1886 / 213 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 10 Sep 1886 18:00:01 GMT) scan diff

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ndien importirte Baumwollwaaren wieder einzuführen. Sir

ohn Gorst erwiderte, daß eine solche Eventualität weder von dem Kabinet noch von der indischen Regierung ins Auge gefaßt worden sei. 8

Das Auswärtige Amt hat von dem britischen Vize⸗ Konsul in San Domingo eine Devpesche empfangen, welche meldet, daß in Folge eines Aufstandes, der in der Stadt La Vega ausgebrochen und dem sich der Distrikt Monte Christi angeschlossen hat, die Regierung von San Domingo am 5. ult. ein Dekret erließ, welches über den Hafen von Monte Christi den Blockadezustand verhängt.

9. September, Abends. (W. T. B.) Im Ober⸗ hause erklärte der Staatssekretär des Auswärtigen, Lord Iddesleigh, der Fürst Alexander sei auf dem Wege nach der Grenze mit großer Achtung und mit Beweisen großer Anhänglichkeit empfangen worden. Die Art, wie er das Land verlasse, sei des hohen Rufes würdig, den er sich er⸗ worben habe. Der Schluß des bulgarischen Zwischenfalles stehe in einem wohlthuenden Gegensatz zu den schrecklichen Umständen, unter welchen derselbe zum Ausbruch

ekommen sei. Zweifellos würden die durch die Abdankung des

ürsten nothwendig werdenden Arrangements in Gemäßheit des Berliner Vertrages und der zu Anfang dieses Jahres in der Konferenz getroffenen Abmachungen stattfinden. Auf Er⸗ örterungen hinsichtlich des künftigen Verlaufes einzugehen, halte er nicht für vortheilhaft.

Im Unterhause erwiderte Unter⸗Staatssekretär Fer⸗

usson auf eine Anfrage: Der Abdankung des Fürsten ö habe vorschriftsmäßig die Wahl eines neuen Fürsten nach dem freien Ermessen der Nationalversammlung und die Bestätigung desselben durch die Pforte nach Zustim⸗ mung der Signatarmächte zu folgen. Es sei noch zu früh, sich uͤber den Meinungsaustausch der Kabinete zu verbreiten; aber es liege kein Grund vor zu glauben, daß die Aktion irgend einer Macht unvereinbar sein werde mit den Vertrags⸗ bestimmungen. Weiterhin erledigte das Unterhaus sämmt⸗ liche Positionen des Marine⸗Budgets. b

Der von seiner Reise nach dem Kontinent hierher zurück⸗ gekehrte russische Botschafter von Staal hatte heute eine längere Unterredung mit dem Staatssekretär des Aus⸗ wärtigen, Lord Iddesleigh, welcher darauf auch den türkischen Botschafter Rustem Pascha empfing. Der englische Botschafter in Berlin, Malet, ist hier angekommen.

Frankreich. Paris, 8. September. (Köln. Ztg.) Freycinet hat für Ende September eine Einladung der Stadt Toulouse zur Einweihung verschiedener öffentlicher Arbeiten angenommen. Der Minister wird vorher noch Bordeaux besuchen und dann von Toulouse nach Montpellier gehen. Der jetzt in Marseille weilende Kriegs⸗Minister Boulanger trifft morgen in Paris ein.

Gestern überreichte der Deputirte Antoine Proust dem Conseils⸗Präsidenten Freycinet einen Bericht über die Lage der Arbeiter in Deutschland, das er vor Kurzem bereist hat. Freycinet wird den Bericht dem Handels⸗ und Industrie⸗ Miniister Lockroy übergeben, der sich in der letzten Zeit mit Gesetzentwürfen zur Aufbesserung der Lage der Arbeiter be⸗ schäftigt. Offiziös wird folgende Mittheilung verbreitet:

Ein Rundschtüben des Handels⸗Ministers Lockroy vom 6. Februar d. J. verbietet im Einvernehmen mit dem richter⸗

lichen Urtheilsspruch die Einfuhr im Auslande hergestellter Gegenstände, welche das Zeichen oder den Namen eines französischen Händlers oder Fabrikanten oder den Namen eines französischen Orts tragen. Dieses Rechtsverfahren könnte Kaufleuten, welche im Vertrauen auf das frühere Verfahren Bestellungen im Auslande gemacht hatten, über⸗ raschend erscheinen. Ungeachtet des Wunsches der Verwaltung, die Interessen dieser Händler nicht zu schädigen, erhielten die

Zollbehörden die Weisung, daß die bis jetzt gewissen Industrien

bewilligten Erleichterungen unwiderruflich vom nächsten 1. No⸗ vember an unterdrückt werden.

9. September, Abends. (W. T. B.) Minister⸗ Präsident Freyeinet empfing heute den chinesischen Botschafter Tseng.

Italien. Rom, 10. September. (W. T. B.) „Popolo Romano“ erklärt die von radikalen Blättern namentlich aus Rom und Mailand veröffentlichte Nachricht, daß der rus⸗ sische Botschafter Baron Uexküll⸗Gyllenbandt dem Mi⸗ nister des Auswärtigen, Grafen Robilant, das Be⸗ dauern der russischen Regierung wegen der Haltung des italienischen Kabinets bei den bulgarischen Ereignissen aus⸗ gedrückt habe, für vollständig unbegründet.

Bulgarien. Sofia, 9. September. (W. T. B.) Das amtliche Blatt veröffentlicht einen vom 6. d. M. datirten fürstlichen Befehl, durch welchen das Infanterie⸗ Regiment Strumsky und das erste Artillerie⸗Regi⸗ ment aufgelöst und die Zöglinge der Militärschule

unter die verschiedenen Regimenter der Armee ver⸗ Zugleich wird die Vernichtung der

theilt werden.

der oben bezeichneten Regimenter angeordnet. ie auf Sonnabend anberaumt gewesene Eröffnung der kleinen Sobranje ist, da die Minister, welche den Fürsten

Alexander bis Turn⸗Severin begleitet haben, von dort erst

am Freitag Abend hierher zurückkehren werden, auf nächsten Montag verschoben worden.

9 (W. T. B.) Ein Telegramm der „Agence Havas“ meldet: Die Abdankungsproklamation des Fürsten Alexander ist den hiesigen Vertretern der Großmächte mit einem Schreiben des Fürsten zugestellt worden, in welchem derselbe die Noth⸗ wendigkeit darlegt, Angesichts der durch die auswärtige Politik

verursachten Schwierigkeiten die Regierung niederzulegen.

Der diplomatische Agent Rußlands erklärte den Ver⸗ tretern der anderen Mächte gelegentlich eines denselben abgestatteten Besuchs: er halte sich, um jede irrige Auslegung der Proklamation des Fürsten fernzuhalten, zu dem Hinweis verpflichtet, daß die russische Regierung aus Gründen, welche den Bulgaren so wenig wie dem Fürsten verborgen seien, in Stipulationen über die Ab⸗

dankung mit dem Fürsten nicht habe eintreten können, und

daß, wenn der Fürst sich für ermächtigt gehalten habe, jene auf das Verhältniß 9 Rußland bezüglichen Worte einschalten zu können, dies aller Wahrscheinlichkeit nach geschehen sei, weil er sich der uneigennützigen Absichten erinnert habe, die die russische Regierung jederzeit in Bezug auf Bulgarien gehegt habe und die zu wiederholten Malen dem Lande wie dem Fürsten von ihr versichert worden seien.

