bösesten Art. Es durchbreche die Verfassung für einen be⸗ immten Kreis preußischer Unterthanen. Seine Partei werde her gegen das Gesetz und gegen alle zu demselben eingebrach⸗ ten Amendements stimmen. Der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten, Dr. von Goßler, ging auf die aus dem Hause geltend gemachten Verfassungsbedenken ein, die seiner Ansicht nach nicht be⸗ gründet seien. Es könnte sich höchstens die Frage erheben, ob die Betheiligung der Gemeinden bei der Anstellung der Lehrer Berücksichtigung verdiene. Die Regierung werde gegen die Beschlüsse der Kommission in dieser Beziehung Einwen⸗ e nicht zu machen haben. Der Antrag Meyer sei aus praktischen Gründen für die Regierung unannehmbar. Jeden⸗ falls müsse dieselbe an dem Gesetz festhalten, das im Interesse er Aufrechthaltung des deutschen Elements nothwendig sei. Der Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch bestritt, daß ein Grund zu einer Verfassungsänderung vorliege. Das Ge⸗ setz, das nur ein Provisorium zu schaffen bestimmt sei, ver⸗ stoße nicht gegen die Verfassung. Aber damit nicht ein Prä⸗ judiz für die Auslegung des Art. 24 geschaffen werde, werde er für den Kommissionsvorschlag stimmen. Bei Schluß des Blattes sprach der Abg. von Stablewski gegen die Vorlage.
— S. M. Kreuzer⸗Korvette „Luise“, Kommandant Kor⸗ vetten⸗Kapitän Graf von Haugwitz, ist am 10. Mai cr. von uda in See gegangen.
Posen, 10. Mai. (W. T. B.) Der Ober⸗Präsident von Günther empfing heute, nach der Rückkehr von seinem Urlaube, die Spitzen der Militär⸗ und Civilbehörden, den
Landtagsmarschall, die Mitglieder der provinzialstädtischen Behörden und Kommissionen, Deputationen der Städte Posen, Meseritz und Gnesen, sowie eine große Anzahl Notabeln deutscher und polnischer Nationalität der Provinz, welche ihre Glückwünsche anläßlich des am 5. d. M. stattgehabten fünfzigjährigen Dienstjubiläums desselben darbrachten. Die städtischen Behörden überreichten dem Jubilar den Ehren⸗ bürgerbrief der Stadt Posen.
Bayern. München, 10. Mai. (W. T. B.) Königin Isabella ist heute Nachmittag zu Aufenthalt hierselbst eingetroffen.
11. Mai. (W. T. B.) Die Kammer hat heute den Gesetzentwurf über die Lokalbahn Reichenhall — Berchtesgaden mit 97 gegen 26 Stimmen definitiv ange⸗
Die längerem
Württemberg. ctit s it⸗ 11. Mai. (W. T. B.) Die Königin ist gestern Abend 6 ½ Uhr mittels Extra⸗ über Alessandria und den Gotthard hier einge⸗ Die Königin fuhr unter den begeisterten Hoch⸗ 1 einer zahlreichen Volksmenge nach dem Residenz⸗ schlosse. Am Bahnhof waren die gesammte Königliche sowie die Hofstaaten zum Empfang erschienen. — Wie der „Staats⸗Anzeiger für Württemberg“ meldet, ist der diesjährige Winteraufenthalt von günstigem Einfluß uf die Gesundheit Ihrer Majestät gewesen. Auch das Be⸗ finden des Königs ist im Laufe der letzten Monate ufriedenstellend gewesen; ein heftiger Katarrh, von welchem er König Ende März befallen wurde, ging rasch vorüber. Gegenwärtig befindet sich der König wohl, abgesehen von den stets wiederkehrenden und die Bewegung erschwerenden rheuma⸗ u“ Die Rückkehr Sr. Majestät erfolgt am 2. . (.
8 Hefsens 10, Mai. (W. T. armstädter Zeitung“ bezeichnet die Zeitungsnachricht, daß der Staats⸗Minister Finger wegen 1e kommnisse bei der Wiederbesetzung des Mainzer Bischofsstuhles seine Entlassung zu geben beabsichtige, als unrichtig. Das Blatt ist ferner ermächtigt, auf das Bestimmteste zu erklären, daß, wie jenes Gerücht, so auch namentlich die Mittheilung, wonach der Großherzog ohne Mitwirkung des Staats⸗ Ministers mit der Kurie sich geeinigt hätte, jeder Begrün⸗ dung entbehre.
Mecklenburg⸗Schwerin. Schwerin, 10. Mai. Aus annes, vom 5. Mai, wird den „Meckl. Anz.“ geschrieben: Das Befinden Sr. Königlichen Hoheit des Großherzogs nd der Frau Großherzogin wie auch der hochfürstlichen Kinder ist vortrefflich. Allerhöchstdieselben gedenken, da das Wetter je t sehr angenehm und die Luft erfrischend und ohne oße Wärme ist, bis in die Mitte dieses Monats hier zu
en.
B.) Die
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 10. Mai. (Wien. Ztg.) Die Generaldebatte über die Regierungsvorlage betreffs linführung besonderer Erbtheilungsvorschriften ür landwirthschaftliche Besitzungen mittlerer röße wurde vorgestern im Ausschuß durchgeführt. Zum eferenten wurde der Abg. Zacek gewählt. 3 WVWie die ,Pol. Corr.“ versichert, wird zur er Vorlagen, betreffend das Zoll⸗ niß, das Bankstatut, die Schuld und die Zuckersteuer, ein eigener Ausgleichs⸗ ausschuß von 45 Mitgliedern gewählt werden, der die nzelnen Vorlagen größeren Subcomités zur Vorberathung zuweisen wird. Der Ausschuß wird am nächsten Donnerstag settg werden und dann seine Arbeiten beginnen. Der
Vorberathung und Handelsbünd⸗ Achtzig⸗Millionen⸗
ollausschuß wird voraussichtlich schon am Dienstag Abend seine Arbeiten aufnehmen und behufs Durchberathung des Zolltarifs dann täglich Sitzungen abhalten, sodaß die Be⸗ rathung im Plenum gegen Ende Mai wird beginnen können. 8 Zara, 10. Mai. (Prag. Ztg.) Der neue Statt⸗ Het ais⸗ General Blazekovic, ist vorgestern Nachmittag ier eingetrofften und von den Autoritäten und der Bevölke⸗ rung festlich empfangen worden.
d Irland. London, 10. Mai.
In der heutigen Sitzung des Unterhauses
Unter⸗Staatssekretär Bryce: er habe den
ngelegenheit
1 ’ daß 15 · n erfolgen könne. 2
te hinzu: die Blokade sei in das Werk gesetzt, 1
estehe kein Kriegszu stand zwischen England un Griechen⸗
land oder zwischen einer anderen Macht und Griechenland.
