9 ½ Uhr versammelten sich in dem festlichen Raum die Mit⸗
lieder des Comités, die Künstler und Kunsthandwerker, welche an kostbaren Werke mitgearbeitet haben, sowie einige andere geladene Punkt 10 Uhr erschien das Kronprinzliche Paar, Höchstwelches am Portal der Akademie von dem Geheimen Regierungs⸗Rath Dr. Reuleaux, dem Hofrath Schröer und dem Fabrikanten Müller ehrfurchtsvoll begrüßt wurde. Beim Eintritt in den Saal wurde der Kronprinzessin durch die Tochter des Geheimen Raths Reuleaux, Fr. Dr. Goldstein, ein schönes Bouquet überreicht, während Frl. Schulz, die Tochter des Möbelfabrikanten, welcher den Schrein gefertigt, den Höchsten Herrschaften die kostbar eingebundenen Kataloge einhändigte. Nachdem der Kronprinz in huldvollster Weise die Anwesenden begrüßt hatte und Höchstdemselben die Herren des Comités
vorgestellt worden waren, erbat sich der Geheime Reg.⸗Rath Reuleaux das
etwa lautete dieselbe, haben vor drei Jahren dem Verein für deutsches
unstgewerbe die hohe Gnade gewährt, zu genehmigen, Höchstdenselben aus Anlaß der Silberhochzeit ein Geschenk zu Füßen legen zu dürfen, bestehend in einem Familienspielschrein. Die Wahl war aus inneren und äußeren Gründen getroffen worden. Es drängte zunächst, einen Ausdruck des Dankes zu finden, den das deutsche und besonders das Berliner Kunstgewerbe den Höchsten Herrschaften zu zollen Ursache hat. Höchstsie haben das Berliner Kunstgewerbe neu geweckt und durch Protektion sowie eine von hohem Verständniß getragene Liebe zur Kunst emporgehoben. Wir wollten zum andern auch durch den
amilienspielschrein hinweisen auf das schönste und edelste Vorbild des
amilienlebens, welches das hohe Paar uns darbietet. Aber auch äußere Gründe sprachen für die Wahl. Dieser Schrein ist äußerlich nicht sonderlich prunkvoll, aber er enthält soviele Gegenstände in sich, daß das Kunstgewerbe Berlins sich nach jeder Richtung hin daran bethätigen konnte. Es ist gethan worden, was jeder Einzelne nur zu thun vermochte. Bei der Kritik, welche wir zu erwarten haben, bitten wir um Nachsicht, noch mehr aber wegen der langen Dauer bis zur Fertigstellung. Wir haben immer wieder um Aufschub bitten müssen, und manchmal haben wir uns gesagt: „Der Worte sind genug ge⸗ wechselt, laßt uns nun endlich Thaten sehen“, aber die Jahre sind vergangen unter schwerer, mühseliger Arbeit. Hoffentlich bewährt sich auch hier das Wort „Was lange währt, wird gut. 1 1
Mit herzlichen Worten dankte der Kronprinz und bezeichnete die Feier als ein Ereigniß, welches auch Seine Kinder und Kindeskinder mit Freude und höchster Anerkennung erfüllen werde. 8
r. Mar Schulz öffnete nunmehr den bis dahin geschlossenen Schrein, und mit lebhaften Ausdrücken freudiger Ueberraschung nahmen die Kronprinzlichen Herrschaften das Kunstwerk in Augen⸗ schein. Unter Führung der Herren Reuleaux und Schröer wurde so⸗ dann ein Rundgang durch den Saal angetreten, bei dem die Ver⸗ fertiger der einzelnen Spiele Ihren Kaiserlichen Hoheiten vorgestellt wurden. Um 11 Uhr schied die Frau Kronprinzessin, während der Kronprinz bis 12 Uhr verweilte. Beim Abschiede dankte Höchstder⸗ selbe nochmals mit der Versicherung, daß das Geschenk noch späten Generationen ein Zeugniß von der Blüthe der Berliner Kunstindustrie geben werde. Unter Hochrufen der Versammlung verließ der Kron⸗ prinz sodann den Saal.
Das in seiner Art einzig dastehende Meisterwerk der Tischlerei und Holzbildhauerei, welches dem Berliner Kunstgewerbe zur höchsten Ehre gereicht, bedurfte zu seiner Fertigstellung 2 ½ jähriger angestrengter, ausdauernder Arbeit. Alle Theile sind durch Handarbeit ausgeführt, alle Schnitzwerke bis auf die klein⸗ sten Einzelheiten aus einem Stück gefertigt. Der Entwurf des Schreins, dessen innere Eintheilung die völlige Ausnutzung des Raums und die übersichtliche Aufstellung der Spiele ermöglicht, sowie die Ausführung desselben sind ein Werk der Möbelfabrikanten Max Schultz u. Co., Alte Jakobstraße 130. Im Ganzen haben an dem Kunstschrein über 80 selbständige Kunstgewerbtreibende mit⸗ gewirkt: 20 Zeichenkünstler, Bildhauer und Architekten, 20 Metall⸗ Industrielle, 10 Holzarbeiter, 8 Edelschmiede, 8 Graveure und Ciseleure, 8 Stoffarbeiter, 8 Lederarbeiter und Buchbinder sowie 4 Buchdruckereien. Die Spielsammlung umfaßt 10 Karten⸗ und 20 andere Spiele (König Drosselbart, chinesisches Legespiel, Zwirbelbrett, Belagerungsspiel, Wappenspiel, Lotto, Glocke und Hammer, Domino, ECö Pochbrett, Tivolispiel, Schnurrkreiselspiel, Puffspiel,
insiedlerspiel, Puff⸗, Dam⸗ und Mühlespiel, Vierschach, Schach, Dambrett, Roulette, Tafelkrocket). Außerdem gehören zu dem Schrank noch der oben erwähnte kostbare Teppich nach altpersischen Motiven, ein Spielbuch, ein Inhaltsverzeichniß und eine Adresse, zu jedem Kartenspiel Leuchter, Kartenpresse und Marken, Alles in kunstvollster Ausstattung.
bes zu einer Ansprache: Ew. Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten,
8 8 EE111“ 1“ 8 Amtliche Berichte b aus den Königlichen Kunstsammlungen.
