1886 / 106 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 05 May 1886 18:00:01 GMT) scan diff

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3) 20. Mai, 4 Uhr Nm. Rathhaus zu Lauwe,

flandern. Bau eines Kommunalweges. Voranschlag 127 499 Fr. Näheres auf dem Gemeinde⸗Sekrelariat von Lauwe.

4) Nächstens. Börse zu Brüssel. Bau eines Ankunftsbahnhofes mit Annexen zu Station Brüssel⸗Nord (Seite der rue de Brabant). ZSoranschlag 355 488 Fr. Vorläufige Kaution 9000 Fr. Näheres beim Ingenieur en chef, Direktor Goffin, rue Latérale Nr. 2, zu

Brüssel und beim Architekten Laureys, boulevard du Nord Nr. 9, zu Brüssel. 1““

Sanitätswesen und Quarantänewesen.

Portugal.

Durch eine unterm 26. April 1886 veröffentlichte Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern sind die südlichen Häfen Spaniens am Atlantischen Ocean („R.⸗A.“ Nr. 75 vom

.März 1886), sowie der Hafen von Gibraltar („R. A.“ Nr. 294 vom 15. Dezember 1885) für rein von Cholera erklärt worden. Tunis.

Durch ministerielle Verfügung vom 23. April 1886 ist für Pro⸗ venienzen aus Brindisi und Umgegend eine fünftägige, für Provenienzen aus Sardinien eine 24stündige medizinal⸗polizeiliche Beobachtung, für Provenienzen aus dem übrigen Italien dagegen eine dreitägige Be⸗ ͤchtigung der bezeichneten Art vorgeschrieben worden. (Vgl. „R.⸗A.“ Nr. 103 vom 1. Mai 188é6)

Berlin, 5. Mai 1886.

Dem Andenken des General⸗Feldmarschalls Jacob Keith. (Schluß.)

Der König bewahrte Keith bis zum eigenen Ende hohe Achtung. Er sagt in der „Histoire de mon temps“: „Der Graf von Münnich, welcher aus sächsischem in den Dienst Peters I. übertrat, stand an der Spitze der russischen Armee; das war der Prinz Eugen der Mos⸗ kowiter, er hatte die Tugenden und die Fehler der großen Generale ... Lacy (der Vater des österreichischen Generals), Keith, Löwendal und andere tüchtige Feloherren bildeten sich in seiner Schule“, und in der „Histoire de la guerre de sept an;“ heißt es: „Der König machte eine gute Erwerbung, indem er aus Rußland den Marschall Keith in seine Dienste zog. Das war ein Mann, sanft im Umgange, reich an Tugenden und Sitten, von Kenntnissen für seinen Beruf und bei der höchsten Feinheit im Benehmen von einer heroischen Tapferkeit am Tage der Schlacht“. Hochinteressant sind die Urtheile über Keith, welche Catt aus dem Munde des Königs in den „Memoiren“ berichtet: „Der Marschall ist ein bewundernswürdiger Mann“, rühmt der Monarch einmal; „er vereinigt in sich die Vor⸗ theile der Kaltblütigkeit, eines großen Genies und langjähriger Er⸗ fahrung, sein Muth ist erprobt. Niemals unsicher, niemals unent⸗ schlossen, hat er nur den einen Fehler, daß er unsere Sprache nicht versteht, und das bringt manchmal Unklarheit in die Befehle, welche er ertheilt. Für den Krieg, die Politik und für die Wissenschaften ist er geboren, und ich kann mich seiner mit Vortheil in allen mög⸗ lichen Fällen bedienen . In der Unterhaltung ist der Marschall sehr witzig und angenehm und übertrifft hierin bei Weitem alle Anderen: mit der ernstesten Miene von der Welt erzählt er die drolligsten Geschichten bei schneidiger Schlag⸗ fertigkeit. Eines Tages sagte man an meiner Tafel, daß das Pferd des Generals Apraxin in der Schlacht bei Jägerndorf verwundet worden sei. „Ja“, fiel der Marschall ein, „mit den Sporen!“ Unmittelbar nach der Schlacht bei Hochkirch klagt der König: „Mein theurer Marschall Keith ist nicht mehr! Das ist ein schwerer Verlust für die Gesellschaft und für die Armee!“ Dann fügt er hinzu: „Er vereinigte mit seinen Talenten einen entschiedenen Heldenmuth; dieser Heldenmuth ist in seiner Familie erblich!“ Zwei Tage später kommt er wieder auf ihn zu sprechen: „Er hatte einen weiten Blick, und was er sah, das war unter allen Umständen richtig! er war mir mit dem größten Eifer und mit einer beispiellosen Uneigen⸗ nützigkeit ergeben! Wie soll ich jemals diesen Verlust ersetzen!!“ Der Prinz Heinrich rühmt von Keith auf dem zu Rheinsberg errichteten Obelisken: „Mit der größten Biederkeit vereinigte er die ausgebreitetsten Kenntnisse“, und die vier Worte, welche Lord Marschall an Maupertuis nach Basel schrieb, der ausführliche Nachrichten über den Todten zum Zwecke eines akademischen Eloge erbeten hatte, lauten: „Probus vixit, fortis obiit.“ .

