der Königlichen Regierung zu Gumbinnen Nr. 19 S. 139, aus⸗ gegeben den 12. Mai 1886, der Königlichen zu Marienwerder Nr. 19 S. 140, ausgegeben den 13. Mai 188633 5) das unterm 21. April 1886 Allerhöchst vollzogene Statut für Drainage⸗Genossenschaft zu Niederöfflingen im Kreise Wittlich, urch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Trier Nr. 21
S. 189, ausgegeben den 28. Mai 1886;
8
Steinau für die Chaussee von Raudten von Nistiz nach Radschütz, durch das
8 1 8
8
für die zur Lagerung von Spirituosen
Herab der Allerhöchsten Privilegien vom 30. 8 25. März 1874 aufgenommenen Anleihen von 4 ½ auf 4 %, durch das
6) das Allerhöchste Privilegium vom 28. April 1886 wegen Leng auf den Inhaber lautender Kreis⸗Anleihescheine des ] im Betrage von 500 000 ℳ, durch das Amtsblatt
ich egierung zu Magdeburg Nr. 23 S. 283, ausgegeben den 5. Juni 1886; 1 7) der Allerhöchste Erlaß vom 3. Mai 1886, betreffend die Verleihung des Rechts zur Chausseegelderhebung an den Kreis nach Köben mit Abzweigung Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Breslau Nr. 23 S. 193, * den 4. Juni 1886; 5 der Allerhöchste Erlaß vom 3. Mai 1886, betreffend die etzung des Zinsfußes der von dem Kreise Wanzleben auf Grund Mai 1855, 11. Juli 1870 und
Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Magdeburg Nr. 23 S. 284, ausgegeben den 5. Juni 1886; 3
9) das Allerhöchste Privilegium vom 10. Mai 1886 wegen Aus⸗ fertigung auf den Inhaber lautender Anleihescheine der Stadt — bis zum Betrage von 72 000 ℳ, durch das Amtsblatt der Königlichen 8 erung. in Gumbinnen Nr. 23 S. 173, ausgegeben den Juni 8
u“ Polizei⸗Verordnung von mehr als
50 % Tralles bestimmten Lagerräume. Eingang.
Auf Grund der §§. 143 und 144 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (Ges.⸗S. S. 195 ff.) und der
8. 5 ff. des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850
als 50 % Tralles unter Zustimmung des Gemei Stadtkreis Berlin verordnet, was folgt:
35 em über dem
keine Unterbrechungen haben dürfen, so daß Spiritus in dem Raum selbst bis unter 50 % Tralles stattfinden kann, ohne ein Ueberfließen herbeizuführen.
es.⸗S. S. 265) wird für die Lagerung von Spirituosen von mehr gevorstandes für den
Die Lagerräume für mehr als 100 hl Spirituosen müssen nach⸗
stehenden Anforderungen entsprechen:
1) Die Umfassungswände sind massiv und bis zur Höhe von Fußboden ohne Unterbrechungen herzustellen. 2) Die Decken sind — sofern sie Zwischendecken sind — massiv
zu wölben.
3) Der Fußboden ist aus unverbrennlichem, undurchlässigem Material (z. B. Ziegelsteinpflaster mit Cement⸗ oder Asphaltüberzug) erzustellen und muß ein Gefälle von mindestens 1: 100 nach einer
Senkgrube haben, welche ihrerseits in einen natürlichen Wasserlauf
oder in die öffentlichen Kanalisationsanlagen oder in eine außerhalb des Lagergebäudes befindliche Cisterne entwässert.
Sofern ein derartiger Abfluß überhaupt unausführbar ist, dürfen die Lagerräume nur bis zur Hälfte ihres kubischen Inhalts belegt werden, während die massiven Umfassungswände bis zu solcher Hsbe
s die Verdünnung des
4) Sofern die Entwässerung der Senkgrube des Lagerraumes in einen natürlichen Wasserlauf oder in die öffentliche Kanalisations⸗ anlage stattfindet, ist an das Abflußrohr ein Wasserleitungsrohr mit Absperrschieber unter einem spitzen Winkel zur Abflußrichtung anzuschließen, dessen Abmessungen ausreichen, um an der Vereinigungsstelle durch Oeffnen des Schiebers eine Verdünnung des Spiritus unter 30 % Tralles mit Sicherheit herbeizuführen, wobei die Stromgeschwindigkeit des abfließenden Spiritus nach Maßgabe der Gefällverhältnisse und der Höhenlage des Lagerraumes in Rechnung zu ziehen und der mittlere Druck in der Wasserleitung auf 3 At⸗ mosphären anzunehmen ist. Die Ausmündung des Abflußrohres in einen natürlichen Wasserlauf muß unter den niedrigsten Wasserstand
gelegt werden. Sofern die Abwässerung in eine Cisterne stattfindet,
muß die Größe der letzteren ausreichen, um den Inhalt des größesten angeschlossenen Lagerraums aufnehmen zu können, ohne überzufließen.
ö5) Unterhalb des Lagerraumes dürfen nur von massiven Wänden umschlossene und überwölbte Räume liegen.
6) Die Umfassungs⸗ und Trennungswände der Lagerräume sind als Brandmauern zu behandeln. Etwaige in Reichhöhe gelegene Oeff⸗ nungen müssen so eingerichtet sein, daß von Außen nichts hinein⸗ geworfen werden kann. .
7) Zum inneren Ausbau dürfen keinerlei brennbare Materialien verwendet werden. ö nicht einbegriffen.)
Als Lagergefäße dürfen nur Reservoirs aus unverbrennlichem Material oder Gebinde benutzt werden. Sofern die Lagerung un⸗ mittelbar in unterirdischen ü erwölbten oder mit Erdschüttung auf unverbrennlicher Decke versehenen Reservoirs stattfindet, müssen sämmt⸗ liche Oeffnun een derselben (Einfüllöffnungen, Inhaltszeiger, Rohre für die Entnahme von Spiritus ꝛc.) auf einfache und schnelle Weise luftdicht abgeschlossen werden können (Absperrschieber). Sofern die Lagerung in Reservoirs stattfindet, welche in den gemäß §. 1 her⸗ getölze Lagerräumen aufgestellt sind, sind folgende Anforderungen zu stellen:
1) Die Inhaltszeiger müssen mit selbstthätigem luftdichten Ver⸗ schluß versehen sein.
2) Jeder Behälter muß mit einem unverschließbaren Ent⸗ lüftungsrohr versehen sein, welches in ungefährlicher ins Freie zu führen und jiier mit einem Glycerin⸗ verschlus und Drahtnetz zu versehen ist. Der Querschnitt des Rohres ist so zu bemessen, daß die durch die Einwirkung eines auf das Reservoir sich entwickelnden Spiritusdämpfe entweichen önnen, ohne eine Sprengung des letzteren herbeizuführen. — Werden mehrere Entlüftungsrohre von Reservoirs eines und desselben Lager⸗ raumes vereinigt, so muß der Querschnitt des Sammelrohres min⸗ deften⸗ gleich der Summe der Querschnitte der einmündenden
ohre sein.