1 Die „Polit. Korresp.“ meldet aus Sofia von heute: Der dortige diplomatische Agent Englands, Lascelles, sei

nach London berufen und werde sich ehebaldigst dorthin begeben.

Deutschlands.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 9. September. (W. T. B.) (Verspätet eingetroffen) Das „Jou rnal de St. Péötersbourg“ findet durch die Abreise des Fürsten Alexander aus Bulgarien die Hauptschwierigkeit beseitigt. Bulgarien bedürfe nach den Krisen, welche es durchgemacht habe, vor Allem der Ordnung und der Ruhe nach Außen wie im Innern. Rußland denke nicht daran, die von ihm für die bulgarische Nation gewonnene Unabhängigkeit

u vermindern. G 10. September. (W. T. B.) Dasselbe Blatt be⸗ Proklamation des Fürsten

spricht den Text der s 1 d sagt, es sei darin die Rede von Versiche⸗ Alexander und sagt, es sei .

rungen, welche Rußland dem Fürsten ertheilt habe. erklärt demgegenüber, aus Gründen, auf welche man nicht näher einzugehen brauche, habe die russische Regierung keinerlei Verpflichtungen dem Fürsten gegenüber ein⸗ gehen können. Angesichts des gegenwärtigen Streites der Parteien und der daraus folgenden Erregtheit der Gemüther seien indessen die russischen Agenten in Bulgarien angewiesen worden, der Bevölkerung mitzutheilen, daß die Kaiserliche Regierung bereit sei, ihren ganzen Einfluß geltend zu machen, um die Parteien wieder mit einander zu versöhnen und die Ruhe wieder herzustellen, und daß sie zu diesem Zwecke sich nicht weigern werde, einer provisorischen Regierung ihre Unterstützung zu leihen, welche in legaler Weise eingesetzt sei, die es verstehe, nicht Partei⸗Interessen, sondern die Interessen des allgemeinen Wohles des Landes zu verfolgen, und die sich endlich bemühen werde, den Uneinigkeiten ein Ende zu machen, unter deren schmerzlichen Folgen Bulgarien schon zu viel habe leiden müssen. Es sei zu wünschen, daß die bulgarische Nation und ihre Vertreter diese Rathschläge zu würdigen wissen und darnach handeln würden.

Dänemark. Kopenhagen, 9. September. (W. T. B.) Die Königin von Griechen land ist in Begleitung des Großfürsten Alexis Vormittag hier eingetroffen. Nach Begrüßung der Königlichen Familie begab sich der Großfürst an Bord der „Derjawa“.

Zeitungsstimmen.

In einem Artikel, welcher die Ueberschrift trägt: „Die nationale Einung und das Wirthschaftsleben Deutschlands“ äußert sich die „Post“ folgendermaßen: 1

81 Antonin Proust, weiland Minister der schönen Künste, hat das Ergebniß seiner, mit für einen Franzosen bemerkenswerthen Ob⸗ jektivitaät in Deutschland unternommenen Studien in dem Ausspruche zusammengefaßt: daß Deutschland das Bild allseitiger energischer Thätigkeit auf wirthschaftlichem Gebiete darbietet, und daß diese Thätigkeit in keiner Weise mehr eine wesentlich reproduktive, sondern eine von eigenen Gedanken geleitete, wahrhaft schöpferische ist. Dieser Ausspruch, welcher sich auf die Betrachtung des wirthschaftlichen und praktischen Lebens in Deutschland selbst gründet, bildet eine werthvolle Ergänzung derjenigen nament⸗ lich englischen Urtheile, welche so beredtes Zeugniß ablegen von dem energischen und erfolgreichen Mitbewerb, in welchen der deutsche Handel und die deutsche Industrie auf dem Weltmarkte ein⸗ getreten sind. Es ergiebt sich aus den Urtheilen des Auslandes, welche aus dem Grunde sicher auf thatsächlicher Unterlage beruhen, weil die Neigung, uns zu schmeicheln auch nicht entfernt vorausgesetzt werden kann, das Gesammtbild einer energischen Kraftentwickelung auf dem wirthschaftlichen Gebiete, welche auch gegen die allgemeine Stockung in der Weltwirthschaft anzukämpfen trachtet und ohne Zweifel viel dazu beiträgt, daß die Rückwirkungen der nunmehr so lange an⸗ dauernden Krisis, so schwer sie auch auf manchen Erwerbskreisen lasten, im Großen und Ganzen sich in Deutschland vergleichsweise minder stark fühlbar machen, als bei seinen Nachbarn.

Forschen wir der Ursache des von dem Auslande übereinstimmend konstatirten Aufschwunges der industriellen und wirthschaftlichen Kraft Deutschlands nach, so sind für die Beurtheilung zwei Momente von entschiedener Bedeutung. Die Geschichte Deutschlands lehrt uns, daß die Blütheperioden gewerblicher und industrieller Thätigkeit regelmäßig an Zeiten nationaler und politischer Erhebung, an Zeiten lebendiger, wenn auch nicht immer erfolgreicher Einheits⸗ bestrebungen, wie an die Hohenstaufenzeit, die Zeit der Reformation, sich anschließen, während die Zeit des staatlichen Verfalls und der Versumpfung des deutschen Nationalbewußtseins zugleich eine Zeit tiefsten Niederganges der wirthschaftlichen Kraft Deutsch⸗ lands bedeutet. Prüfen wir ferner, was in der Entwickelung Deutsch⸗ lands in der jüngsten Zeit von derjenigen seiner Nachbarstaaten ab⸗ weicht und daher als treibende Kraft einer entschlossenen Vorwärts⸗ bewegung auf wirthschaftlichem Gebiete, welche zeitlich mit Stagna⸗ tion oder gar Rückgang in der Entwickelung der Nachbarländer zu⸗ sammentrifft, anzusehen wäre, so ergiebt sich vor allem die Wiederher⸗ stellung der deutschen Einheit und die darauf gegründete Macht Nimmt man beide Momente, die Ergebnisse des Rück⸗ blicks in die eigene Geschichte Deutschlands und des Umblicks in der Gegenwart, zusammen, so wird man nicht daran zweifeln können,

daß die Wurzeln der energischen Lebensthätigkeit, welche das deutsche

Volk auf industriellem und kommerziellem Gebiete an den Tag legt, in der politischen Entwickelung der jüngsten Zeit ruhen. Sie ist die Frucht der glorreich errungenen nationalen Einheit, und zwar hat nicht nur dieses Endergebniß der preußisch⸗deutschen Politik der Zeit von 1863 bis 1870, sondern vor Allem auch die glorreiche Art, in welcher das Ziel errungen wurde, dazu gedient, dem nationalen Geiste die auf jenen Wirthschafts⸗ gebieten bethätigte Spannkraft wiederzugeben. Weit davon entfernt, die wirthschaftliche Kraft der Nation zu lähmen, stärkt die kriegerische Rüstung, welche sie zur Wahrung und Erhaltung der Einheit und Macht trägt, augenscheinlich die Leistungsfähigkeit auf dem Gebiete friedlichen Wettbewerbs. Jedenfalls aber finden die persönlichen und finanziellen Opfer, welche das deutsche Volk seiner Einheit zu bringen sfcsgegtet ist, in der aus derselben entspringenden Erneuerung und auf⸗ teigenden 1““ seiner produktiven und erwerbenden Kraft einen mehr als ausreichenden Ausgleich.

