Meberwachung der Betriebe.
. 90.
Die Genossenschaften sind befugt, durch Beauftragte die Be⸗ folgung der zur Verhütung von Unfällen erlassenen Vorschriften zu überwachen, von den Einrichtungen der Betriebe, soweit sie für die Zugehörigkeit zur Genossenschaft oder für die Einschätzung in den Gefahrentarif von Bedeutung sind, Kenntniß zu nehmen und behufs Prüfung der von den Betriebsunternehmern auf Grund gesetzlicher oder statutarischer Bestimmungen eingereichten Arbeiter⸗ und Lohn⸗ nachweisungen diejenigen Geschaftsbücher und Listen einzusehen, aus welchen die Zahl der beschäftigten Arbeiter und Beamten und die Beträge der verdienten Löhne und Gehälter ersichtlich werden.
Die Betriebsunternehmer sind verpflichtet, den als solchen legiti⸗ mirten Beauftragten der betheiligten Genossenschaft auf . den Zutritt zu ihren Betriebsstätten während der Betriebszeit zu gestatten und die bezeichneten Bücher und Listen an Ort und Stelle zur Einsicht vorzulegen. Sie können hierzu, vorbehaltlich der Bestimmungen des
. 91, auf Antrag der Beauftragten von der unteren Verwaltungs⸗ ehörde durch Geldstrafen im Betrage bis zu dreihundert Mark an⸗ gehalten werden.
§. 91.
Befürchtet der Betriebsunternehmer die Verletzung eines Be⸗ triebsgeheimnisses oder die Schädigung seiner Geschäftsinteressen in Felg⸗. der Besichtigung des Betriebes durch den Beauftragten der
enossenschaft, so kann derselbe die Besichtigung durch andere Sach⸗ verständige beanspruchen. In diesem Falle hat er dem Genossen⸗ schaftsvorstande, sobald er den Namen des Beauftragten erfährt, eine entsprechende Mittheilung zu machen und einige geeignete Personen zu bezeichnen, welche auf seine Kosten die erforderliche Einsicht in den Betrieb zu nehmen und dem Vorstande die für die Zwecke der Ge⸗ e nothwendige Auskunft über die Betriebseinrichtungen zu ge en bereit sind. In Ermangelung einer Verständigung zwischen dem Betriebsunternehmer und dem Vorstande entscheidet auf Anrufen des letzteren das Reichs⸗Versicherungsamt.
§. 92.
Die Mitglieder der Vorstände der Genossenschaften, sowie deren Beauftragte (§§. 90 und 91) und die nach §. 91 ernannten Sach⸗ verständigen haben über die Thatsachen, welche durch die Ueberwachung und Kontrole der Betriebe zu ihrer Kenntniß kommen, Verschwiegenheit zu beobachten und sich der Nachahmung der von den Betriebsunter⸗ nehmern geheim gehaltenen, zu ihrer Kenntniß gelangten Betriebs⸗ einrichtungen und Betriebsweisen, solange als diese Betriebsgeheimnisse sind, zu enthalten. Die Beauftragten der Genossenschaften und Sach⸗ verständigen sind hierauf von der unteren Verwaltungsbehörde ihres Wohnortes zu beeidigen. 8
.93.
MNamen und Wohnsitz der Beauftragten sind von dem Genossen⸗ schaftsvorstande den höheren Verwaltungsbehörden, auf deren Bezirke
sich ihre Thätigkeit erstreckt, anzuzeigen.
Die Beauftragten sind verpflichtet, den nach Maßgabe des §. 139 b der Gewerbeordnung bestellten staatlichen Aufsichtsbeamten auf Erfordern über ihre Ueberwachungsthätigkeit und deren Ergebnisse Mittheilung zu machen, und können dazu von dem Reichs⸗ Versicherungsamt durch Geldstrafen bis zu einhundert Mark an⸗ gehalten werden.
§. 94
Ddie durch die Ueberwachung und Kontrole der Betriebe ent⸗ stehenden Kosten gehören zu den Verwaltungskosten der Genossenschaft. Soweit dieselben in baaren Auslagen bestehen, können sie durch den Vorstand der Genossenschaft dem Betriebsunternehmer auferlegt werden, wenn derselbe durch Nichterfüllung der ihm obliegenden Ver⸗ pflichtungen zu ihrer Aufwendung Anlaß gegeben hat. Gegen die Auferlegung der Kosten findet binnen zwei Wochen nach Zustellung es Beschlusses die Beschwerde an das Reichs⸗Versicherungsamt statt. Die Beitreibung derselben erfolgt in derselben Weise, wie die der Gemeindeabgaben.
VIII. Aufsichtsführung. Reichs⸗Versicherungsamt. “ §. 95. Die Genossenschaften unterliegen in Bezug auf die Befolgung dieses Gesetzes der Beaufsichtigung des Reichs⸗Versicherungsamts (§. 87 des Unfallversicherungsgesetzes).
Dem Reichs⸗Versicherungsamt treten vier nichtständige Mit⸗ glieder hinzu, von welchen zwei von den Genossenschaftsvorständen aus ihrer Mitte gewählt und zwei als Vertreter der Arbeiter durch den Bundesrath aus den im §. 49 Absatz 2 bezeichneten Personen berufen werden. 1
Diese nichtständigen Mitglieder sind zu denjenigen Verhandlungen
des Reichs⸗Versicherungsamts, bei denen es sich um Angelegenheiten der dem gegenwärtigen Gesetz unterliegenden Genossenschaften handelt, statt der nach §. 87 des Unfallversicherungsgesetzes von den Genossen⸗ schaftsvorständen und den Vertretern der Arbeiter gewählten nicht⸗ ständigen Mitglieder, und wenn es sich um allgemeine Angelegenheiten handelt, neben diesen Mitgliedern zuzuziehen. Die Wahl durch die Genossenschaftsvorstände erfolgt mittelst schriftlicher Abstimmung unter Leitung des Reichs⸗Versicherungsamts nach relativer Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos. Das Stimmenverhältniß der einzelnen Wahlkörper bestimmt der Bundesrath unter Berücksichtigung der Zahl der versicherten “ 6
Die Amtsdauer der nichtständigen Mitglieder währt vie 3 Für jedes nichtständige Mitglied sind ein erster und Uwelie, Trbcf vertreter zu bestellen, welche daffelbe in Behinderungsfällen zu ver⸗ treten haben. Scheidet ein solches Mitglied während seiner Amts⸗ dauer aus, so haben für den Rest derselben die Stellvertreter nach ibrer Reihenfolge als Mitglieder einzutreten 18 8 116““
Suständigkeit.