Eine künstliche Beleuchtung der Lagerräume ist nur dann statt⸗ haft, wenn der Nachweis geführt wird, daß die spezielle Einrichtung derselben jede Explosionsgefahr ausschließt. Als transportable Be⸗ leuchtung dürfen nur Sicherheitslampen nach Davis'schem System be⸗ nutzt werden.
4
In ein und demselben Raume dürfen in der Regel höchstens 2500 hl Spiritus lagern. Etwaige größere Lagerabtheilungen bedürfen einer besonderen Genehmigung.
Die Lagerung anderer brennbarer Materialien irgend welcher Art zusammen mit Spirituosen in ein und demselben gemäß §. 1 her⸗ gerichteten Lagerraume eines e. ist vnstatchaßt.
„Falls die besonderen Umstaͤnde der Lagerung es gestatten, kann die Polizeibehörde auf Antrag Ausnahmen von den Vorschriften dieser Verordnung zulassen.
.6.
Auf die bereits vorhandenen Frürituslager findet diese Verordnung
nur insoweit Anwendung, als es das öffentliche Sicherheitsinteresse unbedingt erfordert. 8,7
§. 7 Uebertretungen dieser Verordnu g werden, sofern nicht die Be⸗ des Strafgesetzbuches, insbesondere §. 367 Nr. 6 desselben,
nwendung finden, mit Geldstrafe bis zu 60 ℳ bestraft, an deren Stelle im Falle des Unvermögens entsprechende Haft triit.
Weise
8. 8 e. 8— 8
Werstebende Polizeiverordnung tritt mit dem 1. Oktober 1886 in Kraft. Berlin, den 25. Juni 1886. 8 Der Polizei⸗Präsident. Freiherr von Richthofen.
Bekanntmachungen auf Grund des Reichsgesetzes vom 21. Oktober 1878.
Die Königliche Kreishauptmannschaft als Landes⸗Polizei⸗ behörde * die nichtperiodische Druckschrift: „An die Wähler des XII. und XIII. Wahl⸗ kreises“, welche vollzogen ist mit „Die Sozialdemokratie des XII. und XIII. Wahl⸗ kreises. Druck und Verlag der Schweizerischen Ge⸗ nossenschafts⸗Buchdruckerei. Hottingen⸗Zürich“, auf Grund ö1ö.“”“ hen Bestrebungen 21. Oktober 1878 verboten. Leipzig, den 27. Juni 1885. Königliche Kreishauptmannschaft. Graf zu Münster.
§. 11 und 12 des Reichsgesetzes gegen die ge⸗ r Sozialdemokratie vom
8 b 8 Nichtamtliches. Deutsches Reich. 8
Preußen. Berlin, 29. Juni. Se. Majestät de Kaiser und König machten, wie „W. T. B.“ aus Ems berichtet, heute eine Kurpromenade und hörten später die Vor⸗ träge des Ober⸗Hofmarschalls Grafen Perponcher und des Chefs des Militärkabinets, General⸗Lieutenants von Albedyll.
An dem gestrigen Diner bei Sr. Majestät hat auch der frühere Polizei⸗Präsident von Berlin, Wirkliche Geheime Rath von Madai, Theil genommen. Nach dem Diner unter⸗ nahmen Se. Majestät eine Ausfahrt und wohnten Abends der Vorstellung im Theater bei.
ur heutigen Tafel waren geladen: der Fürst und die Fürstin Solms⸗Braunfels, der General der Infanterie, von Schachtmener. der frühere Chef der Admiralität, von Stosch, und 8 ereei dent Albrecht aus Frank⸗ furt a. M.
— Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz nahm im Laufe des gestrigen Vormittags im Neuen Palais mehrere Vorträge entgegen.
Zum Diner war der Botschafter von Keudell mit Geme lin geladen, zum Thee der Herzog von Ratibor, der Wirkliche Geheime Rath von Wentzel und der Wirkliche Geheime Lega⸗ tions⸗Rath Reichart.
— VAuch die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Rechnungswesen hielten gestern eine Sitzung.
— Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung E 1““ er Abgeordneten befindet sich in der Zweiten eilage.
— Durch Allerhöchste Ordre vom 7. Juni d. J. ist den Gemeinden Dreis⸗Tiefenbach, Eckmannshausen und Herzhausen im Kreise Siegen, welche Allenbacher Chaussee innerhalb ihrer Gemeindebezirke aus⸗ gebaut haben, für die in ihren Grenzen belegenen Strecken dieser Straße gegen Uebernahme der künftigen chaussee⸗ mäßigen Unterhaltung derselben das Recht zur Erhebung des Chausseegeldes nach den Bestimmungen des Chausseegeld⸗ Tarifs vom 29. Februar 1840, einschließlich der in dem⸗ selben enthaltenen Bestimmungen über die Befreiungen sowie der sonstigen, die Erhebung betreffenden zusätzlichen Vor⸗ schriften — vorbehaltlich der Abänderung der sämmtlichen voraufgeführten Bestimmungen — verliehen worden. Auch sollen die dem Chausseegeld⸗Tarif vom 29. Februar 1840 angehängten Bestimmungen wegen der Chaus see⸗Polizei⸗ vergehen auf die gedachte Straße zur Anwendung kommen.
— Ein im inneren Verkehr zwischen dem Staats⸗ anwalt und der ihm vorgesetzten Behörde über eine Straf⸗ sache erstatteter Bericht darf nach einem Urtheil des Reichs⸗ gerichts, I. Strafsenats, vom 8. April d. J., bei der Ver⸗ handlung dieser Sache nicht zur Verlesung gelangen.
— Wird Arbeitern bei der ehe hn der ganze Lohn⸗ betrag zwar baar auf den Tisch aufgezählt, von dieser auf⸗ gezählten Summe aber sodann der Betrag für die von E“ gegen Vorschußzettel den Arbeitern kreditirten Lebensmittel abgezogen und der Restbetrag den Arbeitern überlassen, so macht sich nach einem Urtheil des Reichs⸗ gerichts, II. Strafsenats, vom 20. April d. J. der Arbeits⸗ geber dadurch der Verletzung des Gebots der Lohn⸗Baar⸗ zahlung (§§. 115, 119, 146,1 R.⸗Gew.⸗O.) schuldig.