„Dürfen wir daher in der deutschen Einheit, deren Herstellung die Feier des Sedantages gilt, zugleich die treibende Kraft eines gesunden Aufschwunges auf dem Gebiete wirthschaftlichen Schaffens begrüßen, so widerlegt die Thatsache dieses Aufschwunges zugleich in schlagender Weise die Behauptung, mit welcher die Richter'sche Presse den Sedantag als eine Quelle wachsender Enttäuschung darzustellen beliebte. Denn wäre unser Volk über der Sorge in der Herstellung und Erhaltung der Einheit in der That in Unfreiheit versunken, lastete auf der Nation wirklich der Druck schwerer Beeinträchtigung der individuellen Freiheit, so würden auch die Voraussetzungen für den kräftigen Aufschwung nationaler Handelsthätigkeit, welche den Neid und die Besorgniß des Auslandes erregt, gefehlt haben. Dieser zeugt vielmehr von einer gesunden politischen Entwickelung, welche im Großen und Ganzen mit dem nothwendigen Maße von Ordnung das zur Entfaltung der nationalen Kraft dienliche Maß von Freißeit verbindet. Freilich darf man unter sntett nicht das parlamentarische Regiment einer von Herrn Eugen Richter dominirten Majorität verstehen. Wer die dfätsch⸗ Einheit wesentlich als Sprungbrett auffaßt, vermöge dessen die freisinnige Partei sich zur Herrschaft oder vielmehr zu der ihres Führers aufschwingen könnte, wird freilich wachsende Enttäuschung zu verzeichnen haben und an der nationalen Festfeier nicht Theil nehmen können. Für diese erhabene Auffassung des tieferen Sinnes für

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Einheitsbestrebungen ist das deutsche Volk aber augenblicklich noch nicht reif; es feiert an dem Gedenktage der Wiederherstellung seine

Einheit mit Recht zugleich die Sprengung der Fesseln, welche die

Entfaltung seiner wirthschaftlichen Kraft hinderten. Die „National⸗Zeitung“ schreibt:

Bemerkenswerth für uns ist die Gelassenheit, womit in der freien

Schweiz die Erhöhung der Einnahme vom Branntwein allseitig er⸗ strebt wird. Der Ankaufspreis des Rohspiritus soll, wenn er zu Trink⸗ branntwein verarbeitet werden kann, dort 60—70 Fr., der Verkaufz, preis 160 170 Fr., die Steuer also 100 Fr. oder 80 sein. Als bei uns die Nationalliberalen sich zu bewilligen, war dies den fortschrittlichen Agitatoren zufolge ein

unerhörtes Beginnen; und selbst die 25 ℳ, zu denen das Centrun

sich verstehen wollte, burden für einen Verrath am „Schnaps des armen Mannes“ erklärt. So weit die schweizerische Presse uns vor⸗ liegt, finden wir nicht, daß dort irgend jemand vor den 100 Fr. Branntweinsteuer erschrickt.

Armee⸗Verordnungs⸗Blatt. Nr. 21. Inkhalt. Bekleidungssack für Trainfahrer. Führung ausländischer Fürsten in der Rangliste. Herausgabe neuer Vorschriften über das Turnen der Infanterie. Ranglisten für Eisenbahn⸗Truppen. Bestellung von Amtskautionen. Veränderungs⸗Nachweisung Nr. 2 zum Nament⸗ lichen Verzeichniß der für die Dauer des zur Zeit bekleideten Haupt⸗ amts zu Vorsitzenden (bezw. Stellvertretern der Vorsitzenden) der Schiedsgerichte im Bereich der preußischen Heeresverwaltung ernann⸗ ten Militär⸗Beamten. Veränderungs⸗Nachweisung Nr. 1 zun Namentlichen Verzeichniß der ernannten und gewählten Beisitzer der Schiedsgerichte Aufnahme von Bekanntmachungen in den „Reichs⸗ und Staats⸗An⸗ zeiger.“ Erziehungsbeihülfen für bedürftige Töchter verstorbener deutscher Offiziere. Bekleidungs⸗Entschädigung für Offizier⸗ Aspiranten des Beurlaubtenstandes. Preistarife über Fabrikate . 1) der Artillerie⸗Werkstätten, 2) des Feuerwerks⸗Laboratoriums zu Spandau, 3) der Geschützgießerei zu Spandau, bezw. der Geschof⸗ Fabrik zu Siegburg. Die 3,7 em Revolverkanone der Land⸗Artil⸗ lerie und ihre Munition, nebst Vorschriften über Behandlung und Instandhaltung. Aenderung der Landwehrbezirks⸗Eintheilung.

Statistische Nachrichten.

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche von

29. August bis incl. 4. September cr. zur Anmeldung gekommen: 165

Eheschließungen, 901 Lebendgeborene, 31 Todtgeborene, 906 Sterbefälle

Aus den zufolge Bundesraths⸗Beschlusses vom 16. Oktober 1884 aufgestellten Uebersichten über die der Aufsicht des Magi⸗ strats der Stadt Breslau unterstellten Orts⸗, Betriebe⸗