§. 96. Die Aufsicht des Reichs⸗Versicherungsamts über den Geschäfts⸗ betrieb der Uensssenschaften hat sich auf die Beobachtung b. lichen und statutarischen Vorschriften zu erstrecken. Alle Entscheidungen desselben sind endgültig, soweit in diesem Gesetze nicht ein Anderes bestimmt ist.
Das Reichs⸗Versicherungsamt ist befugt, jederzeit eine Prüfung der Geschäftsführung der Genossenschaften vorzunehmen. Die Vorstandsmitglieder, Vertrauensmänner und Beamten der Genossenschaften sind auf Erfordern des Reichs⸗Versicherungsamts zur Vorlegung ihrer Bücher, Beläge und ihrer auf den Inhalt der Bücher bezüglichen Correspondenzen, sowie der auf die Festsetzungen der Ent⸗ schädigungen und Jahresbeiträge bezüglichen Schriftstcke an die Be⸗ auftragten des Reichs⸗Versicherungsamt oder an das letztere selbst ver⸗ verpflichtet. Dieselben können hierzu durch Geldstrafen bis zu ein⸗ tausend Mark abgehalten werden.
Das Reichs⸗Versicherungsamt entscheidet, unbeschadet der Rechte Dritter, über Streitigkeiten, welche sich auf die Rechte und Pflichten der Inhaber der Genossenschaftsämter, auf die Auslegung der Statuten und die Gültigkeit der vollzogenen Wahlen beziehen. Dasselbe kann die Inhaber der Genossenschaftsämter zur Befolgung der gesetzlichen und “ orschriften durch Geldstrafen bis zu eintaufend Mark anhalten. 8 “
Geschäftsgang. §. 98
Die Beschlußfassung des Reichs⸗Versicherungsamts ist durch die Anwesenheit von mindestens fünf Mitgliedern (einschließlich des Vorsitzenden), unter denen sich je ein Vertreter der Genossenschafts⸗ e und der Arbeiter befinden müssen, bedingt, wenn es sich
ande
a. um die Vorbereitung der Beschlußfassung des Bundesraths bei der Genehmigung von Veränderungen des Bestandes der Genossen⸗ - aften (§. 42), bei der Auflösung einer leistungsunfähigen Genossen⸗
haft (§. 14), bei der Bildung von Schiedsgerichten (§. 50)0;
b. um die Entscheidung vermögensrechtlicher Streitigkeiten bei Veränderungen des Bestandes der Genossenschaften (§. 43)
c. um die 4 auf Rekurse gegen die Entscheidungen der Schiedsgerichte (§. 68); 8
d. um die Genehmigung von Vorschriften zur Verhütung von Unfällen (§. 87); ““
e. um die Entscheidung auf Beschwerden gegen Strafverfügungen der Genossenschaftsvorstände (§. 126). 8 85 4 8
So lange die Vertreter der Genossenschaftsvorstände nicht gewählt und Vertreter der Arbeiter nicht berufen sind, genügt die Anwesenheit von fünf anderen Mitgliedern seinschließlich des Vorsitzenden).
In den Fällen zu b und c erfolgt die Beschlußfassung unter Zu⸗ ziehung von zwei richterlichen Veamten. 8 1
Im Uebrigen werden die Formen des Verfahrens und der Ge⸗ schäftsgang des Reichs⸗Versicherungsamts durch Kaiserliche Ver⸗ ordnung unter Zustimmung des Bundesraths geregelt.
8 8 Kosten.
Die Kosten des Reichs⸗Versicherungsamts und seiner Verwaltung trägt das Reich. 11“
Die nichtständigen Mitglieder erhalten für die Theilnahme an den Arbeiten und Sitzungen des Reichs⸗Versicherungsamts eine nach dem Jahresbetrage festzusetzende Vergütung, und diejenigen, welche außerhalb Berlin wohnen, außerdem Ersatz der Kosten der Hin⸗ und Rückreise nach den für die vortragenden Räthe der obersten Reichs⸗ behörden geltenden Sätzen (Verordnung vom 21. Juni 1875, Reichs⸗ Gesetzbl. S. 249). Die Bestimmungen im §. 16 des Gesetzes, be⸗ treffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten, vom 31. März 1873 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 61) finden auf sie keine Anwendung.
Landes⸗Versicherungsämter.
Werden in den einzelnen Bundesstaaten für das Gebiet und auf Kosten derselben von den Landesregierungen Landes⸗Versicherungsämter errichtet (§§. 92, 93 des Unfallversicherungsgesetzes), so finden hin⸗ sichtlich der Zusammensetzung derselben die Bestimmungen des §. 95 mit folgenden Maßgaben Anwendung: “ 8
1) An der Wahl der aus der Mitte der Genossenschaftsvorstände zu wählenden nichtständigen Mitglieder nehmen nur die Vorstände derjenigen Genossenschaften theil, welche Betriebe, deren Sitz im Ge⸗ biet eines anderen Bundesstaates belegen ist, nicht umfassen. Die Wahl erfolgt unter Leitung des Landes⸗Versicherungsamts. Das Stimmenverhältniß der einzelnen Wahlkörper wird unter Berück⸗ sichtigung der Zahl der in den betreffenden Genossenschaften versicherten Personen von der Landesregierung bestimmt. So lange eine Wahl nicht zu Stande gekommen ist, werden Vertreter der Betriebsunter⸗ nehmer von der Landes⸗Centralbehörde ernannt.
2) Die Berufung der Vertreter der Arbeiter erfolgt durch die Landes⸗Centralbehörde.
Die den nichtständigen Mitgliedern zu gewährende Vergütung wird durch die Landesregierung geregelt.
§. 101.
Der Beaufsichtigung des Landes⸗Versicherungsamts unterstehen diejenigen Berufsgenossenschaften, welche nur solche Betriebe umfassen, deren Sitz im Gebiet des betreffenden Bundesstaates belegen ist. In den Angelegenheiten dieser Berufsgenossenschaften gehen die in den §§. 14, 24, 32, 34, 35, 38, 39, 41, 43, 46, 48, 64, 67, 68, 82, 84, 87, 88, 91, 93, 94, 96, 97, 107, 126 dem Reichs⸗Versicherungsamt übertragenen Zuständigkeiten auf das Landes⸗Versicherungsamt über.
