1886 / 265 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 10 Nov 1886 18:00:01 GMT) scan diff

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hause zu Potsdam, als Comp. Chef in das Inf. Regt. Nr. 18 ein⸗ rangirt. Schwerdtfeger, Pr. Lt. vom Inf. Regt. Nr. 48, unter Belassung in seinem Kommando zur Dienstleistung bei dem großen Militär⸗Waisenhause zu Potsdam, à la suite des Regiments, gestellt. Freiherr von Forstner, Sec. Lieut. vom Inf. Regt. Nr. 48, zum Pr. Lt. befördert. v. Wiese und Kaisers⸗ waldau, Major und Escadr. Chef vom Ulan. Regt. Nr. 10, dem Regt. aggregirt. v. Jagow, Rittm. aggreg. dem Ulan. Regt. Nr. 13, als Escadr. Chef in das Ulan. Regt Nr. 10 einrangirt. v. Philips⸗ born, Pr. Lt. vom Ulan. Regt. Nr. 10, kommandirt zur Dienstleist. bei dem Großen Generalstabe, zum überzähligen Rittm. befördert. v. Boddien, Pr. Lt. u. Flügel⸗Adjut. des Großherzogs von Mecklen⸗ burg⸗Schwerin Königliche Hoheit, vom 1. Dezember d. J. bis zum 1. Juni k. J. zur Dienstleist. bei dem 2. Garde⸗Ulanen⸗Regiment kommandirt.

Berlin, 4. November. Kuhlwein v. Rathenow, Oberst à la suite des 2. Garde⸗Drag. Regts. und Commandeur der 2. Kav. Brig., in gleicher Eigenschaft zur 17. Kav. Brig. versetzt. v. Schack, Oberst und Commandeur des Drag. Regts. Nr. 17, unter Stellung à la suite dieses Regts., mit der Führung der 2. Kav. Brig. beauf⸗ tragt. Prinz Heinrich XVIII. Reuß Durchlaucht, Major und Flügel⸗Adjutant Sr. Majestät des Kaisers und Königs, unter Belassung in diesem Verhältniß, mit der Führung des Dragoner⸗Regiments Nr. 17, unter Stellung à la suite desselben, beauftragt. v. Bülow, Rittm. und Escadr. Chef vom 3. Garde⸗Ulan. Regt., unter Beförderung zum Major, zum Flügel⸗ Adjutanten Sr. Majestät des Kaisers und Königs ernannt. von Massow, Rittm. vom Drag. Regt Nr 8, unter Entbindung von dem Kommando als Adjutant bei der 4. Division, als Escadr. Chef in das 3. Garde⸗Ulan. Regt. versetzt. v. Woyrsch, Rittm. und Escadr. Chef vom 3. Garde⸗Ulan. Regt., als Adjutant zur 4. Div. kommandirt. v. Köller, Rittm. vom 3. Garde⸗Ulan.⸗Regt., zum Escadr. Chef ernannt. v. Sydow, Pr. Lt. vom Ulan. Regt. Nr. 6, in das 3. Garde Ulan. Regt. versetzt.

Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. Berlin, 2. November. v. Hagen, Sec. Lt. vom Feld⸗Art. Regt. Nr. 11, mit Pension, v. Kalinowski, Hauptm. und Comp. Chef vom Inf. Regt. Nr. 18, mit Pension nebst Aussicht auf Anstellung im Civildienst und der Regts. Uniform, der Abschied bewilligt. Rudolph, Pr. Lt. a. D., zuletzt im Inf. Regt. Nr. 117, die Erlaubniß zum Tragen der Armee⸗Uniform ertheilt.

Berlin, 4. November. v. Garnier, Gen. Major und Com⸗ mandeur der 17. Kav. Brig., in Genehmigung seines Abschiedsgesuches mit Pension zur Disp. gestellt. Grohmann, Sec. Lt. vom Drag. Regt. Nr. 10, mit Pension der Abschied bewilligt.

Königlich Bayerische Armee.

Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Im aktiven Heere. 28. Oktober. Zerreiß, Hauptm. und Battr. Chef im 4. Feld⸗Art. Regt., unter Stellung à la suite dieses Truppen⸗ theils, als Lehrer zur Kriegsschule versetzt.

Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. 28. Ok⸗ tober. Scheffer, Oberst à la suite des 6. Chev Regts., Com⸗ mandeur der 2. Kav. Brig., unter Verleihung des Charakters als General⸗Major, mit Pension der Abschied bewilligt Groll, Oberst⸗ Lt. und etatsmäßiger Stabsoffiz. des 10. Inf. Regts., unter Ver⸗ leihung des Charakters als Oberst, mit Pension und mit der Er⸗ laubniß zum Tragen der Uniform, Frhr. v. Poißl, Oberst⸗Lt. und etatsmäß. Stabsoffiz. des Inf. Leib⸗Regts., mit Pension und mit der Erlaubniß zum Tragen der Uniform, Kreuzer, Major und Bats. Commandeur des 10. Inf. Regts., mit Pension und mit der Er⸗ laubniß zum Tragen der Uniform, v. Geyer zu Lauf, Major und Bats Commandeur des 11. Inf. Regts., mit Pension und mit der CC“ Tragen der Uniform, der Abschied bewilligt.

30. Oktober. v. Kraft, Oberst, Command. des 1. Ulan. Regts. mit Pension und mit der Erlaubniß zum Tragen der Uniform, Sattler, Major, Bats. Commandeur im 13. Inf. Regt., unter Verleihung des Charakters als Oberst⸗Lt., mit Pension und mit der Erlaubniß zum Tragen der Uniform, der Abschied bewilligt.

Kaiserliche Marine.

Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen. Berlin, 2. November. Hartog, Korv. Kapitän, von der Stellung als Abtheil. Commandeur bei der 1. Matrosen⸗Div. entbunden. v. Pritt⸗ w nd Gaffron, Korv. Kapitän, zum Abtheil. Commandeur bei der 1. Matrosen⸗Div. ernannt. Hintze, v. Re beur⸗Paschwitz, Gae⸗ decke, v. Born, Hennings, Schäfer III., Fromm, Nieten, Wilbrandt, Elvers, Kirchhoff; Berninghaus, v. Bent⸗ heim, Behm, Funke, Heuschmann, Stechow, Mischke, Schaumann II., Hildebrand, Brüll, Louran, Reche, Graf v. Monts, Mirre II, Graf v Platen zu Haller⸗ mund, Burchard, Grüttner, Unter⸗Lts. zur See, ein vom 18. Juli 1885 datirtes Patent ihrer Charge, Gotzhein, Unter⸗Lt. dur icher ein vom 17. Oktober 1885 datirtes Patent seiner Charge, verliehen.