— Der Großhersoglich hessische Gesandte am hiesigen Allerhöchsten Hofe, Wirkliche Geheime Rath Dr. Neidhardt, gat einen ihm von seiner Regierung bewilligten Urlaub an⸗ getreten. ährend der Abwesenheit desselben von Berlin ist der stellvertretende Bevollmächtigte zum Bundesrath, Großherzog⸗ liche Ministerial⸗Rath von Werner mit der interimistischen Wahrnehmung der gesandtschaftlichen Geschäfte beauftragt.
— Der General⸗Lieutenant des Barres, Präses der Ober⸗Militär⸗Examinations⸗Kommission, ist von einem fünf⸗ wöchentlichen Urlaub aus Bad Oeynhausen zurückgekehrt und hat sich heute auf Dienstreisen begeben.
— Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren: Dr. Glaser, Dr. Lubarsch und Dr. Nega in Breslau, Aug. Müller in Eichberg, Dr. Schnell in Oberlahnstein.
— S. M. Kreuzer „Nautilus“, Kommandant Kor⸗ vetten⸗Kapitän Rötger, ist am 27. Juni cr. in Chemulpo ein⸗ getroffen und beabsichtigt, am 29. dess. Monats wieder in See zu gehen.
Bayern. München, 28. Juni. (W. T. B.) Im Thronsaale des Residenzschlosses fand heute die Eides⸗ leistung des Prinz⸗Regenten Luitpold statt. Prinz Luitpold bestieg die Stufen des Thrones, worauf der Justiz⸗ Minister den in der Verfassungsurkunde enthaltenen Eid verlas und Prinz Luitpold, indem er die drei ersten Finger der rechten Hand zum Schwur erhob, die Worte: „Ich
schwöre“ sprach. Hierauf hielt der Präsident der Kammer
die Dreisbach⸗
der Reichsräthe, eine Ansprache an den Prinz⸗Regenten, in welcher er wiederholt des schmerz⸗ lichen Verlustes gedachte, den das Königliche Haus und das bayerische Volk erlitten habe, und gleichzeitig dem Vertrauen und der Zuversicht auf die Regentschaft Ausdruck gab, sowie das unveränderte Festhalten an den seit 16 Jahren bestehenden Verträgen betonte. Die Ansprache schloß mit einem dreifachen Hoch auf den Prinz⸗Regenten, in welches die Anwesenden v einstimmten. Prinz Luitpold sprach seinen Dank aus un hob hervor, daß die Vorsehung ihm am späten Lebensabende die schwere Pflicht auferlegt habe, die Zügel der Regierun u ergreifen. Möpe es mir vergönnt sein“, so schloß erselbe, zum Wohl des treuen Volkes wirken zu können, das ist mein sehnlichster Wunsch. Das walte Gott!“ Der Prinz-⸗Regent verneigte sich hierauf gegen die Versammlung, reichte dem Präsidenten von Franckenstein die Hand und verließ den Saal.
Nachmittags ernannte der Prinz⸗Regent seinen militäri⸗ chen Hofstaat. Der bisherige persönliche Adjutant des rinzen, Freyschlag, ist zum General⸗Major und General⸗
Adjutanten befördert worden. Der persönliche Adjutant des verstorbenen Königs, Rittmeister von Le Bret⸗Nucourt, tritt wieder in die Front ein. 8
Der Prinz⸗Regent verfügte ferner, daß die Beglaubi⸗ glaubigungsschreiben der bayerischen Gesandten erneuert werden und daß dem Bundesrath die Uebernahme der Regentschaft notifizirt werde.
Die Kommission der Kammer der Abgeord⸗ neten lehnte heute durch Stich⸗Entscheid den vom Ministerium eingebrachten Gesetzentwurf, betreffend die U mgestal— tung der Verfassungsbestimmung über die pro⸗ visorische Anstellung von Beamten während der Regentschaft, ab.
— 29. Juni. (W. T. B.) Die „Allgemeine Zeitung“ veröffentlicht nachstehendes Handschreiben des Prinz⸗ Regenten an den Kriegs⸗Minister:
„Nachdem ich die Regentschaft und den Oberbefehl über die Armee übernommen habe, lege ich die Stelle als General⸗Inspektor der Armee nieder. Ich behalte mir die Wiederbesetzung dieser Stelle vor, verfüge jedoch einstweilen den Einzug der etatsmäßig daran ge⸗ knüpften Kompetenzen. Der Kriegs⸗Minister wird das hiernach Er⸗ forderliche veranlassen. gez. Luitpold.“
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 27. Juni. Die „Wiener Zeitung“ veröffentlicht die Ernennung des bisherigen Landes⸗ räsidenten in Schlesien, Olivier Marquis von Bacquehem, zum Handels-Minister, sowie ferner das Gesetz vom 25. Juni d. J., womit Bestimmungen über die Gerichts⸗ barkeit in Strafsachen, welchen anarchistische Be⸗ strebungen zu Grunde liegen, erlassen werden.
Schweiz. Bern, 28. Juni. (W. T. B.) Der National⸗ rath genehmigte heute einstimmig den Gesetzentwurf, be⸗ treffend die Organisirung des Landsturms.
Großbritannien und Irland. London, 28. Juni.⸗ (W. T. B.) Der Gladstone ist heute Abend nach Hawarden zurückgekehrt. — In Liverpool hielt derselbe Nachmittags eine Rede, in welcher er die Schwäche der von Hartington gegen die Politik bezüglich Irlands vor⸗ gebrachten Argumente hervorhob und betonte: er sehe dem Wahlkampf ohne Zagen entgegen. Was den orwurf Hartington's angehe, daß er im Jahre 1881 die Nationalisten bekämpft habe, während er sie jetzt unterstütze, so müsse er be⸗ merken, daß er 1881 geglaubt habe, dieselben hätten Unrecht, jetzt glaube er, sie hätten Recht.
Frankreich. Paris, 28. Juni. (W. T. B.) Der General Prinz Murat und sein Sohn sind, da sie einer ehemaligen Herrscherfamilie angehören, aus den Armeelisten gestrichen worden. — Der Herzog von Nemours hat die Präsidentschaft der Gesellschaft zur Hülfe⸗ leistung für Verwundete niedergelegt.
Das „Journal des Débats“ meldet aus Shanghai, daß die Verhandlungen zwischen England und China in Betreff Birma's abgebrochen worden seien.
Spanien. Madrid, 29. Juni. (W. T. B.) In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer tadelte General Lopez Dominguez die Haltung des Kriegs⸗Ministers und erklärte, daß wenn die dringenden Bedürfnisse der Armee nicht befriedigt würden, Spanien bittere Früchte ernten werde.
Serbien. Belgrad, 28. Juni. (W. T. B.) Die auswärts verbreiteten Nachrichten über die angeblich zu⸗ nehmende Unsicherheit durch Ueberfälle räuberischer Banden sind übertrieben; nur in den südlichen Kreisen sind solche vorgekommen. Die Behörden haben deshalb ener⸗ gische Maßregeln ergriffen, welche von Erfolg begleitet sind.