Die Blokade sei eine friedliche. — Ferner theilte
8 8 4
5
selbe gestehe England die Behandlung der meistbegünstig⸗ ten Nation zu. England habe einer Herabsetzung der Ein⸗ gangszölle auf Wein zugestimmt und die Abänderung der Skala für Alkohol und Weine von 30 Grad zum Zollsatze von 1 Sh. per Gallon zugelassen. Spanien habe speziell dem englischen Handel die Wohlthaten des 1882 mit Frankreich und des 1883 mit Deutschland abgeschlossenen Ver⸗ trages zugestanden. Der Handelsvertrag solle zunächst bis 1892 in Kraft bleiben und dann vielleicht auf unbestimmte Zeit verlängert werden. Der Vertrag werde den Cortes und dem englischen Parlament unterbreitet werden. Auf weitere Anfragen erklärte Bryce: die Grenz⸗ absteckungsarbeiten in Afghanistan seien suspendirt ge⸗ wesen, weil Instruktionen über gewisse Punkte ermartet würden; nachdem dieselben eingegangen, habe die Kommission ihre Arbeiten wieder aufgenommen. — Was Drummond Wolff in Egypten angehe, so sei es nicht die Ab—⸗ sicht der Regierung, daß Wolff in Egypten bleiben solle, sobald er seine Berichte vervollständigt und die Verhandlungen mit Mukhtar Pascha beendet habe. Baring beschäftige sich größtentheils mit den laufenden Angelegen⸗ heiten, während Wolff seine Aufmerksamkeit namentlich auf die den Sudan betreffenden Fragen, die militärische Reorgani⸗ sation und gewisse Spezialfragen der inneren Verwaltung zu richten habe. — er Premier Gladstone beantragte die zweite Lesung der irischen Verwaltungsbill. Der⸗ selbe wies die gegen die irische Verwaltungsbill erhobenen Angriffe zurück und erklärte: die Gefahr für die Einheit des Reiches liege in den gegenwärtigen Be⸗ ziehungen zu Irland. Was die Frage der Ausschließung der irischen Vertreter aus dem englischen Parlament an⸗ gehe, so sei die Regierung bereit, so weit als möglich zu ge en; sie sei aber nicht bereit, gegen ihren Willen die Aktion es irischen Parlaments lahm zu legen, ausgenommen da, wo es die Hauptinteressen der Königlichen Regierung fordern. Die Regierung werde übrigens nicht zur Berathung der ein⸗ zelnen Artikel übergehen, bevor die Vorlage im Prinzip ange⸗ nommen sei. Was den Einwurf angehe, daß die Bill eine Taxation ohne Repräsentation vorschlage, so sei die Regierung bereit, einen Artikel vorzulegen, welcher den irischen Deputirten das Recht geben soll, wenn sie gegen Steuermodifikationen seien, im englischen Parlament zu erscheinen und an der Berathung theilzunehmen. Die Frage wegen Erneuerung einer gemischten Kommission aus beiden Parlamenten zur Berathung gewisser Angelegenheiten wolle die Regierung prüfen. Mr. Gladstone sprach sich anerkennend über den Muth Hartingtons aus; doch werde Hartington eben solche schwere Verantwortung übernehmen, wie die Regierung. Hartington möge seine Politik darlegen. Hartington beantragte hierauf die Ablehnung der Bill. Die weitere Berathung wurde sodann bis Donnerstag vertagt. — Die schottische Kleinbauern⸗Bill wurde in dritter Lesung mit 219 gegen 52 Stimmen angenommen.
Im Oberhause legte der Staatssekretär des Auswärtigen den Schriftwechsel über die griechische Angelegenheit vor, gab eine Uebersicht über die bereits bekannten Ereignisse und hob hervor: die verschiedenen Reden des Minister⸗Präsidenten Delyannis und seine Rundschreiben, namentlich aber seine gestrige Erklärung, daß weder er, noch die griechische Regierung jemals ein Dekret über die Entwaffnung unterzeichnen wür , rechtfertigten durchaus die Behauptung der Mächte, daß Delyannis, obwohl er versichert habe: er beabsichtige nicht die Pforte anzugreifen, doch keine Garantie dafür gegeben habe, daß die drohende Haltung der griechischen Armee nicht auf unbegrenzte Zeit verlängert werden würde. Uebrigens sei Gefahr für den Frie⸗ den vorhanden gewesen, da sich zwei Armeen gegenüberstan⸗ den. Kein Freund Griechenlands könne den Wunsch haben, dasselbe gegen eine der militärischen Großmächte in den Krieg ziehen zu sehen, selbst wenn es gerechte Ursache dazu hätte. Griechenland habe sich aber nicht in einer solchen Lage be⸗ funden. Vor fünf Jahren habe die Türkei Thessalien an Griechenland abgetreten; es sei daher kaum denkbar, daß die Türkei sich gegen eine weitere Gebietsabtretung nicht wehren werde. Die Türkei habe eine Armee von 300 000 Mann in Europa, darunter eine große Zahl von Reservisten; demgemäß sei die Landwirthschaft der Türkei bedeutend ge⸗ hemmt. Das Einvernehmen der Mächte sei glücklicher Weis
aufrecht erhalten worden, obwohl Frankreich allein vorgehe, ohne Zweifel in dem gleichen Wunsche, zu einer friedlichen Lösung zu gelangen. Oesterreich, Italien, Deutschland und Rußland befänden sich im Einklang mit England: das sei sehr wichtig, denn ohne Zweifel würden die Bemühungen der Mächte im Zusammenhang mit der parallelen Aktion Frank⸗ reichs von Erfolg begleitet sein.
— 11. Mai. (W. T. B.) An Stelle des Earl of Redes⸗ dale wurde Lord Buckingham (konserv.) mit 122 Stimmen zum Chairman des Comités des Oberhauses gewählt; der Kandidat der Regierungspartei, Graf Morley, erhielt 103 Stimmen. Die „Daily News“ erfahren: Chamberlain sei durch die gestrigen Erklärungen des Premiers Gladstone nicht be⸗ friedigt und fühle sich außer Stande, für die zweite Lesung der Homerule⸗Bill zu stimmen.
Frankreich. Paris, 11. Mai. (W. T. B.) Dem Vernehmen nach ist der diesseitige Gesandte in Athen, Graf von Mouy, hierher beschieden worden.
