Beantwortung der wegen des Branntwein⸗Monopols an e8 gerichteten Anfrage abgegeben, ist Seitens der liberalen . 16 der Antrag eingebracht worden: Die
Kammer wolle die Resolution zu Protokoll geben: das Bestreben, aus dem Branntwein höhere Erträgnisse zu ziehen, sei bei der Belastung des Reichs und der Einzelstaaten, sowie im Interesse der Sittlichkeit und Gesundheit als erwünscht anzusehen. Das Aufgeben des Reservatrechts werde einer ge⸗ wissenhaften Prüfung unterzogen werden.
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 12. Februar. (ECTh. C.) Morgen wird der Landtag nach vierwöchentlicher Thätigkeit vertagt. Die von demselben erledigten Angelegen⸗ heiten berühren hauptsächlich Eisenbahnen. Das Sekundär⸗ Uhnnes des Großherzogthums erhält durch die nunmehr ge⸗ sicherte Herstellung “ Sekundärbahnen im Süden und Norden Weimars eine sehr bedeutende und vortheilhafte Erweiterung. Beide Anlagen, sowohl die Bahn Weimar — Berka — Blankenhain — Tannroda, wie die Bahn Weimar — Rastenberg — Großrudestedt erschließen fruchtbare und in⸗ dustriell entwickelte Gegenden. Von sonstigen Be⸗ schlüssen des Landtages ist noch zu erwähnen die Bewilligung der Mittel für den Bau eines neuen Gymnasiums in Weimar .8 Mittel für die Errichtung von Räumen für die Wartburg⸗ etghther in Eisenach werden morgen bewilligt werden) und die Einsetzung eines Organisations⸗Ausschusses, der die aus der Mitte des Landtages angeregte e der Behörden⸗ Organisation weiter verfolgen soll. Im Herbst wird der Land⸗ tag Weiterführung seiner Berathungen wieder versammelt werden.
Anhalt. Dessau, 12. Februar. Ein Extrablatt des „Anh. St.⸗Anz.“ veröffentlicht folgende Danksagung:
„In unserem tiefen Schmerz haben uns die vielen rührenden Be⸗
vess der herzlichen Theilnahme an unserem herben Verlust wahrhaft
wohlgethan. 1
„»Wir sagen hiermit Allen Denen, die sich uns in dieser schweren Zeit mit Wort und Schrift tröstend nahten und mit herr⸗ lichen Blumenspenden den Sarg unseres theueren Entschlafenen schmückten, unseren tiefempfundenen herzlichsten Dank.
Dessau, den 12. Februar 1886. Friedrich. Antoinette.“
Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 12. Februar. (Lds.⸗Ztg. f. Els.⸗Lothr.) In der gestrigen (8.) Plenarsitzung des Landesausschusses fand zunächst die Wahl zweier Mit⸗ glieder zur Präsentation für den Staatsrath statt, und wurden die ausscheidenden Herren Dr. Schlumberger und Massing wiedergewählt. — Im Etat der Wasserbauverwaltung, welcher als 2. Gegenstand auf der Tagesordnung stand, wurden auf Vorschlag der Kommission und unter Zustimmung des Unter⸗Staatssekretärs Dr. Ledderhose die für Erweiterung des Hafens im Hüninger Zweigkanal bei Hüningen geforderten 55 ℳ gestrichen. Im Uebrigen wurde der Etat unver⸗ ändert angenommen, ebenso, ohne Debatte, der Etat der Hoch⸗ und Wegebanverwaltung. Den nächsten Gegenstand der Tagesordnung bildete der Etat der Eisenbahnen. Der Abg. Klein plädirte für das Projekt einer Trambahn von Buchs⸗ weiler nach Ingweiler. Der Abg. Baron Zorn von Bulach (Vater) trat besonders für die bisher wenig berück⸗ sichtigten Gegenden des Landes ein. Der Unter⸗Staatssekretär Dr. Ledderhose erörterte den Standpunkt der Regierung gegen⸗ über dem Ausbau der Straßenbahnen; außer den genannten Herren griffen dann noch die Abgg. Baron Schauenburg (Be⸗ richterstatter), Wehrung, Baron 3 von Bulach (Sohn), welcher den Ausbau der Bahn Rothau⸗Saales von Reichs⸗ wegen Sre. und Köchlin in die Debatte ein. Eine kurze neue Diskussion erhob sich gelegentlich der für die Straßen⸗ bahn Straßburg⸗Truchtersheim ausgeworfenen Subvention, insbesondere über die Spurweite der Bahn. Schließ⸗ lich wurde der Vorschlag der Kommission (1 m. Spurweite) angenommen, ebenso zu Tit. 5 (Subvention für die Herstellung einer Anschlußbahn zwischen dem Bahn⸗ hofshafen und dem Bahnhofe zu Metz) der Vorschlag der Kommission: die Anecihes den 120 000 ℳ auf 100 000 ℳ zu ermäßigen und als einen neuen Tit. 6 einzusetzen: Sub⸗ vention für die Herstellung einer Eisenbahn von Hagendingen nach Groß⸗Moyeuvre (25 000 ℳ). Der Unter⸗Staatssekretär Dr. Ledderhose hatte seine Zustimmung zu dieser Aenderung erklärt. Der Schlußtitel (zu Studien ꝛc., für Straßen⸗
stand der eeen, Etat der Verwaltung der Gewerbe und des Handels, führte nur zu einer kurzen Bemerkung des Abg. Winterer, auf welche der Unter⸗Staatssekretär Dr. Ledder⸗ hose erwiderte. Der Etat der direkten Steuern, der letzte Gegenstand der Tagesordnung, wurde ohne Debatte an⸗ genommen.
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 12. Februar. (Wien. Abdp.) Der Budgetausschuß des Abgeordnetenhauses setzte gestern die Berathung über den .;* des Ministeriums des Innern fort und erledigte die Titel: „Staatsbau⸗ dienst“, „Straßenbau“, „Wasserbau“ und „Neu⸗ bauten der politischen Verwaltung“. Die Ziffern⸗ ansätze wurden bis auf einen Abstrich von 30 000 Fl. bei dem außerordentlichen Erforderniß von 100 000 Fl. für die Re⸗ gulirung der Donau bei Linz und Herstellung des Güter⸗ umschlagplatzes daselbst durchgehends nach der Regierungs⸗ vorlage genehmigt. Der Berathung wohnte der Minister⸗ Präsident und Leiter des Ministeriums des Innern, Graf Taaffe, bei. Die Regierungsvorlage, betreffend die Her⸗ stellung, beziehungsweise Erwerbung eigener Post⸗ und Telegraphen⸗Gebäude in Krakau, Lemberg, Czernowitz, Triest, Bozen, Trient und Roveredo, wurde dem Abg. Dr. Fanderliek zur Berichterstattung zugewiesen.