Nichtamtliches. Deutsches Reich

Preußen. Berlin, 10. November. Se. Majestät der Kaiser und König nahmen im Laufe des heutigen Vormittags militärische Meldungen entgegen und arbeiteten längere Zeit mit dem Chef des Civilkabinets, Wirklichen Geheimen Rath von Wilmowski.

Den Kammerherrendienst bei Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin hat der Königliche Kammerherr Graf Wedel übernommen.

Se. S und Königliche Hoheit der Kronprinz begab Sich gestern Morgen 8 Uhr mit Sr. König⸗ lichen Hoheit dem Prinzen Heinrich nach Spandau zur Jagd, zu welcher zahlreiche Einladungen ergangen waren. Am Abend erschienen die Höchsten Herrschaften in der

Oper. uUm 11 ½ Uhr fuhr Se. Königliche Hoheit der Prinz Heinrich nach Kiel zurück.

Se. Königliche Hoheit der Prinz Friedrich Leopold ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern in Aden ein⸗

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für Justizwesen und für Rechnungswesen, die vereinigten Aus⸗ schüsse desselben für Eisenbahnen, Post und Telegraphen und

echnungswesen, sowie der Ausschuß für Rechnungswesen ielten heute Sitzungen.

Sichert einer einem Andern zu, daß er ihm das von diesem über die Grenze verbotswidrig einzuschmuggelnde Vieh vortheilhaft abkaufen werde, so macht er sich dadurch nach einem Urtheile des Reichsgerichts, I. Strafsenats, vom 23. September d. J., der als Beihülfe zu bestrafenden Be⸗

ünstigung aus §. 257 Abs. 3 des Str.⸗G.⸗B. schuldig.

Der bisherige Spezial⸗Kommissar in Gleiwitz, Regie⸗ rungs⸗Rath Studt, ist der General⸗Kommission in Münster als außeretatsmäßiges Mitglied überwiesen worden. 1

Lübeck, 8. November. (Wes.⸗Ztg.) In der heutigen Versammlung der Bürgerschaft wurde der erste Antrag des Senats, betreffend Erlaß eines Nachtrages zur Vormund⸗ schaftsordnung vom 11. Oktober 1820, an eine Kommission verwiesen. Die Anstellung eines Fabrikinspektors wurde nach längerer Diskussion genehmigt. Die darauf folgen⸗ den Senatsanträge, Beihülfe an die St. Lorenz⸗ Kirchengemeinde, Nachtrag zum Zwangsvollstreckungs⸗ gesetz und Erweiterung der Sielleitungen in der Rock⸗ straße betreffend, wurden ohne Debatte angenommen. Auch der sechste Antrag, betr. Nachbewilligung für den Bau und die erste Einrichtung des Schlachthauses, wurde nach einer kurzen De⸗ batte über die Errichtung eines Viehmarkts genehmigt. Der Gesetzentwurf, betreffend die Ermittelung des Nutzungs⸗ werthes der Gebäude in der Stadt und den Vorstädten, wurde mit einer Resolution genehmigt, in welcher die Bürgerschaft erklärt, daß sie damit den Weg zur Gemeindesteuer⸗Reform als betreten erachtet. Darauf wurden das Gemeindebudget sowie zwei kleinere Senatsanträge, die nur wenig Bedeutung haben, ohne erheb⸗ liche Debatte genehmigt. Der Kommissionsbericht, betreffend die fernere Bewilligung einer Subvention an das Stadt⸗ theater, und der Bericht der zur Prüfung des Antrages, betreffend Revision des Gesetzes über die Erwerbung des Bürgerrechts eingesetzten Kommission, wurden in einer außer⸗ ordentlichen Bürgerschaftssitzung am 22. d. M. zur Be⸗ rathung gelangen.

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Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 8. November. b Minister des Aeußern, Graf Kälnokny, hat sich gestern Abend wieder nach Pest begeben. Der Beginn der Verhand⸗ lungen des Budgetausschusses ist auf den 15. d. an⸗ beraumt worden; doch dürften die Ausschußverhandlungen über das Kapitel des Auswärtigen Ministeriums in der öster— reichischen Delegation erst am 16. stattfinden. Der Aus⸗ schuß selbst hat, wie die „Pol. Corr.“ mittheilt, ganz aus eigenem Antriebe und nur aus Rücksichten, die in der ge⸗ schäftlichen Behandlung der Delegationen usuell geworden, diesen Termin so weit hinausgeschoben. Rücksichten auf even⸗ tuelle Kundgebungen anderer Staatsmänner in anderen Ländern haben hierbei in keiner Weise eine Rolle ““

Karlowitz, 8. November. (Prg. Ztg.) Heute fand eine stürmische Sitzung des Kirchenkongresses statt, da der Präsident die Berathung eines von 51 Mitgliedern unter⸗ zeichneten und als dringlich eingebrachten Beschlußantrages nicht zuließ, weil er darin eine Antwort auf das Kaiserliche Reskript vermuthete und denselben vorher lesen wollte. Die Sitzung wurde schließlich aufgehoben. Der Königliche Kom⸗ missär, von dem Vorfall unterrichtet, erklärte die Sitzungen insolange für geschlossen, bis ihm der Inhalt der Reso⸗ lution mitgetheilt werden würde.

Pest, 7. November. (Wn. Ztg.) Die kroatische Regnikolar⸗Deputation hat das Nuntium ihres Refe⸗ renten Miskatovitsch authentizirt und wird dasselbe nunmehr der ungarischen Regnikolar⸗Deputation zukommen lassen. Selbstverständlich erklärt sich die kroatische Deputation mit dem Vorschlage: die weiteren Verhandlungen münd⸗ lich zu fühyen, vollkommen einverstanden. Da jedoch mehrere Mitglieder der kroatischen Deputation zugleich der ungarischen Delegation angehören und binnen Kurzem auch der kroatische Landtag wieder zusammentritt, dürften die mündlichen Ver⸗ handlungen zwischen den beiden Deputationen kaum in der nächsten Zeit, vielleicht im laufenden Jahre überhaupt nicht mehr stattfinden.

