1886 / 88 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 12 Apr 1886 18:00:01 GMT) scan diff

Der Abg. von Köller bemerkte: Auf feine Distinktionen

zwischen Lüge und Unwahrheit wolle er sich nicht einlassen.

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solche Wahlproteste auf allen Seiten vorkämen.

Er könne einen Unterschied zwischen beiden Begriffen nicht zu⸗ geben. Er bestreite dem Wähler nicht das Recht zu Wahl⸗ protesten, aber er bestreite, daß derselbe irgend ein Recht darauf habe, Lügen niederzuschreiben und an den Reichstag zu schicken. Er (Redner) wolle von Lügen nichts wissen, und wenn er ihnen entgegentrete, so thue er nur seine Pflicht und Schuldigkeit. .

Der Abg. von Heereman meinte, daß die Thätigkeit in der Wahlprüfungskommission eine gewisse Reizbarkeit gegen die Wahlproteste begreiflich erscheinen lasse; aber die Be⸗ merkungen des Abg. von Köller seien doch nicht ganz zutreffend gewesen. Der Abz. von Köller habe auch ganz vergessen, daß s Er erinnere die Herren an die Wahlproteste, die bezüglich der Berliner Wahlen eingegangen seien, und zwar von einer Partei, die dem Abg. von Köller und seinen Freunden sehr nahe stände. Was diese Proteste enthalten hätten, sei noch viel schlimmer gewesen als die vorliegenden Behauptungen.

Die Debatte wurde geschlossen.

Der Referent Abg. Spahn wies die Behauptung des Abg. von Köller als unbegründet zurück, daß auf die Beschlüsse der Wahlprüfungskommission Parteikoalitionen von Einfluß gewesen. Wenn der Abg. von Köller so viel Beschwerden gegen diese Kommission habe, so begreife er (Redner) nicht, weshalb derselbe aus derselben nicht schon längst ausgetreten sei.

Persönlich erwiderte der Abg. von Köller, daß es ihm kein Vergnügen mache, in der Wahlprüfungskommission zu sitzen. Wenn er trotzdem ausharre, so geschehe das, damit wenigstens Einer von seinen Freunden danach sehe, daß nicht in derselben alles Recht mit Füßen getreten werde.

Der Vize⸗Präsident von Franckenstein rief den Abgeord⸗

neten wegen dieser Bemerkung zur Ordnung.

Die Wahl des Abg. von Wurmb wurde für gültig erklärt.

Die Wahl des Abg. von Puttkamer (Plauth) im Wahl⸗ kreise Elbing⸗Marienburg beantragte die Wahlprüfungskom⸗ mission zu beanstanden und über die behaupteten Wahlbeein⸗ flussungen Beweis zu erheben.

Der Abg. Rickert bemerkte: Es handele sich in diesem Falle um eine offizielle Regierungskandidatur, wie man sie bisher in Deutschland nicht gekannt habe. Als in einer öffentlichen Wahlversammlung der Landrath von Elbing, Dr. Dippe, ge⸗ fragt worden sei, wer ihm denn den Auftrag ertheilt habe, sich in die Wahlagitation zu mischen, habe derselbe dem Inter⸗ pellanten zugerufen: „Sr. Majestät Allerhöchster Erlaß vom Januar 1882“. Damit habe man einen amtlichen Beweis dafür, daß der Landrath mit seiner ganzen amtlichen Autorität sich in das politische Wahlgeschäft direkt einzumischen sich verpflichtet geglaubt habe; so kraß sei die Thatsache der amtlichen, gesetzwidrigen Wahlbeeinflussung noch nie erwiesen worden. Im Abgeordnetenhause habe der Minister von Puttkamer bis jetzt noch keine Antwort ertheilt, so oft er auch auf diesen Fall hingewiesen worden sei; ob der Land⸗ rath rektifizirt worden sei, wisse man nicht. Vielleicht habe der Umstand, daß der Gewählte ein sehr naher Angehöriger, ein Bruder des Ministers des Innern sei, eine Antwort verhindert. Interessant sei die Sache dadurch, daß der Landrath es sich zur Aufgabe gemacht habe, einen konservativen Gegen⸗ kandidaten zu beseitigen. Der Landrath sei offiziell für Prn von Puttkamer eingetreten, habe ihn offiziell in die Wähler⸗ versammlungen begleitet, ihn empfohlen und die ganze nun beginnende großartige Agitation geleitet, wie sie die „Alt⸗ preußische Zeitung“, ein streng konservatives Organ, aus⸗ führlich schildere. (Redner zitirte die betreffenden Ausführungen des genannten Blattes.) Er sei der Meinung, daß die Wahl unbedingt zu kassiren sei, wenn auch nur ein Theil der Protestbehauptungen sich bewahrheite.

Der Abg. von Köller erklärte, seine Partei sei gerade entgegengesetzter Hoffnung und erwarte die spätere Gültigkeits⸗ erklärung der Wahl, weil sich die Thatsachen wieder einmal anders verhielten als die Protestbehauptungen. Das Vor⸗ handensein einer offiziellen Regierungskandidatur sei durch nichts erwiesen. Die von dem Abg. Rickert und der von ihm citirten Zeitung gegebene Darstellung der Ver⸗ hältnisse sei ungemein stark übertrieben. Nicht in einer öffentlichen Wählerversammlung, sondern in einer Ver⸗ sammlung des konservativen Vereins seien jene Worte des Landraths Dr. Dippe gefallen. Der Hr. Wernich sei nicht als Kandidat aufgestellt gewesen, sondern er habe sich selbst in Aussicht genommen gehabt. Die Aeußerung des Landraths habe er (Redner) nicht gethan. Er halte sie für eine unvorsichtige. Hr. Dippe hätte sich nur auf sein Recht als Staatsbürger und als Wähler zu berufen brauchen. Wenn aber ein Land⸗ rath einmal unvorsichtig sei und von seiner Stellung einen nicht ganz zeitgemäßen Gebrauch mache, dann könnten an diesen einzelnen Fall doch nicht so unbegründete, weittragende Konsequenzen geknüpft werden. Auch er (Redner) nehme für sich in Anspruch, jedem Ein⸗ gesessenen seines Kreises seinen guten Rath, wenn jener ihn hören wolle, zu ertheilen, konservativ zu wählen, um ihn vor seinem Unglück zu schützen. Die Verwunderung des Abg. Rickert darüber, daß der Minister nicht geantwortet habe, zeuge doch von einer Verkennung des parlamentarischen Wesens. Man könne im Abgeordnetenhause den Minister fragen, so viel man wolle, aber man könne doch nicht verlangen, daß er auf jede Frage antworte. Die Kombination, daß der Minister den

ndrath nicht rektifizire, weil es sich um seinen Bruder handele, sei wohl kaum sehr geschmackvoll. Wie könne man übrigens behaupten, daß die Darstellung der „Altpreußischen Zeitung“, die dem unterlegenen Kandidaten gehöre, objektiv und glaubwürdig sei? Sollte der Abg. Wernich vielleicht geneigt sein, jetzt der Partei des Abg. Rickert beizutreten?

