Der Regierungskommissar, Geheime Ober⸗Justiz⸗Rath Schmidt erwidert ß die V 1 Schm. widerte, daß die Verwaltung in eine nochmalige
Prüfung dieser Frage bereits eingetreten sei.
„Der Justiz⸗Etat wurde darauf unverändert nach den Be⸗
schlüssen zweiter Lesung genehmigt.
Beim Etat des Ministeriums des Innern be⸗ merkte der Abg. Dirichlet, er habe den Eindruck, daß bei der Besetzung der Stellen der Strafanstalts⸗Direktoren und Straf⸗ anstalts⸗Beamten nicht immer die nöthigen sachlichen Rück⸗
sichten auf die Qualifikation der betreffenden Persönlichkeiten genommen würden, sondern daß man bisweilen, nicht mit voller Absicht, aber instinktiv, von der Meinung ausgehe, daß diese Stellen besonders geeignet wären, Beamten aus den höheren Ständen, 12 in anderen Carrièren auf Schwierigkeiten gestoßen seien, ein Unterkommen zu ewähren. Der in die Strafanstalts⸗Direktorstelle zu Berlin berufene, jetzt verstorbene Hr. von Bennigsen⸗ Förder hätte jedenfalls in seinem Vorleben den Be⸗ weis dafür geliefert, daß er eine der Haupteigenschaften für ein so schwieriges, so verantwortungsvolles Amt, die der Selbst⸗ beherrschung, nicht besessen habe. Einige Zeit darauf sei dann ein Mann hierher versetzt worden, und seine Versetzung sei eine Beförderung gewesen, der bei Gelegenheit einer Wahl⸗ prüfung als Zeuge fungirt habe, und dessen Stellungnahme bei dieser Gelegenheit ihn auch nicht besonders zu empfehlen geeignet gewesen sei. Ferner sei vor nicht gar zu langer Zeit an einer Strafanstalt in den östlichen Provinzen ein Mann an⸗ gestellt worden, der ursprünglich Militär gewesen sei, dann seinen Abschied habe nehmen müssen, als Hauptmann ver⸗ abschiedet worden sei, zunächst als Stationsvorsteher einer ganz kleinen Station einer nunmehr verstaatlichten Privatbahn ein Unterkommen gefunden habe und dort plötzlich nach einer stattgehabten Kassenrevision seine Stellung habe verlassen müssen — die betreffenden Summen seien nachher durch Verwandte gedeckt worden, und auf vieles Bitten habe die Direktion von der Einleitung der strafrechtlichen Verfolgung Abstand ge⸗ nommen —; nach einiger Zeit sei er in Berlin als Geschäfts⸗ agent aufgetreten, und vor Kurzem habe er als Zeuge in einem antisemitischen Prozeß fungirt, um Auskunft über ge⸗ wisse Wuchergeschäfte zu geben. Bei dieser Gelegenheit habe man erfahren, daß er jetzt eine Stelle als Strafvollzugs⸗ beamter einnehme. Redner habe von diesen ihm zur Kenntniß gekommenen Thatsachen dem Ober-⸗Präsidenten der betreffenden Provinz privatim Kenntniß gegeben und von ihm erfahren, daß er dem Minister von denselben Mittheilung gemacht habe. Nach dem Vorgetragenen scheine ihm System in der Sache zu liegen, daß man weniger nach der sachlichen Qualifikation, als nach solchen persönlichen Rücksichten bei der Besetzung dieser Stellen verfahre.
Der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Minister des Innern von Puttkamer entgegnete:
Meine Herren, wenn der Herr Vorredner im Eingange seiner Ausführungen darauf hinwies, daß es sehr schwierig sei, die richtige Auswahl in Bezug auf die Anstellung im Strafanstaltsdienst zu treffen, so glaube ich diese seine Aeußerung noch dahin erweitern zu müssen, daß ich es auch für sehr schwierig halte, das richtige Maß in der Kritik dieser Anstellungen einzuhalten. Ich werde mir erlauben, den Beweis dafür gleich an der Hand der Ausführungen des Herrn Vor⸗ redners selbst zu führen, indem ich zunächst die drei Fälle, von denen er sprach, einer Erörterung unterziehe.
Ein ungeeigneterer Moment, wie der gegenwärtige, konnte wohl von dem Herrn Vorredner nicht gewählt werden, um einem ver⸗ storbenen Beamten noch einen Stein in das Grab nachzuwerfen. Was demselben aus seiner früheren Stellung auch zur Last zu legen sein mag, entzieht sich in diesem Augenblick gänzlich der Kritik dieses Hauses. Ich kann nur das bekunden, daß der verstorbene Hr. von Bennigsen⸗Förder in der Stellung, die ich ihm nach voller Erwägung der Umstände hier anvertraut habe, Vorzügliches geleistet hat, nach dem übereinstimmenden Zeugnisse seiner Vorgesetzten. Und wenn der Hr. Abg. Dirichlet noch besonders darauf hinwies, daß er gerade hier mit besonderer Schonung und Rücksicht vorgehe, so muß ich das Gegentheil behaup⸗ ten. Er hätte, wenn er diese Aeußerung mit irgend einem Schein von Recht thun wollte, mindestens sich auch vergewissern müssen, daß der verstorbene Hr. von Bennigsen⸗Förder der neuen Stellung sich nicht gewachsen gezeigt hätte. Ich konstatire hier das Gegentheil.
Was den zweiten von ihm hervorgehobenen Fall betrifft, so kann ich nur sagen, daß der Beamte, um den es sich hier handelt, auch sich in einer Lage befindet, die von dem Hrn. Abg. Dirichlet füglich hätte berücksichtigt werden sollen. Dieser Beamte ist in Aus⸗ übung seines Amtes in frevelhafter und brutaler Weise von einem entlassenen Gefangenen schwer verletzt worden. Er hat sich bei dieser Angelegenheit sowie bei allen sonstigen dienstlichen An⸗ lässen musterhaft benommen; er ist jetzt in Ehren pensionirt.