Aus dem Jahrbuch der Königlich preußischen Kunstsammlungen (erscheint vierteljährlich zum Preise von 30 ℳ für den Jahrgang im Verlage der G. Grote'schen Verlagshandlung zu Berlin).
I. Königliche Museen. 1. Juli bis 30. September 1885.
A. Gemälde⸗Galerie. Neue Erwerbungen sind in dem Vierteljahr Juli —September nicht gemacht worden.
Die in dem vorigen Quartalbericht verzeichneten Erwerbungen aus Ue Sammlung des Herzogs von Marlborough zu Blenheim, rämlich: 1.) die sogenannte „Fornarina“ von Sebastiano del Piombo,
2) die „Andromeda“ von P. P. Rubens, 3) das „Bacchanal“ von P. P. Rubens, 4) „Bildniß eines jungen Mannes“, von einem niederländischen Meister um 1520 bis 1540, vermuthlich von Joos van Cleve, sind neuerdings in die Galerie selbst aufgenommen worden. Die Aufstellung der Gemälde von Rubens gab zugleich die Veranlassung, die Mehrzahl der eigenhändigen und hervorragenden Werke des Meisters, welche die Sammlung besitzt, in Einem Saal zu vereinigen.
Der Nachtrag zum „Beschreibenden Verzeichniß der Gemälde“ von 1883 ist in diesem Vierteljahr zum Druck gelangt und wird nächster Zeit ausgegeben werden. Auch ist mit der Drucklegung des Verzeichnisses der im Vorrath der Königlichen Museen befindlichen 1eg der an Provinzial⸗Galerien abgegebenen Gemälde begonnen worden.
I. Antike Skulpturen.
Erworben wurden einige kleine Bruchstücke, welche noch zu der Bronzefigur aus Kyzikos gehören (Katalog Nr. 3); ferner für die Gipsabtheilung aus Rom der Apollo Musagetes und die Thalia im Vatikan (Visconti Mus. Pio⸗Clem. I, 15. 18), der Anakreonkopf im kapitolinischen Museum (Arch. Ztg.“ 1884, Taf. 11, 2), Herakles und die Hirschkuh, ein kleines alterthümliches Relief in Privatbesitz (Matz⸗ Duhn Nr. 3726), aus Paris die Aphrodite von Arles (Clarac 342, 1307), und endlich zwanzig kleinere Abgüsse, zumeist von Bronzen in Arolsen, die aus alten Beständen der Königlichen Formerei geliefert werden konnten. —
Die „Beschreibung der pergamenischen Bildwerke“ wurde in neuer, und zwar der siebenten Auflage gedruckt.
Die Abgüsse in der Olympia⸗Ausstellung wurden unter Leitung des Hrn. Dr. von Dechend gewaschen und zugleich bei einigen älteren Abgüssen der Sammlung, an denen nach der Reinigung tiefer liegende und fester haftende Schmutzschichten zu Tage getreten waren, Versuche mit einem neuen Anstrich gemacht: doch nahm man
fecen des ₰ befriedigenden Erfolges von einem derartigen Ver⸗ fahren wieder Abstand.
Die Ausgrabungen in Pergamon mußten eine kurze Zeit lang unterbrochen werden. G
b1“ F. V.: Puchsteiln.
b 1 W
II. Abtheilung 8 öö“
der mittelalterlichen und Renaissance⸗Skulpturen.
Die Sammlung der Gipsabgüsse erhielt folgenden Zuwachs:
1) Statue eines Sklaven, die Hände auf dem Rücken gefesselt, von Michelangelo, im Louvre 8
2) Büste des Giov. d'Alesso, von einem unbekannten Italiener aus dem Ende des XVI. Jahrhunderts, im Louvre,
3) Büste Franz I. von Frankreich, im Louvre,
4) acht Reliefs von Andrea Riccio, nach den im Louvre befind⸗ lichen, vom Grabmal des della Torre in S. Fermo zu Verona stam⸗ menden Bronzetafeln,
5) die Reliefs des Schreyerschen Grabmals, von Adam Kraft in St. Sebald zu Nürnberg,
6) eine Anzahl kleinerer dekorativer Skulpturen von Quellinus, im Stadthaus zu Amsterdam. J. V.: von Tschudi.
C. Münzkabinet.
Das Münzkabinet erwarb im verflossenen Vierteljahr 104 Stück, darunter eine goldene und 39 Silbermünzen. Eine Erwerbung von hervorragender Bedeutung ist eine Kupfermünze von Medaillongröße, unter Septimius Severus in Acrasus Lydige geprägt, deren Rück⸗ seite eine Kopie des unter dem Namen des Farnesischen Stieres bekannten Marmorwerkes zeigt. Die Münze war bisher nur in einem weit weniger gut erhaltenen Exemplar des Wiener Museums bekannt. Unter den übrigen antiken Münzen verdienen eine sehr seltene Silbermünze von Tyra, eine Reihe seltener kleinasiatischer Kupfermünzen und die nur in wenigen Exemplaren bekannte alexan⸗ drinische Münze des Palmyreners Vaballathus, als Kaiser im Auf⸗ stand gegen Aurelian, Erwähnung. Unter den Mittelaltermünzen befinden sich der seltene Denar Rudolfs III. von Burgund (993— 1032), drei neu gefundene Denare von Wladislaw I. von Böhmen (Geschenk des Hrn. Dr. Berger) und ein Fund von 26 zum Theil noch unbekannten lausitzischen Brakteaten aus dem Anfange des XIII. Jahrhunderts. Unter den neueren Münzen ist ein seltener Gold⸗ gulden des Herzogs August von Braunschweig, Bischofs von Ratze⸗ burg, zu erwähnen.
Geschenke erhielt die Sammlung von den Herren Dr. Berger, Dr. Dressel, Banquier Hahlow und Professor Dr. Mommsen. — Am 1. Oktober ist Hr. Dr. Menadier als Direktorial⸗Assistent angestellt worden; seit dem 15. Juli ist Hr. Dr. Dressel als Hülfsbeamter thätig. von Sallet.