Der Abg. Rickert erklärte, er habe keineswegs die Mei⸗ nung des Hauses präokkupiren wollen, habe auch den Bericht der „Altpreußischen Zeitung“ als besonders objektiv nicht be⸗ zeichnet. Sehr schön sei es von dem Abg. von Köller nicht, seinen eigenen konservativen Parteigenossen Hrn. Wernich in ein so weideutiges Licht zu stellen. Der Abg. von Köller werfe mit Ausdrücken wie „Lügen“, „Frivolität“ und dergleichen so sehr um sich, daß er kaum noch seinerseits den Anspruch erheben könne, als objektiv zu gelten. Gegen die Behauptungen des Protestes habe derselbe Stichhaltiges nicht vorgebracht. Das Verhalten des Landraths Dr. Dippe sei nicht eine harmlose Unvorsichtigkeit, sondern eine in schroffster

orm. Als bei Gelegenheit der Wahl in Eisenlohr im Jahre 878 ein Bürgermeister etwas nur entfernt Aehnliches gethan habe, habe der konservative Abg. von Schöning im Reichstage solches Beginnen als gesetz⸗ und verfassungswidrig erklärt und

verurtheilt. Er hoffe, daß auch im Falle der Elbinger Wahl die überwiegende Mehrheit des Hauses diesen Standpunkt festhalten werde.

Unter Ablehnung einiger Amendements des Abg. Rickert, welche auf eine Ausdehnung der Beweiserhebung abzielten, wurden die Kommissionsanträge angenommen und die Be⸗ anstandung der Wahl beschlossen.

Die Wahl des Abg. von Funcke, in Bezug auf welche noch nähere Erhebungen gefordert werden, wurde beanstandet. Die Wahlen der Abgg. Dr. Haarmann, Dr. Frege, von Maltzahn⸗Gültz und Lohren wurden für gültig erklärt.

Das Haus schritt nunmehr zur Gesammtabstimmung über den Gesetzentwurf, betreffend die Unfallversiche⸗ rung der land⸗ und forstwirthschaftlichen Ar⸗ beiter, welcher gegen die Stimmen der Freisinnigen und Sozialdemokraten angenommen wurde.

Um 5 Uhr vertagte sich das Haus auf 12 Uhr.

Sonnabend

Im weiteren Verlauf der gestrigen (60.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten erklärte bei Fortsetzun der Berathung des Gesetzentwurfs, 81“ Heranziehung von Militärpersonen zu Abgaben für Gemeindezwecke, der Kriegs⸗Minister, General⸗Lieu⸗ tenant Bronsart von Schellendorff:

Meine Herren! Die sympathische Aufnahme, welche dieser Gesetz⸗ entwurf in der überwiegenden Mehrheit des Hauses gefunden hat, überhebt mich hier eigentlich weiterer Ausführungen zur Befürwortung desselben. Ich kann nur meine volle Bereitwilligkeit erklären, bei den in Aussicht gestellten Verhandlungen der Kommission alle diejenigen Gesichtspunkte, die hier zur Sprache gebracht sind und vielleicht noch werden zur Sprache gebracht werden, in der entgegenkommendsten Weise in Berücksichtigung und Erwägung zu ziehen.

Ich halte mi aber doch für verpflichtet, Herrn, welcher gegen den Gesetzentwurf noch gesprochen hat wenigstens habe ich ihn so verstehen müssen einige Worte zu erwidern. Der Hr. Abg. Dr. Langerhans hat zunächst die Kompetenzfrage wieder hier aufgeworfen, ob zur positiven Regelung dieser Frage das Reich oder die Partikularstaaten kompetent wären. Meine Herren, die Frage der Kommunalbesteuerung der Offiziere unterliegt einem militärischen Gesichtspunkte und unterliegt zweifellos auch einem kommunalen Gesichtspunkte. Das Reich ist kompetent auf dem Gebiete des Militärwesens, die Partikularstaaten sind kom⸗ petent auf dem Gebiete des Kommunalwesens. In Folge dessen ist dies hier eine Frage, welche ebensowohl unter dem Standpunkte des Reichs als unter dem Standpunkte der Partikularstaaten zu be⸗ trachten ist.

Das Reich hat seine Stellung bisher in der Weise genommen, daß es gesagt hat: aus Rücksichten des Militärwesens verbiete ich die Kommunalbesteuerung in gewissen Grenzen. Das Reich hat nie es unternommen und das kann es auch nicht unternehmen —, die Kommunalbesteuerung der Offiziere, der Militärpersonen überhaupt positiv zu regeln; sondern es kann immer nur negativ thätig sein, indem es sagt: hier trete ich verbietend ein. Das ist das Gebiet des Reichs, sofern es eben militärische Interessen zu wür⸗ digen und zu wahren hat. Von dem Moment aber, wo das Reich die militärischen Interessen gewahrt glaubt, wenn es die Regelung der Kommunalsteuerverhältnisse der Militärpersonen in positiver Weise zuläßt, von dem Moment an, meine Herren, ist auch ganz naturgemäß die Kompetenz der Partikularstaaten begründet ganz abgesehen davon, daß es eine technische Unmöglichkeit wäre, ein Kommunalsteuer⸗ gesetz von Reichswegen zu konstruiren, welches positive Bestimmungen, die für das ganze Gebiet des Deutschen Reiches gelten können, enthält.

Nun hat der Herr Abgeordnete gemeint: daß in diesem Gesetz nicht die volle Heranziehung zu den Kommunalsteuern Seitens der Königlich preußischen Staatsregierung geboten wird, wäre doch eine eigenthümliche Idee; der Staat zöge die Offiziere wie alle anderen Staatsangehörigen zur Steuer heran, und die Kommunen sollten das nicht thun! Ja, meine Herren, da übersieht doch der Herr Abgeordnete den großen Unterschied, der besteht in Bezug auf die Beziehung des Militärs zum Staat und zu den Kommunen. Verfassungsmäßig sind wir weder Mittgglieder, noch Diener der Kommune also ist gar kein Grund dazu da, daß der Kommune die Freiheit gegeben wird, die Offiziere, das Militär überhaupt in derselben Weise heranzuziehen wie die Angehörigen der Kommune.