Bulgarien. Sofia, 29. Juni. (W. T. B.) Die Antwort⸗Adresse der Deputirtenkammer auf die Eröffnungs⸗Botschaft ist dem Fürsten übergeben worden. Im Anschluß an den Inhalt der Botschaft giebt die Adresse der Befriedigung darüber Ausdruck, daß Nord⸗ und Süd⸗Bulgarien unter dasselbe Scepter gestellt und ihre Ver⸗ treter in einer gesetzgebenden Versammlung vereinigt worden feien. Die Adresse dankt dem Volke und dem Heere, spricht das tiefste Vertrauen gegen den Fürsten aus und giebt ferner dem vollen Vertrauen in die Humanität und die Großmuth der Mächte und namentlich Rußlands Ausdruck, welches Bul⸗ garien mit Wohlthaten überhäuft habe.
Amerika. Washington, 28. Juni. (W. T. B) Von dem Mitgliede des Repräsentantenhauses, Ran⸗ dall, ist bei dem Hause ein Gesetzentwurf, betreffend die Reform des Zolltarifs, eingebracht worden. Derselbe schlägt eine Ermäßigung der Einfuhrzölle und der inneren Zol⸗ abgaben, eine Abänderung der Gesetze, betreffend die Erhebung der Staatseinnahmen, sowie die Aufhebung aller inneren Ab⸗ gaben vom Taback und Zucker, ferner aller Gesetze vor, welche den Verkauf von Taback und den Tabacksbau einschränken. Dieses Geseth welches am 1. 899, in Kraft zu treten hätte, würde eine Minderung der Staatseinnahmen um etwa 2h Millionen Dollars herbeiführen. Die Annahme des Entwurft
gilt für höchst unwahrscheinlich.
Chicago, 28. Juni. (W. T. B.) Der Lake⸗ Shore⸗Eisenbahn⸗Gesellschaft elang es heute, troh der Fortdauer des Strikes, mit ülfe der Polizei verschiedene Güterzüge von hier abzulassen.
Süd⸗Amerika. Chile. Valparaiso, 28. Junt⸗ (W. T. B.) Der Minister des Innern, Balmaceda⸗ ist zum Präsidenten der Republik Chile gewählt worden.
Zeitungsstimmen.
Die „Berliner Politischen Nachrichten“ bringe Artikel über die Mehrbedürfnisse der Armee. Der erste dieser Artikel lautet:
Wenn von der Reichssteuerreform und den als Ausgleich für die Vermehrung der indirekten Abgaben herbeizuführenden Erleichterungen direkter Staats⸗ und Kommunalabgaben die Rede ist, pflegt in den parlamentarischen Verhandlungen und in der Presse nur zu oft der Einwand erhoben zu werden, daß die bisherigen Mehrbewilligungen im Reiche in der Hauptsache durch die Mehr⸗ bedürfnisse der Militärverwaltung in Anspruch genommen, oder, wie Hr. Windthorst sich ausdrückt, auf dem Wege von dem Reichstagsgebäude nach dem Dönhofsplatze in dem Kriegs⸗Ministerium hängen geblieben seien. Angesichts der schwebenden Steuerverhand⸗ lungen ist eine Untersuchung darüber, inwieweit dieser Einwand that⸗ fächlich begründet ist, auf Grund des amtlichen Zahlenmaterials nicht ohne Interesse. Indem wir nachstehend eine solche Unter⸗ suchung für die Vergangenheit an der Hand des „Statistischen Jahr⸗ buchs“ für 1885 unternehmen, schicken wir voraus, daß die Zahlen für die Jahre bis 1883/84 diejenigen der Rechnungen, bezw. der Uebersichten über die Einnahmen und Ausgaben, die Daten für
die späteren Jahre diejenigen der Etats sind, die ersteren mithin die
Ist⸗GEinnahmen und Ausgaben, die letzteren die Beträge der Ftatsansätze bedeuten. Zu dem Zwecke der Untersuchung gehen wir bis zu dem Jahre 1878/79, dem letzten vor den Steuerbewilligungen des Jahres 1879, zurück und ziehen zunächst in den Kreis unserer Betrachtungen die dauernden Ausgaben des Reiches im Ganzen, wie für die Verwaltung des Reichsheeres im Besonderen, sowie die Ent⸗ wickelung derjenigen Einnahmezweige, bei denen eine Steuerver⸗ mehrung stattfand, als Zölle, Tabacksteuer und Stempelabgabe.
Die dauernden Ausgaben des Reichs, welche auch bis dahin schon in langsamem Steigen geblieben waren und z. B. von 1875 zu 1878/79 um rund 13 ½ Millionen wuchsen, zeigen von dem gedachten Jahre ab folgendes stetiges Fortschreiten:
1878/79 1879/80 1880/81 1881/82 1882/83 409,2 416,9 463,3 514 527,8 1883/84 1884/85 1885/86 1886/87 528,8 544,8 554,2 621,2 Millionen Mark. Die Gesammtausgabe des Deutschen Reichs ist in diesem 9jährigen Zeitraum mithin um nicht weniger als 212 Millionen Mark oder nahezu 52 % gestiegen. Unter diesen Ausgaben figuriren, wie wir gleich hier zur Vermeidung eines falschen Bildes bemerken, die Ueberweisungen an die Bundesstaaten, welche für das laufende Jahr auf mehr als 150 Millionen Mark ver⸗ i sind. Abgesehen hiervon beläuft sich die Steigerung auf
15 %.
Die dauernden Ausgaben der Heeresverwaltung, welche in den zunächst vorhergehenden Jahren nur geringe Schwankungen gezeigt hatten, gestalteten sich von 1878/79 ab folgendermaßen:
1878/79. 1879/80 1880/81 1881/82 318,7 315,2 327 344 1883/84 1884/85 1885/86 1886/87
337,5 339,9 340,7 343 8
Millionen Mark. Die fortlaufenden Ausgaben der Heeresverwaltung sind in dem gleichen 9 jährigen Zeitraume demnach zwar auch ge⸗ stiegen, allein die Zunahme ist keineswegs eine stetige, vielmehr bleibt 1886/87 noch immer um 1 Million hinter dem Jahre 1881/82 zurück, welches den Höchstbedarf aufweist; die Zunahme beträgt auch nur 24,3 Millionen oder noch nicht 8 %. Sie bleibt hinter der Steige⸗ rung der Gesammtausgabe um 187,7 Millionen zurück und beläuft sich auch nur auf etwa 8,7 % der letzteren. 1878/79 beanspruchte die Heeresverwaltung nicht weniger als 78 % der gesammten ordentlichen Ausgaben, 1886/87 dagegen nur etwas über 54 %.
