1886 / 75 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 27 Mar 1886 18:00:01 GMT) scan diff

1 8 * 2 EE1“ E1 Jahre zu belassen und von dem Gebäudeconto 20 404 statt der 25 000 im Vorjahr abzuschreiben. 2

Nach dem Geschäftsbericht der Waggonfabrik Gebr. Hofmann und Co. Aktiengesellschaft, für das Jahr 1885, ist es der Getellschaft im verflossenen Betriebsjahr zwar gelungen, reichliche Beschäftigung ihres Etablissements zu erzielen, aber die Bestellungen konnten nur zu wenig lohnenden Preisen erhalten werden. Zu den aus dem Jahre 1884 übernommenen 84 Wagen und anderen Arbeiten für 399 722 traten im Jabre 1885 Bestellungen auf 383 Wagen und andere Arbeiten für 1 085 900 hlizu, so daß zusammen 467 Wagen und andere Arbeiten für rund 1 485 000 im Auf⸗ trage waren. Fertiggestellt und geliefert wurden im Berichts⸗ jahre 358 Wagen und andere Gegenstände im Werthe von 1 107 314 (in 1884 198 Wagen und diverse andere Gegen⸗ stände für 628 h27 ℳ), so daß auf das Jahr 1886 109 Wagen und andere Bestellungen für 377 700 zur Leferung blieben (inzwischen haben sich die Bestellungen auf 537 000 erhöht). Der in 1885 er⸗ zielte Bruttoüberschuß betrug 172 292 (in 1884 148 931 ℳ). Hier⸗ von gelangen zur Abschreibung auf Immobilien⸗ und Maschinen⸗Conto 9879 (1884 10, 147 ℳ), auf Reparaturen⸗Conto 28 552 (1884 29 874 ℳ), Zinsen, Assekuranz, Steuern, Handlungsunkosten, Ge⸗ hälter ꝛc. 61 096 (1884 58 095 ℳ), sodaß ein Reingewinn ver⸗ bleibt von 72 765 (1884 59 816 ℳ). Dieser Gewinn wird wie folgt vertheilt: Refervefonds 3638 (1884 2991 ℳ), Tantièmen für Aufsichtsrath und Vorstand 6913 (1884 5682 ℳ), Dividende an die Aktibnäre 54 % mit 61 875 (1884 4 ½ % mit 50 625 ℳ), Vortrag auf neue Rechnung 339 (1884 517 ℳ).

Die Brandenburger Spiegelglas⸗Versicherungs⸗ Gesellschaft hatte am 17. d. M. ihre Jahresversammlung. Der Bericht ergab für das Jahr 1885 einen Bestand von 12 716 Ver⸗ sicherungen über 4 893 013 Versicherungssumme und 119 318 90 Prämieneinnahme, mithin eine Zunahme gegen das Vorjahr von 949 Fhersich ea s über 147 531 und 6168 52 Prämie. Die Reserven erreichten die Höhe von 102 681 32 = 86 % der Prämie. Die Schäden kosteten der Gesellschaft im Jahre 1885 62 986 30 ₰4. Während des 22 jährigen Bestehens wurden in Summa 620 359 46 für Schäden bezahlt. Die Statistik über die Ursachen der Schäden giebt über 40 verschiedene Arten derselben an, darunter allein 34 Fälle aus Rache und 26 durch Strolche, welche ins Gefängniß wollten. Die Dividende an die Versicherten wird von 5 % pro 1884 auf 6 % pro 1885 erhöht 8 88

In der Generalversammlung der Westfälischen Bank waren 2014 Aktien mit 404 Stimmen vertreten. Die für das Jahrk 1885 aufgestellte Bilanz sowie die vorgeschlagene Gewinnvertheilung wurden einstimmig genehmigt und die ausscheidenden Mitglieder des Aufsichtsraths: die Herren Aug. Velhagen in Bielefeld, Aug. Waldt⸗ hausen, Essen, Aug. Gnuse, Bielefeld, Theod. Möller, Kupferhammer, Conr. Prigge, Bielefeld, wiedergewählt. .

Die Anhalt⸗Dessauische Landesbank hat im abge⸗ laufenen Geschäftsjahr, trotz des niedrigen Zinsfußes, ein recht günsti⸗

es Erträgniß erzielt, indem sich der Reingewinn auf 571 137 be⸗ seufen hat. Die Verwaltung ist in der Lage, die Vertheilung der gleichen Dividende, wie im Vorjahre, nämlich 8 %, vorzuschlagen. Der Gesammtumsatz bei der Centrale und bei denjenigen Bank⸗ geschäften, bei welchen die Bank als stiller Gesellschafter betheiligt ist, betrug 792 359 373 ℳ, d. i. gegen 1884 mehr 3 999 238 Das Grundstücks⸗Conto hat sich im abgelaufenen Jahre durch Verkauf und Abschreibung um 37 500 vermindert; dasselbe schließt mit einem Saldo von 442 500 und ergab, neben einem Kapitalgewinn von 2000 ℳ, einen Reinertrag von 19 174 Der in der Abtheilung für die Realkreditgeschäfte am 31. Dezember 1884 vorhandene 1 bestand von 7 477 082 verminderte sich durch Kapitalrückzahlungen und vertragsmäßige Tilgung um 459 888 auf 7 017 193 ℳ; dagegen gelangten auf neue Darlehne zur Auszahlung 752 550 ℳ, so daß per 31. Dezember 1885 7 769 744 als Bestand verblieben. Bis zum Schluß des Jahres hat die Ban’ an Schuldner für Dar⸗ lehne im ursprünglichen Betrage von 4 310 000 Zinsermäßigungen gegen Zahlung einer einmaligen Entschädigung bewilligt, ferner im ab⸗ gelaufenen Jahre die Bewilligung neuer Darlehne in Höhe von 1 347 045 ausgesprochen. Von den Entschädigungen und Pro⸗ visionen hat die Verwaltung den größeren Theil dem Disagio⸗Reserve⸗ Conto und dem Provisions⸗Reserve⸗Conto überwiesen; das erstere schließt am 31. Dezember 1885 mit 51 167 ℳ, das letztere mit 83 032 ab. Von den mit 5 % verzinslichen unkündbaren Hypo⸗ theken⸗Pfandbriefen wurden im abgelaufenen Jahre 1 423 200 aus⸗ 81. und zur Rückzahlung per 2. Januar und 1. Juli 1886 gekündigt.

s bleiben an unkündbaren 5 %igen Pfandbriefen am 31. Dezember 1885 3 028 200 im Umlauf. Von den 4 % verzinslichen unkünd⸗ baren Hypotheken⸗Pfandbriefen wurden im Jahre 1885 1 799 400 neu ausgefertigt und bis auf einen unbedeutenden Betrag begeben. An 4 % Pfandbriefen befanden sich am 31. Dezember 1885 4 438 000 im Umlauf. Der Reingewinn von 571 137 soll in Gemäßheit des Statuts wie folgt zur Vertheilung gelangen: 240 000 als 4 % Dividende auf 6 000 000 Aktienkapital, 63 015 Tantièmen an Verwaltungsrath, Direktion und Beamte, 240 000 als 4 % Superdividende, 28 122 Vortrag auf neue Rechnung.