Der Herr Abgeordnete hat dann auch noch dafür ins Gefecht ge⸗ führt Unterredungen mit Offizieren, und er sagt: die Herren, die er gesprochen hätte, hätten alle gemeint, es wäre ihnen selbst sehr unangenehm, daß sie nicht in vollem Maße heran⸗ gezogen würden. Nun möchte ich bemerken, daß es sich hier in der vorliegenden Frage doch um ein staatliches Interesse handelt, und daß es in solchen Fragen auf die Wünsche des einzelnen Offiziers garnicht ankommt. Die Offiziere haben in dieser Beziehung nichts zu wünschen, wenigstens keine Wünsche öffentlich zu äußern, und wenn sie sich vertraulich änßemd so kann ich es nur bedauern, daß dies öffentlich zur Sprache gebracht wird. Im Uebrigen, meine Herren, sind der Wohlthätigkeit keine Schranken gesetzt. Demjenigen Offizier, der der Meinung ist, er zahle zu wenig an die Kommune, ist es gewiß nicht verschränkt: alle Kommunen haben milde Fonds und dergl., zu welchen beigesteuert werden kann. Auch jetzt schon, meine Herren, weiß ich recht gut, nicht nur aus der eigenen, sondern auch aus der Erfahrung anderer Offiziere, daß Offiziere freiwillig vielfach zu kommunalen Zwecken Beiträge leisten, namentlich soweit es sich um Armenunterstützungen und dergleichen handelt. Also in der Beziehung sind, wie ich gesagt habe, der Wohlthätigkeit keine Schranken gesetzt, und den Herren, die wirklich der Meinung sind, daß sie zu wenig zahlen, kann ich nur rathen, das, was sie glauben mehr entrichten zu müssen, in stiller Weise, wie man Gutes überhaupt nur in stiller Weise zu thun hat, zu bezahlen.

Nun sagte der Herr Abgeordnete: Die Offiziere machen einen her⸗ vorragenden Gebrauch in ausgiebigster Weise von allen kommunalen Einrichtungen, ich habe mir die Worte ausdrücklich notirt; er hat hinterher allerdings diese Worte dahin eingeschränkt, daß er gesagt hat, sie machten ihn wenigstens in deheaa Weise, wie alle Angehö⸗

demjenigen

rigen der Kommune. Das bestreite ich auf das Allerentschiedenste. Es giebt gewiß sehr viele kommunale Einrichtungen, von denen wir Gebrauch machen, dazu gehört z. B. das Trottoir, auf dem wir gehen, die Gas⸗ beleuchtung der Straßen ꝛc. Aber, meine Herren, wenn Sie uns aus diesem Grunde zu den Steuern heranziehen wollen, dann müßten Sie jeden Fremden besteuern, die Kommune Berlin müßte, wie das im Reichstag auch einmal angeregt ist, die gesetzgebenden Körperschaften besteuern. (Oh, oh! links.) Ja, meine Herren, man kann in den Konsequenzen unzweifelhaft ja sehr weit gehen.

Aber es ist eben nicht richtig, daß wir von allen Einrichtungen Gebrauch machen, z. B. dem ganzen großen Gebiet der Armenpflege fallen doch die Offiziere nicht zur Last. Es giebt noch eine Masse anderer Einrichtungen, z. B. Ihre großen Lazarethe u. dergl. Es mag ja in einzelnem Falle vorkommen, daß ein Offizier wegen Be⸗ handlung durch einen Spezialarzt vielleicht auch einmal in ein kom⸗ munales Lazareth geht; ich glaube aber, daß er dann auch die vollen Kosten seiner Behandlung dort trägt. Sonst haben wir z. B. unsre eigenen Lazarethe, und so läßt sich auf diesem Gebiet noch manches sagen.

Allles, was hier also angeführt ist, um zu begründen, daß die Offiziere genau so herangezogen werden sollten wie alle anderen An⸗ gehörigen der Kommune oder wie die Angehörigen der Kommune „andere“ ist kein richtiger Ausdruck, wir sind ja nicht Angehörige der Kommune —, das würde meiner Meinung nach weit über die Grenzen der Billigkeit und des Bedürfnisses hinausgehen.

Der Abg. Dr. Hänel hielt das Reich für ebenso kompetent, diese Kommunalbesteuerung einheitlich zu regeln, wie es die

Kommunalbesteuerung seiner Beamten einheitlich geregelt habe Die Konservativen hätten auch diesmal wieder sich darauf be⸗ schränkt, den Standpunkt der Deutschfreisinnigen anzugreifen. wenn Letztere sich aber gegen diese Angriffe vertheidigten dann verschwänden Erstere aus diesem Saal. Sie hielten im Bewußtsein ihrer Majorität und Macht Monologe und kümmerten sich um die Gründe der Minorität nicht 8* Ueberhaupt sei Redner der Ton, der in die Debatten durch die Schuld der jetzigen Majorität eingerissen sei, ein Ton vr er treffend durch den neulichen Zwischenruf gegen einen Mann von europäischer Berühmtheit illustrirt worden sei, in seiner parlamentarischen Praxis seit 1867 nicht vorgekommen Die Ausführungen des Kriegs⸗Ministers hätten den Vorwurf nicht entkräften können, daß dem privi⸗ legirten Stande der Offiziere durch die Vorlage, ohne daß irgend ein Staats⸗ oder Dienstinteresse vorliege ein weiteres Privileg hinzugefügt werde. Der Abg. von Rauch⸗ haupt sage, die Anschauungen der Deutschfreisinnigen würden im Volke nie Anklang finden. Nun, es handele sich hier um gewisse grundsätzliche Anschauungen; seien diese falsch, dann würden eben die Vertheidiger derselben verschwinden; seien sie richtig, dann würden alle Drohungen des Abg. von Rauch⸗ haupt ohnmächtig sein. Was der Kriegs⸗Minister gesagt habe habe keinerlei Beweis⸗ oder Ueberzeugungskraft besessen, sei vielmehr von Werth lediglich für Diejenigen gewesen, die durchaus Beifall klatschen wollten.

Der Kriegs⸗Minister, General⸗Lieutenant Bronsart von Schellendorff erwiderte:

Der Hr. Dr. Hänel hat in unmittelbarem Anschluß an eine Kritik der Ausführungen, die ich gemacht hatte, gesprochen von allge⸗ meinen Redewendungen, die blos darauf berechnet sind, daß dazu ge⸗ klatscht wird. Meine Herren, es wird ja, Gott sei Dank, hier über haupt nicht geklatscht, und im Uebrigen geht meine Tendenz dahin: ich bin nicht gewohnt, Beifall für meine Aeußerungen zu erwarten und zu erhoffen; ich bin in meiner Erziehung nicht darauf groß gezogen Reden zu halten auf derartige theatralische Effekte hin. Also ich muß das für mich vollständig ablehnen.

Dann ist der Herr Abgeordnete nochmals auf das Verhalten der Offiziere zu sprechen gekommen. Meine Herren, ich glaube, in der ganzen Armee wird kein Zweifel darüber sein, daß das, was ich über die Pflichten der Offiziere sage, bedeutungsvoller ist als das, was der Hr. Abg. Dr. Hänel sagt.

