1886 / 84 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 07 Apr 1886 18:00:01 GMT) scan diff

Als Unternehmer gilt derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb erfolgt. Die Bezirke, für welche die einzelnen Berufsgenossenschaften gebildet sind, werden d⸗ den „Reichs⸗Anzeiger“ veröffentlicht. Die Berufsgenossenschaften können unter ihrem Namen Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen und verklagt werden. 1 E Für die Verbindlichkeiten der Berufsgenossenschaft haftet den Gläubigern derselben nur das Genossenschaftsvermögen.

Der Abg. Dr. Barth meinte, die Berufsgenossenschaften der Vorlage seien keine normalen, man werde die ganze Verwaltung mehr oder weniger auf staatliche Organe übernehmen und nicht Gefahrenklassen bilden, sondern die Prämien als Zuschläge zur Grundsteuer erheben müssen. Das würde nur Abwälzungsversuche und Unzufriedenheit ver⸗ ursachen. Die freisinnige Partei habe vor Jahren vorausgesagt, daß die sozialpolitischen Organisationen der neueren Gesetzgebung rein büreaukratisch sich gestalten und ein selbständiges Leben nicht haben würden. Er und seine Freunde wollten diese Sozialpolitik nicht mitmachen, obwohl

anzuerkennen sei, daß diejenigen, welche den falschen Weg

einmal eingeschlagen hätten, nun auch gezwungen seien, ihn weiterzugehen. Hierauf entgegnete der Staats⸗Minister von Boetticher: Der Vorredner stehe im Widerspruch mit seinen Parteigenossen, welche sonst immer erklärt hätten, auch die Versicherung der Arbeiter gegen Unfälle zu wollen. (Der Abg. Barth rief: Habe ich nicht bestritten Wenn der Abg. Barth dies Ziel ebenfalls erstrebe, so müsse er auch positive Vorschläge zur Er⸗ reichung desselben machen. Die Berufsgenossenschaften würden nicht verstaatlicht, sondern sollten nur die Möglichkeit er⸗ halten, ihre Verwaltung den Selbstverwaltungsorganen zu übertragen. Die Prämie bleibe immer eine solche und erhalte nicht den Charakter einer Steuer. Es komme lediglich darauf an, den verunglückten Arbeitern die Unfallversicherung zu ge⸗ währen; wo die Betriebe so gleichartig seien, daß man die Eintheilung in Gefahrenklassen entbehren könne, da brauche man eine solche Schablone auch nicht einzuführen. Auf die Form der Versicherung komme es überhaupt erst in zweiter Linie an. Der Abg. Schrader meinte, wenn die Vorlage auch das Wort „Berufsgenossenschaft“ beibehalte, so sei die Sache doch eine andere geworden. Sobald die Genossenschaft ihre Befug⸗ nisse auf Selbstverwaltungsorgane übertrage, verschwinde sie vollständig und behalte nur noch das Recht der Statutenänderung und der Steuerzahlung. Ob Staats⸗ oder Selbstverwaltungsorgane die Verwaltung ührten, sei gleichgültig; in Preußen werde z. B. der Kreis⸗ ausschuß unter dem Vorsitze des Landraths die Verwaltung übernehmen. Werde jemand den Landrath als Genossen⸗ schaftsverwalter von dem Staatsbeamten unterscheiden? Die Gesetzgebung greife auch zu tief in die einzel⸗ staatlichen Verhältnisse ein, und lege den Behörden der Einzelstaaten neue amtliche Geschäfte auf. Die Prämie erde man Anfangs vielleicht als solche bezahlen, später aber, wenn erst die ganze Sache verstaatlicht sei, nur noch als Zuschlag zur Grundsteuer empfinden. Man werde schließlich, in 8ics wenigstens, zu einer provinziellen Regelung der Sache kommen; vielleicht auf Anregung des Landtages. Bei Schluß des Blattes sprach der Abg. von Helldorff.

In der heutigen (58.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister für Landwirthschaft,

omänen und Forsten, Dr. Lucius, nebst Kommissarien beiwohnte, theilte der Präsident mit, daß eine Interpellation des Abg. Dr. Wehr (Dt. Krone), betreffend die Ueberschwemmungen im Weichselgebiete, eingegangen sei.

Das Haus trat hierauf in die Tagesordnung ein, deren erster Gegenstand die Fortsetzung der dritten Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Beförderung deutscher Ansiedelungen in den Provinzen West⸗

reußen und Posen, war.

Der Abg. Magdzinski gab Namens der polnischen Frak⸗ tion die Erklärung ab, daß dieselbe sich an der weiteren Be⸗ rathung nicht betheiligen werde.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, daß das vorliegende Gesetz, wie die Maigesetze, ein Ausfluß der Leidenschaft sei. Die Nothwendigkeit v sei nicht erwiesen, die erforder⸗ lichen Nachweisungen seien nicht beigebracht worden. Weiter seien auch die Finanzen des Staates nicht der Art, daß man sich einen Luxus erlauben könne, wie ihn dieses Gesetz be⸗ deute. Der Reichstag werde dann natürlich bald wieder an⸗

erufen werden, um das zu decken, was hier in der Erregung verausgabt sei. Es sei auch bereits eine neue Steuervorlage im Reichstage angekündigt. Das vorliegende Gesetz widerspreche aber auch der Verfassung, denn es hebe die Gleichheit der Unterthanen vor dem Gesetze auf. Er bitte deshalb das Haus, das Gesetz abzulehnen.

Der Abg. von Tiedemann (Bomst) meinte, daß das Ver⸗ langen nach neuen statistischen Daten felssane berühren müsse, nachdem das ganze bis jetzt mitgetheilte Material von den Herren im Centrum für falsch erklärt worden sei. Er sei überzeugt, daß die Vorlage zum Segen des Vaterlandes aus⸗ schlagen werde.