Spanien. Madrid, 10. Mai. (W. T. B.) Die Cortes wurden heute durch eine von Sagasta verlesene Thronrede eröffnet, in . es heißt: Die Regierung sei fortdauernd mit der Frage des Wohls der Arbeiterbevölkerung und mit den sozialen, ökonomischen, kommerziellen und Kolbnisations⸗ fragen beschäftigt und werde eine Vorlage betreffs Erweiterung des Wahlrechts einbringen. Sodann wurden die Beweise von Sympathien Seitens aller Mächte beim Ableben des Königs Alfons erwähnt und betont, daß besonders die väterliche Fürsorge des Papstes der Königin den Muth gegeben habe, ihre Pflichten als Königin und Mutter zu erfüllen. England sowohl wie die anderen Mächte hätten die Rechte Spaniens auf die Karolinen⸗Inseln anerkannt. Es werden Vorlagen Li oae⸗ werden, betreffend Veränderungen in der Armee und die Reorganisation der Marine. Im Budget sollen alle irgend möglichen Ersparungen erzielt werden; nur in den Budgets der Ministerien des Unterrichts und der Arbeiten würden Er⸗ höhungen beantragt werden. Am Schluß der Thronrede wird gesagt: da der Nation alle Freiheiten und Rechte ver⸗ bürgt seien, könne jede Partei auf friedlichem Wege nach der Verwirklichung ihres politischen Ideals streben. Es sei
der Unter Staatssekretär Bryce mit, daß der Handels⸗ vertrag mi Spanien unterzeichnet sei. Der⸗
zu hoffen, daß alle Spanier friedlich den Weg des Fortschritts
stehender Institutionen zu verbinden wissen würden.
land beantragen. Spanische Weine würden nach demselben in England und dessen Kolonien unter den von Spanien ge⸗ wünschten Bedingungen eingeführt werden können.
Griechenland. Athen, 10. Mai. „Proia“, das Organ des Minister⸗Präsidenten Delyannis, betont die Nothwendigkeit des Rücktritts des Kabinets, um nicht die für die Interessen des Landes ver⸗ hängnißvolle Lage zu verlängern. — Die „Hora“, das Organ Trikupis', glaubt dagegen, daß diejenigen, welche die gegen⸗ wärtige Lage geschaffen, sie auch lösen müßten; der König möge daher auf der Zurückweisung des Entlassungs⸗ gesuchs des Kabinets beharren.
„Da Delyannis bei seinem heutigen Empfange durch den König, von seinem Entlassungsgesuch nicht abgehen zu können erklärte, so wurde Trikupis zum Könige be⸗ rufen. Derselbe legte die Nothwendigkeit dar, die Kammer einzuberufen, um so die Initiative wegen der Kabinets⸗ änderung zu ergreifen, da Delyannis durch die Aufrecht⸗ erhaltung seines Entlassungsgesuchs sich den Pflichten entziehe welche ihm seine Stellung als Führer der parlamentarischen Majorität auferlege. Delyannis konferirte heute Nach⸗ mittag mit den augenblicklich in Athen anwesenden Deputir⸗ ten der ministeriellen Partei. — Die nationale Ligua hat einen Protest gegen das Auftreten der fünf Mächte erlassen.
10. Mai, Abends. (W. T. B.) Ein Telegramm des „Reuterschen Bureaus“ meldet: Hinsichtlich der Minister⸗ krise verlautet, daß außer Rikakis auch Sotiropulos bereit sei, ein neues Kabinet zu bilden. Der König dürfte morgen eine Entscheidung treffen. — Da mehrere Depu⸗ tirte sich gegenwärtig auf den Inseln aufhalten, so würde die Kammer erst in etwa zehn Tagen zusammentreten können.
Türkei. Canea, 11. Mai. (W. T. B.) Die inter⸗
nationale Flotte hat heute Morgen wiederum die Suda⸗ bai verlassen.
Amerika. Washington, 10. Mai. (W. T. B.) Im Senat und im Repräsentantenhause sind mehrere Resolutionen beantragt worden, welche sich auf die Be⸗ schlagnahme eines Fischerboots in der Digbybucht Seitens der canadischen Behörden beziehen. Eine derselben fordert Maßnahmen der Regierung, um von Canada Genugthuung zu erhalten. Im Senat wurde ferner ein Gesetzentwurf eingebracht, durch welchen fremden Schiffen in den amerikanischen Häfen kommerzielle Privilegien nur in dem Umfange gewährt werden sollen, als solche Vortheile amerikanischen Schiffen in den Häfen der betreffenden Nationen ebenfalls eingeräumt werden. präsentantenhause eingebracht. b 8
Zeitungsstimmen.
„Aus Anlaß der anarchistischen Unruhen schreibt die „Neue Reichscorrespondenz“: 8 89, 2„ 8 „ — In rascher Folge sind den Unruhen in Belgien, zu deren Unter⸗ drückung Waffengewalt erforderlich war, solche in den Vereinigten Staaten gefolgt, welche einen womöglich noch ausgesprocheneren anarchistischen Charakter trugen und offen Mord und Brand auf ihre Fahne geschrieben hatten. Sogar die Dynamitbombe hat dabei eine verhängnißvolle Rolle gespielt. Obwohl die besseren Kreise der Ar⸗ beiter sich an der aufrührerischen Bewegung nicht betheiligt haben, sie vielfach vielmehr direkt verdammten, werden auch sie ohne Zweifel unter den lähmenden Rückwirkungen, welche derartige Vorgänge mit Nothwendigkeit auf Handel und Wandel, Industrie und Gewerbe des davon betroffenen Landes ausüben, mit zu leiden haben. Ohnehin zeigen die Ein⸗ und Ausfuhrzahlen der letzten Monate schon eine abnehmende Konkurrenzfähigkeit der amerikanischen Industrie gegenüber der westeuropäischen, einen Rückgang in dem in den letzten Jahren stets fortschreitenden Emanzipationsprozeß der ersteren welcher ohne Zweifel durch die Leben und Eigenthum bedrohenden anarchistischen Unruhen genau so verstärkt werden wird wie die belgischen Unruhen den Konkurrenten der betheiligten Industrien auf dem Weltmarkt, vor Allem auch der deutschen, zu Gute gekommen sind. Ein solcher Rückgang aber bedeutet für die Arbeiter Verminde⸗ rung der Arbeit und des Arbeitsverdienstes, des letzteren zumeist in noch höherem Grade selbst, als der Arbeit. Wenn die von den Anarchisten verleiteten Arbeiter auch nur auf Schädigung der besitzen⸗ den Klassen ausgehen, so treffen sie in Wirklichkein doch gerade die Gesammtheit der arbeitenden Bevölkerung auf das Härteste —Wie oft und lange ist nicht von den Gegnern der deutschen Sozialpolitik die völlige Nichteinmischung des Staats in die soziale und wirthschaftliche Entwickelung, wie sie in den Vereinigten Staaten mit einer republikanischen und etwas weitgehenden demokratischen Re⸗ gierungsform besteht, als das untrügliche und alleinige Heil⸗ und Bewahrungsmittel gegen sozialistische, Staat und Gesellschaft mit Umsturz bedrohende Bewegungen gepriesen worden! Und jetzt sehen wir gerade jenes Land zum Schau⸗ pla von blutigen Exzessen werden, welche ein Seiten⸗ stück zu den Unthaten der Nihilisten in Rußland bilden; während in Deutschland bei ungleich minder günstigen Verhältnissen es einer zugleich die materiellen Interessen der Arbeiter durch positive Gesetzgebung, Unfall⸗, Krankenversicherung, Arbeiterschutz ꝛc. energisch wahrenden Sozialpolitik zu danken ist, daß sich die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in ruhiger und friedlicher Weise entwickeln und unsere Industrie so in die Lage gesetzt ist, in erster Linie die von ihren belgischen und amerikanischen Konkurrenten geräumten Plätze einzunehmen und deutschen Arbeitern einen erheblichen Theil des Arbeitsverdienstes zuzuwenden, welcher bisher ihren ausländischen Kon⸗ kurrenten zufiel. Wie in der Mitte des vorigen Jahrzehnts unter der Wucht der Jedermann an seinem Geldbeutel empfindlich fühlbaren Thatsachen die bisherige Alleinherrschaft des Freihandels zusammen⸗ brach, so liefern die gegenwärtigen anarchistischen Bewegungen den augenfälligen Beweis der völligen Unhaltbarkeit des von den Deutsch⸗ freisinnigen gepredigten Manchesterthums auf sozialem Gebiete und der Nothwendigkeit und Nützlichkeit einer starken Initiative des Staats im Sinne der Kaiserlichen Botschaft vom 1. November 1881.