Im Uebrigen mag der Hr. Abg. Dr. Hänel darüber sagen, was er will, die Offiziere werden mich in ihrer überwiegenden Mehrheit verstehen und werden, wie ich hoffe, mindestens in Zukunft vorsichtig sein mit der Aeußerung etwaiger Privatmeinungen. Ich verschränke keinem Offizier die Privatmeinung; aber ich verlange, wenn es sich um eine gesetzliche Maßregel handelt, um Sr. Majestät Regierungs⸗ vorlagen, daß Offiziere in ihren Aeußerungen darüber vorsichtig sind und sich nicht hier als Zeugen aufführen lassen gegen eine Regierungs⸗ vorlage Sr. Majestät. Die Offiziere haben nach keiner Seite hin Politik zu treiben.

Dann hat der Herr Abgeordnete gemeint, meine sachlichen Aus⸗ führungen wären nicht zutreffend, da vieles, was ich da für die Offiziere in Anspruch genommen hätte, in gleichem Maße auch für Beamte die sich in ähnlichen Vermögensverhältnissen befänden u. s. w zuträfe. Meine Herren, das gebe ich vollständig zu; ich habe damals nicht einen Vergleich zwischen Offizieren und Beamten gezogen, sondern zwischen Offizieren und der Summe der Angehörigen der Kommune denn davon hatte der Abg. Dr. Langerhans zunächst gesprochen. Im Uebrigen besteht trotzdem noch ein Unterschied z‚wischen Offizieren und Beamten, und er besteht vor allen Dingen nicht blos gesetzlich bezüglich der richterlichen Beamten, sondern auch thatsächlich bezüglich der politischen Beamten und den Offizieren in Bezug auf die Art und Weise, wie sie versetzt werden. Ein Offizier wird nie vorher gefragt, ob es seinen Wünschen entspricht, in die und die Garnison zu kommen; es kann vielleicht einmal ein Offizier ungefragt einen Wunsch äußern aus Privatver⸗ hältnissen, hier und da hinzukommen. Aber auch das ist eine ver⸗ schwindende Ausnahme, während in Bezug auf die politischen Beamten mir wohl zugegeben werden wird, daß gerade für diese Kategorie von höheren Beamten recht häufig die Wünsche der Herren berücksichtigt werden, daß sogar recht häufig unter der Hand gefragt wird, ob ihnen eine Versetzung in die und die Stadt angenehm wäre. Denn, wo wir so viele und verschiedene Höhen von Kommunalsteuern haben, da ist das allerdings ein Punkt, der doch dazu auffordert, die Verhältnisse der Offiziere mit einer gewissen Vorsicht zu behandeln. Im Uebrigen, meine Herren, wenn ein rechtlich bestehendes Heitegiam ohne Ent⸗ schädigung aufgehoben wird, dann liegt es auch in der Billigkeit, daß man da mit einer gewissen Schonung vorgeht, und nicht, daß nun sagt: hier wird Alles über einen Leisten geschlagen. b

Der Abg. Schreiber (Marburg) protestirte energisch gegen die vom Abg. Hänel gegen die Rechte erhobenen Vorwürfe bezüglich der Verschlechterung des Tones in der Debatte; die Rechte werde den Ton, den sie in die Diskussion eingeführt habe, auch vertreten. Wenn sich übrigens der Abg. Hänel darüber beschwere, daß die Konservativen während seiner Rede⸗ den Saal verlassen hätten, ohne sich um seine üeahnnen zu bekümmern, so hätte der Abgeordnete allen Grund, sich mit diesem Vorwurf zuerst an seine eigenen ““ zu wenden, deren Reihen sich während dieser Rede außerordentlich stark gelichtet hätten.

Der Abg. Dr. Langerhans wollte nicht verstehen, warum der Kriegs⸗Minister so ungehalten sei. Auch er habe ja erklärt, daß man auf die Spezialberathung eingehen wolle, also im Großen und Ganzen das Gesetz annehmen werde. Die Behauptung, daß hier ein Privileg ohne Entschädigung aufgehoben werde, sei nicht richtig; es trete dafür doch eine beträchtliche Erhöhung der Pension ein. Mit Rücksicht auf diese Erhöhung hätten sehr viele Offiziere mit ihrem Antrag auf Pensionirung bis jetzt gewartet.

Der Kriegs⸗Minister, General⸗Lieutenant Bronsart von Schellendorff entgegnete:

Wenn der Hr. Abg. Langerhans die Kompetenzfrage ebenso auf⸗ faßt, wie ich sie vertreten habe, dann ist es gut, dann bin ich gewiß der Letzte, der mit ihm darüber streiten will.

Ich habe mich aber dagegen zu wenden, daß er gesagt hat, ih sollte geäußert haben, ein Privilegium dürfte nicht ohne Entschädi⸗ gung aufgegeben werden. Das habe ich gar nicht gesagt, sondern ich habe nur gesagt: wenn ein Privilegium gs Entschädigung aufgehoben wird, so sollte mit möglichster Schonung vorgegangen werden. Das ist doch ein gewaltiger ÜUnterschied.

Nun meint der Herr Abgeordnete, es gebe für dieses aufgegebene Privilegium eine Entschädigung, und zwar die Erhöhung der Pensions⸗ sätze. Ich muß absolut bestreiten, daß das richtig ist. Wenn thatsächlich wie ich anerkennen muß, denn der That⸗ sache stehen wir gegenüber das Pensionsgesetz im Reichs⸗ tage nur dadurch hat zur Verabschiedung gebracht werden können, daß auf dem Gebiete der kommunalen Besteuerung der Offiziere emn Entgegenkommen gegenüber auch schon früher vielfach geäußerten Wünschen nunmehr gezeigt wird, so muß ich doch ganz bestimmt be⸗ streiten, daß den nunmehr zu besteuernden Offizieren eine Entschädi⸗ gung durch das Pensionsgesetz gewährt wird. Denn, meine Herren⸗ dazu gehört doch vor allen Dingen, daß diese Offiziere wirklich ein⸗ mal pensionirt werden. Das kann man aber von den Einzelnen gar nicht wissen: da können manche ohne Pension abgehen, manche können sterben u. s. w.; also von einer Entschädigung un⸗ mittelbar ist da gar keine Rede.

man

auf

wurde auf

am Uebrigen muß doch auch bei dieser Frage festgehalten werden:

zut denn nun jetzt auf der anderen Seite den Vortheil? wie

2 n die Kommunen dazu, wenn das Reich jetzt mit einem

erabschiedeten Offizieren höhere Pensionen giebt, zu sagen:

iwir nun in unsere Kassen mehr bekommen, als wir bis⸗

haben? Schon dieser Gedanke, meine Herren, ergiebt doch

daß die hier aneinander gehängten Dinge in logischem

miteinander durchaus nicht stehen. 8 .

amer Abg. von Huene machte darauf aufmerksam, daß die

Deutschfreisinnigen im vorigen Jahre die Konsumvereine nicht

verns Noth⸗Kommunalsteuergesetz aufgenommen hätten; wenn

8 nüso heute wieder einmal das gleiche Recht für Alle be⸗ sie

onten, so könne dieser Vorgang ihren Deduktionen nicht zur 2.

