1886 / 64 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 15 Mar 1886 18:00:01 GMT) scan diff

gen. Einen Zuschlagszoll kenne der Tarif nicht, wenn also der Bundesrath für das Petroleum einschließlich des Fasses einen Hol von 6 und dann für das Faß noch inen Zoll von 4 einführe, so komme dies that⸗ sächlich auf eine Nettoverzollung des Petroleums her⸗ us, oder es werde dadurch geradezu ein neuer Zoll ingeführt auf Petroleumfässer, der bisher nicht erhoben orden sei. Dazu sei der Bundesrath nach Lage der Ver⸗ fassung und der Gesetze in keiner Weise berechtigt. Er habe auch bis zum Herbst vorigen Jahres diejenigen Grundsätze befolgt, welche für geltendes Recht angesehen würden. Wenn b er Staatssekretär sich auf die Handelskammer in Mannheim berufen habe, daß ein Mißstand vom Handel nicht empfunden werde, so verweise er (Redner) auf die Petitionen der Handels⸗ kammer in Stettin, der Aeltesten der Kaufmannschaft von Berlin, auf die Petitionen aus Hamburg, welche konstatirten, daß der Handel durch die neue Maßregel in hohem Maße geschädigt werde. Vor allen Dingen habe sich dadurch die Konjunktur insofern geändert, als der Bezug von Petroleum ein theuerer geworden sei, da die Kaufleute zum Theil schon Lieferungs⸗ verträge eingegangen seien. Wenn der Staatssekretär gemeint habe, daß solche Bestimmungen nicht gesetzlich geregelt werden könnten, so verweise er (Redner) darauf, daß sich in dem österreichischen Zollgesetz eine ähnliche Fassung befinde. Der Artikel der „Breslauer Zeitung“, den Hr. Gerlich citire, beziehe sich auf ein früheres Stadium der Kommissions⸗ verhandlungen. Bei der Erörterung der Rechtsfrage sei der Abg. Gerlich wirklich der Einzige gewesen, welcher den Stand⸗ punkt des Bundesraths vertreten habe. Der konservative Abg. Klemm habe auf nationalliberaler Seite gestanden, auch das Centrum, welches sonst für den Schutz der nationalen Arbeit eintrete. Uebrigens möchte er noch besonders darauf hin⸗ weisen, daß, wenn der Bundesrathsbeschluß von anderen Staaten nachgeahmt würde, dies unter Umständen eine Schädi⸗ gung der deutschen Industrie zur Folge haben könnte. Be⸗ kanntlich habe Deutschland einen sehr bedeutenden Bierexport. Wenn andere Staaten die Bierfässer in ähnlicher Weise be⸗ handelten, wie Deutschland die Petroleumfässer, dann würde die deutsche Bierkonkurrenz im Auslande fast unmöglich ge⸗ macht. Er bitte, den Beschluß der Kommission anzunehmen.

Der Abg. Broemel äußerte: Der Abg. Gerlich habe mit einer Beleidigung gegen die deutschfreisinnigen Wähler begon⸗ nen. Er spreche von den freisinnigen Wählern, die aus ge⸗ wissen Blättern ihren Bedarf an politischer Urtheilslosigkeit bezögen. Nun, daß der Abg. Gerlich hier im Hause einen Sitz habe, verdanke er allein der Einsicht der freisinnigen Wähler. Er sei gewählt worden in der Stichwahl, die dadurch allein zu seinen Gunsten entschieden worden sei, daß die freisinnigen Wähler für ihn gestimmt hätten. Der Abg. Gerlich spreche von einem Monopol. Allerdings, der Bundesrathsbeschluß schaffe ein Monopol für gewisse Großhandelshäuser. Die Deutschfreisinnigen bekämpften dies Monopol ebenso wie jedes andere Monopol; und er (Redner) wisse nicht, wie der Abg. Gerlich den Deutschfreisinnigen In⸗ konsequenz vorwerfen könne. Wenn der Bundesrathsbeschluß bewirken sollte, daß künftig das Petroleum in amerikanischen Cisternenschiffen eingeführt werde, so wäre das für die deutsche Seeschiffahrt ein harter Schlag. Er bitte, dem Kommissions⸗ vorschlag zuzustimmen, und konstatire dabei noch, daß die mit diesem Bundesrathsbeschluß gemachten Erfahrungen mehr und mehr in Handels⸗ und Gewerbekreisen die Ansicht befestigt hätten, daß alle solche Fragen wie die vorliegende, nicht dem Bundesrath zur Entscheidung überlassen, sondern gesetzlich ge⸗ regelt werden müßten.

Der Kommissionsantrag wurde darauf gegen die Stimmen der Konservativen, der Reichspartei und des kleineren Theils des Centrums angenommen.

Es folgte die Berathung des Berichts der Kommission über den Antrag Ausfeld und Genossen wegen Z ulassung des Rechtsweges in Zollstreitsachen.

Die Kommission beantragte: 8

1) den Bundesrath zu ersuchen, in der nächsten Session einen Gesetzentwurf vorzulegen, welcher die schließliche Entscheidung der in Zollsachen auftauchenden Rechtsfragen dem Rechtswege oder dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren überweist;

2) den Antrag Ausfeld und Genossen durch Annahme der Resolution für erledigt zu erklären;

3) die Petition der Handelskammer zu Frankfurt a. M., die Errichtung eines Reichs⸗Tarifamts für Zollwesen betreffend, durch die gefaßten Beschlüsse für erledigt zu erklären.

Die Abgg. Gerlich und Genossen beantragten, an Stelle der Nr. 1 des Kommissionsantrages zu beschließen:

Die verbündeten Regierungen zu ersuchen, behufs einheitlicher und beschleunigter Entscheidung von Tarifstreitigkeiten die Errich⸗ tung eines Reichs⸗Zolltarif⸗Amts in Erwägung zu ziehen.

Der Referent Abg. Meyer (Halle) führte aus, es sei in der Kommission anerkannt worden, daß eine Form gefunden werden müsse, in der Zollstreitigkeiten erledigt werden könnten, ohne daß allein die Verwaltungsbehörden entschieden. In der Kommission seien drei Wege vorgeschlagen worden, man habe aber die Diskussion darüber nicht zu Ende geführt, weil der Reichs⸗Schatzsekretär, abweichend von seinem im vorigen Jahre eingenommenen Standpunkt, in der Kommission erklärt habe, daß der Bundesrath geneigt sein werde, diese Frage in Berathung zu nehmen. Nachdem so die Neigung des Bundesraths, auf die Frage einzugehen, konstatirt gewesen sei, glaubten die Antragsteller selbst auf die weitere Berathung des Antrags verzichten zu müssen, weil nun weder im Hause, noch in der Kommission eine Mehrheit für den Antrag zu finden gewesen wäre; und weil es besser sei, wenn bei der Weiterbildung der Verfassungsinstitutionen die Initiative vom Bundesrathe ausgehe. So sei die Kommission dahin gelangt, sich auf eine Resolution zu beschränken und so dem Bundes⸗ rath die nöthige Anregung zu geben.