Soweit jedoch in den Fällen der §§. 38, 41, 43, 46, 48, 64, 67, 68 eine der Aufsicht eines anderen Landes⸗Versicherungsamts oder des Reichs⸗Versicherungsamts uuterstellte Berufsgenossenschaft mitbetheiligt ist, entscheidet das Reichs⸗Versicherungsamt.
Unter den gleichen Voraussetzungen ist das Reichs⸗Versicherungsamt zuständig für Entscheidungen auf Grund der §§. 30, 32, 37, 38, 62 63 des Unfallversicherungsgesetzes. “
Das Landes⸗Versicherungsamt hat in derartigen Fällen (Abs. 2 und 3) die Akten an das Reichs⸗Versicherungsamt zur Entscheidung abzugeben.
Treten für eine der im Absatz 1 genannten, der Aufsicht eines Landes⸗Versicherungsamts unterstellten Berufsgenossenschaften die Voraussetzungen des §. 14 ein, so gehen die Rechtsansprüche und Ver⸗ pflichtungen auf den betreffenden Bundesstaat über.
Die Beschlußfassung des Landes⸗Versicherungsamts in den im §. 98 unter b bis e bezeichneten Angelegenheiten ist durch die An⸗ wesenheit von drei ständigen und zwei nichtständigen Mitgliedern be⸗ dingt, zu welchen in den Fällen zu b und c außerdem zwei richterliche Beamte zuzuziehen sind.
IX. Reichs⸗ und Staatsbetriebe
Reichs⸗ und Staatsbetriebe. Für Betriebe, welche für Rechnung des Reichs oder eines Bundes⸗ staates verwaltet werden, tritt bei Anwendung dieses Gesetzes an die Stelle der Berufsgenossenschaft das Reich beziehungsweise der Staat Die Befugnisse und Obliegenheiten der Genossenschaftsversammlung und des Genossenschaftsvorstandes werden durch Ausführungsbehörden wahrgenommen, welche für die Heeresverwaltungen von der obersten Militär⸗Verwaltungsbehörde des Kontingents, im Uebrigen für die Reichsverwaltungen vom Reichskanzler, für die Landesverwaltungen von der Landes⸗Centralbehörde zu bezeichnen sind. Dem Reichs⸗ Versicherungsamt ist mitzutheilen, welche Behörden als Ausführungs⸗ behörden bezeichnet worden sind. 8 1
Soweit das Reich beziehungsweise der Staat in Gemäßheit des §. 102 an die Stelle der Berufsgenossenschaft tritt, finden die §§. 13 bis 42, 44 bis 48, 64 Absatz 4, 65, 67 Absatz 1, 76 bis 83, 84 Absatz 2 und 3, 85, 87, 88 bis 94, 95 Absatz 1, 96, 97, 98 Absatz 1 Lit. a, d, e, 123 bis 128 keine Anwendung.
Die Erstrech “ §. 104. ie Erstreckung der Versicherungspflicht auf Betriebsbeamte mit einem zweitausend Mark übersteigenden Jahresarbeitsverdienste (§. 2 1114“”“ erfolgen, soweit diese Be nicht nach §. 4 von der Anwendung dieses Gesetz 8⸗ geschlossen sagpäg CE11“
Den Ausführungsvorschriften bleibt auch die Bestimm ü
8 rungsvorschriften 8. un 3 lassen, ob und inwieweit die Renten nach Maßgabe des 4 19 tin Naturalleistungen gewährt werden sollen.
Für d Bezirk jed A8. 105.
Für den Bezirk jeder Ausführungsbehörde ist mindestens ein Schiedsgericht (§. 50) zu errichten. Die im §. 51 Absatz 3 bezeichneten Beisitzer werden von der Ausführungsbehörde ernannt.
Das Regulativ (§. 51 Abs. 4 und 5) wird durch die für den Erlaß der Ausführungsvorschriften zuständige Behörde erlassen. In demselben sind die Sätze für die den Vertretern der Arbeiter zu ge⸗ währende Vergütung (§§. 53 Abs. 2 und 60) festzustellen.
Die Feststellung der E c8 169
Die Feststellung der Entschädigungen (§. 62) erfolgt durch die in den Ausführungsvorschriften zu bezeichnende Behörde.
§. 107. 6 Gegen den Bescheid der zuständigen Behörde, durch welchen ein Entschädigungsanspruch aus dem Grunde abgelehnt wird, weil der Betrieb, in welchem der Unfall sich ereignet hat, für nicht unter §. 1 fällen eerachtet wird, steht dem Verletzten und seinen Hinterbliebenen ht⸗ “ hht “ zu. Die Beschwerde bei de n binnen vier Wochen nach der Zustellung des ab⸗
lehnenden Bescheides einzulegen. 3
— “ §. 108.
Die. zur Durchführung der Bestimmungen der §§. 102 bis 107 erforderlichen Ausführungsvorschriften werden für die Heeres⸗ verwaltungen von der obersten Militärverwaltungsbehörde des Kon⸗ tingents, im Uebrigen für die Reichsverwaltungen vom Reichskanzler, für die Landesverwaltungen von der Landes⸗Centralbehörde erlassen.
§. 109.
Die Bestimmungen der §§. 102 bis 108 finden auf Betriebe der
im §. 102 bezeichneten Art keine Anwendung, insoweit die Reichs⸗ be⸗
ziehungsweise Landesregierung vor der Bildung der Berufsgenossen⸗
schaften für den betreffenden Bezirk erklärt, daß solche Betriebe den Berufsgenossenschaften angehören sollen.
X. Landesgesetzliche Regelung.
andesgesetzliche Regelung.
. §. 110.
