1886 / 58 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 08 Mar 1886 18:00:01 GMT) scan diff

können. Nur fehlt der 187 Seiten zählenden Abhandlun jede Ord⸗ nnung und sypstematische Gliederung. Ein alphabetischer Index giebt 8 allerdings einen annähernden Begriff von dem rei haltigen Inhalt über volksthümliche Anschauungen und Sitten, Rechtsalterthümer —und Gerichtsgebräuche, geistliche und weltliche Gesänge. Die aangeführte Literatur beweist die Genauigkeit und Umsicht, mit welcher Dr. Böckel gearbeitet wie sich umgesehen hat. Als festes Ergebniß bleibt: jedem Volksliede liegt ein Vorgang zum Grunde, der sich ver⸗ ändert und verarbeitet in ihm abspiegelt, verändert durch das Volks⸗ bewußtsein und die Persönlichkeit des Dichters; denn einen solchen

hat jedes Volkslied, so gut wie jedes Kunstgedicht. Der Volksglaube,

wie er unter dem Volke sich entwickelt hat, ist weder ein Ueberrest urgermanischer Religion, noch ein Spiel frivolen Aberglaubens, son⸗ dern ein echtes, wohlbegründetes Erzeugniß des Volksgeistes; er ist in seinem Wesen tief religiös und verdiente als treffliche Stütze des Christenthums im Volke um jeden Preis ge⸗ schont zu werden. Den Entstehungsprozeß des Volksliedes kann man in Deutschland nicht mehr verfolgen, bei abgelegenen Völkern läßt sich dieser noch heute beobachten. Am Dichten, Verbreiten und Singen der Volkslieder nahmen alle Klassen des Volkes Theil. Merkwürdig ist, daß der Bauernstand, welcher doch so viele schöne Volkslieder geschaffen hat, kein Lied schuf, in dem

er seine Freuden besungen und seinen Ruhm gegenüber anderen Ständen gefeiert hätte. Gerade diesem Stande, welcher unter allen der ent⸗ sagungsvollste und berufenste, der nützlichste und doch verkannteste ist, dem deutschen Bauernstande wünscht der Verfasser sein Buch geweiht

zu haben, einem Stande, unter dem er während des Suchens nach Volksliedern so viele frohe Stunden verlebte, in der Hoffnung, daß von dem alten kerngesunden Bauernstande das noch gerettet werden möge, was noch irgend zu retten ist. Die Antiquare Kirchhoff u. Wigand in Leipzig haben von denjenigen Schriften über Rechts⸗ und Staatswissen⸗ schaften, die in ihrem antiquarischen Bücherlager käuflich vorräthig sind und u. A. die Bibliotheken eines bayerischen und eines mecklen⸗ burgischen Juristen enthalten, kürzlich 4 Kataloge, Nr. 752 755, aus⸗ gegeben. Kat. 752 (I. „Rechtswissenschaften“, exkl. des Handels⸗, Kriminal⸗ und Kirchenrechts und des Konkursprozef es) bringt ein Ver⸗ zeichniß von 3280 Schriften unter folgenden 13 Rubriken: 1) Lite⸗ raturgeschichte des Rechts und Biographien von Juristen, 2) Geschichte des Rechts im Allgemeinen, 3) Vermischtes, gesammelte Werke, Opuscula, allgemeine Zeitschriften, 4) Rechtsphilosophie, Encyklo⸗ pädie, Methodologie und Kodifikation, 5) Quellen des römischen Rechts und Kommentare, sowie griechisch⸗byzantinisches Recht, 6) Quellen, Alterthümer und Dogmerngeschichte des deutschen Rechts, 7) Quellen und Geschichte des neueren ausländischen Rechts, 8) De- cisiones, Consilia, Responsa, Präjudicien, 9) Lehrbücher des Privat⸗ rechts, sowie Rechtsfälle als Uebungsaufgaben, 10) Familien⸗, Ehe⸗ und Erbrecht, 11) Grundeigenthum⸗, Hypotheken⸗, Lehn⸗, Bauern⸗, Jagd⸗, Wasser⸗ und Bergrecht, 12) sonstige civi⸗ listische Monographien, 13) Gerichtsverfassung und Civilprozeß); 111“ (1I. „Handelsrecht und Handelswissenschaften, setet⸗ Konkursprozeß“) ein Verzeichniß von 801 Schriften unter olgenden 10 Rubriken: 1) Geschichte des Handels und des Handels⸗ rechts, 2) Handelsrecht und Handelswissen chaften, 3) Bank⸗, Geld⸗ und Aktienwesen, 4) Wechselrecht, 5) Versicherungswesen, Bodmerei, große Havarie, 6) Seerecht, 7) Transport⸗ und Wegerecht zu Lande, 8) Gewerberecht, Genossenschaften, Haftpflicht, 9) Buchhandel und Recht der Presse, 10) Civilprozeß; Nr. 754 (III. „Kriminalrecht und Kirchenrecht*) ein Verzeichniß von 974 Schriften unter folgenden 7. Unterabtheilungen des Kriminalrechts: 1) Geschichte und Zeit⸗ chriften, 2) Quellen, Lehrbücher, Monographien, 3) Verwaltungs⸗ strafrecht, 4) Strafprozeß, 5) Strafrechtsfälle und Entscheidungen der Gerichte, 6) medicina forensis und 7) Strafvollzug, sowie 1 Ab⸗ theilung über Kirchenrecht und Kirchenverfassung. Katalog 755 endlich enthält ein Verzeichniß von 795 Schriften aus den Gebieten der Staats⸗ und Kameralwissenschaften. Unter den in den 4 Ka⸗ talogen zusammengestellten Schriften befinden sich eine Menge werth⸗