(Fabrik⸗) und Innungs⸗Krankenkassen für das Kalenderjalt

1885 theilen wir nachstehende Angaben mit. Unter den 92 im Be⸗ richtsjahre bestehenden Krankenkassen überhaupt, welche am Jahres⸗ anfang 34 112 (darunter 9234 weibliche), am Jahresschlusse aber 42 621 Mitglieder (davon 10 252 weiblichen Geschlechts) hatten, be⸗ fanden sich 54 Orts⸗Krankenkassen, 37 Betriebskassen und eine In⸗ nungs⸗Krankenkasse. Erstere hatten im Mittel des Jahres 32 bezw. 5920 Mitglieder aufzuweisen, die Kasse der Fischer⸗Innung deren 23. Auf 1 Krankenkasse überhaupt entfielen 463, auf 1 Orts⸗ Krankenkasse 678 und auf 1 Betriebs⸗ (Fabrik⸗) Krankenkasse 167 Mitglieder. Auf 1000 Mitglieder aller 92 Kassen kamen im Mittel des Jahres 409 Erkrankungs⸗ und 12 Todesfälle, und zwar 402 bemm. 13 beim männlichen und 430 bezw. 10 beim weiblichen Geschlechte. Die Sterblichkeitsziffer ist also unter den weiblichen Kassenmitgliedem wesentlich geringer als unter den männlichen (und zwar it der Unterschied zu Gunsten der weiblichen Mitglieder bei den Betriebskassen größer als bei den Ortskassen), dagegen die Häufigkeit der Erkrankung wesentlich größer. Auf 1 Erkrankungsfall entfielen durch⸗ schnittlich 15,6 Tage (bei den weiblichen Mitgliedern 15,7), bei den Ortskassen 15,7 und bei den Betriebskassen 14,9. Die Beiträge per Mitglied und Jahr stellten sich (abzüglich des Beitragsdrittels der Arbeitgeber) in den Ortskassen auf 7,9 und in den Betriebskassen auf 11,4 ℳ, im Mittel für sämmtliche 92 Kassen auf 8,5 ℳ. Während die Summe der Einnahmen bei den Ortskassen 395 928, bei den Bo⸗ triebskassen 108 179 betrug, belief sich die Summe der Ausgaben auf 327 236 bezw. 95 541 ℳ; an Kassenbestand am Jahresschlusse kamen im Durchschnitt auf eine Ortskasse 4004 ℳ, auf eine Beo⸗ triebskasse 3037 ℳ, auf eine Kasse überhaupt 3578 Es entfallen auf 1 Mitglied im Jahresmittel an Verpflegungskosten Verwaltungskosten

Ausgaben überhaupt

0,6 v 8 v Kranken⸗ Sterbe⸗ geld geld bei den 92 Krankenkassen überhaupt 4,9 0,8 54 Ortskrankenkassen 18 4 37 Vetriebskrankenkassen 6,3 1,2 8,3 VVergleicht man die auf 1 Mitglied reduzirten Leistungen der Kassen (exkl. Verwaltungskosten) mit den oben angegebenen Beitrags⸗ quoten der Mitglieder, so stellt sich die Mehrleistung der Kassen bei 51 ö1““ gering (0,2 ℳ), bei den Betriebskassen recht hoch Summarische Uebersicht über die Zahl der Studirenden auf der Königlichen Friedrich⸗Wilhelms⸗Universität zu Berlin im Sommer⸗Semester 1886. A. Im Winter⸗Semester 1885/86 sind immatrikulirt gewesen 5192. Davon sind a. verstorben 4, b. abgegangen 1) mit Exmatrikel 1716, 2) auf Grund einer Ar⸗ zeige 58, c. weggegangen ohne sich abzumelden und daher gestrichen 33, d. gestrichen auf Grund des §. 13 der Vorschriften für die Studirenden ꝛc. vom 1. Oktober 1879 —, e. gestrichen aus sonstigen Gründen 18, zusammen 1829. Es sind demnach geblieben 388, dazu sind in diesem Semester gekommen 1071, die Gesammtzall der immatrikulirten Studirenden beträgt daher 4434. Die thee⸗ logische Fakultät zählt: 521 Preußen, 85 Nichtpreußen, zusammen 606; die juristische Fakultät zählt: 685 Preußen, 202 Nichtpreußen, zusammen 887; die medizinische Fakultät zählt: 962 Preußen, 213 Nichtpreußen, zusammen 1175; die philosophische Fakultat zäͤhlt: a. 668 Preußen mit dem Zeugniß der Reife eines Gymnasiums, b. 379 Preußen mit dem Zeugniß der Reife eines Realgymnasiums c. 338 Preußen ohne Zeugniß der Reife, zusammen 1385, d. 381 Nichtpreußen, in Summa 1766, sind obige 4434. B. Außer diesen immatrikulirten Studirenden sind zum Hören der Vorlesungen be⸗ rechtigt: 1) nicht immatrikulirte Preußen und Nichtpreußen, welche vom Rektor die Erlaubniß dazu erhalten haben, 110, 2) Studirende der militärärztlichen Bildungs⸗Anstalten 229, 3) Studirende der Technischen Hochschule 631, 4) Studirende der Berg⸗Akademie 110, 5) Studirende der landwirthschaftlichen Hochschule, welche im Bestt des Berechtigungsscheins zum dan wnige Militärdienst sind 115 6) Studirende der Akademie der Künste 137, zusammen 1332; die Gesammtzahl der Berechtigten ist mithin 5766.

10,1 2 18,1 Aerztliche Behandlung 1,7

Arzenei

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Zwei berühmte Chefs der preußis Zieten— 1 Prinz Friedrich Carl b EE1“ Hans Foachim von Zieken. Für Alt und Jung erzählt von A. Brün, sicke. (Rathenow, Verlag von Max Babenzien). Der Lebenslauf beider beliebter Husaren⸗ enerale ist ansprechend und ausführlich er zählt und uch auch mit hübschen Illustrationen geschmückt, schien⸗ Im V erlage der Fr. Lintz'schen Buchhandlung zu Trier er ien soeben; „Rheinisches Provinzial⸗Handbuch. II. Jalr⸗ N

gang 1886/‚87. (Abgeschlossen 1. August 1886.) den Mitt

bereit zeigten, 60

dorf,

im Bereich der preußischen Heeresverwaltung.

wenden; der

lungen der Reichs⸗, Staats⸗ und Kommunalbehörden ch provinz bearbeitet. (Preis gebunden 5 ℳ) Das Rheinische rovinzial⸗Handbuch“ erscheint in der vorliegenden Schrift in seinem 3. Jahrgange, hat hinsichtlich des Zweckes und der inneren Anordnung keine Veränderung erfahren und somit folgenden Inhalt: Königliches Haus, Reichsbehörden, Oberste Staatsbehörden in Preußen. Rheinprovinz: Militär⸗Kommandos, militärische Institute, Land⸗ wehr⸗Bezirks⸗Eintheilung und Gendarmerie in der Rhein⸗ provinz. A. Provinzialbehörden (Ober⸗Präsident der Rhein⸗ provinz zu Koblenz. Unter Leitung beziehungsweise Ober⸗ aufsicht des Ober⸗Präsidenten stehende Behörden: I. Rheinstrom⸗ bauverwaltung und Rheinschiffahrtspolizei; II. Königliches Medizin⸗