Was den dritten Fall betrifft, in welchem nach der Meinung des Herrn Vorredners die erforderliche Vorsicht bei der An⸗ stellung eines Strafanstaltsbeamten vernachlässigt sein soll, so muß ich auch sagen, daß mich die Art, wie der Abg. Dirichlet dabei verfahren ist, doch einigermaßen in Erstaunen versetzt hat. Warum denn dieser Privatbrief an den betreffenden Ober⸗Präsidenten? Warum hat denn der Abg. Dirichlet sich nicht einfach an mich gewendet? Ich bin in diesem Augenblick nicht in der Lage und lehne es ab, bei einem Fall, der bei meiner Instanz schwebt und erörtert wird, Rechenschaft zu geben. Soviel über die drei Spezialfälle, aus denen der Vorredner irrthümlich glaubt herleiten zu dürfen, daß bei der Besetzung der Stellen der Beamten in der Strafanstalts⸗ verwaltung nicht nach richtigen Grundsätzen verfahren werde. Ich lehne das vollständig ab. Es thut mir leid, daß der betreffende De⸗ zernent in dieser Sache nicht die Ehre hat, hier gegenwärtig zu sein — das ist auch wieder eine Folge davon, daß man mit solchen Sachen in der dritten Berathung des Etats unvermuthet vor das Haus tritt —, um diese Vorwürfe zu widerlegen, ich thue es meinerseits nur, soweit ich bei der allgemeinen Kenntniß dieses mir unterstellten Verwaltungs⸗ zweiges dazu im Stande bin. Es ist richtig, daß in der Strafanstalts⸗ verwaltung eine Anzahl von früheren Militärs die leitenden Stellen einnehmen, und zwar ist der bestehenden Praxis gemäß eine prozentuale Theilung zwischen Offizieren und Personen der militärischen Unter⸗ klassen gemacht. Ich glaube nicht, daß man nach unseren vorliegenden Erfahrungen wird sagen können, daß mit diesem System irgend ein Nachtheil für die Strafanstalten verbunden ist. Ich gehe weiter, meine Herren, ich bin sogar davon überzeugt, daß es sowohl im Inter⸗ esse der Strafanstaltsverwaltung, als auch dem eben so sehr in Betracht zu ziehenden Interesse der Armee und der Versorgung der ihr früher Angehörigen liegt, so zu verfahren, wie jetzt verfahren wird. Es be⸗ ruht auf wohl erwogenen Allerhöchsten Vorschriften, und ich werde mir nicht gefallen lassen, daß der Abg. Dirichlet auch nur mittelbar versucht, hier daran zu rütteln.
Ich kann nur sagen, daß es sehr schwierig ist, namentlich für frühere Offiziere, sich in derartige neue Stellungen hineinzufinden, und es ist nicht immer zu vermeiden, daß, ich will nicht sagen, Miß⸗ geiffe begangen werden, aber doch die Erfahrung sich später erausstellt, daß der Betreffende, der sich um eine solche Anstellung im Strafanstaltsdienste beworben hat, seinerseits sich in einem Irrthum über die von ihm zur erfolgreichen Bekleidung einer Stellung in der Verwaltung der Strafanstalten zu fordernden Eigen⸗ „aften befand; aber im Großen und Ganzen hat sich diese Einrichtung vorzüglich bewährt; denn der frühere Militär weiß die Disziplin zu handhaben, und vor allem ist in der Strafanstaltsverwaltung nöthig
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gerechte Handhabung der Disziplin. Und einung, daß es wohlgethan ist, solche Ein⸗ Bezug auf die Besetzung der Beamtenstellen wie sie jetzt bestehen, und ich kann daß der Abg. Dirichlet in irgend einer Weise den
eine zwar strenge, aber auch ich bin nach wie vor der M richtungen zu treffen in2 1G Strafanstaltsverwaltung, nicht finden,
Irrthum oder im Einzelfalle eine unrichtige nden Anstellungsvorschriften obwaltet. Der Abg. Dirichlet meinte, der Minister habe die Frage anz anderes Feld hinübergespielt. R gemacht darüber, daß er etwa gegen Der Minister habe sich in die Brust geworfen, diese Auffassung zurückzuweisen; er hätte sich seine Erregung sparen können. Redner halte seine Bemerkungen durchaus aufrecht; er habe vom Vorleben der Betreffenden gesprochen, was nachträglich geschehe, sei für die von ihm aufgeworfene Frage gleichgültig. 1 Der Abg. v. Rauchhaupt bemerkte, der Abg. Dirichlet habe heute auch keine Selbstbeherrschung bewiesen, sonst hätte er nicht in so unerhörter Weise außerhalb des Hauses stehende Personen angegriffen,
oder ein grundsätzlicher Handhabung der betreffe
Redner habe nicht te Andeutung
die Verwendung von Militärs wäre.
Freunden nicht genug, politischen n aus dem Amt zu bringen, auch noch nach seinem Tode griffen Warum denunzire man nicht die angeblichen Strafthaten dem Staatsanwalt? Wenn man dies System weiter so betreibe, werde es Zeit, auf Remedur dagegen zu denken, daß im Hause Angriffe auf außerhalb Stehende in dieser Art erfolgen könnten.
Der Abg. von Bismarck ( Förder, der auch in seinem C tor gewesen sei, das beste Zeugniß.
Der Abg. Dirichlet sagte, er habe das leugnet; das Vorleben des Genannten
sie ihn an!
Flatow) gab Hrn. von Bennigsen⸗ Berichtsbezirk Strafanstalts⸗Direk⸗
nicht entfernt ge⸗ habe aber doch er⸗ e hinreißen lassen, Nicht Redner und
wiesen, daß er sich von seiner Heftigkeit hab die Pflichten seines Amtes zu verletzen.
die Angriffe vertheidigen könnten, könne haupt sein Pathos sparen;
Fürsten Bismarck oder den Minister von Goßler dann wäre sie am Platze gewesen.
sollte sich der Abg. von Rauchhau enossen im Reichstage halten. habe Redner sich schienen habe, es überdies le sei, an wen er sich wenden w dritten Lesung des Etats über informirt zu werden, Der Minister des Meine Herren!
Abg. von Rauch⸗ hätte er seine R
Auch was Pietät betreffe, pt an seine Gesinnungs⸗ An den Ober⸗Präsidenten sachlich richtiger ge⸗ diglich in sein Ermessen gestellt Er hätte gebeten, bis zur den Stand der Sache näher es sei das aber nicht geschehen.
von Puttkamer ervpiderte: — Ich möchte hier doch zunächst k wenn der Hr. Abg. Dirichlet auffallend findet, Ober⸗Präsident ihm nicht über de f menen Schritte geantwortet hat, ich
gewendet, weil ihm dies
onstatiren, daß daß der betreffende n Erfolg der von ihm unternom⸗ es im Gegentheil sehr auffallend geantwortet hätte: doch bis jetzt in der preußischen Staatsverwa daß Provinzialbeamte das Recht sich zuscht des Ministerialressorts sich direkt mit einem T Wirkung in Verbindung zu setzen, gezogen werden. antwortliche Chef der in Hr. Abg. Dirichlet mit der erklärten Ab hier im Hause zur S dann — ich wiederhole es — ist meinerseits, daß
ltung noch nicht Gebrauch, über Gegenstände lbgeordneten mit der daß daraus amtliche Konsequenzen das wohl führen? Ich bin Verwaltung, und wenn der sicht, demnächst die Dinge prache zu bringen, einen solchen Fall ist es der ganz natürliche Wunsch er die Güte haben möchte, sich unmittelb zu wenden und nicht den Umweg über machen. Ich lehne es dabei aus wärtigen Augenblick hier Rech Hr. Abg. Dirichlet doch woh können, daß, sowie zu amtlichen Schritten fül wie aus der Pistole geschossen, die muß. Dazu gehören Erörterungen un Abg. Dirichletsich auf den sehr rigoros ausgeführt hat, finde ich es erklärlich Rücksicht nimmt auf scheidung, von
genehmer ist, al
Wohin sollte
Rede stehenden
ar an mich die Provinzialbehörde zu drücklich ab, bei diesem Fall im gegen⸗ enschaft zu geben, umsomehr als der I nicht etwa wird die Forderung auf⸗ einmal eine Mittheilung gemacht ist, die dann auch gleich, so zu sagen, Entscheidung herbeigeführt werden d Ermittelungen, und wenn der Hr. en Standpunkt stellt, den er zu Anfa daß er in diesem Falle viel weniger den betreffenden Beamten und auf die Ent⸗ welcher dessen Schicksal abhängt, und daß es ihm lgemeine Beschwerden, die z. Z. dastehen, zur Sprache zu bringen.