Die Landesgesetzgebung ist befugt, die Abgrenzung der Berufs⸗
Seee deren Organisation und Verwaltung, das Verfahren ei Betriebsveränderungen, den Maßstab für die Umlegung der Bei⸗ träge und das Verfahren bei deren Umlegung und Erhebung, abweichend von den Bestimmungen der §§. 18, 20 bis 25, 26 Absatz 1, 2 Ziffer 3 Absatz 3 und 4, 27 bis 41, 46, 47, 48 Absatz 1, 76 bis 83 zu regeln, sowie abweichend von den Bestimmungen dieses Gesetzes die Organe zu bezeichnen, durch welche die Verwaltung der Berufsgenossenschaften geführt wird und die in diesem Gesetze den Vorständen der letzteren übertragenen Befugnisse und Bblleenhetten wahrgenommen werden.
111.
Macht die Landesgesetzgebung von der Befugniß des §. 110 Ge⸗
brauch, so hat dieselbe
1) über die Befugniß zur Ablehnung des Amts eines Beisitzers des Schiedsgerichts und über die diesen Beisitzern zu ge⸗ währenden Vergütungen (§. 53 Abs. 2),
2) über die Vertretung der Berufsgenossenschaften bei den Unter⸗ suchungsverhandlungen (§. 58),
3) über den dem Bevollmächtigten der Krankenkasse oder dem von der Gemeindebehörde bezeichneten Arbeiter zu gewährenden Ersatz für entgangenen Arbeitsverdienst (§. 60), 3
4) über das Organ, bei welchem der Entschädigungsanspruch an⸗ zumelden ist (§. 64) und welches die Entschädigung festzustellen und hierüber den Bescheid zu ertheilen hat (§§. 62, 66),
5) über die Rechnungsführung der Berufsgenossenschaften (§. 85)
sowie darüber Bestimmung zu treffen, 8 3
6) welche Personen außer den in Gemäßheit der §§. 90 und 91 ernannten Beauftragten und Sachverständigen den Bestim⸗ mungen der §§. 127 und 128 unterliegen.
§. 112.
„Bei Abänderung des Bestandes von Berufsgenossenschaften (§. 42)
tritt, falls nur solche Betriebe betheiligt sind, deren Sitz im Gebiete desselben Bundesstaates belegen ist, an die Stelle des Bundesraths die Centralbehörde dieses Bundesstaates, sofern derseibe von der Be⸗ fugniß des §. 110 Gebrauch gemacht hat. . Die Auflösung einer Berufsgenossenschaft wegen Leistungsunfähig⸗ keit (§. 14) und die Zutheilung der zu derselben gehörigen Betriebe zu anderen Berufsgenossenschaften erfolgt durch die Landes⸗Central⸗ behörde, wenn die aufzulösende Berufsgenossenschaft auf Grund landes⸗ gesetzlicher Bestimmungen (§. 110) gebildet ist und diejenigen Berufs⸗ genossenschaften, welchen Betriebe der aufgelösten Berufsgenossenschaft zugetheilt werden sollen, nur solche Betriebe umfassen, deren Sitz im Gebiet des betreffenden Bundesstaates belegen ist.
In diesem Falle gehen die Rechtsansprüche und Verpflichtungen
der aufgelösten Genossenschaft auf diesen Bundesstaat über.
— Die Bundesstaaten sind ber heigt, ihr Gebiet oder Theile des⸗ selben der Berufsgenossenschaft eines anderen Bundesstaates, welcher von der im §. 110 eingeräumten Befugniß Gebrauch gemacht hat mit dessen Zustimmung anzuschließen. In diesem Falle gelten für die Berufsgenossenschaft die landesgesetzlichen Bestimmungen des⸗ jenigen Bundesstaates, an welchen der Anschluß erfolgt ist, falls aber auch der anschließende Bundesstaat von der Befugniß des §. 110 Gebrauch gemacht hat, die Bestimmungen desjenigen Bundesstaates, in welchem sich der Sitz der Berufsgenossenschaft befindet. Der Sitz der Berufsgenossenschaft ist im letzteren Falle durch Vereinbarung der Landesregierungen zu bestimmen. Wird eine derartige Berufsgenossen⸗ schaft durch den Bundesrath wegen Leistungsunfähigkeit aufgelöst 8s. 14), so gehen deren Rechtsansprüche und Verpflichtungen nach dem Maßstabe der im letzten Rechnungsjahre gezahlten Beiträge auf die betheiligten Bundesstaaten über. 8
Kommt eine Einigung nicht zu Stande, rufen der Bundesrath.
*
so entscheidet auf An⸗
Die im §. 110 eingeräumte Befugniß erlischt, soweit in einem Bundesstaat innerhalb zwei Jahren nach dem Tage der Verkündung dieses Gesetzes landesgesetzliche Bestimmungen nicht erlassen sind oder innerhalb eines weiteren Jahres die Organisation nicht durchgeführt ist.
Der Bundesrath kann diese Fristen auf Ansuchen um je ein Jahr verlängern.
Die im §. 114 eingeräumte Berechtigung dauert so lange, als der Bundesrath das betreffende Gebiet gemäß §. 18 einer genossenschaft angeschlossen hat.
nicht
n Beru
XI. Schluß⸗ und Strafbestimmungen.
Haftpflicht der Betriebsunternehmer und Betriebsbeamten.
Die nach Maßgabe dieses Gesetzes versicherten Personen und deren Hinterbliebene können einen Anspruch auf Ersatz des in Folge eines Unfalls erlittenen Schadens nur gegen diejenigen Betriebs⸗ unternehmer, Bevollmächtigten oder Repräsentanten, Betriebs⸗ oder Arbeiteraufseher geltend machen, gegen welche durch strafgericht⸗ liches Urtheil festgestellt worden ist, daß sie den Unfall vorsätzlich herbeigeführt haben. 8
In diesem Falle beschränkt sich der Anspruch auf den Betrag, um welchen die den Berechtigten nach den bestehenden gesetzlichen Vor⸗ schriften gebührende Entschädigung diejenige übersteigt, auf welche sie nach diesem Gesetz Anspruch haben.
„Die auf landesgesetzlichen Bestimmungen beruhenden Ansprüche eines Verletzten auf Ersatz des in Folge des ÜUnfalls erlittenen Schadens für die Dauer der ersten dreizehn Wochen nach dem Unfalle bleiben vorbehalten, wenn nicht durch die Landesgesetzgebung oder durch statutarische Bestimmung eine den Vorschriften der §§. 6 und 7 des Krankenversicherungsgesetzes vom 15. Juni 1883 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 73) beziehungsweise der 59. 137 ff. dieses Gesetz mindestens gleichkommende Fürsorge für den Verletzten und seine Angehörigen getroffen ist oder der Verletzte auf Grund des §. 136 dieses Gesetzes von der Kranken⸗ versicherungspflicht befreit ist.