Der Sanftmuth, welche der König vor Keiths anderen Tugenden erwähnt, entsprach die Menschlichkeit und Schonung in seiner Krieg⸗ führung. Im Jahre 1734 wußte er den grausamen Befehl des Fürsten Schachoffskoi, der in Volhynien das Oberkommando hatte, eine große Strecke des Landes rings im Umkreise mit 3000 Reitern zu verwüsten, nach fruchtlosen Gegenvorstellungen dadurch rückgängig zu machen, daß er nach einem Scheinversuch der Ausführung erklärte, bei fortgesetzter Verwüstung des Landes müßten die russischen Truppen Hungers sterben, was dann der Fürst allein zu verantworten haben würde. In Wilmanstrand schützte er, persönlich eingreifend, die wehrlosen Einwohner vor der Wuth der russischen Soldateska und verpflanzte die geretteten nach Rußland. Nc seine Feinde er⸗ kannten solche Tugenden an. Der Feldmarschall Browne sandte ihm im Winter nach der Schlacht bei Lobositz ein Faß vortrefflichen Weines als Zeichen seiner Hochachtung. bie russischen Soldaten nannten Keith „ihren Vater“. Aber der Feldmarschall Keith war bei aller Milde ein eiserner Mann, wo es sich um Gerechtigkeit handelte. Wie er, ein Feind der Lüge, in allen Lebenslagen frei⸗ müthig und unerschrocken die Wahrheit sagte, so verfocht er das Rechte auch durch die That. Als einst ein Prinz von Hessen⸗Homburg, welcher als General in russischen Diensten stand und durch Verrath den Feldmarschall Dolgorucki gestürzt hatte, Keith zumuthete, gleich⸗ falls die Rolle des Angebers zu übernehmen, fertigte er ihn sarkastisch ab, und als der Prinz sich dennoch nicht scheute, den Fürsten in Keiths Gegenwart öffentlich zu verunglimpfen, sagte dieser: dem Prinzen mache der Name eines Angebers wenig Ehre, denn er sei der erste Prinz des Reichs, der solcherlei Geschäfte betreibe. Während seines Oberbefehls in der Ukraine, 1736, zwang er den Großfeldherrn von Polen, Potocki, welcher vertrauensbrüchig den moldauischen Fürsten Kantemir den Türken ausliefern wollte, unter den härtesten Drohungen, diesen frei zu geben. Durch eine „stolze und freie Ab⸗ geschlossenheit und kraftvolles Beruhen auf sich selbst“ stach Keith von den anderen Generalen, denen oft Eifersucht und Ränke nicht fremd waren, vortheilhaft ab. Selbst Winterfeldt soll 1756 gegen Keith intriguirt haben. Bei dem Abzuge von Prag, im Jahre 1757, setzte sich Keith, nur um Winterfeldt, der den rechten Flügel führte und lebhaft angegriffen wurde, zu decken, ohne Ordre und ohne Noth. so den feindlichen Kanonen aus, daß sein Adjutant Cocceji scherzend ausrief: „Verwünschtes Metier, Adjutant eines Generals zu sein, der sich todtschießen lassen will!’“ Der König rühmt Keiths Kenntnisse im „Metier“. In seinem Aufsatze über Karl XII. beruft er sich wiederholt auf Keith, der ihm hier als um so größere Autorität galt, als er 1736 das Schlacht⸗ feld von Pultawg gesehen und studirt hatte. Der König führt einmal mit Nachdruck gegen Catt an, daß, als er im Jahre 1757 den Feind bei Zittau habe angreifen wollen und Keith um seine Meinung gefragt, dieser geantwortet habe: „Wenn Ew. Majestät den Ruhm des Prinzen Carl (von Lothringen) vermehren wollen, dann müssen Sie angreifen!“ was den König von seinem Entschlusse ab⸗ brachte. Keiths Gewandtheit machte ihn zur Ausrichtung delikater Aufträge geschickt. Bei der Besetzung von Dresden im Jahre 1756 war es Keith, der mit Würde und Höflichkeit die Königin über die aufregenden Vorgänge zu beruhigen hatte. Charakteriftisch ist der Ausspruch Keiths: „Ich begann die Rechte zu studiren aber stellen Sie mich, meine Herren, nur ein Paar Minuten der Mündung einer Kanone gegenüber: das macht augenblicklich den Mann fertig oder er stirbt ruhmvoll auf dem Schlachtfelde!“ Keiths Geistesgegen⸗

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Provinz West⸗

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wart verließ ihn nie. Als die russischen Leibgarden 1742 in Wyborg eine Meuterei gegen alle Fremden, die im Heere dienten, angestiftet hatten, die Offiziere mißhandelten und wüthend tobten, sprang Keith mitten unter die Aufrührer, ergriff den nächsten Rädelsführer und befahl, einen Popen zu rufen, damit der Mann beichten könne, denn er werde ihn sogleich erschießen lassen. Die Offiziere folgten seinem Beispiel, und der Aufruhr wurde unterdrückt. Keiths soldatischer Scharfblick stellt ihn Turenne zur Seite, mit welchem er auch den Adel der Gesinnung theilte. Während der Schlacht von Prag befand er sich auf der anderen Seite der Moldau; von einer Anhöhe konnte er jedoch den Bewegungen der beiden Armeen folgen. Er erkannte sogleich, daß der Sieg dem Könige zugefallen war und sagte zu seinem Adjutanten Cocceli: „Sie ist gewonnen! sie ist gewonnen! kommen Sie zu Tische!“ Kaum war er bei der Tafel, als ihm der Tod Schwerins gemeldet wurde. Er erhob sich und blieb eine Stunde lang in seinem Zimmer eingeschlossen. Dann sprach er zu seinem Adjutanten viel von dem Todten, zuletzt die denkwürdigen Worte: „Nachdem er sich mit unsterblichem Ruhm bedeckt, starb er auf dem Bette der Ehre! Ein gleiches Glück ist mir nicht beschieden!“ In selbstloser Ergebung für des Königs Dienst ertrug Keith trotz eines peinigenden asthmatischen Leidens, welches ihm die Anstrengungen der russischen Campagnen zugezogen hatten, mit stoischer Ruhe die Beschwerden des Krieges. Seine Bescheidenheit ließ gegen die be⸗ kannten Wallungen des Königs, von welchen auch die verdientesten Generale nicht verschont blieben, keinerlei Empfindlichkeit aufkommen. Als einst der König Grund zum Tadel zu haben glaubte, antwortete Keith: „Ich wage, Ew. Majestät zu versichern, daß ich nur Einen Ehrgeiz kenne: Deroselben Ordres mit der größten Pünktlichkeit zu befolgen, und ich fühle mehr als jeder andere, wie sehr ich unrecht handeln würde, wollte ich Neuerungen in eine Armee einführen, welche nach Dero Plan zu regeln Ew. Majestät so viele Mühe angewendet hat!“ Bei solcher Hingabe an den Monarchen war er ihm ein Freund im edelsten Sinne des Wortes. Nach der Katastrophe von Kolin weiß er den König durch den Hinweis auf seine Armee und deren Schöpfer wieder aufzurichten! „Ich weiß nicht, Sire,“ schreibt er, von Prag rückwärts ziehend, aus Budin, 23. Juni 1757, „was ich am meisten loben soll, die gute Haltung des Generals (Ge⸗ neral⸗Lieutenant Graf Schmettau) oder die Unerschrockenheit der Grenadiere Ew. Majestät“ und im Briefe vom 25. Juni sagt er: „Ew. Majestät hat noch eine schöne Armee, sie hat Hülfsquellen in Dero Genie, welche die anderen nimmermehr haben, und wenn sich sonst niemand drein mischt als die Oesterreicher, ich bin kein Prophet, aber ich stehe dafür, daß diese kleine Schlappe wieder ein⸗ gebracht werden wird.“ Sollten sich dennoch andere einmischen, so könne man auf Zufälle rechnen und eine gewonnene Schlacht werde die Angelegenheiten wieder in das alte Geleis bringen.