Der Abg. Dr. Virchow glaubte, daß das vorliegende Gesetz nur ein Ueberbleibsel aus der schlimmsten Kulturkampfs⸗ eit sei. In Posen habe derselbe begonnen, in Posen solle er auch beendet werden. Wie solle die Germanisirun vollzogen werden? Er und seine Freunde hielten dafür, da dieser Prozeß nicht gewaltsam befördert werden dürfe, sondern sich auf dem Wege der natürlichen Entwickelung vollziehen müsse. Dazu komme für ihn noch ein Bedenken sehr ernster Natur: durch das Gesetz werde die Verfassung in bedrohlicher Weise verletzt, denn es werde eine gewisse An⸗ zahl von Staatsbürgern von Wohlthaten ausgeschlossen.

Der Abg. Hagens wies nach, daß die gegen das Gesetz vorgebrachten Verfassungsbedenken nicht zutreffend seien.

8 e Schluß des Blattes ergriff der Abg. Dr. Hänel das ort.

Ein Nichtkaufmann erlangt nach einem Urtheil des Reichsgerichts, I. Civilsenats, vom 25. Januar d. J., nicht ohne Weiteres durch Nachsuchung und Erlangung einer Konzession zum Bau und Betriebe einer Pferde⸗Eisen⸗ bahn die Kaufmannseigenschaft, und es fallen dem⸗ süfolge die von ihm über Vorarbeiten zur Ausführung der

erdebahn mit Anderen geschlossenen Verträge nicht unter das Handelsgesetzbuch, sondern unter das bürgerliche Recht. Ebensowenig ist die Vereinigung eines Nichtkaufmannes mit

schaftlichen Betriebe der Bahn als eine Vereinigung zu Handels⸗ geschäften zu betrachten.

Der General der Infanterie Graf von Kirchbach, Chef des 1. Niederschlesischen Infanterie⸗Regiments Nr. 46, welcher Ende Januar d. J. hier eingetroffen war, hat Berlin wieder verlassen.

Bayern. München, 6. April. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Abgeordnetenkammer wurde zunächst angezeigt, daß der Militär⸗Etat für 1886/87 eingegangen ist, und sodann der Etat der direkten Steuern nach un⸗ erheblicher Debatte genehmigt Graf Seiboltsdorf (Centrum) berichtete über den Antrag Soden, betreffend die Errichtung einer staatlichen Mobiliarversicherung, und beantragte im Namen des Ausschusses: den Antrag der Regierung zur Erwägung zu überweisen. Frickhinger (lib.) legte den ablehnenden Standpunkt der Minorität des Aus⸗ schusses dar. Zott erklärte sich für den Antrag; Freiherr von Stauffenberg bekämpfte die staatliche Mobiliarversiche⸗ rung. Die Fortsetzung wurde sodann auf morgen vertagt.

Baden. Sa 7. April. (W. T. B.) Der Erbgroßherzog ist fieberfrei; im Uebrigen ist das Be⸗ finden, auch bezüglich des Gelenkschmerzes unverändert.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 5. April. (Wien. Abdp.) Im Abgeordnetenhause gelangte heute der Etat des Finanz⸗Ministeriums zur Verhandlung. Zahlreiche Redner griffen in die Debatte ein, an welcher sich auch der Finanz⸗Minister Dr. Ritter von Dunajewski betheiligte. Sämmtliche zur Berathung gelangten Titel wurden unver⸗ ändert nach den Anträgen des Budget⸗Ausschusses genehmigt. Abends wurde die Debatte fortgesetzt.

Zara, 6. April. (W. T. B.) Der Statthalter von Dalmatien, von Cornaro, ist gestorben.

Pest, 5. April. (Wien. Ztg.) Die Unabhängig⸗ keits⸗Partei des Reichstages erledigte heute Abend die Detailberathung des Gemeindegesetz⸗Entwurfes. Hierauf wurde der von Istöczy unterbreitete Entwurf betreffs Ein⸗ ührung einer Börsensteuer diskutirt. Nach einer leb⸗ haften Debatte, an welcher Iränyi, Enyedy, Olay und Orbän theilnahmen, beschloß die Partei, dem Ent⸗ wurf, abgesehen von dessen Motivirung, prinzipiell beizustimmen und für die Zuweisung desselben an irgend einen Ausschuß einzutreten. Bezüglich der Details be⸗ gült⸗ sich die Partei weitere Beschlüsse vor. Die liberale

artei des Reichstages beendete die Spezialdebatte über den Gemeindegesetz⸗Entwurf. Der Handels⸗Minister Graf Széchényi theilte hierauf die Antwort auf die Inter⸗ pellation Fenyvessy's wegen der Höhe der durch die Versatz⸗ ämter eingehobenen Zinsen, ferner die Antwort auf die Inter⸗ pellation Neményi’s in Angelegenheit des rumänischen Handelsvertrages mit.

Belgien. Mons, 7. April. (W. T. B.) General van der Smissen wird heute mit seinem Stabe Mons ver⸗ lassen und sich nach Brüssel begeben. In einem Tages⸗ befehl theilt derselbe mit, daß, da die Ordnung wieder⸗ hergestellt sei, die Truppen nach und nach zurück⸗ gezogen werden würden. Die Verordnungen, betreffs der Verhaftung von Anarchisten in den Gemeinden, welche um die Sendung von Militär nachgesucht hatten, werden auf⸗ gehoben. Zum Schluß des Tagesbefehls dankt der General den Truppen für die bewiesene Hingebung.