Um das Material nach allen Richtungen vollständig zu geben, sei noch erwähnt, daß 1878/79 die auf den allgemeinen Pensions⸗ fonds übernommenen Militärpensionen 16,2 Millionen Mark, die Ausgaben des Invalidenfonds 32,9 Millionen Mark betrugen und daß für diese Zwecke in dem Reichshaushalts⸗Etat für das laufende Jahr 20,6 und 27 Millionen ausgebracht sind. Das Extra⸗ ordinarium der Heeresverwaltung betrug in dem erstgedachten Jahre 61,9, für 1886/87 sind vorgesehen 41,5 Millionen Mark. Das Ordi⸗ narium der Marineverwaltung stellt sich endlich auf 22,7 und 37, das Extraordinarium auf 39 und 9,7 Millionen Mark, der Antheil der “ an dem allgemeinen Pensionsfonds auf 0,3 und 0,6 Millionen
ark.
Schon aus dem hier mitgetheilten authentischen Zahlenmaterial ergiebt sich klar und deutlich, wie ganz unzutreffend die Behauptungen von einem zu der Steigerung der Gesammtausgaben unverhältniß⸗ mäßigen Anwachsen des Militär⸗Etats sind. Noch schlagender wird 5 8* demnächst folgende Vergleich mit der Zunahme der Einnahmen arthun.
— In der „Magdeburgischen Zeitung“ lesen wir⸗
An die Ausführung der zur Schutzwehr des Deutschthums gegen die Ueberfluthung des Polenthums erlassenen Gesetze gedenkt die Re⸗ gierung offenbar mit größter Raschheit und Energie zu gehen, und man wird ihr dafür nur Dank wissen können. „Die An⸗ siedlungs⸗Kommission, deren Zusammensetzung unverzüglich be⸗ kannt gemacht werden wird, wird in den nächsten Tagen schon ihre Wirksamkeit eröffnen. Es hat gegen dieses wich⸗ tigste der antipolnischen Gesetze auch bei Freunden der demselben zu Grunde liegenden Bestrebungen nicht an Bedenken gefehlt; man hat bezweifelt, ob der Ansiedlungsplan sich praktisch so wirksam erweisen werde, wie seine Befürworter hoffen, ob sich das geeignete Kolonistenmaterial finden und ob dasselbe die erforderliche na⸗ tionale Widerstandskraft besitzen werde, um die Zwecke des Ge⸗ setzes zu erreichen. Gewiß steht man hier vor einem neuen und eigenartigen Versuch, dessen Gelingen in vollem Umfang zum Voraus nicht mit Sicherheit zu behaupten ist. Allein man darf zu der Ausführungskommission das Vertrauen haben, daß sie mit bestem Willen, ernstestem Streben und richtiger Einsicht an ihre Aufgabe herantritt, und dann wird der Erfolg auch nicht ausbleiben. Di bisherigen Güterankäufe scheinen durchaus
1882/83 341,6
zweckmäßig zu sein und für tüchtige deutsche Kolonisten, an denen es schon jetzt nicht fehlen soll, gute Aussichten des Fortkommens zu eröffnen.
—
Statistische Nachrichten.
„Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund⸗ heitsamts sind in der Zeit vom 13. bis 19. Juni cr. von je 1000 Bewohnern, auf den Jahresdurchschnitt berechnet, als gesto rbe n gemeldet: in Berlin 27,1, in Breslau 36,8, in Königsberg 25,8, in Köln 26,1, in Frankfurt a. M. 14,8, in Wiesbaden 14,1, in Hannover 19,0, in Kassel 17,9, in Magdeburg 23,2, in Stettin 26,6, in Altona 17,9, in Straßburg 29,7, in Metz 15,4, in München 28,4, in Nürnberg 34,5, in Augsburg 30,8, in Dresden 22,0, in Leipzig 18,7, in Stuttgart 18,7, in Karlsruhe 23,0, in Braunschweig 22,6, in Hamburg 26,1, in Wien —, in Pest 38,1, in Prag 30,8, in Triest —, in Krakau 27,5, in Amsterdam 19,0, in Basel 12,5, in Brüssel 24,1, in Paris 21,4, in London 14,9, in Glasgow 24,5, in Liverpool 18,2, in Dublin 22,9, in Edinburg 20,8, in Kopenhagen 21,1, in Stockholm 20,0, in Christiania 18,7, in St. Petersburg 29,2, in Warschau 32,8, in Odessa 40,1, in Rom 23,4, in Turin 28,9, in Venedig 46,5, in Madrid —, in Alexandria 51,2. Ferner in der Zeit vom 22. bis 29. Mai ecr.; in New⸗York 24,1, in Philadelphia 16,3, in Baltimore 20,0, in San Francisco —, in Kalkutta —, in Bombay 24,3,
in Madras 31,9. “ “
Die Sterblichkeit hat in der Berichtswoche in einem 8 Theile der Berichtsstädte abgenommen, und werden von einer groten Zahl derselben, wie Frankfurt a. M., Wiesbaden, Metz, Kassel, Altona, Barmen, Leipzig, Hannover, Basel, Amsterdam, London, Liverpool, Christiania u. a., sehr kleine Sterblichkeitsziffern gemeldet, während in anderen, wie Berlin, Breslau, Stettin, Nürnberg, Straß⸗
burg, Brüssel, Warschau, Odessa u. a., die Sterblichkeit, zumeist in Folge der durch zahlreiche Darmkatarrhe und Brechdurchfälle hervor⸗ Sterbefälle, zunahm, obwohl letztere bei der an⸗ haltend kühleren Witterung, die in der Berichtswoche vor⸗ herrschte, im Allgemeinen an Zahl hinter der des vorjährigen Juni erheblich zurückstand. Namentlich war in Berlin, Hamburg, Königsberg, Nürnberg, Düsseldorf, London, Kopenhagen, Warschau, Odessa, Pest die Zahl der gemeldeten Sterbefälle an Brechdurchfällen eine größere, in Breslau, München, Dresden, Köln, Magdeburg, St. Petersburg u. a. eine kleinere als in der Vorwoche. — Die Theilnahme des Säuglingsalters an der Sterblichkeit war in Fosge dessen eine vielfach gesteigerte; von 10000 Lebenden starben aufs ahr berechnet in Berlin 143, in München 128 Säuglinge. — Er⸗ heblich seltener führten akute