Stuce di orfage wurde darauf einer besonderen Kommission 1 21 Mitgliedern überwiesen. 1 wn her den 37. Bericht der Staatsschuldenkom⸗ iss ion referirte der Abg. Schreiber (Marburg) Namens der Budgetkommission, welche beantragte, der Hauptverwaltung der Staatsschulden Decharge zu ertheilen. Das Haus beschloß demgemäß, nachdem der Abg. Kieschke tdas dringende Bedürfniß der Beschaffung anderweitiger rößerer Räumlichkeiten für die Staats chulden⸗Verwaltung bingewiesen und der Finanz⸗Minister Dr. von Scholz dieses Zedürfniß auch seinerseits anerkannt hatte. 8

Die Rechnungen der Kasse der Ober⸗Rechnungs⸗ kammer pro 1884/85 wurden der Rechnungskommission i. Debatte erklärte das Haus den Bericht über die Verwendung des Erlöses für verkaufte Berliner Stadtbahnparzellen durch Kenntnißnahme für erledigt. 8

Es folgte die zweite Berathung des Gesetzentwurfs über die Errichtung letztwilliger Verfügungen im Bezirke des Ober⸗Landesgerichts zu Frank⸗

a. M. 3 furt,ge Kommifsion hatte den aus 20 Paragraphen bestehenden, sich an die Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts an⸗ lehnenden Entwurf im Wesentlichen unverändert angenommen. Eine Modifikation hatte nur §. 5 dadurch erfahren, daß die Kommission die Vorschrift, daß das dem Gericht verschlossen oder offen zu übergebende Schriftstück von dem letztwillig Ver⸗ fügenden unterschrieben sein müsse, gestrichen hatte. Außerdem war §. 19, welcher die in außergerichtlicher Form errichteten Testamente unberührt lassen will, wie folgt, erweitert worden:

„Zu den außergerichtlichen Testamenten sind die in Gemäßheit des Nassauischen Gesetzes vom 26. Juli 1854 §. 23 bezw. der Instruktion vom 2. Januar 1863 durch die zuständigen Orts⸗ Burgermeister aufgenommenen sogenannten Nothtestamente zu rechnen.“ 1“

Der Abg. Wißmann sprach der Kommission für ihr durch die Einfügung dieses Satzes in §. 19 bewiesenes Entgegen⸗ kommen seinen Dank aus und ersuchte das Haus, diesem Beschlusse der Kommission zuzustimmen.

Die im §. 5 von der Kommission vorgeschlagene Aenderung

Antrag der Abgg. Greiß und Korsch nach kurzer Debatte abgelehnt und die Vorlage wiederhergestellt. 3

Zu §. 17 wurde ein Antrag Lieber, der sich auf das Verfahren bei der Eröffnung gemeinschaftlicher Testamente bezieht, nach kurzer Debatte, in welcher auch der Regierungs⸗ korimissar Geheime Justiz⸗Rath Künzel die Ablehnung befür⸗ wortete, verworfen und §. 17 und der Rest des Gesetzes in der Kommissionsfassung angenommen. 8

Schluß 2 Uhr. Nächste Sitzung Montag 11 Uhr.

Centralblatt für das Deutsche Reich. Nr. 15.— Inhalt: Zoll, und Steuerwesen: Bestellung eines Stations⸗Controleurs. Veränderungen in dem Stande oder den Befugnissen der Zoll⸗ und Steuerstellen. Handels⸗ und Gewerbewesen: Bekanntmachung, be⸗ trefend die Ausfuhr der zur Kategorie der Rebe nicht gehörigen Pflänzlinge. Versicherungswesen: Bekanntmachung, betreffend die anderweite Bestimmung der Sitze von Schiedsgerichten für den ge⸗ sammten Betrieb der Reichs⸗Post⸗ und Telegraphenverwaltung, sowie der preußischen Staatseisenbahn⸗Verwaltung. Konsulatwesen: Er⸗ nennung. Ermächtigung zur Vornahme von Civilstands⸗Akten. Ereguatur⸗Ertheilungen. Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiete. 2

Justiz⸗Ministerial⸗Blatt. Nr. 15. Inhalt: Erkenntniß

Nr. 12. Inhalt:

des Reichsgerichts vom 17. Oktober 1885.

Eisenbahn⸗Verordnungs⸗Blatt. Erlaße des Ministers der öffenklichen Arbeiten: vom 31. März 1886, betr. Verbot der ferneren Verwendung von Flußstahlscheiben⸗ rädern und Schalengußrädern unter Bremswagen. Vom 2. April 1886, betr. Ausschließung von Bahnpolizeibeamten von der Aufnahme in die Schöffenurlisten. Nachrichten.

Landtags⸗Angelegenheiten.

Der Minister der geistlichen ꝛc. Ang elegenheiten hat an den Präsidenten des Herrenhauses in Betreff der kirchen⸗ politischen Gesetzesvorlage nachstehendes Schreiben nebst

Anlagen gerichtet: Berlin, den 8. April 1886.

Eurer Durchlaucht beehre ich mich im Anschluß an meine Erklä⸗ rung vom 5. d. Mts. eine Note des Kardinal⸗Staatssekretärs Jaco⸗ bini vom 4. d. M. in deutscher Uebersetzung mit dem ganz ergebensten Ersuchen zu übersenden, dieselbe geneigtest zur Kenntniß der Mit⸗ glieder des Herrenhauses bringen zu wollen. „Zum Verständniß der betreffenden Bezugnahme des Kardinals füge ich unter Nr. 2 aus einer früheren, von dem Königlichen Ge⸗ sandten aus eigenem Antriebe angeregten und diesseits nicht als amt⸗ lich betrachteten, Korrespondenz die Antwort bei, welche der Kardinal⸗ Sekretär dem Gesandten von Schlözer, auf dessen Erkundigung nach den Bedingungen, an welche der heilige Stuhl die Ausführung der Anzeigepflicht knüpfen werde, ertheilt hat. 8

von Goßler.

““ An den Präsidenten des Herrenhauses, Herzog von Ratibor Durchlaucht.

2

Nr. . (Uebersetzung.)