Belgien. Brüssel, 9. November. (W. T. B.) Die Thronrede, mit welcher heute die Kammern eröffnet wurden, bezeichnet die Beziehungen zu allen Mächten als vortreffliche: Belgien erfülle auf das gewissenhafteste die Pflichten der Neutralität. Nachdem die Thronrede darauf hingewiesen, daß die industrielle Produktion Belgiens, welche durch die Ausstellung in Antwerpen gestärkt worden sei, sich nicht vermindert habe, wobei eine weitere Ausdehnung der kommerziellen Beziehungen empfohlen wird, erinnert dieselbe an die bedauernswerthen Vorgänge in Lüttich und Charleroi. Unterstützt durch die Arbeiten der Enquete Kommission, werde die Regierung den Kammern Gesetzentwürfe über wichtige Reformen vor⸗ legen. Hauptsächlich handele es sich darum, die freie Bildung von Berufsgruppen zu begünstigen, ferner zwischen den Arbeit⸗ gebern und Arbeitern neue Verbindungen herzustellen, und zwar durch die Bildung von Schieds⸗ und Einigungsämtern; außerdem werde beabsichtigt die Regelung der Frauen⸗ und Kinderarbeit, Beseitigung der Mißbräuche bei Lohnzahlungen, Er⸗ leichterung der Wohnungsverhältnisse, Herstellung von Ein⸗ richtungen für die Wohlfahrt und Unterstützung der Arbeiter, insbesondere durch Versicherungen und Altersversorgungen, Bekämpfung der Trunksucht und der Immoralität im All⸗

emeinen, endlich wirksame Maßregeln gegen Lebensmittel⸗ fülschungen. Die Thronrede kündigt ferner an, daß der König von dem ihm zustehenden Begnadigungsrecht in Bezug auf die wegen der Ausschreitungen in Lüttich und Charleroi Verurtheilten den weitesten Gebrauch machen werde. In der Militärfrage nehme die Art der Rekrutirung mit Recht das Interesse der öffentlichen Meinung in Anspruch; es sei sehr zu wünschen, daß das patriotische Einvernehmen der Parteien der Regierung die Lösung dieser Frage ermöglichen möchte. Der Zustand der Finanzen sei trotz der herrschenden Krisis ein gün⸗ stiger. Bezüglich des höheren Unterrichts werde den Kammern eine Vorlage zugehen. 9. November. (W. T. B.) Vor der Eröffnung der Kammern hatte der König, begleitet von dem Grafen von Flandern und dem Grafen von Hainaut, zu Pferde eine Revue über die Bürgergarde abgenommen. Aus der zahlreich versammelten Menschenmenge wurden sympathische Hochrufe laut. Der der Thronrede, betreffend die Ausübung des Begnadigungsrechts, wurde von der Linken sowohl wie von der Rechten mit Beifall aufgenom⸗ men. Die Frauen aus Charleroi, welche behufs einer Amnestie⸗Kundgebung nach Brüssel gekommen waren, übergaben dem Bürgermeister Buls im Stadthause ein Gnadengesuch zu Gunsten der anläßlich der Strike⸗Vor⸗ gänge Verurtheilten. „— 9. November. (W. T. B.) In der heutigen ersten Sitzung des Senats brachte Crocg eine Vorlage, betr. die Bewilligung einer Amnestie für alle wegen Theilnahme an den Unruhen bei Charleroi Verurtheilten, ein. Die

Rechte scheint diesen Antrag ablehnen und sich mit den

der Thronrede angekündigten Begnadigungen begnü⸗ zu wollen. gen

Großbritannien und Irland. London, 9. Novemh

(W. T. B.) Der Lordmayors⸗Umzug verlief o 8 jede Ruhestörung. Demselben wohnte eine große Volke menge bei, doch kamen nirgends Unordnungen ver Nach Beendigung des Umzuges drangen einig, hundert Personen in den Trafalgar Square 8 und versammelten sch am Fuß der Nelson⸗Säule Gleichzeitig wurden mehrere kleine rothe Fahnen entfaltet Einige Sozialistenführer versuchten, eine Ansprachf an die Menge zu halten, konnten aber in Folge des großen Lärms nur auf eine kurze Entfernung gehört werden. Die Polizei sah den Vorgängen einige Zeit ruhig zu, vertriez darauf die Sozialisten von der Säule und zerstreute die Menge, unterstützt von einer im Trabe um den Trafalgar Square herumreitenden Kavallerie⸗Abtheilung.

10. November. (W. T. B.) Bei dem gestrigen Lorz⸗ mayors⸗Banket in der Guildhall sagte Lord Salis⸗ bury in Bezug auf Egypten: Die englische Okku⸗ pation in Egypten müsse eine beschränkte sein; England könne aber ohne Einbuße an seiner Ehre die dem Lande ge⸗ gebenen Sicherheiten nicht zurückziehen und das Land nicht eher verlassen, als bis es dasselbe in eine gegen eine auswärtig⸗ Aggression gesicherte Lage gebracht habe und bis eine Anarchi⸗ in den inneren Angelegenheiten vollständig beseitigt sei finanzieller Beziehung mache Egypten günstigen Fortschritte als jemals; die Aufgabe Englands sei aber nicht vollendet; die Wohlfahrt Egyptens und vor Allem die Unat⸗ hängigkeit Egyptens von der Kontrole einer anderen Magtt seien von der größten Wichtigkeit. Bei Besprechung der bul⸗ garischen Angelegenheit erinnerte Lord Salisbury an die Vorgänge bei der Verschwörung gegen den Fürsten Alexander über welche er sich lebhaft mißbilligend aussprach, und tadelte die an der Verschwörung betheiligten Offiziere alz durch fremdes Gold verführt. Die Verschwörung habe ein Verdammungsurtheil Seitens Europas erhalten, das auch mit Erstaunen erfahren habe, daß die Hülfsmittel der Diplo⸗ matie angewendet worden seien, um die Offiziere von dem Schicksal zu retten, das sie verdient hätten. Europa habe die Eingriffe in die Rechte eines unabhängigen Volkes mit lel⸗ haftem Bedauern gesehen. Alles das habe zu der Entstehung unheilvoller Gerüchte Anlaß gegeben; er habe indeß guten Grund, dieselben für unbegründet zu halten. England werde im Einvernehmen mit den anderen Mächten handeln; es werde nicht die Pflicht auf sich nehmen, Ver⸗ pflichtungen für Andere aufrecht zu erhalten, welche ihrerseite es nicht für nothwendig hielten, dieselben aufrecht zu er⸗ halten. Aber wenn die Interessen Englands berihtt werden sollten, werde England keinen Rath verlangen und keinen Beistand suchen, sondern selber seine Inter⸗ essen vertheidigen überall, wo dieselben angegriffen werden könnten. Die Interessen Englands seien gegennärtg nicht berührt; Oesterreich habe das größte Interesse in der Frage; Oesterreichs Entschlüsse seien von großem Einfluß auf die Entschlüsse Englands. Am Schluß seiner Rede wieder⸗ holte Lord Salisbury: er halte den Frieden in keiner Weisse für gefährdet und hoffe, die Zukunft werde anstatt eines zerstörenden Krieges ein Wiederaufleben der Arbeit und der Industrie zeigen.