Entzündungen der Athmungsorgane zum Tode, besonders in Berlin, Breslau, Dresden, Köln, Magdeburg, Stettin, London, St. Petersburg u. a.; nur in Aachen, Danzig, Ham⸗ burg, Amsterdam, Prag, Pest, Paris, Warschau war die Zahl der Todesfälle eine etwas größere als in der Vorwoche. — Auch die Infektionskrankheiten führten meist weniger Sterbefälle herbei, nur Todesfälle an Flecktyphus kamen häufiger zur Mittheilung. — Die Masern zeigten sich als größere Epidemie in Berlin, Elberfeld, Nürnberg, Edinburg, St. Petersburg; in Hamburg, Amsterdam, London, Paris, Prag wurde die Zahl der Opfer kleiner. In den Regierungsbezirken Marienwerder, Königsberg, Stettin haben Masern größere Verbreitung gewonnen. — Das Schar⸗ lachfieber veranlaßte in Köln, Pest, Christiania, Paris, St. Peters⸗ burg etwas mehr, in Hamburg, Berlin fast die gleiche Zahl von Todesfällen wie in der Vorwoche. — Die Sterblichkeit an Diphtherie und Croup war im Allgemeinen eine kleinere; in Dresden, Hamburg, Magdeburg, Stettin, Kopenhagen, St. Petersburg sank die Zahl der Sterbefälle, in Nürnberg blieb sie die gleiche, während sie in Berlin, München, Pest, Christiania, London, Paris eine etwas größere wurde. Auch im Regierungsbezirk Schleswig war die Zahl der zur Meldung gelangten Erkrankungen noch immer eine bedeutende. — Das Vorkommen typhöser Fieber blieb auch in dieser Woche ein be⸗ schränktes; nur Paris meldete etwas mehr Sterbefälle, Hamburg und St. Petersburg mehr Erkrankungen als in der Vorwoche. — An Flecktyphus kamen aus Prag, Warschau, Odessa je 1, aus Pest und St. Petersburg je 2 Todesfälle zur Mittheilung; aus St. Peters⸗ burg auch 7 Erkrankungen. Rückfallsfieber kamen nur aus St. Peters⸗ burg zur Kenntniß. Epidemische Genickstarre rief im Regierungsbezirk Düsseldorf und Prag je 1, in Kopenhagen 6 Todesfälle hervor; aus Berlin und aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf kam je 1, aus dem Regierungsbezirk Marienwerder 2, aus Kopenhagen 6 Erkrankungen zur Anzeige. — Rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut waren in St. Petersburg und Kopenhagen nicht selten. — Der Keuch⸗ husten forderte in Berlin, Paris, Glasgow mehr, in London weniger Opfer. — Todesfälle im Wochenbett wurden weniger gemeldet — Pocken⸗ haben in Paris, Brüssel, Odessa, Venedig einzelne, in Zürich, Warschau, St. Petersburg 2 bis 4, in Prag 6, in Rom 10, in Pest 12 Sterbefälle veranlaßt; aus den Regierungsbezirken Königsberg, Aachen, sowie aus London wurden einzelne, aus dem Regierungsbezirk Marienwerder und aus St. Petersburg 9 bezw. 10, aus Pest 52 Er⸗ krankungen zur Anzeige gebracht. — Die Cholera hat in Venedig bedeutend abgenommen; aus der Berichtswoche wurden 64 Todesfälle (gegen 134 der Vorwoche) mitgetheilt. Vom 11. bis 18. Juni wurden 46 weitere Erkrankungen (vom 7. bis 18. nur noch 2) mit 43 Sterbe⸗ fällen gemeldet. Dagegen hat sich in den Tagen vom 21. bis 24. Juni die Seuche wieder von neuem in Brindisi und Umgegend gezeigt, wo sie seit Ende Mai erloschen schien. Es werden aus der angegbenen Zeit aus Brindisi 53 Erkrankungen mit 17 Todesfällen, aus Latiano und Oria 14 bezw. 3 Erkrankungen mit 3 bezw. 1 Sterbefall ge⸗ meldet; auch in San Vito und Francavilla zeigte sich die Cholera. — Verhältniß der Mischehen. — Nach dem „Kirchlichen Gesetz⸗ und Verordnungsblatt“ befanden sich im Jahre 1884 unter 14 928 Mischehen 6951 oder 46,56 %, in denen der Bräutigam, und 7977 oder 53,44 %, in denen die Braut der evangelischen Konfession angehörte. Wird je die Hälfte dieser Ehepaare als zur evangelischen Kirche gehörig angesehen, so haben von denselben in letzterer die Trauung empfangen 2619 oder 75,35 %, von denen der Bräutigam, und 3895 oder 97,64 %, von denen die Braut evangelisch war. Die Zahl der Mischehen im Verhältniß zu der Gesammtzahl der bürger⸗ lichen Eheschließungen, welche im Jahre 1883 nur 11,83 betrug, ist im Jahre 1884 weiter auf 12,03 gestiegen. In den einzelnen Provinzen betrug die Prozentzahl der Eheschließungen gemischter Paare: in Pommern 2,00, in Brandenburg 4,19, in Sachsen 5,78, in Ost⸗ und Westpreußen 7,88, in Berlin 13,92, in Posen 14,02, in Westfalen 14,81, in Rheinland und Hohenzollern 26,48 und in Schlesien 26,60. Die Unterschiede in den verschiedenen Provinzen sind enorm, entsprechen aber im Wesentlichen der konfessionellen Mischung der betreffenden Bevölkerung.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Der Hof⸗Photograph Jos. Albert in München veröffentlicht jetzt das letzte von ihm im Allerhöchsten Auftrage in Hohenschwangau auf⸗ genommene photographische Porträt weiland Sr. Majestät König Ludwig'sII. von Bayern. Dieses einzig authentische letzte Porträt König Ludwig's II. giebt dessen Züge lebenswahr und in an⸗ sprechender Weise wieder und wird Vielen als Erinnerung an den unglücklichen Monarchen hochwillkommen sein. Es gelangt in ver⸗ schiedenen Formaten zur Ausgabe und wird in allen Kunsthandlungen vorräthig sein.