Die „New⸗Yorker Hdls.⸗Ztg.“ schreibt in ihrem vom 12. d. M. datirten Wochenbericht: Das Geschäft am Waaren⸗ und Produktenmarkt ist, wenn auch nicht sehr lebhaft und von

roßem Umfang, im Ganzen genommen doch ziemlich befriedigend ver⸗ aufen. Weizen konnte im Terminhandel bei mäßig lebhaftem Ge⸗ schäft die höchsten Notirungen der Woche nicht behaupten und hat für Export wieder sehr wenig Beachtung gefunden. Mais begegnete dagegen nach dieser Richtung zu den niedrigeren Preisen, die im Laufe der Woche etablirt wurden, an einzelnen Tagen sehr reger Nachfrage und ist auch Seitens ein⸗ heimischer Konsumenten begehrt gewesen. Weizenmehl verkehrte trotz stillem Geschäft in stetiger Preistendenz. Im Befrachtungs⸗ eschäft macht sich noch immer keine Besserung bemerkbar. Am I llenmadit herrschte Anfangs wieder große Regsamkeit, die jedoch in der letzten Hälfte der Woche, bei allmählich weichenden Notirungen, einem ruhigeren Geschäftsverlauf Platz machte. Für einheimische Wolle gelangte eine willigere Stimmung zur Geltung. Brasil⸗Kaffees haben, obgleich nur mäßig begehrt, im Werthe noch weiter angezogen, reinschmeckende Sorten sind ebenfalls fester. Roh⸗ zucker verkehrte in Ermangelung irgend welcher Nachricht von Belang in vorwiegend williger Haltung. Von Thee fanden Oolongs und die geringeren Grade japanischen Thees ziemlich viel Beachtung, grüne Sorten waren dagegen vernachlässigt. Schmalz begegnete zu etwas höheren Notirungen zunchmendem Exportbegehr, während Schweinefleisch und Speck wieder sehr still gewesen sind und im Preise keine wesentlichen Veränderungen erfahren haben. Terpentinöl war weniger lebhaft und Her sehr still. Raffinirtes Petroleum ist zu den Notirungen flau.

ipe lines Certifikates konnten den Anfangs der Woche erzielten

vance nicht behaupten und sind in Folge wichtiger neuer Quellen im Washington⸗Distrikte 3 C. gefallen und schließen flau zu 77 ⅜½ C. G. Am Metallmarkt gab sich auf den meisten Gebieten ein fester Ton kund. Das Geschäft in fremden und einheimischen Manufaktur⸗ waaren war ruhig. Der Import fremder Webstoffe beträgt für die heute beendete Woche 2 912 564 Doll. gegen 2 119 182 Doll. in der Parallelwoche des Vorjahres. 1

Königsberg i. Pr., 26. März. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Verwaltungsraths der Ostpreußischen Südbahn wurde einstimmig bechee sen. mit Berücksichtigung des neuen Aktien⸗ gesetzes der Generalversammlung eine Dividende von 4 ½1 % für die Stammaktien vorzuschlagen.

Magdeburg, 23. März. In der heutigen Sitzung des Auf⸗ p eer. der Magdeburger Lebens⸗Versicherungs⸗Gesell⸗

chaft wurden von der Direktion der Rechnungsabschluß und die Bilanz für das Jahr 1885 vorgelegt und Seitens des Aufsichtsrathes genehmigt. Danach beziffert sich der Reingewinn auf 296 194,32 ℳ, wovon den mit Gewinnantheil Versicherten 164 694,24 = 16 % . während nach Ze en, der statutenmäßigen Tantibmen und otirung des Reservefonds 80 für die Aktionäre verbleiben, welche danach eine Dividende von 20 pro Aktie = 6 ⅔⅜ % erhalten

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1

sollen. Die bezüglichen Vorschläge werden der auf den 28. April cr. anberaumten Veebe sammlung zur Genehmigung unterbreitet werden. 1 München, 26. März. (Tel.) Die heutige Generalversammlung der Bodenkreditbank genehmigte die bereits bekannt gegebenen Anträge des Aufsichtsraths und der Direktion und nahm die Wieder⸗ wahl derjenigen Mitglieder des Aufsichtsraths vor, deren Mandat abgelaufen war. Die Dividende betrug 6 ½ %. . London, 26. März. (W. T. B.) Wollauktion. Stimmung

ruhig, Preise unverändert. ba . Glasgow, 27. März. (W. T. B.) Die Vorräthe von auf 712 824 Tons fe en

ichen

18 2 vaur 8⸗

Roheisen in den Stores belaufen sich auf 712 8. 591 716 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betrieb befind Hochöfen 96 gegen 92 . vorigen Jahre.

New⸗York, 26. März. (W. T. B.). Baumwollen⸗ Wochenbericht. Zufuhren in allen Unionshäfen 64 000 B., Aus⸗ fuhr nach Großbritannien 45 000 B., Ausfuhr nach dem Kontinent 17 000 B., Vorrath 888 000 B. 3

Submissionen im Auslande. *

1) 16. April, 10 ½ Uhr Vormittags. Provinzial⸗Gouvernement u Brüssel. Wegearbeiten auf der Route Brüssel —Tamise zwischen baeken und Meysse. Voranschlag 137 000 Frecs. Vorläufige Kaution 6800 Fres. Preis der Pläne 44 Frcs. 75 Cts. Lastenheft Nr. 7 bei der Administration des ponts et chaussées et des mines, rue de Louvain No. 24, zu Brüssel, käuflich. 8 2) Nächstens. Station Tirlemont. Pflasterungs⸗Arbeiten, Bau einer Laderampe aus alten Schwellen ꝛc. für Schaffung einer Station am Orte „Pypel⸗Boom“ bei Tirlemont. Voranschlag 21 102 Frcs. Vorläufige Kaution 800 Fres. Auskunft beim Ingenieur en chef Direktor De Paepe zu Station Brüssel (Nord). 3) Nächstens. Lieferung von 1ö“ 533 284 Dornen⸗Pflanzen, b 28 400 Erlen⸗ 8 6 000 Birken⸗ 25 970 Weißbuchen⸗„ 47 050 Akazten⸗ F 22 000 Buchen⸗ 2 000 Weiden⸗ 5 770 Tannen⸗

8 700 Eschen⸗ 2 300 067 Piquets von 0,14 m 0,16 m Umfang, 3 390 8 0,35 m Umfang, 8 251 960 Latten in Tannenholz von 5 m Länge und 0,45 m eann der Mitte. Nähere Auskunft wie ad 2. B1

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G * Verkehrs . Anstalten.

Travemünde, 26. März. (W. T. B.) Die Schiffahrt ist seit heute Mittag wieder eröffnet.