Hierzu bemerkte der Staatssekrctär des Reichs⸗Schatzamts von Burchard:

Meine Herren, der Herr Referent hat in sehr geschickter Weise versucht, einen Gegensatz zwischen den Auslassungen, welche im vorigen Jabre bei Berathung der Zolltarifnovelle von hier aus zu einem gleichlautenden Antrage gemacht sind, und meinen Aeußerungen in der Kommission darzulegen. Er sagte: die Aeußerungen, welche in der vorigen Session vor einem Jahre etwa gemacht sind, seien durchaus ablehnend gewesen dem Antrage gegenüber, ich aber wäre jetzt in der Form ntgegenkommend gewesen und in der Sache nicht absprechend. Ueber

ie Form habe ich nicht zu rechten. Es ist sehr gütig von dem Herrn Refecenten, wenn er die Form, in der ich mich äußerte, für eine kon⸗ ziliante erachtet, aber in der Sache selbst glaube ich mich in keinen Widerspruch mit den damaligen Erklärungen gesetzt zu haben.

Ich habe mich und das muß ich bestimmt hervorheben durchaus gegen die Zulassung des Rechtsweges, und zwar des Rechts⸗ n. ges sowohl als des Verwaltungsgerichtsweges denn das ist auch ein Rechtsmweg ausgesprochen. Ich habe gesagt, daß es unzweck⸗

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des bisherigen Rechtszustandes herbeizuführen, und ausdrücklich her⸗ vorgehoben, daß damit eine Verschiebung der Grenzen zwischen Justiz und Verwaltung herbeigeführt werden würde. Ich habe hervorgehoben, daß die Industrie auch eine derartige Einrichtung gar nicht wünscht, wenigstens in ihrer Mehrheit nicht. Es sind dem Herrn Reichskanzler eine große Anzahl von Eingaben von Handelskammern, namentlich aus Norddeutschland, aber auch zum Theil aus Süddeutschland zu⸗ gegangen, in denen mehrfach ausdrücklich gesagt wird, der Rechtsweg wäre nicht wünschenswerth für die Interessen der Industrie. Es käme der Industrie vor allen Dingen darauf an, eine schnelle und gleich⸗ mäßige Entscheidung herbeizuführen in Zolltarifsachen, und deshalb würde es zweckmäßig sein, ein Reichs⸗Tarifamt einzusetzen. Gegen den Rechtsweg in allen Gestalten habe ich mich durchaus ausge⸗ sprochen, und zwar nicht blos aus den verfassungsrechtlichen und staats⸗ rechtlichen Bedenken, die der Herr Referent hervorgehoben, sondern auch aus Zweckmäßigkeitsgründen, indem ich eingehend auszuführen suchte, daß damit der Sache nicht geholfen würde, daß hierdurch die Entscheidung nur verzögert würde und daß selbst, wenn eine Entschei⸗ dung des höchsten Gerichtshofes herbeigeführt werde, diese doch nur in äußerst seltenen Fällen präjudizirend für andere Fälle sein würde, und die Unsicherheit weit größer sein würde, als sie jetzt ist. Ich halte es für wichtig, dies hervorzuheben, und würde glauben, daß der Antrag, wie er hier vorliegt, daß ein Gesetz⸗ entwurf aufgestellt werden soll, welcher die schließliche Entscheidung der in Zollfragen auftretenden Rechtsfragen dem Rechtswege oder dem Verwaltungsgerichtsverfahren zuweist, sich nicht zur Annahme eignet. Ich glaube, die einzige Erwägung, die in dieser Beziehung anzustellen ist, muß dahin gehen, ob man etwa ein Reichs⸗Tarifamt gründet. In welcher Weise das geschehen kann, ob überhaupt der Bundesrath geneigt sein wird, auf einen solchen Vorschlag einzugehen, der von einer großen Zahl von Handelskammern angeregt ist, kann ich nicht sagen. Aber gegen den Gedanken, den Rechtsweg in irgend einer Form zuzulassen, muß ich in voller Uebereinstimmung mit den Aeuße⸗ rungen, die von hier aus vor einem Jahre gefallen sind, mich aus⸗ sprechen.

Der Antrag Gerlich wurde gegen die Stimmen der Deutschkonservativen und eines Theils der Reichspartei ab⸗ gelehnt; der Kommissionsantrag wiederum gegen die beiden konservativen Fraktionen und einen Theil des Centrums an⸗ genommen. Damit waren der Antrag Ausfeld und die dazu eingegangenen Petitionen erledigt.

Um 4 ½ Uhr vertagte sich das Haus auf Montag 2 Uhr.

Im weiteren Verlauf der vorgestrigen (40.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten erklärte bei Fortsetzung der Berathung des Etats des Ministeriums der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗An⸗ gelegenheiten, gegenüber dem Antrage des Abg. Lassen, Verlegung des Schullehrer⸗Seminars von Hadersleben nach Tondern und Gründung einer Realschule mit dänischer Unter⸗ richtssprache in Hadersleben, der Minister der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten, Dr. von Goßler:

Meine Herren! Ich möchte Sie bitten, den von dem Abg. Lassen gestellten Antrag nicht anzunehmen. Die Gründe, welche vor zwei Jahren zur Verlegung eines Theils des Seminars von Tondern nach Hadersleben geführt haben, sind in diesem hohen Hause schon im Februar 1884 an der Hand des Berichtes, den der Hr. Abg. Dr. Hartmann (Lübben) erstattet hatte, eingehend erörtert worden. In dieser Beziehung darf ich auf den stenographischen Bericht verweisen. Die Herren werden aus demselben entnehmen, daß die frühere Doppel⸗ anstalt in Tondern etwas Ungefüges war, und daß sich aus der Ein⸗ richtung einer dänischen und einer deutschen Abtheilung sogar diszi⸗ plinäre Unzuträglichkeiten entwickelt hatten. Deshalb hielt und hält die Unterrichtsverwaltung es für besser, daß die eine Hälfte des Seminars in Tondern als selbständige Vollanstalt nach Hadersleben verlegt worden ist, mitten in das dänische Sprachgebiet hinein, wenn schon in eine Stadt, in welcher das deutsche Element auch recht erheblich ist. In dieses Seminar werden vorzugs⸗ weise junge Leute aufgenommen, die der dänischen Sprache gar nicht oder nur unvollkommen mächtig sind, und es wer⸗ den ihnen einige aus dem dänischen Sprachgebiet stammende Semina⸗ risten zugetheilt. Auf diese Weise lernen die jungen Leute, die aus dem deutschen Sprachgebiet in das Seminar eintreten, in vortreff⸗ licher Weise dänisch. Das ist nach meiner Meinung eine Maßregel, die eher den Dank der dänischen Bevölkerung Nordschleswigs verdient, als den Tadel. Die Verhältnisse in den nordschleswigschen Schulen, namentlich in Hadersleben selbst, gehören zu den besten, die ich in meiner amtlichen Thätigkeit kennen zu lernen Gelegenheit hatte. Ich habe gefunden, daß in den Schulen der Stadt Hadersleben die Kinder fast ausnahmslos im Stande waren, beide Sprachen fast vollständig zu beherrschen. Ich habe das Examen den Geistlichen überlassen, welche beider Sprachen mächtig sind, und habe zu konstatiren, daß nicht allein die dänischen Kinder auf dänische Fragen deutsch und auf deutsche Fragen dänisch antworten, sondern daß sogar die deutschen Kinder auf deutsche Fragen dänisch antworten konnten. Wer sich überhaupt mit solchen Sachen beschäftigt hat, wird anerkennen müssen, daß die Leistungs⸗ und Bildungsfähigkeit dieser Kinder, aber auch die Tüchtigkeit ihrer Lehrer eine ganz außerordentlich an⸗ zuerkennende ist. Und, wie ich das auch anderweit ausgesprochen habe, was die deutschen Kinder anbetrifft, so geht das, was die dortigen Schulen nach der dänischen Seite leisten, sogar weit über das hinaus, was in den maßgebenden Vorschriften verlangt wird.

