1886 / 110 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 10 May 1886 18:00:01 GMT) scan diff

Gewerbe und Handel.

In der ordentlichen Generalversammlung der Gladbacher Feuerversicherungs⸗Gesellschaft vom 6. d. M. wurde die Jahresrechnung mit Bilanz genehmigt, auch die Zustimmung zu den im Geschäftsbericht enthaltenen Vorschlägen in betreff der Vertheilung des Reingewinns ertheilt. Hiernach werden 41 796 an den Reservefonds überwiesen und 7 ½ % der geleisteten Einzahlung als Dividende vertheilt. Dem Geschäftsbericht entnehmen wir Folgendes: Die Gesellschaft wurde im vergangenen Jahre von 1186 (+ 136) Schäden betroffen. Von diesen waren am IJahresschlusse 1057 mit einer Entschädigungssumme von 1 270 192 geordnet, außerdem von den aus dem Vorjahre reservirten Schäden 55 mit einer Entschädigungssumme von 74 031 ℳ, es verblieben 129 Schäden mit 168 503 für 1886 in Reserve. Die Gesammt⸗ summe der im Jahre 1885 für schwebend gebliebene und geordnete Schäden bezahlten und reservirten Entschädigungen stellt sich auf 1 512 728 In der Eeneralversammlung der Gladbacher Rückversicherungs⸗Gesellschaft wurde die Jahresrechnung mit Bilanz pro 1885, sowie der Geschäftsbericht genehmigt. Dem⸗ zufolge gelangt bei der statutarisch vorgeschriebenen Dotirung der Kapitalreserve mit 15 486 eine Dividende von 7 ½ % der Einzahlung

ur Vertheilung.

In der Generalversammlung der Lebens⸗Versicherungs⸗ Gesellschaft zu Leipzig vom 8. d. M. wurde die Jahresrechnung ür 1885, wonach die an die Versicherten zu zahlende Dividende 43 %

beträgt, sowie der wichtige Antrag des Verwaltungsraths und u“ auf Einführung unanfechtbarer Policen einstimmig ge⸗ ehmigt. Nürnberg, 8. Mai. (Hopfenmarktbericht von Leopold Held.) Im Laufe der heute zu Ende gehenden Woche machte sich inige Frage für Export bemerkbar. Derselbe nahm mehrere hundert Zallen zu 12 —18 Der Gesammtumsatz beläuft sich auf ca. 800 Ballen. Die Preise sind unverändert. Die Kälte der letzten Tage hat dem Stock nirgends geschadet. Die Noti⸗ rungen lauten: Bayerische Hopfen: Markthopfen prima 30 35 ℳ, mittel 20 25 ℳ, gering 10 14 ℳ; Gebirgshopfen prima 35 45 ℳ; Aischgründer prima 35 - 40 ℳ, mittel 20 25 ℳ, gering 10 14 ℳ; Hallertauer prima 60 75 ℳ, mittel 20 35 ℳ, gering 10 18 ℳ; llertauer Siegelgut prima 70 80 ℳ; Spalter, je nach Lage und ualität, 18 70 ℳ; Württemberger prima 60 75 ℳ, mittel 20 bis 5 ℳ, gering 10 18 ℳ; Badische mittel 20 25 ℳ, gering 10 bis 4 ℳ; Elsässer 10 35 ℳ; Posener prima 60 75 ℳ, mittel 25 bis 35. ℳ, gering 10 18 ℳ; Saazer Kreis und Bezirk, je nach Qualität, 60 100 1 Gera, 8. Mai. (W. T. B.) Der Aufsichtsrath der Weimar⸗ Geraer Eisenbahngesellschaft hat die Dividende für die Prioritätsaktien auf 2 ½⁴ % festgesetzt.

Glasgow, 8. Mai. (W. T. B.) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores belaufen sich auf 749 096 Tons gegen 595 293 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betrieb befindli hen Hochöfen 9! gegen 92 im vorigen Jahre.

New⸗York, 9. Mai. (W. T. B.) Der Werth der Waaren⸗Einfuhr in der vergangenen Woche betrug 7 982 947 Doll., davon 1 667 649 Doll. für Stoffe. Der Werth der Einfuhr in der Vorwoche betrug 8 917 305 Doll., davon 2 264 077 Doll. für Stoffe.

Verkehrs⸗Anstalten.

Zum Zweck einer pünktlichen Bestellung der nach Berlin bestimmten Postsendungen ist es unbedingt erfor⸗ derlich, daß die Empfänger durch Hinzufügen der Wohnung (Straße, Hausnummer, Stockwerk ꝛc.) näher bezeichnet werden.

Auch dient es zur Beschleunigung der Bestellung, wenn außer der Wohnung auch der Postbezirk (C., N., 0., S., W., NO., 80., SW.,, NW.), in welchem dieselbe belegen ist, hinter der Ortsbezeich⸗ nung „Berlin“ angegeben wird.

Sofern die Sendungen eine derartige nähere Bezeichnung des Empfängers nicht tragen, wird eine Verzögerung in der Bestellung nicht immer zu vermeiden sein; die Ungenauigkeit in der Aufschrift kann unter Umständen sogar die Rückleitung der Sendungen nach dem Aufgabeorte behufs Rückgabe an die Absender bedingen.

Es liegt deshalb im eigenen Interesse der hiesigen Empfänger, wenn dieselben bei den Absendern dahin wirken, daß die letzteren die Postsendungen nach Berlin mit möglichst genauen Aufschriften versehen.

Wie seiner Zeit bekannt gemacht worden ist, sind zu den Postaufträgen nach dem Auslande seit dem 1. April be⸗ sonders eingerichtete Formulare mit deutschem und französischem Vordruck zu verwenden. Der Gebrauch des für den inneren deutschen Verkehr vorgeschriebenen Post⸗Auftragsformulars ist für jenen Zweck nicht gestattet. Da es wiederholt vorgekommen ist, daß die ausländischen Postanstalten Postaufträge, zu welchen das deutsche Formular benutzt worden war, beanstandet haben, so liegt es im besonderen Interesse der Absender, zu den Postaufträgen nach dem Auslande stets das richtige Formular zu verwenden.