Ich habe aber deshalb blos das Wort ergriffen, um den Eindruch wie der Hr. Abg. Dirichlet behauptet, die anz anderes Gebiet gebracht hätte. Er hat aller⸗ neinen Spezialfall, aber in einem Tone, welcher allerdings für mich darauf see⸗ er die grundsätzliche Bevorzugung von militäris Anstellung in der Strasverwaltung einer abfäll wollte. Ich glaube, der größte Theil des Hau druck, und wenn der nimmt, so ist mir nicht unterdrücken, ganze zwecklose Disku
Der Abg. Dirichlet meinte, nie zurück, vielmehr hätte der seinen Ausführungen etn tionen habe er von früheren Kollegen de Direktor der jetzt verstaatlichten Es thue ihm leid, das Lob Minister dem Ober⸗Präsidenten gespend ihm geantwortet, Redner habe sogar pe⸗ Wenn der Abg. Glaubwürdigkeit etwa habe er um Beweise.
Der Abg. Dr. Rickert Zeitung“ in Thor mittheilt, wonach werden sollten. Wahrheit beruhe.
Der Minister des Innern von
Meine Herren! In Bezug auf den Herrn Vorredners möch möglich ist, zu wissen, den allerletzten Tagen selbst anerkennen, d für mich liegt. schaftlichen Verh Regierung in d ausgewiesener russisch⸗polnisch haben und noch befinden, der Kaiserlich russischen t den mindesten Zw
hren kann,
doch noch beweislos
zu zerstören, als wenn ich, Diskussion auf ein g dings angeknüpft au einer Färbung, in hließen ließ, chen Anwärtern bei igen Kritik unterziehen ses hat denselben Ein⸗ Hr. Abg. Dirichlet jetzt das ausdrückl ehr lieb. Ich kann aber ß es mir lieber gewes sion unterlassen.
dann die Bemerkung esen wäre, hätte er di
ht er nehme irgend etwas Minister Veranlassung gehabt, von was zurückzunehmen. s Beamten, der frühere Bahn habe sie ihm bestätigt. zerstören zu müssen, das der et habe: derselbe habe rsönlich mit ihm darüber von Rauchhaupt seine (Redners) in Zweifel ziehen wollen, so bitte
brachte einen Artikel der brache, welche einen russischen Ukas he in Polen ausgewiesen ster, ob diese Nachricht auf
„Ostdeutschen
sämmtliche Deutsche in Er fragte den Mini
Puttkamer erklärte:
Schluß der Anführungen des ß es für mich nicht che Regierung etwa in Herr Vorredner wird
hte ich doch bemerken, da was die Kaiserlich russis beschlossen hat. aß das außerhalb des Bereichs der Mö Nur so viel kann ich ihm sagen, daß b andlungen, in denen wir mit der Kai Angelegenheit,
bei den freund⸗ — serlich russischen die Uebernahme diesseits er Unterthanen betreffend, uns auch nicht die leiseste Andeutun
ieser ganzen
A g einer solchen Regierung zu Tage getreten ist, und daß die ganze Nach⸗ cher Nachrichten. Innern wurde bewilligt. irthschaftlichen Ver⸗
daß ich nich richt aus der Luft ge Der Etat des
eifel daran habe, griffen ist, wie so viele sol 8 Ministeriums des
Es folgte der Etat der landw waltung.
Der Abg. brachte die Frage der Wildschäden zur
geboten. Man brauche ein Wildschaden⸗Entschädigungsgeset oder man müsse das Nadikalmittel ergreifen, das Wild für vogelfrei zu erklären, so daß es Jeder zu schießen berechtigt sei. Dann werde der Wildschaden von selbst schon aufhören. Er bitte den Minister, seine Vorschläge in wohlwollende Er⸗ wägung zu nehmen.
Der Abg. Rickert wünschte eine Revision des Fischerei⸗ gesetzes und fragte an, ob eine solche in nächster Zeit zu er⸗ warten sei.
Der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten
Dr. Lucius entgegnete, die Revision des Fischereigesetzes werde in nächster Zeit zu Ende geführt werden. Was die Klagen über Wildschaden betreffe, so sei bereits von Seiten der Ver⸗ waltung nach Möglichkeit den Schäden entgegen getreten wor⸗ den. Viele dieser Klagen seien aber unbegründet. In vielen Fällen seien Einzäunungen der Jagdreviere vorgenommen worden, die den Wildschaden fast ganz verhüteten. Ueberdies werde der diesjährige lange und harte Winter die Zahl der Thiere in einer Weise reduziren, daß man für die nächsten Jahre keine großen Klagen über Wildschaden zu befürchten haben werde. Der Abg. Cremer wünschte, daß den Fischern mit Rück⸗ sicht auf den strengen Winter während der Schonzeit Dispens ertheilt werde, anstatt wie bisher während dreier Tage, während dreier Nächte, da der Fischfang in der Nacht ergiebiger sei.
Der Staats⸗Minister Dr. Lucius erklärte, daß in diesem Jahre von der Dispensationsbefugniß der Verwaltung der weitgehendste Gebrauch gemacht werden werde.
Der Abg. von Gerlach beantragte, das Maximalgehalt der Meliorations⸗Bauinspektoren von 3600 ℳ auf 4800 ℳ zu erhöhen.
Die Budgetkommission beantragte die Ablehnung des Antrags.
Ag Graf Strachwitz lenkte die Aufmerksamkeit des Ministers auf die alljährlich wiederkehrenden Ueberschwem⸗ mungen in Oberschlesien und fragte an, in welcher Weise beabsichtigt sei, diese Kalamität zu beseitigen.