Am 15. Oktober, dem Sonntage nach der kirch, ward auf Dauns Befehl die Leiche Keiths unter Abfeuerung von 12 Geschützen und unter Infanteriesalven auf dem Hochkircher Friedhofe zur Erde bestattet. Daun war der Bitte des Königs zuvor⸗ gekommen. Der König ließ das Grab später öffnen und die Leiche nach Berlin überführen, wo sie am 3. Februar 1759 mit großer Feierlichkeit in der Garnisonkirche beigesetzt wurde. Unter den von Bernhard Rohde dem Ruhme preußischer Helden gewidmeten und derselben Kirche geschenkten allegorischen Gemälden findet sich auch eins, das Keiths Brustbild und Namen auf einer Urne zeigt, welche der Genius des Ruhmes mit Lorbeerzweigen kränzt. Ein schönes Brust⸗ bild des Marschalls, welches Antoe Pesne 1755 für dessen Freundin Eva Merthens auf Leinwand in Oel gemalt hatte, wollte diese nach Keiths Tode selbst dem Könige, der große Summen dafür bot, nicht über⸗ lassen; es befand sich noch im Jahre 1844 wohl erhalten im Besitze des Präsidenten Heuer in Potsdam. Ein Verwandter Keiths, Sir Robert Murray Keith, Gesandter am österreichischen Hofe, hat ihm 1776 nach Oesers Entwurf ein Marmordenkmal errichten lassen, dessen lateinische Inschrift Ernesti verfaßte; es steht in der Kirche zu Hochkirch, soll aber der Renovation bedürftig sein. Der König beklagte Keiths Tod in der warm empfundenen Epistel, welche er im Dezember 1758 aus den Winterquartieren zu Breslau an Lord Marschall richtete. Schwermüthig hatte er am 18. November 1758 zu Catt geäußert: „Ich habe mir die Stelle zeigen lassen, wo Keith sein Leben verlor, und den Ort, wo man seine traurigen Reste geborgen hat; ich habe seinem Adjutanten Cocceji befohlen, sie nach Berlin zu ehrenvoller Bestattung überführen zu lassen. Sollte ich das Glück haben, diese Stadt wiederzusehen, so werde ich dem würdigen Marschall ein Standbild widmen, welches auf dem Wilhelmsplatz aufgestellt werden soll! Erinnern Sie mich in Dresden, daß ich an Mylord Marschall schreibe. Welch ein Schlag muß das für ihn gewesen sein!“ 8 in seinem letzten Lebens⸗ jahre verwirklichte der König die Absicht bezüglich des Monuments, indem er zu den drei Standbildern Schwerins, Winterfeldts und Sepdlitz', welche den Wilhelmsplatz bereits zierten, noch das von Keith gesellte. Es war von Tassaͤert in Marmor ausgeführt, wie die anderen. Heute ist es durch eine, 1857 von Kiß gefertigte Kopie in Erz ersetzt, während das Original, den Unbilden der Witterung entzogen, sich im Vestibül des Direktionsgebäudes der Hauptkadetten⸗ anstalt zu Lichterfelde befindet.

Keith hat eine Denkschrift über sein Leben hinterlassen, welche die Jahre 1714 bis 1734 umfaßt.

Nach dem Katalog zu der XII, heute eröffneten Mastvieh⸗ Ausstellung auf dem Central⸗Viehhof der Stadt Berlin veranstaltet von dem Landwirthschaftlichen Provinzialverein für die Mark Brandenburg und die Niederlausitz und dem Klub der Land⸗ wirthe zu Berlin sind für Abtheilung A (Rindvieh aller Rassen) 357 Stück, für Abtheilung B (Schafe aller Rassen) 118 Stück, für Abtheilung C (Schweine aller Rassen) 115 Stück angemeldet. Außer⸗ dem sind zur Konkurrenz um Extrapreise für Schweine in Loosen 4 bis 8 Monate alt um das höchste Gewicht nach Alterstagen (6 Wochen nach der Geburt zu melden) von 5 Züchtern 15 Thiere genannt. Die Zahl der Aussteller von Mast⸗ thieren beträgt 144. Von den aus den deutschen Staaten, sowie aus den preußischen Provinzen angemeldeten 1133 Mast⸗ thieren kommen 26 Stück Rindvieh (4 Aussteller) auf das Herzog⸗ thum Braunschweig, 5 Schafe (1 Aussteller) auf das Fürstenthum Lippe, 8 Stück Rindvieh und 35 Schweine (13 Aussteller) auf das Großherzogthum Mecklenburg⸗Schwerin, 2 Stück Rindvieh, 4 Schafe und 63 Schweine (11 Aussteller) auf das Großherzogthum Mecklen⸗ burg⸗Strelitz, 10 Schafe und 7 Schweine (3 Aussteller) auf das Königreich Sachsen, 97 Stück Rindvieh, 35 Schafe und 11 Schweine (36 Aussteller) auf die Provinz Brandenburg, 3 Stück Rindvieh und 2 Schafe (2 Aussteller) auf die Provinz Hannover, 104 Stück Rind⸗ vieh, 1 Schaf und 86 Schweine (53 Aussteller) auf die Provinz Pommern, 51 Stück Rindvieh (5 Aussteller) auf die Provinz Posen, 20 Stück Rindvieh, 22 Schafe und 9 Schweine (3 Aus⸗ steller, auf die Provinz Westpreußen, 12 Stück Rindvieh Wund 26 Schafe (b5 Aussteller) auf die Provinz Sachsen, 34 Stück Rindvieh und 13 Schafe (7 Aussteller) auf die Provinz Schlesien und 4 Schweine (1 Aussteller) auf die Provinz Westfalen. Als Preise gelangen zur Vertheilung für die besten Leistungen in Abthei⸗ lung A (Rindvich): die goldene Nathusius⸗Medaille (Züchter⸗Ehrenpreis), 4 Preise der Stadt Berlin im Betrage von 2000 und 75 Preise zusammen von 9020 ℳ; in Abtheilung B (Schafe): die von Sr. Majestät dem Kaiser und König verliehene goldene Staats⸗ medaille, 1 Preis der Stadt Berlin im Betrage von 500 und 29 Preise zusammen von 2675 ℳ; für Abtheilung C (Schweine): eine silberne Zuckerschale (Züchter⸗Ehrenpreis) des Klubs der Land⸗ wirthe, 1 Preis der Stadt Berlin im Betrage von 500 und 47 Preise zusammen von 4720 Die 157 Geldpreise betragen 19 415 ℳ, zu welchen der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten 11 000 aus Staatsmitteln bewilligt hat. Außerdem kommen noch zur Vertheilung 7 Bronze⸗Statuetten (1 Shortorn⸗Stier, 1 Shortorn⸗ Kuh, 1 Rambouillet⸗Bock, 1 Orfordshiredown⸗Bock, 1 Merino Schaf, 1. Porkshire⸗Eber, 1 Berkshire⸗Schwein), bewilligt vom Ministerium für Landwirthschaft, Domänen und orsten, 1 Bronze⸗Statuette