Sämmtliche Morgenblätter, ohne Unterschied der Parteistellung, sprechen sich zustimmend zu den Aus lassun⸗ gen Lord Salisbury's über die Orientfrage aus, da dieselben klar, entschlossen und der Unterstützung des Landes würdig seien. Die „Times“ bezeichnet als die b⸗⸗ deutsamste Stelle der Rede den Satz, in welchem gesagt wird. daß Oesterreichs Politik maßgebend sein werde fir die britische Politik. Damit sei gemeint, daß, fale Oesterreich gezwungen sein sollte, der durch eine russisch Okkupation Bulgariens involvirten Verletzung des Völker⸗ rechts und der Bedrohung seiner Reichsinteressen entgegengu⸗ treten, es nicht ohne Unterstützung Englands asgclen werden würde. Der „Standard“ äußert sich in ähnlichem Sinne, bemerkt indeß: Oesterreich müsse unbedingt den ersten Schrit thun. Das Einvernehmen zwischen Oesterreich und England werde allgemein als beste Friedensbürgschaft beurtheilt.

(A. C.) In Liverpool wurde am Sonnabend die Jahreskonvention der irischen Nationalliga von Großbritannien unter dem Vorsitz des irischen Abgeord⸗ neten T. P. O'Connor abgehalten. 500 Delegirte warm erschienen, und der zur Verlesung gelangte Jahresberich theilte mit, daß die Liga jetzt 432 Zweige habe. Die gefaßten Beschlüsse statteten Mr. Gladstone und den Wählern, die ihn unterstützt haben, Dank für deren Anstrengungen in Gunsten Irlands ab, drückten den festen Entschluß aus, de exmittirten irischen Pächter zu unterstützen, und dankten dem Volke Amerikas und Australiens für die Theilnahme, die d. für die irische Sache bethätige. Diese Resolutionen wurden später ratifizirt in einer Volksversammlung, in welchet O'Connor sagte: „Irland sei jetzt ruhig, weil die Regierung die Politik der Liga ausführe, nachdem sie gefunden, daß see gegen das irische Volk nichts auszurichten vermöge.“ .

Aus Birma meldet das „Reuter'sche Bureau“: G

Rangun, 3. November. In einem heute hier abgehaltenen Kriegsrath wurde beschlossen, Kommissären und Offizieren in Birma größere Machtvollkommenheit zu ertheilen zur Entsendung von Truppen nach Punkten, wo ihre Dienste nothwendig seien. Es wurde auch der Beschluß gefaßt, vier berittene Kolonnen zu organisiren, welche die Gegend zwischen den Flüssen Kyendwen und Mu durc⸗ säte ete seler um auf die Rebellenführer zu fahnden und deren Versteck zu zerstören.

Frankreich. Paris, 8. November. (Köln. Ztg.) Die „Agence Havas“ erklärt die Gerüchte über die Abberufung des General⸗Residenten Paul Bert für grundlos: im Gegen⸗ theil seien seine Vollmachten verlängert worden. Die Regie⸗ rung hat die Errichtung eines Denkmals für die erse französische Revolution vor den Tuilerien bewilligt doch soll die Einweihung im Jahre 1889 vor der Eröffnung der allgemeinen Ausstellung erfolgen.

9. November. (W. T. B.) Die Schatzeinnahmern für den Monat Oktober d. J. weisen den Budget⸗Vor⸗ anschlägen gegenüber einen Minderertrag von Millionen, den Einnahmen vom Oktober vorigen Jahres gegenüber aber einen Mehrbetrag von 2 ½ Millionen auf.

Serbien. Nisch, 9. November. (W. T. B.) In de heutigen Sitzung der Skupschtina verlangte bei vh des neuen Steuergesetzes, welches eine geringe Erhöhung der direkten Steuern durch einen Zuschlag, die Entlastung der

übrigen

nennung der an

an einem Komplot gegen

und in

orderungen mit Rücksicht

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ittelten Steuerzahler der unteren Klassen und die —— der Schanksteuer bezweckt, die Opposition die vehgrige Berathung des Budgets. Diese wurde jedoch von der aiajorität und der Regierung abgelehnt. Nachsehr langer und Löhufter Debatte, in welche der Finanz⸗Minister wiederholt 0 rif,, wurde das Gesetz mit großer Majorität im Prinzip angenommen. Die neuen Führer der Opposition arllärten hierauf ihren Austritt aus der Kammer. Die enen Mitglieder der radikalen Partei schlossen sich diesem Schritt nicht an, sondern nahmen an der Spezialdebatte Theil und stimmten mit der Majorität für sämmtliche Paragraphen des Gesetzes, sodaß dasselbe als einstimmig angenommen

erscheint. Bulgarien. Tirnowa, 9. November.

Die Sobranje hielt heute unter Theilnahme der Regenten und der Minister eine geheime Sitzung ab. Zunächst ergriff Stam buloff das Wort und legte abermals die Gründe bar, saus welchen eine Wiederwahl des Prinzen Batten⸗ berg unmöglich sei. Da die Mächte einen Thronkandi⸗ daten nicht vorgeschlagen hätten, müsse die Versamm⸗ lung nunmehr selbst eine Wahl treffen. Der Prinz Paldemar von Dänem ark erscheine wegen seines Namens und seiner Verwandtschaft mit dem russischen, englischen und griechischen Königshause besonders geeignet, zum Fürsten ge⸗ wählt zu werden. Eine Verlängerung des bisherigen proviso⸗ rischen Zustandes sei auch von dem Vertreter einer auswärtigen Macht in Konstantinopel, den Grekoff um seinen Rath befragt habe, als nicht heilsam bezeichnet worden. Rußland würde wahr⸗ scheinlich zwar das Ergebniß der Wahl nicht anerkennen gleichwohl müsse man die Wahl vornehmen, die mit Rücksicht auf die ins Auge gefaßte Persönlichkeit ein Zeugniß sein werde für die versöhnlichen Gefühle der Regierung und der Versamm⸗ lung. Wenn Prinz Waldemar die Wahl ablehne, werde die

(W. T. B.)