1 — Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ theilt aus dem Jahresbericht der Handelskammer für Oberbayern zu München für 1885 über die allgemeine Lage Folgendes mit:
Ein gesicherter Friede, eine zureichende Ernte, die Abwesenheit außerordentlicher, auf das Geschäftsleben einwirkender Ereignisse boten alle Bedingungen einer ruhigen Weiterentwickelung und einer zufrieden⸗ stellenden wirthschaftlichen Lage. Und doch ist für das Jahr 1885
so wenig wie für die Vorjahre ein eigentlicher Aufschwung zu ver⸗ zeichnen. schlechte Preise, Reingewinne, — dies ist licher Geschäftszweige. Es ist deren Ursachen zu erforschen und deren Heilmittel zu und Praxis bisher vergeblich bemüht waren.
Befriedigende Ergebnisse in quantitativer Beziehung, aber aufs äußerste getriebene Konkurrenz und minimale mit wenig Ausnahmen das Urtheil sämmt⸗ das alte Lied von der Ueberproduktion, finden, Theorie Ob überhaupt und auf
gehen und die Freiheitsliebe mit der Aufrechterhaltung be⸗
welche Weise die Kalamität der allgemeinen Ueberproduktion beseitigt
Regierung werde die Verlängerung der bestehenden Handels⸗ verträge und den Abschluß eines Handelsvertrages mit Enge-⸗
(W. T. B.) Die
Ein ähnlicher Antrag wurde im Re⸗ 8 8
werden wird, oder ob man es mit einer dauernden Erscheinung des modernen Wirthschaftslebens zu thun hat, diese Frage wird, so oft sie auch gestellt wurde, schwerlich so bald zuverlässig beant⸗ wortet werden. Thatsache ist jedenfalls, daß das andauernde Sinken der Preise und die sich schmälernden Reinerträgnisse aller in⸗ dustriellen Anlagen in weiten Kreisen eine Unlust, neue Unter⸗ nehmungen zu wagen, erzeugt haben, die in den gleichbleibenden und auffallend niedrigen Diskontosätzen der letzten Jahre ihren Ausdruck findet. Eine weitere Folge dieses geschäftlichen Stillstandes ist das Sinken des Zinsfußes und das Steigen des Kurses aller sicheren Kapitalanlagen, wie der Staatspapiere und der Pfandbriefe unserer
vpothekenbanken. Und merkwürdigerweise wird dieses Sinken des insfußes nicht als eine Wohlthat für Handel und Industrie und Landwirthschaft betrachtet, welche nun ihrerseits billigeres Kapital erhalten, sondern vielmehr nur unter dem Gesichts⸗ punkt des bedauerlichen Rentenverlustes für den Kapitalisten: eine Auffassung, welche ein sicheres Zeichen langsamen Puls⸗ schlags des wirthschaftlichen Lebens ist. Eine Vergleichung mit den Zuständen in anderen Staaten ergiebt übrigens, daß in Deutschland und speziell in unserem Bezirk die Verhältnisse noch verhältnißmäßig zufriedenstellende sind. Von einer wirklichen Nothlage, einer Krisis, wie sie anderwärts zahlreiche Erwerbsklassen bedroht, waren in keinem Industriezweig Anzeichen vorhanden. “ in größerem Umfang kamen nicht vor, die Arbeitslöhne hielten sich trotz des Preisrückgangs zahlreicher Konsumptibilien auf gleicher Höhe, ein eigentlicher Arbeitsmangel in größerem Umfang ist nicht wahrzunehmen und steht auch für die nächste Zeit nicht in Aussicht.
Statistische Nachrichten.