Wenn der Herr Antragsteller an den Antrag auf Zurückverlegung des Seminars den zweiten Antrag geknüpft hat, eine Realschule mit dänischer Unterrichtssprache in Hadersleben zu gründen, so hat er selbst schon darauf hingewiesen, daß das ein novum in der Unterrichtsverwaltung wäre. Höhere Unterrichtsanstalten, in denen nicht die Unterrichtssprache die deutsche wäre, kennt die Unterrichts⸗ verwaltung nicht mehr und denkt sie auch nicht einzurichten. Es ist außerdem in Hadersleben dem Bildungsbedürfniß der Bevölkerung im Vergleich mit der Zahl Derjenigen, welche ihre Kinder in die höheren Lehranstalten schicken, bereits weitgehend Rechnung getragen. Es besteht dort ein Vollgymnasium mit sechs Klassen, daneben bestehen zwei gesonderte Realklassen und eine Vorschulklasse Die sechs Gymna⸗ sialklassen werden besucht von 154 Kindern, die beiden Realklassen von 12, die Vorschulklasse von 15 Kindern. Die Zahl der Abiturien⸗ ten betrug Ostern 1884 1, Ostern 1885 3. Sie sehen aus diesen Ziffern, meine Herren, daß neben einer so schwach besuchten Deoppel⸗

anstalt Platz für eine andere höhere Lehranstalt nicht vorhanden und wie weit der preußische Staat durch Errichtung und Erhaltung der früheren Doppelanstalt den Bedürfnissen jenes nordschleswigschen Be⸗ zirks entgegengekommen ist.

Die Ausführungen des Hrn. Abg. Knörcke nöthigen mich in Folge des warmen Appells, den er am Schluß an mich gerichtet hat, zu einer kurzen Erwiderung In den Streit, den er zwischen sich und einem Universitäts⸗Professor konstruirt hat, trete ich nicht ein; ich habe bei anderen Gelegenheiten wiederholt meine Stellung dahin dokumentirt, daß ich von meinem Standpunkt es nicht für richtig halte, wenn der Unterrichts⸗Minister sich an die Kritik von Kol⸗ legien wagt, deren Wortlaut er nicht kennt und gar nicht im Stande ist, zu konstatiren. Aber auch, wenn er ihn konstati⸗ ren könnte, steht er richtiger vor der, von uns Allen heilig gehaltenen Unterrichtsfreiheit still, er muß sich meines Er⸗ achtens aus höheren Interessen durchaus versagen, eine Kritik eintreten zu lassen, die sehr viel weiter gehen würde, als es der einzelne Fall erfordert. Meine Stellung zur Volksschule habe ich im Hause und inmitten der Volksschullehrer auf Seminarlehrertagen und auf Seminaren selbst bei jeder Gelegenheit voll und warm zum Ansdruck gebracht. Ich liebe die Volksschule mehr als andere Theile meines Ressorts; ich halte hoch den Elementarlehrerstand, bestehend aus mehr als 60 000 Gliedern, der berufen ist, 4 ½ Millionen von unseren Mit⸗ bürgern zu lehren; 4 ½ Millionen Kinder besuchen unsere ca. 34 000

kann ich sagen, daß sich unter diesen 60 000 Lehrern auch ein Unter⸗ offizier in der Gegend von Memel befindet, und damit der Herr sich nicht vielleicht getroffen fühlt, schließe ich ihn in dieses Lob der Lehrer gern ein.

Ich habe jedoch immer ausgesprochen, daß der Lehrstand in sich mehr als ein anderer Stand die Kraft hat und haben muß, die An⸗ fechtungen, die irgendwie gegen ihn auftreten, über sich ergehen zu lassen. Jeder Angriff giebt einem tüchtigen Menschen, namentlich dem Erzieher des Volkes, erneuten Anlaß, sich selbst zu prüfen, Rechen⸗ schaft von sich zu fordern, Einkehr bei sich zu halten, aber er giebt ihm auch die Kraft, jeden ungerechtfertigten Angriff von sich fern zu halten. Es giebt keinen Beruf das habe ich schon öfter aus⸗ gesprochen der in sich das Maß der Befriedigung hätte wie der Lehrerstand. Nirgends ist die Pflichterfüllung von reicheren Früchten begleitet, als innerhalb des Elementarschullehrerstandes. Gegenüber dem Glück, welches die Lehrer in ihrer Pflichterfüllung finden, die Früchte zu sehen, die eine treue Thätigkeit von wenigen ahren ihnen gewährt, reiht sich, meines Erachtens, schwer ein anderer Beruf an die Seite. Ich hoffe, daß diese Worte, welche mit den oft von mir ausgesprochenen Aeußerungen übereinstimmen, sowohl den Abg Knörcke hier befriedigen, als auch darüber hinaus ihre Anerkennung finden werden. Ich habe in dieser Beziehung meine Stellung niemals verändert. Die erste Rede, die ich als Minister gehalten habe, galt den Seminarlehrern, und ich bin von den Grundsätzen, die ich damals ousgesprochen habe, meines Erachtens nie abgewichen.

Meine Herren, was die Ausführungen des Abg. von Stablewski betrifft, so glaube ich, nach Zeitungsberichten, daß die Schul⸗ petition aus Posen noch den Gegenstand von Erörterungen im Hause bilden wird, dabei wird sich Gelegenheit finden, näher auf die Angelegenheit einzugehen. Indessen darf ich wohl auf einzelne Be⸗ merkungen schon heute ganz kurz erwidern.