Regierung ihre Entlassung nehmen; eben dies werde sie thun,

wenn der Prinz von Battenberg gewählt werden sollte. Nach mehreren anderen Rednern trat auch Stojanoff, der frühere Führer der Partei des Prinzen Alexander, für die Wahl des Prinzen Waldemar ein. Man berieth sodann noch über die

Absendung einer Deputation an den Prinzen Waldemar

Pund faßte schließlich mittelst Akklamation den Beschluß, daß

Prinz Waldemar gewählt, daß die Wahl morgen Vor⸗ mittag 10 Uhr vorgenommen und daß der Regierung die Er⸗ den Prinzen Waldemar abzusendenden De⸗ putation überlassen werden solle.

Die „Polit. Corresp.“ meldet aus Burgas: der russische Konsul verbreite das Gerücht: der Leiter der Bewegung in Burgas, Nabokoff, sei wegen Theilnahme den früheren Fürsten Alexander bereits im Mai d. J. aus der russischen Armee gestrichen vorden; dies sei indessen un richtig, da Nabokoffbeiallen Gelegen⸗ 888 stets russische Uniform getragen habe. Die Aus⸗ ieferung Salewski's und des Montenegriners Dragowitsch werde von dem russischen Konsul verweigert. Die auf Verlangen des Generals Kaulbars freigelassenen bulgarischen Offiziere seien an der Revolte von Burgas betheiligt gewesen und gegenwärtig unter russischem

chutze versteckt.

10. November. (W. T. B.) Die Sobranje, welche heute Morgen 11 Uhr zur Sitzung zusammentrat, hat den

rinzen Waldemar von Dänemark zum Fürsten von Bulgarien gewählt.

Amerika. New⸗York, 7. November. (A. C.) In Folge des Umstandes, daß bei den Wahlen in Kalifornien die Stimmen für die verschiedenen Kandidaten beinahe gleich sind, klagt jede Partei die andere betrügerischer Umtriebe an, einigen Fällen sind die Büchsen, in welche die Stimmzettel hineingeworfen worden, vorbehaltlich einer amt⸗ lichen Zählung der Stimmen versiegelt worden. In Minnesota, wo die Zahl der Stimmen sich ebenfalls beinahe aufwiegt, sind ähnliche Beschuldigungen erhoben worden. Es ist indeß eine Andeutung einer kleinen republikanischen Mehrheit vor⸗ hhanden. Den neuesten Schätzungen der Wahlergebnisse zu⸗ olge wird das neue Repräsentantenhaus aus 167 De⸗ mokraten, 154 Republikanern und 3 Arbeitervertretern be⸗ ehen. In einem Fall wird eine Stichwahl nothwendig sein.

Zeitungsstimmen.

Zur Finanzlage des Reichs äußert sich die ‚Wiesbadener Pr ess e“ folgendermaßen:

Die bisher bekannt gewordenen noch unvollständigen Ziffern aus dem Reichshaushalts⸗Etat für 1887/88 lassen ein zutreffendes Urtheil ber die Finanzlage des Reichs noch nicht zu. Trotzdem haben es reifinnige Blätter bereits unternommen, auf Grundlage derselben ein Bild zu entwerfen, welches wie nicht anders zu erwarten grau n grau gemalt ist. Da wird ein „Defizit“ von 15 Millionen Mark berechnet und weiter noch eine Vergrößerung desselben aus den Mehrbedürfnissen für Militär. Marine und

Pivilverwaltung in Aussicht gestellt. Der Zweck dieser vorzeitigen

Berechnungen und Schilderungen der Finanzlage geht aus den daran

geeknüpften Mahnungen und Warnungen hervor: daß „die sorgfältigste

ande strengste Prüfung aller Mehrausgaben, insbesondere auch bei der ee . und Marineverwaltung, in diesem Jahre durchaus geboten eint und daß „jede Erhöhung der Friedenspräsenzstärke bei Ab⸗ auf des Septennats eine vollständige Verwirrung in die Finanzlage nacen muß. „Mit anderen Worten: es wird, ohne daß das dazu läthige Material vorhanden ist, alles zusammengetragen, um einen 5 ües tane gegen etwaige Mehrforderungen für Heer und Marine rzubereiten und die Meinung zu verbreiten, daß jene Mehr⸗ - auf die Finanzlage unmöglich bewilligt werden können. eeehe es mit den angeführten Ziffern steht, können wir auf sich hen lassen; ein getreues Bild werden wir uns von der Finanz⸗

lage erst nach Vorlegung sämmtlicher Spezial⸗Etats und nach den

rläuternden Bemerkun b 8 ie Einbri n Beme gen machen können, mit denen die Einbringung 8 Gtats im Reichstage begleitet zu werden pflegt. Aber schon jetzt die f entschiedenste Verwahrung einzulegen gegen die Art und Weise, der Versuch gemacht wird, die öffentliche Meinung ohne ge⸗ W Unterlage vorweg in einer bestimmten Richtung zu beeinflussen. zgentlich hinlänglich bekannt sein dürfte, existirt für das Reich ein Perfaf hes „Defizit“ nicht; hiervor ist das Reich durch Art. 70 der kusgadung geschützt, welcher vorschreibt, daß die gemeinschaftlichen derben 1 soweit sie nicht durch gemeinschaftliche Einnahmen gedeckt rer B urch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe innah evölkerung aufzubringen sind. Bringen also die Reichs⸗ Bedürfnih Zölle, Steuern u. s. w. nicht so viel ein, um die ecken nife zu decken, dann müssen die Matrikularbeiträge den Ausfall sinter d ieraus folgt, daß ein Zurückbleiben der Reichseinnahmen ehnun eal erwarteten Betrage an sich nicht als Grund für die Ab⸗ 8* .2 s wirklich nothwendig erkannter Ausgaben angegeben werden vünsch u bestreiten ist allerdings nicht, daß es in hohem Maße vunschenswerth wäre, wenn die dem Reiche zugänglichen Steuerquellen

ergiebiger flössen: aber daraus, daß z. B. die Zuckersteuer in dem neuen Ctatsjahr noch nicht so viel bringen wird, wie bei dem Erlaß des letzten Gesetzes erwartet wurde, daß ferner die Einnahmen aus der Börsensteuer und den neuen Zöllen überschätzt wurden, daß aus dem Vorjahr noch ein Ausfall aus den Einnahmen des neuen Etats⸗ jahrs zu decken sein wird lassen sich ebensowenig Gründe gegen die Befriedigung wichtiger Bedürfnisse herleiten, wie aus dem Scheitern aller jener Versuche, höhere Einnahmen zu erzielen, welche sowohl das Reich wie Staat und Gemeinde in eine bessere Lage gebracht haben würden. t

Für das Reich handelt es sich in erster Linie darum, zu fragen, was unbedingt zu seiner Erhaltuug nothwendig ist. Erst dann kommt in Betracht, ob etwaige Mehrbedürfnisse durch Matrikular⸗ beiträge oder neue Einnahmen zu decken sind. Wir würden es voll⸗ ständig verstehen, wenn die verbündeten Regierungen nach den Erfah⸗ rungen in der vorigen Session jetzt darauf verzichten, in der letzteren Richtung neue Vorschläge zu machen: wenn der Reichstag sich selbst über etwaige Vorschläge in dieser Beziehung einigen kann, um so besser; anderenfalls werden die Matrikularbeiträge aushelfen, oder, was dasselbe ist, die Herauszahlungen des Reichs an die Einzelstaaten sich verringern müssen. In keinem Falle aber wird mit dem Schreck⸗ gespenst „Defizit“ die Befriedigung wirklicher Bedürfnisse unterdrückt werden können.