täglich 200 Ballen aller Sorten, meist an Kundschaftshändler. Für Export werden nur hie und da Gelegenheitskäufe gemacht, da der englische Markt absolut flau ist und in London noch große Quantitäten Mittel⸗ und geringe Hopfen des Verkaufes harren. In der Farbe abfallende Mittel⸗ und ganz leichte Hopfen sind hier in Folge der jetzt herrschenden matteren Stimmung etwas billiger käuflich. Die Notirungen lauten; Bayerische Hopfen: Markthopfen prima 30 35 ℳ, mittel 20 25 ℳ, gering 12 18 ℳ; Gebirgs⸗ hopfen prima 35 40 ℳ; Aischgründer prima ℳ, mittel 20 25 ℳ, gering 12 16 ℳ; Hallertauer prima 70 80 ℳ, mittel 25 35 ℳ, gering 12 18 ℳ; Hallertauer Siegelgut prima 70 85 ℳ; Spalter, je nach Lage und Qualität, 20 70 ℳ; Württemberger prima 70 75 ℳ, mittel 25 40 ℳ, gering 12 18 ℳ; Badische mittel 20 30 ℳ, gering 12 18 ℳ; Elsässer 12 35 ℳ; Posener prima 70 75 ℳ, mittel 25 40 ℳ, gering 12 18 ℳ; Saazer Kreis und Bezirk, je nach Qualität, 60 120 Leipzig, 6. März. (W. T. B.) Die Dividende der Leip⸗ ziger Diskonto⸗Gesellschaft für das abgelaufene Geschäfts⸗ jahr ist auf 5 ½ % festgesetzt worden. London, 8. März. (W. T. B.) Wie die „Times“ erfährt, sind die Unterhandlungen wegen Einschränkung der Eisenproduktion abgebrochen worden, da eine schottische Firma der projektirten Konvention nicht beitreten wolle. Glasgow, 6. März. (W. T. B.) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores belaufen sich auf 695 532 Tons gegen 587 843 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betrieb befindlichen Hochöfen 94 gegen 93 im vorigen Jahre. New⸗York, 6. März. (W. T. B.) Der Werth der Waareneinfuhr in der vergangenen Woche betrug 8 225 481 Doll., davon 3 084 789 Doll. für Stoffe. Der Werth der Einfuhr in der Vorwoche betrug 11 663 978 Doll., davon 3 866 578 Doll. für Ma⸗

nufakturwaaren. Verkehrs⸗Anstalten. Auf den Linien der Großen Berliner Pferde⸗Eisen⸗ bahn⸗Aktien⸗Gesellschaft sind im Monat Februar 1886 5 566 493 Personen befördert und dafür 665 020 oder durchschnitt⸗ lich pro Tag 23 750 eingenommen worden. Die Einnahme im Februar 1885 betrug 652 197 oder durchschnittlich pro Tag 23 085 Hamburg, 8. März. (W. T. B.) „Lessing“ der Hamburg⸗Amerikani Aktiengesellschaft ist, von Hamburg kommend, gestern Abend 11 Uhr in New⸗Pork eingetroffen und der Postdampfer „Gellert“ derselben Gesellschaft hat, von New⸗York kommend, gestern Abend 11 Uhr Lizard passirt.

Der Postdampfer schen Packetfahrt⸗

Berlin, 8. März 1886.

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit prinz erschien gestern Mittag in der in der Reichenbergerstraße, Nr. 44/45, belegenen städtischen Fortbildungsschule, um dort, wie seit Jahren, einem Theil der Semesterprüfungen beizuwohnen. Die Schule, die größte ihrer Art, umfaßt zur Zeit in 11 Abtheilungen und 92 Klassen 2734 Schüler, welche 3924 Kurse belegt haben. Zur Feier des Tages prangten das Schulgebäude und die Straßen, die Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit zu passiren hatte, in Flaggen⸗ schmuck; ebenso war die Aula, in der die Prüfung selbst stattfand, mit Fahnen, Büsten und Lorbeeren reich geziert. Eine große Anzahl Ehrengäste hatte sich eingefunden. Die höchste Staatsbehörde war durch den Staats⸗Minister von Boetticher, den Staatssekretär Dr. von Moeller u. A. vertreten. Auch Deputirte von Innungen waren erschienen. Der Kronprinz wurde am Portal des Gebäudes von dem Ober⸗ Bürgermeister und einigen Stadtverordneten empfangen. Nachdem Höchstderselbe auch die anderen Ehrengäste huldvollst begrüßt und das Nichterscheinen Seiner Gemahlin rheumatischer Leiden wegen ent⸗

111

11 der Kron⸗

voller Werke über die erwähnten Materien.

Gewerbe und Handel.

3 Der dem Verwaltungsrath der Berliner Handels⸗

Gesellschaft vorgelegte Jahresabschluß weist einen Bruttogewinn

von 3 577 807 auf, wovon 868 786 auf Zinsen, 607 572

auf Wechsel und Sorten, 1 112 302 auf Provisionen, 315 696 auf

Effekten und 553 203 auf Konsortialgeschäfte entfallen. Von dem nach Abzug der gesammten Verwaltungsspesen verfügbaren Reingewinn von 3 050 685 soll wiederum, wie im Vor⸗

jahr, der Betrag von einer Million Mark zur Dotirung der

bestehenden Reserven und zwar 250 000 für die allgemeine

Reserve, 750 000 für die Spezialreserve verwandt, eine Dividende

von 8 % auf das Kommanditkapital vertheilt und der nach Abzug

der Tantièmen verbleibende Rest von 33 064 auf neue Rechnung vorgetragen werden. Die Bilanz stellt sich wie folgt: Aktiva. Kassa

3 474 711 ℳ, Effekten 2 120 277 ℳ, Reports 15 136 295 ℳ, Wechsel

20 610 369 ℳ, Sorten 178 347 ℳ, Hypotheken 300 468 ℳ, Grund⸗

stücke abzügl. Hypotheken 162 280 ℳ, Haus Französischestr. 42 abzügl. Hypothek 750 000 ℳ, Konsortialkonto 5 902 991 Debitoren 37 129 171 (Von letzteren sind ca. 27 ½ Mill.

Mark gedeckt und ca. 4 ¾¼ Mill. Mark Guthaben bei

Bankfirmen.) Passiva. Kommanditkapital 20 000 000 ℳt, Aeccepte

wovon ca. 11 Mill. Mark gegen Guthaben und Unterlagen,

ca. 1 ⁄¼10 Mill. Mark gegen Waarenabladungen) 14 746 132 Kreditoren und Depositen (wovon ca. 32 ½ Mill. Mark auf feste Termine) 45 901 077 ℳ, Spbezialreserve 461 013 ℳ, Allgemeine Reserve 1 600 000 ℳ, Reingewinn 3 050 685 Der Ver⸗ waltungsrath beschloß im Einverständniß mit den Geschäͤfts⸗ inhabern bei der bevorstehenden Generalversammlung die Er⸗ höhung des Kommanditkapitals um 10 Mill. Mark zu beantragen welche den Besitzern der alten Antheile mit Dividenden⸗ berechtigung vom 1. Januar d. J. ab zum Course von 130 % zur Verfügung gestellt werden sollen. Der Ver⸗ waltungsrath acceptirte vorbehaltlich der Genehmigung der General⸗ versammlung eine Offerte, welche die Durchführung der Kapitalsver⸗ mehrung sichert. Der Agiogewinn fließt nach Abzug der Emissions⸗ kosten der allgemeinen Reserbve zu.