IE öTI(eee .) Her Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Fulda“ ist heute früh in New⸗York

eingetroffen.

Hamburg, 9. Mai. (W. T. B.) Der Postdampfer „Suevia“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktien⸗Gesellschaft ist, von Hamburg kommend, gestern Nach⸗ mittag in New⸗York eingetroffen, und der Postdampfer „Hammonia“ derfelben Gesellschaft, von New⸗York kommend, heute früh in Plymouth eingetroffen.

IIIIIZg(C(ͤT. B.) Der Lloyddampfer „„Espero“ ist beute Nachmittag mit der ostindischen Post aus Alexandria hier eingetroffen.

Berlin, 10. Mai 1886.

Auf dem Rennplatz des Vereins für Hinderniß⸗ Nennen bei Charlottenburg begannen die gestern abgehaltenen Rennen mit:

I. Blumenhof⸗Jagd⸗Rennen. Preis 500 Handicap. Herren⸗Reiten. Distanz ca. 3000 m. 8 Unterschriften, 5 starteten. Es siegte nach Gefallen des Lieut. v. Arnim (2. Kür. Regt.) a. dbr. 8 „Pioneer“ v. Uncas a. d. Brunette mit 3 Längen gegen des Major

raf Schlippenbach 5 jähr. schwbr. W. „Rosefield“. Lieut. v. Sydows br. St. „Hurdy Gurdy“ wurde 50 Längen dahinter Dritte. Werth des Rennens: 526 dem Sieger, 78 dem Zweiten, 26 dem

Dritten. II. Mai⸗Hürden⸗Rennen. Preis 1000 Distanz 2000 m. Von Ce O. Germanns 4jähr. dbr. St. „Rosemary“ von Silvia a. d. Rosary leicht mit 15 Längen gegen des Hrn. O. Spiekermann 5jähr. F.⸗H. „Elkan“ gewonnen. Lieut. Schneiders br. W. „Pan⸗ mure“ Dritter. Werth des Rennens: 1214 der Siegerin, 276 dem Zweiten.

III. Großes Berliner Jagd⸗Rennen. Preis 10 000 ℳ, egeben von Einwohnern Berlins, 12 Pferde genannt, 7 starteten. Es egte leicht mit 2 ½ Längen des Hrn. v. Zansen⸗Osten a. F.⸗St. „Full⸗ Cry“ v. Haustead a. d. Maggie unter Mr. Moore gegen des Grafen Sierstorpff⸗Franzdorf br. St. „Lady Mildred“ unter Lieut. v. Sydow. Als Dritter folgte nach einer Weile im Schritt desselben b. W. „Vagrant“. Werth des Rennens: 10 000 der Siegerin, 1500 der Zweiten, 400 ℳͤℳ dem Dritten.

IV. Preis von Rummelsburg 1000 ℳ. Jagd⸗Rennen. 4 Unterschriften. 2 starteten. Es siegte ganz leicht mit 5 Längen des Grafen Sierstorpff⸗Franzdorf 6jähr. br. H. „Westerwinkel“ v. Barometre a. d. La Verzée gegen des Lieut. von Nimptsch 6jähr. br. W. „Rinaldo“ und erhielt 1096 ℳ, dem Zweiten 64 über⸗ lassend.

V. Immergrün⸗Hürden⸗Rennen. ca. 500 m. 12 Unterschriften. 5 starteten.

Preis 800 Distanz Es siegte mit 2 Längen

j ausgestellt. Die

des Rittmeisters v. Schmidt⸗Pauli 5jähr. br. St. „Spermaceti“ v. Ambergris a. d. Austria unter Lieut. Grf. Westorp gegen des Lieut. v. Puttkamer dbr. St. „Nanon“ unter Lieut. v. Gravenitz. Lieut. Sufferts br. St. „Dorothea“ unter ihrem Besitzer wurde Dritte. Werth des Rennens: 834 der Siegerin, 102 der Zweiten, 34 der Dritten. Das nächste Rennen auf dieser Bahn findet am Montag, 17. Mai, Nachmittags 3 ½ Uhr statt; darunter auch das Charlottenburger Armee⸗Jagd⸗Rennen um den Ehrenpreis Sr. Majestät 5 Kaisers und Ehrenpreise für die Reiter des zweiten und dritten ferdes.

Dem dritten Rennen wohnten Se. Majestät der Kaiser

Sund König bei.

Der Verein der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen hielt gestern Mittag in den Räumen seiner Zeichenschu e, unter Vorsitz der Frau Geheimräthin Duncker, seine 19. Jahresversammlung ab. Der Verein umfaßt zur Zeit 310 Kunstfreundinnen und 168 aus⸗ übende Künstlerinnen. Die Zahl der Letzteren hat sich im letzten Jahr um 15 vermehrt; unter ihnen befinden sich zwei Bildhauerinnen. Der Zuwachs würde ein noch größerer gewesen sein, wenn nicht an die künstlerischen Leistungen neu aufzunehmender Mitglieder höhere Anforderungen als früher gestellt worden wären. An der Weihnachtsmesse im Architektenhause hat der Verein sich mit gutem Erfolg betheiligt. Die Ausstellung des Vereins im Ge⸗ bäude der Akademie im Januar d. J. ist stark besucht worden. Die Zeichenschule wird von 400 Schülerinnen besucht. 12 derselben haben im vorigen Jahre das akademische Zeichenlehrerinnen⸗Examen bestanden. Gegenftände der diesjährigen Konkurrenz waren Agquarellen jeden Genres. Preise erhielten die Damen M. Block, Th. Laudien, S. Meyer, C. und E. Lobedan, A. Fernow, B. Schrader, J. v. d. Lage und M. Stüler. Die Konkurrenzen sind in der Kunsthandlung von F. Spielhagen, Friedrichstraße 49a, Darlehns⸗ und Unterstützungskasse hat fort⸗ gesetzt segensreich gewirkt. Das Vermögen dieser Kasse beträgt 9616 ℳ; 12 Darlehen mit 1750 stehen aus; neu auf⸗ genommen sind im Laufe des Jahres 2 Darlehen; ebensoviel sind zurückgezahlt. Die im April d. J. eröffnete Pensionskasse des Ver⸗ eins zählt 35 Theilnehmerinnen. Für die zur Bildung eines Hülfs⸗ fonds bestimmte Lotterie sind bereits viele werthvolle Gewinne ein⸗ gegangen. Die Vereinsrechnung balaneirt in Einnahme und Ausgabe mit 10 458 ℳ, das Vermögen des Vereins beträgt 37 068