Der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten Dr. Lucius erwiderte:
Meine Herren! Die Frage der Regulirung der oberen Oder hat ja die hohen Häuser des Landtages wiederholt in den letzten Jahren beschäftigt; diese Angelegenheit hat auch unausgesetzt die Auf⸗ merksamkeit der Königlichen Staatsregierung beansprucht. Es ist auch, wie der Herr Vorredner ausgeführt hat, bei Gelegenheit der Bewilligung der Nothstandsforderung ein nicht unbeträchtlicher Betrag ausgesetzt worden für die Regulirung eines Theils des oberen Oder⸗ laufs an der Einmündung der Olsa. Diese Melioration ist, soweit ich übersehen kann, eine vollständig nützliche und segensreiche gewesen. Wenn die Versuche, auch den weiteren Lauf der Oder zu reguliren, bisher nicht von Erfolg gewesen sind, so liegt das doch wesentlich mit daran, daß Seitens der Adjazenten bisher die Bereitwillig⸗ keit zu eigenen Leistungen leider sehr gering gewesen ist. Es ist ja bekannt, daß unser Etat für die Regulirung der nichtschiffbaren Theile von Strömen nur eine sehr unbeträchtliche Summe aussetzt. Wir sind also auf diesem Gebiet lediglich darauf angewiesen, den Weg der Ge⸗ nossenschaftsbildung zu versuchen, um Flußregulirungsprojekte zu Stande zu bringen, und ich kann nur die Bereitwilligkeit der König⸗ lichen Staatsregierung aussprechen, diesen Versuchen auch weiter för⸗ derlich zu sein, im Wege der Genossenschaftsbildung diese Regelung allmählich zur Ausführung zu bringen. Ich muß dabei allerdings auf die Mithülfe der dortigen Kreise rechnen, in ihren eigenen Leistungen so weit zu gehen, wie sie irgend in dem eigenen Interesse ihren Mit⸗ teln nach gehen können.
Was den Antrag des Hrn. Abg. von Gerlach betrifft, so muß ich meinerseits vollkommen’ die Berechtigung desselben anerkennen. Es scheint mir unabweisbar, die Konsequenz zu ziehen für die Meliorationstechniker aus den Gehaltserhöhungen, die für die Beamten der allgemeinen Bauverwaltung durch den letzten Etat er⸗ folgt sind. Diese Konsequenz ist um so weniger abzuweisen, als es sich hier um eine sehr kleine Anzahl von Technikern handelte. Wir haben blos 13 derartige Stellen, und zwar setzen dieselben eine be⸗ sondere technische Befähigung voraus, da ihr Wirkungskreis ein solcher ist, welcher weit über die Bedeutung einzelner Baukreise hinausgeht. Ich bin also durchaus der Meinung, daß es unabweisbar ist, auch eine Gehaltserhöhung vorzunehmen für die Meliorationstechniker, entsprechend der, welche für die anderen Baubeamten durch den letzten Etat aus⸗ gesetzt ist. Wenn diese Konsequenz für den jetzigen Etat noch nicht gezogen worden ist, so lagen besondere Verhältnisse vor, die eine recht⸗ zeitige Verständigung darüber nicht zuließen, ich gebe mich aber der sicheren Hoffnung hin, daß wenigstens im nächsten Etat diese Ungleich⸗ heit eine Ausgleichung erfahren wird.
Die Abgg. Knebel, Berger (Witten) und Mooren be⸗ fürworteten gleichfalls den Antrag des Abg. von Gerlach.
Der Abg. Frhr. von Zedlitz und Neukirch bat gleichfalls, dem Antrag von Gerlach zu entsprechen. Mit demselben ziehe man nur die Konsequenzen früherer Beschlüsse. Der Antrag sei nur eine Forderung der ausgleichenden Gerechtigkeit.
Der Antrag von Gerlach wurde angenommen.
Beim Extraordinarium des Etats der landwirthschaftlichen Verwaltung bat der Abg. I Dr. Frhr. von Schorlemer, den Fonds zur Förderung genossenschaftlicher und kommunaler Flußregulirungen im nächsten Etat in das Ordinarium hinüber zu nehmen, da dieser Fonds doch dauernd nothwendig sei.
Der Abg. Schultz (Lupitz) schloß sich diesem Wunsche an und wünschte ferner eine Erhöhung dieses Fonds.
Der Abg. Knebel führte aus, daß durch eine Erhöhung des Fonds die Abwehrmittel gegen die Ueberschwemmungen vermehrt würden und indirekt dadurch die Steuerkraft der Be⸗ völkerung gehoben werden könne.
Der Abg. von Puttkamer (Plauth) richtete an die Regierung die Anfrage, wie es mit der Regulirung der Weichsel und Nogat stehe.
Der Staats⸗Minister Dr. Lucius ertlärte:
Meine Herren! Die eben angeregte Frage ist ja in diesem hohen Hause wiederholt erörtert worden. Sie hat wesentlich auch mit darunter gelitten, daß immer ein Projekt durch das andere todt gemacht worden ist. Und gerade die Ausführungen, die der Abg. von Puttkamer zuletzt gegeben hat, rufen in mir die Besorgniß hervor, daß die Basis der Verständigung, die wir seit zwei Jahren gewonnen haben, und auf der wir fortgebaut haben und augenblicklich noch weiter fortbauen wollten, möglicherweise wiederum verschoben wird.