Die „Nationalliberale Correspondenz“ meint:

Der bevorstehende Reichstag würde wohl wieder mit Anträgen auf dem Gebiete der Arbeiterschutz⸗Gesetzgebung bedacht werden. Es sei daher von Neuem die Mahnung angebracht, diese Dinge lediglich nach ihrer sachlichen Bedeutung zu prüfen: „Man sagt uns, das Deutsche Reich werde doch im Stande sein, dasjenige Maß von Ar⸗ beiterschutz zu gewähren, welches man bereits in der Schweiz und in Oesterreich durchgeführt habe. Indeß gerade die Erfahrungen dieser Nachbarstaaten sind nach sachverständiger Meinung durchaus geeignet, von übereilten Schritten auf diesem Gebiete zurückzuhalten. Den Vorwurf des Manchesterthums, der, was die Arbeiter⸗ schutz⸗Gesetzgebung anlangt, in der That in den letzten Jahren vor⸗ zugsweise gegen den Fürsten Bismarck und die nationalliberale Partei erhoben worden ist, scheuen wir nicht, weil er, gegen eine Regierung und eine Partei erhoben, die dem industriellen Arbeitgeber zum Wohle des Arbeiters Lasten auferlegt haben, wie es im Kranken⸗ und Unfall⸗ versicherungsgesetz der Fall gewesen, geradezu lächerlich ist. Was bedeutet aber, praktisch genommen, die ganze schweizerische oder österreichische Fabrikgesetzgebung gegenüber der in freigebiger Weise geregelten Fürsorge für den erkrankten oder verunglückten Arbeiter und dessen Hinterbliebene, wie sie das Deutsche Reich ge⸗ währt? Wie die Dinge heute liegen, kann man sagen, daß den bei uns im Vordergrunde stehenden Arbeiterschutz⸗Forderungen weniger das Interesse der Arbeitgeber als das der Arbeiter selbst entgegentritt. Wir können die Bemerkung nicht unterdrücken, daß auch Oechelhäuser in seiner verdienstvollen Arbeit wohl zu sehr nur das im Auge gehabt hat, was man dem Unternehmer zumuthen kann, wenn er rundweg Verbot aller Kinderarbeit bis zu 14 Jahren und der Nachtarbeit der Frauen verlangt. Wir unsererseits möchten uns wenigstens zu einer solchen Forderung nicht eher entschließen, als bis durch eine genaue Ermittelung aller einschlägigen Verhältnisse der Nutzen der Maßregeln für die Schutzbedürftigen außer Zweifel gestellt wäre. Wie wenig sich diese Dinge im Handumdrehen entscheiden lassen, zeigt die gewaltige, noch immer nicht abgeschlossene Arbeit, welche die Erhebungen über die scheinbar so einfache Sonntagsarbeits⸗ Frage verursacht haben. Auch auf den elfstündigen Maximal⸗Arbeits⸗ tag in der Erwägung einzugehen, daß derselbe an den thatsächlichen Verhältnissen im Allgemeinen nichts ändern würde, scheint uns be⸗ denklich. Wir können nur immer wieder empfehlen: gründliche sach⸗ liche Untersuchung der Arbeiterverhältnisse unter kühler Verachtung aller agitatorischen Redensarten!“

Die „Norddeutsche bringt folgende Notiz:

Einige der industriellen Vertreter, welche Seitens der schweizer Regierung zur Theilnahme an den Berathungen über die Verlängerung des deutsch⸗schweizerischen Handelsvertrages nach Berlin entsandt waren, haben, wie die „B. P. N.“ mittheilen, ihren hiesigen Aufenthalt dazu benutzt, sich über die deutsche sozialpolitische Gesetzgebung näher zu unterrichten. Wie sie mit dem Reichs⸗Versicherungsamt konferirten und einer öffentlichen Sitzung desselben anwohnten, so haben sie auch eines der hiesigen berufsgenossenschaftlichen Bureaus besichtigt und die ganze Organisation eingehend studirt. Es haben somit nachgerade fast alle europäischen Staaten sich veranlaßt gesehen, von den in Deutsch⸗ land zu Gunsten der Arbeiter getroffenen sozialpolitischen Maßnahmen nähere Kenntniß zu nehmen.

Die „Handels⸗ und Gewerbe⸗Zeitung“ sagt in einem die Frage: ob Freihandel oder Schutzzoll? be⸗ sprechenden Artikel:

Betrachten wir die angegebene Frage von diesem ruhig objektiven Gesichtspunkt aus, so wird sich uns hierbei für den unab⸗ lässigen Streit zwischen Freihandel und Schutzzoll folgendes, auf den ersten Augenblick vielleicht befremdliche Resultat ergeben:

einestheils, daß wir Ursache und Folge mit einander zu ver⸗ . wechseln pflegen und anderntheils, daß die Weltkalamität weder nach der guten, noch nach der bösen Seite in irgendwie entscheidender Weise von der Zollschutzfrage beeinflußt wird.

Mit dem ersteren dieser Punkte meinen wir, daß eben der Druck allseitiger schärferer Konkurrenz, der lediglich ein Produkt natürlicher und unvermeidlicher Entwickelung war und ist, zu den Zollfragen führte. Die Veränderung unseres wirthschaftlichen Systems in Deutschland, welches hierin nicht eine spezielle Ausnahme bildet, ent⸗ sprang schon dem Gefühle einer wirthschaftlichen Kalamität. Dieselbe bestand vor der Einführung der dieselbe besteht auch heute noch trotz derselben: und, ohne prahlerische selbstbewußte Propheten sein zu wollen, dürfen wir wohl die kühne Weissagung riskiren:

Allgemeine Zeitung“

h’ Kalamität, wird trotz Schutzzolls und trotz Freihandels

auch noch fortbestehen.“ 1b Wir wollen nicht in die kitzlichen Streitfragen uns vertiefen: ob der Schutzzoll durch Umzäunung und Wahrung des heimischen Markts genützt und den Uebelstand vermindert hat? oder ob der Freihandel durch Begünstigung des Tauschhandels mehr genützt haben würde? Jedenfalls ist das Eine sicher, daß das Schutzzollsystem nicht die Ursache, sondern die Folge der wirthschaftlichen Lage war!