Die von dem Bildhauer Büchting im Auftrage der hiesigen Ge⸗ sellschaft für Erdkunde gefertigte Nachtigal⸗Büste ist vollendet. Bevor sie in den dauernden Besitz der genannten Gesellschaft über⸗ geht, wird sie auf der diesjährigen Jubiläums⸗Ausstellung zur Schau gestellt werden.

Zur Theilnahme an den Frühjahrs⸗Uebungen vom 10. bis 21. d. M. trafen heute Vormittag das 4. Garde⸗Regimentz. F sowie das 1. und 2. Bataillon des 3. Garde⸗Grenadier⸗ Regiments Königin Elisabeth per Fußmarsch aus Spandau hier ein und bezogen in der Nähe des Kreuzbergs Bürgerquartiere, welche bereits am Sonnabend von Fourier⸗Kommandos vorbereitet waren. Das 4. Garde⸗Regiment z. F. ist in der Belle⸗Alliance⸗ Straße und den angrenzenden Straßen, die Bataillone des 3. Garde⸗ Grenadier⸗Regiments Königin Elisabeth in der Bergmann,⸗, Schenken⸗ dorf⸗, Arndt⸗, Zossener⸗ und Mittenwalder⸗Straße einquartiert worden Das Füsilier⸗Bataillon des 3. Garde⸗Grenadier⸗Regiments Königin Elisabeth ist zur Wahrnehmung des Garnison⸗Wachtdienstes in Spandau zurückgeblieben.

Im Panorama deutscher Kolonien ist jetzt Massenbesuch an der Tagesordnung. Sowohl die Schulvorstände als auch die Mi⸗ litärbehörden machen von der ihnen gewährten Vergünstigung er⸗ mäßigten Eintritts für Schüler und Soldaten fleißig Gebrauch. Die Panorama⸗Passage, Friedrichstraße⸗Wilhelmstraße, welche nur für die Besucher des Panoramas bestimmt, ist allmählich zu einer fre⸗ guenten Durchgangssttraße geworden und wird seit Eröffnung der Markthallen in der Friedrichstraße derart in Benutzung genommen, daß die Direktion nothwendig auf Mittel sinnen muß, um den mit vielen Unzuträglichkeiten verbundenen Verkehrsstrom abzulenken und namentlich den zahlreichen, mit Laststücken aller Art beladenen Personen den Durchgang zu verwehren. Es hat sich übrigens bereits ein unternehmender Herr gefunden, welcher diese, wie es scheint, einem lebhaften Verkehrsbedürfniß begegnende Passage in Pacht nehmen und der Direktion eine namhafte Summe dafür bezahlen will. Der westliche Theil des hübschen, alten Gartens, den diese Passage durchschneidet, fällt gegenwärtig den baulichen Bedürfnissen des Panorama⸗Unternehmens zum Opfer. In Kurzem wird sich daselbst ein mit dem Panorama in Verbindung stehender Prachtbau erheben.

Die Beschaffung von billigen Bädern für die unbemittel⸗ ten Volksklassen ist als ein dringendes Bedürfniß in sanitärer wie in wirthschaftlicher Beziehung allgemein anerkannt. Zur Erreichung dieses Zweckes ist mehrfach den theuren Wannenbädern gegenüber auf die wegen ihrer Billigkeit und auch aus technischen Gründen vorzuziehen⸗ den Brausebäder hingewiesen worden. Gegenwärtig haben der Vorstand des hiesigen 42. Polizeireviers, der Königliche Polizei⸗Lieutenant, Hauptmann a. D. Salbach, und der Vorsitzende der 42. Polizeirevier⸗ Sanitäts⸗Kommission, Dr. med. Oscar Schulze, mit Genehmigung des Königlichen Polizei⸗Präsidii, Namens der gedachten Kommission das Projekt zur Errichtung eines Volks⸗Brausebades in der Luisenstadt auf dem Wasserthor⸗Platz in die Hand genommen. Die für die An⸗ lage der Bade⸗Anstalt ausersehene Stelle erscheint am zweckent⸗ sprechendsten, weil dieselbe täglich von vielen Tausenden von Arbeitern nach und von der innern Stadt zu allen Tageszeiten passirt wird. Das Brausebad soll nach dem Muster des in der Hygiene⸗Ausstellung vom Dr. med. Lassar in Betrieb gesetzten Bades, resp. nach dem Muster der bereits in der Kaserne des Kaiser⸗Franz⸗Regiments und in der Heye'schen Fabrik zu Charlottenburg bestehenden Einrichtungen hergestellt werden. Es steht zu hoffen, daß die städtischen Behörden, die dem gemeinnützigen Unternehmen mit vollstem Wohlwollen ent⸗ gegengekommen sind, den für das Badehaus erforderlichen geringen Bauraum unentgeltlich hergeben werden. Für die Badeanstalt ist zuvörderst die Einrichtung von 12 Zellen in Aussicht genommen. Jede Zelle soll eine warme und eine kalte Brause, jeder Badegast ein ausreichendes Stück Seife und zur Benutzung ein Handtuch erhalten. Der Preis für ein Bad wird sich auf 10 bis 15 2₰ stellen. Die Kosten des Aufbaues der Badeanstalt und der Inbetriebsetzung derselben werden die Unternehmer entweder durch frei⸗ willige Beiträge oder durch eine verzinsbare Renten⸗ Anleihe auf⸗ bringen. Aus etwaigen Betriebsüberschüssen soll ein Reservefonds ge⸗ bildet werden, aus dessen Beständen in den übrigen Stadttheilen der Residenz weitere Volks⸗Brausebäder errichtet werden sollen. Später sollen die Einnahme⸗Ueberschüsse anderweiten sanitären Bedürfnissen in der Stadt Berlin abhelfen. Da die nothwendigen Vorarbeiten für die Ausführung des Projekts fast abgeschlossen sind, erscheint es ge⸗ boten, das Interesse unserer Mitbürger für das gemeinnützige Unter⸗ nehmen anzuregen. Freiwi Ilige Beiträge resp. Zeichnungen zu den⸗ selben behufs Aufbringung der Kosten werden im Comptoir des Banquiers Leopold Friedmann, Oranienstraße 69, wo eine Sammel⸗ liste ausgelegt werden wird, angenommen.