—
Gemäß den Veröffentlichungen des Kais erlichen. Gesund⸗ heitsamts sind in der Zeit vom 25. April bis 1. Mai cr. von je 1000 Bewohnern, auf den Jahresdurchschnitt berechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin 22,7, in Breslau 35,8, in Königsberg 24,1, in Köln 26,1, in Frankfurt a. M. 18,5, in Wiesbaden 16,9, in Hannover 21,2, in Kassel 27,5, in Magdeburg 26,5, in Stettin 19,8, in Altona 26,3, in Straßburg 35,3, in Metz 23,1, in München 30,4, in Nürnberg 3 in Augsburg 35,7, in Dresden 23,7, in Leipzig 19,6, in Stuttgart 25,1, in Karlsruhe 20,4, in Braunschweig 18,3, in Hamburg 26,5, in Wien 32,7, in Pest 42,6, in Prag 41,1, in Triest —, in Krakau 27,5, in Basel 25,8, in Brüssel 24,4, in Amsterdam 24,8, in Paris 26,4, in London 18,5, in Glasgow 25,5, in Liverpool 20,0, in Dublin 24,4, in Edinburg 22,5, in Kopenhagen 24,3, in Stockholm 20,7, in Christiania 26,2, in St. Petersburg 37,1, in Warschau 33,6, in Odessa 35,0, in Rom 26,7, in Turin 33,0, in Venedig 33,6, in Bukarest —, in Alexandria 34,9 Ferner in der Zeit vom 4. bis 10. April cr.: in New⸗York 27,9, in Philadelphia 22,8, in Baltimore 21,8, in San Francisco —, in Bombay 23,0, in Kalkutta 24,8, in Madras 32,3. h 1
Die Sterblichkeit hat in der Berichtswoche in den meisten Groß⸗ städten Europas wieder etwas zugenommen; nur aus einer kleineren Zahl, namentlich füddeutscher Städte, wie Frankfurt a. M., Wies⸗ baden, Darmstadt, Karlsruhe, sowie aus Stettin, Leipzig, Hannover, Braunschweig, ferner aus London, Liverpool, Stockholm werden kleine Sterblichkeitsziffern gemeldet. Bei der bis gegen Ende der Woche vorherrschenden milden Witterung, die erst in den letzten Tagen der Woche bei Umgang des Windes nach Nordost erheblich unter die normale sank, war im Allgemeinen eine Abnahme der Sterbefälle an akuten entzündlichen Prozessen der Athmungsorgane ersichtlich, wie in Aachen, Dresden, Elberfeld, München, Nürnberg, Straß⸗ burg; während in Berlin, Breslau, Leipzig, Düsseldorf, Frankfurt a. M., Hamburg u. a. eine geringe Steigerung der Sterbefälle statt⸗ fand. — Darmkatarrhe der Kinder und Brechdurchfälle treten gleich⸗ falls etwas seltener zu Tage, besonders in Berlin, Breslau, München, Wien, Warschau, während sie in Danzig, Dresden, Hamburg, Köln, Nürnberg, St. Petersburg etwas mehr Sterbefälle hervorriefen. — Die Theilnahme des Säuglingsalters an der Sterblichkeit blieb im Allgemeinen die gleiche; von 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, in Berlin 71, in München 108 Säuglinge. — Von den Infektionskrankheiten zeigten Masern, Scharlach, Kindbettfieber und Pocken eine geringe Steigerung, Diphtherie, Unterleibstyphen und Keuchhusten eine Verminderung der Sterbefälle. Masern haben in Berlin, Charlottenburg, Hamburg, Nürnberg, Prag, Paris, Edinburg größere Ausdehnung gewonnen, während sie in Pest, Wien, London, Rom, St Petersburg weniger Todesfälle veranlaßten. Auch im Regierungsbezirk Düsseldorf nahmen Masern zu, im Regie⸗ rungsbezirk Königsberg ab. — Das Scharlachfieber hat in Berlin, Pest, Paris, St. Petersburg weniger, in Elberfeld, Wien mehr Todesfälle veranlaßt. — Die Sterblichkeit an Diphtherie und Croup war im Allgemeinen eine geringere; so war namentlich in Berlin, Charlottenburg, Nürnberg, Kassel, Paris, Pest, Wien u a. die Zahl der Opfer eine kleinere, während in Chemnitz, Dresden, Hamburg, Christiania, London u. a. die Zahl derselben eine größere wurde. Im Regierungsbezirk Schleswig ist die Zahl der gemeldeten Neuerkrankungen gleichfalls eine kleinere geworden. — Unterleibstyphen wurden im Allgemeinen seltener Todes⸗ veranlassung. In Berlin, Hamburg, Prag, London, Turin blieb die Zahl der Sterbefälle fast die gleiche, in St. Petersburg nahm sie ab, in Paris und Warschau wurde sie eine größere. — Dagegen zeigte sich der Flecktyphus häufiger, namentlich in Pest, von wo 11 Sterbefälle und 18 Erkrankungen gemeldet wurden. Aus Amsterdam, Prag, Krakau, Odessa kamen einzelne Todesfälle, aus den Regierungs⸗ bezirken Düsseldorf und Marienwerder 2 bezw. 3, aus Edinburg 1 Erkrankungsfall zur Anzeige. Rückfallsfieber kamen nur aus St. Peters⸗ burg (3 Todes⸗ und 29 Erkrankungsfälle) zur Berichterstattung. Auch Todesfälle und Erkrankungen an epidemischer Genickstarre wurden mehrfach gemeldet, und zwar aus Berlin, Nürnberg, Chemnitz, Regierungs⸗ bezirk Duͤsseldorf und Kopenhagen. Rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut traten in Berlin, Paris, London, St. Peters⸗ burg, Kopenhagen, nicht selten mit tödtlichen Ausgängen, häufiger zu Tage. Erkrankungen und Todesfälle an Kindbettfieber waren in Berlin gesteigert. Der Keuchhusten raffte in Paris, London, Glasgow mehr, in Berlin, Dublin, Liverpool weniger Kinder weg, auch in Hamburg und Nürnberg haben Erkrankungen abgenommen. — Pocken zeigten sich meist in beschränkter Ausdehnung. Aus Leipzig, Brüssel, Liverpool kamen einzelne, aus Zürich, Prag, Wien, Rom mehrfache, aus Paris 8, aus Pest 16 Todesfälle zur Mittheilung. Erkrankungen an Pocken werden aus den Regierungsbezirken Stettin, Königsberg, Marienwerder je 1, aus Berlin und Edinburg je 3, aus St. Petersburg 4, aus London 5, aus Wien und Pest in größerer Zahl berichtet. — Die Cholera in Italien hat sich von Brindisi aus nach Ostuni und Latiano verbreitet. Doch trat sie in den genannten
Orten in sehr milder Form auf. (In Brindisi 1. bis 7. Mai 9 Erkrankungen und 6 Todesfälle.) Aus Venedig werden aus der Berichtswoche 19 Todesfälle mitgetheilt; doch nahm die Zahl der Erkrankungen am 6. und 7. Mai zu. Auch in Vicenza und Oria sind mehrfache Erkrankungen an Cholera vorgekommen.
Kunst, Wissenschaft und Literatur. Civilprozeßrechtliche Erörterungen im Anschluß
an die Schriften des Professors von Bülow, von Nessel, Geheimem Ober⸗Justiz⸗Rath und Senats⸗ Präsidenten. Berlin, 1886. Verlag von Franz Vahlen. — Diese „Erörterungen“, welche aus Gruchots Beiträgen XXX besonders abgedruckt sind, zerfallen in 7 Abhandlungen. In der 1., „Die Prozeßeinreden des gemeinen Civil⸗ prozesses und die Probeßvoraussetzungen“, sucht der Verfasser von dem Standpunkte des praktischen Prozessualisten aus zur Verwerthung der Resultate von Bülows Schrift „Die Lehre von den Prozeß⸗ einreden und die Prozeßvoraussetzungen“ (1868) für das praktische Rechtsleben in weiterer Ausführung seiner Grundgedanken beizutragen. Der 2. Aufsatz handelt von den Bestimmungen der R. C. P. O. üͤber Prozeßvoraussetzungen und prozeßhindernde Einreden. In
weise wieder, ebenso wie in der 4. Abhandlung Bülows Schrift über dispositives Prozeßrecht und die verbindliche Kraft der Rechtsordnung.