In der Sitzung des Kuratoriums der Preußischen Boden⸗ Credit⸗Actien⸗Bank vom 6. d. M. erstattete die Direktion Be⸗ richt über die Geschäftsergebnisse des vorigen Jahres und schlug die Vertheilung einer Dividende von 5 ½ % vor; ferner proponirte sie, dem Conto pro Diverse den Gewinnvortrag aus 1884 mit 150 891 zuzuführen, das Disagio auf 4 % Hypothekenbriefe mit 97 300 ℳ, die Zinsbonifikationen und Konvertirungs⸗Prämien mit 141 359 zwei Grundstücke im Werthe von 140 150 000 und endlich den Verlust bei dem Fallissement eines Königsberger Bankhauses mit ca. 90 000 total abzuschreiben, was von dem Kuratorium genehmigt wurde. Hiernach stellt sich der Reingewinn pro 1885 auf 2 098 500 an den Reservefonds gehen 210 000 ℳ, zusammen 1 885 500 ℳ, 4 % ordentliche Dividende auf das Aktienkapital von 30 000 000 erfordern 1 200 000 ℳ; alsdann verbleiben 688 500 ℳ; Tantième des Kuratoriums und der Direktion nehmen 187 700 in Anspruch. Nach Zahlung von 1 ½8 % Superdividende mit 450 000 ℳ, verbleiben restliche 100 800 ℳ, die als Gewinn vorgetragen werden. Der Reservefonds Helt sich auf.2

,— Der Aufsichtsrath der einischen othekenbank beschloß für das Geschäftsjahr 1885 dem Antrag bStan⸗ gemäß der Generalversammlung die Vertheilung einer Dividende von 7 % in Vorschlag zu bringen.

Danzig, 8. März. (W. B.) Die Einnahmen der

grienburg⸗Mlawkaer Eisenbahn betrugen im Februar

d. J. nach provisorischer Feststellung 155 350 gegen 204 633

nach definitiver Feststellung im Monat Februar 1885, mithin 49 283 weniger als im selben Zeitraum des Vorjahres.

Nüuͤrnberg, 6. März. (Hopfenmarktbericht von Leopold

1n T.

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schuldigt hatte, wurde zunächst die Ausstellung der Modellirarbeiten besichtigt. Alsdann begab Sich der Kronprinz nach der Aula, wo Ihn die Schüler mit dem Gesange des „Ich seh' dich wieder, Morgen⸗ licht“ empfingen. Se. Kaiserliche Hoheit trat sogleich an die erste Schulbank, um in huldvoller Unterhaltung mit den Schülern deren Hefte zu durchblättern. Mit Seiner Zustimmung wurde sodann die Fetafung der gerade anwesenden Abtheilung fortgesetzt, über deren Resultate Sich der Kronprinz befriedigt aussprach.

Die Berliner Stadtmission feierte gestern in der Garnison⸗ kirche unter starker Betheiligung ihr Jahresfest. Nachdem Hofprediger D. Frommel über 1. Cor. 13 die Festpredigt gehalten, erstattete Hof⸗ prediger Stöcker den Jahresbericht, der eine erfreuliche Weiter⸗

reiche

hen ihres genialen Bildners, der hier eine

glücklichen und schönheiterfüllten Talents . Reihe von Schöpfungen bietet, die wie wenig: dazu berufen erscheinen, der Plastik als künstlerischem Schmuck des

eims einen breiteren Raum zu gewinnen. Was schließlich Böcklin i drei neuen meisterlichen Bildern bietet, gehört zum Schönsten und Einwandfreiesten von Allem, was er bisher geschaffen. zum Geist⸗ vollsten in der echt künstlerischen Erfassung der Landschaft und der Verkörperung der aus ihr zu uns sprechenden Stimmungen. Stan und gewaltig ragt in dem einen Bilde das zerbröckelnde Mauerwerz einer Ruine auf einsamer Bergeshöhe empor, und weithin schweift der Blick durch die klare Luft über die Felsenkuppen, über die wind⸗ gepeitschten, herbstlich efärbten Wipfel und über den die Schlucht durchschäumenden Sturzbach bis zu den am fernen Horizont mit dem Gewölk verschwimmenden Konturen der letzten Ausläufer deß in seiner einsamen, schweigenden Großartigkeit herrlich ge⸗ schilderten Gebirges. Eine gleich tiefe und kraftvolle Stim⸗ mung athmet das noch größere und vielleicht noch meisterhaftere Bild einer einsamen, von feierlichem Schweigen erfüllten Kultusstätte an der Küste des griechischen Meeres. Ernst und groß hebt sich von dem dunklen Gewitterhimmel eine mächtige Rieseneiche ab, die sammt der zu ihrem breiten Gezweig aufragenden Gottes oder Heroen von einer hohen, kreisrund geschwungenen Mauer umschlossen wird, an deren Eingang zwei griechische Krieger in farbig leuchtenden Gewändern anbetend auf den steinernen Skufen Inieen während ein dritter, aufrecht stehend, den Blick rückwärts kehrtF. Daß eigenartigste der hier vereinigten Böcklinschen Bilder aber ist das „Schweigen im Walde“ betitelte. Tiefe, stille Dämmerung ruht über dem Forst und webt unter seinen Wipfeln; schweigend ragen die bemoosten Stämme auf, an denen ein Eichhörnchen scheu emporhuscht. Zwischen ihnen aber tritt geisterhaft, unhörbar schreitend, mit breit vorquellendem Auge spähend, ein wunderbares Thier heraus, ein selt⸗ sam gestaltetes, zottiges Einhorn, und auf seinem Rücken trägt es eine Jungfrau, wie sie im Märchen lebt, in weißer Gewandung, das blonde Haupt mit Kornblumen bekränzt, von läulichem Licht um⸗ flossen, das nichts mit dem kalten Blau der dämmernden Luft gemein hat, auf die sich hier und da zwischen den Bäumen ein Durchblick öffnet. Geheimnißvoll wie die Stimmen, die im Schweigen des Waldes leben und weben, wie das von den erregten Sinnen geborene Phantom, das den einsamen Wanderer erschreckt, steht uns die Er⸗ scheinung des Böcklinschen Bildes gegenüber, ein neues Zeugniß der wahrhaft schöpferischen Phantasie des Künstlers, die an die Kraft des gestaltenbildenden, das elementarische Naturwalten zu plastischen For⸗ men verkörpernden Mythus anklingt. 3

Das Jahresfest der Sonntagsschulen des Ev Vereinshauses hatte gestern 800 Kinder und im großen Saale des Hauses vereinigt. Nach dem vom Lic. Breest erstatteten Bericht fungiren zur Zeit 8 Helfer und Helferinnen zur Unterweisung der noch nicht schulpflichtigen Kinder, während die schulpflichtigen Kinder in 40 Gruppen getheilt sind. Eine Spar⸗ kasse wurde von 400 Kindern benutzt, die insgesammt 18 000 Ein⸗ lagen machten. 150 armen Kindern wurde ein Weihnachtstisch auf⸗ gebaut, 80 erhielten Einsegnungsbibeln. Mit der Feier verbunden wurde die Vertheilung von weiteren 40 Bibeln.