Kollegium in Koblenz und Ressort; III. Rheinisches Provinzial⸗Schul⸗

kollegium, Koblenz; IV. General⸗Kommissionen; V. Verwaltung der indirekten Steuern; VI. Königliche Regierungen zu Koblenz, Düssel⸗ Trier, Aachen; VII. Königliche Direktion der Rentenbank zu Münster; VIII. Königliche Schloßverwaltungen, welche nicht unter dem Ober⸗Präsidium stehen; IX. Staatsarchive in der Rheinprovinz; X. Besondere zum unmittelbaren Ressort des Ober⸗Präsidenten ge⸗ hörige Angelegenheiten in der Rheinprovinz; XI. Provinzial⸗ verband der Rheinprovinz). B. Justiz⸗Behörden (Ober⸗Landes⸗ gerichte in Köln, Hamm und Frankfurt a. M., nebst den dazu gehörigen Landgerichten). C. Akademische Hochschulen. D. Geistliche Behörden, Kirchen⸗ und Religions⸗Gesellschaften. E. Berg⸗Behörden. F. Post⸗ und Telegraphen⸗Verwaltung. G. Eisen⸗ bahnbehörden. H. Fabrikinspektoren (Gewerberäthe). I. Reichs⸗ Bankverwaltung in der Rheinprovinz. K. Königlich Rheinisches Landgestüt zu Wickrath. L. Königliche. Landwirthschaftsschulen. M. Gewerb. Fortbildungsschulen. N. Königlich Preußische bestellte Lotterie⸗Einnehmer. Eintheilung der Regierungsbezirke. Flächeninhalt und Einwohnerzahl der Rheinprovinz. Alphabetisches Verzeichniß der Städte der Rheinprovinz. Alphabetisches Inhalts⸗Verzeichniß. Wir bemerken schließlich noch, daß bei Abfassung des vorliegenden Werkes auf möglichste Vollständigkeit und Richtigkeit die größte Sorgfalt verwandt und daß nicht allein von Seiten des Ober⸗ Präsidenten, sondern auch von allen übrigen Reichs⸗, Staats⸗ und Kommunalbehörden der Rheinprovinz mit dankenswerther Bereit⸗ willigkeit das erforderliche Material hierzu mitgetheilt worden ist.

Die Festrede zur fünfhundertjährigen Jubelfeier der Ruprechts⸗Karls⸗Hochschule zu Heidelberg hat bekannt⸗ lich der ordentliche Professor der Philosophie Dr. Kuno Fischer gehalten während der Feier zum Wirklichen Geheimen Rath mit dem Prädikat Excellenz ernannt. Bei den akustischen Verhältnissen, unter denen der Redner sprechen mußte, haben nicht alle Zuhörer die Worte gehört, eine große Zahl, welche zu hören wünschte, fand in den Zuhörerraum nicht mehr Eingang; daher ist jetzt diese Rede für weitere Kreise in mustergültiger Ausstattung, gedruckt auf elegantem weißem Velinpapier, in Carl Winters Universitäts⸗Buchhandlung bereits in zweiter Auflage erschienen (gr. 80 S. 98). Der Verfasser hat manche Stelle, welche wegen der Zeitbeschränkung wegbleiben mußte, in dem Abdruck weiter ausgeführt.

Gewerbe und Handel.

Nach dem Jahresbericht der Posener Sprit⸗Aktiengesell⸗ schaft wurden circa 9 320 000 1 à 100 % rektifizirt. Der Brutto⸗ gewinn beträgt 397 827 und der Reingewinn 181 265 Der

Aufsichtsrath schlägt der Generalversammlung vor, 40 990 auf

c. abzuschreiben, ferner 20 000 als außerordentliche Abschreibung auf Grundstücks⸗Conto zu ver⸗ Reservefonds erhält 6013 ℳ, für Tantièmen werden 14 432 verwendet und die Aktionäre erhalten 6 ½ % Dividende. Außerdem sollen 35 108 zur außerordent⸗ lichen Dotirung des Reservefonds und 15 000 zur Bildung eines Deleredere⸗Conto verwendet werden. Der Bericht bemerkt, daß diese Rücklagen zur Verstärkung des Betriebsfonds nothwendig sind. Aus dem Gewinn⸗ und Verlust⸗Conto bemerken wir, daß der Gewinn auf Sprit⸗Conto 397 827 beträgt und für Miethen 3008 verein⸗ nahmt wurden. Auf zweifelhafte Außenstände wurden 22 000 ab⸗ geschrieben. Der Bestand an Sprit und Spiritus betrug am 30. Juni 436 179 Um im inländischen Geschäft konkurrenzfähig zu bleiben, hat die Verwaltung Bassinwagen zum Transport von Sprit und Spiritus auf Eisenbahnen angeschafft und dafür 13 903 veraus⸗ gabt, aber bereits 25 % darauf abgeschrieben

Wien, 10 September. (W. T. B.) Die „Presse“ veröffent⸗ licht eine Mittheilung der Wiener Unionbank, welcher zufolge zur Durchführung der von der letzten Generalversammlung beschlossenen Kapitalreduktion, vom 15 September ab je drei alte Aktien in eine neue Aktie zu 200 Fl. nominal und ein Certifikat umgetauscht werden sollen, gegen welches letztere dem Ueberbringer der Antheil aus dem Reinerlöse bezahlt wird, welcher sich aus der Verwerthung der dem Spezialfonds überwiesenen dubiosen Aktivbestände ergiebt.

London, 9. September. (W. T. B.) Wollauktion. Stimmung sehr fest, anziehende Preise.

Bradford, 9. September. (W. T. B.) Wolle stramm unter dem Einfluß der Londoner Auktion, feine Halbwollen am meisten gestiegen, 2fädige Garne 1 höher, Stoffe besser.

Verkehrs⸗Anstalten.

Ueber die Berliner Stadtbahn schreibt der „Berl. Act.“: Als am 7. Februar 1882 die Berliner Stadtbahn dem öffentlichen Verkehr übergeben wurde, erregte der große Bau allgemeine Bewun⸗ derung. Es wurde zwar von vornherein betont, daß das immense Anlagekapital sich zunächst gewiß nicht angemessen verzinsen werde, aber man erwartete, daß es mit der Zeit gelingen werde, die Bahn rentabel zu machen. Mit Vergnügen konstatiren wir nun heute, nach Ablauf einer längeren Betriebsperiode, daß der Verkehr sich thatsäch⸗ lich mehr und mehr hebt. Dem Publikum ist die Stadtbahn un⸗ entbehrlich geworden; die Verbesserungen im Betriebe, die fortgesetzt vorgenommen wurden, haben eine vortreffliche Organisation geschaffen, so daß der Berliner Verkehr ohne Stadt⸗ und Ringbahn eigentlich gar nicht mehr denkbar ist. Im ersten Jahre des Betriebes, 1882, wurden vereinnahmt:

Grundstück, Inventar ꝛc.

Vorortverkehr Fernverkehr M

820

Stadtverkehr

121 000 137 500 158 600 163 400 130 200 109 200 80 200

Februar

9 440 27 850 13 760 30 540 20 860

9 640 37 990 53 540 55 540 33 320

Juni August.. September. 95 700 20 360 66890 13 500 88 440 Schon in 1883 hat sich der Verkehr recht erfreulich weiter ent⸗ wickelt. In der nachstehenden Tabelle geben wir eine Aufstellung der in 1884, 1885 und 1886 erzielten Einnahmen der Stadt⸗ und Ring⸗ bahn (ausschließlich des Vorort⸗ und Fernverkehrs). Es erbrachten: 8 1884 116“; n1““ d 1 153 760 Februar 8 34 336 März. 54 012

April

Mai Juni 241 206 221 965 Z“ 205 022 221 870 11“*“ September 191 982 ktober. 143 62 166 339 November 131 742 153 472 Dezember. 125 363 141 697

zusf. 2 019 240 2 189 395 Dieses Tableau zeigt deutlich die stetige Entwickelung des Ver⸗ vehr, von der man für die Zukunft noch Bedeutendes erwarten darf, a die Bebauung der längs der Stadtbahn an der Peripherie der

in der Rhein⸗

Stadt gelegenen Terrains ja eben erst beginnt, und gerade deren Be⸗ wohner in Zukunft auf die regelmäßige Benutzung der Stadtbahn in erster Reihe angewiesen sein werden.