Großbritannien und Irland. London, 5. April. 8,8 Corr.) Der mit der Erwägung der Homerule-⸗Bill etraute Ausschuß des Kabinets hat seine Arbeiten be⸗ endigt und wird in der nächsten Plenarsitzung des Kabinets seinen Bericht darüber erstatten. Der Original⸗Entwurf des Projekts ist dem Vernehmen nach einigen Abänderungen unter⸗ zogen worden, namentlich in Bezug auf die dem irischen Parlament zu gewährenden fiskalischen Befugnisse. Un⸗ mittelbar nach der Rede des Premiers Gladstone in der Unter⸗ haussitzung am Donnerstag gedenkt Mr. Chamberlain, dem Hause die Gründe mitzutheilen, die ihn bewogen haben, aus dem Kabinet zu scheiden. Ein Gleiches wird Mr. Tre⸗ velyan im späteren Verlauf der Debatte thun. Der Marquis von Hartington wird am Donnerstag die Vertagung der De⸗ batte über Gladstone's Homerule⸗Bill beantragen, um dieselbe am Freitag Abend eröffnen zu können. Die erste Lesung der Vorlage wird nicht beanstandet werden; aber, wenn das nächste Stadium erreicht wird, werden sich Chamberlain und Trevelyan wahrscheinlich mit den Whigs und Konservativen zu einer gemeinschaftlichen Bekämpfung der Bill vereini⸗ gen. Den neuesten Berechnungen zufolge dürften etwa 75 liberale Abgeordnete unter Lord Hartingtons Führung gegen den Homerule⸗Plan des Ministeriums stimmen. Die Zahl der Radikalen, welche Chamberlain folgen dürften, wird auf etwa ein Dutzend geschätzt. Sollte Gladstone’s Bill bei der zweiten Lesung verworfen werden, so wird dem Unter⸗ hause wahrscheinlich ein von Hartington, Goschen, James, Chamberlain und Trevelyan gemeinschaftlich ausgearbeiteter Plan zur Lösung der irischen Frage unterbreitet werden.

Die Regierung hat beschlossen, im Hinblick auf die drohende Haltung Griechenlands, die Flottenm acht im Mittelländischen Meere bedeutend zu verstärken. Nicht nur ist der Torpedo⸗Widder „Polyphemus“ von Devonport nach der Suda⸗Bai abgegangen, sondern in Portsmouth sind auch Befehle eingegangen, bis zum 13. d. M. den „Colossus“ in Dienst zu stellen, der sich dem Geschwader unter dem Befehl des Admirals, Herzogs von Edinburgh, anschließen soll. Letzteres Schiff wird eine Bemannung von 400 Köpfen haben; es ist ein neues Fahrzeug und hat seine Wimpel noch nicht aufgehißt. Mit einem Deplacement von 9150 t und 7490 Pferdekraft wird es allgemein für das wirksamste jetzt schwimmende Panzerschiff gehalten, wenn man seine kombinirte Macht Psn Angriff und zur Vertheidigung berücksichtigt. Der „Colossus“ hat vier Hinterlader⸗Kanonen im Gewicht von je 42 t in seinen Thür⸗ men, ferner 5 sechszöllige Geschütze, 10 Nordenfeltsche Ma⸗ schinen⸗Geschütze, 2 Gardener Kanonen und 4 schnellfeuernde Sechspfünder, außerdem eine Torpedo⸗Ausrüstung.

6. April. (W. T. B.) Die heutige amtliche Zeitung veröffentlicht eine Kabinetsordre, worin der Beitritt Italiens zu der englisch⸗egyptischen Konvention vom Jahre 1877, betreffend die Unterdrückung des Sklav encns b mit allen aus der Konvention hervor⸗

einem Anderen zur gemeinschaftlichen Erlangung einer Kon⸗ zession zum Bau einer Pferdebahn und event, zum gemein⸗

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gehenden Rechten und Verpflichtungen angezeigt wird.

warmen Worten des großen Verlustes, den das L den Tod Forsters erlitten habe. and durg

Beim hiesigen Eentral⸗Kriminalgerichtshof ha heute der Prozeß gegen die sozialistischen Au wiegler Hyndman, Champion, Burns und Williams 1e gonnen. Die Anklage lautet auf Aufwiegelung durch anf rührerische Reden bei den jüngsten Londoner Unruhen.

7. April. (W. T. 27 Die „Times“ erfährt: j dem gestrigen Kabinetsrath sei die Sezession noch mehreren anderer Mitglieder des Kabinets nur dadurch abgewende worden, daß der FEeoe Gladstone darein gewilligt habe sibe irischen Reformpläne wesentlich zu modi⸗

iziren.

Bombay, 5. April. (A. C.) Das „Reutersche Bureau“ meldet: Der Nizam von Hyderabad eröffnete gestern unter entsprechender Feierlichkeit die neue Eis enbahn zwischen Secunderabad und Warangol. Die Linie hat eine Länge von 87 engl. Meilen.

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Frankreich. Paris, 6. April. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer setzte heute die Berathung über den Anleihe⸗Gesetzentwurf fort und vertagte dieselbe schließlich auf Donnerstag. Die äußerste Linke verschob ihre An⸗ frage über die Verhaftungen in Decazeville gleich⸗ falls bis Donnerstag.

In Folge mangelnder Beschäftigung in werken von Fourchambault (Departement den 500 Arbeiter entlassen.

Italien. Rom, 6. April. die „Rassegna“ wissen will, würde in den nächsten Tagen ein Dekret erscheinen, welches das Parlament vertage und bald darauf ein weiteres Dekret, welches die Auflösun der Kammer anordne. Der vom König hierherberufene Präsident der Kammer treffe morgen hier ein.

Griechenland. Athen, 6. April. (W. T. B.) Zur Feier des heutigen Jahrestages der Unabhängigkeit Griechenlands fand ein Tedeum statt, dem außer den Spitzen der hiesigen Behörden auch die Vertreter der fremden Mächte beiwohnten. Die Stadt ist festlich geschmückt und beflaggt. Eine große Menschenmenge bewegte sich in durch⸗ aus ruhiger Haltung auf den dem Königlichen Palais und der Kathedrale benachbarten Straßen und Plätzen. Die Königliche Familie wurde überall, wo sie erschien, von der Menge ehrfurchtsvoll begrüßt.

Heute Nachmittag fand hier auf dem Platze des olympi⸗ schen Zeus eine zahlreich besuchte Volksversammlung statt, welche alsdann die Hauptstraßen der Stadt durchzog. An verschiedenen Plätzen wurden kriegerische Reden gehalten, in denen die Wiederherstellung der alten ruhmwürdigen Stellung Griechenlands als nothwendig bezeichnet wurde.