Der Hr. Abg. von Stablewski hat aus dem von mir nach Posen erlassenen Bescheide eine Stelle citirt, in welcher es heißt, daß „unter dem Drucke polnischer Geistlicher und einer, polnische Sonderziele verfolgenden Partei die deutschen Katholiken sich bestimmen lassen, ihre und ihrer Kinder deutsche Nationalität zu verleugnen.“ Ueber diese Frage habe ich an der Hand vieler einzelner Beispiele sehr oft mich hier ausgelassen; ich bin bereit, noch nehr Beispiele zu bringen, ich weise aber zurück, daß immer, wenn ich einen Haufen von Beispielen vorgeführt habe, der Schein angenommen wird, als wenn ich Spezialfälle überhaupt nicht beigebracht hätte. Vergessen Sie doch nicht, daß diese ganze Posener Agitation von einem Geistlichen geleitet und gelenkt wird, das ist der Geistliche von Kantecki, der Redacteur des „Kuryer Poznanski“. Dieser Herr ist derjenige, welcher früher Volksversammlungen ein⸗ berief und leitete, gegenwärtig aber Handwerker gewonnen hat, die vor der Oeffentlichkeit die Leitung in Volksversammlungen über⸗ nehmen. Er ist es, der auch in diesem Falle die Volksversammlung, welche sich mit dem Gegenstande beschäftigte, eröffnet und die Be⸗ schwerde mit einer Rede eingeführt hat. Es ist gar nicht zeifelhaft, daß die Petition, welche in die Versammlung schon fertig mitgebracht wurde, namentlich unter seinem geistlichen Einfluß entstanden ist, unter dem Einfluß eines Geistlichen, der seine seelsorgerische Thätigkeit innerhalb der Redaktion eines bekannten Blattes findet.

Was die Agitation anbetrifft, so ist für Jeden, der die Sache kennt, dieselbe doch nunmehr geschriebenen Rechtes. Alle Be⸗ schwerden übrigens, die ich jetzt erhalte es ist bekanntlich von der polnischen Parteileitung beschlossen worden, mit Beschwerden nicht generaliter, sondern in den einzelnen Schulgemeinden vorzugehen sind überwiegend von dem polnischen Rechtsschutzverein konzipirt, und wie ich jetzt auch verrathen kann, in ihrem Ursprung an der Handschrift des Kanzlisten dieses Rechtsschutz⸗ vereins vollkommen kenntlich. Ich kann nur den Herren in Posen empfehlen, sich einen neuen Schreiber anzunehmen, damit man nicht von vornherein den Petitionen ansieht, in welchem Büreau sie er⸗ wachsen sind. Auf diese Weise bekommt die Unterrichtsverwaltung diese Beschwerden zu Dutzenden. Also das ist wirklich eine ganz bewußte Agitation.

Was den Propst Dambek anbetrifft, so liegt die Sache 4 Jahre oder noch mehr zurück. Es handelt sich hier, wie ich schon neulich gesagt habe, darum, ob der Propst Dambek die Wahrheit sagte, oder ob die damals vernommenen Zeugen die Wahrheit bekundet haben. Die Provinzialbehörden haben sich damals auf Grund ihrer unmittel⸗ baren Kenntniß der Verhältnisse für die letztere Alternative entschieden.

Meine Herren, damit kann ich schließen. Ich bin sehr gern bereit, weiter in die Sache einzugehen, wenn wir ex professo dazu Gelegenheit haben. Ich darf nur noch erwähnen, daß ich vor mehreren Jahren anerkannt habe, daß in den Posener städtischen Schulen es an katholischen Lehrern fehlt, und daß zufolge meiner Anordnung die Zahl der katholischen Lehrer, welche vor wenigen Jahren nur 30 betrug, auf 49 vermehrt worden ist. Das ist doch ein erheblicher Umschwung der Verhältnisse. Wenn Sie berücksichtigen, daß die angestellten Lehrer nicht ohne Weiteres entfernt werden können, daß es aber bei den naturgemäß entstehenden Vakanzen erreicht wor⸗ den ist, in kurzer Zeit die Zahl der katholischen Lehrer so erheblich zu vermehren, so werden Sie anerkennen, daß ich die Worte, die ich hier eines Tages gesagt habe, auch voll eingelöst habe.

Der Abg. Dr. Mithoff erblickte in dem Angriff des Abg. Knörcke auf den Professor Treitschke einen Eingriff in die akademische Lehrfreiheit. Er könne nicht begreifen, wie der Abg. Knörcke sich sogar dazu habe versteigen können, die Hülfe des Kultus⸗Ministers gegen Professor Treitschke anzu⸗ rufen. Uebrigens brauche Derjenige, welcher diesen Gelehrten aus seinen Schriften und seiner Lehrthätigkeit kenne, ihn nicht gegen den Vorwurf vertheidigen, daß er für den Werth und die Entwickelung der Volksschule keinen Sinn habe. Es gäbe kaum einen zweiten Publizisten der Gegenwart, der es so wie Treitschke verstanden habe, die idealen Güter des deutschen Volkes zu heben und zu wahren. Der heutige Angriff werde das deutsche Volk in seiner Liebe zu diesem Manne nicht wankend machen. 8 Der Abg. Dr. Scheffer bemerkte, er sei mit dem Abg. Knörcke darin ganz einverstanden, daß die Aufgaben der Schule hohe seien und daß der Lehrerstand geschützt und geachtet werden müsse. Aber die rechte Seite des Hauses be⸗ dürfe einer derartigen Versicherung nicht. Dieselbe habe es noch in der letzten Periode bei dem Lehrerpensionsgesetz gezeigt, sie habe es auch sonst bewiesen, daß derartige Versicherungen überflüssig seien. Was nun die angebliche Aeußerung des Professors von Treitschke anlange, so wolle Redner dahin gestellt sein lassen, ob die Form derselben gerade sehr geschmackvoll gewesen sei. Aber vorausgesetzt, daß diese Aeußerung so gefallen sei, wie sie der Abg. Knörcke angeführt habe, so habe doch der letztgenannte Abgeordnete selbst ein Körnchen Wahrheit darin gefunden, indem er zugebe, daß eine Unzufriedenheit wohl theilweise im Lehrerstand vor⸗ handen sei. Wohin solle es aber führen, wenn in der Weise, wie es soeben geschehen sei, außenstehende Personen vor das Forum des Parlaments geführt würden? Dabei wisse der Abg. Knörcke nach seinem eigenen Zugeständniß selbst nicht einmal genau, ob alles das, was er als Grundlage seiner Mittheilungen gebe, richtig sei oder nicht. Im Beginn un⸗ gefähr seiner Auseinandersetzungen habe derselbe gesagt, es sei nicht unmöglich, daß der Professor von Treitschke diese Aeuße⸗ rungen gemacht habe, und am Schlusse habe er gesagt: „es ist wahrscheinlich“; er sei also in rascher Folge vom Nicht⸗ unmöglichen zum Wahrscheinlichen gekommen. Ja, wenn