Wir haben das sogenannte große Projekt I., was die gänzliche Coupirung der Nogat aussprach, als in letzter Instanz verworfen und nicht mehr existirend seit 2 Jahren behandelt, und ich muß dringend davon abmahnen, daß man jetzt, wo alles Mögliche und Erreichbare für die Regulirung dieses großen Stromgebietes vorbereitet ist, wie⸗ derum das in Frage stellt durch Zurückkommen auf das alte verworfene Projekt. Es.ist, nachdem das Projekt der gänzlichen Coupirung der Nogat aus den Verhandlungen ausgeschieden war, das zweite Projekt ausgearbeitet worden, dessen wesentlicher Theil in dem Durchstich der Nehrung be⸗ steht, wodurch, wie man annimmt, einmal den Schiffahrtsinteressen, und dann auch den Vorfluthinteressen der betheiligten Landes⸗ theile genün vird, so daß wenigstens künftig so große Kalamitäten wie sie zuletzt bei der letzten großen Ueberschwemmung stattgefunden haben,
Eine gesetzliche Regelung dieser Frage sei dringend
vermieden werden dürften. Nachdem dieses Projekt aufgestellt war, ist ein Kostenanschlag gefertigt worden und derselbe im vorigen Jahre
mit einer ausführlichen Denkschrift an den Herrn Ober⸗Prä denten gegangen, um die betheiligten Deichverbände sowohl wie die Ver⸗ treter der Schiffahrtsinteressen darüber zu hören, inwieweit sie für die Ausführung dieses Projektes sich interessiren, mit eigenen Leistungen betheiligen wollen. Diese Verhandlungen haben bis zur Stunde zu einem Ergebniß nicht geführt, weil von Seiten der Interessenten bisher eine Bereitwilligkeit zu erheblicheren Leistungen nicht hervorgetreten ist. Es haben also diese Verhandlungen vorläufig negativ geendet. „Damit ist aber 87 Fektft ns der Sache zwar um einige Monate 1 „aber keineswegs aufgegeben. 8 8 gan schweben jetzt Verhandlungen zwischen den betheiligten Ministerien, also dem Ministerium der öffentlichen Arbeiten, in erster Linie dem Finanz⸗Ministerium und dem landwirth⸗ schaftlichen Ministerium, worin sich die betheiligten Ressorts bestreben, eine Basis der Verständigung zu suchen, um in die Lage zu kommen, den Interessenten eine bestimmte Proposition zu machen, wie weit die Staatsregierung glaubt in ihren Leistungen gehen zu können, und was sie von Seiten der Interessenten glaubt beanspruchen zu müssen. Ich glaube, daß es zweckmäßig ist, das Er⸗ gebniß dieser Verhandlungen zunächst abzuwarten, ehe man weiter mit neuen Projekten in dieser ganzen Frage eintritt. 1u“] Neben diesem allgemeinen Regulirungsprojekt — was ja in jedem all, wenn es auch mit möglichster Beschleunigung betieben wird, zu seiner Ausführung Jahre bedarf — ist neuerlich vorgeschlagen, um die von der Nogatüberschwemmung bedrohte Niederung zu⸗ schützen, wieder ein Eiswehr einzurichten bei der Abzweigung des Nogatkanals. Diese Ausführung würde dem großen Flußregulirungsprojekt vorangehen können und diesen unmittelbaren Gefahren in absehbarer Zeit vor⸗ beugen können, da es von jenem ganz unabhängig “ Daß in diesem Jahre in höherem Maße wie in irgend einem früheren die Befütchtung vorliegt, daß wir schwere gefährliche Eis⸗ gänge und Ueberschwemmungen zu gewärtigen haben, diese Befürch⸗
tung wird an zuständiger Stelle getheilt. Ich kann hier mittheilen,
daß sowohl von Seiten des Ministers für öffentliche Arbeiten wie auch meinerseits die nöthigen Anordnungen ergangen sind, sich vorzu⸗ bereiten auf alle möglichen Eventualitäten, um Gefahren nach Mög⸗ ichkeit vorzubeugen. 8
Bezug 3 die Weichsel sind wir ja durch die Erfahrungen der letzten Jahre bis zu dem Punkte wenigstens beruhigt, als sich die Arbeiken und Leistungsfähigkeit der Eisbrechdampfer im Großen und Ganzen bewährt haben, und wir hoffen, wenn sich nicht ungewöhnlich ungünstige Kombinationen von Umständen, wie Eisstockung und kon⸗
träre Winde, also elementare Mächte vereinigen, die keine menschliche Vorsicht überwinden kann, daß dann soweit möglich den dro henden
Eventualitäten vorgebeugt wird.
Der Etat der landwirthschaftlichen Verwaltung wurde an⸗ genommen, ebenso der Etat der Gestüts⸗ und der Kriegs⸗
verwaltung.
Zum Etat des Kultus⸗Ministeriums ergriff der
Finanz⸗Minister Dr. von Scholz das Wort:
Ich bitte um die Erlaubniß, bei diesem Titel einen kleinen Zwischenfall erledigen zu dürfen, der bei der zweiten Berathung an diesen Etatstitel geknüpft ist. Ich konnte damals leider den Ver⸗ handlungen des hohen Hauses nicht beiwohnen, sonst hätte ich die Sache
sofort zum Austrag gebracht.
Der Hr. Abg. Dirichlet hat nämlich bei zweiter Berathung im Anschluß an diesen Titel das Verhalten des Herrn Kultus⸗Ministers bekämpft und mein Verhalten mit dem des Herrn Kultus⸗Ministers in besondere Parallele gestellt. Nun würde mich dies natürlich nicht zu einer Entgegnung veranlassen, va ich es mir zur Ehre rechne, wenn mein Verhalten mit dem des Hrn. Kultus⸗Ministers parallel geht, er hat sich aber dabei doch in einer Weise näher geäußert, daß ich nicht
schweigen darf. Er sagt:
Ich will übrigens bemerken, meine Herren, daß diese Art, aus den Akten des Ministerii zur Diskreditirung eines Beamten Mittheilungen zu machen, keineswegs absolut neu ist, es ist meines Wissens der zweite Fall, dem wir unter der zeitigen Regierung gegenüberstehen. Ich besinne mich, daß der Herr Kollege des Herrn Kultus⸗Ministers, der Herr Finanz⸗Minister — ich weiß nicht mehr, war es hier oder im Reichstage, aber das thut nichts zur Sache — ein Schriftstück verlesen hat, eine Motivirung einer Abstimmung seines früheren Ministerkollegen, unseres jetzigen
Kollegen Hobrecht.
Er führte im Anschluß daran aus, wie es allerdings seltsam sei, daß er und seine Freunde die guten Traditionen des preußischen
Beamtenthums gegen die beiden Minister vertreten müßten.
In den Zeitungen haben wir damals die Andeutung gefunden, es bezöge sich das auf die Abstimmung des Hrn. Ministers Hobrecht zum Taback⸗Monopol. Der wahre Sachverhalt kann nur der sein, daß sich das beziehen soll auf die Reichstagsverhandlung vom 9. Dezember 1882, wo zur Berathung stand die Frage der Einführung zweijähriger Etatsperioden, speziell die Frage: ob, wenn man im Reiche zu zwei⸗ jährigen Budgets übergehen wollte, dann auch für Preußen es sich
wirklich rechtfertigen lasse, namentlich finanz⸗technisch den gleichen Schritt zu thun. Es wurde von einigen Herren die Meinung vertreten, daß, wenn sich das für Preußen nicht möglich machen lasse, dies ein Argument sei. es auch beim Reiche nicht einzuführen, denn dann sei an eine wirkliche Fruktifizirung doch nicht zu denken. Dieser Zusammenhang veranlaßte den preußischen Finanz⸗Minister, zu der Frage besonders Stellung zu nehmen und seine Argumente thunlichst erschöpfend vorzubringen. Nun hatte ich, wie ich glaube, ein günstiges sachliches Moment dafür geltend zu machen, wenn ich dem Reichstage die Ueberzeugung gewäh⸗ ren könnte, daß das nicht blos eine Auffassung des damaligen Finanz⸗ Ministers wäre, sondern wenn ich ihm aus den Akten des Finanz⸗
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Ministeriums beweisen könnte, daß drei Finanz⸗Minister hintereinander
dieselbe sachliche Auffassung gehabt haben.