Türkei. Konstantinopel, 6. April. (W. T. B.) Die Pforte hat dem Fürsten Alexander von Bul⸗ garien heute von dem gestern von der Konferenz genehmigten Uebereinkommen, betreffend die Hjährige Amtsdauer des Fürsten Alexander als General⸗Gouverneur von Oft⸗ Rumelien, Mittheilung gemacht und auch der g riechischen Regierung in Athen eine analoge Mittheilung zugehen lassen. Eine Antwort des Fürsten Alexander auf diese Mit⸗ theilung ist bis jetzt noch nicht eingegangen.

(W. T. B.) Ein Telegramm des Londoner „Standard“ aus Konstantinopel, vom 6. April meldet: die Bot⸗ schafter der Mächte hätten nach der Sitzung der Konferenz auf telegraphischem Wege eine Note an die griechische Regierung abgehen lassen, worin sie derselben die erfolgte Unterzeichnung des Protokolls angezeigt und zugleich drin⸗ gendst anempfohlen hätten, den gegenwärtigen anormalen Zuständen in Griechenland ein Ende zu machen.

Serbien. Belgrad, 6. April. (W. T. B.) Durch Königliches Dekret wird die bisherige Skupschting aufgelöst und werden Neuwahlen am 26. April (8. Mai) für die bis einschließlich 1887 dauernde Legislaturperiode an⸗ geordnet.

Der neu ernannte Minister des Auswärtigen, Fra⸗ nassovics, erließ bei der Uebernahme seines Amts ein Rundschreiben an die serbischen Vertreter im Auslande sowie an die Vertreter der Mächte in Belgrad, worin er ver⸗ sichert: er werde sich die Pflege der freundschaftlichen Be⸗ ziehungen zu allen Mächten angelegen sein lassen.

Amerika. Washington, 3. April. (A. C.) Das „Bureau Reuter“ meldet: Der Kongreß nahm heute eine von dem Mitgliede für St. Louis (Missouri), W. J. O'Neill, eingebrachte Bill an, welche für eine schleunige schieds⸗ richterliche Beilegung von zwischen Arbeitern und Arbeitgebern entstehenden Differenzen Fürsorge trifft.

Das Repräsentantenhaus setzte heute die Debatte über Mr. Blands Billfür die freie Prägung von Silber⸗ Dollars fort.

Asien. China. Peking, 2. April. Kaiser hat, begleitet von der Kaiserin, den Prinzen, den Staats⸗Ministern und einer Eskorte von 10 000 Mann Truppen, Peking verlassen, um die Gräber seiner Ahnen zu besuchen.

den Eisen⸗ Nivre) wur⸗

(W. T. B.) Wie

(A. C.) Der

Zeitungsstimmen.

Aeußerungen der „Germania“ und des „Westfälischen Mer⸗ “kurs“ über das Sozialistengesetz einander gegenüber. In der „Germania“ hieß es:

„‚Dieses Stimmenverhältniß läßt hoffen, daß das Sozialistengesetz vielleicht schon in zwei Jahren abgelehnt wird. Daß es nicht schon dieses Mal geschehen ist, daran sind allein die Deutschfreisinnigen und Sozialdemokraten schuld. Das liegt ganz offen auf der Hand. Das Centrum ist gegen dieses Ausnahmegesetz und hat gegen die Einführung desselben gestimmt. Es hat auf das Unzweideutigste er⸗ llärt, das Gesetz dürfe unter keinen Umständen eine dauernde In⸗ stitution werden, es müsse auf den Boden des gemeinen Rechtes zurück⸗ gekehrt werden, deshalb seien die Windthorstschen Milderungsanträge gestellt, welche ein Uebergangsstadium bilden sollen. Soweit ist das Centrum vollkommen einig; nur in der praktischen Würdigung des Sozialistengesetzes ist eine Minorität von 28 Centrumsmitgliedern anderer Ansicht, als das Gros der Partei.“

Dazu bemerkt die „Norddeutsche Allgemeine Zei⸗ tung“: Wir verhalten, dem der

sahen bereits,

bereits, daß die Thatsachen sich genau umgekehrt und daß diese Minorität sich der Zahl nach nur wenig von

„Germania“ genehmen Gros der Partei unterscheidet.

Im Unterhause gedachte der Premier Gladstone in

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Daß es aber, auch hiervon abgesehen, unerhörte An⸗ 1

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Die „N or ddeutsche Allgemeine Zeitung“ stellt die

„Germania“ ist, in folcher Weise im Namen sprechen zu wollen, geht schon daraus der den wirklichen Centrumsstandpunkt, d. h. der die atholischen und nicht die welfischen Interessen weit richtiger ver⸗ 22. Westfälische Merkur“ noch vor wenigen Tagen über die betena erung aussprach. Dieses Blatt erklärte, schon angesichts der ’* 125 in Belgien müsse die etwaige Ablehnung der Verlängerung Vorgane schwerer Fehler“ bezeichnet werden, und fuhr dann fort: 8- „Die Regierung hat Recht daran, wenn sie betont, daß unser deutsches Sozialistengesetz trotz seiner Mängel immer geeignet ist, ielem vorzubeugen. Einen so erheblichen Unterschied zwischen den Zwialdemokraten und Anarchisten, wie die Ersteren ihn ausmalen, 8 ögen wir nicht zu erkennen. Es ist mehr ein Unterschied des Fa. traments und der Taktik als eine Divergenz der Prinzipien. FenpeFrieg den Palästen und Friede den Hütten“ ist das Motto rade der Sozialdemokraten, und darum wird eine sozialistische Revo⸗ setion stets auch genau so aussehen wie eine anarchistische. Und 5 en die sozialdemokratischen und anarchistischen Theoretiker nißzem Papiere sich noch so sehr debattiren: die Differenz wird auf na Barrikaden verschwinden, wo die revolutionären Genossen Schulter 6 Schulter gegen die bestehende Gesellschaftsordnung kämpfen. Für die deutschen Verhältnisse sind in Anbetracht des nüchternen und weniger sanguinischen Sinnes unserer Arbeiter die Sozialdemokraten offenbar noch gefährlicher als die tollköpfigen Anarchisten. Alle, welche auf dem Boden der bisherigen Gesellschaftsordnung stehen, befinden sich diesen beiden Parteien gegenüber einfach im Stande der

Nothwehr.“ b 1 . 1

Am Schlusse des Artikels sagt die „Norddeutsche

eine Zeitung“: d. gisg en Uee also, daß in der welfisch⸗partikularistischen Germania“, und zwar im Gegensatz zu dem ultramontanen „West⸗ fälischen Merkur“, anläßlich der durch das Centrum bewirkten Ver⸗ längerung des Sozialistengesetzes Theorien hinsichtlich der Sozial⸗ demokratie vertreten werden, welche dem Bebelschen Ideenkreise ent⸗ stammen. Zu welchem Zwecke das geschieht und wozu den hinsichtlich der Abstimmung über das Gesetz offenkundigen Thatsachen dort Ge⸗ walt angethan wird, werden wir des Weiteren untersuchen.