Schweiz. Bern, 12. Februar. (W. T. B.) Der Bundesrath beschloß, an der von Württemberg ange⸗ regten Konferenz von Sachverständigen zur Vorbereitung von Tiefenmessungen im Bodensee und zur Herstellung einer Karte des Bodensees durch Entsendung von Delegirten theilzunehmen. — Der Antrag: auf die Aufnahme eines Zusatzes zu dem Handelsvertrage mit Deutschland hinzuwirken, wonach Ausländer, welche den Hausirhandel mit Waaren in der Schweiz betreiben, ihren thatsächlichen Wohnsitz in der Schweiz zu nehmen haben, wurde vom Bundesrath abgelehnt, da, eine derartige Bestimmung zu treffen, den Kantonen überlassen bleiben könne.
Belgien. Brüssel, 12. Februar. (W. T. B.) Die Repräsentantenkammer hat heute, bei der Berathung des Kriegsbudgets, die Amendements des Kriegs⸗Ministers, betreffend die Einberufung der beurlaubten Klassen der Wehr⸗ dienstpflichtigen, mit 70 gegen 52 Stimmen angenommen. Es ist zur Bildung einer Armeereserve der Anfang gemacht.
Großbritannien und Irland. London, 13. Februar.
W. T. B.) Auf Anordnung des Staatssekretärs des
nnern, Childers, wird eine Kommission niedergesetzt werden, welche Erhebungen über den Ursprung und die Natur der Vorgänge am letzten Montag sowie über die Haltung der Polizei bei denselben anstellen soll. Childers wird der Kommission präsidiren. — Die vom Lordmayor von London angeregten Sammlungen für die beschäf⸗ tigungslosen Arbeiter in London haben bis gestern Abend 20 000 Pfd. Sterl. ergeben.
Jesse Collings ist zum Sekretär bei dem Local Government Board ernannt worden.
Bei der gestern i. Newcastle stattgehabten Neuwahl zum Unterhauf e wurde der Staats⸗Sekretär für Irland, John Morley, mit 11 110 Stimmen wieder der kon⸗ servative Gegenkandidat Hamond erhielt 8449 Stimmen.
Frankreich. Paris, 12. Februar. (W. T. B.) Der Minister⸗Präsident de Freyeinet empfing heute Vor⸗ mittag eine Deputation der Linken des Senats, welche ihn ersuchte, gegen die Ausschreitungen in den Reden, die in ffentlicen Versammlungen gehalten
würden, Ma Der Minister⸗Präsident
regeln zu ergreifen. wiederholte seine in der gehher Sitzung der Deputirten⸗ kammer abgegebene Erklärung, daß er die Wahrung der öffent⸗
lichen Ordnung sich stets angelegen sein lassen werde, und süce hinzu: die bestehenden Gesetze gewährten der Regierung azu ausreichende Hülfsmittel. Die Regierung werde nicht zögern, solche Redner in öffentlichen Versammlungen, welche ehen die Gesetze verstießen, gerichtlich verfolgen zu assen.
— (Köln. Ztg.) In Folge des Friedensschlusses mit den Hovas wird die Garnison von Madagaskar von 16 auf 6 Compagnieen Marine⸗Infanterie vermindert: 2 gehen nach Réunion, so daß die dortige Besatzung künftig statt aus 2, aus 4 Compagnieen bestehen wird. Die übrigen kehren nach Frantreich zurück. Diese Compagnieen haben einen that⸗ sächlichen Bestand von je 3 Offizieren und 100 Mann.
Das „Journal officiel” theilt die genau festgestellten Ergebnisse der Finanzverwaltung für 1885 mit. Danach betrug der Ausfall gegen den Voranschlag an den direkten Steuern 14 ¼, an den indirekten 36 ³¾, an der Ab⸗ gabe von Einkünften aus Mobiliarwerthen (Aktien, Obliga⸗ tionen ꝛc.) rund 3 Millionen, an den indirekten Steuern in Algerien 1 135 000 Fr., im Ganzen über 55 Millionen.
Rumänien. Bukarest, 12. Februar. (W. T. B.) Die „Polit. Corresp.“ meldet: Die Pforte hat von Madjid Pascha die Vorlegung der zwischen ihm und dem bulgarischen Delegirten Geschoff vereinbarten Friedensvorschläge ver⸗ langt und Magid Pascha gleichzeitig angewiesen, sich vor dem Einlangen ihrer diesbezüglichen gutachtlichen Ansicht auf keinerlei Verhandlungen einzulassen. Die auf heute anbe⸗ raumte Sitzung der Friedensdelegirten ist in Folge dessen unterblieben und sind die Verhandlungen bis auf Weiteres sistirt.
Serbien. Belgrad, 12. Februar. (W. T. B.) Der österreichische Gesandte Graf Khevenhüller⸗Metsch begiebt sich heute nach Wien.
Afrika. Egypten. Suakim, 9. Februar. (Allg. Corr.) Sir Charles Warren, der neue Gouverneur, ist gestern hier angekommen. Osman Digma soll mit den egyptischen Kanonieren aus Kassala Tamai besetzt haben. Die berittene Infanterie⸗Patrouille wurde sowohl gestern wie heute innerhalb 2. Yards von den Festungs⸗ werken von starken Rebellen⸗Abtheilungen angegriffen.
Zeitungsstimmen.
Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ meldet aus Worms, u. d. 8. Februar: 8 Von mehreren hundert Vertrauensmännern der nationalliberalen
bahnen 5000 ℳ) führte zu keiner Debatte. Der fünfte Gegen⸗
e „ „Das Verhalten der Mehrheitsparteien des Reichstags „ 16. Januar I. J. in der Polenfrage widerspricht den deutsch⸗nationala Interessen und beweist Mangel an kräftigem Staatsbewußtsein — patriotischem Sinn. In der schmerzlichen Erkenntniß, daß die Meir. heit des Reichstags, nur geeint in der Verneinung und in dem gemein samen Groll gegen den Reichskanzler,. hohe nationale Interessen hintena⸗ seßt. gewährt es Trost zu sehen, wie der führende deutsche Part⸗ kularstaat Preußen, sich seines deutschen Berufs bewußt, im Gegen satz zu dem Reichstag die deutsche Aufgabe in der Polenfrage u lösen unternimmt. Unser Reichskaänzler, Fürst Bismarck, aber bn sich aufs neue den Dank des deutschen Volkes verdient durch dn Kraft und Energie, mit der er im preußischen Landtag den Geist 2 Boden trat, mit dem im Kampf seit 24 Jahren alle unsere nationala Errungenschaften erstritten werden mußten.“ 8 42 einstimmig wurde hinsichtlich des Branntwein⸗Monopel⸗ resolvirt: 8 „Eine Ausbildung des indirekten Steuersystems im Reich st der einzige 4 zu wirksamer Steuerreform in den Einzelstaaten und zu steuerlicher Entlastung der Gemeinden. Der Branntwein ist in hervorragender Weise geeignet, als Steuerobjekt dem Reich solche Mehreinnahmen zu verschaffen. Bei der Besteuerung des Brannt⸗ weins muß aber in erster Linie darauf gerücksichtigt werden, daß Groß⸗ und Kleinbrennereien als landwirthschaftliche Nebenbetriebe im ganzen Reich erhalten bleiben. Ohne daß hiermit zu der Branntwein⸗ Monopolvorlage, ehe dieselbe dem Reichstag zugegangen ist, bestimmte Stellung genommen werden soll, muß es als wünschenswerth bezeichnet werden, daß dieser Entwurf in dem Reichstag einer gründlichen Pri⸗ fung ohne Voreingenommenheit unterzogen werde.“
— Aus der Rede, welche der bayerische Finanz⸗Minister Dr. von Riedel in der Zweiten Kammer zum Branntwein⸗ Monopol gehalten, giebt die „Allgemeine Zeitung“ folgenden Passus dem Wortlaut nach wieder:
„Bei der ganzen Agitation gegen das Branntwein⸗Monopol ist mir wirklich nichts unverständlicher als die Behauptung, daß die mittleren und kleinen Brenner dadurch geschädigt und zu Grunde gerichtet werden. Ich für meine Person kann diese Behauptungen nicht begreifen, und wenn Sie mir einen Augenblick folgen wollen, so hoße ich, daß ich auch Sie überzeuge. Vergleichen Sie doch die Lage des kleinen und mittleren Brenners, wie sie heute ist und wie sie nach dem Monopolentwurfe gestaltet würde oder gestaltet
wenigen Ausnahmen, die den direkten Ausschank bewirken können, alle auf den Engrospreis angewiesen. Sie sind noch überdies auf den Preis angewiesen, den ihnen der Händler und der Fabrikant, zu dem sie die Waare gebracht haben, zu zahlen geneigt ist. Dieser Preis beträgt heute rund 46 ℳ in Bavyern für den Hektoliter absoluten Alkohols. Hierzu kommt noch, daß der Preis in Folge der Konkurrenz — davon können wir ja nach den Erfahrungen der letzten Jahre Einiges sprechen — ein stetig schwankender ist, und daß das Sinken desselben natürlich für den kleineren und mittleren noch empfindlicher ist als für den großen Brenner. Der .. des Branntweins ist heute in ganz Deutschland, insbesondere aber in Süddeutschland, ein derartiger, daß sich die Brenner nur mit äußerster Mühe über Wasser halten. Daran ist nicht die Steuer schuld, sondern wir würden, wenn Sie heute die Steuer ganz aufheben, die nämliche Erscheinung vielleicht in noch höherem Maße, in Bayern einmal ganz sicher finden. Was geschieht nun unter dem Monopol? Nach Einführung des Mo⸗ nopols würde durch eine aus Sachverständigen gebildete Kom⸗ müsion nach billigem Ermessen das Quantum feestgesetzt, das jeder bisherige Brenner für die Folge brennen darf. Er muß es richt brennen, aber er hat das Recht dazu. Und dieses Quantum muß ihm von der Monopolverwaltung abgenommen werden. Er bekommt einfach, nachdem er es zur amtlichen Vermessung oder Verwiegung gebracht hat, sein Geld; er ist vollständig unabhängig. Inwiefern diese Manipulation eine politisch wichtige sein sollte, kann ich auch nicht begreifen, denn der Vorgang ist ein unendlich einfacher. Die Hauptsache ist natürlich der Preis, den er dafür bekommt, und in dieser Beziehung habe ich keinen Zweifel, daß der Normalpreis von 35 ℳ wohl die Regel bilden wird. Es ist das der Preis, der sich nach dem zehnjährigen Durchschnitt in Norddeutschland gebildet hat, und der mit etwa 5 ℳ Aufschlag auch für Süddeutschland vollständig entsprechend ist. In diesem Preise wird den Brennern nichts geschent denn sie haben ja auch viel höhere Preise schon ge⸗ habt, sie können aber mit dem Preise gut bestehen. Dazu kommt, daß der Kleinbrenner 2 ℳ weitere Bonifikation Reichszuschlag be⸗ kommt. Es kommt weiter dazu, daß er, was ich wünsche und hoffe und was ganz in Ihren Händen liegt, aus Landesmitteln einen Zu⸗ schlag bis zu 5 ℳ erhalten kann; es sind das also 42 ℳ Dabei ist er vollständig branntweinsteuerfrei, d. h. seine Steuer, die sich zwischen 14 und 16 ℳ oder je nach seiner Ausbeute höher oder geringer be⸗ rechnen kann, fällt weg. Das, was dem kleinen Brenner für die Folge vergütet wird, betrüge also nach der heutigen Notirung einen Preis von 56 — 58 ℳ, während er heute sehr zufrieden sein darf, wenn er 46 ℳ bekommt. Ich darf wohl konstatiren, ohne mich einer Indiskretion schuldig zu machen, daß man im Bundesrath ein⸗ stimmig der Meinung war, daß die höheren Produktionskosten, welche zweifellos in Süddeutschland den Brennern erwachsen, durch einen Zuschlag aus Landesmitteln ausgeglichen werden können und sollen, und das ist nicht mehr als billig; und wenn dieser Zuschlag dazu be⸗ nutzt werden sollte, um gleichfalls auf der anderen Seite gegen das Monopol Stimmung zu machen, so würde ich das sehr bedauern. Denn der Zuschlag ist keine Ungerechtigkeit, und wir werden in dem, was wir aus dem Monopol herausbekommen, hinreichend die Mittel finden, um diesen Zuschlag zu leisten. Das ist das Bild und die Lage des mittleren und kleinen Brenners von heute und in der Zukunft, wenn das Branntwein⸗Monopol Gesetz werden sollte. Dazu kommt aber noch, daß der Brenner, wie im Ausschuffe schon hervorgehoben wurde, in seinem eigenen Interesse ferngehalten wird von Spekulationen, bei denen er in der Regel nichts gewinnt. er sein Geld gleich bekommt und nicht auf Kredit arbeiten muß, und es kommt weiter dazu, daß
ruhende Wirthschaft führen kann. Es kommt endlich dazu — was si allerdings von selbst versteht, aber doch konstatirt werden muß —, daß er frei von jeder Konkurrenz, und namentlich von der Konkurrenz der Großen nicht bedroht ist.“
— Die „Kölnische Zeitung“ schreibt: “ Nachdem nunmehr der Antrag auf Verlängerung des Sozialisten gesetzes um weitere fünf Jahre beim Reichstag eingegangen ist, wird die Sorge, es könne dieser Körperschaft nach der Erledigung des Etats der Stoff zeitweilig ausgehen, wohl überall geschwunden sen. .. Die lange Frist von fünf Jahren wird voraussichtlich auch les in erster Linie angefochten werden. Das Gesetz selbst aber wird man schwerlich entbehren wollen noch entbehren können. Die sozialdemo 88 tische Einigung und Wirksamkeit ist eine ausgesprochen internationale nc worden, und erfahrungsgemäß treten dieselben Ausschreitungen ziemli gleichartig und gleichzeitig in den verschiedensten Ländern auf. en Ausschreitungen von der Art, wie sie jüngst in London vorgekommen sind, bei uns verhüten will, der kann und darf der Gewalt die 658 nicht nehmen, deren sie bedarf, um solchen Ausschreitungen wir ir. vorzubeugen. Und seine vorbeugenden, verhütenden Wirkungen in düch zug auf Massenvergehen hat das Sozialistengesetz erfüllt, wenngleich es naturgemäß den Einzelnen vor dem Meuchelmord nicht schüten konnte. Wir glauben, daß auch das Centrum sich ernstlich beden wird, das Gesetz einfach abzulehnen.