D. Kupferstichkabinet.
Dem Königlichen Kupferstichkabinet ging eine Reihe äußerst werthvoller Geschenke zu, welche die Sammlung nach mehr als einer Richtung erfreulich ergänzen.
Durch Hrn. Geheimen Kommerzien⸗Rath Veith in Berlin erhielt das Kabinet eine Anzahl seltener altdeutscher Kupferstiche und Holz⸗ schnitte, unter denen als besonders hervorragend zu nennen sind:
Veit Stoß: Die Auferweckung des Lazarus. B. 1.
Meister L LOZ: Der Einzug Christi in Jerusalem.
Albert Glockenton: Der Tod der Maria (B. 12) und eine An⸗ zahl anderer Stiche desselben Meisters. 6868
Barthel Beham: Das tanzende Bauernpaar. Pass. 72.
Beham, H. S.: Die Musikanten. B. 190. K. “
Meister, „H. K.“ (Hans von Kulmbach): Johannes der Evange⸗ list auf Patmos. B. 1.
Schäuffelein, H.: Die hl. Familie. B. 13.
Ein ebenfalls in dieser Schenkung enthaltener Sammelband mit 81 sehr fein ausgeführten Landschaftsskizzen und Städteansichten von Wenzel Hollar ist nicht nur in künstlerischer Beziehung wichtig, son⸗ dern auch in historisch topographischer Hinsicht außerordentlich interes⸗ sant. Eine Menge rheinischer und bayerischer Städte und Orte, Köln, Bonn, Straßburg, Passau, Wien, Ansichten der Donau ꝛc. sind darin dargestellt. Bisher besaß das Kupferstichkabinet nur wenige Zeichnun⸗ gen dieses Künstlers, der nun hier so glänzend vertreten erscheint.
Durch Hrn. Banquier Julius Guttentag in Berlin erhielt das Kupferstichkabinet zunächst eine Sammlung von siebenundzwanzig Handzeichnungen von Rembrandt und sechszehn Zeichnungen der Schule des Meisters überwiesen. Diese Sammlung von seltenem Reichthum wurde von dem Wiener Kunsthändler Alexander Posonyi im Laufe vieler Jahre zusammengebracht.
Hierdurch ist gegenwärtig in unserer Handzeichnungssammlung Rembrandt in ungewöhnlicher Vortrefflichkeit und nach allen Seiten seiner Kunst hin vertreten.
Die in der Schenkung enthaltenen Zeichnungen von zweifelloser
Echtheit sind: 8 G Rembrandt van Rijn: Das Opfer Kains und Abels. Flüchtig Sammlung Mariette, Beur⸗
lavirte Federzeichnung. 196:292. — nonville.
Derselbe. Der Traum Josephs. Federzeichnung. 145:188. — Sammlung Andreossy, Beurnonville, Gigoux.
Derselbe. Engel erscheinen dem schlafenden Jacob. Federzeich⸗ nung. 200: 198. — Sammlung S. de Festetics 1850. J. D.
Böhm, Gavet. . 1 Derselbe. Judith mit ihrer Magd, im Begriff, in das Zelt des 161:169. — Sammlung
Holofernes zu treten. (2) Federzeichnung.
Pulszky, von Rath. „Derselbe. Die Frau des Tobias mit der Ziege. Breite Feder⸗
ö 147: 185. — Sammlung E. F., Pulszky, von Rath, osonyi.
Derselbe. Studie zu der Mittelgruppe im sog. Hundertgulden⸗ blatt. (Christus heilt den Kranken.) Leicht braun lavirte Feder⸗ zeichnung. 144:185. — Sammlung Durand, Th. Rousseau.
„Derselbe. Christus und die Jünger am Oelberg. ’ lavirte Federzeichnung. 178:242. Sammlung Lawrence, Esdaile, Desperet, Galichon.
Derselbe. Die Kreuzabnahme. Federzeichnung. 195: 293.
Derselbe. Der Abschied des verlorenen Sohnes. Federzeichnung. 192: 274. — Sammlung Pulszky, von Rath.
Derselbe. Die Grablegung Christi. Federzeichnung. 124: 149. — Sammlung E. Durand.
Derselbe. Der barmherzige Samariter. Federzeichnung. 164:195. — Sammlung Gavet, Pulszky, von Rath, Engert.
Derselbe. Pyramus und Thisbe. Federzeichnung. 110:186. — Sammlung S. W. A. Zoort, Dreux.
Derselbe. Pyramus von Thisbe beweint, bei einem Brunnen. Federzeichnung. 164: 192. — Pulszky, von Rath.
Derselbe. Thisbe tödtet sich bei der Leiche des Pyramus. Ge⸗ tuschte Federzeichnung, oben gerundet. 267: 196. — Sammlung Böhm, Gsell, G. von Rath, Pulszky.
Derselbe. Ein orientalischer Fürst, Audienz ertheilend. (Joseph (2) empfängt seine Brüder.) Federzeichnung. 186:179. — Sammlung Koller, G. von Rath, Pulszky.
Derselbe. Ein auf einen Stab gestützter Orientale. Federzeich⸗ nung. 150:82 — Sammlung Eszterhazy, Pulszky, von Rath.
Derselbe. Ein Orientale im Turban mit zwei anderen. Männer⸗ gestalten. Breite Federzeichnung. 168:143. — Sammlung G. P., Böhm. —
Derselbe. Ein Orientale. Rückseite: Ein Reiterzug vor einem Stadtthor. Federzeichnung. 110:75. — Sammlung Reynolds, Lawrence, Esdaile. —
Derselbe. Drei Juden im Gespräch bei einander stehend. Feder⸗ Ficnung auf japan. Papier. 120:86. — Sammlung v. d. Schafft, Hebich.