— Das Deutsche Wörterbuch der Gebrüder Grimm. (fortgesetzt von Dr. Moritz Heyne, Dr. Rudolf Hildebrand, Dr. Matthias Lexer und Dr. Karl Weigand) schreitet jetzt rüstig vorwärts. Vor uns liegt bereits der Anfang des VIII. Bandes, dessen erste Lieferung die Artikel „R“ bis „Ratschlagen“ umfaßt und von Dr. M. Heyne bearbeitet ist. In dem einleitenden Abschnitt über den Hunds⸗ buchstaben, wie er wegen seines knurrenden Lauts genannt worden ist, beißt es: „Die Schreibung rh, die wir, abgesehen von griechischen Wörtern, anlautend noch im Flußnamen Rhein und bezüglichen Zusammensetzungen allgemein, theilweise au noch in Rhede (wofür jetzt die bessere Schreibung Reede aufgenommen ist), und felbst in dem Getränknamen Rhum (wofür jetzt besser Rum) haben, stammt aus der wilden Schreibung des 16. Jahr⸗ hunderts; das h ist nur Dehnungszeichen, welches, statt hinter, vor den zu dehnenden Vokal gesetzt ward: man schrieb Rhat, rhaten, Rhum, rhümen, selbst Rheu, wie nhemen, mher, thun. Die Schreibung th ist uns davon bis jetz. geblieben; die Schreibung Rhein ist aufrecht erhalten worden dem griechischen ros, lateinis Rhenus zu Liebe, obwohl ganz unnütz.“ Für die Tafelfreuden ist der Buchstabe insofern wichtig, als nach einer alten Regel, die sich u. a. in Amaranthes' „Frauenzimmerlexikon“ findet, die Krebse in den Monaten ohne r am wohlschmeckendsten sind. Ein mitgetheiltes Citat von Goethe bezeichnet dieselben Monate als die Schonzeit der Auster. Das gärtnerische Kunstwort „Rabatte“ ist aus dem Holländischen übernommen, wo es einen schmalen, mit Buchsbaum besetzten und mit Ziersträuchern bepflanzten Streifen Landes bedeutete. Mannigfaltig und zahlreich sind die Zusammensetzungen mit „Rabe“ und „Rache“, zu welchem letzteren Wort eine sehr interessante Erklärung aus dem alten germanischen Recht gegeben wird Es folgen dann u. a. Rachen, rächen, Racker. Wtese bezeichnete ursprünglich im Niederdeutschen den Schinder, Abdecker, später, z. B. schon bei Goethe, erhielt es einen scherzenden Anklang, den es noch heute hat. Umfänglich ist der Artikel „Rad“ (vom lateinischen zota]. Die Herkunft von Rade, der bekannten, in Getreidefeldern wachsenden
flanze, hat noch nicht aufgeklärt werden können. „Radebäre“ (auch Radbäre, Radber) heißt noch heute im Oberdeutschen ein Schub⸗ karren. „Radebrechen“ bedeutet zunächst: eine Brechung auf dem Rade vornehmen, im eigentlichen Sinne; die Glieder eines Verurtheilten mit dem Rade zerstoßen, dann übertragen: eine Schriftstelle ver⸗ drehen, verstümmeln, oder vom stümperhaften Sprechen einer Sprache, in welchem Sinne es heute noch gebraucht wird. „Rädelsführer“ oder „Rädleinführer“ hieß der Führer einer Abtheilung, eines Räd⸗
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leins, einer Rotte Landsknechte, namentlich der Unterführer herrenlofen Kriegsvolks, dann eines aufrührerischen Haufens. Groß ist die Zahl der verzeichneten technischen, mit Rad gebildeten Worte. Dann folgen u. v. a. „raffeln“, „raffen“ (vom lateinischen rapere), „ragen“, „Rahm“ Ruß und „Rahm“ Sahne, cin von dem vorigen gänzlich ver⸗ schiedenes, sehr altes Wort, das eigentlich hochdeutsch „Raum“ lauten müßte da die mittelniederdeutsche Form, die sich auch sonst mundartlich noch vielfach gleichlautend erhalten hat, röm ist; ferner „Rahmen“ (mit komplizirter Ableitung über gotisches hramjan, kreuzigen, vom griechischen peuᷣavzözac, aufhängen, befestigen). Das Adjektivum „rahn“, dünn, schlank, ist der heutigen Schriftsprache fremd geworden, erhalten hat sich jedoch in derselben Bedeutung die nieder⸗ deutsche Form „rank“. „Rain“, der Grasstreifen zwischen zwei Aeckern oder Fluren, als Bodenerhöhung, Grenze, ist ein uraltes Wirthschafts⸗ wort. „Rakete“ bedeutete früher das Schlagnetz beim Ballspiel (vom fran⸗ zösischen raquette); ganz verschieden davon ist der Herkunft nach die Bezeichnung des ebenso genannten Feuerwerkskörpers (aus dem italienischen rocchetta, der Rocken, wegen der Aehnlichkeit der Form, daher zuerst auch Rogete). „Rampe“ ist aus dem Französischen (vom Festungsbau) herübergenommen, ebenso „Ramsch“ (von ramas), kauf⸗ männische Bezeichnung für aus der Mode gekommene Waaren. „Rand“ steht wahrscheinlich mit „Rinde“ im Ablautsverhältniß, vielleicht von „rinnen“, also etwas umronnenes, umflossenes. Sicher zu letzterem Stamm gehört das oberdeutsche Wort „Rand“ mit der Bedeutung Lauf, Bewegung, dann Scherz, Spaß, Schwank (tirolisch), Lärm, wo⸗ von, mit lateinischer Endung herausgeputzt, das studentische „Randal“. Auch „Rang“ ist zwar aus dem Französischen übernommen, eigentlich aber unser Eigenthum, nämlich ein frühes Lehnwort aus althochdeutschem hring, Ring, Kreis, namentlich aufgestellter Personen (provencalisch arrenc), zunächst in der Soldatensprache des dreißigjährigen Krieges, die uns so manches französische Wort beschert hat. Sehr interessant ist dieser sowie die folgenden Abschnitte: Range, Rank (davon Ränke, eigentlich die Kreuz⸗ und Quersprünge des Wildes, die es anwendet, um der Verfolgung zu entgehen), Ranke, ranken, ranzen, mit vielen Verwandten, Rapier (vom französischen rapière). „Rappe“ verhält sich zu Rabe wie Knappe zu Knabe und bedeutete auch dasselbe, wie die Bezeichnung der ebenso genannten Münze beweist, die einen Voge kopf trug, den man für einen Rabenkopf hielt; von Oberdeutschland hat sich dann die Bezeichnung Rappe für ein rabenschwarzes Pferd verbreitet. Aus den folgenden Artikeln seien nur erwähnt „rasch“ und „Rasch“, ein locker gewebtes wollenes Zeug (mittellateinisch arratium, von der Stadt Arras), davon die Innung der „Raschmacher“ in Berlin welche noch bis in die jüngsten Zeiten bestanden hat, ferne Rasen, rasen, mit Kompositen, Ableitungen und Verwandten. Rasiere ist Lehnwort aus dem französischen raser, ursprünglich blos