aft, (Normal⸗Maf chwein) n Hof⸗Schlächtermeister Bergmann⸗Berlin,

Schlacht von Hoch⸗ 1

1 Gips⸗Medaillon (gehörnter Merino⸗Bock) von Schäferei⸗Direktor Behmer, 47 silberne und 71 Bronze⸗Medaillen, sowie eine Anzahl polychromer Gipsstatuetten von Schafen und Schweinen. Als Annex der Mastvieh⸗Ausstellung sind 100 Zuchtböcke und 28 Zuchteber von 13 Ausstellern angemeldet. Die Zahl der Aussteller von Maschinen, Geräthen und Produkten für die Landwirthschaft und das Schlächter⸗ gewerbe beträgt 87. 1

Die Schau macht im Allgemeinen einen sehr vortheilhaften Eindruck. Das Verständniß für das Bedürfniß eines Markts, wie ihn Berlin bietet, wächst sichtlich von Jahr zu Jahr, und in Ver⸗ bindung damit steigt auch der Zuchtwerth des hierher gebrachten Materials. Eine Erscheinung tritt diesmal ganz besonders hervor: immer mehr bildet sich die Berliner Mastvieh⸗Ausstellung als Markt heraus, und damit dürfte in der That den Intentionen der Ver⸗ anstalter nur entsprochen sein. Was die einzelnen Abtheilungen anbetrifft, so ist die des Rindviehs ganz außerordentlich schön. Die Unterabtheilung der Kälber überrascht durch ihre Reichhaltigkeit ganz besonders. Einzelne der jungen Thiere sind wahrhaft mustergiltig. In der Unterabtheilung der Ochsen führt Opitz von Boberfeld Thiere vor, wie sie wohl selten auf einer Ausstellung bisher gesehen worden sind. Kenner waren besonders von den jungen Stieren entzückt. Auch von schweren Ochsen ist eine vorzügliche Auswahl zur Stelle. Bullen sind an Zahl geringer vertreten, die Qualität entsprach aber voll der der fruüheren Jahre. Die Abtheilung der Schafe ist diesmal schwächer als früher. Einen erfreulichen Beweis hat die Ausstellung geliefert, den nämlich, daß die früheren Zweifel an der Mastfähigkeit der Merinos glänzend widerlegt ist. Meister⸗Sängerau führt in dieser Beziehung geradezu Leistungen ersten Ranges vor. Die Abtheilung „Schweine“ ist auch in diesem Jahre wieder reicher geworden, und namentlich sind auch hier die jungen Thiere bevorzugt, während die Karrikaturen der 7 ersten Schauen vollständig fehlen. Aufsehen erregend sind die Erfolge der neuen Fütterungsmethode des Guts Hohenhausen, welches Eier, Syrup und süße Milch verfüttert, wodurch der Beweis geliefert werden soll, daß auch unter den jetzigen schlechten landwirthschaftlichen Verhältnissen der darniederliegenden Milchkonjunktur auch süße Milch noch zu hohen Preisen verwerthet werden kann.

11 Stolze'scher Stenographen⸗Verein. Hes e e ven⸗ lung: Donnerstag, den 6. Mai, Abends 8 Uhr, im großen Saale des Restaurant Reimann, Unter den Linden 13 I. Tagesordnung: 1) Vortrag des Hrn. Gymnasiallehrer Dr. Dreinhöfer über die historische Entwickelung des Stolze'schen Systems. 2) Vereins⸗ angelegenheiten (Berathung der Statutenvorlage. Referent Hr. Deutschmann).

Brindisi, 4. Mai. (W. T. B.) Von gestern Mittag bis heute Mittag kamen hier zwei Cholera⸗Erkrankungen und ein Cholera⸗Todesfall vor, in Ostuni sechs Erkrankungen und zwei Todesfälle, in Latiano zwei Erkrankungen und ein Todesfall.

New⸗York, 4. Mai. (W. T. B.) Der Strike der Ar⸗ beiter der Missouri⸗Pacific⸗Eisenbahn ist beigelegt. Aus Chicags, vom gestrigen Tage, wird gemeldet, daß die strikenden Arbeiter eine Fabrik angriffen und daß es zwischen der die Fabrik vertheidigenden Polizeimannschaft und den Strikenden zu einem Zusammenstoß kam, bei welchem 5 Arbeiter und 4 Poli⸗ zisten durch Schußwunden verletzt wurden.

Chicago, 4. Mai. (W. T. B.) Ein Miliz⸗Bataillon hat Befehl erhalten, sich bereit zu halten, nach Milwaukee abzu⸗ gehen. Eine große Anzahl Theilnehmer an den gestern Abend in Chicago und Milwaukee stattgehabten Unruhen sind fremde Sozialisten.

Chicago, 4. Mai. (W. T. B.) Die strikenden Arbeiter griffen heute Nachmittag die Polizei mit Steinwürfen und Ge⸗ wehrschüssen an; ein Polizeibeamter wurde getödtet; ein anderer tödtlich verwundet. Mehrere der Ruhestörer wurden niedergeschossen, mehrere andere verhaftet. Das Arsenal wird von der Miliz bewacht, um einem Angriff der Ruhestörer zu begegnen. Nach Milwaukee sind weitere Verstärkungen an Miliztruppen abgegangen.