F. 117,
Diejenigen Betriebsunternehmer, Bevollmächtigten oder Repräsen⸗ tanten, Betriebs⸗ oder Arbeiteraufseher, gegen welche durch straf⸗ gerichtliches Urtheil festgestellt worden ist, daß sie den Unfall vorsätzlich oder durch Fahrlässigkeit mit Außerachtlassung derjenigen Aufmerk⸗ samkeit, zu der sie vermöge ihres Amtes, Berufes oder Gewerbes besonders verpflichtet sind, herbeigeführt haben, haften für alle Auf⸗ wendungen, welche in Folge des Unfalls auf Grund dieses Gesetzes oder des Gesetzes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter, vom 15. Juni 1883 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 73) von den Genossenschaften, Gemeinden (§. 10 Abs. 1) oder Krankenkassen gemacht worden sind
In gleicher Weise haftet als Betriebsunternehmer eine Aktten⸗ gesellschaft, eine Innung oder eingetragene Genossenschaft für die durch ein Mitglied ihres Vorstandes, sowie eine Panbelsgesellschaft⸗ eine Innung oder eingetragene Genpossenschaft fuͤr die durch einen der Liquidatoren herbeigeführten Unfälle, vceczen e. die Rente kann in diesen Fällen deren Kapitalwerth
Der Anspruch verjährt in achtzehn Monaten von dem Tage n welchem das strafrechtliche etheil⸗ rechtskräftig geworden ist 1”
“
daß die daselbst vorgesehene Feststellung durch strafgerichtliches
Bettriebsunternehmer können von dem Genossenschaftsvorstande
schen R
zeiger und Königlich Preußischen St
s⸗Anzeiger.
1886.
Berlin, Donnerstag, den 13. Mai
§. 118. 1
Die in den §§. 116 und 117 bezeichneten Ansprüche können, auch Urtheil stattgefunden hat, geltend gemacht werden, falls diese Fest⸗ stellung wegen des Todes oder der Abwesenheit des Betreffenden oder aus einem anderen in der Person desselben liegenden Grunde nicht
folgen kann. 1 Fric Haftung Dritter.
§. 119. M
Die Haftung dritter, in den §§. 116 und 117 nicht bezeichneter Personen, welche den Unfall vorsätzlich. herbeigeführt oder durch Ver⸗ schulden verursacht haben, bestimmt sich nach den bestehenden gesetz⸗ lichen Vorschriften. Jedoch geht die Forderung der Entschädigungs⸗ berechtigten an den Dritten auf die Genossenschaft insoweit über, als die Verpflichtung der letzteren zur Entschädigung durch dieses Gesetz begründet ist. 1 8
Verbot rertragenzahzger Beschränkungen. §. 120.
Den Berufsgenossenschaften sowie den Betriebsunternehmern ist untersagt, die Anwendung der Bestimmungen dieses Gesetzes zum Nachtheil der Versicherten durch Verträge (mittelst Reglements oder besonderer Uebereinkunft) auszuschließen oder zu beschränken. Vertrags⸗ bestimmungen, welche diesem Verbote zuwiderlaufen, haben keine rechtliche Wirkung.
Rechtshülfe.
Die öffentlichen Behörden sind verpflichtet, den im Vollzuge dieses Gesetzes an sie ergehenden Ersuchen des Reichs⸗Versicherungsamts, anderer öffentlicher Behörden, sowie der Genossenschafts⸗ und Sektions⸗ vorstände und der Schiedsgerichte zu entsprechen und den bezeichneten Vorständen auch unaufgefordert alle Mittheilungen zukommen zu lassen, welche für den Geschäftsbetrieb der Genossenschaften von Wichtigkeit sind. Die gleiche Verpflichtung liegt den Organen der Genossenschaften untereinander ob. 8
Die durch die Erfüllung dieser Verpflichtungen entstehenden Kosten sind von den Genossenschaften als eigene Verwaltungskosten (§. 15) insoweit zu erstatten, als sie in Tagegelderu und Reisekosten von Beamten oder Genossenschaftsorganen, sowie in Gebühren für Zeugen und Sachverständige oder in sonstigen b. bestehen. Gebühren⸗ und Stempelfreiheit.
Alle zur Begründung und Abwickelung der Rechtsverhältnisse zwischen den Berufsgenossenschaften einerseits und den Versicherten andererseits erforderlichen schiedsgerichtlichen und außergerichtlichen Verhandlungen und Urkunden sind gebühren⸗ und stempelfrei. Das⸗ selbe gilt für die behufs Vertretung von Berufsgenossen ausgestellten privatschriftlichen Vollmachten und für die im §. 12 bezeichneten Streitigkeiten.
Strafbestimmungen. 1 §. 123.
mit Ordnungsstrafe bis zu fünfhundert Mark belegt werden, wenn die von ihnen in Gemäßheit der §§. 34 Absatz 2, 37 Absatz 2, 39. ertheilte Auskunft oder die in Gemäßheit der §§. 47, 48 erstattete Anzeige oder Anmeldung, imgleichen wenn die von ihnen in Gemäßheit der §§. 65, 79 eingereichten Lohn⸗ oder Gehaltsnachweisungen that⸗ fächliche Angaben enthalten, deren Unrichtigkeit ihnen bekannt war oder bei Anwendung angemessener Sorgfalt nicht entgehen konnte. §. 124.
Betriebsunternehmer, welche der ihnen obliegenden Verpflichtung zur Ertheilung von Auskunft in den Fällen der §§. 37 Absatz 2, 39, zur Anzeige oder Anmeldung in den Fällen der §§. 47, 48, zur Ein⸗ reichung der Lohn⸗ oder Gehaltsnachweisungen in den Fällen der §§. 65, 79, oder zur Erfüllung der für Betriebseinstellungen gegebenen statutarischen Vorschriften (§. 22 Ziffer 8) nicht rechtzeitig nachkommen, können von dem Gnnossenschaftsvorstande mit Ordnungsstrafe bis zu dreihundert Mark belegt werden.
Die gleiche Strafe kann, wenn die Anzeige eines Unfalls nicht rechtzeitig in Gemäßheit des §. 56 erfolgt ist, gegen Denjenigen ver⸗ hängt werden, welcher zu der Anzeige verpflichtet war.