Die 5. Abhandlung betrifft die absoluten und die parteidispositiven Vorschriften der C. P. O. im Allgemeinen und die Gliederung der letzteren. Die 6. enthält eine spezielle Darstellung der absoluten Vor⸗ schriften der R. C. P. O. und der nach §. 267 a. a. O. durch Ver⸗ zicht im Verletzungsfalle heilbaren. n diese lange Abhandlung schließen sich endlich noch „Schlußbemerkungen“ des Verfassers über das dispositive Prozeßrecht der Parteien an, die sich nicht auf das Rügerecht beschränke, sondern auch ein weites Gebiet freier Verein⸗ barung der Parteien umfasse und vor Allem in der freien Befugniß der Parteien sich äußere, ihr materielles Recht im Wege des Angriffs oder der Abwehr nach eigenem Ermessen im Laufe der Instanzen geltend zu machen, zu vertreten oder außer Acht zu lassen. 8
— Slavische Geschichtsquellen zur Streitfrage über das Jus primae noctis. Von Dr. Karl Schmidt, Ober⸗ Landesgerichts⸗Rath zu Kolmar i. E. Sonderabdruck aus der ‚Zeit⸗ schrift der Historischen Gesellschaft für die Provinz Posen“ (Erster Jahrgang, Heft 3 u. 4). Posen, Verlag von Joseph Jolowicz 1886. (34 S.) Preis: 1 ℳ%ℳ 20 ₰. — Der Verfasser der vorliegenden Ab⸗ handlung hat bereits früher in 2 Abhandlungen (Jus primae noctis, eine geschichtliche Untersuchung, Freiburg i. B. 1881; Der Streit über das jus primae noctis, in der Zeitschrift für Ethnologie, Bd. 16, 1884, S. 18 — 59) die geschichtlichen Nachrichten über das genannte jus kritisch geprüft und auf Grund dieser Untersuchung die Meinung, daß im christlichen Mittelalter in den meisten oder in allen euro⸗ päischen Ländern das jus primae noctis geherrscht habe, als einen „gelehrten Aberglauben“ bezeichnet; doch hatte er bei seinen Unter⸗ suchungen die slavischen Geschichtsquellen nicht berücksichtigt. Dies ist jetzt in der vorliegenden Arbeit Seitens des Verfassers geschehen, welche somit eine Ergänzung seiner früberen Abhandlungen bildet. Er theilt hier zunächst die entsprechenden Nachrichten aus Rußland, die sich auf das 10. Jahrhundert beziehen (insbesondere eine Verordnung der russischen Reichsverweserin Olga vom Jahr 964, bei Nestor) und sodann die polnischen Nachrichten, die das 13. Jahrhundert betreffen (namentlich des polnischen Geschichtsschreibers Dlugosz Angabe über ein Gesetz des Herzogs Heinrich J. von Breslau über das virginale) mit, be⸗ spricht dieselben eingehend, unter Anführung vieler Stellen aus Urkunden und der Ansichten der verschiedenen Gelehrten, und gelau in Folge dieser seiner kritischen Untersuchung zu dem Ergebnig, daß sich, seiner Meinung nach, der Glaube an ein slavisches jus primae noctis im 18. und 19. Jahrhundert wohl aus irrthümlichen Voraus⸗ setzungen entwickelt habe. Uebrigens beschäftigt die berühmte Streit⸗ frage über das „jns primae noctis“ oder „droit du seigneur“ des Mittelalters noch heute die Gelehrten und ist noch immer nicht zu einem allgemein anerkannten Endergebniß gelangt. Die meisten Ge⸗ lehrten haben zwar allerdings gegen das Endergebniß der Schmidtschen Untersuchung über das genannte jus keinen Widerspruch erhoben, andere sich sogar von der Unhaltbarkeit jener früheren Lehre von dem jus primae noctis überzeugt, viele zur Entscheidung an erster Stelle berufene Geschichtsforscher aber zu dieser Frage noch keine Stellung genommen, während einige andere angesehene Gelehrte sogar jene Lehre noch heute vertreten. G
Die Abschiedspredigt, welche der Prediger Dr. Reinz⸗ hold Hoffmann am 28. März d. J. in der hiesigen Dankes⸗ kirche gehalten hat (Unser Ruhm: Jesus der Gekreuzigte), ist im Druck erschienen (Friedr. Schulze's Verlag, Berlin, Wilhelmstr. 1 a, Preis 30 ₰).
— Frankreich in Wort und Bild. Seine Geschichte, Geographie, Verwaltung, Handel, Industrie, Produktion, geschildert von Friedrich von Hellwald. Mit 455 Illustrationen. In 50 Heften zu je 75 ₰. Leipzig, Schmidt & Günther. 31.—33. Heft. — Diese Hefte bringen die Beschreibung des Herzogthums Anjou und der Grafschaft Maine sowie die höchst interessante Schilderung der Bretagne. Die zahlreichen Illustrationen der Hefte, welche viele merkwürdige Baulichkeiten darstellen, erhöhen das Fesselnde des Textes. — Die neueste Nummer von „Mode und Haus', praktische illustrirte Frauenzeitung (Abonnementspreis 1 ℳ pro Quartal), ist textuell und illustrativ interessant. Aus den vielfachen Modeneuheiten und Handarbeitenabbildungen spricht einfache Eleganz und Geschmack. Der beigegebene Schnittmusterbogen ist durch übersichtliches Arrangement beachtenswerth. Von dem Inhalt der illustrirten Belletristischen Bei⸗ lage sei erwähnt: Selbstbiographie von Marie Barkany (mit Porträt und Faecsimile der Künstlerin); Verhängnißvolle Wette (eine dem rus⸗ sischen Hofleben entnommene Erzählung von Margarethe von Bülow); Bei L. P. (Studien aus einem Berliner Künstlerleben von Dr. Albert Stern); Kein Kind im Hause (Skizze von Marie Widdern); Kunst und Literatur (Kritisches von Dr. Russak). Im Haustheil von „Mode und Haus“ bilden kurze, dem Familienleben angepaßte Feuilletons mit praktischen Mittheilungen aus dem Erziehungs⸗ und Hauswesen ein buntes und interessantes Durcheinander. Räthsel, Gedichte, Anek⸗ doten ꝛc. erhöhen den Reiz des Familienblatts.