Derselbe. Ein knieender Mann im Gebet. Federzeichnung, zum Theil flüchtig getuscht. 169:179. V
Dunkelheit untersagt. “
Derselbe. Ein in I gehüllter Mann, von hinten Dabei ein Kopf in Turban. Kreidezeichnung. 123: 71. — Samm⸗ lung Pulszky, von Rath.
selbe. Eine Frau in reichem Gewande nach rechts gewandt Federzeichnung. 138: 94. — Sammlung John Thane, Esdaile
Derselbe. Knabe sich die Schuhe lösend. Auf der Rückseite ein männlicher Kopf. Federzeichnung. 123: 75. — Sammlung Böhm Pulszkyv, von Rath.
Derselbe. Sitzende alte Frau, in einem Buche lesend. Braun lavirte Federzeichnung. 120: 73. Sammlung Pulszky, von Rath
Derselbe. Landschaft mit Kanal und Brücke. Federzeichnung auf estem Papier. 75: 168. Sammlung van den Wi igen,
ebich.
Derselbe. Landschaft mit zwei Hütten unter Bäumen. leicht braun lavirte Federzeichnung 196: 310. von Rath.
Derselbe. Bettlerin, einen Mann um Almosen bittend. Feder⸗ zeichnung, oben gerundet. 110: 87. Sammlung Böhm.
Weiterhin empfing das Kabinet durch Hrn. Guttentag sechs alt⸗ italienische Kupferstiche des sog. Meisters von 1515, die bisher bei uns fehlten, und zwar:
8 Herkules tödtet den Nessus. 83 *
Flüchti Sammlung Fictig.
Mars, von Amor gefesselt. Das Opfer an den Gott Pan. B. 7 Die Mutter. B. 15. Trophäe. B. 21. Trophäe. Pass. 41. 1 Endlich noch ein Exemplar des äußerst seltenen Buches: Apo-
ealypsis Jhesu Christi Impressa (Venetiis) per Alex. Pag(ano) ... 1516. Fol., mit den Kopien von Zoan Andrea, nach den Holzschnitten der Dürerschen Apokalypse. ““
(Schluß folgt..)
Die heute Mittag an dem Hause Sophienstraße 12 feierlich ent⸗ hüllte Gedenktafel zu Ehren des Schulvorstehers Dr. Marggraff besteht bei 60 cm Breite und 1 m Höhe aus rothem Granit, welcher nur roh mit kräftiger Aderung bearbeitet ist, und trägt in einer Ver⸗ tiefung in glatt geschliffener Umrahmung das Bronze⸗Reliefbild Marggraffs. Unter diesem Reliefbild befinden sich auf glatt geschliffe⸗ nem Grunde die Worte: „Dr. Franz Eberhard Marggraff, geb. d. 22. 12. 1787, gest. hier d. 25. 12. 1879.“ Das Reliefbild ist von dem Professor Sußmann⸗Hellborn modellirt, die Tafel von dem Re⸗ gierungs⸗Baumeister Gause entworfen. Der Bronzeguß ist von Koch und Bein, die Steinmetzarbeit von den Gebrüdern Zeitler hergestellt.
London, 17. Februar. (W. T. B.) Die sozialistischen Führer Burns, Hyndman, Champion und Williams erschienen heute Vormittag vor dem Polizeigerichtshof in Bowstreet unter der Anschuldigung, am 8. d. M. auf Trafalgar Square auf⸗ rührerische Reden gehalten zu haben, durch welche eine Menschen⸗ menge zum Aufruhr und zum Straßenraub aufgereizt wurde. Die Angeschuldigten beantragten die Vertagung der Verhandlung, weil sie noch nicht zur Vertheidigung vor⸗ bereitet seien. Der Gerichtshof lehnte indeß die Vertagung ab, und der Staatsanwalt beantragte: die Angeschuldigten wegen der oben erwähnten Anklagepunkte vor die Assisen zu verweisen. Die weitere Verhandlung wurde schließlich auf acht Tage vertagt und die Angeklagten gegen Kaution aus der Haft ent⸗ lassen. Berichterstatter der „Times“ legten im Laufe der Verhand⸗ lung Zeugniß ab über die von den Angeklagten gehaltenen aufrühreri⸗ schen Reden.
Der Bürgermeister von Birmingham hat in einer Proklamation Ansammlungen in den Straßen nach Eintritt der
Kischineff, 17. Februagr. (W. T. B.) In dem Prozeß gegen die jüdische Räuberbande, welche einen katholischen Priester in Bieltzy beraubt und der Polizei bewaffneten Widerstand geleistet hatte, verurtheilte das Kriegsgericht drei der Angeklagten
zum Tode und drei zu je fünfzehnjähriger Zwangsarbeit.
Im Belle⸗Alliance⸗Theater finden nur noch wenige Vor⸗ stellungen von der „Schönen Helena“ statt. Anfangs nächster Woche wird „Pariser Leben“, welches durch seine lustige Handlung und prickelnde Musik in dem Offenbach⸗Cyklus des Friedrich⸗Wilhelm⸗ städtischen Theaters den größten Erfolg errungen hat, zur Aufführung kommen. Zu den von früher bewährten Kräften treten als neue hinzu: Frl. Helene Meinhardt als Metella und Hr. Carl Swoboda als Maitre cordonnier.