Köln, 9. Mai, Abends. (W. T. B.) Heute Abend 6 Uhr brach in dem Petroleum schuppen des ehemaligen Köln⸗ Mindener Bahnhofs in Deutz cin heftiges Feuer aus. Nach mehrstündiger Löscharbeit gelang es den Feuerwehren von Köln und Deutz, die weitere Ausbreitung des Feuers zu verhindern. Die an⸗ grenzenden Güterschuppen blieben unversehrt.

„Rom, 8. Mai. (W. T. B.) Von gestern Mittag bis heute Mittag sind in Venedig an der Cholera 10 Personen erkrankt, 4 gestorben; in Ostuni 10 erkrankt, 4 gestorben; in Latiano 5 er⸗ krankt; in Torre Santa Susanna eine gestorben

9. Mai. (W. T. B.) Von gestern Mittag bis heute Mittag kam in Brindisi 1 Cholera⸗Todesfall vor, in Ostuni 12 Erkran⸗ kungen und 2 Todesfälle, in Torre Santa Susanna 2 Erkran⸗ kungen und 1 Todesfall, in Venedig 9 Erkrankungen und 3 Todes⸗ fälle, in Salice 1 Erkrankung und 1 Todesfall.

Im hiesigen Zoologischen Garten ist vor einigen Tagen durch die üu. Wund Annoncen⸗Uhr⸗Aktien⸗ gesellschaft“ in Hamburg eine sogenannte Wettersäule errichtet worden, welche neben ihrem praktischen Werth sich als eine weitere ornamentale Zierde des Gartens darstellt. Eine Eisensäule, welche von einem geschmackvollen Dach ge⸗ krönt und von Windrose und Fahne überragt wird, trägt eine Normaluhr: der Uhr gegenüber fungirt ein Aneroidbarometer mit stell⸗ barem Zeiger, welcher den Stand und das relative Steigen und

allen kenntlich macht. An den vier Kanten der Säule befinden sich, durch holj Glasröhren geschützt, ein Thermometer mit den Skalen nach Celsius Vund Réaumur, Angaben über Sonnen⸗ und Mond⸗Auf⸗ und Nieder⸗ gang, Tages⸗ und Nachtdauer und ein Metermaß, während die Flächen der vier unter Spiegelglas stehenden Seiten Informationen über die geographische Lage Berlins, die Einwohnerzahl der größeren Städte des Reichs, den Flächeninhalt der Länder und Provinzen Deutschlands, über die hauptsächlichsten ankommenden und abgehenden Eisenbahn⸗ züge und manches aundere Wissenswerthe darbieten. Ferner wird die Wetterprognose in den Originalmeldungen der Seewarte in Hamburg in einer besonderen Kassette unter dem Barometer täglich eingestellt. Den Hauptzweck der Errichtung dieser Säule, welche einen sehr ge⸗ fälligen Gesammteindruck macht, bildet ein im Innern derselben ver⸗ borgenes Uhrwerk, welches einen Apparat (Deutsches Reichspatent) treibt, der ohne Unterbrechung zwanzig verschiedene Aquarellbilder ins Gesichtsfeld stellt und solche automatisch, jedes nach Verlauf von ca. 30 Sekunden, wieder verschwinden läßt, um es durch das nächste zu ersetzen. Diese Bilder haben die Bestimmung, die bedeutendsten Hotels verschiedener Städte und einige wichtige Bade⸗ und Luftkurorte in empfehlende Erinnerung zu bringen.

Das Deutsche Theater hat nunmehr auch Shakespeare’'s Lustspiel „Der Widerspänstigen Zähmung“ in sein Repertoire auf⸗ genommen. Das von der Direktion an die Zeitungen versandte und von uns mitgetheilte, rechtfertigende Vorwort ließ eine sorgfältig vorbereitete Aufführung erwarten, und die erste Darstellung am letzten Sonnabend war in der That wohl geeignet, die gehegten Erwartungen zu erfüllen. Wie schon in jenem Vorwort angekündigt worden, hat sich das Deutsche Theater von der durch jahrelange Tradition auf fast allen anderen deutschen Bühnen eingewohnten Deinhardsteinschen Bearbeitung emanzipirt und zu der dem Original getreu angepaßten Schlegel⸗Tieckschen Uebersetzung zurückgegriffen. Auf die scenisch unmög⸗ lich darstellbare dramatische Einleitung, deren Hauptperson der trun⸗ kene Kesselflicker Slie bildet, hat man selbstverständlich verzichte (Shakespeare selbst hat dieselbe ja auch nur fragmentarisch dem älteren Stück, das dem seinen zu Grunde liegt, entnommen und nicht zu Ende geführt), Im Uebrigen kommt die possenhafte Ausgelassenheit des ganzen Stücks, welches Deinhardstein sehr zum Nachtheil desselben ver⸗ schnitten und in den derbwitzigen Scenen stark gekürzt hatte, ent schieden zu einer den Absichten des Dichters entsprechenderen Wirkung Letztere findet im Vaterlande Shakespeare's denn auch heute noch ihr Beachtung, und es nimmt sich komisch aus, wenn ein großer Shakespeare⸗Gelehrter an dem in dem Stück doch fast aus jeder Scene hervorkichernden possenhaften Charakter der Aufführung im modernen englischen Theater Anstoß finden zu müssen geglaubt hat. Die Direction des Deutschen Theaters ist durch ihr Zurückgehen au den Originaltexrt, ebenfalls auf den richtigen Weg gelang und hat die Wiedergabe dieses altenglischen Volksstücks den ausgelassen lustigen Ton gestimmt, den es Die Darstellung ruhte in den Hauptrollen auf den Schultern der Fr. Hedwig Niemann (Katharina) und des Hrn. Arthur Kraußneck (Petruccio), welche, wenn auch dem Temperament der Erstgenannten eigentlich das abgeht, was zu einer bösen „Keiferin“ gehört, im sorg