Das Preußische Staatsschuldbuch ist in dem soeben abgelaufenen Geschäftsjahr 1885/86 in viel erheblicherem Umfange benutzt worden als im ersten Halbjahr seines Be⸗ sthhens. Die „Berliner Politischen Nachrichten“ sind in der

ßung der 21 Centrums

Lage, an einzelnen Daten Folgendes mitzutheilen:

Es haben in dem gedachten Jahre 3819 Eintragungen statt⸗ gefunden; neu angelegt sind 2302 Conten; gelöscht nur 25. Die Zahl der Conten belief sich am 31. März d. J. auf 2918 mit einem Kapi⸗ talbetrage von 155 533 900 gegenüber dem an dem gleichen Tage des vorigen Jahres vorhanden gewesenen Bestande von 641 Conten mit 52 192 700 Die Contenzahl ist somit in der Zwischenzeit um das 41fache, die eingetragene Kapitalsumme um das Zfache gestiegen.

Von den Buchforderungen fallen auf

ein Kapital bis 4 000 29,1 % von . 4 000 10 000 22,3 8 9 8 6166000 0 9900 388 „8 1

Der Rest vertheilt sich in der Weise auf Beträge über 50 000 ℳ, daß auf ein Conto im Durchschnitt 53 000 kommen, gegenüber dem im ersten Geschäftshalbjahr (Oktober 1884 bis März 1885) ermittelten Durchschnittsbetrage von 81 000 8

Die Zahl der kleineren Kapitalisten, welche von der Einrichtung des Staatsschuldbuches Gebrauch machen, hat somit erheblich zu⸗ enommen. 8 1904 Conten sind für einzelne physische Personen und Handels⸗ firmen, 513 für juristische Personen und 499 für Vermögensmassen ohne juristische Persönlichkeit angelegt. b

Die große Zahl der Zuschreibungen auf bestehende Conten, die etwa 30 ½ % der Conten überhaupt ausmachen, läßt erkennen, daß Diejenigen, die einmal von der Einrichtung des Staatsschuldbuches Gebrauch gemacht haben, die Vortheile desselben fortgesetzt würdigen.

Von den Conteninhabern sind 2636 in Preußen ansässig, 255 in den anderen deutschen Staaten und 27 außerhalb Deutschlands.

Das Staatsschuldbuch erweist seinen Nutzen vorzugsweise solchen Instituten und Privatpersonen, denen es nicht um eine oft wechselnde oder schnell vorübergehende, sondern um eine dauernd gleichmäßige Anlage ihres Vermögens zu thun ist.

Außer den 4 % Konsols werden vom 1. Juli d. J. ab nach dem soeben von beiden Häusern des Landtages angenommenen Gesetzentwurf auch die 3 ½ % Konsols in eine Buchschuld umgewandelt werden können.

Durch die Umwandlung der Schuldverschreibungen in eine Buch⸗ schuld sichert sich der Besitzer vor jeglichem Verlust, der ihm durch Diebstahl, Unterschlagung, Verbrennen oder durch sonstigen Unfall an den Dokumenten und Zinsscheinen entstehen kann.

Die Zinsen können nach freier Wahl des Empfängers durch die Post innerhalb des ganzen deutschen Reiches, oder wenn der Zins⸗ berechtigte ein Giroconto bei der Reichsbank besitzt, durch Gutschrift auf diesem Conto berichtigt werden; auch werden die Zinsen bei der Staatsschulden⸗Tilgungskasse, jeder Regierungshauptkasse und den Königlichen Kreis⸗ bezw. Steuerkassen baar bezahlt. Laufende Ver⸗ waltungskosten entstehen durch die Eintragung im Staatsschuldbuch nicht; für dieselbe ist ein einmaliger Betrag von 25 von je an⸗ gefangenen 1000 des Kapitalbetrages, mindestens aber 1 zu entrichten.

—. Der „Kölnischen Zeitung“ wird aus London, u. d. 4. April, geschrieben: 8

Was wohl unsere Reichsnörgler zur vorgestrigen Unterhaussitzung agen werden! Sie war eine Verherrlichung Deutschlands, des eutschen Handels und ganz besonders des Fürsten Bismarck. Da erzählten Leute, die es wissen müssen wie Charles Mark Palmer, einer der größten Schiffsbauer Englands, der im Regierungs⸗Ausschuß zur Untersuchung der Handelsflauheit sitzt —, folgendes: „Deutschlands Land⸗ wirthschaft leidet unzweifelhaft, aber in anderen Beziehungen ist Deutsch⸗ land von Leiden weit entfernt. Deutschland ist eines der wohlhabendsten LKänder Europas und wetteifert mit England in Industrie und Handel so wirksam, daß ich fürchte, wir werden im Wettlaufe zurückbleiben, wenn wir nicht von Deutschland lernen.“ Hr. Laren berichtete, daß des Fürsten Bismarck Einfluß und That⸗ kraft selbst England in den Bereich seiner Ausbreitung gezogen abe. Im Norden Europas, in Dänemark, Schweden und Nor⸗ wegen, hätten die Deutschen den Engländern schon den Rang ab⸗ gelaufen. Jede Woche langten dort deutsche Schiffe mit allen möglichen Waaren an, welche früher England zu liefern pflegte. Mkaren kam dann auf die in Deutschland für China gebauten dampfer zurück, ferner auf das deutsche Syndikat zum Bau der vinesischen Eisenbahnen, dessen Scheitern nur dem Eingreifen Lord Rosebery's zu danken sei. Bryce, der Unter⸗Staatssekretär des eußern, ang darauf das Lob des deutschen Kaufmanns, welcher den rilischen deshalb überflügele, weil er mäßiger lebe, billiger arbeite, sleißiger sei und vor Allem eine bessere kaufmännische und sprachliche Bildung genossen habe. Kurzum, die Deutschen kamen aus der gestrigen Unterhaussitzung als eines der wohlhabendsten, zu⸗ kunftssichersten und bestgeleiteten Völker Europas heraus. Den Anlaß azu gab ein Antrag M'Larens, die Regierung möge in Anbetracht er glücklichen Erfolge der deutschen und anderer Regierungen in der sörderung ihres Handels ebenfalls passende diplomatische Agenten im Auslande zur Förderung der englischen Handelsausdehnung anstellen