Der Harmonium⸗Virtuose, Musikdirektor V. J. Hlavas, eeiter der Concerte in Pawlowsk bei St. Petersburg, gab gestern im Saal des Architektenhauses ein Concert, in welchem er Werkeklassischer und moderner Komponisten zu Gehör brachte. Ein Lied mit Veränderungen von Joh. Mich. Bach (1648— 94) machte den Anfang; der Concert⸗ geber verlieh hierbei jeder Variation eine besondere Klangfarbe durch die Abwechselung mit den aus 30 Registern bestehenden Zügen seines ausgezeichneten Instruments. Bei dem Adagio der Sonate pathétique von Beethoven that der Spieler indessen des Guten hierin zu viel, während die Flötenregister in der Dur-Stelle des Andantes der Pastoralsonate, das überhaupt zweckmäßiger arrangirt war, reizend klangen. Mit großem Beifall wurde die Toccata und Fuge für Orgel von Gottlieb Muffat, ehemaligem Hoforganisten zu Wien, aufgenommen. Der⸗ artige Tonstücke eignen sich vorzugsweise zum Vortrag auf dem Harmonium. Die Ouverture zu „Tell“ dagegen war keine glückliche Wahl, da die bei fast allen Harmoniums stumpfen und kurzen Baß⸗ töne, sowie die durch das Arrangement zertheilten Ftötewafage den Eindruck schwächten. Das sich stets in den höheren Tonlagen bewegende Vorspiel aus „Lohengrin“ erschien vorzugsweise zur Trans⸗ skription für dieses Instrument geeignet. Der hohe Grad technischer Fertigkeit und die zumeist sehr einsichtsvolle Instrumentirungsweise ver⸗ schafften dem Künstler lebhafte und wohlverdiente Beifallsbezeugungen. Das Harmonium stammt aus der Fabrik des Kaiserlichen Hof⸗ Instrumentenmachers Schiedmayer zu Stuttgart. Außer den vielen Registerzügen, die der Klangfarbe verschiedener Orchester⸗Instrumente entsprechen, besitzt es zwei Manuale und vier Knieregister zur Pro⸗ longation einzelner Töne. Das An⸗ und Abschwellen der Töne ist von sehr schöner, oft ergreifender Wirkung. Das Instrument gehört zu den vorzüglichsten seiner Art. — Die Sopranistin Frl. Else Jordan unterstützte das Concert durch den Vortrag einer Arie von Bizet und zweier Lieder von Bendel und Meyer⸗Olbersleben. Sie ist im Besitz einer klaren und sehr ausgiebigen Stimme, der es nur noch an einer höheren künstlerischen Ausbildung fehlt.
„Im Saale der Sing⸗Akademie giebt die Pianistin Frl. Luisa Cognetti unter Mitwirkung der Sängerin Frl. Olga Sillem morgen Abend ein Concert, auf dessen reichem Programm sich Nummern von Beethoven, R. Schumann, J. S. Bach, F Schubert, Fr. Chopin, Fr. Liszt u. A. befinden.
Redacteur: Riedel. Verlag der Expedition (Scholz). Druck: W. Elsn Vier Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).
L11. . + 5
um No. 43.
Deutschen Neichs⸗Anzeiger und Königlich Preu
Berlin, Donnerstag, den 18. Febrnar
Nichtamtliches.
Preußen. Berlin, 18. Februar. In der gestrigen (48.) Sitzung des Reichstages trat das Haus in die erste und eventuell zweite Berathung des Antrages hasenclever auf Gewährung von Reisekosten und Diäten an die Mitglieder des Reichstages ein.
Der Abg. Hasenclever erklärte, die Sozialdemokraten hätten diesen früher von der deutschfreisinnigen Partei wieder⸗ holt eingebrachten Antrag diesmal dem Hause vorlegen zu müssen geglaubt, obwohl sie selbst noch vor 4 bis 5 Jahren sich der Abstimmung, da sie keine Aussicht verheißen habe, ent⸗ halten hätten. Diesmal habe, nachdem die deutschfreisinnige Partei auf ausdrückliche Anfrage erklärt habe, daß sie gar nicht an einen Antrag denke, der preußische Fiskus angefangen. Anfangs habe er (Redner) allerdings geglaubt, die deutschfreisinnige Partei scheue sich wegen der Däten⸗ prozesse, aber durch die Rede des Abg. Traeger habe sie sich ja ebenso rückhaltlos zu einem sogenannten Düätensonds bekannt, wie die Sozialdemokraten. Nur dieser Diätenfonds sei der Grund des heutigen Antrages. In der Form unterscheide er sich gar nicht von dem früheren deutschfreisinnigen. Er sei ebenso durchweg vom Reichstage angenommen, wie er durchweg vom Bundesrath abgelehnt worden sei. Die Diätenlosigkeit solle eine Korrektur des allgemeinen Wahlrechts sein. Dann hätte aber das letztere gar keinen Sinn, denn die Heranziehung der untersten Klassen zur Wahl habe nur dann Sinn, wenn auch die Vertretung derselben nach allen Richtungen hin gesichert sei. Sei dies nicht der Fall, so komme ihm dies vor, wie politische Heuchelei und Unmoralität. Der Hinweis auf England und Frankreich sei ohne alle Be⸗ deutung, da die Wahlen dort mit den deutschen nicht ver⸗ glichen werden könnten. Indessen, das deutsche Parteiwachs⸗ thum habe gezeigt, daß die Diätenlosigkeit auf die Wähler ohne Einfluß sei. Er würde aber die Frage gar nicht zum Austrag bringen, wenn nicht der Fiskus mit seinen Diäten⸗ prozessen vossegan en wäre. Diese sollten dazu berufen sein, die Korrektur des allgemeinen Stimmrechts wieder zu korrigiren. Wenn das Reich Diäten verweigere, so sage sich der Wähler, er müsse den Gewählten doch auch in die Lage versetzen, seine (des