fältig studirten Einzel⸗ wie im Zusammenspiel Vorzügliches leisteten.

So bewunderungswürdig die Kunst der Fr. Niemann in den Scenen der ersten Hälfte des Stücks war, so befand sie sich doch eigentlich erst in der zweiten, als liebliche „Bezähmte“ voll und ganz in ihrem Element. In jeder Beziehung, durch Macht und sonore Fülle seines Orgaus, männlich schöne imponirende Erscheinung, Sicherheit und Adel der Bewegungen wie geschaffen für den Petruccio ist Hr. Kraußneck; man kann sich diese Rolle schlechterdiags nicht vollendeter gespielt denken Sollte es wahr sein, daß dieser Künstler gewillt wäre, dem Institut abtrünnig zu werden, so würde dies in der That einen großen Verlust für dasselbe bedeuten. Auch die anderen Rollen ware

Sr. Merten (Gremio), Hr. Wessels (Hortensio), Hr. Engels (Grumio).

as Zusammenspiel war mit großem Fleiß studirt und namentlich

die tollen Scenen mit den Bedienten und dem Schneider im Hause

Petruccio's von höchst wirksamer Komik.

zur rechten fesselnden Wirkung nöthig ist. Der mit großem Geschick bei verdunkelter Bühne bewerkstelligte schnelle Scenenwechsel half dazu außerordentlich mit. Das Publikum amüsirte sich sichtlich sehr gut und kargte auch nicht mit seinem Beifall.

Victoria⸗Theater. Mit Manzotti's Zustimmung hat Hr. Kapellmeister Raida, da die Musik Marenco's zu dem Hohenzollern⸗ Bilde nicht paßte, eine neue patriotische Musik komponirt. Als sich gestern zum ersten Male der Wolkenschleier vor dem Bilde der Königin Luise unter den Klängen dieses Marsches hob, brach das, broß des schönen Frühlingswetters, dicht besetzte Haus in stürmischen Jubel aus.

Seit langer Zeit hat das Residenz⸗Theater seinen Be⸗ suchern wohl keinen so lustigen Abend geboten, wie ihnen die Auf⸗ führung des Schwankes: „Familie Hörner“ am Sonnabend be⸗ reitete. Hr. Direktor Anno, der Verfasser des spaßhaften Werkes, hat es ausgezeichnet verstanden, die Lachlust der Zuschauer von Anfang bis Ende unausgesetzt rege zu halten. „Familie Hörner“ ist ein im Ge⸗ schmack der ausgelassenen französischen Schwänke gehaltenes Stück, in welchem die wunderlichsten Verwechselungen, die unwahrschein⸗ lichsten Situationen eine große Rolle spielen und eben durch ihr lustiges Durcheinander so überaus erheiternd wirken. Die große Gewandtheit, mit welcher die Ueberraschungen aneinander gereiht sind, der geschickte Aufbau und die überaus scherzhafte Charak⸗ teristik der handelnoen Personen, alles dies trägt dazu bei, dem Schwank einen durchschlagenden Erfolg zu sichern, den derselbe denn auch am Sonnabend voll und ganz hatte, so daß voraussicht⸗ lich die „Familie Hörner“ längere Zeit ein Kassenstück des Residenz⸗ Theaters bleiben wird. Die ausgezeichnete Besetzung der Rollen trug das ihrige zum Gelingen bei. So wurde der vor Eifersucht blinde Rentier Hörner von Hrn. Pansa mit dessen drastischer Komik vorzüglich wiedergegeben. Der schwerhörige Rechnungsrath fand in Her. Mügge einen tüchtigen Darsteller. Hr. Wallner fand sich mit

eschick mit der Rolle des stotternden Liebhabers ab. Fr. Wank sowie die Damen Leuchtmann und Hagen, ferner die Herren Brandt, Wor⸗ litzsch, Bornemann und Reicher waren alle tüchtig am Platz, so daß der Beifall, welcher dem Personal nicht minder wie dem Verfasser zu

Theil wurde, ein wohlverdienter war. 88

Redacteur: Riedel. in: Verlag der Expedition (Scholz). Druck: W. Elsner.

Fünf Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).

(690 ½)

8 5 1 Roll vortrefflich 8 besetzt: es seien als die hervorragendsten Mitwirkenden nur genannt: Hr. Höcker (Baptista), Hr. Bolz (Lucentio), Hr. Nollet (Vincentio),

d Ko Das reich und geschmack⸗ voll ausgestattete Stück spielte sich in dem flotten Tempo ab, welches

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Stnats⸗Anzeiger.

Berlin, Montag, den 10. Mai

e Beilage

2

1886.