Auf den Linien der Großen Berliner Pferde⸗Eisen⸗ bahn⸗Aktien⸗Gesellschaft sind im Monat August 1886 7412 040 Personen befördert und dafür 917 111,71 oder durch⸗ schnittlich npro Tag 29 584,27 eingenommen. Die Einnahme im August 1885 betrug 775 386,91 oder durchschnittlich pro Tag 25 012,48

Hamburg, 9. September. (W. T. B.) Der Postdampfer „Rhenania“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packetfahrt⸗ Aktiengesellschaft ist, von Hamburg kommend, heute in St. Thomas eingetroffen.

Triest, 9. September. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Espero“ ist heute Nachmittag auss Konstantinopel hier ein⸗ getroffen. 11 ““

11““ Portugal.

Durch eine am 1. September 1886 veröffentlichte Verfügung des Königlich portugiesischen Ministeriums des Innern sind die Cap⸗Verdischen Inseln für rein von Cholera erklärt worden. (Vergl. „Reichs⸗Anzeiger“ Nr. 208 vom 4. September d. J.)

Berlin, 10. September 1886.

Von dem Grimm'schen Deutschen Wörterbuch liegt eine weitere Lieferung vor: die achte des 7. Bandes, enthaltend die Artikel „Orgelwoge“ bis „Pelzeflatterer“ und bearbeitet von Dr. M. Lexer. Dieser Theil des Buchstaben O ist besonders reich an Lehnworten aus fremden Sprachen, außer dem Worte Orgel, dessen Composita in dem Heft zu Ende gebracht werden. Orgie, Orient (aus lateinischem oriente sole) nebst Zusammensetzungen, Original und originell mit Verwandten, Orkan, Ornament, Ornat. „Orkan“ ist erst nach der Entdeckung Amerikas in die abendländischen Sprachen übergegangen und soll aus dem Karaibischen stammen (spanisch: huracan, französisch: ouragan). „Orlog“ ist die niederdeutsche Form des mittelhochdeutschen urliuge, urlouge: Krieg, daher „Orlogschiff“ soviel wie Kriegsschiff. Ein altes germanisches Wort mit höchst interessanter Weiterentwicke⸗ lung des Begriffs ist „Ort“. Die Grundbedeutung war „Schneide“, „Spitze“; daraus haben sich ähnlich wie bei den sinnverwandten „Ecke“ und „Ende“ die übrigen Bedeutungen entwickelt. Den Grund⸗ begriff zeigt es u. a. im Nibelungenliede, wo von den „ort der swert“ gesprochen wird; aber auch noch heute heißt die Schusterahle in ober⸗ und mitteldeutschen Gegenden der „Ort“ (Diminutiv: Oertel). Dann nimmt das Wort die Bedeutung „Ecke“, „Winkel“ an, worin ja ebenfalls noch die Vorstellung des Scharfen, Schneidenden liegt, da sich in dem Endpunkt zwei Linien schneiden und eine Spitze bil⸗ den; daher „auf ein Ort“ soviel wie „bei Seite“. Da zwei sich schneidende Linien vier Ecken oder Winkel (Orte) bilden, so bezeichnet „Ort“ auch den vierten Theil wovon, zunächst den vierten Theil einer Münze (ursprünglich eines Kreuzers, der durch ein Kreuz in vier Orte getheilt war; ein „Ortsgulden“: ein viertel Gulden ꝛc.), sodann auch übertragen auf Maß und Gewicht, oder überhaupt ein Stück, Theil. Der Begriff „Spitze“, „Ecke“ geht dann über in jenen des örtlichen oder zeitlichen Anfangs⸗ oder Endpunkts, im weiteren Sinne des vorderen oder hinteren Endes, der Grenze, des Randes, der Seite; daher die Redens⸗ art: „von Ort zu Ende“ oder umgekehrt. In der Sprache der Berg⸗ leute ist „Ort“ das Ende eines Grubenbaues, dann auch ein strecken⸗ artiger Bau im Gegensatz zum Schacht; „vor Ort“ heißt also soviel wie „am Ende eines Grubenbaues, am Arbeitspunkte“ (davon auch: Orten, örtern, Oerterbau). Der Begriff von End⸗ und Anfangs⸗ punkt dehnt sich jedoch schon in mittelhochdeutscher Zeit zu dem Begriff eines festen Punktes oder Theils im Raume, eines Stand⸗ punkts und Platzes, einer Stelle und Stätte. Im Neuhochdeutschen endlich erweitert sich der Sinn des Worts in den eines zu einer Wohnungs⸗Gesammtheit abgeschlossenen Raumes oder eines an⸗ gebauten und bewohnten Landtheils, Schloß, Burg, Dorf, Flecken, Stadt. Die weitere vielgestaltige Entwickelung des Begriffs erforderte nebst dem Verzeichniß der Verwandten 18 Spalten und ist durch viele Belegstellen aus Poesie und Prosa illustrirt. Auf die Urbedeutung von „Ort“: Spitze zurück deutet „Ortband“: das eiserne oder blecherne Band, der Beschlag an der Spitze der Schwertscheide; später verderbt in „Ohrband“. „Oertern“, nach allen Seiten hin genau untersuchen, erwägen, von Luther sehr viel gebraucht, ist jetzt veraltet, aber noch in „erörtern“ erhalten. „Ortkeller“ heißt in Hamburg ein Keller, der an der Ecke einer Gasse liegt. „Ost“ ist aus derselben Wurzel aus hervorgegangen wie 5 G (Sanskr. usha), die Morgenröthe. „Oster“, „Ostern“ (den Singular kennt die Schriftsprache nur noch in Zusammensetzungen, wie „Oster⸗ abend“, „Osterei“) ist ein altes westgermanisches Wort, althochdeutsch ôstara, welchem das altgermanische austrõ (von aust, ost) zu Grunde liegt, sodaß der Begriff der Morgenröthe, des aufsteigenden Tages⸗ lichts zunächst auf die Zeit des Wiedererwachens der Natur, des Früh⸗ lings, dann auf das in dieser Zeit gefeierte christliche Auferstehungsfest (nach welchem Karl der Große den April Ostermonat be⸗ nannt hat) übertragen worden ist. Die deutsche Frühlings⸗ göttin „Ostara“ ist, nach Lexer, nur eine Muthmaßung, die sich auf die Angaben Beda's („De temporum ratione“) stützt, welcher von einer angelsächsischen Göttin „Eostre“ meldet. In den Artikeln „Osterei“, „Osterfeuer“, „Ostermärchen“, „Oster⸗ gelächter“ ꝛc. werden zugleich die mannigfachen, an das Osterfest ge⸗ knüpften Gebräuche erklärt. „Osterlinge“ hießen einst die nach der Ostsee handeltreibenden Hanseaten. „Otter“ in der Bedeutung „Fisch⸗ otter“ bezeichnet ein Wasserthier und ist mit griechischem „hydra“ verwandt. Das andere gleichnamige Wort ist aus niederdeutschem „Adder“, hochdeutsch „Natter“, durch Trübung des a in o entstanden „Orhoft“ ist übernommen aus niederländischem „Okshoofd“, und wahrscheinlich auf das gleichbedeutende englische hogshead, Schweins⸗ kopf, zurückzuführen; denn „Ochsenhaupt“, womit es sonst auch erklärt wird, könnte etymologisch richtig im Niederländischen nur „Oshoofd“ lauten. Den Buchstaben P leitet der Artikel „Paar“ (aus lateinischem par) ein. Auf völligem Mißverständniß beruht die Redensart „zu Paaren treiben“, denn eigentlich ist gemeint: „zum Barren“ (zum Parn), also Jemanden zu seiner Krippe treiben, wie ein Thier, das aus dem Stalle entflohen ist. „Pacht“ ist ebenfalls lateinischen Ur⸗ sprungs und aus pactus entstanden, daher richtiger mit männlichem Artikel. Es folgen „Pack“, „packen“ ꝛc. „Pagode“, das wir auf dem Umwege über das Französische erhalten haben, lautet richtig sanskri⸗ tisch: bhagavati. „Palast“ ist gegen Ende des 11. Jahrhunderts aus altfranzösischem Palais (mittelalterlich⸗lateinisch: palacium) aufge⸗ nommen und lautet mittelhochdeutsch: das oder der Palas, auch schon Palast. Dem italienischen paletta (Diminutiv von pala, die Schaufel) ist „Palette“ entlehnt. „Pallasch“ ist russisch und bedeutet ein langes, breites, einschneidiges Schwert. Dem Lateinischen (palma) entnommen ist „Palme“, dem Griechischen „panisch“: unter „panischem Schrecken“ (xaενν desza, französisch panique) verstand man einen ohne sicht⸗ bare Veranlassung entstandenen, wie man glaubte von dem Wald⸗ und Hirtengotte Pan herrührenden Schrecken, besonders beim Heere. Das Wort „Pantoffel“ hat schon das frühe Neuhochdeutsch aus italienischem pantofola sich angeeignet; der Ursprung des letzteren ist jedoch bis jetzt noch nicht erklärt. Der Pantoffel ist das Symbol der ebiFcürst namentlich der Hausfrau; der Tritt auf den Fuß oder Schuh war Symbol der Besitzergreifung und hat sich auch als aber⸗ gläubischer Gebrauch bei der Eheschließung noch erhalten, ebenso wie viele sprichwörtliche Redensarten. Es folgt dann „Panzer“ mit Ver⸗ wandten. „Papagei“ stammt aus dem Altfranzösischen, weiter zurück aber ließ sich sein Ursprung nicht verfolgen. Interessante Artikel sind die über „Papier“, „Pappe“, „Pappel“ (mittelhochdeutsch = Malve, erst später auch Bezeichnung des Baumes, populus), „Papst“ althochdeutsch bei Notker „babes“, ist auf alt⸗