Wählers) Interessen zu vertreten. Daß auch die Kon⸗ servativen früher, wenn auch in anderer Form, Däten ge⸗ jahlt hätten, stehe fest. Warum habe denn der Geheimrath Wagener sein Rittergut Dummerwitz von der Partei er⸗ halten? Aber die Sozialdemokraten seien ja im Einver⸗ säandniß mit dem Bundesrath und dem Minister von Boetticher, velcher die Eisenbahnfreikarten für die Abgeordneten unter⸗ jeichne. Art. 32 habe eben durchaus keine andere Wirkung, als daß von Reichswegen keine Diäten gezahlt würden, ganz übgesehen davon, daß die Eisenbahnfreikarten den Charakter von Almosen hätten, weil der Geber das Recht in Anspruch nehme, sie alle Zeit beschneiden zu können, und sie auch beschnitten habe. Auch die Geschworenen sorgten untereinander für schadlose Ausübung ihrer Pflicht durch Bildung von Geschworenenvereinen. Einzelne Herrenhaus⸗ mitglieder erhielten ja auch Diäten und seit 3 bis 4 Jahren Eisenbahnfreikarten. Damals sei das Gerücht gegangen, man gebe die Eisenbahnkarten, um die Herren geneigter zu machen 88 das Staats⸗Eisenbahnsystem. Er glaube das ja richt, aber wenn man solche Gedanken den Sozialdemokraten unterlege, warum sollten sie dies nicht auch gegen die Mit⸗
lieder des Herrenhauses thun dürfen? Bis vor zwei Jahren 9 kein Mensch Anstoß an solchen Parteidiäten genommen, is plötzlich der Reichskanzler nach einer Rede des Abg. von Minnigerode, der gesagt habe, man verkaufe sich einer Partei, venn man Diäten annehme, bemerkt habe, daß er (der Reichs⸗ kanzler) in einem solchen Fall sich an den Staatsanwalt wen⸗ den werde. Es scheine demselben dies nicht geglückt zu sein, und darum habe er durch den preußischen Fiskus die Diäten⸗ prozesse anstrengen lassen, die wahrhaftig nicht geeignet seien, das Ansehen der Richter im Volksbewußtsein zu heben. In sieben dieser Prozesse sei der Fiskus bekanntlich in erster gnstanz zurückgewiesen worden; da fahre vlbfcich ehe noch die Prozesse in die zweite Instanz gelangt seien, das so⸗ genannte Kanzlerblatt dazwischen und gebe den Ober⸗Landes⸗ saichten förmlich eine Direktive, nach welcher sie urtheilen ollten. Allgemein habe man den Eindruck, daß diese Artikel nur einen Druck auf die Ober⸗Landesgerichte ausüben sollten. Einen ähnlichen Artikel, in dem es heiße: „Nun soll es uns mnal wundern, wie jetzt die Gerichte entscheiden werden“, fütten bald darauf die „Berliner Politischen Nachrichten“ gebracht. die bekannten Deduktionen nun, auf welche die beiden bergerichte, die bis jetzt mit der Sache sich beschäf⸗ igt hätten, sich stützten, liefen nur auf eine weitere beschränkung des Wahlrechts hinaus. Allein der große Auf⸗ vand, den der Aufenthalt in Berlin verursache, würde ganze lassen der Bevölkerung vom passiven Wahlrecht ausschließen, und nur Mitglieder der oberen Zehntausend würden noch Ab⸗ geordnete werden können, wenn die Annahme von Privatdiäten derboten werde. Er wolle nicht definitiv sagen, daß die Ober⸗ Landesgerichte sich hätten beeinflussen lassen durch solche Aeuße⸗ eüngen; aber man müsse erschrecken, daß in beiden Ober⸗ Landesgerichten, in Breslau und Naumburg, wenigstens der Lon der „Norddeutschen“ wiedergeklungen habe. Dies gerade eschüttere das Vertrauen des Volks in die Gerichte, ein Ver⸗ banen, welches schon durch die traurigen Majestäts⸗ eleidigungs⸗Prozesse im Jahre 1878 stark ins Wanken beiommen sei. Der Richterstand stehe nicht mehr so intakt n, wie früher. Wenn die Abgeordneten nun keine Diäten nehr empfangen dürften, was wolle man denn sagen, venn das Volk vielleicht eine Bebel⸗Liebknecht⸗Hasenclever⸗ bpende einrichte? So klug wie die Polizei seien die Sozial⸗ emokraten auch noch; und dabei seien sie noch in der günsti⸗ en Lage, die Angegriffenen zu sein, und zwar von der preu⸗ lschen Staatsgewalt und dem preußischen Fiskus, diesem ndenkbaren Ding. Beleidige man die Sozialdemokraten, 1cc eien deren Wähler nur um so stolzer auf die Gewählten, dacg ie durch eine solche Presse angegriffen würden. Sie ürden denselben doppelt Dank wissen, und, wenn
des Reichskanzlers zu
einen
Patronats, zur Verhandlung:
der Reichstag aufgelöst würde, so würden die Sozial⸗ demokraten nicht mit 24, sondern, um den Wunsch erfüllen, mit 36 Mann hierher kommen. Nun glaube man schließlich sogar noch, durch die Klagen auf die Sozialdemokraten persönlich Eindruck aus⸗ üben zu können, weil es nicht recht wäre, solche Parteidiäten zu empfangen; aber da seien sie — um mit dem Abg. von Köller zu reden — viel zu abgebrüht dazu. Die Empfangnahme der Parteidiäten, der von den Arbeitern abgedarbten Groschen, sei die einer Ehrengabe, auf welche die gewählten Sozial⸗ demokraten stolz seien. Sie wüßten, daß sie freiwillig gezahlt würden, denn die Arbeiter seien überzeugt, daß die Gewählten die Vertreter ihrer guten und gerechten Sache seien. Er bitte, den Antrag anzunehmen und dem erschütterten Rechtsgefühl im Lande eine Stütze zu geben.