Um dieses Argument zu verwerthen, habe ich in der Verhand⸗ lung des Reichstages, also vom 9. Dezember 1882, ausgeführt: das ist nicht etwa meine Ansicht allein; seit 1879, wo die Frage der zweijährigen Etatsperioden überhaupt erst auf das Tapet gebracht worden ist, hat man im preußischen Finanz⸗Ministerium immer so edacht. Und weil ich ja besorgte, daß auf diese bloße Erklärung sin das vielleicht angezweifelt werden würde, hatte ich eine An⸗ zahl Aeußerungen, die die Protokolle des Staats⸗Ministeriums darüber an die Hand geben, mitgebracht und zur Verlesung gebracht. Es betrafen diese die erste Zustimmung, die ich für mich nutzbar machen wollte, die Hr. Staats⸗Minister Hobrecht im Staats⸗ Ministerium meiner Auffassung nach dahin abgegeben hatte, daß es finanz⸗technisch in Preußen in der That auch ausführbar wäre. Ich fuhr dann fort: Ebenso hat mein unmittelbarer Amtsvorgänger, der Hr. Minister Bitter gedacht, und ebenso denke ich. Also drei Finanz⸗ Minister nach einander sagen in diesem Punkte dasselbe, obwohl sie doch in allen Punkten vielleicht nicht auf demselben Standpunkt stehen.
Nun ist mir ja dabei zu meinem größten Schmerze klar geworden, daß im Augenblick der Verhandlung des Reichstages der Hr. Abg. Hobrecht diese Sache als eine Verletzung auffaßte, die ich ihm zufügte. Ich habe deshalb wiederholt mich damals bemüht, das Sachverhältniß klar zu stellen. Denn mein Motiv bei der Mittheilung — und ich glaube, das ist auch sehr durchsichtig war einzig und allein das, sachlich für mich außer meiner eigenen Ansicht auch die gleiche meiner Amtsvorgänger, trotz ihrer politisch vielleicht verschiedenen Stellung, gelkend zu machen und in dem Sinne die Sache zu fördern. Und ich würde, wenn die Herren (links) einmal an derselben Stelle sich be⸗ fänden, und sie wollten Widersprüche, die ihnen von der rechten Seite begegnen, damit zurückweisen, daß sie sich auf meine Erklärungen in den Akten des Finanz⸗Ministeriums berufen, — ihnen diese voll⸗ kommen preisgeben, ich würde es ihnen sehr verdenken, wenn sie die Argumente, die sie aus meinen Erklärungen etwa für eine günstige Regelung benutzen könnten, nicht benutzen wollten; ich finde darin nichts, habe nichts darin gefunden und deshalb habe ich nicht Bedenken
getragen, es so auszuführen.
Dagegen hat mir das Motiv natürlich absolut fern gelegen, dabei
eren Herrn Minister, den damaligen Herrn Abgeordneten
zum Reichstage Hobrecht irgendwie verletzen, diskreditiren zu wollen. Ich habe gegen diesen Herrn nichts anders als die hochachtungsvollste und freundlichste Gesinnung; ich wüßte nicht, wie und woher ich dazu kommen sollte, gegen diesen Herrn irgend eine Verletzung zu beab⸗ sichtigen. Das hat mir absolut ferngelegen. Ich habe ihm das selbst erklärt; ich habe heute die Hoffnung, daß er selbst nicht mehr an einen animus injuriandi in irgend welcher Form bei mir irgendwie glaubt.
Das ist also das wahre Sachverhältniß. Nun aber hat der Hr.
Abg. Dirichlet von dieser ganzen Geschichte, wie seine Worte ja be⸗ kunden, nur eine ganz dunkle, trübe Erinnerung. Er sagte:
Ich weiß nicht mehr, war es hier oder im Reichstage, ich glaube, es war im Reichstage, aber das thut ja nichts zur Sache (!)
Er hat aus dem Köcher dieser ganz unbestimmten Erinnerung den Pfeil gegen mich abgeschossen, daß ich zur Diskreditirun g eines Beamten Mittheilung aus den Akten gemacht hätte. Was ist also das Resumé dieser ganzen Sache? Er hat nicht Mittheilung aus den Akten, sondern aus einer dunklen, falschen, irrigen Erinnerung Mittheilung gemacht, um mich zu diskreditiren. . Splitter in meinem Auge gesehen über den Balken hinweg, der in seinem eigenen Auge liegt. Ich kann das nicht unwidersprochen lassen, weil es wieder ein drastischer Belag ist für die Mittel, mit denen von der Seite (links) gekämpft wird. Ich kann es aber auch nament⸗ lich deshalb nicht unwidersprochen lassen, weil mir sehr viel daran liegt, diese Legende und diese üble Nachrede, als ob ich je die Absicht gehabt hätte, dem Hrn. Abg. Hobrecht irgend etwas ihm Unangeneh⸗
mes, ihn Verletzendes zu sagen, nicht bestehen zu lassen.
ihm Gelegenheit gegeben habe, die Sache klar zu legen. Der Staats⸗Minister von Scholz entgegneie:
Andeutung eines Ueberfalls decken zu wollen.
was ich gesagt habe.
selbe aus der Känemereikasse 600 ℳ bezogen habe.
Und er hat den
Der Abg. Dirichlet bemerkte, er könnte mit viel mehr Recht als vorhin der Minister des Innern von einem Ueberfall des Finanz⸗Ministers sprechen. Der Finanz⸗Minister habe den Sachverhalt, wie Redner ihn vorgetragen habe, durchaus be⸗ stätigt. Ob er sich auf den Reichstag oder Landtag beziehe, ändere an dem, was der Minister gethan habe, nicht das Mindeste. Sei es ein Wunder gewesen, daß ein Unbetheiligter davon denselben Eindruck empfangen habe, wie der zunächst betheiligte frühere Minister von Hobrecht? Redner verlas die betreffende Antwort des Abg. von Hobrecht auf jene Rede des Finanz⸗Ministers, worin derselbe es tadelt, daß man aus dem Zusammenhang gerissene einzelne Worte vorgelesen habe, die er in seiner amtlichen Stellung unter dem Schutze der Dis⸗ kretion gebraucht habe. Redner dankte dem Minister, daß er