mäßig sein würde, nach dieser Richtung hin eine Aenderung

öffentlichen Volksschulen. Wenn ich eine Parenthese machen darf,

in dieser Weise Angriffe aufgebaut würden, so sei

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eine ganz interessante Thatsache, die 8 statiren müsse. Vor Allem könne man aber den Angriff auf die akademische Redefreiheit nicht kräftig genuß beantworten, und es sei interessant, wie sich die Herren, die sonst die Frei⸗ heit der Volksrechte immer im Munde führten, dann verhiel⸗ ten, wenn diese Rechte mit ihren Bestrebungen in Kollision kämen. Redner wolle einen Fal⸗ der im Reichstage vor Kurzem erfolgt sei, kurz streifen. Dort sei seines Erachtens vollständig zu Unrecht der Versuch gemacht worden, richterliche Akte gewissermaßen der höheren parlamentarischen Kritik zu unterwerfen. Er wolle nicht weiter gehen und nicht auch die Freiheit der Professoren derartig beschränkt wissen, daß sie hier unter dem Damoklesschwert der gar nicht genügenden Parlamentskritik wirkten. Er halte das für bedenklich und er glaube, daf Alle, 88 Parteiunterschied, gegen derartige Ver⸗ e protestiren müßten. .

such Jer Abg. Knörcke verwahrte sich dagegen, daß er die aka⸗ demische Lehrfreiheit habe antasten wollen; er habe nur die parlamentarische Redefreiheit benutzt, um den Lehrerstand, der ebenso ehrenwerth sei wie der Professorenstand, gohen einen unter dem Schutz der akademischen Lehrfreiheit erfolgten An⸗ griff zu vertheidigen. Uebrigens sei ihm gar nicht eingefallen, den Prof. von Treitschke in der Weise anzugreifen, wie ihm die Vorredner vorgeworfen hätten. Ein so weitgehendes Inter⸗ esse habe er in der That für diesen Herrn nicht.

Der Abg. Szmula schilderte, anknüpfend an seine Bemer⸗ kungen in der Polendebatte, den Zustand der polnisch⸗deutschen Schulen in Oberschlesien als einen sehr traurigen, den er auf eine verkehrte Unterrichtsmethode zurückführte.

Der Abg. von Eynern bemerkte, daß die Rede des Abg. Knörcke auf ihn und seine Freunde einen peinlichen Eindruck gemacht habe. Dieselbe habe einen Angriff auf die freie wissenschaftliche Forschung, die Lehr⸗ und Lernfreiheit enthalten. Er (Redner) b sich als persönlicher Freund des Prof. von Treitschke veranlaßt, diesen Angriff zurückzuweisen. Hätte der Prof. von Treitschke dem betr. Schulinspektor, der ihn zur Rede gestellt, eine Antwort gegeben, so würde er damit die akademische Lehrfreiheit aufs äußerste gefährdet haben. Sollte er etwa dem Abg. Knörcke Rechenschaft geben? Welcher Sturm der Entrüstung habe sich in der deutschfreisinnigen Presse erhoben, als in der letzten General⸗Synode ein Ein⸗ fluß der Kirche bei Besetzung der theologischen Professuren ver⸗ langt worden sei. Da der Abg. Knörcke selbst zugegeben habe, daß er den authentischen Wortlaut der angeblichen Treitschke'schen Aeußerung nicht kenne, so müsse er seine Rede⸗ als einen der leichtfertigsten Angriffe auf eine bedeutende Persönlichkeit dieses Landes bezeichnen, die jemals vorgekommen seien.

Die Diskussion wurde geschlossen. ““

Persönlich bemerkte der Abg. Knörcke, daß sein Citat über die Worte Treitschke's B fcgfheschalos in mehreren pädagogi⸗

Blättern gestanden habe. schh Der b g; des Abg. Lassen wurde an die Budget⸗ kommission verwiesen und Tit. 1—22 des Kapitels bewilligt.

Tit. 27 zeigt in Folge der Erhöhung der Zahl der Kreis⸗Schulinspektoren eine Mehrausgabe von 104 840 Es hat sich, wie die Bemerkungen zum Etat ergeben, die engere Begrenzung einer Anzahl von Inspektionsbezirken zur erfolgreichen Führung der Geschäfte als nothwendig heraus⸗ gestellt.

Der Titel wurde vom Hause gegen die Stimmen des Centrums bewilligt.

Bei Tit. 28 „Behufs Errichtung neuer Schul⸗ stellen 250 000 ℳ“ und 28a „Zur Unterstützung un⸗ vermögender Gemeinden und Schulverbände bei Elementarschulbauten 650 000 ℳ“ plädirte der Abg. Jacobs (Bentheim) unter erneuter Betonung der für viele Gemeinden fast schon unerträglich drückend gewordenen Belastung mit Schulausgaben für eine höhere Dotirung dieser beiden Fonds, sowie für die Zuweisung von Unterstützungen aus dem Fonds des Tit. 28 a auch für den Fall, daß die Schule und die Lehrerwohnung sich nicht unter einem Dache befänden.

Der Minister der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗ Angelegenheiten, Dr. von Goßler, erwiderte, es würden an die Fonds zur Unterstützung bei Schulbauten so große Anfor⸗ derungen gestellt, daß es unmöglich sei, alle Wünsche sofort zu berücksichtigen.

Der Abg. Dr. Freiherr von Schorlemer⸗Alst tadelte die verkehrte Methode des Volksschulunterrichts auf dem Lande; es werde den einfachen Dorfschulkindern eine solche Menge überflüssiger Kenntnisse in Geographie, Naturkunde, deutscher Grammatik und dergleichen beizubringen gesucht, daß man darüber das wirklich für diese Jugend und ihr späteres Fort⸗ kommen Nöthige und Unentbehrliche völlig aus den Augen verliere.

Der Abg. Perger kam auf die noch immer nicht berück⸗ sichtigte wiederholte Bitte der Katholiken in Robkojen (Ost⸗ preußen) um Errichtung einer eigenen katholischen Schule da⸗ selbst zurück und beschwerte sich, daß die Mittel des Unter⸗ stützungsfonds für Schulbauten zu Ungunsten der Katholiken vertheilt würden. 3 8

Der Minister der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗ Angelegenheiten, Dr. von Goßler, wies diesen Angriff energisch zurück und erklärte, daß ein Drittel des bez. Fonds stets für katholische Schulen verwandt werde. b

Der Abg. Steinmann wies nach, daß auch im Osten die katholischen Schulen ausreichend unterstützt würden.