Der Abg. von Kardorff meinte: Der Vorredner habe, abgesehen von der „Norsdeutschen Allgemeinen Zeitung“, nichts Neues zur Sache vorbringen können. Seine politischen Freunde und er meinten, daß die Diätenlosigkeit von Anfang an Seitens der Regierung beabsichtigt gewesen sei. Wie die Fortschrittspartei es aufgegeben habe, diesen Antrag zu wieder⸗ holen, so glaube seine Partei, daß es in der That für die Würde und das Ansehen des Reichstags nicht nützlich sei, wiederholt mit Anträgen zu kommen, deren Erfolglosigkeit von vornherein vorherzusehen sei. Wenn der Abg. Hasen⸗ clever sich bezüglich der Diäten so scharf gegen den Reichs⸗ kanzler wende, so sollte er seine Worte lieber gegen den Abg. von Stauffenberg richten, welcher über Parteidiäten das Schärfste gesprochen habe, was überhaupt gesprochen werden 84 Die Reichspartei werde wie früher gegen den Antrag
immen. 3
Der Abg. Meyer (Halle) äußerte: Den auf die frei⸗ sinnige Partei bezüglichen Ausführungen des Antragstellers gegenüber könne er bestimmt erklären, daß der Standpunkt zur Diätenfrage heute derselbe sei wie früher. Die Deutsch⸗ freisinnigen hielten unerschütterlich an ihrer Ansicht von der Nothwendigkeit fest, daß die Reichsregierung die Reichs⸗ institutionen in dieser Weise ergänze. Sie hielten sich aber nicht für verpflichtet, in jedem Jahre den Antrag zu wiederholen. Im vorigen Jahre hätten sie zur Ein⸗ bringung einen bestimmten Anlaß gehabt; er sei gewissermaßen die Antwort auf die durch den Bundesrath angeordnete Abänderung bezüglich der Benutzung der Eisenbahnfrei⸗ fahrtskarten gewesen. Heut zu Tage hätten sie keinen beson⸗ deren Anlaß; im Gegentheil wünschten sie, daß die Diätenprozesse erst ablaufen und die Luft durch Entscheidung über dieselben gereinigt werden möchte. Dann werde sich Gelegenheit zu einer Kritik bieten, und man werde erwägen können, ob es recht sei, daß, wenn ein als ehrenhaft bekannter Mann und Beamter sage, er beziehe keine Diäten, man ihn dennoch durch Zeugen der Unwahrheit zeihen wolle. Die Reichsverfassung sei nicht unabänderlich für ewige Zeiten; sie sei der Ausbil⸗ dung in diesem Punkte wohl fähig und werde auch später be⸗ stimmt entsprechend geändert werden. Weil seine Partei dies wisse, so dränge sie nicht in diesem Augenblick auf Lösung der Frage. Er habe nur die Vermuthung abwehren wollen, als habe sich in ihrer ʒö etwas geändert.
Damit war die erste Berathung erledigt; in der Spezial⸗ diskussion wurden die einzelnen Paragraphen des Gesetzes ohne Debatte angenommen. Gegen dasselbe stimmten die Konservativen, die Reichspartei und ein Theil der National⸗ liberalen. Darnach soll Art. 32 der deutschen Reichsverfassung durch folgende Bestimmung ersetzt werden:
„Die Mitglieder des Reichstages erhalten aus Reichsmitteln Reisekosten und Diäten nach Maßgabe des Gesetzes. Ein Verzicht darauf ist unstatthaft“,
und für die Uebergangszeit, bis zum Erlaß dieses Gesetzes der Bundesrath die Höhe der Reisekosten und Dääten festzusetzen berechtigt sein.
Die Tagesordnung war hiermit erledigt.
Um 2 Uhr vertagte sich das Haus auf Donnerstag 12 Uhr.
— Im weiteren Verlauf der gestrigen (21.) Füzeune des Hauses der Abgeordneten stand nachstehender Antrag des Abg. Dr. Kropatscheck, betreffend Gleichstellung der Lehrer an den nichtstaatlichen höheren Lehr⸗ anstalten mit denen an Anstalten staatlichen
1
Die Lehrer an den nichtstaatlichen höheren Lehranstalten werden hinsichtlich des Ranges und des Gehalts den Lehrern an den entsprechenden Anstalten staatlichen Patronats gleichgestellt.
§. 2. Die 8 Bestimmungen über den Wohnungsgeldzuschuß,
über die Pensionirung, über die Zahlung der Beamtengehälter und über das Gnadenquartal, über die Fürsorge für Wittwen und Waisen finden auch auf die Lehrer an den nichtstaatlichen Lehr⸗ anstalten sinngemäße Anwendung.
§. 3.
In denjenigen Fällen, wo das Fortbestehen einer nichtstaatlichen höheren Lehranstalt im öffentlichen Interesse liegt, die eigenen Ein⸗ nahmen der Anstalt und die Mittel der Schulunterhaltungspflich⸗ tigen aber zur Erhaltung derselben nach Maßgabe der §§. 1 und 2 nachweisbar nicht ausreichen, tritt eine Subvention aus staatlichen Fonds ein. 6
§. 4. Alle sechs Jahre findet eine Neuregulirung der staatlichen Subventionen nach Maßgabe der im §. 3 aufgeführten Erfor⸗ dernisse statt.
§. 5. Subventionen, welche auf rechtlichen Verpflichtungen des Staates beruhen, werden durch dies Gesetz nicht berührt.
Verträge, welche diesem Gesetz zuwiderlaufen, sind nichtig.
Der Antragsteller wies darauf hin, daß die Klagen der Lehrer an nichtstaatlichen höheren Lehranstalten über die Wei⸗ gerung der Kommunen zur Zahlung des Wohnungsgeld⸗ zuschusses das Abgeordnetenhaus fast alljährlich beschäßtigt hätten. Es sei ja dankbar anzuerkennen, daß der Kultus⸗ Minister allen seinen Einfluß aufgeboten habe, um die Kom⸗ munen zur Zahlung zu bewegen, aber nicht überall habe er Erfolg gehabt. Schon deshalb sei die gesetzliche Regelung
dieser Sache nothwendig, außerdem aber auch hinsichtlich der Gleichstellung in den Rang⸗ und Pensionsverhältnissen der Lehrer, wie sie das Haus noch 1884 in einer Resolution befürwortet habe. Der bisherige Zustand, daß Lehrer von gleicher Vorbildung in staatlichen Anstalten den vollen Wohnungsgeldzuschuß, an kommunalen Anstalten einen geringeren oder gar keinen Wohnungsgeldzuschuß bekämen, sei ganz unhaltbar. Sein Antrag komme berechtigten Wünschen der Lehrer nach. Weiter⸗ gehende Forderungen, wie sie in ganz unqualifizirbarer Form das “ nur zu oft behelligten, seien unerfüllbar und schadeten den Antragstellern selbst. 1 nichtstaatlichen Anstalten denjenigen an staatlichen An⸗ stalten gleichständen, gehe daraus hervor, daß dieselben wählbar seien in die Stadtverordneten⸗Versammlungen und dienstlich nur den Provinzial⸗Schulkollegien 1..“ Die Kommunen hätten nur das Recht der Wahl, allerdings aber auch das der Ascension, bei dessen Ausübung sich nur zu oft politische Erwägungen in den Vordergrund gedrängt hätten. Es sei nicht selten vorgekommen, daß Städte ihre Lehrer wegen konservativer Gesinnung nicht aufrücken ließen. Er, Redner, selbst sei in Brandenburg nicht aufgerückt, weil er angeblich die Primaner zu konservativer Gesinnung ver⸗ führt haben würde. Er glaube allerdings nicht, daß diese Primaner später in das freisinnige Lager übergegangen seien. Jedenfalls hätten die Kommunen, im Besittz des Wahlrechts, auch die Pflicht, ihre Lehrer in Bezug auf den Wohnungsgeldzuschuß so zu stellen, wie die Lehrer an staatlichen Schulen. Daß sie die Mittel dazu hätten, sei nicht zu bestreiten. Viele Kommunen hätten auch in dieser Beziehung sehr liberal für ihre Lehrer gesorgt. Sollten aber einige Kommunen diese Pflicht nicht erfüllen können und der Fortbestand der Anstalt im öffentlichen In⸗ teresse liegen, so müsse eine staatliche Subvention eintreten. Die Furcht, daß diese Bestimmung zu einer Verstaatlichung der kommunalen Schulen führen werde, könne er nicht theilen. b seinen Gesetzentwurf einer Kommission zu über⸗ weisen.