Landtags⸗Angelegenheiten.

dg In der Sitzung der kirchenpolitischen Kommission Ues Herrenhauses, vom 5. April, hat der Minister der geist⸗ ichen ꝛc. Angelegenheiten, Dr. von Goßler, nachstehende Erklärung abgegeben :

In der Kommissionssitzung vom 30. März d. J. ist bei

rathung der Abänderungs⸗Anträge (Nr. 54 der Drucksachen) Seitens eines Mitgliedes mitgetheilt worden, daß die Kommissionsbeschlüsse, wenn sie mit den gedachten Amendements zur Annahme gelangten, Seitens der Kurie als ein erfreulicher Fortschritt in der Entwickelung der kirchen⸗ politischen Verhältnisse betrachtet werden würden. Dagegen sei von der Kurie die volle Erfüllung der Anzeigepflicht nicht zuͤgestanden, vielmehr nach Erlaß eines den Kommissionsbeschlüssen und den Ab⸗ änderungs⸗Anträgen entsprechenden Gesetzes die Benennung nur in Ansehung der zur Zeit vakanten Pfarreien in Aussicht gestellt worden. Diese Auskunft muß nach den der Königlichen Staatsregierung zugegangenen Informationen im Wesentlichen als richtig bezeichnet werden. Um über die Stellung, welche die päpstliche Kurie zu der jetzigen Situation der Regierungsvorlage einnimmt, genaue Kennt⸗ niß zu erhalten, ist der diesseitige Gesandte am Vatikan hierher berufen worden. Aus seinen Darlegungen geht hervor, daß, wenn die Kommissions⸗ beschlüsse mit den am 26. v. M. vom Hrn. Bischof Kopp gestellten Amendements zur Annahme und gesetzlichen Publikation gelangen, der Papst alsdann geneigt sein wird, die Bischöfe für die vakanten Pfarren mit den zur Anzeigepflicht erforderlichen Instruktionen versehen zu lassen und dieses Zugeständniß auch auf die Iheeeigen Vakanzen auszudehnen, sobald der religiöse Friede, wie Seine Heiligkeit fest vertraue, hergestellt sein werde. Nach erfolgter Anzeige eines an⸗ zustellenden Geistlichen würde es der Regierung freistehen, ihre Gründe für die Ausschließung des vom Bischof vorgeschlagenen Individuums geltend zu machen, im Falle sie die Zulassung desselben wegen wichtiger ihr nachgewiesener Thatsachen mit der öffentlichen Ordnung für un⸗ verträglich erachte. as die Stellung der Königlichen Regierung zu denjenigen An⸗

trägen betrifft, welche nicht von ihr selbst ausgegangen oder in der Regierungsvorlage enthalten sind, so kann ich auch heute nur auf meine Erklärungen zurückkommen, welche ich in der Sitzung vom 30. März und bei früheren Gelegenheiten abgegeben habe. Die Staats⸗ regierung wird über die Annehmbarkeit der gedachten Anträge erst dann definitiv sich schlüssig zu machen berufen sein, wenn sich auf Grund der Verhandlungen beider Häuser des Landtages übersehen läßt, welche Rückwirkung auf unsere innere politische Lage und auf die Stellung der Mehrheit beider Häuser des Landtages zur Königlichen Regierung die von dem Staats⸗Ministerium Sr. Majestät dem Kö⸗ nige anzurathenden Entschließungen üben werden. Um die Ueberein⸗ stimmung des Königs und der beiden Häuser des Landtages, welche durch Artikel 62 der Verfassung vorgesehen ist, vorzubereiten, hat Se. Majestät der König das Staats⸗Ministerium zu der ursprünglichen Vorlage ermächtigt. Eine Aenderung in der dadurch genommenen Stellung wird nur durch eine neue, von Sr. Majestät in Ueberein⸗ stimmung mit dem Staats⸗Ministerium gefaßten Entschließung thun⸗ lich sein. Das Letztere ist nicht der Meinung, daß es an⸗ gezeigt sei, eine solche Allerhöchste neue Entschließung schon herbeizuführen, so lange sich nicht ermessen läßt, welches die Beschlüsse des Herrenhauses, und noch weniger, welches Er⸗ gebniß die Verhandlungen beider Häuser für die Gestaltung der ursprünglichen Vorlage haben werden. Die Königliche Negierung wird ihre Anträge auf anderweite Allerhöchste Ermächtigungen nur mit Berücksichtigung der Ansichten der Mehrheit beider Häuser des Landtages stellen können und daher nicht berufen sein, ihre Ansichten durch amtliche Kundgebungen festzulegen und dadurch der Entschließung Sr. Majestät, als eines der drei Faktoren unserer Gesetzgebung, vor⸗ zugreifen, so lange sie nicht festgestellt hat, wie weit sie für die ein⸗ zelnen Aenderungen, welche zu der Königlichen Vorlage beantragt werden, auf die Mitwirkung der beiden Häuser des Landtages rechnen darf. . ““