Eannes,⸗
Statistische Nachrichten.
sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche 8 31. Januar bis incl. 6. Februar cr. zur Anmeldung gekom
Hagiet. des diesseitigen Wahlkreises wurde gestern zu der Polenange⸗ egenheit einstimmig folgende Resolution gefaßt:
56
1 Cheschließungen, 961 Lebendgeborene, 37 Todtgeborene, 547 Sterbe⸗ alle.
werden könnte. Heute sind unsere Brenner, selbst die kleinsten, mit;
Es kommt ferner dazu, daß
ut weiter de er von den Schwankungen in Bezug auf den Preis befreit ist und demnach eine stetige, auf solider Grundlage
Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin
11“ Gewerbe und Handel.
Die Aachener Bank für Handel und Industrie atheilt für das Jahr 1885 eine Dividende von 5 %.
— Dem Geschäftsbericht der Kommerz⸗ und Diskonto⸗ uk in Hamburg entnehmen wir folgende Mittheilungen: Der Vertheilung an die Aktionäre verfügbare Gewinn beziffert sich 10. 1885 auf 1 855 247 ℳ (gegen 2 012 634 ℳ im Vorjahre); die direktion beantragt, hiervon 1 800 000 ℳ zur Zahlung der 6 % 210% im Vorjahr) betragenden Dividende zu verwenden und den Rest 68. 55 247 ℳ auf neue Rechnung vorzutragen. Die London & nanseatic Bank limited deklarirte pro 1885 eine Dividende von 5 ½ % Heelam Vorjahr) und überwies außerdem dem Reservefonds 4000 £; 6Nationalbank für Deutschland hat ihren Rechnungsabschluß pro 2 noch nicht beendek, für 1884 betrug die ividende vrselben nur 3 %. Von den jüngsten Aktienunternehmungen der Fank ist die Norddeutsche Zuckerraffinerie bei Frellstedt seit Mai 1885 u mmunterbrochenem Betrieb; für das erste Geschäftsjahr sei auf eine rwöhnliche Verzinsung des darin angelegten Kapitals zu rechnen; der Feutsche Rhederei⸗Verein dürfte ein wesentlich günstigeres Resultat 1s pro 1884 geben. Von den aus dem Jahre 1884 herübergenom⸗ menen Finanzgeschäften ist das Norwegische 4 % Konversions⸗Staats⸗ mlehen 28 111 200 ℳ vollständig und mit entsprechendem Nutzen begeben. Der Umsatz in Wechseln auf Hamburg⸗Altona be⸗ ifferte sich auf 114 883 517 ℳ (gegen 108 575 932 ℳ im Vorjahre), der Gewinn daran F8 144 872 ℳ (gegen 815 332 ℳ), der Umsatz in auswärtigen Wechseln auf 161 822 835 ℳ ggegen 165 259 414 ℳ) mit einem Gewinn von 225 105 ℳ (gegen 99647 ℳ). Das Delcredere auf Wechsel betrug 232 685 ℳ mit 1225 ℳ Provision (gegen 413 719 ℳ und 2347 ℳ). Das Effekten⸗ nischäft bezifferte sich auf 70 216440 ℳ 53 ₰ (gegen 57 684 027 ℳ 1 ₰) und einen Ultimobestand von 11 902 962 ℳ (gegen 17188 005 ℳ) mit einem Nettogewinn von 702 156 ℳ (gegen 652 569 ℳ). Der Effektenbestand war angelegt in 16 078 Aktien der gondon & Hanseatic Bank limited, nom. 1 860 300 ℳ, Nationalbank ür Deutschland 500 000 ℳ nom., Norddeutsche Zucker⸗Raffinerie 100000 ℳ nom., Deutscher Rhederei⸗Verein Konsortialbetheiligungen 9608 282 ℳ, börsengängige verzinsliche Staats⸗ und Kommunal⸗ vabiere 1 503 827 ℳ, böriengängige Aktien 598 068 ℳ, Prioritäts⸗ Obligationen 1 736 291 ℳ und div. Effekten 3116 ℳ Das Depot⸗ Vorschußgeschäft bezifferte sich auf 22 953 721 ℳ mit 293 001 ℳ gegen 26163 462 ℳ mit 360 444 ℳ im Vorjahre. Das Conto⸗Corrent⸗ gechäft auf 505 400 286 ℳ mit 881 396 ℳ Nettoerträgniß vegen 490 989 940 ℳ und 720 340 ℳ im Vorjahre. Der Giro⸗ enhr bezifferte sich auf 2 758 903 591 ℳ gegen 2 563 652 980 ℳ und zinsvergütung von 51 649 ℳ gegen 63 514 ℳ im Vorjahre. Das Cassa⸗Geschäft bezifferte sich auf 93 677 911 ℳ gegen 88 173 930 ℳ mit 11552 ℳ Gewinn gegen 5561 ℳ im Vorjahre. Das Depositen⸗ geschäft nahm 23 377 927 ℳ gegen 27 192 376 ℳ im Voraus und efforderte an Zinsen 165 863 ℳ gegen 121 389 ℳ im Vorjahre. Für Aufbewahrung von Werthpapieren gingen 29 742 ℳ ein gegen 99 350 ℳ im Vorjahre. Das Accepten⸗Conto setzte 78 022 821 ℳ um, gegen 69 477 582 ℳ im Vorjahre. Der Delecredere⸗Fonds der Bank stieg von 632 747 ℳ auf 654 215 ℳ, während der Reservefonds, für den die Effekten separat gehalten werden, unverändert 3 Millionen Mark beträgt. 1
Antwerpen, 12. Februar. (W. T. B.) Wollauktion. Angeboten 1287 Ballen La⸗Plata⸗Wollen, davon verkauft 1033 Ballen.