Nichtamtliches. 8

Berlin, 10. Mai. Im weiteren Verlauf der vorgestrigen (69.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten richtete bei Fortsetzung der Berathung des Kommissionsberichts über die Verhandlungen des Landes⸗Eisenbahnraths der Abg. von Tiedemann (Bomst) an die Regierung die Bitte, den See⸗Exporttarif . Sprit für die Zukunft auf derselben Grundlage wie den für den Land⸗ export zu konstruiren, d. h. auf der Grundlage eines Einheits⸗ streckensatzes von 3,2 ₰, und wendete sich dann gegen die von dem Abg. Büchtemann an der Institution und den Verhandlungen des Eisenbahnraths geübte Kritik. Wenn man den Eisenbahnrath lediglich als den Schauplatz von Interessenkämpfen betrachte, so übersehe man doch, daß das Gesammtinteresse des Staats sich aus lauter Privatinteressen zusammensetze; auch würden die Ansichten und Gegenansichten nicht nach Stimmen gezählt, sondern Gründe und Gegengründe würden vorgebracht, und die Regierung sei dazu da, sie gegen einander abzuwägen. Informatorische Abstimmungen fänden zwar stait, es werde indeß auf sie kein großer Werth gelegt. Der Be⸗ rechnung eines Minus der Eisenbahneinnahmen von 22 Millionen müsse man sehr mißtrauisch gegenüberstehen; wie schon früher, so werde man auch heute, um annähernd das Richtige zu treffen, 50 Proz. von der Büchtemannschen Schätzung abziehen können. In der That würden 11 Millio⸗ nen das Richtige sein. Fasse man nun den beispiellosen Niedergang der Industrie und eines großen Theils der Land⸗ wirthschaft, den Rückgang der Eisenbahneinnahmen in Frank⸗ reich, Oesterreich, Rußland ins Auge, dann müsse man einen Rückgang von 11 Millionen dem großen preußischen Eisenbahn⸗ netz gegenüber als ein geradezu glänzendes Resultat bezeichnen.

Der Abg. Schultz beantragte, in der Resolution sub b die Worte „für den Gebrauch der Landwirthschaft“ zu streichen.

Der Abg. Dr. Hammacher meinte, der Abg. Büchtemann habe die Thätigkeit der wirthschaftlichen Beiräthe der Eisen⸗ bahnverwaltung unterschätzt und in ein falsches Licht gestellt. Hätte derselbe die Ehre gehabt, Mitglied des Landes⸗Eisenbahn⸗ raths zu sein, dann würde er im Wesentlichen über die Be⸗ schlüsse desselben dieselbe Genugthuung empfinden wie der Redner. Ueber die Ausführungen des Abg. von Tiede⸗ mann hinaus behaupte Redner, daß die Privatinteressen nicht überall ausschlaggebend gewesen seien für die Voten, son⸗ dern daß die Interessenten oft gerade gegen ihr eigenes Interesse Tarifermäßigungen abgelehnt hätten, weil sie erkannt hätten, daß das öffentliche Interesse sie nicht rechtfertigen würde. Auf die Beschwerde des Abg. Biesenbach wegen des Brückenzuschlag⸗ tarifs habe schon der Abg. Natorp geantwortet; inzwischen habe auch der Kölner Bezirks⸗Eisenbahnrath sein Gutachten dahin abgegeben, daß genügender Anlaß zur Aufhebung nicht vorliege. Das zeige doch, daß die Mitglieder dieser Körper⸗ schaften die Fähigkeit besäßen, auch gegen ihre eigenen Inter⸗ essen der Staatsregierung Rathschläge zu ertheilen. Der Abg. Büchtemann habe seine Beispiele sehr unglücklich gewählt. Zur Ablehnung der Wünsche des Siegerlandes sei der Landes⸗ Eisenbahnrath durch rein sachliche Gründe, nicht durch ein⸗ seitige elende Konkurrenzrücksichten bestimmt worden; was die Ablehnung der Ausdehnung des Ausnahmetarifs Staßfurt⸗ Schönebeck für Kalisalze auf Aschersleben betreffe, so habe der Abg. Büchtemann mitzutheilen versäumt, daß der Landes⸗ Eisenbahnrath in demselben Beschlusse die Aufhebung jenes Ausnahmetarifs überhaupt empfehle. Ob die Institution sich dauernd bewähren werde, hänge sehr wesentlich von den darin thätigen Personen ab; bleibe es in Zukunft, wie es bisher gewesen sei, so könne man mit diesem wirthschaftlichen Bei⸗ rath sehr wohl zufrieden sein. Bezüglich der hannoverschen Tariffrage werde Redner für das Amendement Sattler stim⸗ men, für den Antrag Schultz könne er sich ohne Weiteres erklären.

Der Regierungskommissar, Ministerial⸗Direktor Brefeld, erklärte, auch die Regierung sei der Ansicht, ha das Institut der Eisenbahnräthe sich vollständig bewährt habe. Nach der Durchführung des Staatsbahnsystems müsse sie es für eine ihrer ersten Aufgaben halten, sich auf das Genaueste zu informiren, und zu diesem Zwecke müsse sie sich natürlich an die Bestinfor⸗ mirten wenden. Der Schwerpunkt der wirthschaftlichen Beiräthe liege darin, daß die sämmtlichen Interessen zum Wort kämen, daß die Anordnungen der Verwaltung nicht mehr lediglich bureaukratisch seien, sondern daß Jeder, der Interesse zur Sache habe, vor dem Erlaß Gelegenheit gehabt habe, sich darüber zu äußern. Auch in Oesterreich, Italien, Frankreich und Rußland habe man solche Beiräthe als noth⸗ wendiges Korrelat des Staatsbahnsystems mit ö1“ eingeführt. Redner habe die Verhandlungen des Landes⸗ Eisenbahnraths drei Jahre geleitet und könne versichern, daß alle Fragen dort sehr sorgfältig, gründlich und ob⸗ jektiv erörtert worden seien. Man lasse sich nicht von Privatinteressen leiten und wäge auch nicht die Zahlen der Stimmen, sondern die Gründe der Stimmen. lage sei nicht so schlimm, wie der Abg. Büchtemann annehme. Die Eisenbahnverwaltung werde die volle Verzinsung und Amortisation ihres Kapitals ausbringen können, kein schlechtes Ergebniß in der gegenwärtigen Zeit des allgemeinen Verkehrs⸗ niedergangs. Bei allen Eisenbahnverwaltungen des Konti⸗ SS z. B. in Frankreich, hätten sich viel größere Ausfälle ergeben.