Bremen, 26. März. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Rhein“ ist heute früh in New⸗York eingetroffen.

Hamburg, 26. März. (W. T. B.) Der Postdampfer „Saxonia der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktien⸗Gesellschaft ist, von Hamburg kommend, gestern in St. Thomas eingetroffen.

Triest, 26. März. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Marsist heute aus Konstantinopel hier eingetroffen. 1

. gnb 14⁴ 22 Sanitätswesen und Quarantäuewesen.

Portugal. 8

Durch unterm 19. März 1886 veröffentlichte Verfügungen des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern sind die Häfen von Tunis und Tripolis für „rein“ von Cholera erklärt worden, wo⸗ gegen die bisher als „verseucht“ angesehenen südspanischen Häfen, sowohl die am Atlantischen Ocean, als auch am Mittelmeer ge⸗ legenen, einschließlich der Balearen, von nun an blos als „ver⸗ dächtig“ gelten sollen, ausgenommen Algeciras und Tarifa, welche nach wie vor als „verseucht“ zu betrachten sind.

Berlin, 27. März 1886. *

Die zu der diesjährigen Generalversammlung des Vater⸗ ländischen Frauen⸗Vereins zahlreich erschienenen Delegirten der Zweig⸗Vereine waren gestern zu einer Vorbesprechung im runden Saale des Königlichen Palais versammelt. Ihre Majestät die Kaiserin und Königin, begleitet von Ihren Königlichen Hoheiten den Prinzessinnen Wilhelm und Albrecht von Preußen sowie Ihrer Durchlaucht der Prinzessin Friedrich von Hohenzollern, geruhte um 7 vänr r Versammlungzu erscheinen und die Delegirten Sich vorstellen zu lassen.

Vor Eintritt in die Tagesordnung überbrachte Geheimrath Sachs aus Karlsruhe der Versammlung den Gruß Ihrer Königlichen Hoheit der Frau Großherzogin von Baden und sprach deren Bedauern aus, nicht, wie regelmäßig in den Vorjahren, der Versammlung bei⸗ wohnen zu können.

Der erste der zur Berathung gestellten Gegenstände betraf die Begründung eines Verbandes unter den an demselben Orte wirkenden Wohlthätigkeits⸗Vereinen. Die Be⸗ rathung darüber wurde durch den Polizei⸗Präsidenten Grafen Hue de Grais eingeleitet, welcher insbesondere die in Stettin in dieser Beziehung bestehenden Verhältnisse darlegte. Während Ober⸗Bürger⸗ meister Miquéel über die Verhältnisse in genüue a. M., Regierungs⸗ Assessor von Meusel über diejenigen in Hannover sprach und Rentier Breitenfeld mittheilte, daß in Elbing bereits seit einer Reihe von Jahren ein solcher Verband unter den dortigen Vereinen bestehe, referirte General von Etzel über die im Laufe des letzten Jahres in Berlin zum Zweck der Herstellung eines Verbandes unter den Wohl⸗ thätigkeits⸗Vereinen und der Errichtung einer Central⸗Auskunftsstelle gepflogenen Verhandlungen. Staatsanwalt Chuchul aus Kassel endlich deutete die Wege an, wie auch an kleineren Orten die in dieser Be⸗ ziehung anzustrebenden Ziele erreicht werden könnten.

ls zweiter Gegenstand der Berathung stand auf der Tagesordnung das Thema: Arbeitsnachweis als Mittel vorbeugender Armenpflege, zu welchem Staats⸗Minister Dr. Friedenthal und Geheimrath Sachs aus Karlsruhe das Wort nahmen, der Letztere namentlich, um die in dieser Beziehung bei dem Badischen Frauen⸗ Verein bestehenden Einrichtungen zu schildern. Nachdem noch Frau Landrath von Wittken, Delegirte des Zweigvereins in Beuthen, die Einrichtung von Kaffeeschänken und Gewährung von Frühsuppen an Kinder empfohlen, die Delegirte des Zweigvereins in Rybnik, Frau Oberst⸗Lieutenant Heinsius, über die am Orte betriebene Knopfhäkelei, und der Major von Unger über den neugebildeten Zweigverein in Montreux berichtet hatte, wurde die Versammlung bald nach 9 Uhr

geschlossen.

Das von dem Lehrer Scheibe, hierselbst, Linienstraße Nr. 64, wohnhaft, vertriebene Henselsche Nervensalz besteht nach einer polizeilichen e ntnae deviglich aus phosphorsaurem Uhmmontar, welches in Apotheken wie aben ist.

Hirschberg i. Schl., 26. März. (W. T. B.) Der Bober ist bei Landeshut aus den Ufern getreten. Von dem oberen Fluß⸗ lauf wird starkes Hochwasser angekündigt.

roguenhandlungen käuflich zu

Brüssel, 26. März. (W. T. B.) Laut Nachrichten aus Charleroi, von heute, hat sich der Strike fast auf das ganze

dorztge K.RnRRneeehet.

und zwar in Folge von Ein⸗

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schüchterung und Pression Seitens anderer strikender Arbeiter, welch zue Einstellung der Arbeit auffordern. Bei den Gruben von Chate⸗

lineau und den Hüttenwerken von Agoz ist es zu einem Zusammen⸗

stoß mit der Gendarmerie gekommen, wobei es 5 schwa Verwundete gegeben hat. Von Turnay, Namur und Ant⸗ werpen treffen Truppen daselbst ein Wie aus Lüttich gemeldet wird, nimmt die Gendarmerie zahlreiche Verhaftungen unter den bettelnden und mit Waffen versehenen Strikenden vor.

allen Gemeinden patrouillirt die Bürgergarde, um die Bewohner n schützen. Ein fünterofftzier und drei Gemeine sind wegen In⸗ subordination verhaftet. 8

26. März. (W. T. B.) Ueber die Vorgänge in Charle⸗ roi wird der „Indépendance Belge“, von heute, telegraphisch ge⸗ meldet, daß ernstliche Ruhestörungen in dem ganzen dortigen Kohlenrevier vorgekommen seien. In Kohlengruben, Walzverke Glashütten, Gießereien seien Banden von Strikenden eingedrungm und hätten den Arbeitern, welche die Arbeit nicht niedergelegt hatten Gewalt angethan. In Lodelinsart, Verrerie, Modron und Dordolet sei Alles von den Strikenden zerstört worden. Die biß jetzt aufgebotenen Truppen seien zur Herstellung der Ordnung vicht ausreichend.

Charleroi, 26. März. (W. T. B.) Die in der Umgebung der Stadt belegenen Hüttenwerke und Metallfabriken, in welche die strikenden Arbeiter eingedrungen waren, haben fast sämmtlih zu arbeiten aufgehört. In der Kohlengrube Maubourg wurden die Grubenarbeiter durch die Strikenden an der Fortsetzung der Arbett gehindert. Eine große Anzahl von Glashütten ist von den Strikenden geplündert worden. In Chatelineau kam zwischen den Strikenden und der Gendarmerie zu einem thit⸗ lichen Zusammenstoß, wobei mehrere Personen verwundet wurden.