1

v““

französisches papes zurückzuführen; ebenfalls französisch ist „Parade“. „Paradies“ stammt mit dem hebräischen pardês aus dem zendischen pairidaéza, Umhegung, Garten. „Park“ ist mit dem 9

lischen park aus französischem parc herübergenommen (davon „Pferch*). „Parlament“, parlement, hieß das oberste Reichsgericht in Frankrei dann die Reichs⸗ oder Stände⸗Versammlung. Worts „parole“ erklärt Diez aus dem mittelalterlich⸗lateinischen parabola (Gleichnißrede), als Ersatz für das lateinische verbum. das man aus Scheu vor seiner religiösen Bedeutung vermieden habe. „Paroli“ ist zu erklären aus „par au lit“, dem Satz (beim Spiele) gleich, bedeutet also eigentlich die Verdoppelung des ersten Satzes; daher „einem ein Paroli bieten“: ihm in gleicher oder noch überbietender Weise entgegentreten. „Partei“ hat eine lange Reihe Zusammensetzungen hinter sich. Kultur⸗ geschichtlich merkwürdig ist das Wort „Parteken“. den „Tischreden“: er sei ein „Partekenhengst“ gewesen, d. h. ein Currendschüler, der den Brotreihen gesungen und um Parteken, Almosen gebettelt (mit dem Ausruf: „partem“ oder „panem propter deum“). „Partie“ ist eigentlich eins mit „Partei“, dem man nur im 17. Jahrhundert die französische Form wiedergab (ähnlich Melodei, Pedanterei, Phantasei neben Melodie, Pedanterie, Phantasie) und es auf einzelne Bedeutungen des französischen Worts beschränkte. „Pasch“ ist entlehnt aus passe-dix, also eigentlich: „geh durch über 10, über⸗ schreite 10*, ein Spiel mit drei Würfeln, wobei der Wurf von mehr als 10, also mindestens 11 Augen, bei gleicher Augenzahl auf zwei Würfeln gewinnt. Wahrscheinlich ebenfalls von passer abzuleiten ist das Gaunerwort „paschen“ schmuggeln, die Grenze überschreiten; Weigand bringt dasselbe aber auch mit dem hebräi⸗ schen „pescha“, Uebertretung, Missethat, in Zusammenbang. Aus dem Russischen erhielten wir die Interjektion „Pascholl“, fort! Die Entstehung der Bezeichnung „Pasquill“ für eine anonyme Schmäh⸗ schrift aus dem italienischen pasquino ist zwar bekannt, aber in den neueren Encyklopädien bei weitem nicht so klar und anschaulich dar⸗ gelegt, wie in dem „Universal⸗Lexikon“ des alten Zedler aus der Mitte vorigen Jahrhunderts, welches Lexer citirt; bei ihm heißt es: „Die

7 8— 8

Die Herkunft des

Luther sagt in

Römer geben vor, daß ungefehr in der Mitte des 15. Jahrhunderts

in dieser Gegend der Stadt ein Schuhflicker oder, wie andere sagen, ein Schneider gewohnt, dessen Werkstatt gemeiniglich mit müßigen Leuten angefüllet gewesen, welche ihre Lust daran gehabt, wenn sie gehöret, wie er alle Leute wacker durchziehen können. Nach seinem Tode, da sein Haus niedergerissen worden, habe man unter der Erde eine unkenntliche Statue eines Fechters

gefunden, welches den Nachbarn Anlaß gegeben zu sagen, daß Pasquino

wieder erstanden sei. Daher als diese Statue aufgesetzt worden, habe man ihr diesen Namen beigelegt. 1 satyrische Schriften gehänget u. s. w.“ „passiren“ reiht sich dann weiter „Passion“. „Passionsblume“ hat ihren Namen erhalten, weil man in den einzelnen Theilen der Blüthe Bilder der Marterwerkzeuge Christi zu sehen meinte. „Pastell,“ pastello, heißt ein Malerstift aus Farbenteig, pasta. verwandt damit ist „Pastete“, pastata, von Auf „Paß“ ꝛc. folgt „Pathe“, oder „Pate“.