Meine Herren! Es ist ja schwer, gegen eine solche Art der Debatte sich mit vollem Erfolg zu wenden: denn der Herr weicht eben jeden Augenblick aus; er spricht in demselben Augenblick seinen Dank aus, daß ich die Sache richtig dargestellt, und in demselben Augenblick schreit er; das ist wieder ein Versuch, die Sache anders darzustellen als sie ist. Was nun eigentlich seine Meinung ist, weiß man nicht; er argumentirt immer entgegengesetzt. Ich habe mich darauf beschränkt, als Sachdarstellung seine eigenen Worte zu ver⸗ lesen, und habe gar nicht behauptet, daß irgend etwas anderes von ihm gesagt sei. Er macht sich irgend eine spanische Wand, um dahinter zu verschwinden mit irgend einer großen Aus⸗ führung, die mit der Sache absolut nichts zu thun hat. Dem Herrn Vorredner ist deshalb kein Vorwurf von mir gemacht, weil er gesagt hat: ich weiß nicht, wo es gewesen ist; das ist ein ganz untergeordneter Nebenpunkt. Die Hauptsache ist, daß ich gesagt habe: er macht einem Minister den Vorwurf, derselbe theile aus den Akten gewisse Dinge zur Diskreditirung eines Beamten mit. Da sage ich ihm: er sieht in demselben Augenblick, wo er auf diesen Splitter in meinem Auge aufmerksam machen will, den Balken in seinem eigenen Auge nicht, daß er aus einer ganz dunklen, trüben Er⸗ innerung zur Diskreditirung meiner Person auf einen solchen früheren Fall zurückgreift. Der Hr. Abg. Dirichlet, glaube ich, hat ferner absolut kein Recht, von der Möglichkeit zu sprechen, daß er sich über einen Ueberfall beklagen könne. Meine Herren, wenn der Hr. Abg. Dirichlet gestern oder bei der letzten Wahl erst in das Haus ein⸗ getreten wäre, so würde ich es für entschuldbar erachten, wenn er nicht wüßte, daß Dinge, die bei der zweiten Berathung bei einem bestimm⸗ ten Etatstitel verhandelt worden sind, in dritter Berathung an der⸗ selben Stelle weiter verhandelt zu werden pflegen, wenn das Be⸗ dürfniß zu einer weiteren Verhandlung vorliegt. Ich würde, wenn ich hier im Hause gewesen wäre, am 8. März dem Hrn. Abg. Dirichlet genau dasselbe wie heute erwidert haben; dann würde er auch wohl gesagt haben, er sei überfallen von mir! Daß ich das erst heute thue, entspricht durchaus den Gepflogenheiten dieses hohen Hauses, und es ist ein ganz verfehlter Versuch nach dieser Richtung hin, sich mit der
Nun weiter, was hat denn Hr. Dirichlet zu seiner Vertheidigung vorgebracht? Nichts mehr als die Verlesung der Worte, die Hr. Hobrecht damals, als ich, nebenbei gesagt, den Reichstag bereits ver⸗ lassen hatte, unter einer persönlichen Bemerkung allerdings dem Reichstage gegenüber gleich vorgetragen hat. Ist das etwas Neues? Ist das etwas, was den Hrn. Abg. Dirichlet entschuldigt? Nein, meine Herren, das habe ich ja selbst gesagt, zu meinem Schmerze hat sich Hr. Hobrecht damals verletzt gefühlt, das habe ich in meiner Bemerkung ausdrücklich hervorgehoben. Die Verhandlungen mußten Sie eben, wenn Sie nicht wollten aus einer dunklen, trüben Er⸗ innerung operiren, sondern wirklich orientirt — dann mußten Sie die Verhandlungen weiter nachlesen; die haben, am folgenden Tage fort⸗ gesetzt, zu einer weiteren Auseinandersetzung in dieser Sache zeführt, sie sind gar nicht mit dem Tage, von welchem der Bericht Hrn. Di⸗ richlet eben vorliegt, erledigt. Ich behaupte also, das ist ja gar kein Beweis für ihn, daß er nun das ausführlich vor⸗ gelesen hat, was ich selbst mitgetheilt habe, daß Hr. Hobrecht zu meinem Bedauern sich verletzt gefühlt hat; der Hr. Abg. Hobrecht hat überdies danach ausdrücklich hinzugefügt: wenn er meinen Mit⸗ theilungen richtig gefolgt sei, so wären sie geeignet gewesen, den Ein⸗ druck zu machen — und dem wollte er entgegentreten. Ich habe alsbald gehofft, daß der Hr. Abg. Hobrecht nach näherer Prüfung dieser Vor⸗ gänge sehen würde, daß meine Mittheilungen eine solche Tendenz, zu seiner Diskreditirung vorgebracht zu sein, absolut nicht hatten, und das ist es ja, worauf allein es hier ankommt. Und wenn der Hr. Abg. Dirichlet vielleicht wieder es versteht, bei der Erwiderung, zu der er sich gemeldet, das thema probandum zu verschieben und über irgend etwas Anderes zu sprechen, so will ich gleich vorweg sagen: ich werde ihm darauf nicht mehr antworten; ich halte einfach aufrecht,
Der Abg. von Rauͤchhaupt betonte, der Abg. Dirichlet habe versucht, eine doppelte Rolle zu spielen. Nachdem der⸗ selbe vorher einen Beamten diskreditirt habe, unternehme er es jetzt, einen früheren Beamten zu vertheidigen. Redner könne nur sagen, daß es ein Unglück sei, von dem Abg. Dirichlet vertheidigt zu werden; denn die betreffenden Personen kämen dabei immer am schlechtesten weg. Am 21. Februar 1882 habe sich der Abg. Dirichlet darüber beschwert, daß ein Hr. Ahrens als Kreisdeputirter nicht bestätigt sei wegen seiner liberalen Gesinnung. Es sei in Folge dessen geine Disziplinaruntersuchung eingeleitet worden, und die Folge sei gewesen, daß auch die Wahl dieses Hrn. Ahrens in den Kreisausschuß habe kassirt werden müssen, weil demselben Begünstigung des Schmuggels nachge⸗ wiesen worden sei. Am 6. Februar d. J. habe der Abg. Dirichlet Klage geführt, daß der frühere Zweite Bürgermeister von Insterburg nach seiner Wiederwahl die Bestätigung nicht erhalten habe, trotzdem er seine Geschäfte früher ohne jede
Der Abg. Dirichlet bemerkte, er wisse nicht, in welchem
Zusammenhang diese Bemerkungen mit dem Kultus⸗Etat tänden. Er müsse dies indessen dem Ermessen Derer anheim⸗ geben, welche als Führer der Majorität für die Verhältnisse der Geschäfte verantwortlich seien. Was die 600 ℳ betreffe, so glaube er — er könne es im Augenblick nicht bestimmt erklären —, daß der Herr dieselben für eine ander⸗
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weite Thätigkeit bezogen habe, jedenfalls nicht für die Versehung des Postens eines Zweiten Bürgermeisters. Die Herren würden ja selbst begreifen, daß 600 ℳ für einen derartigen Posten keine Entschädigung bilden könnten. Was den Fall Ahrens betreffe, so erinnere er sich, daß er selbst um eine Disziplinaruntersuchung gebeten habe, und wenn das Resultat so ausgefallen sei, daß die Wahl habe kassirt werden müssen, so habe er nichts dagegen. Er habe nur gesagt, wenn der Herr nicht zum Kreisdeputirten geeignet sei, könne er auch nicht Kreisausschußmitglied sein. Er weise übrigens darauf hin, daß Hr. Ahrens jetzt mit großer Majorität in den Provinzial⸗ Landtag gewählt worden sei. (Ruf rechts: „Trotz des Schmuggels?“) Man möge doch still sein, Alle profitirten ja vom Spiritus⸗Schmuggel nach Rußland. Die Hälfte der ostpreußischen und schlesischen Spiritusbrenner könnten gar nicht existiren ohne den Schmuggel.