Preise unverändert. .
Brüssel, 12. Februar. (W. T. B.) Die Verhandlungen wischen der Congo-Regierung und der Société générale in Brüssel, Mendelsohn & Co., J. T. Goldberger in Berlin und der Hesterreichischen Länderbank in Wien behufs Aufnahme einer Prämien⸗Anleihe in Höhe von 100 Millionen Fr. sind zum bschluß gebracht. Dem für dieselbe gebildeten Syndikat gehören unter Anderen in Paris das Haus Rothschild, das Comptoir dEscompte und die Banque de Paris et des Pays bas an.
London, 12. Februar. (W. T. B.) Wollauktion. Tendenz trdige bei geringer Nachfrage.
New⸗York, 12. Februar. (W. T. B.) Baumwollen⸗ Pochenbericht. Zufuhren in allen Unionshäfen 106 000 B., Aus⸗ fuhr nach Großbritannien 74 000 B., Ausfuhr nach dem Kontinent 31000 B., Vorrath 1 015 000 B.
Verkehrs⸗Anstalten.
Bremen, 12. Februar. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Eider“ ist gestern Abend in Southampton eingetroffen.
8 Sanitätswesen und Quarantänewesen. 8 Portugal. urch eine unterm 4. Februar 1886 veröffentlichte Verfügung
des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern ist die Quaran⸗ tine für die aus spanischen Häfen am Atlantischen Ocean kommenden Schiffe auf eine dreitägige Beobachtung herabgesetzt worden. Aus⸗ geschlossen hiervon sind die Häfen der Südküste, von der Straße von Gibraltar bis zum Guadiana, welche auch ferner als verseucht gelten, so daß die aus denselben kommenden Schiffe zum Löschen nicht zuge⸗ lassen werden.
b9. zul
Türkei. Durch Erlaß des internationalen Gesundheitsraths zu Konstan⸗ tinopel vom 4. Februar 1886 ist die gegen Provenienzen aus Venedig bestehende 48stündige Quarantäne („Reichs⸗Anzeiger“ Nr. 2 vom 25. Januar 1886) vom 4. Februar d. J. ab auf fünf Lage erhöht worden. Schweden. 1
Laut Bekanntmachung des Königlich schwedischen Kommerz⸗ Kollegiums vom 2. Februar 1886 sind ege und Tunis als frei von der Cholera erklärt worden. (Vgl. „R.⸗A.“ Nr. 220 und 253 vom 19. September und 28. Oktober 1885.)
Berlin, 13. Februar 1886.
In der Permanenten Ausstellung des Vereins Ber⸗ liner Künstler (Kommandantenstr. 77/79) macht “ ein Kolossalbild kulturhistorischen Genres, von George Rochegrosse, einem jungen französischen Maler, viel Aufsehen. Dasselbe scildert eine Episode aus dem Bauernaufstande, genannt za Jacquerie“, der im Jahre 1358 im nördlichen Frankreich tobte. Wir haben das im Styl jener Zeit prächtig ausgestattete Frauengemach eines Schlosses vor uns, in welches von der linken Seite die wilden Schaaren der Aufrührer so⸗ bben durch die zerschlagenen Fenster mit Gewalt hereinstürmen, wäh⸗ rend sich im rechten Vordergrunde des Zimmers die weiblichen Fa⸗ nilienmitglieder, durch das im Innern des Schlosses wüthende Feuer um Fliehen behindert, entsetzt in liegender und kauernder Ftellung zusammendrängen und ihren Untergan erwarten. Nur eine ältere Dame, wohl die Mutter des Schloßherrn, dessen Haupt man ihr auf einer Pike entgegenhält, steht hoch aufgerichtet da. bereit, den Angreifern energischen Widerstand Fas gecee c und ühre Kinder wie die Löwin ihre Jungen zu vertheidigen. Es hat auch virklich den Anschein, als ob ihre ehrwürdige hohe Gestalt inmitten des sonst so unnahbaren Frauengemachs die Horden einen Augenblick sandernd stutzen machte, denn noch haben sie es nicht gewagt, die iefen Mauernischen der Fenster zu verlassen. Aber diese Regung ist 1 eine momentane gewesen; darauf deutet das höhnische Grinsen, nit dem sie die angsterfüllte Frauen⸗ und Kindergruppe am Boden wetrachten, und ganz besonders die Stellung eines brutalen Gesellen, vücne ein Tiger zum Sprung ansetzt und im Begriff ist, sich auf die noere Edeldame zu stürzen. Ihr und ihrer Angehörigen grauen⸗ 8 tes Ende unter den Händen der Mordgesellen kann nicht mehr weffelhaft sein. — Diesen ganzen Vorgang hat der Maler klar und 6 end in die Erscheinung gesetzt, aber freilich mit mehr phvysischer Mergie und äußerlich technf em Können als geistiger Erfassung und Vertiefung. Das rücksichtslose Streben nach äußerster „Wahrheit“,
welches die jüngere Malerschule in Frankreich zu ihrem obersten Gesetz gemacht hat, führt ihre Anhänger immer mehr und mehr vom Wege der „wahren Kunst“ ab. Dafür sietet dieses Werk des jungen talentvollen Künstlers (man sagt, er sei erst 23 Jahre alt) unsern Malern ein besonders lehrreiches Beispiel: allerdings nur für den, der sehen kann und will und sich nicht der Einsicht so verschließen mag, bis es zu spät ist und Spott und Hohn ihn zur Umkehr zwingen wird. Wie die Mehrzahl der jüngeren Künstler besitzt auch Rochegrosse die vollste, sicherste Herrschaft über alle malerischen Ausdrucksmittel, und so ist denn auch das Interieur vom Estrich und den Teppichen bis zu den mit Täfelung und Gobelins bekleideten Wänden nebst allen Geräthen des im gothischen Styl dekorirten Zimmers mit sorgsamstem Fleiß und frappanter Treue gemalt, ja die spiegelnden, prächtig bunten Fliesen des Fußbodens halten mit ihrer täuschenden Wirkung den Blick ge⸗ radezu gefangen. Daraus könnte man dem Maler eben noch immer keinen Vorwurf machen. Verhängnißvoll jedoch wurde ihm diese Sucht nach Echtheit und täuschenden Effekten bereits bei der Gewandung; denn hier ließ sich der Künstler dadurch zu einem Verstoß gegen