Die Titel wurden bewilligt.

In Titel 29 sind zum ersten Male 1 800 000 zu Pensionen für Lehrer und Lehrerinnen anöffent⸗ lichen Volksschulen in Konsequenz des Lehrerpensions⸗ gesetzes vom 6. Juli 1885 ausgebracht. b Die Position wurde genehmigt, desgleichen der Rest des

Kapitels. 6 Kap. 122 „Kunst und Wissenschaft

Es folgte

Bei Tit. 1—6, Kunstmuseen in Berlin 836 120 ℳ, forderte der Abg. Biesenbach die Verstärkung der Fonds für die Kunstpflege resp. die Verwendung derselben vorzugsweise im Interesse der ausübenden Künstler statt im Interesse der Verwaltung. In den Kreisen der Maler sei ein „werer Nothstand eingetreten, zumal die Erzeugnisse der Staffelmalerei bei der heutigen veränderten Geschmacksrichtung und infolge der Zollmaßregeln Nordamerikas jetzt sehr erschwerter Absatz hätten. Der Staat müsse, wolle er anders als wahrer Kunst⸗ mäcen gelten, auch hier helfend eintreten. 8

Der Minister der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗

Angelegenheiten, Dr. von Goßler, entgegnete: . Meine Herren! Als Antwort auf die eben gehörten Worte will ich mir gestatten, einige Zeilen aus der Rede zu verlesen, die im

Ich wünsche und hoffe, daß, wenn die Staatsfinanzen cs g statten, wir in die Lage kommen, den zeitgenössischen Künstlern noch höhere Beiträge zuzuführen. Die moderne Kunst liegt sehr darnieder wegen der Zollverhältnisse in Nord⸗Amerika. Ich will Ziffern nicht nennen, aber namentlich Düsseldorf und Berlin leiden sehr darunter, daß ein Drittel des Werthes als Zoll ent⸗ richtet werden muß. Aus diesen Gründen kann ich auch von meinem Standpunkt nur wünschen, 4. der Druck, der augenblicklich auf der deutschen Kunst lastet, von ihr genommen werden möge. .

Sie sehen also, meine Herren, daß ich die Antwort schon ein Jahr vorher ertheilt habe. Ich muß leider dem Herrn Vorredner darin Recht geben, daß seit dem vorigen Jahre eine Besserung nicht eingetreten ist. Er wird aber auch verstehen, wenn gerade in Folge der Diskussionen dieses Hauses Anlaß genommen worden ist, die An⸗ meldungen meines Ressorts zur Erhöhung der Fonds für künstlerische Zwecke zurückzustellen. Sie werden sich erinnern, wie vor Jahren hier Klagen laut wurden, daß für die Kunstbestrebungen sich der Beutel des Staates zu sehr öffne. Nun, diese Klagen sind auf guten Boden gefallen; und ich möchte nur wünschen, daß die Worte des Herrn Vorredners die Bedeutung des Schlüssels hätten, welcher das Schatz⸗ kämmerlein wieder öffnet. Meine Herren, wir haben im Ganzen nur 300 000 jährlich zur Verwendung, wie es im Titel heißt:

Zu Ankäufen von Kunstwerken für die Nationalgalerie, sowie zur Beförderung der monumentalen Malerei und Plastik und des Kupferstichs. 8. 1

Ich 5 im Augenblick die Uebersicht nicht zur Hand, welche ich 1885 im Januarheft der amtlichen Berichte des Jahrbuchs der Kunstsammlungen über die Verwendung habe aufstellen lassen, welche dieser Fonds in den ersten 11 Jahren seines Bestehens gefunden hat; die Herren werden daraus ersehen, daß ich so weitgehend als irgend möglich den zeitgenössischen Künstlern Förderung angedeihen lasse. Allein für Künstlerhonorare im Gebiete der monumentalen Kunst sind 1 ½ Mill. Mark verwendet, gerade die Hälfte der Summe, die im ganzen Zeitraum zur Verwendung gekommen ist. Daneben laufen noch die Honorare für Gemälde für die Nationalgalerie und für Kupfer⸗ stiche. Diejenigen, welche den 11] des Kupferstichs verfolgen, werden wissen, daß gerade auf diesem ebiete in den letzten Jahren sehr fruchtbar gearbeitet ist. Meine Herren, mit 300 000 ist nicht viel zu machen, das geben Sie mir zuz ich bestrebe mich deshalb, die Wir⸗ kung dieser Mittel intensiv zu steigern. Größere Kommunen, darauf lege ich besonderen Werth, fangen an, unter Beihülfe des Staates ihre Rathhaus⸗ säle angemessen auszugestalten, wozu der Stadtsäckel alsdann Beiträge giebt. Ich erinnere daran, was in Erfurt und in anderen Orten guf diese Weise erreicht ist. Man kann sagen, daß durch unsere preußischen Städte ein neuer Fus geht⸗ sie suchen nach Maßgabe ihrer Mittel eine Ehre darin, ihre öffentlichen Gebäude, voran ihre Rathhäuser, monumental zu schmücken. ““

Ich kann dem Herrn Vorredner nur dankbar sein für seine gute Absicht, aber ich würde ihm noch dankbarer sein, wenn er mir auch ein Mittel angäbe, wie ich das verfügbare Geld noch fruchtbarer an⸗ wenden könnte. Wenn man die Zahl der Künstler in Düsseldorf, Berlin, Kassel, Breslau, Hannover vergleicht und ungefähr überschlägt, wie ihre Einnahmen heut und vor 10 Jahren sich gestaltet haben, so tritt eine ganz bedauerliche Differenz hervor. Alle Maler, die auf Export nach Amerika arbeiten und das sind nicht die schlechtesten leiden heute schwere Noth. Man berechnet den Ausfall allein für Düsseldorf und München auf 3 Millionen Mark. Wie soll man denselben ersetzen? Ich habe nicht versäumt, auf diesen Uebelstand hinzuweisen, aber ich bin von meinem Ressort aus nicht im Stande, irgendwie Mittel vorzuschlagen, welche Amerika zu einer freundlicheren Stellung zwingen. Eine Bemerkung möchte ich noch daran knüpfen: wir machen die Erfahrung, daß unsere deutschen Künstler in Rom kaum mehr existiren können. Eine ganze Reihe ganz ausgezeichneter Künstler existirt in Rom fast nur mit Hülfe von Aufträgen der preußischen Kunstverwaltung. Es verkehren dort sehr viele Fremde, darunter sehr viele Deutsche, aber es ist eine allgemeine Klage, daß der deutsche Reisende nur ausnahmsweise von deutschen Künstlern kauft, es sich vielmehr zur Ehre rechnet, von Freänacsen Italienern, in neuerer Zeit auch von Nordamerikanern zu kaufen, während die Fremden schwerlich heutzutage große Summen bei deutschen Künstleru anlegen. Das ist auch etwas, was ich bitte zu beherzigen und in weitere Kreise zu geben. Diejenigen, welche nach Rom gehen haben präsumtiv, wenn man es addirt, Zehntausende und vielleicht noch mehr Mark übrig, und wenn sie es als ein Brchahgen betrachten, aus Rom ein Andenken zum Schmuck ihrer Häuslichkeit mitzubringen, warum sollten sie nicht auch Kunstwerke von Deutschen kaufen? Es kommt vor, daß Künstler von ausgezeichneter Begabung nicht im Stande sind, ein sehr gutes Porträt auch nur mit 50 Thalern bezahlt zu erhalten. Einen Künstler, der nicht wußte, wie er auch bei den bescheidensten Ansprüchen am nächsten Tage zu existiren vermöchte, habe ich mit Hülke eines Auftrags wieder in den Stand gesetzt, seine Kräfte schaffend und lehrthätig zu gebrauchen. Namen kann ich natürlich nicht nennen. 8 1