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Washington, 10. Mai. (W. T. B.) Der Bericht des land⸗ wirthschaftlichen Bureaus pro Mai konstatirt eine im Laufe des Monats April eingetretene Besserung im Stande des Weizens, welcher im Durchschnitt 95 beträgt. Das Wetter ist günstig und die Saat weiter als gewöhnlich entwickelt. Der Durchschnittsstand beträgt für Roggen 96, für Gerste 97. Die Baumwollpflan⸗
“
zungen sind infolge kalter Regengüsse an der Küste des atlantischen Ozeans und in Folge von Ueberschwemmungen an der Küste des Golss von Mexiko etwas zurückgeblieben.
Gewerbe und Handel
„Russische Regierungs⸗Anzeiger“ veröffentlicht ein bestätigtes Reichsrathsgutachten vom 12./24. v. M., betreffend die Ermäßi⸗ gung des russischen Einfuhrzolles auf Zucker. Danach ist in Abänderung des Art. 73 des allgemeinen russischen Zolltarifs für den europäischen Handel der Zoll auf Zucker, ““ den zu Wasser als den zu Lande importirten, wie folgt, festgesetzt worden:
1) Rohzucker und jeglicher gestoßener oder gemahlener, ohne Bei⸗ mengung von Stücken, importirt: vom Pud in Gold, in die Häfen des Schwarzen und Asowschen Meeres. . 1 Rubel 90 Kop. in die übrigen Häfen und über die Landesgrenze . . 2 „ — „
2) Raffinade, Melis, Lump⸗ und Kandiszucker in Hüten und Stücken importirt:
in die Häfen des Schwarzen und Asowschen 8 1162627272 in die übrigen Häfen und über die Landesgrenze .2 „ 90 „
Dem Finanz⸗Minister ist gleichzeitig anheimgegeben worden, in Fällen, wenn der Preis des Rohzuckers in St. Petersburg zwischen 6 Rubel und 6 Rubel 60 Kopeken, in Odessa und Kiew zwischen 5 Rubel 50 Kopeken und 6 Rubel pro Pud schwankt, im Minister⸗ Comité eine Vorlage über zeitweilige Ermäßigung des Einfuhrzolles auf Rohzucker bis auf 1 Rubel 50 Kopeken Gold pro Pud einzu⸗ bringen, mit der Maßgabe, daß die Ermäßigung des Zolles erst nach Verlauf von zwei Monaten von der Promulgirung der darüber ge⸗ troffenen Bestimmung in Kraft zu treten habe.
— Die Berg⸗, Hütten⸗und Salzwerke despreußischen Staates im Etatsjahre 1884/85. (Berl. Z. C.) — Nach dem Berichte des Ministers über die Verwaltung der preußischen fiskalischen Berg⸗, Hütten⸗ und Salzwerke an das Abgeordnetenhaus litten diese Werke des Staates im Etatsjahre 1884/85 zwar auch unter den all⸗ gemein ungünstigen Verhältnissen der Montan⸗Industrie, aber doch nicht in dem Maße, wie die Privatwerke, weil ihnen die Konzentration des Betriebes auf eine geringe Zahl von Anlagen und die dadurch er⸗ möglichte vortheilhafteste Verwendung der Arbeiterkräfte und volle Ausnutzung der Anlagen selbst meistentheils zu Gute kam. Die Un⸗ gunst der Zeiten traf im Uebrigen unter den Staatswerken am meisten wieder den Erzbergbau und den damit zusammenhängenden Hütten⸗
Von den Werken des Staats standen überhaupt im Betriebe: ) Bergwerke: 1884/85 1883/84 1882/8 Steinkohlenbergwerke 18 18 Braunkohlenbergwerke ö61“ Eisenerzbergwerke ... Zink⸗, Blei⸗, Kupfer⸗ 6“*“ Mineralsalzbergwerke
und Silbererr
Zusammen 2) Hüttenwerke: Eisenhütten . vʒ““ Blei⸗, Silber⸗ und sonstige Hüttenwerke
Zusammen 3) Salinen 11““ 4) Steingewinnungen . . . . .. 10
Im Ganzen 75 79
Im Vergleich zum Vorjahre hat sich 1884/85 die Zahl der be⸗ triebenen fiskalischen Werke um ein Eisenerzbergwerk und zwei Phos⸗ phoritgewinnungspunkte vermindert. Der Betrieb der staatlichen Werke verlief im Jahre 1884/85 im Ganzen regelmäßig, nur die Grubenabtheilung Camphausen des Steinkohlenwerks Dudweiler wurde in der Nacht vom 17. zum 18. Mͤrz von der bekannten verheerenden Explosion schlagender Wetter heimgesucht, welche nicht nur für mehrere Monate zur Einstellung der Kohlenförderung zwang, sondern auch von der 228 Mann starken Belegschaft 181 tödtete und 28 Mann für längere Zeit arbeitsunfähig machte. .“ Bergwerksbetrieb lieferte im Etatsjahre 1884/85, wie bisher, sowohl der Menge, als dem Werthe nach, den bei Weitem erheblichsten Theil der fiskalischen Produktion. Auf den betreffenden Steinkohlen⸗, Braunkohlen⸗, Erz⸗ und Salzbergwerken wurden im Ganzen ge⸗ wonnen: im Jahre 1884/85: 10 392 019 t zum Werthe von 72 926 163 ℳ bei 45 146 Arbeitern, gegen 1883/84: 10 299 095 t zum Werthe von 74 265 247 ℳ bei 43 996 Arbeitern. Die Fördermenge ist demnach gegen das Vorjahr um 92 924 t oder 0,9 % und die Arbeiterzahl um 1150 oder 2,61 ge⸗ stiegen, dagegen der Werth der Förderung um 1 339 084 ℳ oder 1,83 % gefallen. Die geringe Produktionssteigerung rührte haupt⸗ sächlich von den Steinkohlenbergwerken her, welche im Etatsjahre 1884/85 208 518 t im Werthe von 751 203 ℳ mehr als im Vor⸗ jahre förderten. 8 Entsprechend dem verminderten Werthe der meisten Bergwerks⸗ produkte zeigt der Ertrag der Bergwerksabgaben im Etatsjahre 1884/85 gegenüber dem Vorjahre seit langer Zeit wieder eine Abnahme um 12 420 ℳ oder 0,3 %; an Bergwerksabgaben sind in den letzten Jahren nämlich aufgekommen: 8 im Etatsjahre 1884/85:
1883/84:
1882/83:
1881/82:
1880/81:
1879/80:
1878/79: 2 952 1
1877/78: 8 Der niedrigste Ertrag ist seit 8 Jahren also im Etatsjahr 1879/80 aufgekommen, ihn übertraf der bisher höchste im Jahre 1883/84 um 44,4 % und derjenige des Jahres 1884/85 um 44,0 %. Den größten Ertrag liefern die Bergwerksabgaben im Ober⸗Bergamtsbezirk Dort⸗ mund; dieselben betrugen im Etatsjahr 1884/85 hier 2 328 714 ℳ oder 55,45 % aller Bergwerksabgaben Preußens; nach ihm folgt der Bezirk Breslau mit 21,81 %, dann Halle mit 14,63 %, Bonn mit 7,07 % und an letzter Stelle Klausthal mit 1,04 %.