den guten Geschmack verleiten, indem er sich mittels einer un⸗ ästhetischen Anordnung des Kleides der ältesten Tochter des Burgherrn die Gelegenheit verschaffte, ein Paar kostbare Brokat⸗ strümpfe (vermuthlich auch nach alten Originalen) zu malen. Die Folge davon war eine höchst absichtliche, gänzlich unwahre Pose, wie sie der Moment des Niederwerfens unmöglich ergeben kann, son⸗ dern das Resultat eines sorgsamen künstlichen Arrangements ist. Ebenso gekünstelt und absichtlich ist die ganze Frauen⸗ und Kinder⸗Gruppe posirt und arrangirt: jeder einzelnen Figur sieht man die peinlich mühsame Probe, das stundenlange Stehen oder im Kostüm in der angeord⸗ neten Stellung an, ganz vornehmlich der Hauptperson, der älteren Edelfrau, deren nur durch eine Itüße zu ermöglichende Pose Entsetzen, Abscheu und äußerste Entschlossenheit zur Abwehr als momentane Bewegung ausdrücken soll, durch die sichtlich bei dem Modell einge⸗ tretene Ermüdung des Oberkörpers aber alle Spannkraft und Ueber⸗ zeugungsfähigkeit verloren hat. Das Unzulängliche dieses gänzlich verkehrten Strebens nach Wahrheit, welches Geist und Phantasie vom Modell⸗Apparat knechten läßt, wird hier zum Ereigniß und warnenden Exempel. Daß die Köpfe der Gruppe bei allem Suchen nach vornehmer Charakterisirung flach und ausdruckslos erscheinen, ist die natür⸗ liche Folge dieser geistlosen Methode. Und nun die beiden Gruppen der Aufrührer! So sollte man sich die Vertreter jenes kraftvollen Bauerntypus, des „Jacques Bonhomme“ vorzustellen haben, denen es gelungen ist, den ganzen nordfranzösischen Adel der damaligen Zeit zittern zu machen? Diese cretinhaften, verkümmerten Carikaturgestalten mit zum Theil wahren Affengesichtern, denen die thierischsten Leidenschaften aufgeprägt sind, mögen Typen aus der Bevölkerung der Fabrikvorstädte von Paris sein, aber nimmermehr solche einer kraftbewußten, bäuerlichen Bevölkerung, welche nicht einen bloßen Krawall anzuzetteln vorhatte, sondern plangemäß darauf ausging, ihr Joch abzuschütteln und ihren Herren in der That auch furchtbar wurde. Diese Doppelgruppe bleibt dermaßen hinter der beabsichtigten Wir⸗ kung zurück, daß die letztere eher in das Gegentheil umschlägt und lächerlich wird. Bei allem hohen Streben und Wollen hat der Künstler somit nicht das erreicht, was er sich zur Aufgabe gestellt hatte, und bleiben nur die malerischen Effekte übrig, an denen das Gemälde, wie ja nicht zu leugnen, viele Wunder bietet. Indessen diese Mache läßt sich durch Schule und Dressur erwerben, der schöpfe⸗ rische Geist muß mit dem Künstler geboren werden. Ob dieser unter jener verborgen noch in dem jnngen Kunstler schlummert, werden wir ja boffentlich an späteren, noch zu erwartenden Werken desselben zu beurtheilen Gelegenheit finden. Im Uebrigen bietet die Ausstellung wenn auch nicht hoch Hervorragendes, so doch in kleineren Werken mannigfaltigster Art manches Interessante und Bemerkenswerthe, das den Kunstliebhaber durch zum Theil ganz auffällig bescheidene Preise zum Ankauf lockt. Auf dem Gebiet des ländlichen Genres ist der Münchener Gustav Igler mit zwei gemüthlichen Bildern: „Das Lieblingslied“ und „Groß⸗ papas Pfeifchen“ zu nennen, während Zaack unter dem Titel „Neckerei“ in delikater Ausführung eine elegante, in rosa Atlas gekleidete Dame mit Papagei und Hund malte. Die von Ch. Heyden ausgestellte Gruppe von drei dem Beschauer entgegenlachenden Männern, welche einem Karrikaturenzeichner bei seiner Beschäftigung assistiren, ist äußerst lebendig erfaßt und unwiderstehlich erheiternd, wenn auch einzelne der Dargestellten nicht eben salonmäßig erscheinen. Ferner verdient noch F. von Puteani Erwähnung, welcher uns mitten in das bunte Treiben des Fischmarkts von Venedig versetzt. — Das Bildnißfach ist durch zwei beachtenswerthe Portraits von Lulvéès und Koner ver⸗ treten. Unter den Studien ragt eine von L. Pohle ausgestellte „Thüringerin“ durch Wärme der Incarnation, pul⸗ sirendes Leben und plastische Modellirung bei ungemein zurück⸗ haltender, ernst gediegener Farbengebung besonders hervor. Trotz der sehr fertigen und geschmackvollen Ausführung nimmt sich da⸗ gegen das Aquarell⸗Brustbild einer Oberbayerin, von Völker (München), so kalt und konventionell aus, daß man eher eine ländlich kostümirte, vornehme Dame vor sich zu haben meinen könnte. — Als Thiermaler excellirt Steffeck mit einem höchst drolligen Mops, der es sich auf einem weichen Fauteuil wohl sein läßt. Lulvoès beweist seine Vielseitigkeit durch ein elegant gemaltes Pferde⸗ porträat. Der als Pferdemaler geschätzte Hallatz ist durch ein virtuos gemaltes Thiergenrebild „Brodneid“ vertreten. — Besonders reich besetzt ist, wie immer, das Landschaftsfach. Voran zu nennen in dieser Kategorie sind: von Kameke mit einer grandiosen Ansicht der Zugspitze, sowie H. Schmidt mit einer Schilderung des Rechensees in Tirol und der Ortlerkette dahinter. Eschke, der erfolg⸗ reiche Nachahmer Hildebrandts und dessen feuerflammender Sonnen⸗ lichteffekte, ferner H. Gude, Müller⸗Kurzwelly, Fischer, J. H. Engelhardt (Schwarzwaldlandschaft) haben bemerkenswerthe Arbeiten eingesandt. Hermes bietet eine Ansicht des hügeligen, von saftig grünem Laub⸗ walde bestandenen Ufers eines