26. März, Abends. (W. T. B.) Zum Schutz der Stadt, in welcher heute mehrfach Schlägereien mit den Strikenden vorkamen,

sind weitere 500 Mann Infanterie und noch eine Escadron Lan⸗ ciers hier eingetroffen. Dieselben sind nach den Stadteingängen und Die Brücken,

nach besonders bedrohten Punkten dirigirt worden. theilweise auch die Stadteingänge werden von der Bürgergarde bo⸗

wacht. Die Menschen⸗Ansammlungen, die sich an mehreren Punkten

der Stadt gebildet hatten, wurden zerstreut.

26. März, Abends. (W. T. B.) Nach hier eingegangenen Nachrichten sollen die Brauerei von Binard und die Holzwaarenfabrik von Piette in Chatelineau, sowie die Glashütte von Baudour in Jumet in Flammen stehen.

27. März, Vormittags. (W. T. B.) Die ganze Nacht dauerten die Ruhestörungen und Verwüstungen fort. In Roux gab ein Trupp Soldaten auf die Strikenden Feuer, tödtete fünf und verwundete eine große Anzahl derselben. Viele Landhäuser und Schlösser der Umgegend sind in Brand gesteckt. In Mar⸗ chienne und Roux wird um einen weiteren Zuzug von Truppen ee Zahlreiche Verhaftungen, darunter auch von Fremden, fanden statt. Die Strikenden, mit Hacken und Knütteln bewaffnet, setzen sich den Truppen zur Wehre und bedrohen die Stadt, welche von der Bürgergarde vertheidigt wird. trächtlich.

27. März. (W. T. B.) Nach weiteren Ermittelungen sind in der letzten Nacht 5 Schlösser und 8 große Glasfabriken vollständig geplündert und niedergebrannt worden.

Lüttich, 26. März, Abends. (W. T. B.) Die Lage hat sic hier und in der Umgegend erheblich gebessert: in den Kohlen⸗ gruben von Seraing, Flemalle, Jemeppe und Filleur

herrscht Ruhe, und die Zahl der strikenden Arbeiter hat abgenommen. In dem Cockerillschen Puddelwerk ist die Arbeit vollständig

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N.

Im Deutschen Theater wird morgen, Songeg. „Romeo und Julia“ und am Montag „Das Käthchen von Heilbronn“ ge⸗ geben. Am Dienstag, den 30., geht „Die Liebesbotschaft“, Lustspiel in vier Akten von Albin Rheinisch, zum ersten Mal in Scene. Ferner bringt das Repertoire der Woche außer der Wiederholung obiger

wieder aufgenommen worden.

Novität noch Aufführungen von „Nathan der Weise“ und „Antigone“.

Krolls Theater. Mr. Homes und Mad. Fey, welche hierher

zurückgekehrt sind, geben morgen, Sonntag, wieder eine antispiristische

Soirée mit ganz neuen Ueberraschungen.

Der bereits vortheilhaft bekannte Pianist Hr. Ludwig Hirsch⸗ berg gab am Donnerstag im Saale der Singakademie ein Con⸗ cert, in welchem er eine reiche Auswahl klassischer und neuerer Komposi⸗ tionen zum Vortrag brachte. Beethovens C-dur⸗Sonate (op. 53) spielte

der Concertgeber mit Ausdruck und, von kleinen Unebenheiten im 1. Satze abgesehen, mit großer technischer Geläufig⸗

keit, die er auch in Schumanns Faschingsschwank in glänzendster Weise zur Geltung brachte. 1— von Kiel und einem kurzen, recht hübschen Scherzino eigener Kompo⸗

sition trug Hr. Hirschberg noch 2 sehr anziehende Klavierstücke von Jensen

und Leschetinzli vor. In Chopins F-moll⸗Phantasie und Liszts Taran⸗

tella fand er noch besondere Gelegenheit, seine eminente Fertigkeit glänzen zu

lassen. Fr. Professor Schulzen von Asten, die sich noch in letzter Stunde bereit erklärt hatte, für die velig erkrankte Sängerin Frl. Monti einzutreten, sang Lieder von Mendelssohn und Weber.

ie großen Vorzüge ihrer Gesangsweise, reinste Intonation und deutliche Aussprache, wurden durch den tief seelenvollen, jedes Suchen nach zußerem Effekt vermeidenden Vortrag noch besonders gehoben. Das Rheinische Volkslied von Mendelssohn erwarb sich stürmischen Beifall. Das zahlreich erschienene Publikum begleitete alle Vorträge mit reichen Beifallsspenden.

Das gestrige, unter Mitwirkung des Hrn. H. Grünfeld (Cellist) und des Hrn. Georg Liebling (Pianist) im Saale der

Singakademie stattgehabte Concert des Kbhniglich preußischen und Kaiserlich Königlich österreichischen Kammersängers Hrn. Ladislaus

Mierzwinski hat dem zahlreich erschienenen Publikum reichen

Genuß bereitet. Der Concertgeber, welcher überaus glücklich disponint war, überschüttete die Zuhörer mit köstlichen Gaben seines wahrhat phänomenalen Organs.

mäßig schön und vornehm. tonation, das Brustregister sowohl wie auch das Falset gehorchten den Intentionen des Künstlers unbedingt. chön gelang mehrfac der Uebergang vom Brustregister in das Falset und umgekehrt. Die Koloraturen kamen klar zur

Sänger, sondern auch nach der Seite des Technischen hin als einer der bedeutendsten Gesangskünstler, welchem mit Recht das Publikum be⸗ geisterten Beifall spendete. Zum Vortrag gelangten (und zwar mit

italienischem resp. französischem Text) von Rossini eine Arie aus 8 Stabat mater“ und die Cavatine aus „Othello“, von Verdi b rie aus der

Arie aus dem ersten Akt der Oper „Alda“, ferner eine A Oper „Halka“ von Moniusko und schließlich Recitativ und Hymne aus dem Meyerbeer'schen „Propheten“. Als Zugaben sang Hr Mierzwinski Lieder von Gounod und Tosti sowie mit deutschem Tert

das Schumannsche „Ich grolle nicht“, letzteres in stilvoller und geistig belebter Weise. Bis zum Schluß erglänzte die Stimme in un⸗

verwüstlichem Glanze und voller Frische. Die vortrefflichen Gaben

der beiden oben genannten mitwirkenden Künstler wurden mit leb⸗.

haftem und wohlverdientem Beifall ausgezeichnet. Von schönem großem Ton war der gestern benutzte Duysensche Concertflügel.

Redacteur: Riedel.

Sechs Beilagen

Der Schaden ist sehr be⸗

werden.