§. 125.
Die Strafvorschriften der §§. 123 und 124 finden auch gegen die gesetzlichen Vertreter handlungsunfähiger Betriebsunternehmer, desgleichen gegen die Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft, Innung oder eingetragenen Genossenschaft, sowie gegen die Liquidatoren einer Handelsgesellschaft, Innung oder eingetragenen Genossenschaft Anwendung.
§. 126.
Zur Verhängung der in den §§. 123 bis 125 angedrohten Strafen ist der Vorstand derjenigen Genossenschaft zuständig, zu welcher der Betriebsunternehmer gehört. 1“ 1
Gegen die Strafverfügung des Genossenschaftsvorstandes steht den Betheiligten binnen zwei Wochen von deren Zustell an die Beschwerde an das Reichs⸗Versicherungsamt zu..
Die Strafen fließen in die Genossenschaftskasse.
§. 127.
Die Mitglieder der Vorstände der Genossenschaften und die Mit⸗ glieder der Genossenschaftsausschüsse zur Entscheidung über Beschwerden (§. 22 Ziffer 3), imgleichen die in Gemäßheit der §§. 90 und 91 er⸗ nannten Beauftragten und Sachverständigen werden, wenn sie unbefugt Betriebsgeheimnisse offenbaren, welche kraft ihres Amtes oder Auf⸗ trages zu ihrer Kenntniß gelangt sind, mit Geldstrafe bis zu ein⸗ tausendfünfhundert Mark oder mit Gefängniß. bis zu drei Monaten⸗ bestraft.
Die Verfolgung tritt nur nehmers ein.
auf Antrag des Betriebsunter⸗ Diie im §. 127 bezeichneten Personen werden mit Gefängniß, neben welchem auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann, bestraft, wenn sie absichtlich zum Nachtheile der Betriebs⸗ unternehmer Betriebsgeheimnisse, welche kraft ihres Amtes oder Auf⸗ trages zu ihrer Kenntniß gelangt sind, offenbaren, oder geheim ge⸗ haltene Betriebseinrichtungen oder Betriebsweisen, welche kraft ihres Amte oder Auftrages zu ihrer Kenntniß gelangt sind, so lange als diese Betriebsgeheimnisse sind, nachahmen
TPhun sie dies, um sich oder einem Anderen einen Vermoͤgens⸗ vortheil zu verschaffen, so kann neben der Gefängnissstrafe auf Geld⸗ strafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden
Zuständige Landesbehörden. Verwaltungsexekution. §. 129.
Die Gentralbehoͤrden der Bundesstaaten bestimmen, von welchen Staaksbehörden, Gemeindevertretungen ober, wo solche nicht bestehen, (Gemeindebehörden die in diesem Gesetze den höheren Verwaltungs⸗ behörden, den unteren Verwaltungsbehörden, den Orts⸗Poltzeibehördem, den Gemeindebehörden und den Vertretungen der Gemeinden und weiteren Kommunalverbände zugewiesenen Verrichtungen wahrzunehmen
Die von den Centralbehörden der Bundesstaaten in Gemäßheit vorstehender Vorschrift erlassenen Bestimmungen sind durch den „Deutschen etatitahertaln“ zu machen.
§. 130
Geldstrafen, welche auf Grund dieses Gesetzes verhängt werden, mit Ausnahme derjenigen, auf welche von den Gerichten erkannt ist, werden in derselben Weise be gi;; wie Gemeindeabgaben.
Die in diesem Gesetze für Gemeinden getroffenen E gelten auch für die einem Gemeindeverbande nicht einverleibten selbst ständigen Gutsbezirke und Gemarkungen. Soweit aus denselben der Gemeinde oder Gemeindebehörde Rechte und Pflichten erwachsen, tritt an ihre Stelle der Gutsherr oder der Gemarkungsberechtigte.
8 Zustellungen.
§. 132.
Zustellungen, welche den Lauf von Fristen bedingen, erfolgen durch die Post mittelst eingeschriebenen Briefes. Der Beweis der Zustellung kann auch durch behördliche Beglaubigung geführt werden.
B. Krankenversicherung. 8
“ 8 . 320. —15 Werden durch die Landesgesetzgebung in der Land⸗ oder Forst⸗ wirthschaft gegen Gehalt oder Lohn beschäftigte Personen der Kranken⸗ versicherungspflicht nach Maßgabe des Krankenversicherungsgesetzes vom 15. Juni 1883 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 73) unterworfen, so findet letzteres Gesetz mit den aus den §§. 134 bis 142 dieses Gesetzes sich er⸗ gebenden Aenderungen Anwendung. Dasselbe gilt, wenn durch statu⸗ tarische Bestimmungen auf Grund des §. 2 des Krankenversicherungs⸗ gesetzes die Anwendung der Vorschriften des §. 1 des letzteren auf solche Personen erstreckt wird. 8 04.
Der Beschäftigungsort land⸗ und forstwirthaftlicher Arbeiter und der Sitz des Betriebes bestimmt sich nach den Vorschriften der §§. 10 und 44 dieses Gesetzes.
Gemeinden oder weitere Kommunalverbände können bei dem Er⸗ lasse statutarischer Bestimmungen über die Krankenversicherung land⸗ und forstwirthschaftlicher Arbeiter beschließen, daß diese Bestimmungen auch auf außerhalb des Kommunalbezirks liegende Theile solcher Be⸗ triebe sich erstrecken sollen, deren Sitz innerhalb des Bezirks der Gemeinde oder des weiteren bF“ belegen ist.
H. 135.
Die Bestimmung des §. 20 Abs. 1 Ziff. 2 des Krankenversiche⸗ rungsgesetzes findet nur auf verheirathete Wöchnerinnen oder solche Wittwen Anwendung, deren Entbindung nach dem Tode des Ehemannes innerhalb des nach den Landesgesetzen für die Vermuthung der ehelichen Geburt maßgebenden Zeitraumes “
etc welche erweislich mindestens für dreizehn Wochen nach der Erkrankung dem Arbeitgeber gegenüber einen Rechtsanspruch auf eine den Bestimmungen des §. 6 des Krankenversicherungsgesetzes ent⸗ sprechende oder gleichwerthige Unterstützung haben, sind auf den Antrag des Arbeitgebers von der Versicherungspflicht zu befreien, sofern die Leist ungsfähigkeit desselben genügend gesichert ist. .