An Die

pastare, neten. Dieses Wort ist

An selbige werden oft bei Nacht die Artikel „passen“,

Ganz nahe

durch Apokope aus kirchenlateinischem pater entstanden: der das Kind

aus der Taufe hebende tritt zu demselben in geistige Verwandtschaft,

wird der geistliche Vater desselben. „Patent' ist ebenfalls lateinischer Herkunft (littera patens, offener landesherrlicher Brief, Befehl),

aber, wie so häufig, erst auf dem Umwege über das Französische zu

uns gekommen. Dasselbe gilt von dem Wort „Patrone“, französisch patron, vom mittelalterlich⸗lateinischen patronus, was so viel be⸗ deutete wie exemplar, Vorbild, Muster, Modell. Befremdlich aber erscheint, daß Lexer auch „Pauke“, was Stieler doch wohl richtig

von „Bauch“ herleitet, für nichtdeutschen Ursprungs hält und die

wenig befriedigenden Erklärungen Wackernagel's (Abkürzung aus latei⸗ nischem sambuca) und Weigand's (aus lateinischem buccina) anführt. Um so unanfechtbarer ist die fremde Herkunft von „Pause“, griechisch raobge. Zu der Entstehung des Wortes „Pavillon“ hat das Bild

eines dem fliegenden Schmetterling (papilio) ähnlich ausgespannten

Zelts Anlaß gegeben. wörtlichen Ausdrücken knüpfen sich seit alter Zeit an das siedende, klebende „Pech“ oder an die Farbe desselben. Siedendes Pech, das schon bei den Römern den Sklaven zur Marter auf den Leib geträu⸗ felt wurde, galt in christlicher Zeit als eine der Höllenstrafen und geradezu als Hölle, die man sich als einen mit brennendem Pech und Schwefel erfüllten Pfuhl vorstellte, worin die Seelen der Verdamm⸗ ten ewig brennen sollen. Die Redensart „Pech haben“ für „Unglück haben“ ist von dem Bilde des mit Vogelpech gefangenen Vogels her⸗ genommen, welcher Pech an den Federn hat. „Bis in die Pechhütte“, d. h. sehr lange, unendlich weit, immer fort, ist eine Leipziger Redensart. „Pedant“ bezeichnete im Piemontesischen einen Erzieher oder Hof⸗ meister und ist wahrscheinlich als Partizip eines in paedare romani- sirten griechischen acdeöse“ aufzufassen. „Pedell“ (Gerichtsbote, Universitäts⸗, Schul⸗Diener) sieht zwar fremd aus, ist aber ein altes deutsches Wort: bital, pital, bitel, wovon Büttel; wie das nun ein⸗ mal im Charakter des Deutschen liegt, das eigene und heimische zu verachten, hat er das Wort erst wieder zu Ehren aufgenommen, nachdem es die Toilette der lateinischen Form angelegt und in der Gestalt bidellus, bedellus ihm vornehmer geworden schien. „Pegel“, aus mittelalterlich lateinischem pagella bedeutete früher ein bestimmtes Flüssigkeitsmaß, das wie der „Paß“ in die Gefäßwand eingekerbt war, dann einen Wasserstandsmesser. Auf jene ältere Bedeutung zurück geht das obersächsische Zeitwort „bigeln“, zechen, auf die neuere „peilen“, mit dem Senkblei messen. „Pein“ ist das lateinische poena; der be⸗ treffende Artikel ist besonders citatenreich. „Peitsche“ haben wir aus böhmischem bié (polnisch bicz) entlehnt, ebenso „Pekésche“ (Ueberrock mit Schnüren und Quasten) aus böhmischem „bekes“ (Pelzrock). Auch „Pelz“ ist kein deutsches Wort, sondern auf lateinisches pelliceus, aus Fellen, von pellis, zurückzuführen.

Wie die Verlagsbuchhandlung von S. Hirzel in Leipzig mittheilt, befinden sich folgende weiteren Lieferungen des Grimm'schen Wörter⸗ buchs bereits unter der Presse: des IV. Bandes I. Abtheilung 2 Hälfte 8. Lieferung (G), bearbeitet von R. Hildebrand, des VII. Bandes 9. Lieferung (P), bearbeitet von M. Lexer, des VIII. Bandes 2. Liefe⸗ rung (R), bearbeitet von M. Heyne, des XII. Bandes 1. Lieferung (V), bearbeitet von E. Wülcker. Bestellungen auf das Deutsche Wörter⸗ buch, welches von Anfang an, auch nach und nach, lieferungsweise be⸗ zogen werden kann, werden in allen Buchhandlungen angenommen.

Im Central⸗Verein für Arbeitsnachweis wurden im Monat August cr. von 925 eingeschriebenen Arbeitsuchenden 580 in Stellung gebracht, 356 gemeldete Vacanzen blieben noch unerledigt. Das Bureau Dammmühlengrundstück, Eingang Poststraße 16 und Breitestraße 23, ist geöffnet von Morgens 7 bis Abends 7 Uhr.

Düsseldorf, 9. September. (W. T. B.) Die Theilnehmer der Versammlung des Gustav⸗Adolf⸗Vereins besuchten gestern Nachmittag die Diakonissenanstalt zu Kaiserswerth. In der heutigen Sitzung erstattete General⸗Sekretär Küß, nachdem die Vertreter aus Siebenbürgen, der Schweiz, den Niederlanden, Belgien, Italien und Spanien begrüßt worden waren, Bericht über die Evangelisation in Elsaß⸗Lothringen. Von den drei für die große Liebesgabe von 17 000 vorgeschlagenen Gemeinden St. Avold in Lothringen, Branitz in Oberschlesien und Zell in Baden wählte die Hauptver⸗ sammlung Branitz.

Bremerhafen, 10. September. (W. T. B.) Der Stral⸗ sunder Schuner „Caroline“, Kapitän Behn, mit Petroleum nach Memel bestimmt, gerieth in der vergangenen Nacht in Brand. Derselbe wurde durch einen Schleppdampfer oberhalb Blexen auf den Strand geschleppt und ist daselbst ganz abgebrannt. Die Mannschaft wurde gerettet.

Die Wereschagin⸗Ausstellung im Kroll'schen Saale, die sich namentlich in letzter Zeit des regsten Besuches zu erf hatte, geht in den nächsten Tagen zu Ende. 8

Eine Menge von Redewendungen und sprich⸗