Nach dem Vortrag dreier Impromptusg

Die Stimme klang in allen Lagen gleich Ohne Tadel war die Reinheit der In⸗

1 b ur Geltung, und die Triller wurden korrekt aus⸗ geführt. Hr. Mierzwinski erschien gestern nicht nur als der reichbegnadete

ag der Expedition (Sch o.z). Druck: W. Elsner⸗

““

b Anzeiger und Königlich Preu⸗

Erst e Beilage

8

Berlin, Sonnabend, den 27. März

ßi

n Staats⸗Anzeiger. 11“.“

Aiicchtamtliches. Preußen. Berlin, 27. März. Im weiteren Verlauf der gestrigen (74.) Sitzung des Reichstages ergriff bei der zweiten Berathung der Branntwein⸗

Monopolvorlage der Reichskanzler Fürst von Bismarck

das Wort: Wenn ich jetzt in der zweiten Lesung das Wort für die Annahme des Monopols ergreife, so schmeichle ich mir natürlich nicht mit der Hofnung, auf die Abstimmung damit einen wesentlichen Einfluß zu ibet; ich halte es indessen doch für meine Pflicht, obschon es mir nac dem Zustande meiner Gesundheit schwer wird, vor dem Hause die Gründe darzulegen, welche mich bestimmt haben, den Antrag auf Eitführung des Monopols auch meinerseits zu stellen und lebhaft zu merstützen. 8 Daß ich damit auf die Annahme einen Einfluß üben könnte, dau ist, wie gesagt, keine Aussicht. Nach der Lage unserer parlamen⸗ gischen Verhältnisse werden wichtigere Fragen ja doch in der Regel elsschieden, bevor sie überhaupt in die erste Lesung gelangen; sie eerden entschieden innerhalb der Fraktionen. Wenn dort festgelegt ist, vie jede Fraktion sich dazu stellen will, so hat die erste Lesung oder se weitere Behandlung in der Regel einen mehr ornamentalen Fharakter. 8 Die Entscheidung über das Monopol, die in den Fraktionen

bercits getroffen war, ja zum Theil bereits getroffen war, bevor

die Vorlage überhaupt von irgend Jemand gekannt sein konnte ist ziemlich schnell erfolgt. Ich will nun gar nicht von dieser letzteren Entscheidung sprechen, die vor der Vorlage erfolgte und die eben nur mit dem bekannten Wort charakterisirt werden kann: Ich kenne die Absichten der Regierung zwar nicht, aber ich mißbillige sie; von dieser will ich nicht sprechen, sondern nur von der Besiegelung, die sie erfahren hat. Schon am 4. März am 4. März war die erste Lesung konnte doch wohl Jeder merken, daß das Schicksal dieser Vorlage entschieden war, entschieden in der kurzen Zeit vom 22. Februar, wo sie an das Haus gelangt ist, bis zum 4. März, also mich dünkt, in 12 Tagen. Eine Vorlage, an der die verbündeten Regierungen etwa sechs Monate mit großer Sorgfalt gearbeitet hatten, über die sie unter einander korrespondirt, die sie von ihren Technikern hatten prüfen lassen die als vollständig unbrauchbar zu verwerfen, bedurfte das hohe Haus nur der Zeit von 12 Tagen. Die Thatsache, daß die Vorlage in eine Kommission geschickt, eine Kom⸗ mission zu ihrer Begutachtung gewählt wurde, ließ mich hoffen, daß n dieser eine weitere Prüfung der Sache dennoch ausnahmsweise tattfinden könnte. Der Zweck der Wahl einer Kommission ist doch n der Regel der, das Gesammtergebniß der Diskussion der ersten Lesung zu prüfen, namentlich nach den Thatsachen, den Zahlen, den Bedürfnißfragen, die geltend gemacht worden sind, um nachher dem

Fes ein begründeteres Votum darüber geben zu können, als der

Finzelne sich bilden kann. Es ist früher auch in ähnlicher Weise ver⸗ fahren worden. Ich erinnere mich, daß bei einer der wiederholten Steuervorlagen, die in den letzten 16—17 Jahren gemacht worden sind mich dünkt, 1869 war die erste; aber es war in einer der späteren die gewählte Kommission die Finanz⸗Minister der größeren Staaten zu ihren Sitzungen einlud, dort die Bedürfnißfragen mit diesen eingehend prüfte, wobei jeder Finanz⸗Minister das Bedürfniß seines Staats darlegte, und danach zu einer Ansicht über die Bedürfnißfrage kam. Ist das Bedürfniß einmal verneint, ja, dann ist überhaupt die Vorlage unnütz, dann ist die Verwerfung ja ganz natürlich. Wird das Bedürfniß aber bejaht, dann muß doch auf irgend eine Weise Rath geschafft werden; denn die Ausgaben im Deutschen Reich, in den Staaten und in den Gemeinden, zu denen das Bedürfniß nach⸗ gewiesen ist, für diese muß auf irgend eine Weise Fürsorge getroffen

Untersuchungen der Art haben die verschiedenen Minoritätsanträge im Auge gehabt, wie z. B. der von Hrn. Oechelhäuser auf Ein⸗ setzung einer Subkommission; die Kommission hat aber nicht für ingemessen gefunden, darauf einzugehen, ohne die Gründe dafür

nzugeben.

Der Herr Finanz⸗Minister hatte bei der ersten Vorlage den Reichs⸗ ig gebeten, die Arbeit, die uns vorliegt, als eine gemeinsame zu be⸗ achten, bei welcher Sie den Regierungen im Interesse des deutschen volkes und der richtigen Vertheilung der Lasten, die das Volk zu ugen hat, Ihre Mitwirkung nicht versagen möchten. Nun, meine Lrren, diese Mitwirkung ist aber nach dem Verlauf der Sache ganz dolut versagt worden; Sie haben es abgelehnt, das Bedürfniß userer Vorlage, die Richtigkeit der Angaben, die Richtigkeit der Zfern irgend zu prüfen; Sie sind mit einer überraschenden Snelligkeit damit fertig geworden. Sie haben es ferner abgelehnt, au nur eine leise Andeutung über die Art und Weise zu geben, wi dem Bedürfniß, von dessen Vorhandensein die Regierungen übzeugt sind, das beweist die Vorlage nach Ihrer Mnung abzuhelfen sei. Es ist der Versuch gemacht woen, darauf ist gesagt worden ungefähr mit anderen Weten: wir werden uns den Kopf der Regierung nicht zerbrechen undhr nicht Steuervorlagen auf dem Prchen entgegenbringen. Nur meine Herren, ich nehme ein ähnliches Beispiel aus meinem täglhen aus meinem ministeriellen Leben; ein Rath, mein Unter⸗ geber, macht mir eine Vorlage für einen Zweck, den er als einen gemaschaftlichen ansieht, und ich sage ihm: ich theile Ihre Absicht über upt nicht, nun gut, dann ist die Sache erledigt. Wenn Sie das edürfniß bestreiten, ist es gut. Wenn ich diesem Rath aber sage:Ihre Arbeit taugt nichts, machen Sie eine andere, machen Sie sdere Vorschläge! und er sagt: Ja, in welcher Richtung? was sind ie Fehler dieser Vorlage? und ich antworte ihm darau Das geht mich gar nichts an; ich erwarte von IhneꝛRath, aber ich bin nicht berufen, Ihnen welchen zu er⸗ theilen Sie sind der Rath des Ministeriums, schaffen Sie mir eine dere Vorlage, das ist Ihre Sache nun, dann wird der Rath elleicht höflich schweigen, und wenn er die Thür hinter mir zumach von meinem Arbeitszimmer, so wird er über mich in Aus⸗ drückedenken oder sprechen, die parlamentarisch zu wenig anwendbar sind, 3 daß ich die Vergleichung auf die Kommission hier weiter führen önnte. Ich glaube, der betreffende Rath wird in ag Urtheihber mein Interesse für unsere gemeinschaftliche Aufgabe und über nne wohlwollende Höflichkeit, die ich meinen Untergebenen sonst genüber entwickelt habe, wohl die Zustimmung aller Derer haben,? von diesem Vorgange Kenntniß bekommen; so glaube auch ich, daßie Urtheile, die wir von der Regierungsseite aus Höflichkeit nicht asprechen, aber innerlich uns doch bilden, auch im deutschen Volke zunlich allgemein getheilt werden, überall da wo man nicht das parmentarische Interesse über das Interesse des Vaterlandes stellt.