Ueber den Antrag entscheidet die Verwaltung der Gemeinde⸗ Kranken versicherung oder der Vorstand der Krankenkasse, welcher die zu befreiende Person angehören würde. Wird die Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers beanstandet, so ist der Antrag an die Aufsichtsbehörde zur Entscheidung abzugeben. 8 8
Die Entscheidung über den Befreiungsantrag ist den Betheiligten zu eröffnen und vorläufig vollstreckbaor. Gegen dieselbe steht jedem Betheiligten binnen zwei Wochen die Beschwerde an die vorgesetzte Aufsichtsbehörde zu.
Die Befreiung gilt für die Dauer des Arbeitsvertrages. vor Beendigung desselben auf: “
1) wenn dies von der im Abs. 2. bezeichneten Aufsichtsbebörde wegen nicht genügender Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers 1 von Amtswegen, sei es auf Vorschlag der Verwaltung der Gemeinde⸗ krankenversicherung oder des Vorstandes der Krankenkasse — an⸗ geordnet wird, 8 8 b 8
2) wenn der Arbeitgeber die befreite Person zur Krankenversiche⸗ rung anmeldet. Die Anmeldung ist im Falle einer zur Zeit derselben bereits eingetretenen Erkrankung ohne rechtliche Wirkung.
Insoweit einer nach Abs. 1 befreiten Person im Falle der E krankung von dem Arbeitgeber eine den Bestimmungen des K. Krankenversicherungsgesetzes entsprechende oder gleichwerthige Unt stützung nicht gewährt wird, ist dieselbe auf Antrag von der betreff den Gemeinde⸗Krankenversicherung oder Krankenkasse zu gewähren. Die hiernach gemachten Aufwendungen sind von dem Arbeitgeber zu ersetzen. 8 ““ Streitigkeiten über Unterstützungsansprüche, welche gegen meinde⸗Krankenversicherung oder Krankenkasse auf Grund des vorst Absatzes entstehen, werden nach Maßsabe des §. 12 Abf⸗. keiten über Ersatzansprüche zwischen der Gemeinde⸗Kr. erj oder Krankenkasse einerseits und dem Arbeitgeber andererseits na⸗ Maßgabe des §. 12 Abs. 2 dieses Gesetzes entschieden.
Für versicherungspflichtige Personen, welche erweislich auf Grund eines mindestens für die Dauer eines Jahres abgeschlossenen Arbeits⸗ vertrages 8 1 1 1
1) jährliche Naturalleistungen mindestens im dreihundert⸗ sachen Werthe des von der Gemeinde⸗Krankenversicherung beziehungsweise Krankenkasse für einen Krankentag zu zahlenden Krankengeldes beziehen, oder für den Krankentag einen Arbeitslohn an Geld oder Naturalleistungen erhalten, welcher dem von der Gemeinde⸗Krankenversicherung de⸗ ziehungsweise Krankenkasse zu zahlenden täglichen Kranken⸗ gelde mindestens gleichkommt, und 88 auf Fortgewährung dieser Leistungen, innerhalb der Geltungs⸗ dauer des Arbeitsvertrages, für mindestens dreizehn Wochen nach der Erkrankung einen Rechtsanspruch haben,
tritt auf Antrag des Arbeitgebers während der Geltungsdanuer des Arbeitsvertrages eine Ermäßigung der Versicherungsbeiträge ein, wo⸗ gegen das Krankengeld in Wegfall kommt. 1
Die Ermäßigung der Beitxräge erfolgt in demfelden Verhältnisse, in welchem die Höhe des Krankengeldes zu dem Werthe der sonstigen Kassenleistungen steht. Dies Verhältniß ist durch statutarische Be⸗ stimmung festzustellen, welche für die Gemeinde⸗Krankenversicherung von der Gemeinde, für die gemeinsame Gemeinde⸗Krankenversicherung (§. 12 des Krankenversicherungsgesetzes) durch den weiteren Kommunal⸗ verband, für Orts⸗ und Betriebskrankenkassen durch das Kassenstatut zu treffen ist. Die statutarischen Bestimmungen der Gemeinden und weiteren Kommunalverbände bedürfen der Genehmigung der böͤheren Verwaltungsbehörde; auf die Festsetzung durch das Kassenstatut fündet §. 24 des Krankenversscherungsgesetzes Anwendung. Wo weitere Kom⸗ munalverbände Nicht besteben, erfolgt die Pfüsshang für die er same Gemeinde⸗Krankenversicherung durch die Uhöbere Verwaltungs⸗ behörde. So lange eine endgüͤltige Festsetzung dieses Beitragsverhält⸗ nisses nicht erfolgt ist, wird für die 88 eg 1 versscherten Per⸗ sonen der dritte Deil der für andere Kassenmitglieder geltenden Bei⸗ träge emtrichtet,
Soweit die im Abs. 1 Ziff. 1 dezeichneten Leistungen im Falle
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sinb, imgleichen zu welchen Kassen die in den § ½. 34 Absatz 2. 90 Ab⸗ satz 2, 93 Absatz 2 vorgesehenen Strafen fließen. 8
der Erkrankung von dem Arbeitgeber nicht
vertrages, auf Grund dessen die Ermäßigung der Beiträge erfolgt ist, gewährt werden, ist dem Erkrankten auf Antrag das Krankengeld von der Gemeinde⸗Krankenversicherung oder Krankenkasse zu zahlen und derselben von dem Arbeitgeber zu ersetzen. Streitigkeiten über solche Ersatzansprüche werden nach Maßgabe des §. 12 Abs. 2 dieses Gesetzes entschieden.
§. 138.
Durch statutarische Bestimmung (§. 137 Abs. 2) kann eine ent⸗ sprechende Kürzung des Krankengeldes und der Beiträge auch für solche Versicherten angeordnet werden, welche in Krankheitsfällen auf Grund ihres Arbeitsvertrages weniger als die im §. 137 Abs. 1 fest⸗ gesetzten Geld⸗ oder Naturalleistungen beziehen. Die Kürzung muß dem Verhältnisse entsprechen, in welchem der Werth dieser Leistungen zu der Höhe des Krankengeldes steht. Im Uebrigen sinden die Be⸗ stimmungen des §. 137 auch auf Fälle dieser Art Anwendung.