8 Der Abg. von Puttkamer (Plauth) äußerte, die Kom⸗ missionsanträge hätten gewissen Hoffnungen seiner Heimaths⸗ provinz nicht entsprochen. Die landwirthschaftliche Nothlage Ost⸗ und Westpreußens drohe zu einer Kalamität zu wer⸗ den. Da für die Provin; Preußen nur der Westen als Absatzgebiet offen sei, so habe, wenn hierher ein gesicherter Absatz nicht möglich werde, die Provinz Preußen lediglich die mit der Schutzzollpolitik verbundenen Nachtheile. Den Hauptgrund für die Nothlage bildeten die hohen Eisenbahntarife. Die Hoffnung, 88 nach Einführung der Schutzzollpolitik und der Verstaatlichung der Eisenbahnen die Tarife erleichtert und damit der weitere Rückgang der Land⸗ wirthschaft aufgehalten werden würde, habe sich bis jetzt nicht

Die Finanz⸗

erfüllt, und Redner bitte die Regierung dringend, den Ver⸗ hältnissen Westpreußens eine wohlwollende und ernste Berück⸗ sichtigung zu Theil werden zu lassen. Was für Kohlen möglich sei, müsse auch für Getreide möglich sein. Man sei schon zufrieden, wenn man blos den Berliner Markt erreichen könne. Uebrigens würde selbst eine Ermäßigung der Eisenbahnfrachten um 33 ½ Proz. keinen Einnahmerückgang, sondern eine Einnahmeerhöhung zur Folge haben. Die Er⸗ mäßigung der Eisenbahnfrachten sei ein letzter Hoffnungsanker für jene schwer bedrohten Provinzen. Vielleicht entschließe sich die Regierung, mit einer solchen Herabsetzung etwa auf drei Monate einmal einen Versuch zu machen.

Der Regierungskommissar, Geheime Ober⸗Regierungs⸗ Rath Fleck bemerkte, daß dem Landes⸗Eisenbahnrath demnächst über die vom Vorredner angeregte Frage eine Vorlage zu⸗ gehen werde. Für die Regierung werde hier weniger der finanzpolitische und fiskalische Gesichtspunkt, als die Rücksicht auf das wirthschaftliche Wohl auch der übrigen Landestheile bestimmend sein. Uebrigens bestehe seines Wissens gerade auf der Ostbahn seit vielen Jahren ein sehr ermäßigter Ge⸗ treide⸗Ausnahmetarif, der bis zu 30 Proz. unter die übrigen hinuntergehe. Mit diesem Tarif sei es schon bisher möglich gewesen, ost⸗ und westpreußisches Getreide auf den Berliner Markt zu bringen.

Der Abg. von Wedell⸗Malchow meinte, auch er sei bereit, den landwirthschaftlichen Interessen des Ostens nach Möglich⸗ keit entgegenzukommen. Er wünsche im Allgemeinen mög⸗ lichst einheitliche Tarife über das ganze Land; Tarifverschieden⸗ heiten aber in ein und demselben Wirthschaftsgebiet, wie sie in Hannover beständen, könne er keineswegs gutheißen, deshalb be⸗ grüße er den Kommissionsantrag mit Freuden. Der Tarif nach dem Antrage Schultz sei eigentlich kein Ausnahmetarif, sondern viel⸗ mehr ein Spezialtarif vierter Klasse, den Redner ebenfalls be⸗ fürworte. Was den Landes⸗Eisenbahnrath betreffe, so müsse er denselben gegen den Vorwurf einseitiger Privatinteressen in Schutz nehmen; gerade das fiskalische, das Staatsinteresse werde in jener Körperschaft hervorragend vertreten.

Der Abg. Dr. Meyer (Breslau) verwahrte seine Partei gegen den Vorwurf, prinzipielle Opposition gegen die