Der Cours für die hier zahlbaren Oesterreichischen Silbercoupons ist auf 161,50 ℳ für 100 Fl. österr. Silber herabgesetzt worden.
Die Lebens⸗, Pensions⸗ und Leibrenten⸗Ver⸗ sicherungs⸗Gesellschaft „Iduna“ in Halle a. S., deren ordentliche Generalversammlung am 8. Mai d. J. stattfand, hat nach dem einunddreißigsten Geschäftsbericht im Jahre 1885 wieder er⸗ freuliche Fortschritte gemacht. Das Resultat des Rechnungsabschlusses ist ein Ueberschuß von 363 903 ℳ, um welchen die Aktiva im Be⸗ trage von 16 065 120 ℳ die Passiva überstiegen. — Ferner entnehmen wir dem Jahresbericht, daß im vergangenen Jahre 4029 Anträge auf 13 851 920 ℳ zu erledigen waren. Es wurden 1 2842 Versicherungen auf 9 356 120 ℳ Kapital und 30 Renten⸗ versicherungen auf 12 237 ℳ jährliche Rente neu abgeschlossen. Am Schlusse des Jahres 1885 waren 53 482 Versicherungen über 72 431 990 ℳ Kapital und 72 955 ℳ jährliche Rente in Kraft. — Die Sterbefälle unter den auf den Todesfall abgeschlossenen Lebens⸗ versicherungen betrafen 1335 Personen, welche mit 1 162 388 ℳ ver⸗ sichert waren. Die Prämieneinnahme aus den Geschäftszweigen der Kapitalversicherungen auf den Todesfall und auf den Lebensfall stieg um 245 753 ℳ und die gesammte Prämien⸗Einnahme erreichte den Betrag von 2 741 792 ℳ, die Zinseneinnahme den von 646 854 ℳ, die Prämienreserve erhöhte sich um 1 107 403 ℳ und betrug am Jahresschlusse 13 499 87 ℳ — Der Betrag der in Hypotheken angelegten Kapitalien stieg um 822 976 ℳ und erreichte am Jahresschlusse die Gesammtsumme von 11 573 283 ℳ — Zur Vertheilung an die dividendenberechtigten Versicherten waren am Schlusse des Jahres 1 533 725 ℳ aus den Ueberschüssen der Vor⸗ jahre vorhanden. Die Dividende auf die dem Jahre 1882 angehörenden Prämien wird im Jahre 1887 wieder vierundzwanzig Prozent der Jahresprämien betragen. — Für die Dividendenvertheilung B, bei wel⸗ cher die betheiligten Mitglieder die Dividenden nach Verhältniß der Anzahl der sämmtlichen von ihnen gezahlten Jahresprämien vergütet erhalten, ist npro 1887 wieder der maßgebende Einheitssatz von drei Prozent jeder Jahresprämie festgesetzt worden. (S. Ins.V)
— Ueber den in der Generalversammlung der Lebensversiche⸗ rungs⸗Gesellschaft zu Leipzig, wie bereits kurz gemeldet, gefaßten Beschluß über die Ausstellung „unanfechtbarer“ Policen läßt uns die Verwaltung folgendes erläuternde Referat zugehen: Die Lebensver⸗ sicherungsgesellschaft zu Leipzig, auf Gegenseitigkeit gegründet 1830, hat sich entschlossen, ihre Policen unanfechtbar zu machen Die Ge⸗ sellschaft stellt sich auf den Standpunkt, daß, wer sich versichert, die Gewißheit haben will und haben muß, daß er den mit der Versicherung beabsichtigten Zweck wirklich erreicht, auf welche Weise er auch aus dem Leben scheiden möge. Hiervon ausgehend, muß sie mit der Versicherung auch die Gefahr übernehmen, daß durch später eintretende ungünstige Veränderungen in den Lebensverhältnissen ihrer Mitglieder oder aus irgend welchem anderen beim Abschluß der Versicherung nicht vorher⸗ zusehenden Grunde das Leben des Versicherten verkürzt oder dessen Gesundheit beeinträchtigt werde In Folge der von der ordentlichen Generalversammlung der Gesellschaft am 8. Mai 1886 auf gemein⸗ samen Antrag des Verwaltungsraths und des Direktoriums gefaßten Beschlüsse verzichtet nunmehr die Gesellschaft, sobald vom Tage der Ausstellung des Versicherungsscheines mehr als 5 Jahre verflossen sind, auf allen und jeden Einwand gegen die Gültigkeit der Ver⸗ sicherung, soweit es sich um unrichtige Angaben in den Antragspapieren handelt, und verpflichtet sich zur Zahlung der vollen Versicherungs⸗ summe, wenn nach Ablauf dieser 5 Jahre der Tod des Versicherten durch eigenes Verschulden oder durch Selbsttödtung oder Duell her⸗ beigeführt wird. Die Bestimmung, wonach die Versicherung erlischt, wenn der Versicherte in einen ausschweifenden Lebenswandel, ins⸗ besondere in Trunksucht, verfällt, oder zu einer längeren Freiheitsstrafe rechtskräftig verurtheilt wird, ist aus dem Statut der Lebensversiche⸗ rungs⸗Gesellschaft zu Leipzig gestrichen und die Berufswahl nach Ab⸗ lauf der 5 ersten Versicherungsjahre gänzlich freigegeben, auch die höchst wichtige Frage der Reisen in überseeische Länder und der Theil⸗ nahme an Kriegsereignissen in liberalster Weise geregelt worden. Da diese wichtigen Statutenveränderungen auch auf die bestehenden Ver⸗
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der 3. Abhandlung giebt der Verfasser Bülows Schrift „Civilprozessualische Fiktionen und Wahrheiten“ (1879) auszugs⸗
betrieb, außerdem namentlich den Braunkohlenbergbau im Regierungs⸗ bezirk Kassel. 161“
sicherungen ohne Weiteres Anwendung erleiden, so werden dieselben