angelischen 300 Erwachsene

(Th. C.) Die innere Organisation des Goethe⸗Museums ist nunmehr zum Abschluß eSe; An 8 Spitze der Verwaltung steht der Direktor des Großherzoglichen Museums, Hofrath Roland; neben diesen ist ein Kuratorium gestellt das aus vier Mitgliedern besteht, von denen zwei vom Großherzog berufen werden, während die beiden anderen die Goethe'schen Intestat⸗ erben sind. Letztere sind zur Zeit der Großherzogliche Schloßhaupt⸗ mann von Weimar, Graf Leo Henckel von Donnersmarck und der Sanitäts⸗Rath Dr. Vulpius. Diese Beiden hatten bekanntlich aus der ihnen zugefallenen Erbschaft diejenigen Gegenstände ausgesondert, welche auf Goethe selbst Bezug haben, und sie dem Museum als besondere Stiftung überwiesen unter der Bedingung, daß sie und ihre Erben in der Verwaltung desselben Sitz und Stimme hätten. In dem Großherzoglichen Stiftungsbrief ist diesem Verlangen gewillfahrt worden. Seitens des Großherzogs sind in das Kuratorium berufen worden der Erbgroßherzog und Dr. H. Oelschläger. Die Arbeiten am Goethe⸗Museum sind durch den Winter etwas verzögert worden werden aber jetzt wieder aufgenommen. Immerhin dürften noch

Weimar, 5. März.

entwickelung des Werkes konstatiren konnte. Die Zahl der Inspektoren ist von 3 auf 4, die Zahl der Stadtmissionare von 25 auf 30 ge⸗ wachsen; statt einer Missionsschwester arbeiten jetzt deren 8. Außer⸗

dem ist ein junger Theologe als Oberhelfer angestellt worden. Im letzten Jahre sind nahezu 100 000 Besuche gemacht worden, gegen 51 000 im Vorjahre. Allwöchentlich wurden in Jünglings⸗ vercinen durchschnittlich 395, in Frauenvereinen 389, in Männervereinen 255 und in Bibelstunden 1100 Personen ge⸗ sammelt. Außer vielen tausend Traktaten, Testamenten, Bibeln und Sonntagsblättern wurden durch die Stadtmission 257 000 Predigten vertheilt. Die „Industrie der Stadtmission“, die sich auf

Cigarrenfabrikation beschränkt, hat einen kleinen Ueberschuß abgewor Die Arbeit an den Entlassenen ist weiter gegangen; e Bau 5 Asyls, welches 40 Entlassenen ein Obdach gewähren soll, geht seiner Vollendung entgegen. Außerdem ist der Versuch gemacht, ein „Mädchenheim“ einzurichten. In zwei Gemeinden sind für Dienst⸗ mädchen und Fabrikarbeiterinnen Vereinigungspunkte geschaffen. Die pekuniären Verhältnisse haben sich wesentlich gebessert. An Bei⸗ trägen sind 17 000 gegen 10 000 im Vorjahr eingegangen; in Privatkreisen wurden 3471 aufgebracht; die Berliner Kirchenkollekte ergab 1971 ℳ, die Landeskirchenkollekte 23 000 ℳ, die Berliner Haus⸗ kollekte 5763 Die Stadtmissions⸗Hülfsvereine haben in Berlin 13 000, in der Provinz 19 000 gesammelt. 13 000 gingen an Legaten ein, 55 000 brachte der Bazar. Insgesammt haben sich die Einnahmen von 90 000 auf 179 000 gehoben, während die Ausgaben 173 000 betrugen.

Gurlitt'sche Ausstellung. (Schluß). Verdankt die Ausstellung ihr besonderes Interesse vorh henken den Arbeiten des Jan van Beers, so gewährt sie auf der anderen Seite den reichsten und reinsten künstlerischen Genuß durch die Ge⸗ mälde Böcklins und die Skulpturen Eberleins. In Bronzegüssen von vollendetster Ausführung, die jede Feinheit des ursprünglichen Modells, jeden Reiz in der Behandlung der Formen frisch und unbe⸗ rührt wiedergeben und damit dem technischen Geschick der italienischen Werkstatt, aus der sie herstammen, das glänzendste Zeugniß geben stellt Eberlein seine tanzend einherschreitende griechische Flöten⸗ bläserin in halber Lebensgröße, die noch etwas kleinere Figur des in ausgelassener Lust und in flüchtig momentaner, dabei aber mit fein⸗ stem Rhythmus abgewogener und in plastischem Sinne durchaus ruhe⸗ voller Bewegung mit dem Thyrsusstabe dahertanzenden jugendlichen Bacchanten sowie das kleine Figürchen der mit gefesselten Händen traurig dastehenden Psyche aus, die durch die frische Poesie der Erfindung und durch den zarten Reiz der knospenhaft schwellenden Formen ebenso fesselt, wie durch die köstliche Naivetät der künst⸗ lerischen Auffassung. Noch einmal begegnet dieselbe Figur dem Be⸗ schauer sodann in einem mit bestem Geschmack leicht gefärbten Gips⸗ abguß, in dem sie womöglich noch duftiger und anziehender wirkt. In gleicher Behandlung gesellen sich dazu noch zwei kleine, zierlich bewegte weibliche Figuren im Kostüm des Empire, die eine mit leicht⸗ gehobenem Kleide und mit Blumen im Arm elastisch dahinschreitend, die andere mit gleich anmuthiger Bewegung sich bückend und mit der Hand den Schuh heraufziehend, sowie endlich das ganz kleine

Fb „Der Markt hatte während der heute zu Ende ehenden oche ein sehr ruhiges Gepräge. Verkauft wurden durchs nittlich 1— —* 8 1“ 8

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einige Monate vergehen, bis dasselbe vollständig fertig gestellt ist.

Rom, 6. März. (W. T. B.) Provinz Cosenza, hat ein Erdbeben

mehrere Häuser eingestürzt sind.

In Marano⸗Marchesato, stattgefunden, in Folge dessen

Im Deutschen Theater wird, wie bereits die Seö von Sophokles seit langer Proben sind nunmehr ihrem Abschluß nahe. Die erste Aufführung des Stücks findet am Dienstag, den 16. d. M., statt.