Um letztere aber in den Stand zu setzen, sich ihr Urtheil mit voller Kenntniß der Sachlage zu bilden, empfiehlt es sich nach Ansicht der Staatsregierung, daß die Mitglieder Kenntniß haben von der Wirkung, welche die diesseitigen Entschließungen auf diejenige der römischen Kurie eventuell ausüben werden. 3

Zu diesem Behufe bin ich ermächtigt und beauftragt, dasjenige mitzutheilen, was nach Vorstehendem durch Besprechung mit dem Gesandten am Vatikan über die päpstlichen Intentionen ermittelt worden ist.“

1.“ Dem Reichstage ist folgendes Schreiben des Reichska zugegangen: 1 Berlin, den 4. April 1886. Bei der Berathung des Entwurfs eines Militär⸗Strafgesetzbuchs hat der Reichstag in seiner Sitzung vom 8. Juni 1872 beschlossen, den Reichskanzler zu ersuchen, 1) zu veranlassen, daß eine sachverständige und umfassende Untersuchung darüber angestellt werde, welche Einwirkung auf die Gesundheit die Vollstreckung des mittleren und des stremen Arrestes ausübe, ob und inwieweit nachtheilige Wirkungen wahrzunehmen sind, welche mit der besonderen Art der Ernährung und des Aufenthalts zu⸗ sammenhängen; 2) das Ergebniß dieser Untersuchung zur Kenntniß des Reichstages zu bringen. Die in dieser Resolution in Anregung gebrachten Erhebungen sind von der Militärverwaltung zunächst für das Halb⸗ jahr vom 1. April bis Ende September 1873 angestellt und sodann während eines zwölfjährigen Zeitraumes, nämlich in der Zeit vom 1. Oktober 1873 bis 30. September 1885 fortgesetzt, demnächst aber mit dem letztgedachten Zeitpunkte eingestellt worden, nachdem das ein⸗ gegangene Berichtsmaterial eine ausreichende Grundlage für die Be⸗ urtheilung der angeregten Frage verschafft hat. Die angestellten Erhebungen haben folgendes Ergebniß gehabt. In dem Zeitraum vom 1. April 1873 bis 30. September 1885 sind bei 1 385 451 voll⸗ streckten Arreststrafen im Ganzen nur 50 Erkrankungen zu verzeichnen gewesen, welche auf die Verbüßung einer ordnungsmäßig vollstreckten Strafe im mittleren oder strengen Arrest zurückzufuͤhren waren. Es sind hierbei dem Sinne der Reichstagsresolution entsprechend diejenigen Erkrankungen nicht mitgezählt worden, welche mit der Strafe nur in einem zeitlichen, nicht aber ursächlichen Zusammenhange standen oder durch Unregelmäßigkeiten in der Strafvollstreckung bedingt waren. Mehr als die Hälfte der 50 Krankheitsfälle, nämlich 29 (d. i. 58 %), bestand in Affektionen der Verdauungsorgane, bei 9 (d. i. 18 %) handelte es sich um Folgezustände des längeren Liegens, der Rest von 12 vertheilt sich auf Affektionen der Respirations⸗ und Cirkulationsorgane, der Augen sowie auf Allgemeinerkrankungen. Gestorben ist von diesen 50 Erkrankten Keiner. Rechnet man auch diejenigen Erkrankungen von Arrestaten hinzu, welche überhaupt während der Strafverbüßung oder in direktem Anschluß an dieselbe, wenn auch nicht als deren Folge aufgetreten sind, so beläuft sich die Gesammt⸗ zahl der Krankheitsfälle (einschließlich der erwähnten 50) auf 291. Es kommt sonach auf 4761 Arrestaten je 1 Erkrankung überhaupt und auf 27 709 Arrestaten je 1 Erkrankung, welche als Folge der ordnungsmäßig verbüßten Strafe anzusehen war. Vergleicht man damit das Erkrankungsverhältniß der dienstthuenden Mannschaften der Armee, so ergiebt sich, daß in den Rapportjahren von 1873/74 bis 1883/84, selbst wenn nur die Lazareth⸗ und Revierkranken in Rechnung gezogen, die Schonungskranken aber außer Betracht gelassen werden, auf je 1,5 Mann der Durchschnitts⸗Kopfstärke der Armee 1 Erkrankung kam. Die vorstehend angeführten statistischen Daten beziehen sich auf das Ferde. nh I. bis XV. (ausschließlich des XII. Königlich sächsischen) Armee⸗Corps. ö 82 Stellvertreter des Reichskanzlers. von Boetticher.

In dem diesjährigen Februarheft zur Statistik des Deutschen Reichs wird das vorläufige Ergebniß der montan⸗ statistischen Erhebungen für das Jahr 1885 mitgetheilt. Die Nachweisungen, welche sich auf Menge und Werth der erzeugten Montanprodukte unter Vergleichung mit der entsprechenden Pro⸗ duktion des Vorjahres (1884) erstrecken, haben nur einen provisorischen Charakter, da über den Betrieb mehrerer Werke Berichte noch aus⸗ stehen; doch ist die Produktion der Bergwerke und der Salinen

Vorjahres zeigt, daß bei der überwiegenden Zahl der Montanprodukt die Menge der Produktion gegen das Vorjahr sich wiederum gesteigert dagegen bezüglich der meisten Produkte der im Jahre 1883 begonnen Preisrückgang ununterbrochen sich fortgesetzt hat. Nur bei den Kali salzen und bei Zinn zeigt sich eine wesentliche Preiszunahme. 8 Im Einzelnen stellte sich 8