5. Mai. (W. T. B.) Gestern Abend kam es hier zu einem weiteren erbitterten Kampfe zwischen der Polizei und den Sozialisten, welche sich in einer Stärke von etwa 15 000 Mann versammelt hatten. Der Aufforderung der Polizei an dieselben, sich zu zerstreuen, wurde nicht Folge geleistet. Es wurden mehrere Dynamitbomben geworfen, wodurch fünf Polizei⸗Agenten getödtet und viele verwundet wurden. Durch die auf die Meuterer Seitens der Polizei abgegebenen Schüsse wurden gegen 50 getroffen, darunter mehrere tödtlich. 8

In Krolls Theater fand gestern Abend die Eröffnung der Sommer⸗Oper mit Verdi's „Troubadour“ kum hatte sich trotz der keineswegs günstigen Witterung recht zah! 8 reich und in bester Stimmung zu dieser Premieère Titelrolle der Oper sang der Kaiserlich Königliche Hof⸗Opernsänger H Gritzinger. Der Sänger verfügt über eine in jeder Tonlage mächtig wohklautende und klangvolle Stimme, aber nur über ein sehr beschränkt darstellerisches Können. Naturgemäß waren denn auch die Stelle. in welchen die glänzenden äußeren Mittel des Künstlers völli it Geltung kommen, wo also die markige Kraft und die Wucht v. Klanges für den Mangel an Ausdrucksfähigkeit einigae maßen Ersatz leisteten, die durchschlagend wirksamen. Hr. Gritzing ist ein noch junger Künstler, und man darf hoffen, daß er set schönes Organ künftig noch besser verwenden lernen wird; vorläust fehlt ihm zur Beherrschung desselben noch Mancherlei. Die Tor bildung muß edler werden und vor Allem fehlt dem Gesange zumei die Beseelung, dem Vortrage Feuer und Leidenschaft.

Auch . . Brucks (Graf Luna) konnte mit seiner mächtigen und klangreichen

Stimme das Publikum überraschen und gewinnen, aber auch ihm fehlt es an Durchbildung des sonoren Organs. Bei einer vor⸗ nehmeren Behandlung seiner seltenen Stimmmittel und bei gründlicherer Beachtung des schauspielerischen Theils seiner Rolle würde auch dieser Sänger eine viel tiefere Wirkung auf die Hörer erzielen. Die schönste und in jeder Beziehung lobenswerthe Leistung des Abends bot Fr. Baader als Azucena. Die K welche als tüchtige Altistin vom vorigen Jahre her in gutem Ge⸗ dächtniß steht, hat inzwischen ihre vortreffliche Sangeskraft bewahrt, ihre Vortragsweise

Gewandtheit wesentlich gewonnen hat. Der zarte Wohllaut und die

statt. Das Publi⸗

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eingefunden. D

Künstlerin 5 9

vertieft, während ihr Spiel an Frische und

Fülle ihrer Stimme traten, gehoben und durchleuchtet von dem lebendigen

Ausdruck der Empfindungen, auf das Wirksamste hervor. Das Publikum zeichnete die Künstlerin denn auch häufig in spontaner Weise durch lauten Beifall aus. Die „Leonore“ wurde von Frl. Rödiger gewandt und maßvoll gesungen. Auch diese Sängerin besitzt eine helle, klangvolle. und gefällige Stimme, welche durch klares und sicheres Spiel ihrer Wirkung unterstützt wird. eine in jeder Beziehung befriedigende Kraft, welche allen erlaubte Anforderungen gerecht wird, ohne doch durch glänzende Einzelleistungen das Urtheil zu bestechen. Die kleineren Partien waren angemessen be⸗ setzt und trugen dazu bei, ein hübsches Ensemble zu bilden, welche den warmen und wohlverdienten Beifall des Publikums fand. Als dritte Opernvorstellung wird morgen Webers ⸗Freischat⸗ ge geben. Der Kaiserlich Königliche Hof⸗Opernsänger Hr. Leo Gritzinge setzt am Freitag sein Gastspiel als Eleazar in der „Jüdin“ fort; di Recha singt Frl. Möllering, die Prinzessin Fr. Carlotta Grossi.

Redacteur: Riedel. Berlin: Verlag der Expedition (Scholz).

Sieben Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

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Die Dame Ba heint demnach als

Erste Be

zum Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

Berlin, Mittwoch, den 5. Mai

1886.

No. 10

8 Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 5. Mai. In der gestrigen (65.)