Von den im Wallner⸗Theater am vergangenen Sonnabend aufgeführten beiden Novitäten hatte sich die zweite, ein Schwank von Carl Laufs, betitelt „Leichte Streiche“, eines großen Heiterkeits⸗ erfolges zu erfreuen und dürfte sich als ein willkommenes Zugstück er⸗ weisen. Schon die Bezeichnung „Schwank“ läßt eine ernste Be⸗ urtheilung des lustigen Werkes nicht zu, und wenn man dem Wunsch des Verfassers, die Lachlust des Publikums stets von Neuem zu reizen, entgegenkommt und ebenso harmlos nimmt, was harmn⸗ los geboten wird, so unterhält man sich sehr gut und wird dem Autor selbst eine Anerkennung für seine Erfindungsgabe und geschickte Verwerthung des drolligen Stoffes nicht versagen können. Die tüchtige Beseßung der Rollen sicherte dem Stück von vornherein eine freundliche Aufnahme, zumal so anerkannt tüchtige Komiker ihr Bestes daran setzten, um ihre Par⸗ tien möglichst wirkungsvoll zu machen. Als neu engagirtes Mitglied lernten wir Hrn Carl Schönfeld vom Landes⸗Theater in Prag kennen und wünschen der Direktion zu dieser Neuerwerbung Glück. Frische, gewandte Darstellung, angenehme Erscheinung und wohl⸗ klingendes Organ sind Vorzüge des tüchtigen Künstlers. Daß die Herren Blenke, Guthery und Alexander in ihren komischen he n wie immer Vorzügliches leisteten, braucht kaum hervorgehoben zu werden. Hr. Meißner als Schauspieler und Pseudo⸗Onkel gab wiederum reichliche Proben von seinem köstlichen Humor und wurde von Fr. Karlsen auf das Beste unterstützt. Frl. Meier, sowie die Damen Ernst, Deckmann und Wenk fanden sich in zufriedenstellen⸗ der Weise mit ihren Rollen ab. Weniger Glück als der Schwank hatte das Trowitzsche Lustspiel: „Großreinemachen“, welches zu dilettantenhaft und unbedeutend ist, um auf eine strenge Beurtheilung Anspruch machen zu können. Die in diesem Einakter auftretende Debütantin Frl. Risa hat hoffentlich noch in größeren und schwierigeren Rollen Gelegenheit, ihr Können zu beweisen, während auch in diesem Lustspiel Hr. Schönfeld sich von seiner besten Seite zeigte. Nachdem die Trowitzsche Arbeit vom Publikum abgelehnt worden war, erfreute es sich an dem tollen Schwank und spendete den Dar⸗ stellern reichlichen Beifall.

Der Fastnachtsball in den elektrisch beleuchteten Prachtsälen des Krollschen Etablissements gehört seit 8 be⸗ liebtesten Berliner Winterfestlichkeiten und wird auch diesmal bei allen Theilnehmern die angenehmste Erinnerung zurücklassen. Die Ballmusik wird von zwei Musikcorps ausgeführt.

früher angekündigt, Zeit vorbereitet. Die

Redacteur: Riedel. 9 Verlag der Expedition (Scholz). Druck:

W. Elsner. Sieben Beilagen

igürchen einer griechischen Blumenspenderin, die mit dem Arm eine schla ke Thonvase umfaßt hält, auch sie eine Probe des erfindungs⸗

(einschließlich 2 Bör en⸗Beilagen). 1“ 8—

Bronzestatue eines antiken!

Berlin, Montag, den 8. März

1886.

1 8 1 Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 8. März. In der vorgestrigen (60.) Sitzung des Reichstages gab bei fortgesetzter erster Berathung der Branntwein⸗Monopol⸗Gesetzvorlage der Staats⸗Minister von Boetticher Namens des Reichs⸗ kanzlers folgende Erklärung ab:

Es ist nicht meine Absicht, materiell in die Frage, die uns heute schon am dritten Tage beschäftigt, einzutreten; ich bin der Meinung, daß volle Klarheit uͤber Absicht und Grund der Vorlage der ver⸗ bündeten Regierungen durch die lichtvollen Vorträge meines Herrn Kollegen, des preußischen Finanz⸗Ministers, gegeben worden ist. Wes⸗ halb ich das Wort erbeten habe, liegt lediglich darin, daß ich mich eines Auftrages des Herrn Reichskanzlers zu entledigen habe, welcher dem hohen Hause sein lebhaftes Bedauern darüber aus⸗ drücken läßt, daß er durch seinen Gesundheitszustand abgehalten ist bei der ersten Berathung der Monopolvorlage sich zu betheiligen. Fürst Bismarck wünschte schon in dieser ersten Berathung über die Gründe, weshalb er den preußischen Antrag auf Einführung des Branntwein⸗Monopols im Bundesrath lebhaft befürwortet hat, wes⸗ halb er der Ueberzeugung ist, daß das Monopol die zweckmäßigste und vortheilhafteste Besteuerung des Branntweins dar⸗ stellt, sich zu äußern. Nur das bestimmte und entscheidende Ver⸗ bot des Arztes, sich aus dem Zimmer zu begeben, hält ihn ab, hier im Reichstage zu erscheinen. Fürst Bismarck hofft aber zuversichtlich, daß die Verhandlungen in der Kommission, an die ja, wenn die An⸗ zeichen nicht trügen, diese Vorlage verwiesen werden wird, ihm Ge⸗ legenheit geben werden, seine Anschauungen über und Werth der Vorlage dort auseinanderzusetzen und eventuell sie hier in der zweiten Berathung darzulegen. 1

Der zweite Auftrag, dessen ich mich zu entledigen habe, ist der, daß der Herr Reichskanzler den Gerüchten entgegenzutreten wünscht, welche, wie ihm zu Ohren gekommen ist, über seine neueste Stellung zu der Vorlage im Umlauf sich befinden. Meine Herren! Auch mir ist gestern das Gerücht zugekommen, daß der Herr Reichskanzler bezüglich seiner Stellung zur Monopolvorlage eine Schwenkung gemacht habe; auch mir ist gesagt worden, es sei das Gerücht verbreitet, als wünsche der Herr Reichskanzler gar nicht die Annahme des Monopols. Ich bin erstaunt gewesen darüber, daß ein solches Gerücht überhaupt hat Glauben finden können; denn die innere Unwahrscheinlichkeit einer solchen Schwenkung sollte für jeden, der politisch zu beob⸗ achten und politisch zu denken gewohnt ist, auf der Oberfläche liegen. Es ist sehr auffallend, daß dies Gerücht gerade Boden gefunden hat in Kreisen, die sonst sehr gern bereit sind, dem Herrn Reichskanzler einen Vorwurf daraus zu machen, daß er von einmal konzipirten Plänen nicht lasse, daß er mit denselben wiederkomme und immer wiederkomme, auch wenn sie keine Aussicht auf Annahme besitzen.