Aber der Herr Vorredner berührte einen Punkt, in welchem wir alle helfen können. Wir müssen es als Aufgabe unseres Patriotismus betrachten, daß, wenn wir Tausende von Mark in der Fremde aus⸗ geben, wir auch daran denken, bei wem wir das Geld anlegen. Wir haben meines Wissens jetzt nur noch einen oder zwei deutsche Bild⸗ hauer in Rom, die von Aufträgen existiren; bedeutende Künstler sind im Begriff, das Feld der Thätigkeit zu räumen, weil sie absolut keine Aufträge mehr haben. Früher galt es z. B. als eine Ehren⸗ sache, Grabdenkmäler bei deutschen Künstlern zu bestellen; das ist keine sehr lohnende, aber immerhin eine würdige Aufgabe; Porträtbüsten⸗Reliefs und Grabdenkmäler isin⸗ so zu sagen das Schwarzbrod für tüchtige Künstler. Damit ist es auch zu Ende; es ist meines Wissens nur ein einziger deutscher Künstler in Rom, der darin noch etwas zu thun hat. Da wir also, wie ich sehe, ganz auf demselben Wege wandeln und nach demselben Ziele streben, so wollen wir uns auch gegenseitig versprechen, daß wir den Patriotismus unserer Mitbürger auch in künstlerischen Dingen schärfen.

Nach einer kurzen Bemerkung des Abg. Cremer wurden die Titel bewilligt.

Bei Tit. ver „Nationalgalerie in Berlin“ 80 170 dankte der Abg. von Meyer (Arnswalde) der Verwaltung für die Ausstellung bemalter Statuen, aus der er freilich die Ueberzeu⸗ gung gest üögsthabe, daß die Alten ihre Statuen nicht bemalt hätten, wenigstens nicht in ihrer klassischen Periode. Auch bezweifle er, daß bei der Bemalung von Nuditäten die Keuschheit hätte gewahrt werden können; übrigens könne man ja an der berüchtigten Bacchantin von Kallide die praktische Probe machen, dann würde die Gruppe bald dahin kommen, wohin sie gehöre, in die Ecke, wo sie Niemand sehe. Redner erneuerte dann seine Bitte, daß die Bilder der vier Minister vom November 1848 in der National⸗Galerie eine Stätte finden möchten, und pole⸗ misirte unter andauernder Heiterkeit des Hauses gegen einen aus Anlaß des im vorigen Jahre Seitens des Redners ver⸗ lautharten gleichen Ersuchens in der „Berliner Zeitung erschiene⸗ nen Artikel, der diesem Wunsche das Gegentheil von Sympathie entgegenbringe. In dem Artikel sei der Redner zunächst als einer der bösesten Reaktionäre geschildert und danach eine Reihe von Gründen gegen die Verewigung von Manteuffel, Brandenburg, Ladenberg und Ftrothe in der National⸗ Galerie geltend gemacht. Manteuffel, heiße es da, dürfe nicht in die National⸗Galerie hinein, denn er habe Preußen nach Olmütz geführt. Redner wolle über Olmütz nicht reden, obwohl er es 8 einen Grundstein der Farngen heutigen Verhältnisse halte; aber für den 9. November 1848, für den Bruch mit der Revolution müsse Manteuffel in die Galerie hinein! Die Ausführung würde Redner in der Weise vorschlagen, daß man von Sr. Majestät

bei Fehrbellin“ erbäte dem Schimmel, an den geschossen worden sei, und auf den Froben sich gesetzt habe, um sich für seinen Herrn zu opfern, hätten auch nachher viele brave Preußen und H Manteuffel gesessen und die vier Minister darum gruppirte; den alten Wrangel würde er darüber aufhängen und dem Ganzen als Inschrift Wrangels Worte zufügen, mit denen er die Bürgerwehr am 9. November 1848 aufgelöst habe: „Jetzt verduften Sie, verstehen Sie mir!“ 1 Bei den Tit. 12—16 (Königliche Bibliothek zu Berlin) berührte der Abg. Schmidt (Stettin) die Neuordnung, die in der Verwaltung der Förelschen Bibliothek 7 Berlin getroffen sei, und wünschte die Erhöhung der Mittel zu Neu⸗ anschaffungen für die Bibliothek. Der Abg. Dr. Kropatscheck sprach dem Minister seinen Dank aus für das, was er in den letzten Jahren an den Bibliotheken gethan habe, und bedauerte, daß die Po⸗ sition von 75000 ℳ, welche der vorjährige Etat im Extraordinarium für Neuanschaffungen aufgewiesen habe, jetzt auf 50 000 herabgesetzt sei. Was die Benutzung der Bücher betreffe, so wäre es bedauerlich, wenn nach Art des 2e Museum von einer Verleihung von Büchern nach außerhal ganz abgesehen werden sollte. Für die deutschen Verhältnisse würde es eher angezeigt sein, in Bezug auf die Ausleihung von Büchern noch eine größere Liberalität denn bisher ein⸗ treten zu lassen. Der Abg. Dr. Lieber wünschte gleichfalls, daß von der Umwandlung der Bibliotheken in Präsenz⸗Bibliotheken Abstand genommen werde. Der Regierungskommissar, Geheime Regierungs⸗Rath Dr. 8 erwiderte, daß die Einrichtung einer Präsenzbibliothek schon durch das Bibliotheksstatut ausgeschlossen sei. Für die Anregungen, die heute erfolgt seien, könne die Verwaltun nur dankbar sein. Man müsse dabei aber immer berück⸗ sichtigen, daß man erst am Anfang der Reorganisation der Bibliotheksverwaltung stehe. Es werde eine Benutzungsord⸗ nung auf liberalster Grundlage ausgearbeitet werden. Auch die Frage der Pflichtexemplare werde eine Regelung erhalten. Vor allem werde dafür gesorgt werden müssen, daß in das Ordinarium des Etats für die Zwecke der Bibliothek eine Summe G werde, mit welcher dieselbe bestehen könne. Die Titel wurden bewilligt. Um 4 ¼ Uhr vertagte das

Centralblatt für das Deutsche Reich. Nr. 11. In⸗ halt: Allgemeine Verwaltungssachen: Doppelte Anrechnung der Dienstzeith der in deutschen C g ut von Afrika angestellten Konsularbeamten. Zoll⸗ und Steuerwesen: Befugniß einer Zoll⸗ stelle; Bestellung eines Reichs⸗Bevollmächtigten. Bank⸗Wesen: Status der deutschen Notenbanken Ende Februar 1886. Polizei⸗ Wesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiete.