Sitzung des Hauses der Abgeordneten bemerkte bei

Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend Ab⸗ änderungen der kirchenpolitischen Gesetze, der Abg. Dr. Gneist: er werde nicht als Parteiredner sprechen, sondern nach seiner rechtschaffenen Ueberzeugung, in dieser Situation, die vor Allem berechnet sei, den auch von nationalliberaler Seite angestrebten Frieden herbeizuführen. Seine politischen Freunde und die konservative Partei in ihrer großen Mehr⸗ heit hätten bei den kirchenpolitischen Gesetzesvorlagen in den Jahren 1872—75 die Staatsregierung unterstützt, in der Ueberzeugung, daß Gesetze dieser Art nothwendig seien, um das Nebeneinanderbestehen zweier großer historischer Faktoren zu ermöglichen. Allerdings seien bei diesen Gesetzesvorlagen zwischendurch einige Gesetze erschienen, die als Kampfgesetze der Staatsregierung in dem ausgebrochenen Kampf zu dienen bestimmt gewesen seien. Die Meinungen über die Angemessen⸗ heit solcher Ausnahmemaßregeln würden immer verschieden sein und auch die Meinungen der politischen Freunde des Redners hinsichtlich dieser Kampfgesetze seien vielfach getheilt gewesen. Damals habe auch Niemand geglaubt, etwas Voll⸗ kommenes zu Stande gebracht zu haben; wo sich Härten im Laufe der Zeit herausgestellt hätten, sei man stets bereit ge⸗ wesen, Erleichterungen zu gewähren. Man habe es gethan bei der Besetzung der Pfarrämter, bei der Beseitigung des Kulturexamens. Die Regierungsvorlage in ihrer ursprüng⸗ lichen Gestalt sei für die Nationalliberalen annehmbar ge⸗ wesen, aber gegen die Vorlage in der jetzigen Gestalt müßten diese ihren Widerstand aufrecht erhalten, nicht aus Feind⸗ seligkeit gegen die katholische Kirche, sondern aus rein sachlichemn Gründen. Die römische Kirche sei eine Universalkirche, die über 200 Millionen Katholiken herrsche in allen Theilen der Erde, umgeben von Ungläubigen und Irrgläubigen aller Art, und deshalb in ihrer ganzen inneren Organisation eingerichtet zum Kampfe gegen die Irrgläubigen und Ungläubigen. In dieser Tendenz seien ihr ganzes Kirchenrecht, ihre Klöstereien und Kampforden entstanden. Die Unabänderlichkeit ihrer Dogmen, die Stetig⸗ keit ihrer kirchlichen Einrichtungen und Traditionen sicherten ihr den Gehorsam aller Gläubigen. Dennoch habe sie ihre Klagen über Unterdrückungen und Sklaverei der Kirche stets in derselben Weise erhoben, in der Zeit der Inquisition ebenso laut und heftig wie heute. Erst nach schweren Kämpfen habe sich die Kirche zu einem tolerari posse gegenüber den anderen Kirchen entschlossen, aber niemals habe sie die Gleichberechtigung derselben anerkannt. Diesen allen andere; Kirchen feindlich gegen⸗ überstehenden Standpunkt habe die römische Kirche besonders in der Frage der Eheschließung zur Geltung gebracht, in deren Auffassung sie von den Ideen W“ vollständig abweiche. In den anderen, namentlich katholischen Staaten habe sich die römische Kirche auch in gewissem Maße nationalisirt, und obwohl auch in diesen Staaten bestimmte Schranken gegen die Omnipotenz der Kirche errichtet seien, blieben die dortigen Kapläne und Pfarrer in erster Linie doch Franzosen, Spanier u. s. w. Deutschlund sei eine solche einheitliche nationale Ge⸗ staltung versagt geblieben. Seit der Reformation sei das deutsche Volk nach der Zugehörigkeit zur Religion in zwei anfangs feindliche Völker getrennt worden. Aus dieser Zer⸗ theilung der deutschen Nation sei für jedes der beiden Völker ein anderes Familienrecht, ein anderes Erbsystem, eine andere Entwickelung des nationalen Lebens in Folge des Festhaltens der Kirche an ihren unveräußerlichen Rechten entstanden. Unter dem starken Regiment der Könige von Preußen sei der Grund zur Aenderung dieser Verhältnisse gelegt worden. Was wäre aus dem Staat geworden, wenn die Versagung des Konnu⸗ biums zwischen den beiden Theilen der Nation aufrecht erhalten worden wäre, wenn zwischen dem katholischen und dem cvangelischen Volk keine Ehe mehr möglich wäre, keine Familienban de irgend einer Art existirten, keine Gemeinschaft der Erziehung, des Unterrichts bestände, kurz eine völlige Spaltung in einem Volke entstanden wäre, in dem die geistige und religiöse Seite des Lebens am stärksten in der ganzen europäischen Welt entwickelt sei! Und doch sei dies offen⸗ kundig von einigen Kirchenmännern beider Theile proklamirt worden als das einzige Ziel der Kämpfe, die man heute führe; der Klerus sei noch heute dazu bereit. Man sage vielleicht zur Beruhigung, das habe heute in der Zeit des rohen Materialismus nicht viel zu sagen, Handel und Wandel würden die Bevölkerung schon zusammenhalten; aber die zahlreichen Petitionen im Reichstage zeigten an, daß man auch in Bezug auf Gewerbe, Handel und alle Beziehungen des Lebens in einen konfessio⸗ nellen Zwiespalt kommen könne. Glaube man, daß das über⸗ wunden sei? Die Maulwurfsarbeit der Erhaltung der „unver⸗ äußerlichen Rechte der Kirche“ könne auch von Erfolg begleitet sein, wie die Auseinanderreißung von Holland und Belgien zeige. Im ersten Jahrhundert nach dem westsälischen Frieden, mit der heroischen Gestalt unseres Großen Kurfürsten an der Spitze, habe man den Grundsatz der Toleranz der Einzelnen erkämpft, und das sei wahrhaftig kein leichter Kampf gewesen, unter dem heftigen Widerspruch der Geistlichkeit und der Land⸗ stände. Es sei dieser Kampf allerdings kein idealer Zug gewesen, sondern aus dem nationalen Interesse hervorgegangen, die Nation zusammenzuhalten. Aus diesen Bestrebungen sei das Recht des Staates circa sacra entstanden. Friedrichs des Großen Bestreben sei dahin gegangen, beide Kirchen gleich⸗ berechtigt zu machen. Es hätten sich in Preußen eigenthüm⸗ liche Rechtsnormen entwickelt. Während alle anderen Mon⸗ archien die einheitliche Entwickelung der Nation mit der ein⸗ heitlichen Entwickelung der Kirche in Uebereinstimmung zu bringen hätten, sei es hier Aufgabe der Regierung gewesen, die Angelegenheiten der beiden Kirchen gleichmäßig zu regeln. Der Monarch aber könne nicht beiden Kirchen zugleich dienen, und doch sei die preußische Monarchie gerade die Existenzbedingung für ein einheitliches Deutsches RNeich. Beide Kirchen hätten unveräußerliche Rechte, um so un⸗ veräußerlicher aber seien die Rechte der Monarchie, die allein das Band bilden könne zwischen beiden Religionsgemein⸗ schaften. Die höhere Stellung der deutschen Monarchie sei

das alleinige Gegengewicht gegen die Omnipotenz der Kirche. Beide Kirchen könnten nicht zusammen paktiren, der Staat müsse die Rechte der einen Kirche soweit beschränken, daß die Gewissensfreiheit der anderen möglich bleibe. Die eigene Freiheit müsse Jedermann soweit beschränken können, daß auch die Freiheit der Anderen bestehen könne. Auch dem bürger⸗ lichen Rechte dürfe durch die Religionsübung kein Abbruch geschehen. Das Unabänderliche in dem Konflikt sei die Staats⸗ hoheit. Das Uebergreifen in die innere Verwaltung der Kirche sei fehlerhaft gewesen, das habe man korrigirt. Es sei jedoch durchaus nothwendig, die Grenzen sowohl der beiden Kirchen, als auch der Kirchen und des Staates festzu⸗ stellen. Noch zur Regierungszeit Friedrich Wilhelms III. habe der Staat auf dem Gebiet der gemischten Ehen und der Schulaufsicht der Kirche gegenüber seine Autorität geltend zu machen gesucht; seine Verwaltungsmittel, auf die er angewiesen gewesen sei, hätten aber versagt. Von da ab datire die Periode des laisser aller, wo der Staat jede Einmischung in die Angelegenheiten der Kirche zurückgewiesen habe. Dieser Periode hätten die Maigesetze ein Ende gemacht, in denen das landesherrliche Placet eine große Bedeutung erlangt und die Rechte der Kirche beschränkt habe. Man habe von Verwal⸗ tungsmaßregeln abgesehen und durch Gesetze die in Rede stehenden Angelegenheiten geregelt und damit doch gewiß bessere Garantien geboten, als wenn man sie der Entschei⸗ dung des jedesmaligen Ministers unterworfen hätte. Was die Vorbildung der Geistlichen betreffe, so habe der Staat verhindern wollen, daß aus den Seminaren ein fanatisches Personal für die Kirche hervorgehe; dasselbe sollte in versöhn⸗ licher Gesinnung und so erzogen werden, daß es auch ein⸗ gedenk bleibe seiner staatsbürgerlichen Pflichten. Werde man dem Staate rathen, seine Offiziere und Unteroffiziere von Kindesbeinen an in der Abgeschiedenheit der Kasernen zu er— ziehen? Der Verzicht auf solche Bestimmungen bedeute nichts Anderes, als den Verzicht auf die Regulirung der Grenzen zwischen den beiden Religionsgemeinschaften; man komme dann zurück auf die Zustände der fünfziger Jahre. Legitimiren müsse sich Jeder, der im Staate irgend eine Stellung haben wolle, wie könne man es also als eine Konzession der Kirche betrachten, wenn sie auf die Anzeigepflicht eingehe? Das Ein⸗ spruchsrecht gebühre dem Staate! Die gegenwä rtige Vorlage sei gar keine Regierungsvorlage; man solle sich nicht in ihrer Annahme überstürzen, man würde sonst eine schwere Verantwortung auf sich laden. Alle Konkordate und organischen Gesetze Deutschlands, welche in ruhiger sachverständiger Erwägung der verwickelten Kirchenverhältnisse mit rechtsverständigem Beirath erlassen seien, hätten sich erhalten bis heute. Alle im Friedens⸗