§. 139.
Soweit es sich nicht um die unter §. 2 Abs. 1 Ziffer 1 des Krankenversicherungsgesetzes fallenden Arbeiter handelt, finden die Be⸗ stimmungen des §. 54 des gedachten Gesetzes keine Anwendung.
Die Zahlung der Beiträge erfolgt auch für die nach §§. 137 und 138 versicherten Personen nach den Bestimmungen der §§. 51 bis 53 des Krankenversicherungsgesetzes.
§. 140.
Der Werth der Naturalbezüge wird nach Durchschnittspreisen von
der unteren Verwaltungsbehörde festgesett. §. 141.
Die auf Grund der §§. 2, 49 bis 52 Abs. 1, 53, 54 des Kranken⸗ versicherungsgesetzes erlassenen statutarischen Bestimmungen sind, soweit sie den vorstehenden Vorschriften zuwiderlaufen, bis zum 1. Januar 1887 mit denselben in Uebereinstimmung zu bringen. Soweit dies nicht geschieht, kann die Landes⸗Centralbehörde nach Ablauf dieser
Frist solche statutarischen Bestimmungen ganz oder theilweise außer
Kraft setzen.
Der §. 3 Abs. 2 des Krankenversicherungsgesetzes findet auf die unter §. 1 des gegenwärtigen Gesetzes fallenden Personen keine An⸗ wendung.
§. 142.
Durch statutarische Bestimmung einer Gemeinde für ihren Bezirk oder eines weiteren Kommunalverbandes für seinen Bezirk oder Theile desselben können Personen, welche innerhalb des betreffenden Bezirks wohnen und, ohne zu einem bestimmten Arbeitgeber in einem dauernden
Arbeitsverhältnise zu stehen, vorwiegend in land⸗ oder forstwirth-
schaftlichen Betrieben dieses Bezirks gegen Lohn beschäftigt sind, auch für diejenige Zeit, in welcher eine Beschäftigung gegen Lohn nicht stattfindet, der Krankenversicherungspflicht unterworfen und, solange sie nicht zu einer die Versicherungspflicht begründenden Beschäfti einem anderen Erwerbszweige übergehen oder Mitglieder einer krankenkasse werden, in diesem Bezirk zur Versicherung werden.
Die solcher statutarischen Bestimmung tigen Personen sind der Gemein krankenkasse, welcher die sonstigen versicherungspflichtigen land⸗ und forstwirthschaftlichen Arbeiter angehören, durch die Gemeindebehörde zu überweisen. Ihre Versicherung beginnt mit dem Tage ihrer Ueber⸗ weisung.
De Ueberweisung ist zurückzunehmen, wenn die Voranssetzungen ihrer Zulässigkeit aufhören.
Die Ueberweisung, sowie der die Zurücknahme derselben ablehnende
heid kann nach Maßgabe des §. 12 Abs. 2 dieses Gesetzes an⸗
werden.
und inwieweit die Vorschriften der §§. 49 bis 53 des
inkenversicherungsgesetzes auf die Arbeitgeber dieser Personen An⸗ den, ist durch statutarische Bestimmung zu regeln. lange solche Personen nach Maßgabe des Abs. 1 in d zirk ihres T ortes gegen Krankbeit versichert sind, fällt i pflichtung zu zeitritt zu einer anderen Kasseneinrichtung für land⸗ oder forstwirthschaftliche Arbeiter fort.
Die nach Abs. 1 und 5 zulässigen statutarischen Vorschriften de⸗ dürfen der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde.
C. Gesctzeskraft.
8 §. 143. 8 “ Die Bestimmungen der Abschnitte A II, II „Iv. V, VIII und X, die auf diese Abschnitte bezüglichen Strafbestimmungen, sowie diejenigen Vorschriften, welche zur Durchführung der in diesen Abschmitten ge⸗ troffenen Anordnungen dienen, treten mit dem Tagt der Verkündung dieses Gesetzes in Kraft. Dasselbe gilt von den Bestimmungen des Abschnittes B. 3 Im Uebrigen wird der Zeitpunkt, mit welchem das Gesetz ganz oder theilweise für den Umfang des Reichs oder Theile desselben in Kraft tritt, mit Zustimmung des Bundesraths durch Kaiserliche Verordnung bestimmt. 3 ““ 11““ “ ÜUrkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel. 1 Gegeben Berlin, den 5. Mai 1886 (L. S.) Wilhelm. von Bismarck.
Kichtamtliches.
Preußen. Berlin, 13. Mai. Im weiteren Verlauf 72.) Sitzung des Hauses der Ab⸗
estrigen (72 1 8 neten stand nachstehender Antrag des Adg. Knebel 4
Zerathung: 1 Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:
Die Koönigliche Stastsregierung zu ersuchen, Maßregeln in Erwagung zu nehmen, um der Ausbeutung und Uebervor⸗ theilung entgegenzuwirken, welcher die wirthschaftlich schwächeren Bevölkerungsklassen, namentlich auf dem Lande, bei Geld-⸗ und Kreditgeschäften, sowie bei dem Handel mit Grundstücken und mit Wieh vielfach verfallen.
Dazu beantragten die Freikonservativen (Abgg. von Oertzen
(Jüterdog]), Wettich u. Gen.): „Die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, nach Möglichkeit dahin zu wirken, daß in Allen Theilen der Monarchie kom⸗ munale Sparkassen errichtet werden, durch welche sowohl der Sparsinn geföͤrdert, als auch dem gesunden Kroditbedürfnisse der Aeineren Besitzer Rechnung getragen werden kann.*
Der Adg. Knedel bemerkte: wer mit ländlichen Verhält⸗ nissen vertraut sei, dem werde es nicht vntganen sein, daß die Erlangung soliden Kredits für den kleinen Landwirth mit den groͤßten Schwierigkeiten verbunden sei, wehroend das Kreditbedürfniß dei den kleinen Leuten in demselben Maße wie in anderen landwirthschaftlichen Kreisen vorhanden sei. Der Mißstand, daß die zur Führung umfangreicher Kredit⸗ geschäfte erforderliche Intelligens in jenen Kreisen nicht in ge⸗
Rügendem Maße vorhanden sei, koͤnne nur durch feste orga