mecklenburgischen Landsees, Olof Winkler schildert den Venusberg (Hörselberg bei Eisenach) bei be⸗ rückend gluthvollem Mondschein, Carl Rodeck eine schöne Laubwald⸗ oder Park⸗Landschaft mit Wasser, von Wille eine Frühlings⸗Land⸗ schaft mit Schloßarchitektur im Hintergrunde, Wansleben einen nebligen Frühlingsabend in sumpfiger Haide, Rahtjen die Zauber einer duftigen, mondscheinerfüllten Sommernacht ꝛc. — Als Marinemaler bleibt der talentvolle Sturm mit einer Ansicht von Helgoland bei bewegter See vereinzelt. — Die Architekturmalerei ist vertreten durch eine poesie⸗ volle Ansicht des Myrthenhofes der Alhambra bei Mondschein, von dem gründlichen Kenner dieses weltberühmten maurischen Pracht⸗ schlosses, Possart, ferner die Aufnahme eines Portals von San Marco in Venedig mit den Mosaikbildern auf Goldgrund darüber. In Aquarell ausgeführt bietet sodann Barthel eine Reihe von Auf⸗ nahmen aus den Domen zu Mainz und Halberstadt sowie aus Stral⸗ sund. — Als Blumenmalerin excellirt auch hier Frau von Preuschen⸗ Schmidt in München. In Aauarell ausgeführt ist eine anmuthige Kollektion Blumenmalereien von Fernow. — In dem Nebenraum, der den Aquarellen angewiesen ist, sehen wir auch eine vortreffliche Radirung von dem talentvollen, durch eine Reihe von Eaux fortes rößten Formats schnell namhaft gewordenen Bernhard Mannfeldt. ie neueste Arbeit zeigt die malerische Ansicht des imposanten Ge⸗ bäudekomplexes der Marienburg von der Nogatseite aus und ist von einer Wärme der Luftstimmung und Schattirung, wie man sie dieser Technik, welche sonst ihre Vorwürfe mehr in der Richtung auf geist⸗ voll scharfe Miniaturcharakteristik zu suchen pflegt, kaum zugetraut hätte. Als reproduzirende Kunst hat diese Radirung noch eine weitere hervor⸗ ragende Vertretung gefunden, und zwar in der vorzüglichen Kollektion von Blättern nach Meisterwerken der alten Pinakothek in München. Zu den mit Sorgsamkeit und Geschmack von Professor J. F. Raab radirten Bildern hat der Galerie⸗Direktor Fr. von Roeber den er⸗ klärenden Text geliefert. — Eine jetzt nur noch selten geübte Kunst, die Silhouetten⸗Zeichnung, ist durch zwei Rahmen mit höchst an⸗ muthigen, poesievollen Bildchen vertreten, als deren Urheberin Hanna Böhm genannt wird. Baronin von Vietinghoff hat zu den reizend erfundenen, dem feinsinnigen; Paul Konewka na eifernden Blättchen hübsche, stimmungsvolle Verse gedichtet — In dem unteren Raum, den der Besucher der Ausstellung zuerst
betritt, haben die Skulpturwerke ihren Platz erhalten. Unter diesen verdienen namentlich die sinnig erdachten und fein geformten Thon-⸗ Reliefs für das Kücken⸗Denkmal in Schwerin, von Brunow, sowie eine frappant lebensvolle — von demselben, Hervorhebung. Sehr an- muthig ist ferner die Marmorbüste eines jungen schlummernden Mädchens, von M. Schulz, welche die Bezeichnung „Liebestraum“ erhalten hat. — Nicht unterlassen wollen wir es schließlich auch auf die zur Ver⸗ loosung bestimmten Kunstwerke aufmerksam zu machen. Unter diesen ist besonders anziehend das wohl absichtlich in der Art der antiken Freskobilder aus Pompeji ernst und kühlfarbig behandelte Bildniß eines griechischen Mädchens, von Schick. Mit vortrefflichem Humo 5 charakkerisirt ist die Figur eines alten Bauern, von Harburger. Die Ansicht des schneebedeckten Riesengebirges an einem Wintermorgen, von R. Schuster, ist sehr verdienstvoll. Auch eine hübsche Erz-’ büste, von Pollack, ein orientalisches Mädchen darstellend, ist zur Ausspielung erworben worden.
Der Frauenverein „Edelweiß“, der es sich zur Aufgabe gestelln hat, verschämten Armen nachhaltige Hülfe zu bringen, hielt gestern Abend im festlich geschmückten Saale des Evangelischen Vereinshauses in der Oranienstraße sein 2. Jahresfest ab. Dem von dem Pastor Hülle erstatteten Bericht war zu entnehmen, daß sich dem Verein z. Z. be⸗ reits 7000 Frauen und Jungfrauen angeschlossen haben, die durch di
Vereinszeitschrift „Edelweiß; über die Wirksamkeit des Vekeins orientirt werden. Die Mitglieder vertheilen sich über ganz Deutschland: in Berlin selbst zählt der Verein 600 Mitglieder;
Aristokratie, 4000 den bürgerlichen Ständen an; unter letzteren befinden sich allein 550 Pastorenfrauen. Für die Zwecke der Armenpflege hat der Verein im letzten Jahre 10 000 ℳ verwendet. Die Hälfte davon wurde baar verausgabt und zwar zur Unterstützung von 39 Familien und 13 Wittwen. Der Verein unterhält außerdem eine Beschäf⸗ tigungsanstalt, in welcher im letzten Jahre von Hülfsbedürftigen Sachen im Werthe von 1250 ℳ angefertigt worden sind. Die Erzeugnisse dieser Anstalt und 200 Packete alter Sachen, die aus allen Himmelsgegenden eingingen, wurden zu Weihnachten zwölf kirchlichen Frauenvereinen der Berliner Vorstadt⸗ gemeinden zum Geschenk gemacht. In jeder dieser Gemeinden wurde außerdem aus Mitteln des Vereins eine Pflegerin unterhalten. Mit der Beschäftigungsanstalt geht die Stellenvermittelung Hand in Hand. Im Sommer wurde 18 kranken Näherinnen eine Sommerfrische ver⸗ schafft, ebenso wurden 40 kranke Kinder auf Gütern und 16, die an Skropheln litten, im Soolbad Kolberg verpflegt. — Die Jahresfeier selbst verlief sehr weihevoll: der Kirchenchor von Nikolai und Marien sang, Pastor Vorberg hielt die Festpredigt.