taumel, alle in konstitutionellen Verlegenheiten, alle zur Er⸗ reichung anderer politischer Zwecke beschlossenen Konkordate

und Gesetze seien ausnahmslos bei Seite gesetzt und weggefegt worden bei der nächsten Wendung im konstitutionellen Staat und hätten den Kirchenstreit nur verlängert und verbittert. Und noch mehr. Alle Uebergriffe in das Staatsgebiet, mfc die römische Kirche im Schwächezustande der Staaten glücklich erreicht habe, seien bei der nächsten Reaktion nur erwidert worden durch Gewaltthätigkeiten und schwere Eingriffe in das kirchliche Gebiet. Diese Erscheinung wiederhole sich in der europäischen Geschichte wie der Planeten⸗ wechsel, wiederhole sich auch vor Aller Augen in den einkirch⸗ lichen Staaten bis heute. Die heutige Lage mache eine orga⸗ nische Gesammtrevision der kirchenpolitischen Gesetzgebung zu einem Postulat, welches alle Parteien nicht anders als in vollem Ernst stellen könnten. ziehen bei dem Antrag auf ernstliche Berathung in einer Kommission von 21 Mitgliedern.

Die Rednerliste wurde festgestellt. Zum Wort gegen die Vorlage waren 8 Redner angemeldet, für die Vorlage 25.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, die Rede, welche man soeben gehört habe, fordere sehr stark zu einer Erwiderung auf. Sie erinnere lebhaft an alle die Vorträge, welche man von dem Vorredner im Laufe der kirchenpolitischen Streitigkeiten gehört habe, und sie würde sich sehr viel besser ausgenommen haben, wenn sie 1873 gehalten worden wäre. Inzwischen widerstehe Redner dieser Versuchung. Es gebe eine Zeit zu reden und eine andere Zeit zu schweigen, und jetzt glaube er, daß die Zeit des Schweigens gekommen sei. Diese Bemerkung habe er für sich gemacht, und dafür sei kein Anderer verant⸗ wortlich. Im Namen aller seiner Fraktionsgenossen, die in voller Einmüthigkeit zusammenständen und zu⸗ sammenbleiben würden, habe er zu erklären, daß sie die Vorlage, wie sie aus dem Herrenhause ge⸗ kommen sei, einfach acceptirten. Bedenken, aber sie ließen für jetzt die Sachen auf sich beruhen und nähmen an, was geschaffen worden sei, nicht in Ueber⸗ eilung, nicht in Ueberstürzung, sondern nach sorgfältiger Ueber⸗ legung der Regierung und vor Allem auch im Herrenhause. Die Centrumspartei werde deshalb ihrerseits auch keinerlei Amendements stellen. Sollten welche gestellt werden, so würde es sich finden, wie dieselbe dazu Stellung zu nehmen habe. Sie werde sich der Diskussion enthalten, wenn sie nicht ganz besonders provozirt werde. Es könnte vielleicht, wenn auch nicht hier im Hause, geglaubt werden, daß die Rede des Vor⸗ redners bereits solche Provokationen enthielte. Dies sei auch in der That der Fall. Außerdem sei ein solches Maß von Unrichtigkeiten darin, daß es in der That lohnend gewesen wäre, sie hier vor der ganzen Welt noch einmal klar zu stellen. Aber es geschehe dies in Folge des Beschlusses der Freunde des Redners und seines eigenen nicht, weil Alles, was der Vorredner vorgetragen habe, im Laufe der früheren Verhand⸗ lungen vollständig gewürdigt worden sei. Seine Partei werde auch auf die etwaigen Darlegungen über den Sinn der ein⸗ zelnen Bestimmungen des Gesetzes, die im Hause oder auch von der Ministerbant gemacht werden sollten, nicht antworten. Das Schweigen solle nicht bedeuten, daß sie diese etwaigen Interpretationen billige, auch nicht, daß sie dieselben miß⸗ billige. Sie schweige sich einfach darüber aus, weil sie die Bestimmungen deutlich genug finde und in den Vorverhand⸗ lungen Material genug vorliege. Ebenso werde sie schweigen, wenn etwa der Versuch gemacht werden sollte, über den Sinn