tegierung zu machen; im Gegentheil nehme sie dieselbe in Schutz, wenn übermäßige Ansprüche von einer Interessen⸗ vertretung an sie gestellt würden. Auch der Landes⸗Eisenbahn⸗ rath möge ja mitunter zweckmäßige Beschlüsse fassen, es wäre ja geradezu eine Riesenaufgabe, für das öffentliche Verkehrs⸗ interesse stets das Falsche zu treffen. Das Gute, das der Landes⸗ Eisenbahnrath gethan habe, wäre aber auch zu schaffen gewesen, wenn sich die Regierung direkt mit den Interessenten in Ver⸗ bindung gesetzt hätte. Die Regierung habe den Steuerzahlern gegenüber die Verpflichtung, so viel wie möglich aus den Eisenbahnen herauszuwirthschaften, und das Haus habe über die Lösung dieser Verpflichtung zu wachen. Hohe Tarife halte Redner in dieser Beziehung nicht immer für nothwendig, denn mit niedrigeren Tarifen wachse der Verkehr. Zu solchen Tarif⸗ ermäßigungen dürfe aber das Haus nicht die Regierung auf⸗ fordern; stelle diese dieselben auf die Tagesordnung, so würden die Freisinnigen nicht dagegen sein, denn Tarifermäßigungen mit finan⸗ ziellem Erfolge seien denselben sympathisch; durch Differentialtarife wolle man die Fesseln sprengen, welche die Geographie anlege. In seiner Ansicht, daß die Landwirthe im Osten vom Schutz⸗ zoll Schaden hätten, habe der Abg. von Puttkamer einen Eideshelfer an dem Abg. Dirichlet, der diese Ansicht von jeher vertreten habe. Nach des Abg. von Puttkamer Ansicht hätten die Berliner die Verpflichtung, aus einem Kreise mit dem von ihm gewünschten Radius alle Landesprodukte zu konsumiren und sie nach der neuesten Wirthschaftspolitik mit dem von jenem Herrn verlangten Preise zu bezahlen; das wäre doch etwas viel verlangt. Redner bitte, die Kom⸗ missionsanträge abzulehnen.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, darüber könne kein Zweifel bestehen, daß es für die höhere Leitung der Eisen⸗ bahnverwaltung von Wichtigkeit sei, Interessentengruppen zu hören, wie sie vom Landes⸗Eisenbahnrath vertreten seien. Auch die Erörterungen im Hause und in der Kommission würden geeignet sein, nützliches Material für dieselbe abzu⸗ geben. Aber im Großen und Ganzen sei Redner der Ansicht, daß es richtig sei, der höheren Verwaltung die Entscheidung zu über⸗ lassen, die er allein für befähigt halte, nicht einseitige Interessen in Rücksicht zu ziehen. Den Antrag für Hannover bitte er abzu⸗ lehnen, oder, wenn er angenommen werde, bitte er die Regie⸗ rung, ihn zu den Akten zu legen. Allerdings müsse in erster Linie das fiskalische Interesse bei der Eisenbahnverwaltung maßgebend sein, aber dann doch auch das wirthschaftliche, und er glaube, daß allein die Regierung hierin das beste Gleich⸗ gewicht finden werde; der Ministerial⸗Direktor Brefeld ver⸗ stehe das gewiß viel besser als die Mitglieder dieses Hauses und des Landes⸗Eisenbahnraths. Man habe aus den hannöverischen Bahnen große finanzielle Vortheile ge⸗ wonnen, und nun wolle man der Provinz noch obenein wirthschaftliche Nachtheile zufügen? Aus allen Ecken verlange man Ausnahmetarife, damit man den Markt von Berlin er⸗ reichen könne; seine (des Redners) Landsleute wollten das gar nicht, man solle ihnen nur Hannover lassen. Im Osten wolle man die Tarife ermäßigen, die Hannoveraner wolle man beschweren! Redner glaube nicht, daß das politisch richtig sei, daß man sich damit die Sympathien der Hannoveraner er⸗ werben werde. Er würde es für viel nützlicher halten, wenn man die Tarife in den übrigen Landestheilen auf die han⸗ növerischen Sätze herabzumindern strebte.

Der Abg. Dr. Wehr (Deutsch⸗Krone) bemerkte, der Regie⸗ rungskommissar habe gesagt, die Sache werde dem Landes⸗ Eisenbahnrath vorgelegt werden. Ja, wenn man diese Sache auf die Entscheidung des Landes⸗Eisenbahnraths stelle, so sei sie auf nichts gestellt. Unter allen Bedenken, die von dieser Seite und speziell aus seinem (des Redners) Munde gegen den Landes⸗Eisenbahnrath vorgebracht seien, sei auch das, daß die Interessen der östlichen Provinzen darin nie und nimmermehr nach der ganzen Zusammensetzung des Landes⸗Eisenbahnraths gewahrt werden könnten. Diese Frage könne man in der That mit vollem Vertrauen an das Herz des Ministers legen und ihm die Entscheidung überlassen. Es

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gebe keine andere Körperschaft, in der die Interessen in so krasser Form zu Tage träten; das sei auch garnicht anders möglich,

ein solcher Kampf der Interessen sei bei der Zusammensetzung

des Landes⸗Eisenbahnraths unumgänglich nothwendig. Der

Landes⸗Eisenbahnrath sei weiter nichts als ein bequemes Werk⸗

zeug in der Hand des Ministers. Eine Ermäßigung der Ta⸗ rife für die östlichen Provinzen für den Transport über Berlin hinaus bis Sachsen sei dringend geboten. Dadurch würde auch Sachsen gar nicht geschädigt werden, denn Sachsen pro- duzire nicht mehr so viel Getreide, wie es brauche, und durch

billigere Tarife nach Sachsen werde nur dem galizischen Ge⸗ treide Konkurrenz gemacht, nicht dem der Provinz Sachsen. Von der Schutzzollpolitik habe der Osten nicht den vollen er⸗ warteten Nutzen gehabt, deshalb sei es nur gerecht, wenn der Osten dafür Vortheile durch? arifermäßigungen erhalte. Dem Abg. Meyer erwidere Redner, die Konservativen hätten ja immer gesagt, daß die Schutzzollpolitik nur geboten sei, wenn der Ausgleich durch die Tarife komme. Wenn der Abg. Meyer dem Abg. von Puttkamer vorwerfe, daß er seine Ansichten in Betreff der Differentialtarife geändert habe, so treffe das gleichfalls nicht zu. Man habe die Differential⸗ tarife nur für ausländische Transporte verlangt, für die inländischen dagegen nicht. Die Wirkung der Getreide⸗ zölle habe, abgesehen von den finanziellen Vortheilen, für die Landwirthschaft mm wenig Nutzen gehabt, und wenn man die Tarife so belasse, wie sie jetzt seien, dann werde der Schutz⸗ zoll fast gar nichts nützen. Die Staatsregierung werde den gerechten Wünschen des Ostens Rechnung tragen müssen. Dem Westen werde gar kein Schaden dadurch zugefügt. Im Uebrigen sei Redner mit dem Abg. Schultz einverstanden. Was die hannöverischen Ausnahmetarife betreffe, so meine er, daß man bei Beseitigung derselben mit äußerster Vorsicht vorgehen müsse. Aber Hannover müsse sich dem Gesammt⸗ interesse der übrigen Monarchie unterordnen, nicht umgekehrt, wie es der Abg. Windthorst wünsche.

Nach einem kurzen Schlußwort des Referenten Grafen Kanitz wurde dem Antrage Sattler gemäß die Resolution sub a gestrichen, und nur die sub b, unter Streichung der Worte „für den Gebrauch der Landwirthschaft“, angenommen. Gegen die Streichung der Resolution sub a stimmten nur die Konservativen und die Freikonservativen.

Schluß 3 ¾ Uhr. Nächste Sitzung: Montag 11 Uhr.

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