Was nun den Einfluß der Zollschranken auf die ganze Situation des Welthandels und Weltmarkts anlangt, so dünkt uns, daß unter allen Umständen der Einfluß überall überschätzt wurde. Lrg erheb⸗ licher Getreidezölle z. B. sind die Getreidepreise in fortwährendem Sinken geblieben. Uns interessirt nicht, ob Freihändler daraus das Unnütze der Zollauflagen deduziren, oder ob die Schutzzöllner daraus einen Nutzen für die Einnahmen des Staats, ohne Schaden der Kon⸗ sumenten unter seinen Bürgern, beweisen: die Thatsache der niedrigen Getreidepreise, der üblen Lage der Landwirthschaft bleibt bestehen. Spricht dieses Beispiel im Ganzen gegen einen erheblichen Vortheil, der aus der Schutzzollpolitik den eigentlich Geschützten er⸗ wachsen jst, so sieht es mit dem angeblichen Schaden noch zweifel⸗ hafter aus, da derselbe sowohl nicht alle Bürger trifft, wie auch nicht lediglich durch die Schutzzölle verursacht wurde!

Kurz nicht das Wirthschaftssystem, sondern unwillkürliche unabweisliche Ursachen: die Uebervölkerung im Großen und in allen Berufsklassen, das übermäßige Angebot, der Uebergang von Nationen, welche größtentheils Konsumenten waren, zur Rolle von Produzenten und die gegebenen natürlichen Grenzen des Absatzes bezw. der Ausfuhr, diese Umstände alle vereint mußten zu einer Wirth⸗ schaftskrisis führen, die sich denn auch (unbekümmert um Theorien und Theoretiker) in allen Ländern, freihändlerischen und schutzzöllne⸗ rischen, in alten und jungen, kurz überall gezeigt hat. Deshalb sollte man Vorwürfe und Leidenschaften ganz bei Seite lassen, den Zustand wie eine Wirkung der Elemente betrachten und sich wegen der Heilung,

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oder, wenn solche uamöglich oder unwahrscheinlich, wegen besseren Er⸗ tragens des Zustandes gemeinsam berathen. Das ist ja denn auch in der That vielfach versucht worden; und die Heilmittel heißen: 1 8 *— Einschränkung der Produktion durch Konventionen; Föll oder Handelsverträge; Kolonialpolitik.. 8 Was ist also unsere Schlußfolgerung? Man soll die Mittel zur Abhülfe des ungesunden Zustandes nicht verachten, noch verwerfen, sich aber vor dem Irrthum hüten, dieselben, geschweige denn ein einzelnes derselben, als Radikalmittel zu betrachten. Ein solches giebt es nicht; man kann eben nur der Natur zu helfen versuchen, sie selber 88 die Heilkraft und wird allmählich Heilung und gesunde Zustände bringen...

Statistische Nachrichten.

Das Septemberheft zur Statistik des Deutschen Reichs, Jahr⸗ gang 1886, enthält Nachweisungen über die Straffälle in Bezug auf die Zölle und Steuern des Deutschen Reichs bezw. Zollgebiets im Etatsjahr 1885/86, in welchen die Zahl der im Laufe dieses Jahres anhängig gewordenen und erledigten bezüglichen Prozesse und der Verurtheilungen, zu denen dieselben ge⸗ führt haben, angegeben, und ferner die Konfiskationen von Waaren wegen Zolldefraudationen verzeichnet sind. Hiernach ist die Zahl der fraglichen Prozesse im Allgemeinen im Ver⸗ gleich zum Vorjahre zurückgegangen, denn es sind im Ganzen anhängig geworden 29 364 und erledigt worden 29 741 gegen 33 752 bezw. 33 628 im Etatsjahre 1884/85. Die Zahl der anhängig gewordenen Zollprozesse betrug 15 949 gegen 16 666 im Vorjahr. Sie hat namentlich abgenommen in den Direktivbezirken Hannover, Schleswig⸗Holstein und Westfalen, weil der Taschen⸗ und Gelegenheitsschmuggel nachgelassen, und die sorg⸗ fältigere Beachtung der Vorschriften über die Legitimationsschein⸗ Kontrole im Grenzbezirk, speziell an der Grenze gegen Bremen die Kontrole des stehenden Gewerbebetriebs bezw. Handels mit Rohtaback, ihre Wirkung nicht verfehlt haben. Dagegen hat die Zahl der bezeichneten Pro⸗ zesse etwas zugenommen in den östlichen Provinzen, was hauptsächlich mit den Vieheinfuhrverboten im Zusammenhange steht. In Beziehung auf die Ein⸗, Aus⸗ und Durchfuhrverbote sind 1360 Prozesse anhängig geworden gegen 364 im Vorjahr; die Zunahme entfällt beinahe aus⸗ schließlich auf den Direktivbezirk Ostpreußen und erklärt sich dadurch, daß die Schweineeinfuhr mit Ausnahme von nur wenigen Wochen absolut verboten war. Rübenzuckersteuerprozesse wurden 5 eingeleitet gegen 8 im Vorjahr, Salzsteuerprozesse 630 gegen 709 und Taback⸗ steuerprozesse 5168 gegen 6885 im Vorjahr. Die Abnahme der letzt⸗ erwähnten Prozesse ist nicht nur dadurch begründet, daß der Taback⸗ bau 1885 gegen 1884 etwas zurückgegangen war, sondern auch dadurch, daß die Kenntniß der Bestimmungen des Tabacksteuergesetzes in den betheiligten Kreisen sich weiter verbreitet hat. In Beziehung auf Wechselstempelstener sind 1979, Spielkartenstempelsteuer 112 und die Reichs⸗Stempelabgaben 499 Prozesse an⸗ hängig geworden gegen bezw. 2175, 150 und 3394 im Vorjahr; der beträchtliche Rückgang in der Zahl der letzteren Prozesse entfällt in der Hauptsache auf den Direktivbezirk Schlesien und ist auf den Weg⸗ fall der im Vorjahr in bedeutender Anzahl angestrengten Prozese wegen unterlassener Abstempelung von Schlußscheinen über die Liefe⸗ rung von Rüben an Zuckerfabriken zurückzuführen. In Beziehung auf Branntweinsteuer sind für das Etatsjahr 1885/86 in den Staaten der Branntweinsteuergemeinschaft 1172 Prozesse gegen 1021 im Vorjahr zu verzeichnen, in Beziehung auf Brausteuer in den Staaten der Brausteuergemeinschaft 1390 gegen 1278 im Vorjahr und in Be⸗ ziehung auf Uebergangssteuer 1100 gegen 1102 im Vorjahr.