Der Präsident von Köller bemerkte, der Abgeordnete wolle doch nicht sagen, daß der Schmuggel von konservativen Ab⸗ geordneten ausgeübt werde? Der Abg. Dirichlet verneinte dies. Herr Ahrens sei übrigens auch nicht wegen persönlichen Betriebes von Schmuggel aus dem Kreisausschuß ausgeschlossen worden, sondern wegen Beihülfe zum Schmuggel. Nach seiner (Redners) Ansicht sei es allerdings gleichgültig, ob er den Schmuggel unterstütze oder Waare liefere, damit sie geschmuggeltwerde. Dem Finanz⸗Minister erwidere er, daß er nur behauptet habe, es seien bei der Be⸗ rathung des Kultus⸗Etats Mittheilungen aus Akten gemacht worden, um Beamte zu diskreditiren; er habe nicht gesagt, daß dies die Absicht des Ministers gewesen sei; aber glaube derselbe vielleicht, daß seine Mit⸗ theilungen die Autorität und Ueberzeugungstreue des Abg. Hobrecht in ein glänzendes Licht gestellt hätten, wenn er diesem aus Aktenstücken nachzuweisen gesucht habe, daß derselbe sich mit sich selbst in Widerspruch setze? Jeder habe damals die Absicht des Ministers dahin verstanden, daß es nur geschehe, um den Abg. von Hobrecht zu diskreditiren. (Minister von Scholz: „Unwahr!“) 8 Der Abg. Wolff wies darauf hin, der Abg. Dirichlet habe gemeint, daß Hrn. Ahrens nur die Begünstigung des Schmuggels nachgewiesen sei. Ein altes Sprichwort sage: Der Hehler sei schlimmer als der Stehler. Redner liege es daran, diesen moralischen Standpunkt des Abg. Dirichlet klar zu stellen. Die Behauptung, daß die Rechte vom Schmuggel Profit ziehe, sei der Versuch einer Diskredi⸗ tirung gewesen, der parlamentarisch unqualifizirbar sei. Der Abg. Dirichlet meinte, er selbst habe darauf hinge⸗ wiesen, daß es moralisch gleichbedeutend sei, ob Jemand den Schmuggel unterstütze oder ob er sein ganzes Geschäft als Brenner darauf basire, daß Produkte über die Grenze ge⸗ schmuggelt würden. Er moöchte der rechten Seite des Hauses noch den Rath geben, sich nicht zu sehr zu verbeißen in Bezug auf die Persönlichkeit des Hrn. Ahrens. Redner gegenüber hätte ein konservatives Mitglied des Reichstages bei der Be⸗ rathung des Branntwein⸗Monopols sich auf die Autorität dieses Herrn berufen. . Der Abg. von Rauchhaupt bemerkte, dem Abg. Dirichlet könne er nur sagen, daß die Konservativen keinen näherer Umgang mit Schmugglern hätten. Im Uebrigen verzichte er darauf, sich mit dem Abg. Dirichlet über Begriffe zu verstän⸗ digen, über die Beider Anschauungen so grundverschieden seien. Der Abg. Möllmann kam auf den vom Abg. Stöcker bei Gelegenheit der zweiten Berathung dem Verfasser der „Briefe moderner Dunkelmänner“ gemachten Vorwurf zurück, es sei darin die ganze Orthodoxie schlecht gemacht. Dieser aus dem Kalender „Der Vetter aus Bremen“ entnommene Vorwurf treffe durchaus nicht zu, man möge die Güte haben, sich selbst zu überzeugen. 1 Um 4 Uhr wurde die Fortsetzung der Berathung auf Dienstag 11 Uhr vertagt.
Zeitungsstimmen.
Aus den Festartikeln, mit denen die Zeitungen den heutigen Tag begrüßen, heben wir die folgenden Stellen hervor:
„National⸗Zeitung“: 1
Wohl darf der Kaiser, wenn er an diesem 22. März auf dem Gipfel des Berges den Weg überschaut, den er gemacht, sein Leben ein außerordentliches nennen, und in der Bescheidenheit, die ihn aus zeichnet, in Allem die Fügung und Leitung der Vorsehung erkennen Denn etwas Wunderbares ist in diesem Dasein, das in gleicher Weise Freunde wie Gegner mit Ehrfurcht und Bewunderung ergreift. De Höhe seiner Jahre entspricht die Größe seiner Erfolge. In sieben Tager in sieben Monaten hat der Greis schneller als der jugendliche Napo leon große Kriege beendet. Als er den Thron bestieg, lag vor dem Dreiundsechzigjährigen menschlicher Voraussicht nach nur eine kurze Spanne Zeit und Raum und er hat sie mit T haten und Schöpfungen erfüllt, die, wie wir hoffen, die Jahrhunderte überdauern werden. Gewiß muß in diesem glorreichen Lebenswerk dem Glücke und der stillen Arbeit der Dinge und der Gedanken, der Willenskraft großer Menschen, dem Sehnsuchtsdrang und dem Opfermuth unseres Volkes ein entscheidendes Gewicht zugesprochen werden; aber ebenso gewiß konnte nur ein Charakter, wie der Kaiser Wilhelms, diese Gunst des Geschickes so wunderbar benutzen und in dem Zusammenklang der Stim⸗ mungen und der Umstände den Traum der Deutschen zur Wirklichkeit gestalten. Was ihn vor Allem zu der einzigen Rolle, die ihm in un serer Geschichte zugefallen ist, befähigte, ist zugleich die edelste Tugend des Alters: die Mäßigung. Nicht einem stürmischen Jüngling konnte es gelingen, den gordischen Knoten deutscher Dinge mit dem Schwert zu lösen. Denn mehr noch als zu siegen, galt es zu versöhnen. Erst die Fürsten und Stämme, die miteinander gehadert, und dann die feindliche, neidische Welt, welche der neu emporgekommenen deutschen Macht bald Böses sann, bald Böses andichtete. In ruhiger Fassung und Würde, immer bereit, auflodernden Streit zu schlichten und großmüthig über die zornigen Aufwallungen An⸗ derer hinwegzusehen, hat der Kaiser die Aufgabe, welche noch schwieriger war, als die auf den Schlachtfeldern gelöste: die deutschen Fürsten und Stämme einträchtig im Reiche zu einem Gan 8 zen zu verschmelzen, ohne ihre Staatsformen zu zerstören und ihr Eigenthümlichkeiten unsanft anzutasten, und Deutschland zum Schir mer des Friedens in Europa zu erheben, glücklich vollendet. Ein stimmig wird ihm dieser Ruhm, den auch die genialste Staatskunst ohne die Mäßigung und Gerechtigkeit seines Wesens, ohne die Mild und Majestät seines Auftretens nicht hätte gewinnen können, von der ganzen Welt zugestanden. . “ Begcheidenheit im Siege, diese Selbstvergessenhei
Entschädigung versehen hätte. Es sei nachgewiesen, daß der⸗
einer Macht, die nach dem zornigen Angstruf der F