Aus den Kammern des Vatikans vom 4. April 1886. In der letzten Note vom 26. v. Mts. theilte der unterzeichnete Kardinal⸗Staatssekretär Sr. Erzellenz dem preußischen Herrn esandten mit, daß, unmittelbar nachdem der gegenwärtige Gesetzes⸗ vorschlag mit den bekannten Veränderungen angenommen und ver⸗ ündet sein würde, man die Bischöfe anweisen werde, der preußischen Regierung die Namen derjenigen Geistlichen anzuzeigen, welche bestimmt sind, als Pfarrer die Seelsorge in den egenmrtch vakanten Fesoihn auszuüben. Man fügte 1s hinzu, daß die Anzeige auch auf die Zukunft, wo man hoffentlich den religiösen Frieden erlangt haben wird, ausgedehnt werden könne. Diese Ärt des Verfahrens war durch die Erwägung veranlaßt, daß, obwohl der vorliegende 11 mit den letzten Amendements wesentliche Verbesserungen enthält, deren Wichtigkeit man gern anerkennt, trotzdem nicht würde behauptet werden

G 8—

können, daß der religiöse Friede überhaupt erreicht sei, so lange noch andere Bestimmungen der vorhergehenden Gesetzgebung zurückbleiben deren in dem Gesetzvorschlag nicht Erwähnung gethan ist. Deshalb hielt man daran fest, daß die Gestattung der Anzeige für die gegen⸗ wärtig vakanten Pfarreien einen großen Schritt bezeichnet auf dem Wege des Entgegenkommens, und daß man mit fortschreitenden Ver⸗ einbarungen den Boden vorbereitet für den vollen religiösen Frieden. Hierdurch wird die ständige Erlaubniß der Anzeige auf eine Stufe gestellt mit demjenigen Zustande vollständiger religiöser Ordnung, den der heilige Stuhl recht gern, so bald als möglich, verwirklicht sehen würde.

Die Katholiken ihrerseits würden es auch nicht mit Befriedigung sehen, wenn der heilige Stuhl eine dauernde Erlaubniß gäbe, bevor es ihnen vergönnt ist, sich eines definitiven Friedens zu erfreuen.

Es wird daher auf die Erwägungen gerechnet, welche sich aus der Natur der Sache ergeben und in den früheren Urkunden des heiligen Stuhls ausgedrückt sind. .

Man hat jedoch von verschiedenen Seiten und besonders durch die letzte Aeußerung Sr. Durchlaucht des Fürsten von Bismarck erfahren, daß der gegenwärtige Gesetzesvorschlag mit den letzten Amendements schwerlich die parlamentarische Mehrheit zu seinen Gunsten erlangen würde, wenn der heilige Stuhl nicht zustimmte, die ständige Anzeige schon jetzt zu gestatten.

Der heilige Vater, von dem Ernste dieser peinlichen Lage durch⸗

drungen, würde, um die . Schwierigkeiten zu vermindern, der preußischen Regierung vorschlagen, daß sie die gegenwärtige Gesetzvorlage ergänze, indem sie die Revision derjenigen früheren, in dieser Vorlage nicht erwähnten Bestimmungen hinzufüge, so daß man der vollständigen Herstellung des religiösen Friedens sicher sein könne. Die Verwirklichung dieses Vorschlages würde zur vollen Befrie⸗ digung des heiligen Vaters gereichen und würde mit wahrer Freude von den Katholiken aufgenommen werden, so daß Se. Heiligkeit von jetzt an die ständige Anzeige gestatten würde. *Wenn jedoch unter den Umständen die volle und unmittelbare Revision der Gesetze in dem dargelegten Sinne nicht ausgeführt werden könnte, so ist der unterzeichnete Kardinal⸗Staatssekretär er⸗ mächtigt zur Kenntniß zu bringen, daß sobald der heilige Stuhl offiziell die Versicherung erhalten haben wird, daß man in nächster Zukunft eine solche Revision unternehmen wird, der heilige Vater alsbald die ständige Anzeige gewährt in dem Sinne der Antwort, welche bereits in der Note vom 26. März auf die von der preußischen Gesandtschaft in ihrem Schreiben von demselben Tage gestellte dritte Frage ertheilt wurde. 8 1 -Die preußische Regierung wird in diesen letzten Vorschlägen eine neue Bestätigung der unwandelbaren Sorge des heiligen Vaters für die Erreichung des religiösen Friedens erkennen, ebenso wie seine hohe Bemühung in der Beseitigung der Hindernisse und in der Prüfung der Mittel, welche den Frieden schaffen konnen. Hiernach hat der unterzeichnete Staatssekretär die Ehre, Ew. Hoch⸗ geboren die Gefühle seiner außerordentlichen Hochachtung zu ve hern. er L. Card. Jacobini An den Königlichen Geschäftsträger Herrn Grafen von Monts, 8 Hochgeboren. 8 Nr. 2. 3 . 8 Was dann die dritte Frage anbetrifft, so beabsichtigt der heilige Stuhl derselben Regierung freies Feld zu lassen, der Diözesanbehörde gegenüber ihre Beweggründe für Ausschließung des vorgeschlagenen Individuums geltend zu machen, sobald sie seine definitive Einsetzun in das betreffende Amt mit der öffentlichen Ordnung unverträglich hält wegen einer der Regierung bekannten und bestätigten ernsten 4X““

Dem Hause der Abgeordneten ist gestern der in Aussicht gestellte Nachtrags⸗Etat zugegangen.

Nach demselben belaufen sich die einmaligen Ausgaben auf 2 774 500 ℳ, die dauernden auf 963 600 An dauernden Ausgaben sind eingestellt: 8

Universitäten. Zur Ergänzung des Fonds Titel 16 für Studirende deutscher Herkunft zum Zweck späterer Verwendung derselben in den Provinzen Westpreußen und Posen, sowie im Regierungsbezirk Oppeln 100 000 Höhere Lehranstalten. Zur Ergänzung des Fonds Titel 8 für Schüler deutscher Herkunft auf höheren Lehranstalten in den Pro⸗ vinzen Westpreußen und Posen, sowie im Regierungsbezirk Oppeln 50 000 Zur Ergänzung des Fonds Titel 9 behufs besonderer Förderung des deutschen höheren Mädchenschulwesens in den Pro⸗ vinzen Westpreußen und Posen, sowie im EG Oppeln 100 000 Elementar⸗Unterrichtswesen. Zur Verstärkung der Schul⸗ aufsicht in den Provinzen Westpreußen und Posen, sowie im Regie⸗ rungsbezirk Oppeln 200 000 Zur Ergänzung der Fonds Titel 27 und 28 behufs besonderer Förderung des deutschen Volksschulwesens in den Provinzen Westpreußen und Posen, sowie im Regierungsbezirk Oppeln 400 000 Zur Verstärkung des Fonds Titel 30 behufs be⸗ sonderer Förderung des deutschen Volksschulwesens in den Provinzen Westpreußen und Posen, sowie im Regierungsbezirk Oppeln 50 000 Medizinalwesen. Zwei gerichtliche Stadtphysiker in Berlin mit 1800 ℳ, 3600