Amtsblatt des Reichs⸗Postamts. Nr. 9. Inhalt: Verfügungen: Vom 26. Februar 1886. Einführung grüner Wechsel⸗ stempelmarken. Vom 9. März 1886. Post⸗Dampfschiffverbindung Kiel-—Korsör. 88

Archiv für Post und Telegraphie. Nr. 4. Inhalt: Aktenstücke und Aufsätze: Der Betrieb in den Ruhe⸗ und in den Arbeitsstromleitungen (Schluß). Schiedsspruch des Reichsgerichts, betreffend die Tragung der Kosten für Instandsetzung beschädigter Bahnpostwagen. Die dritte Berathung des Etats der Reichs⸗Post⸗ und Telegraphenverwaltung im Reichstage für das Jahr 1886/87. Kleine Mittheilungen: Der zwölfte Jahresbericht der japanischen Postverwaltung. Kosmographie Dante's. Ueber die Eisenbahnen in der östlichen Provinz der Kapkolonie. Die Dampfstraßenbahnen in Ober⸗Italien. Zeitschriften⸗Ueberschau.

Deutsches Handelsarchiv. Märzheft. Inhalt: Erster Theil: Gesetzgebung und Statistik. Gesetzgebung. Dcutsches Reich: Zulassung von Veilchenwurzelpulver bei der Herstellung von Taback⸗ fabrikaten. Zolltarifirung von Feuerlöschpulver. Zoll⸗ tarifirung von sogen. „Restorine“ und „Lactina“. Deutsches Reich und Frankreich: Protokoll, betreffend die deutschen und französischen Besitzungen an der Westküste von Afrika und in der Südsee. Deutsches Reich und Dominikanische Republik: Schiffahrts⸗ und ShööG zwischen dem Deutschen Reich und der Dominikanischen Republik. Dänemark; Lootsen⸗, Warp⸗ und Vertäugebühren für den Hafen von St. Thomas. Zölle und Schiffahrtsabgaben auf St. Thomas. ö Zoll⸗ behandlung von Chlorür (Chlormangan, salzsaures angan). Portugal: Zolltarif. Behandlung der auf fremden Schiffen aus den östlich vom Kap der guten Hoffnung gelegenen portugiesischen Be⸗ sitzungen nach den portugiesischen des europäischen Kontinents und der angrenzenden Inse .

Mexiko: Befreiung verschiedener Gegenstände vom gangszoll. Rußland: Zollbehandlung verschiedener stände. Vereinigte Staaten von Amerika: Zolltarifentschei⸗ dungen des Schatzamts. Rumänien: Verbot des Verkaufs von ausländischen süsmmengesetten Arzneien und pharmazeutischen Spe⸗ zialitäten ohne Genehmigung Seitens des obersten Sanitätsraths. Schweiz: Tarifentscheidungen des eidgenössischen Zolldepartements im Monat Januar 1886. Schweden und Norwegen: Verzeichniß der⸗ jenigen an der See belegenen Orte, welche neben den Stapelplätzen des Reiches im Jahre 1886 Zollplätze sein sollen. Italien: Zoll⸗ behandlung verschiedener Gegenstände. Tara für Gespinnste auf hölzernen Spindeln. der provisorischen Erhebung der für gewisse Artikel eingeführten Zoll⸗ und Steuererhöhungen. Uru⸗ guay: Errichtung eines Laboratoriums für die Untersuchung von Ge⸗ tränken. Frankreich: Zeitweilige Zulassung von zur Musselin⸗ fabrikation und zu Halbseidengeweben bestimmten Baumwollen⸗ garnen. Statistik. Schweden und Norwegen: Die Brannt⸗ weingewinnung in Schweden in den Jahren Oktober 1882 bis 1883 und Oktober 1883/84. Italien: Der auswärtige

andel im Jahre 1884, insbesondere der Verkehr mit Deutschland.

weiter Theil. Berichte über das Inland. Bromberg. Posen. Bremen. Stuttgart. Mannheim. Mainz. Krefeld. Liegnitz. alle a. d. S. Flensburg. Nürnberg. Glogau. Görlitz. Erfurt. Gera. Magdeburg. Breslau. Gleiwitz. Elberfeld. Karlsruhe. Chemnitz. Dresden. Leipzig. Aachen. Münster i. W. Emden. Minden. Königsberg i. Pr. Danzig. Tilsit. Kassel. Hamburg. Osnabrück. Siegen. Stralsund. Köln. Mülhausen i. E. Metz. Essen. Dort⸗ mund. 1 a. M. v W. Kottbus. Kiel. Memel. Frankfurt a. O. ““ Bielefeld. Heracher⸗ Straßburg i. E. Koblenz. Braunschweig. München. Düsseldorf. Augsburg. Lübeck. Stettin. Stolp. Berichte über das Ausland. Europa. Ostende: Handelsbericht für das Jahr 1884. Groß⸗ britannien: Die Lage der Baumwollen⸗Industrie im Jahre 1885. Türkei: Weinausfuhr im Jahre 1885. Rußland: Zuckerausfuhr. Sewastopol: Hendefsbehecuns im 8 1885. Asien. Japan: Schiffahrtsverhältnisse in Hiogo⸗Osaka bezw. Japan. Die Sorghum⸗ zucker⸗Produktion. Yokohama: Handelsbericht für 1884. Smyrna: Die Lage des Zuckermarktes. Penang: Die Lage des ieiche⸗ und die Zuckerproduktion der Provinz Wellesley

Ein⸗

alakka). Afrika. Natal: Zuckerproduktion Amerika. Colum⸗ ien: und Banken. Die Zuckerverhältnisse. Mexiko: Die Lage der Textil⸗Industrie. Die Lage des 82 marktes. Cuba: Die Lage des Zuckermarktes. Barbados:

Jahre 1885 von mir hier gehalten worden ist:

das im Schlosse hängende Bild „der große Kurfürst

Zuckerausfuhr im Jahre 1885. Australien. Adelaide: Das Woll⸗

Haus die weitere Berathung des Kultus⸗Etats bis Montag

i eingeführten Waaren.

Gegen⸗