Man möge das in Erwägung

Dieselben hätten allerdings ihre

der mitgetheilten Noten des Kardinal⸗Staatssekretärs Jacobini irgend etwas zu sagen und auch diese zu interpretiren. Sie ant⸗ worte darauf nicht, weil sie jedenfalls eine Legitimation zu irgend welcher Interpretation nicht habe. Sie werde in keiner Weise irgend ein Wort sagen, was nach der einen oder der anderen Seite den Verhandlungen präjudiziren könnte, die offenbar über alle diese Dinge zwischen der Regierung und der Kurie beständen. Sie sei erfreut über die Lage, in der man sich jetzt befinde, nicht weil sie nun glaube, so Außerordentliches erreicht zu haben, sondern weil sie der Ansicht sei, daß der vollgültige Beweis gegeben sei, daß es der Kurie und Redner betone es mit besonderer Befriedigung auch der Regierung und vor allen Dingen dem leitenden Staats⸗ mann Ernst sei, die Sachen zu Ende zu bringen. Wenn der Vorredner gemeint habe, er müßte eine Kommissionsberathung beantragen, so werde man be⸗ greifen, daß seine (Redners) Freunde und er nach seiner Er⸗ klärung einen Stoff für kommissarische Berathung nicht fänden. Wenn der Abg. Dr. Gneist glaube, daß Niemand die Trag⸗ weite der Vorlage übersehen könne, so könne Redner ihm die Versicherung geben, daß keiner seiner Freunde über die volle Tragweite der Bestimmungen ununterrichtet sei, und man würde, wenn es Zeit dazu wäre, ganz bereit und geneigt sein, eine öffentliche oder private Vorlesung darüber zu halten. Darauf komme es aber nicht an. Da man aber Niemandem einen Zwang auferlegen wolle, so müsse man es den Herren berlassen⸗ ob sie eine Kommission durchsetzen wollten; die Zentrumspartei stimme nicht dafür, weil sie glaube, daß es gut und nützlich sei, diese nun so lange schon schwebende Sache thunlichst rasch zu Ende zu bringen, und weil man noch eine so große Zahl der allerschwierigsten Aufgaben hier und im Reichstag zu lösen habe.

Der Abg. Dr. von Jazdzewski dankte der Regierung für die Vorlage, erklärte aber im Namen seiner Freunde, daß sie gegen die Beschränkungen stimmen würden, welche bezüglich der Diözesen Gnesen⸗Posen und Kulm im Gesetz enthalten seien.

Der Abg. von Rauchhaupt gab Namens seiner politischen Freunde die Erklärung ab, daß die Konservativen für die Be⸗ schlüsse des Herrenhauses geschlossen stimmen und sich auch nicht für Kommissionsberathung, sondern für sofortige Be⸗ rathung im Plenum entscheiden würden. Erleichtert würde ihnen ihre Stellung in diesem schwerwiegenden Augenblick durch die gründliche Arbeit des Herrenhauses und dessen mit großer Mehrheit gefaßten Beschluß, durch das Eintreten des Reichskanzlers für diesen Beschluß und dessen Abstimmun für denselben wenn letztere auch nur in seiner Eigenschaft als Mitglied des Herrenhauses erfolgt sei, so sei sie doch gerade für die Mitglieder des Abgeordnetenhauses von ganz besonderem Werth und durch das im Laufe der Verhandlungen that⸗ sächlich wachsende Entgegenkommen der Kurie. Aber daneben bestimmten auch innere Gründe die Konservativen, geschlossen für die Vorlage einzutreten. Die konservative Partei habe seit Jahren die organische Revision der Maigesetzgebung ge⸗ fordert, und alle Parteien in diesem Hause seien zu jeder Zeit darüber einig gewesen, daß in den Maigesetzen Bestimmungen enthalten seien, die in das innerkirchliche Leben der katholischen Kirche eingriffen. Helfe nun die Vorlage, wie sie an das Haus gelangt sei, den Beschwerden der katholischen Mitbürger in gerechter Weise ab, oder gebe sie Rechte des Staates auf, die man nicht aufgeben dürfe? Letzteres sei nicht der Fall. Der Abg. Dr. Gneist habe von Rechten des Staates gesprochen, die man im Interesse des Friedens beider Konfessionen aufrecht erhal⸗ ten müsse; er selbst wünsche lebhaft die Beseitigung des bisherigen Zwiespalts; aber Redner frage: hätten die Maigesetze, deren Vater der Abg. Dr. Gneist doch wesentlich sei, diesen Zwie⸗ spalt in Deutschland nicht mehr als irgend etwas Anderes verschärft? Dennoch werde die soeben Maigesetzen gegenüber die Konservativen nicht zu Konzessionen

bestimmen, welche die Rechte, die der Staat haben müsse,

irgendwie alteriren könnten. Auch die Mehrheit der Liberalen im Herrenhause habe die Vorlage in ihrer schließlichen G staltung an sich für acceptabel erklärt und sie nur aus Grürn den, die nicht in der Sache lägen, verworfen; wenn heute de Sprecher der nationalliberalen Partei einen entgegengesetzten

präzisirte Stellung den

Standpunkt entwickelt habe, dann habe er sich mit den

Hauptführern seiner Partei im anderen Hause in wesent⸗ lichen Widerspruch gesetzt. das, was Redner soeben behauptet habe, wiederholt ausdrück⸗ lich betont. Die Liberalen im Herrenhause hätten fast sämmt⸗

In der Rede des Hrn. Miquel sei

lich die beiden Hauptkonzessionen der Vorlage, betreffend die

Vorbildung der Geistlichen und die Disziplinargewalt der Bi schöfe, für absolut acceptabel gehalten. Hr. Miquel hab dabei vor Allem betont, welchen ungeheuren Werth man au die Vorbildung der Geistlichen legen müsse; auch die Kon servativen ständen unbedingt auf dem Standpunkte, daß die jenigen Bestimmungen, die für die Vorbildung der Geistlichen

unerläßlich erschienen, festgehalten werden müßten und zwar in der Form, wie sie aus dem Herrenhause gekommen seien.

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Die Vorbildung der Geistlichen könne nicht gleichgültig sein;

der Einfluß der Geistlichen auf das staatliche Leben, auf die Er

iehung der Jugend sei von eminenter Bedeutung. Indessen gäben z b g b

die Bestimmungen der Vorlage über die Vorbildung dem

Staate diejenigen Garantien, die er in dieser Beziehung

brauche, zumal ja auch den Klerikalseminaren gegenüber das in Art. 23 der Verfassung festgelegte Aufsichtsrecht Staates über Recht bestehe. Allerdings werde der Erfolg wesentlich von der Entscheidung der Frage abhängen, in welchem Sinne die

des sämmtliche Unterrichtsanstalten zweifellos zu

Bischöfe die neu zu eröffnenden Seminare leiten würden; aber

aus dem Verhalten des Bischofs Kopp, der es über sich ge⸗

wonnen habe, auf das gefährliche Parquet des Parlaments zu treten, und der in der Folge schwere und empfindliche Angriffe, auch in der klerikalen Presse, sich zugezogen habe, entnehme

Redner das Vertrauen gegen den ganzen deutschen Episkopat,

daß diese Bestimmungen über die Priesterseminare, loyal ausgeführt, ihren Zweck im Interesse des Friedens erfüllen würden. Wie diese, acceptirten die Konservativen auch die Herrenhausbeschlüsse bezüglich der Beseitigung des kirch⸗ lichen Gerichtshofes und die daraus erfolgende wesentliche