Die einmaligen und außerordentlichen Ausgaben sind folgende:

Ministerium der öffentlichen Arbeiten. Zur Vervollständigung der Hafenanlagen in Geestemünde, 1. Rate 700 000 Zur Wieder⸗ instandsetzung der Oderbrücke bei Tschicherzig 67 000 Ministerium des Innern. Zur Bestreitung der im Etatsjahre, 1886—87 noch zu erwartenden Kosten der Aufnahme einer Statistik der Armenpflege 7500 Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗ Angelegenheiten. Zu Elementarschulbauten behufs besonderer Förde⸗ rung des deutschen Volksschulwesens in den Provinzen Westpreußen und Posen, sowie im Regierungsbezirk Oppeln 2 000 000

Den Erläuterungen entnehmen wir Folgendes:

Zur Stärkung der deutschen Bevölkerung in den östlichen Pro⸗ vinzen und zur Abwehr der polnischen Propaganda ist die Förderung der deutschen Volksschule geboten. Um für die deutsche Volksschule in den genannten Bezirken Lehrer von besonderer Tüchti keit und be⸗ währter deutscher Gesinnung zu gewinnen, ist in Aussicht genommen, diesen Lehrern eine Verbesserung ihres Einkommens durch Gewährung von nicht pensionsberechtigten Stellenzulagen im Durchschnittt von etwa 300 jährlich zu Theil werden zu lassen. Eine gleiche Zulage sollen diejenigen deutschen Lehrer erhalten, welche in die Provinzen Westpreußen und Posen, sowie in den Regierungsbezirk

ppeln zum Ersatz für die aus diesen Bezirken zu entfernenden national unzuverlässigen Elemente des Lehrerstandes hineingezogen werden sollen, einem dahingehenden Rufe gern zu folgen, aber voraus⸗ sichtlich nur dann bereit sein werden, wenn ihnen eine entsprechende Verbesserung ihres Einkommens gewährt wird. 3

Da die Gemeinden im Allgemeinen schon jetzt bis an die äußerste Grenze ihrer Leistungsfähigkeit mit Abgaah belastet sind, so bedarf es zur Durchführung dieser Maßnahmen der Bereitstellung von Mitteln aus Staatsfonds. 8

Auf dem Gebiete der Schulaufsicht ist dem Bedürfniß für eine engere Begrenzung der im Hauptamte verwalteten Kreis⸗Schulinspek⸗ tionsbezirke zum Theil bereits durch den Staatshaushalts⸗Etat für 1. April 1886/87 Rechnung getragen. Indessen ist eine weitere Ver⸗ stärkung der Schulaufsicht in den Provinzen Westpreußen und Posen, sowie in dem Regierungsbezirk Oppeln einerseits durch die beabsich⸗ tigte Gründung neuer Schulsysteme und durch einen umfangreichen Wechsel im Lehrerpersonal, welche Maßnahmen die Anforderung an die Arbeitskraft der Schulaufsichtsbeamten erheblich steigern, anderer⸗ seits durch die Thatsache geboten, daß ein großer Theil der jetzt an⸗ gestellten dnef in nicht zuverlässig ist und deshalb einer steten Aufsicht bedarf.

mne wesentliche Ilarkung und Förderung des deutschen Elements

darf davon erwartet werden, daß der deutschen Bevölkerung in den

genannten Bezirken, welcher die Ungunst der dortigen Verhältnisse die Erziehung ihrer Kinder erschwert, für die weibliche Jugend auch in den kleineren Städten Gelegenheit zu einer, dem Bildungsstande der Eltern entsprechenden Erziehung geboten und für den Unterhalt der Söhne auf den höheren Lehranstalten im Bedarfsfalle eine Beihülf

die Heranbildung eines in diesen Bezirken heimischen deutschen Bürger⸗ und Beamtenstandes für den gesammten Staat nutzbringen

erweisen dürfte. Nicht minder wichtig und von entscheidender Bedeutung für die Kräftigung des deutschen Elements im Osten ist es, daß für den Staats⸗ und Kirchendienst, sowie für den ärztlichen Beruf tüchtige

Zur

jährlich

in den betheiligten Bezirken möglichst dauernd heimisch machen. Erreichung dieses Zieles ist ein Stipendienfonds von den vorbezeichneten Berufsarten in den Provinzen Westpreußen und Posen oder im Regierungsbezirk Oppeln zuzuwenden beabsichtigen. Die Ausbringung eines Dispositionsfonds zur Förderung des deutschen Volksschulwesens, wie er mit 50 000 jährlich in Antrag gebracht ist, empfiehlt sich durch die Erwägung, daß es mannigfache, im Etat nicht besonders vorgesehene Ausgaben, z. B. für die Grün⸗ dung deutscher Lehrer⸗ und Schüler⸗Bibliotheken giebt, zu deren Be⸗ streitung der Fonds Kapitel 121 Titel 30 zureichende Mittel nicht gewährt.

Hand in Hand mit der Begründung neuer deutscher Volksschulen und der besseren Ausgestaltung der vorhandenen Schulen zu Gunsten der deutschen Bevölkerung wird die Befriedigung des baulichen Be⸗ dürfnisses zu gehen haben, die nur unter erheblicher Betheiligung des Staates ausführbar ist. In Folge dessen ist bei den einmaligen und außerordentlichen Ausgaben „zu Elementarschulbauten behufs beson⸗ derer Förderung des deutschen Volksschulwesens in den Provinzen Westpreußen und Posen, sowie im Regierungsberirk Oppeln“, die 1“ eines Betrages von 2 000 000 in Antrag gebracht worden.

Statistische Nachrichten.

Dem Bericht über die Verwaltung und den Stand der Kreis⸗ Kommunal⸗Angelegenheiten des Kreises Beuthen für die Zeit vom 1. April 1884 bis zum 31. März 1885 entnehmen wir betr. der Geschäfte des Kreis⸗Ausschusses vom 1. Dezember 1883 bis 31. Dezember 1884, daß die Zahl der Journal⸗Nummern 4567, die der Sitzungen 36, der Termine mit mündlicher Verhandlung 21 be⸗ trug. Die Zahl der neu eingegangenen streitigen Verwaltungssachen betrug mit den aus den Vorjahren als unerledigt übernommenen 177, davon bleiben 4 unerledigt. Verwaltungsstreitsachen gab es 33. Außer⸗ dem sind an Beschwerden ꝛc. kollegialisch 531 Sachen erledigt.