Ma spielt mit uns; man läßt uns eine Art Blindekuh spielen. Wir won nicht, man sagt uns nicht, wie wir es etwa besser machen könnten, nan läßt uns errathen; es giebt ja solche Spiele, wo man Jemande herausschickt, um einen versteckten Gegenstand zu suchen. Dabei git man ihm aber doch die Hülfe, daß die Musik sich ver⸗ stärkt od abschwächt, je nachdem er dem Ort näher kommt. Selbst diese ilei Aufmunterung wird uns hier vollständig versagt. Man begnügt h damit, wie es bei diesem Gesellschaftsspiel ja stets statt⸗ findet, & man mit Interesse die mehr oder weniger unbeholfenen oder gesckten Versuche Desjenigen, den man suchen läßt, betrachtet und seineritischen Bemerkungen darüber macht.

In dieser Weise, glaube ich auch, hatte ich die Aufforderung des Hrn. Abg. Dr. Windthorst zu verstehen, mich an den Kommissionsverhandlungen zu betheiligen. Ich hätte dort un⸗

efähr die Rolle gespielt, wie die Juden an den Wassern von Pabion: Lieber, singe uns ein Lied von Zion, damit wir uns an Deinem Kummer erfreuen. Diese Art von Zurückhaltung, von Im⸗ stichlassen des Ministeriums bei der Arbeit und bei dem Suchen nach den Mitteln, anerkannte Schäden in unserem öffentlichen Leben zu mildern, ist schwer erklärlich, wenn man nicht den Irrthum sich ver⸗ gegenwärtigt, der fast allgemein unsere Verhandlungen beherrscht, als ob die Regierung die Verpflichtung hätte, ihrerseits mehr Patriotis⸗ mus, mehr Fürsorge für das öffentliche Wohl zu haben und sich dafür abzumühen, als ob allen übrigen Mitarbeitern, dem gesammten Reichs⸗ tag, nur die angenehme Aufgabe wäre, der Regierung je nach der Stimmung, die gerade die Mehrzahl beherrscht, je nach dem Fraktious⸗ bedürfniß Nein zu sagen und sie abzuweisen, als ob die Regierungen und die Minister irgend ein Interesse pro domo in der Sache hätten.

Meine Herren, wenn unser Vaterland geschädigt wird, wir können es ebenso gut vertragen, wie jedes Reichstagsmitglied und jeder Ab⸗ geordnete. Wenn uns das mehr zu Herzen geht, wie Anderen, so spricht das für unsere Liebe zum Vaterland. Es wird Jeder sich die Geschicke des öffentlichen Gemeinwesens in dem Maße zu Herzen nehmen, in dem er sein Vaterland liebt; und es ist ja eine schmeichel⸗ hafte Voraussetzung, die diesem ganzen Irrthum zu Grunde liegt, daß die Regierungen mehr Interesse an dem öffentlichen Wohl nehmen, als ein Abgeordneter zu nehmen verpflichtet ist.

Indessen, meine Herren, Interessen pro domo haben die Minister nicht. Der Einzige unter ich glaube fast allen deutschen Mi⸗ nistern, der bei dieser Vorlage irgend ein persönliches Interesse haben könnte, bin ich, indem ich, wie der Abg. Richter bei irgend einer Gelegenheit sagte, ein großer Brenner vor dem Herrn bin. Er hat diese An⸗ deutungen ja neulich vervollständigt in der Weise, daß er sein Wort von der Schnapspolitik wiederholte und mir dabei Schuld gab, daß ich in den Verhandlungen der letzten Jahre ich weiß nicht mehr, wie er sich ausdrückte; ich habe es hier, aber ich will Sie nicht auf⸗ halten mit dem Nachsuchen —, es ging ungefähr darauf hinaus, daß ich in der Gesetzgebung mein persönliches Interesse an der Brennerei⸗ frage bethätigte.

Nun, meine Herren, es liegt doch in dieser Andeutung, die der Abg. Richter offen ausgesprochen hat, eine Behauptung, die, wenn sie wahr wäre, mich in der öffentlichen Achtung herabsetzen müßte. Wenn der Abg. Richter das nicht unter dem Schutz des parlamentarischen Privilegiums, andere Leute beleidigen zu dürfen, gesagt hätte, so würde ich ihn einfach vor Gericht fordern und den Beweis der Wahrheit von ihm gewärtigen. Er würde ihm recht schwer zu führen sein, da meines Wissens analoge Verhandlungen, in denen ich diese Vorliebe für die Brennerei hätte beweisen können, in den letzten Jahren gar nicht stattgefunden haben. Es ist einmal eine Branntweinbesteuerungs⸗ frage im Landtage gewesen, so viel ich mich erinnere; aber eine Be⸗ steuerung der Brennerei ist hier noch nie in Frage gekommen.

Es wäre ja für mich ein Leichtes, dergleichen grobe Injurien zu erwidern und auch den Hrn. Abg. Richter zu beschuldigen, daß er seine Stellung als Abgeordneter in seinem Privatinteresse ausbeute; indessen ich verzichte darauf. Ich finde es unter meiner Würde, mich auf einen Streit der Art einzulassen. Es wäre ja bedauerlich und der Hr. Abg. Richter wäre doppelt im Unrecht, dergleichen gesagt zu haben wenn er damit irgendwie Glauben fände. Es ist für das Ansehen und die Bedeutung des Deutschen Reichs ziemlich gleichgültig, was man in der Welt von dem Hrn. Abg. Richter denkt; es ist aber für das Deutsche Reich nicht gleichgültig, was man von dessen erstem Beamten, seinem Kanzler, denkt.