London, 12. Februar, Nachmittags. (W. T. B.) Aus Leicester wird von heute Mittag gemeldet: Die Unruhen haben sich seit heute früh in verstärktem Maße erneuert. Die Ruhestörer drangen in mehrere Magazine ein, zertrümmerten die Fenster und bewarfen die Polizei mit Steinen. Die Behörden forderten die Bürger auf, sie bei der Wiederherstellung der Ordnung zu unterstützen.
— 12. Februar, Abends. (W. T. B.) Nach weiteren Meldun⸗ gen aus Leicester, von Nachmittags 4 ½ Uhr, begannen die striken⸗ den Arbeiter aus den Strumpfwaarenfabriken, die Maschinen in einzelnen Fabriken zu zerstören. Die Polizei war zu schwach, um dem Beginnen Einhalt zu thun. Die Behörden haben sich an die be⸗ nachbarten Städte um Beistand gewendet.
— 13. Februar, früh. (W. T. B.) Nach den letzten Nachrichten aus Leicester, von gestern Abend 11 Uhr, gelang es der Polizei, nachdem sie ausreichende Verstärkungen erhalten hatte, die Ruhe⸗ störer ohne militärische Hülfe zu zerstreuen. 27 Personen wurden verhaftet. Die Arbeitgeber haben den Arbeitern einige Konzessionen gemacht und schlagen vor, andere streitige Punkte einem Schiedsricht zu unterbreiten. 1 “
Im Deutschen Theater wird morgen, Sonntag, „Die Lorelei“ und am Montag „Das Käthchen von Heilbronn“ gegeben. Am nächsten Sonnabend, den 20., geht das vieraktige Lustspiel „Die armen Reichen“ von Hugo Lubliner zum ersten Mal in Szene. Ferner bringt das Repertoire der nächsten Woche außer Wiederholungen von „Die Lorelei“ noch Aufführungen von „Die Räuber“ und „Der Bureaukrat.“
Ein so lustiger Abend, wie ihn gestern das Walhalla⸗ Operetten⸗Theater seinen Besuchern bereitete, dürfte wohl seit langer Zeit nicht dem Publikum geboten worden sein. Es war das alte Berlin, welches dem jungen gestern auf der Bühne vorgeführt wurde, und der von Jacobson und Wilken gewählte Titel „Das lachende Berlin“ ist als ein sehr glücklicher zu bezeichnen. Diese Fülle von Humor und gesundem Volkswitz, wie wir sie in den alten Possen finden, verfehlte auch in der von den Kompilatoren beliebten
orm seine Wirkung nicht und riß die Zuschauer zu stets erneuten Nonm sbin⸗ der ungebundensten Heiterkeit hin. Nach dem oft recht gesuchten Witz und dem erzwungenen Humor unserer neuesten Possenliteratur muthet die unverdorbene Frische jener alten Volks⸗ stücke doppelt erquickend an, und die Harmlosigkeit der kleinen Genre⸗ bildchen gereicht denselben zu besonderem Vorzuge. Der Versuch, diesen alten Schatz wieder zu heben und nutzbar zu machen, ist als ein durchaus gelungener zu betrachten und wird wohl eine weitere Wiederbelebung der in Vergessenheit gerathenen alten Berliner humo⸗ ristischen Bühnenliteratur zur Folge haben. Die Hrn. Jacobson und Wilken haben eine große Anzahl der bruchstücksweise dargebotenen Possen in einen losen Rahmen zusammengefaßt. Ob die Art, wie dies geschehen, namentlich im letzten Akt nicht etwas geschickter und geistreicher hätte sein können, soll hier nicht untersucht, sondern nur bestätigt werden, daß beide Autoren dem Berliner Publikum einen von Anfang bis zu Ende vergnügten Theaterabend bereitet haben. Daß die Direktion und die Regie Alles gethan haben, was in ihren Kräften stand, ist selbstverständlich, und so war denn der Erfolg in jeder Weise gesichert. Die Ausstattung und Inscenirung war länzend, das Spiel frisch und künstlerisch vollendet. Eine ganze Reihe tüchtiger Kräfte hatte gestern Abend Gelegenheit, zum Gelingen des Unternehmens beizutragen. So sei in erster Reihe Hr. Link erwähnt, welcher in jeder Rolle — und er hatte deren eine ganze Anzahl — einen neuen Beweis von seiner Vielseitigkeit ablegte, so als kokette Jungfer im ersten Stück, als Wiener im dritten Bild, als Isaac Stern in dem Einakter: „Einer von unsre Leut“ von Kalisch, und endlich zu allgemeiner Heiterkeit als Ballettänzerin, wobei er erstaunliche her⸗ ben seiner Tanzfertigkeit ablegte. Frl. Bäckers zeichnete sich in ihren verschiedenen Rollen gleichfalls durch frisches, gefälliges Spiel aus, was auch von Frl. Dworek gesagt werden muß. Hr. Philipp hatte verschiedentlich Gelegenheit, sein hübsches Talent zu verwerthen; üe. Bollmann, Korschén, Worms spielten flott. Besonders hervorgehoben zu werden verdient aber Hr. Herrmann vom Deutschen Theater in Moskau, der durch seinen drastischen Humor jedesmal einen großen Lacherfolg erzielte und den Beifall vollauf verdiente, welcher ihm zu Theil wurde. Frl. Erdösy, Frl. Seebold und Frl. Zimaier traten im letzten Akt in ihren beliebtesten Rollen auf und erhöhten wesentlich den Glanz des Abends. Die lustige Stim⸗ mung, welche das Haus schon vor Beginn der Vorstellung beherrschte, hielt bis zum Schlusse derselben an, und so steht zu erwarten, daß noch an manchem Abend das alte „lachende Berlin“ die Räume des Walhalla⸗Theaters zum Sammelpunkt der lachlustigen jungen Berliner machen wird.
Im Königstädtischen Theater wird am 16. d. M. die „Miniatur⸗Soubrette“, die kleine Amerikanerin, Miß Marguerite Fish, die hier schon früher mit Erfolg gastirt hat, im Verein mit einer Lustspiel⸗Gesellschaft, in welcher sich u. A., der bei dem Berliner Publikum beliebte Komiker Hr. Paul Pauli befindet, einen Cyelus moderner Lustspiele und Possen eröffnen, zunächst mit der Posse „Der Glücksengel“. Miß Marguerite, die sonst nur englisch spricht, wird sich auf der Bühne der deutschen Sprache bedienen. Das Theater ist renovirt, und die Direktion hat für eine gute Ausstattung der Stücke
gesorgt.
5000 wohnen in Städten, 2000 auf dem Lande, 3000 gehören der