Das Staatssteuer⸗Soll betrug resp. beträgt 1885/86: 511 272, 1884/85: 500 951, 1883/84: 485 087, 1882/83: 459 409, 1881/82: 449 066, 1880/81: 424 133. Die Zahl der einkommensteuerpflichtigen Haushaltungen beträgt 716 gegen 688 und die der klassensteuerpflich⸗ tigen Haushaltungen 26 222, darunter 22 082 Censiten der I. und II. Stufe, gegen 24 872 des Vorjahres. Der Stevererlaß beträgt 1885/86 bei der Einkommensteuer 4959 ℳ, bei der Klassensteuer 105 216 Die Provinzialabgaben sowie die Landarmenkosten haben sich gegen das Vorjahr ermäßigt. Es wurden gezahlt Provinzial⸗ Abgaben 1884: 16 878,71 ℳ, 1885: 16,202,43 ℳ, mithin weniger 676,28 Landarmenkosten 1884: 28 956,50 ℳ, 1885: 27 964,26 ℳ, mithin weniger 992,24

Ueber die augenblickliche Bevölkerungszahl des Kreises sei bemerkt, daß der Kreis nach den vorläufigen Feststellungen der am 1. Dezember 1885 erfolgten Volkszählung 131 916 und zwar 65 811 männliche und 66 105. weibliche Einwohner, gegen 113 384 des Jahres 1880, mithin mehr 18 532 Einwohner oder 16,34 %, gegen 12,05 % des Jahres 1880, hatte. Es entfallen auf die Stadt Beuthen 26 478, Königshütte 32 019, auf 20 Landgemeinden 56 162, auf 16 Gutsbezirke 17 257 Einwohner: bei den Königlichen Standesämtern wurden beurkundet im Jahre 1884: Standesamt Beuthen 1250 Geburten, 258 Eheschließungen, 1011 Todes⸗ fälle, beim Standesamt Königshütte 1493 Geburten, 282 Ehe⸗ schließungen, 1002 Todesfälle, bei 11 ländlichen Standesämtern 3312 Ge⸗ burten, 604 Eheschließungen, 2524 Todesfälle, zusammen 6055 Ge⸗ burten, 1144 Eheschlicßungen, 4537 Todesfälle; gegen das Vorjahr mehr 82 Geburten, 75 Eheschließungen und 154 Sterbefälle. Die in den letzten drei Jahren stattgehabten Viehzählungen ergaben 1883: 2649 Pferde, 3535 Stück Rindvieh; 1884: 2826 Pferde und 3888 Stück Rindvieh; 1885: 2941 Pferde und 3436 Stück Rindvieh.

Die Zahl der Amtsbezirke im Kreise beträgt augenblicklich 11.

Ueber die von den Gemeinden im Etatsjahr 1884/85 aufgebrachten Kommunalabgaben sei bemerkt, daß der Gesammtbetrag der direkten Ge⸗ meindeabgaben in 20 Gemeinden 180 942, betragen hat; hiervon wurden aufgebracht durch Zuschläge zu der Klassen⸗ und Einkommensteuer 138 823, zu der Gebäude⸗ und Gewerbesteuer 42 119 ℳ; die Ein⸗ wohnerzahl betrug am 1. Dezember 1885 (vorläufiges Ergebniß) 56 162, mithin kamen auf den Kopf an Gemeindeabgaben 3,22

Die Kranken⸗ und Unfallversicherung der Arbeiter ist im Kreise Beuthen vollständig durchgeführt. Z errichtet: in der Stadt Beuthen 2 Ortskrankenkassen mit 2300 und 1 Betriebskrankenkasse mit 60 Mitgliedern, welche der Aufsicht der Stadt Beuthen, ferner in der Stadt Königshütte 1 Ortskrankenkasse mit 1300 Mitgliedern, welche der Aufsicht des Magistrats der Stadt Königshütte, endlich in den ländlichen Ortschaften des Kreises 7 Orts⸗ krankenkassen mit 1860 und 14 Betriebskassen mit 7200 Mitgliedern, welche der Aufsicht des Vorsitzenden des Kreisausschusses unterstellt sind. Hiernach sind im Kreise Beuthen 10 Ortskrankenkassen und 15 Betriebskassen errichtet, welchen 12 720 Mitglieder angehören. Die Gemeindekrankenversicherung findet nirgends statt. 8

Der Geschäftsverkehr in den Kassen gestaltete sich folgendermaßen: In der Kreis⸗Kommunalkasse betrug die Einnahme 163 839 ℳ, die Ausgabe 135 870,73 ℳ, mithin Bestand 27 968,27

Die Kreis⸗Chaussee⸗Unterhaltungskasse n Ein 1 21 363,89 auf, eine Ausgabe von 21 363,89 ℳ, balancirt also.

Die Kreis⸗Sparkasse ergab für das Jahr 1884/85 folgende Resultate: 1 Betrag der Einlagen am Schlusse des Vorjahres 2 70 Zuwachs pro 1884/85 durch neue Einlagen. .1 9

durch Zinszuschreibung zusammen . 2 Ausgabe für zurückgenommene Einlagen 11 bleiben ult. März 1885 . . 31 Der Reservefonds erreichte die Höhe von 51 963,57

85 19ö 52

3 270

2, 1

20 ½

27 1 57,77 N

2

57,30

8

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007,17

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5630 Stück. Aus dem Vermögen der Kreis⸗Sparkasse waren ultimo

4416,26 und die Inhaberpapiere hatten ultimo März 1885 einen

3 ½ und erhielt von den ausgeliehenen Kapitalien 3 ½, 4, 4 ½ und 5 % Zinsen.

Der Vermögens⸗ Aktiva: zusammen 207 730,80 ℳ, Passiva: März 1884: 298 079,95 . 8 86

Der Etat der Kreiskommunalkasse für das Jahr 1885/86 schließt in Einnahme und Ausgabe mit 127 800 ℳ; an Kreisabgaben werden einschließlich sämmtlicher auf den Kreis repartirter Provinziallasten 100 000 erhoben, welche mit 18 % der Einkommen⸗ und Klassen⸗ steuer, sowie 9 % der Grund⸗, Gebäude⸗ und Gewerbesteue 18 Klasse AI auf dem Lande zur Ausschreibung gekommen sind.

bleiben Schulden ult

gewährt wird, welche sich nicht nur für den Einzelnen, sondern durch

deutsche Kräfte in ausreichender Zahl gewonnen werden, welche sich 8

100 000 für Studirende deutscher Herkunft beantragt, welche sich

weist eine Einnahme von

An Sparkassenbüchern waren vorhanden ultimo März 1885 zusammen h

März 1885 zinsbar angelegt zusammen 3 165 145,90 Die Zins⸗ überschüsse pro 1884/85 betrugen 26 129,58 ℳ, die Verwaltungskosten

Werth von 1 392 205,60 Die Kreis⸗Sparkasse zahlte für Einlagen

und Schuldenstand des Kreises weist auf:

2

An Orts⸗ und Betriebskassen sind