Ich könnte deshalb mit sehr viel mehr Sicherheit, Niemand zu schädigen, das, was ich etwa dem Hrn. Abg. Richter als Balken in seinem Auge vorzuhalten hätte, hier vortragen. Aber, wie gesagt, ich glaube, ich habe das nicht nöthig; ich glaube, die Stellung, die ich mir im öffentlichen Leben seit 30 Jahren erworben habe, ist zu fest, als daß der Hr. Abg. Richter mich aus derselben herunterzerren könnte. Sein Gewicht ist zu leicht dazu.

Er hat in derselben Rede die ganze Monopolvorlage in der Hauptsache als ein Geschenk dargestellt, welches den schlesischen Magnaten, die er zum Theil namentlich aufführte, gemacht werden follte; er hat sich bei dieser Aufzählung der einzelnen Kategorien des schlesischen Adels, wie ich aus dem stenographischen Bericht ersehen habe, eines mehrfachen Beifalls und großer Heiterkeit zu erfreuen ge⸗ habt, wie das sehr leicht in Deutschland in allen größeren Kreisen zu erreichen ist, wenn man Nachtheiliges vom Adel spricht; nur muß es eben gerade der deutsche Adel sein. Das ist ein charakteristisches Zeichen, wie schwer es ist, den Beifall des Landsmanns zu erwerben, und wie richtig bei uns das Sprichwort ist, daß kein Pro⸗ phet in seinem Lande gilt. Der fremde Adel, schon der böhmische und ungarische Magnat neben dem schlesischen, da hat man „alle Achtung“. Ein englischer Lord da nimmt man den Hut ab nicht nur in England, sondern auch hier bei uns in Deutsch⸗ kand. Ein französischer Marquis das hat doch ein gewisses historisches flavour von Rokoko und von Feinheit; das läßt man auch passiren; man ist nicht geärgert, mit einem Marquis zu verkehren. Ein spanischer oder italienischer duca der hat etwas Exotisches; der hat schon an und für sich durch seinen ausländischen Charakter etwas Anziehendes. Aber ein deutscher Graf, und gar ein „Reichs⸗ graf“, wie der Abgeordnete wiederholte, unter großem Beifall, das ärgert jeden Biedermann sehr, daß die auch Brennereien haben, und daß diese staatlich geschützt werden sollen. b 8

Diese gerade! Wenn der Hr. Abg. Richter gesagt hätte: ein Geschenk soll gemacht werden den kleinen Brennereien und den größe⸗ ren, die auf unsicheren Füßen stehen, die verschuldet sind, die vielleicht vorweg verkaufen müssen, dann hätte er etwas nicht ganz so Unwahres gesagt; denen soll wirklich unter die Arme gegriffen werden. Die schlesischen Magnaten werden aber wohl meistens in der Lage sein, in der ich selbst bin, nämlich daß sie auf den Jahresüberschuß ihrer Brennereien zum Leben nicht nothwendig angewiesen sind, sondern daß sie die Krisis, welcher dieses Gewerbe unterliegt, ruhig abwarten können. In deren Interesse würde es wenn sie ein eigenes Inter⸗ esse verfolgten im Gegentheil liegen, daß man die Krisis wirken läßt, daß man sie nach Möglichkeit verschärft.

Wir haben ein naheliegendes Beispiel in der Zuckerindustrie. Da sind schon manche zu Grunde gegangen, die weniger feststanden; die wohl Fundirten halten es länger aus. Wir haben viele Beispiele in Amerika, in England. Ich erinnere an die großen Operstionen, die seit Jahrzehnten von englischen Industriellen in der Weise gemacht

wurden, daß dieselben die Ueberproduktion begünstigten; die Krisis

wurde dadurch verschärft, die stärksten und reichsten Fabrikanten verkauften mit Schaden immer wohlfeiler, und nachdem alle ihre Nebenbuhler zu Grunde gegangen waren, gingen sie mit dem Pteise in die Höhe und waren die Konkurrenz los. So würde auch, wenn gar nichts geschieht, die Krisis von selbst schon die Kontingentirung vollziehen, aber leider zu Gunsten der Reichen und zum Nachtheil der Armen. Die schlesischen Magnaten werden nicht Diejenigen sein, die leiden; unter den bürgerlichen Schlesiern, unter denen der Hr. Abg. Richter nur einiger Reicheren wohlwollend edachte, ohne ihre Namen zu nennen, da werden gerade nur diese Reichen vielleicht die Krisis uͤberstehen; die glücklichen Jahre, wo man zwischen den Gräbern der Konkurrenten sich etabliren, das seinige besser ausbauen und ausbeuten kann, die werden eben nur diese reichen

Fideikommißbesitzer und Grafen und Herren erleben. Ich dachte, der Abg. Richter wäre mit den Prozessen, wie sie sich im wirthschaftlichen Leben vollziehen, vertraut genug, um sich zu sagen, daß, wenn hier überhaupt ein Geschenk gegeben wird, dasselbe den ärmeren Gewerbetreibenden zu Theil wird, indem durch die Staatsgesetzgebung die überwiegende Kon⸗ kurrenz der Reichen gehemmt und wirkungslos gemacht wird. Warum ist denn Niemand bei der Frage des Tabackmonopols darauf ge⸗ kommen, daß in demselben ein Geschenk für den Tabackbauer läge, der sich doch auch von der Regierung zu Preisen, bei denen er bestehen und leben kann, seinen gebauten Taback abnehmen läßt, er mag reich oder arm sein. Wenn das nicht geschieht, so geht einfach diese Kultur, diese Industrie, aus der der Staat seine Rente zieht, ein. Das ist eine ganz natürliche Sache. Ich bedauere, daß diese Hetzerei gegen reiche Leute und gegen den Stand der schlesischen Edelleute hier An⸗ klang gefunden hat. Für dergleichen ist ja Platz genug bei den Wahlen; hier hat es auch gar keinen Nutzen weiter, es stimmt ja Niemand deshalb anders nur der Klassenhaß wird einigermaßen verschärft und vertieft.

Es handelt sich aber hier gar nicht einmal um die Frage der Brennerei, sondern wesentlich um die Frage des Kartoffelbaues. Ich werde nachher noch auf die Preis⸗ und Arbeitsverhältnisse näher zurück⸗ kommen; ich will hier vorläufig nur hervorheben, daß die Frage nicht so liegt, Branntweinbrenner gegen Schänkwirth, sondern Kartoffel⸗ bauer gegen Schänkwirth. Jede Verminderung unseres Kartoffelbaues um auch nur ein Hektar ich will ganz obiter taxiren entzieht einer Arbeiterfamilie den Boden ihrer Existenz, und jede Vermehrung unseres Kartoffelbaues um einen Hektar giebt die Möglichkeit für eine Arbeiterfamilie mehr zu leben im Vergleich mit anderen Früchten, die an der Stelle gebaut werden können.