Nun, meine Herren, von diesen Gerüchten ist nicht ein Wort wahr. Der Herr Reichskanzler steht, wie ich bereits vorher zu be⸗ merken die Ehre gehabt habe, auf dem Boden, daß er das Monopol als die zweckmäßigste Form der Branntweinbesteuerung erkennt. Der Herr Reichskanzler würde aber auch, selbst wenn er nicht so fest auf dem Boden stände, auf welchem er sich befindet, ver⸗ möge seiner politischen und verantwortlichen Stellung weit sich davon entfernt halten, eine Vorlage, welche die verbündeten Regierungen be⸗ schlossen haben, preiszugeben oder auch nur nach außen hin den Schein zu erwecken, als ob eine solche Vorlage von ihm nicht gewünscht

Für den Fall, daß meine Worte, in die ja füglich ein Zweifel nicht zu setzen ist, gleichwohl noch Bedenken erregen sollten, stehe ich nicht an, einen Passus aus dem Schreiben vorzulesen, welches mir heute Morgen vom Herrn Reichskanzler zugegangen ist, und in welchem er an mich die Bitte richtet, hier neben der Ent⸗ schuldigung für seine Behinderung an der Theilnahme dieser Be⸗ rathung zugleich seinen Standpunkt darzulegen, den er nach wie vor der Monopolvorlage gegenüber einnimmt. Er sagt:

„Ich lege Werth darauf, daß dies nämlich die Entkräftung des Gerüchtes auch durch Ihre gütige Vermittelung ohne Aufschub geschehe, da ich auch nur für kurze Zeit den Verdächtigungen nicht aus⸗ gesetzt bleiben möchte, welche für meinen politischen Charakter und für meine Aufrichtigkeit meinen Mitarbeitern gegenüber in jenem geflissentlich verbreiteten Gerüchte liegen. Daß ich nach wie vor in dem Monopol die zweckmäßigste Be⸗

steuerung des Branntweins sehe, ist Ihnen bekannt.“ 1

Nun, meine Herren, mir ist die Kolportage solcher Gerüchte nicht sie ist schon früher bei fast allen wichtigen Vorlagen der bemerkbar geworden. Ich erinnere beispielsweise Kanalvorlage im Landtage, wo ich persönlich damit hatte. Man hat sich immer ein Gewerbe

vor dem entscheidenden Momente sagen:

neu; Regierung an die

zu kämpfen

daraus gemacht, zu

der Herr Reichskanzler will nicht mehr, es ist das Gescheiteste, wir

lassen die Vorlage fallen.

Ich wünsche nichts sehnlicher, als daß diese Bemerkungen dazu beigetragen haben mögen, in Zukunft dies Gewerbe unmöglich zu machen und die Ueberzeugung zu verbreiten, daß die Vertreter der verbündeten Regierungen unter allen Umständen an den Vorlagen, welche die Regierungen dem hohen Hause machen, auch festhalten, und daß in specie bei dieser Vorlage ihre ungeheuchelte und ungetheilte Ueberzeugung dahin geht, daß es die beste Form der Branntwein⸗ besteuerung ist, die wir Ihnen vorschlagen. Meine Herren, wir halten an der Hoffnung fest, die gestern mein Herr Kollege ausgesprochen hat, daß, je länger und je mehr über dieses Projekt in der Kommission und im Plenum verhandelt werden wird, auch die Zahl der Freunde der Vorlage zunehmen wird. (Lachen links. Sehr richtig! rechts.) Ja, meine Herren, das Lachen bitte ich auf⸗ zuschieben bis zu dem Moment, wo die Vorlage in zweiter oder in dritter Lesung abgelehnt sein wird. Wer zuletzt lacht, lacht am besten. (Sehr richtig! rechts. Zuruf links: Wie beim Taback⸗Monopol!) Gut, es mag ja sein, Hr. Abg. Richter, daß die Sache so kommt wie beim Taback⸗Monopol, aber auch wenn wir mit dieser Vorlage unterliegen, so werden wir doch von der Ueberzeugung nicht lassen, daß die sehr gründliche Erwägung, die wir angestellt haben, und die sehr gewissenhafte Erörterung, die unserem Beschluß Bverausgegengen, eine so werthvolle ist, daß wir die Richtigkeit unserer Entschlüsse nicht in Zweifel zu ziehen nöthig haben. 8

Also, meine Herren, wir werden nach wie vor an der Hoffnung

festhalten, daß die Zahl der Freunde der Vorlage größer wird. Gebe Gott, daß sie so groß wird, wie wir sie brauchen, um dies von uns für heilsam erachtete Werk zur Durchführung zu bringen! Nachdem sodann der Abg. Graf von Bismarck (Schön⸗ hausen) auf die in der 59. Sitzung von dem Abg. Rickert vorgebrachte Behauptung: „Die erste Bemerkung über das Branntwein⸗Monopol sei in einer Wahlrede des Grafen Bis⸗ marck gefallen“ die bereits mitgetheilte Erwiderung gegeben hatte, versicherte der Abg. Fürst Hatzfeldt⸗Trachenberg, daß

er nicht Brennereibesitzer * auch keine Brennerei ver⸗ pachtet habe. Die Erhöhung der Einnahmen, die Bekämpfung der Branntweinpest zugleich ohne Schädigung der Landwirth⸗ schaft seien die bekannten Motive für die Vorlage. Jeder, dem