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Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Der von dem Museumsdirektor, Professor Dr. H. Riegel in Braunschweig begründete „Allgemeine deutsche Sprachverein“ ist ins Leben getreten. Derselbe hat sich zum Ziel gesetzt: 1) die Reinigung der deutschen Sprache von unrnöthigen fremden Bestandtheilen zu fördern, 2) die Erhaltung und Wiederherstellung des echten Geistes und eigenthümlichen Wesens der deutschen Sprache zu pflegen und 3) auf diese Weise das all⸗ gemeine nationale Bewußtsein im deutschen Volke zu kräftigen. Er will das sprachliche Gewissen im Volke schärfen und wecken, damit wir dahin gelangen möchten, daß jeder Deutsche, im berechtigten Stolze auf seine Muttersprache, eine Ehre darein setze, deutsch zu reden und zu schreiben, deutsch, möglichst rein und möglichst gut. Der Verein giebt eine „Zeitschrift des Allgemeinen deutschen Sprach⸗ vereins“ (Redakteur: Herman Riegel) heraus, die vorläufig in zwangs⸗ loser Folge erscheint und ausschließlich für die Mitglieder des „Allge⸗ meinen deutschen Sprachvereins“ bestimmt ist. Die Nr. 1 derselben hat folgenden Inhalt: Der Allgemeine deutsche Sprachverein. Von Herman Riegel. Welche Fremdwörter sind nicht zu bekämpfen? Von Herman Dunger. Gelehrten⸗Deutsch. Von H. Goverts. Persisches zur Nachachtung. Kleine Mittheilungen. Geschäftlicher Theil. Anzeigen.

Im 13. Heft der Publikation: „Die Kunst für Alle“ (München, Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft, vorm. Fr. Bruckmann) giebt Ludwig Passini, trotz des italienischen Namens ein guter Wiener und eine Zierde der deutschen Künstlerschaft, dem bekannten Kunstschriftsteller Friedrich Pecht Veranlassung zu einem interessanten Aufsatz über ihn, in welchem dieser eine Ehren⸗ rettung unserer heutigen Kunst gegenüber den beständigen Klagen über die gute alte Zeit unternimmt und selbst ihre Ueberlegenheit über die alten Meister in mancher Beziehung, wie z. B. in der scharfen Charakteristik der Nationalitäten, an der Hand eines so trefflichen Volksschilderers wie Passini überzeugend beweist. An diesen durch Reproduktionen der anmuthigen Bilder Passini's: „Die Neugierigen“ und „Lisetta“ sowie das Porträt des Meisters wirkungsvoll illustrirten Artikel schließen sich solche über „Unsere Bilder“ von Fr. Pecht, die „16. Jahresausstellung im Wiener Künstlerhaus“ von K. von Vincenti und der Schluß der Selbstbiographie Artur Fitgers, sowie das übliche reiche Material an Kunstnotizen, Personal⸗ und vermischten Nach⸗ richten, Besprechungen, Briefkasten ꝛc. Illustrativ bringt das Heft außer den genannten Bildern Passini's noch die Vollbilder „Christus heilt ein krankes Kind“ von Gabr. Max und „Oberitalische Landschaft“ von Willroider, den Karton „In der Branntweinschenke“ von Ed. Grützner und Reproduktionen nach Menzel, Herm. Schneider, Gentz, Bäumer und G. Götz.

. Gewerbe und Handel.

Nach dem „Deutschen Handelsarchiv“ (Aprilheft) sind die von Odessa aus im Jahre 1885 unternommenen Versuche, rektifizirten Spiritus nach Spanien auszuführen, als gescheitert anzusehen. Ueberhaupt wird die südrussische Spiritusindustrie, deren Erport bereits im abgelaufenen Jahre zurückgegangen ist, der deutschen für die nächste Zeit kaum gefährlich werden, da jetzt Frankreich in großer Menge das Rohmaterial (Melasse) zur Zuckerfabrikation aus Südrußland bezieht und das Material jür Brennereizwecke da⸗ durch vertheuert. Derselben Quelle zufolge wird befürchtet, daß das neue italienische Schiffahrtsgesetz, welches die Hebung der italienischen Handelsmarine durch Gewährung gewisser Vergünstigungen bezweckt, auf die Ausfuhr deutscher Kohle vermittelst der Gotthardbahn nicht ohne nachtheiligen Einfluß bleiben werde. Namentlich wird angenommen, daß englische und belgische Gruben aus dem Umstande Vortheil ziehen werden, daß italienische Schiffe, welche Kohle von jenseits der Straße von Gibraltar gelegenen Punkten nach italienischen Häfen bringen, eine Prämie von 1 Lira für jede Tonne Kohle erhalten. Für den Cementhandel wird eine Mittheilung von Interesse sein, wonach für den Bau der Docks und Befestigungen von Port Arthur (bei Tschifu) noch größere Mengen Portlandcement erforderlich sind. Die in Louisiana mit dem Anbau von Jute (corchorus capsularis) gemachten Versuche sind, wie aus einem Handelsbericht aus New⸗Orleans hervorgeht, günstig aus⸗ gefallen. Es besteht daselbst die Absicht, die klimatischen Einflüssen allzusehr ausgesetzte Zuckerkultur durch den Anbau von Jute

8 WM; 8 Morij† 8 in Kolge zu ersetzen. Im Staate Michoacan (Mexiko) soll in Folge einer guten Ernte für das laufende Jahr ein lohnendes Einfuhrgeschäft zu erwarten sein. Nach einer Mittheilung aus San Joss (Costa Rica) bietet sich daselbst für Stahlwaaren, insbesondere Messer für den Feldgebrauch, Aexte ꝛc., ein bedeutender Markt. In ei Artikel uͤber die Handelsverhältnisse in Bulgarien wird der Geschäfts welt empfoblen, behufs Information über Kreditverhältnisse ze in Bulgarien sich nicht an Geschäftshäuser in Rumänien, sondern an solide dentsche Firmen in Sofia, Rustschuk und Varna zu wenden, d erstere bestenfalls über die bulgarischen Donauplätze, nicht aber übe die Verhältnisse im Innern Bulgariens informirt seien.

Nach dem Geschäftsbericht der Niedersächsischen Bank pro 1885 bezifferi sich der Reingewinn des verflossenen Jahres auf 361 302 Dies Erträgniß bleibt mit einem nicht unbedeutenden

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ziemlich vollständig angegeben. Die Vergleichung der für das Jahr 8 fig ermittelten Produktion mit der ents u“ des

Betrage hinter dem 8 Vorjahres zurück wegen gewisser Ver⸗