Diese sozialen und wirthschaftlichen Motive sind indeß garnicht die Hauptsache, die uns zur Vorlage veranlaßt haben, sondern die Hauptsache ist das finanzielle Bedürfniß, das vorliegt und das von dieser Stelle aus schon mehr als einmal vertreten worden ist. Das Bedürfniß schien fast von allen Parteien anerkannt zu werden; von der freisinnigen Partei habe ich nichts gehört aber auch vom Centrum, das nachher so geschlossen gegen die Vorlage gestimmt hat, schien der Abg. von Huene doch wenigstens das Bedürfniß zuzugeben, und von Seiten der Nationalliberalen, wie mir schien, ungetheilt. Die Bedürfnißfrage aber ist, je älter sie wird, eine immer drin⸗ gendere. Was die deutsche Nation in den verschiedenen Formen, in welchen sie ihr politisches Leben zur Erscheinung bringt, an Ausgaben bedarf, das muß in irgend einer Gestalt doch aufgebracht werden, mag das Bedürfniß sich im Verwaltungsgebiet des Reichs, in dem der Einzelstaaten oder in dem der Gemeinden kundgeben; es schöpft das alles aus derselben Quelle und dient alles demselben Zweck, der deutschen Nation die Erfüllung ihres politischen Lebens zu ermöglichen.

Die meisten der Ausgaben, die durch neue Einnahmen aus dem Branntwein gedeckt werden sollen, werden bereits geleistet, aber in einer unbequemen und schwer tragbaren Weise. Es ist dies der alte Streit der direkten und indirekten Steuern, über den ich hier schon öfter das Wort zu nehmen in der Lage gewesen bin, und die Noth⸗ wendigkeit, daß die Gemeinden wenigstens in Preußen dermalen ihre Bedürfnisse wesentlich auf dem Wege direkter Steuern auf⸗ zubringen genöthigt sind.

In einer der jüngsten Verhandlungen des Herrenhauses hat der Hr. Minister Friedenthal vorgetragen: Die Summe der Kommunal⸗ abgaben betrage sicher 250 bis 300 Millionen Mark; in Prozenten der Klassen⸗ und Einkommensteuer beträgt die Belastung der Städte 299, die der Landgemeinden 585 %; in Prozenten sämmtlicher Staats⸗ steuern beträgt die Steuerlast 156 % in den Städten und 165 % in den Landgemeinden. Der Ausdruck „Nothstand“ sei also vollkommen gerechtfertigt. Die Kommission spreche nur von den dringenden Bedürfnissen; die Ueberweisung der gesammten Grund⸗ und Gebäude⸗ steuer an die Kommunen decke nur ¼ des gesammten Steuer⸗ bedürfnisses. Die Ausgestaltung der Selbstverwaltung, die Aus⸗ dehnung des Schulwesens auf dem Lande namentlich erfordere vielfach Mehrausgaben; aber die Grenze der Leistungsfähigkeit sei bereits erreicht, vielfach überschritten. Gegenüber den unaufhörlichen Anforderungen beginne sich schon ein passiver Widerstand zu organi⸗ siren. Die Volksschule, bisher ein Gegenstand der Liebe des Volkes, könnte sehr leicht ein Gegenstand der Abneigung werden. Man müsse die Kräfte der Gemeinde entlasten.

Es ist dies das Zeugniß eines Mannes, dem Sie gerade eine reaktionäre oder übertrieben gouvernementale Stellung doch nicht zu⸗ trauen werden. Und um dies Zeugniß zu unterstützen, erlaube ich mir noch anzuführen, daß in Preußen die Steuerexekution, die Aus⸗ pfändung wegen Gemeindelasten und wegen Schullasten in den letzten drei Jahren die Ziffer von 4 ½ Millionen Fällen erreicht hat. Als im Durchschnitt der Jahre sind 1 ½ Millionen Leute in jedem Jahre ausgepfändet worden, weil sie die direkten Zuschläge zu den Staats⸗ steuern, deren die Gemeinde und unter Umständen die Schule bedarf, nicht leisten können. Meine Herren, Sie haben ein so empfindliches Herz für die Leiden eines Schankwirths, der nicht mehr mit derselben Bequemlichkeit sein Brod hat; haben Sie denn gar keinen Sinn für die Thatsache, daß 1 ½ Millionen Preußen allein ausgepfändet werden, d. h. eine Beschlagnahme in ihrem Mobiliar in jedem Jahre vorgenommen wird, weil der Reichstag nicht eine Steuerquelle be⸗ willigen will, durch welche der Noth der Gemeinden in Preußen und den direkten Beiträgen, welche auf denselben lasten, abgeholfen werden könnte? .

Die Gemeindelasten und die Schullasten sind nicht die einzigen Ursachen der Zuschläge zu den direkten Steuern, wie sie in Preußen erhoben werden. Sie haben aus den Angaben des Hrn. Friedenthal gehört, daß er sie zusammen auf 300 Millionen schätzt. Nun sind das Zuschläge zu Steuern, die mit den Vermögensverhältnissen des Be⸗ steuerten in gar keinem nothwendigen Zusammenhang stehen; es sind Steuern, die unter den Einwohnern derselben Gemeinde eine ungleiche und ungerechte Vertheilung der Abgaben erforderlich machen. Der⸗ jenige, der keinen Grundbesitz hat, bezahlt seine 3 % Einkommensteuer; Derjenige, der Grundbesitz hat, bezahlt einmal die 3 % Einkommen⸗ steuer und dann noch, wenn er schuldenfreien Grundbesitz hat, 5 bis 6 % aus seinem Grundsteuer⸗Einkommen, also im inzen 8 bis 9 %. Ist er aber verschuldet, auch nur zur Hälfte, so zahlt er 10 bis 12 % an Grundsteuer von seinem Vermögen. Das sind Ungerechtigkeiten, die, wenn sie erträglich sind, schließlich doch die Geduld des dabei Betheiligten allmählich erschöpfen, die Verstim⸗ mungen erzeugen; und diese Verstimmungen finden nachher zu einer unbequemen Zeit einmal ihren Ausbruch. Gerade wenn das Reich der Theilnahme und des Wohlwollens seiner Angehörigen am drin⸗ gendsten bedarf, kann einmal die aufgespeicherte Empfindlichkeit der ausgepfändeten und ungerecht besteuerten Preußen zum Ausdruck kommen in einer Weise, die ich bedauern würde. G

Ich brauche auf die übrigen Bedürfnißfragen, zum Beispiel die Miethssteuer, die Schule, die Nothwendigkeit, die Beamtenbesoldungen aufzubessern, nicht einzugehen. Die meisten der Ueberlastungen treffen ja das Stiefkind der Gesetzgebung in den letzten Jahrzehnten, die Landwirthschaft und den Grundbesitz; ich hatte namentlich von Seiten des Centrums ein etwas lebhafteres Entgegenkommen zur Abhülfe der hauptsächlich auf der Landwirthschaft in einem großen Theile Deutsch⸗ lands lastenden Schäden erwartet; aber es ist mir nicht gelungen.

Nun will ich auf die Bedürfnißfrage nicht tiefer eingehen; ich

will annehmen, daß die Mehrheit des Hauses das Bedürfniß nicht