schen, daß es sich auf seine eigenen Füße stelle. In den Einzelstaaten seien die Abschaffung des Schulgeldes für die Volksschule und die Erleichterung der Kom⸗ munen dringende Bedürfnisse, von einer Erhöhung der Beamtengehälter werde man wohl vor der Hand absehen können. Aus den direkten Steuern könne man so hohe Mittel nicht nehmen, deshalb sei der Branntwein, von dem Niemand behaupten werde, daß er ein nothwendiges Lebensmittel sei ein günstiges Steuerobjekt. Er (Redner) glaube nicht, da sich der Konsum in erheblichem Maße beim Monopol vermin⸗ dern würde. Sodann aber handele es sich hier um ein Laster, welches eine Volkssünde geworden sei und Familie und öffent⸗ liche Ordnung bedrohe. Die erste prophylaktische Maßregel müsse in einer Vertheuerung des Rohmaterials bestehen. Anerkannt seien die Fuselöle das Gesundheitsschädliche im Branntwein, durch das Monopol übernehme der Staat die Rektifikation des Spiritus, er könne damit die verheerenden Wirkungen erheb⸗ lich vermindern. Für die Landwirthschaft sei die Brennerei von höchster Wichtigkeit; selbst angenommen, daß das Monopol für sie ein Geschenk wäre, so sei es ein freiwilliges. Aller⸗ dings würden sich manche Schwierigkeiten beim Monopol er⸗ geben, namentlich bei den Brennereien, die auch Mais brennten. Die Steuerbeamten seien ja sehr respektable Leute, aber wohlwollend seien sie nicht. Wenn man von dem Bier⸗ Monopol spreche, so sei er keineswegs ein Gegner desselben, denn auch das Bier sei ein sehr günstiges Steuer⸗ objekt. Das Monopol werde die Einheit und Macht des Reichs erhöhen, denn durch nichts geschehe das mehr, als durch gemeinschaftliche Ausgaben und Einnahmen. Die Reichsrente werde durch die erhöhten Ein⸗ nahmen des Reichs ein beliebtes Anlagepapier namentlich auch in Süddeutschland werden. Also finanzielle Bedenken seien nicht vorhanden. Er freue sich, daß Süddeutschland besser fortkommen solle als Norddeutschland, die Süddeutschen be⸗ kämen 29 Millionen mehr als ihnen nach den Verhältnissen zukäme, er gönne ihnen das und hoffe, daß das ihre Liebe zu den Norddeutschen befestigen werde. Nach den Motiven solle der Verkauf des Branntweins in Auktionen statt⸗ finden, er glaube, daß das nicht gehen werde, da sich bald Koalitionen der Käufer bilden würden. Seine Partei bedauere, daß viele Leute aus ihrer Erxistenz gedrängt würden, daß aber eine Menge Branntwein⸗ schenken eingingen, bedauere sie nicht. Verschleißer sollten in Stärke von 2 mobilen Armee⸗Corps angestellt werden, er habe das Vertrauen zu der Regierung, daß sie den Einfluß auf diese Leute nicht mißbrauchen werde. Man könnte aber wohl Garantien für die Zukunft gewinnen, indem man die Wahlen der Beamten in die Hände der Selbstverwaltung lege. Seine Partei wisse, daß das Gesetz gewisse Härten habe, und wolle die freie Erwerbsthätigkeit nach Möglichkeit wahren, aber sie hoffe, daß man noch in der laufenden Session zu einem befriedigenden Resultat kommen werde. Sollte die Vorlage selbst nichts Annehmbares ergeben, so hoffe seine Partei, daß die Kommission eine Maßregel vor⸗ schlagen können werde, auf welche Weise eine reichere Ein⸗ nahme aus dem Branntwein erzielt werden könne. Eine Konsumsteuer auf die Maischraumsteuer aufzubauen, halte er nicht für zweckmäßig. Man müßte dann die Maischraum⸗ steuer aufheben und Kartoffeln, Rüben und Getreide besonders besteuern, ferner hohe Exportprämien zahlen, neue Brennereien konzessionspflichtig machen und bei den alten eine strenge Kontrole einführen. Ueber eins brauche man sich nicht zu täuschen: Die Idee, den Branntwein höher zu besteuern, sei populär und dürfte auch hier im Hause eine Majorität finden! Der Abg. Oechelhäuser warf die Frage auf, warum die Nationalliberalen in dieser Frage nicht mit dem Centrum zu⸗ sammengehen sollten? Hätten etwa die Freisinnigen das Monopol dazu? Es sollte die Nationalliberalen freuen, wenn auch das Centrum für die Konsumsteuer wäre. Er glaube nicht, daß die Vorlage immer mehr Anhänger finden werde. Er würde eher das Taback⸗Monopol, wenn er von zwei Uebeln das größte zu bekämpfen hätte, bekämpfen, als das Brannt⸗ wein⸗Monopol, nichts desto weniger sei der Widerstand gegen dieses größer als gegen jenes. Viele, die bei der Abstimmung über das Taback⸗Monopol unsicher gewesen seien, hätten sich zu den Gegnern desselben bekehrt, keiner zu seinen Freunden. Die Nothwendigkeit einer Steuererhöhung werde überall anerkannt, ebenso, daß der Branntwein eins der geeignetsten Steuer⸗ objekte sei. Mit der Besteuerung nothwendiger Lebensmittel hänge die Branntweinsteuer nicht zusammen. Eine Licenzsteuer würde ziemlich aussichtslos sein, abgesehen davon, daß sie in den Rahmen der Landesgesetzgebung falle. Dagegen sei er für eine Konsumsteuer. Dieselbe lege der Landwirthschaft keine größeren Opfer auf und wirke an der richtigen Stelle, indem sie da eintrete, wo der Branntwein in den Konsum übergehe. Dann könnten auch die Brennereien ihre Fabrikation dauernd auf der Höhe erhalten, wie sie dem Konsum entspreche. Man dürfe auch das Interesse der kleinen Brennereien, wie sie zahlreich in Süddeutschland beständen, nicht außer Acht lassen, sie könntest vielleich ganz aus dem Gesetz erausgelassen werden. Ueber alle diese verschiedenen anderen ebenfragen müsse die Kommission eingehend berathen. Man dürfe aber nicht höher gehen, als bis V““ der jetzigen Steuer, um eine Krisis sowohl für die Landwirth⸗ schaft. als für die Brennereien zu vermeiden. Gegen den ge⸗ sundheitsschädlichen Branntwein biete allerdings das Monopol ein gutes Mittel, es sei aber nicht das Fünzige. Durch genaue olizeiliche Ueberwachung lasse sich dasselbe erreichen. Der schwüüchste unkt in den Motiven sei aber die Annahme, daß durch das Monopol eine Verminderung der erreicht werde. Sonst müßte in Schleswig⸗Holstein, wo für Brannt⸗ wein das Fünffache des Preises wie in Ostpreußen gezahlt werde, die Statistik eine viel geringere Zahl von an delirium potatorum Leidenden aufweisen als in Ostpreußen; aber gerade das Umgekehrte sei der Fall: in Ostpreußen kämen auf 100 000 Menschen 26 Fälle von Deliriumpatienten vor, in Schleswig⸗Holstein 46 Fälle also fast die voppelte Anzahl. Er erkläre Namens seiner Partei nochmals, daß sie an den positiven Aufgaben, die der Kommission gestellt seien, mit

as Wohlergehen des Reiches am Herzen liege, müsse wün⸗

vollem Herzen Theil nehmen werde und daß sie dabei auf das

Entgegenkommen der anderen Parteien und besonders der Reichsregierung rechnen müsse. In diesem Sinne sei er erfreut über die Erklärung des Reichskanzlers, daß die Regierung die

Gesetze einbringe, für zweckmäßig halte und daran festhalten müsse; er (Redner) hoffe aber, daß die Regierung sich nicht der Ansicht verschließen werde, daß das Monopol nicht das einzige zweckmäßige Besteuerungsmittel enthalte.