Der Abg. v. d. Reck hatte gegen den Gesetzentwurf ver⸗ fasanemss⸗ Bedenken und sah in demselben einen unbe⸗ rechtigten Eingriff in die Freiheit der Kommunen.
Der Abg. von Haugwitz hielt den Kropatscheckschen An⸗ trag für eine einfache Erfüllung der Pflicht der ausgleichen⸗ den Gerechtigkeit.
Der Abg. Bachem beantragte für den Entwurf kommissa⸗ rische Vorberathung in der um sieben Mitglieder zu verstär⸗ kenden Budgetkommission. Der Antrag sei in der vorliegenden
orm geeignet, die Selbstverwaltung der Gemeinden und die Freiheit ihrer Entschließungen bedenklich zu alteriren.
Der Abg. Seyffardt (Magdeburg) wandte sich gegen die Behauptung des Abg. von Haugwitz, daß mit der Annahme des Antrages lediglich eine Pflicht ausgleichender Gerechtigkeit erfüllt werde. Wolle man überhaupt von ausgleichender Gerechtigkeit sprechen, so wäre zunächst der Staat an der Reihe, sich seiner Verpflichtungen zu erinnern, nachdem die Kommunen so viel für die Schulen gethan hätten. Aber wenn auch durch den Antrag die Kommunen noch mehr belastet würden, so könnten die Nationalliberalen doch seinem Grund⸗ gedanken nur Beifall zollen. Zur Beseitigung der namentlich gegen die Form des Antrages zu erhebenden Bedenken schlage er die Einsetzung einer besonderen Kommission von 21 Mit⸗ gliedern vor.
Der Abg. Peters brachte dem Antrag ebenfalls seine volle Sympathie entgegen, hielt aber die Erzielung wirklich zufrieden⸗ stellender Verhältnisse in der städtischen mit dieser Regelung allein und ohne gleichzeitige Regelung der Ascensions⸗ frage für unmöglich. Die ungünstige Lage vieler städtischen Gymnasien, namentlich in Schlesien, sei dem Schulgründungs⸗ fieber der Kommunen in den siebziger Jahren zu verdanken. “ seien zahlreiche Kommunen an der Grenze ihrer keistungsfähigkeit für die von ihnen geschaffenen höheren Anstalten angelangt und zu weiteren Opfern unfähig. In allen solchen Fällen habe prinzipiell die Staatssubvention einzutreten. Es werde sich nunmehr fragen, ob die Regierung die Geneigtheit zur Zahlung dieser Subventionen an die noth⸗ leidenden Kommunen besitze.
Der Abg. von “ hielt die Einsetzung einer besonderen Kommission für um so nothwendiger, als der An⸗ trag in seiner Tragweite sich auch auf alle Nichtvollanstalten, auf die Progymnasien, die Real⸗Progymnasien, die Ober⸗ Realschulen erstrecke, somit in die Materien, deren definitive Regelung nur von einem umfassenden Unterrichtsgesetz erwartet werden n sehr zief eingreife.
Der Abg. Schmidt (Sagan) erklärte Namens der Frei⸗ konservativen die volle Sympathie mit der den Lehrern an nichtstaatlichen Schulen zugedachten Verbesserung, machte aber namentlich gegen die nach dem Antrage der Regierung zu übertragende unbeschränkte facultas hinsichtlich des Weiter⸗ bestehens der in Frage kommenden städtischen Anstalten Be⸗ denken geltend. Zur Vorprüfung werde sich in erster Linie die Unterrichtskommission, eventuell eine besondere Kommission empfehlen.
Der Abg. Langerhans bezweifelte, daß die Weigerun des Magistrats zu Brandenburg, den Oberlehrer Kropatsche ascendiren zu lassen, etwa schriftlich mit denjenigen Momenter begründet worden sei, die der Abg. Kropatscheck hier angeführ habe. Prinzipiell sei die Errichtung und Unterhaltung höhe⸗ rer Lehranstalten Sache des Staats. Wie aber die Sachen jetzt faktisch lägen, müsse man möglichst vermeiden, durch geringere Leistungen für die Lehrer schließlich eine Klasse schlechterer Anstalten, oder, was dasselbe sei, eine Erschwerung der Gelegenheit zu guter Ausbildung zu schaffen. Deshalb sei der Grundgedanke des Entwurfs als ein guter anzuerkennen. Für die event. Subventionirun müßten aber ganz bestimmte Modalitäten aufgestellt werden sonst werde lediglich eine weitere Belastung und sogar Schädis gung der Kommunen ohne jedes Aequivalent das Ergebniß sein
Der Gesetzentwurf wurde darauf mit großer Mehrhei einer besonderen Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen
Es folgten Wah 8 8 üfungen.
Die Wahlen der Abgg. Althaus (4. Kassel), Dr. Szuman
Daß die Lehrer an