Kriegs⸗ wort aus der Befestigungskunst: etwas dem Boden gleich machen, schleifen, dann als neueres, vornehmer klingendes Wort für das ältere gleichfalls entlehnte barbieren eingeführt. Es folgen dann u. a. „Rast“, „rasten“ und „Rath“. Letzteres gehört mit seinem Verbum rathen, als dessen Abstraktum es anzusehen ist, zu denjenigen alten gemein⸗ germanischen Wörtern, welche, da ihnen sicher Vergleichbares in den urverwandten Sprachen nicht zur Seite steht, eigenthümlichem ger⸗ manischem Leben ihre Bildung und Bedeutung verdanken. Wenn in den ältesten Quellen das Verbum von Gott und Herrschern gebraucht wird, um ihre Fürsorge für ihr Reich zu bezeichnen, und das Parti⸗ cipium Präsentis ständiges und titelhaftes Beiwort der Genannten geworden ist (z. B. heißt im altsächsischen „Hrliand“ Christus the rädand), so zeigt sich hier die Fortdauer ursprünglichen Begriffs: das Verbum begriff als Gesammtbezeichnung alles das, was ein Ge⸗ schlechtsoberhaupt dem von ihm Abhängigen gegenüber zu leisten schuldig war an Fürsorge jeder Art und Schutz; und nach der ver⸗ schiedenen Art dieser Fürsorge spaltete sich das Verbum und das zu ihm gehörende Substantiv zu den späteren, ziemlich weit auseinander liegenden Bedeutungen, die aber doch alle noch heute als Theile einer umfassenden Thätigkeit zu erkennen sind. Zunächst war Rath Gesammtbegriff für Alles, was für die leibliche Fürsorge und die Nahrung der Geschlechtsgenossen von Seiten der Geschlechts⸗ herren anzuschaffen und zu gewähren war, daher die Bedeutung: Be⸗ darf für Nahrung, Kleidung, leibliches Leben überhaupt, Gesammtheit der Dinge, die dazu dienen (woran Vorrath, Hausrath noch erinnern); dann auch: Nutzen, den man macht, Gewinn, von dem Begriff des Vorraths und des Sparens aus; weiter: Vorsorge, Hülfe zu einem Unternehmen, thätiges überlegtes Eingreifen zu einem bestimmten Zweck, Abhülfe eines Uebels, Huüͤlfe gegen ein Leiden; endlich Fürsorge durch Anweisung und Belehrung; diese letztere Bedeutung hat das Wort dann in der neueren Sprache in reicher Entfaltung derselben behalten. Richtiger als die Form Frau Räthin erklärt Heyne im Anschluß an Goethe: Frau Rath. Ebenso sorgfältig und gründlich behandelt ist die Entwickelungsgeschichte des Zeitworts „rathen.“ Die „Räters“ ist eine alte oberdeutsche Form für „Räthsel“, ebenso „Rath⸗ gebe“ für „Rath“. Mit einer Reihe von Verwandten des Worts schließt die Lieferung innerhalb des Artikels „ratschlagen“’. — Auch die 2. Lieferung des VIII. Bandes (R) befindet sich, wie die Verlagsbuchhandlung von S. Hirzel in Leipzig mittheilt, bereits im Druck, ebenso des IV. Bandes 1. Abtheilung 2. Hälfte 8. Lieferung (G), des VII. Bandes 8. Lieferung (O, P) und des XII. Bandes 1. Lieferung (V). Das große nationale Unternehmen nähert sich also erfreulicher Weise und in rascherer Folge seinem Abschluß. Die Hirzel'sche Verlagshandlung macht übrigens bekannt, daß das Deutsche Wörterbuch auch jetzt noch von Anfang an nach und nach lieferungs⸗ weise bezogen werden kann und daß alle Buchhandlungen Bestellungen darauf entgegennehmen.
— Die Kavallerie des Deutschen Reiches. Geschicht⸗ liche Notizen; Stiftungstage der Regimenter ꝛc.; Standarten, deren Beschreibungen und Auszeichnungen; Angaben der Uniformen; Anciennitätsverhältnisse bis zum 27. Mai 1866 vom General⸗Feld⸗ marschall bis einschließlich der Fähnriche, Aerzte und Zahlmeister; Gestütsverwaltungen und deren Bestände. Rennberichte, genaue An⸗ abe der Renntermine. Bearbeitet von R. von Haber, Premier⸗
ieutenant a. D., zuletzt im Schlesischen Ulanen⸗Regiment Nr. 2. Rathenow 1886. Verlag von Max Babenzien. Der bereits in militärischen Kreisen nicht unvortheilhaft bekannte Verfasser, welcher u. a. die „Geschichte der Kavallerie des Deutschen Reiches“ bearbeitet hat, bietet in diesem Werk, welches in bündiger, knapper Dar⸗ stellungsweise alles allgemein Wissenswerthe bezüglich der Anciennetäts⸗ bezw. Avancementsverhältnisse der Offiziere der Kavalleriewaffe ein⸗ schließlich der Fähnriche, Aerzte und Zahlmeister — bei den regimen⸗ tirten Offizieren ist die chargenweise Beförderung genau nach Datum und Jahr angegeben —, ferner bezüglich der Stiftungstage der ein⸗ zelnen Regimenter, der Standarten und Uniformen enthält, insbesondere den Kavallerie⸗Offizieren ein handliches Nachschlagebuch, das sich als eine willkommene Ergänzung der „Rang⸗und Quartierliste“ darbietet. Nicht minder willkommen sind die statistischen Notizen über die preußischen Hauptgestüte (Zuchtgestüte) und Landgestüte sowie die Rennberichte und⸗Termine — letztere nach dem Datum geordnet — unter genauer Angabe der Bedingungen.
.— Von der „Illustrirten Geschichte der K. K. Armee in ihrer kulturhistorischen Bedeutung ec.“, herausge eben von Gilbert Anger (Wien, Selbstverlag), liegen die Kiefe⸗ rungen 8 und 9 (à 60 ₰) vor, welche in dem Kapitel „Das öster⸗ reichische Heerwesen im 16. Jahrhundert“ die Türkenkriege, die ungarischen Wehrverhältnisse, die Seeschlacht bei Lepanto, die Bauern⸗ kriege und die Kampfspiele und Duelle schildern. Dem besonders in⸗ teressanten Inhalt entsprechen auch die zahlreichen, historischen Origi⸗ nalen nachgebildeten Illustrationen dieser Hefte. — Ein seltenes, aber desto erfreulicheres literarisches Ereigniß ist b ein in Paris bei Paul Ollendorff (Rue de Richelien 28 bis) erschie⸗ nenes Buch, betitelt: „Eempereur Guillaume et son règne“ (475 S. gr. 80), von Edouard Simon, eine aus guten Quellen geschöpfte Geschichte des Kaisers und seiner glorreichen Regierung, welche besonders die persönlichen Verdienste des Kaisers um die Er⸗ rungenschaften Preußens und Deutschlands in das vollste Licht stellt, aber auch in allen anderen Beziehungen sich strenger Objektivität be⸗ fleißigt. Wir werden auf das interessante Buch noch eingehender zurück⸗