Der Abg. von Helldorff betonte: Seine Partei stehe der Vorlage durchaus sympathisch gegenüber und habe den festen Glauben, daß die höhere Besteuerung des Branntweins eine der wichtigsten Aufgaben einer gesunden Steuerreform sei. Sie halte zunächst die Vorlage für dringend nothwendig aus ethischen Güünden. Die Zunahme des Branntweingenusses sei einer der traurigsten Schäden der Kultur, und wenn man durch das Monopol den Genuß des Branntweins beschränke, so erfülle man damit eine Aufgabe von hoher ethischer Be⸗ deutung. Seine Partei verkenne aber nicht die großen einer Regulirung dieser Frage. Denn sie habe es zu thun mit einem großen blühenden Gewerbe, das eine große Bedeutung für den Export habe. Sie scheue aber durchaus nicht zurück vor dem Gedanken eines Monopols, obwohl sie nicht die großen Schwierigkeiten ver⸗ kenne, die ihm im Wege ständen. Die Gefühle und Meinun⸗ gen der Landwirthe und speziell der Brenner seien gegenüber dieser Vorlage sehr getheilt. Es herrschten in diesen Kreisen gerade die größten Bedenken gegen das Monopol. Durch das Resultat der ersten Berathung sei seine Hoffnung und sein Vertrauen auf ein dieses Gesetzentwurfs sehr herabgemindert. Zu seinem Bedauern hätten Wahl⸗ taktik und Parteitaktik bei den Parteien hier im Hause mehr Gewicht gegenüber dieser Vorlage ge⸗ habt, als sachliche und objektive Erwägungen. Von dem Abg. Richter, den er sonst immer als eine Finanz⸗ kapazität hochgeachtet habe, hätte er eine andere Rede erwartet. Dessen ganze neuliche Rede sei nichts weiter als eine Agita⸗ tionsrede gewesen. In dieser Weise sollte man die Vorlage nicht behandeln. Auch das Verhalten der anderen Parteien habe ihn in Erstaunen gesetzt. Vor 14 Tagen noch hätten einzelne Mitglieder des Hauses in Wahlreden im Sinne des Monopols gesprochen und hier gebe man die Erklärung ab: „dieses Monopol um keinen Preis.“ Er (Redner) habe aber die feste Hoffnung, daß die sachliche und objektive Behandlung für die Vorlage selbst noch günstig wirken werde. Je mehr sich das Publikum diese Frage überlege, je mehr die ruhige und besonnene Beurthei⸗ lung die Oberhand gewinne, desto eher hoffe er, werde diese Frage des Monopols, deren Schwierigkeiten er nicht verkenne, gelöst werden im Interesse des Reichs, im Interesse seiner Finanzpolitik und im Interesse der Kultur.

Der Abg. Dr. Bamberger bedauerte, daß der Reichskanzler verhindert sei, der Verhandlung beizuwohnen, denn sonst würde das Haus noch viel tiefer ergriffen sein von dieser wichtigen Berathung. Er (Redner) freue sich über die Erklärungen des Staats⸗Ministers von Boetticher, da danach die Abwesen⸗ heit des Reichskanzlers nicht eine Fortsetzung seines Schmollens sei, welches man seit der Polen⸗Interpellation hier erfahren habe. Der Reichskanzler sei kein zu verachtender Gegner, er (Redner) bedauere deshalb seine Abwesenheit, denn kein Geschäft sei unangenehmer, als offene Thüren einzuschlagen. Die Sache des Monopols scheine nach den bisherigen Verhandlun⸗ gen verloren zu sein und das sei erklärlich: aus dem Instinkt des Volkes heraus nach und nach habe sich ein spontaner, natürlicher, unüberwindlicher Widerstand gegen das Monopol entwickelt. Es sei ein großes Verdienst des Abg. Richter um das Land und um den Reichstag, daß er zuerst die Lärm⸗ kanone gegen das Monopol losgelassen habe. Solche Sachen müßten monatelang, jahrelang im Volke vorbereitet werden, dürften aber nicht so plötzlich aus der Kanone geschossen werden. Der Minister von Boetticher glaube, daß die Zahl der Anhänger des Monopols in der Kommission größer werden würde; das sei wohl möglich, denn kleiner könne sie gar nicht werden. Das Monopol führe naturgemäß zu einer Vernichtung der Privatthätigkeit, vom Staat werde immer mehr verlangt werden, sodaß schließlich alle Erwerbsthätigkeit monopolisirt werden müsse. Es sei aber nicht Zweck des Staates, so die Vorsehung und Allmacht zu spielen, die ihre Geschenke, Branntwein, Bier, Taback, Wein ec. nach allen Seiten ver⸗ theile. Der Weg aus der Tasche des Steuerzahlers in die allgemeine Staatskasse sei mit einer ganzen Anzahl un⸗ produktiver Anlagen verbunden, wie z. B. Beamtengehältern, Kontrolmaßregeln ꝛc., der Staat nehme also weniger ein, als er den anderen abnehme, neue Werthe schaffe daher das Monopol nicht. Seine Partei betrachte eine jede neue Steuer als ein Uebel, das nur zugelassen werden dürfe, wenn es das allgemeine Bedürfniß dringend erfordere, und wenn ein besonderer Vortheil für die Staatskasse daraus resultire. Er habe in der letzten Zeit bei manchen Vorlagen das Be⸗ denken gehabt, daß sie nur eingebracht seien, um Vorschub für die Einführung des Monopols zu leisten. So. habe er auch gegen die Kanalvorlage gestimmt, weil die Marine verwaltung und die Militärverwaltung ihm nicht die Zu sage gemacht hätten, daß der Nord⸗Ostsee⸗Kanal nach ihrer Ansicht im Interesse der Landesvertheidigung dringend nothwendig sei. Jetzt wolle man auch sogar dem Weine Reichssteuern auflegen, das wäre direkt verfassungs⸗ widrig und wenig volkswirthschaftlich, denn der Wein müsse erade den Schnaps verdrängen. Bei den konservativen Pro⸗ jekten werde nach und nach jeder Stand verdächtigt, bei den Seres g. seien es die Kaufleute und Agenten gewesen, bei den Versicherungsgesetzen die Aktiengesellschaften und Direktoren, dann die Tabackhändler, jetzt die Wirthe. Dieses System kennzeichne die sozialistische Anschauung der ganzen Vorlagen. Wolle man „angemessene Preise“, wie er Finanz⸗Minister wolle, zahlen, so sage man, was sei ein angemessener Preis? Das sei eine eminent sozia⸗ listische Anschauung. Wer solle die Mittel für den höheren Preis geben? Ein anderer Produzent. Die Konservativen nähmen also von einer Produktion ab, um die andere zu be⸗

ünstigen. Das unterscheide sich von dem sozialdemokratischen Prinsig nur dadurch, daß dasselbe einheitlich durchgeführt wer⸗