Die deutschen Versicherungs⸗Anstalten im Jahre 1884, zum Theil auch 1883. III. Die summagrischen Er⸗ gebnisse der deutschen Versicherungs⸗Anstalten im Jahre 1884 (so⸗ weit statistische Daten darüber vorliegen) berechnet H. Brämer („Zeit⸗ schrift des Königlich preußischen Statistischen Bureau’'s“, 1886, Heft 1 und 2) wie folgt: Die Gesammtzahl der rverzeichneten gegenseitigen Gesellschaften betrug 135 (diejenigen, welche mehr als einen Versicherungszweig betreiben, sind einfach Prrechrer, und zwar betrieben 19 die Lebens⸗, 5 die Unfall⸗, 58 die öffentliche und 21 private Feuer⸗, 15 die Hagel⸗, 16 die Vieh⸗ und 2 die Glas⸗ Versicherung. Die Gesammt⸗Einnahmen bezifferten sich auf 146 354 580 (davon 128 428 499 Beiträge bezw. Prämien), nämlich bei den Gesellschaften für Lebens⸗Versicherung auf 63 280 753 ℳ, Unfall⸗V. 5 192 600 ℳ, öffentliche Feuer⸗V. 44 586 790 ℳ, private Feuer⸗V. 17 094 848 ℳ, Hagel⸗V. 14 486 042 ℳ, Vieh⸗V. 1553 442 ℳ, Glas⸗V. 160 105 ℳ; die Ausgaben auf 120 569 250 (davon 81 781 652 Schädenzahlungen und 22 191 906 Zurück⸗ stellungen zu den Prämienreserven ꝛc.), und zwar bei den Gesellschaften für: Lebens⸗Versicherung auf 49 966 593 ℳ, also 13 314 160 Ueberschuß, Unfall⸗Versicherung 5 373 894 ℳ, also 181 294 ℳ, öffentliche Feuer⸗V. 40 953 987 ℳ, also 3 632 803 Ueberschuß, private Feuer⸗V. 7 999 852 ℳ, also 9 094 996 Ueberschuß, Hagel⸗V. 14 598 582 ℳ, also 112 486 ℳ, Vieh⸗V. 1 529 189 ℳ, also 24 253 Ueberschuß, Glas⸗V. 147 207 ℳ, also 12 898 Ueber⸗ schuß. Die Zinsen betrugen insgesammt 42 460 oder 5,33 %. Die Zahl der Aktiengesellschaften, über welche statistische An⸗ aben vorliegen, war 117, welche sich auf die einzelnen Zweige, wie G vertheilen: Lebens⸗Versicherung 21, Unfall⸗V. 5, Feuer⸗V. 29, Hagel⸗V. 6, Transport⸗V. 41, Glas⸗V. 8, Rück⸗V. 22 (wobei wieder diejenigen Gesellschaften mit mehreren Zweigen einfach gerechnet sind). Die Gesammt⸗Einnahmen der Aktiengesellschaften werden auf 189 709 610 (Beiträge und Prämien 168 216 164 ℳ) beziffert und zwar kamen davon auf die Lebens⸗Versicherung 64 888 098 ℳ, die Unfall⸗V. 4 901 887 ℳ, die Feuer⸗V. 54 389 764 ℳ, die Hagel⸗V. 8530 501 ℳ, die Transport⸗V. 36 204 812 ℳ, die Glas⸗V. 340 377 ℳ, die Rück⸗V. 20 454 171 ℳ; die Gesammt⸗Ausgaben auf 167 293 387 (105 286 819 Schädenzahlungen, 21 980 867 Zurückstellungen), nämlich: Lebens⸗V. 57 663 442 ℳ, Unfall⸗V. †602 329 ℳ, Feuer⸗V. 44 109 409 ℳ., Hagel⸗V. 11 413 987 ℳ, Transport⸗V. 30 896 269 ℳ, Glas⸗V. 284 133 ℳ, Rück⸗V. 18 323 818 ℳ; der Gesammt⸗Ueberschuß somit auf 22 416 223 ℳ, nämlich bei der Lebens⸗V. 7 224 656 ℳ, Unfall⸗V. 299 558 ℳ, Feuer⸗V. 10 280 355 ℳ, Hagel⸗V. (Ausgaben⸗Ueberschuß) 2 883 486 ℳ, Transport⸗V. 5 308 543 ℳ, Glas⸗V. 56 244 ℳ, Rück⸗V. 2 130 353 und die Dividenden im Ganzen auf 17,54 %, nämlich bei der Lebens⸗V. 15,80 %, der Unfall⸗V. 9,05 %, der Feuer⸗V. 20,83 %, der Hagel⸗V. 0,94 % (aus den Kapital⸗Reserven), der Transport⸗V 26,71 %, der Glas⸗V. 9,10 %, der Rück⸗V. 13,36 %. Summirt man die Gesammtergebnisse der gegen⸗ seitigen und, der Aktiengesellschaften, so ergeben sich für die 252 Gesellschaften (40 Lebens⸗, 10 Unfall⸗, 108 Feuer⸗, 21 Hagel⸗, 16 Vieh⸗, 41 Transport⸗, 10 Glas⸗, 22 Rück⸗Versicherungs⸗ Gesellschaften) folgende Ziffern: Gesammt⸗Einnahme 336 064 190 (davon 296 644 663 Beiträge bezw. Prämien und Gebühren für eigene Rechnung), Gesammt⸗Ausgaben 287 862 637 (davon 187 068 471 Schädenzahlungen und 44 172 773 Zurückstellungen), Ueberschuß 48 201 553 ℳ, Zinsen und Dividenden 17 025 039 oder 17,44 %. Das gezeichnete Garantiekapital betrug Ende 1884 bei den 135 gegenseitigen Gesellschaften 6 271 988 ℳ, das eingezahlte Garantiekapital 4 796 763 ℳ; bei den 117 Aktiengesellschaften 419 401 590 ℳ, bezw. 96 829 486 ℳ; bei den Kategorien zusammen 425 673 578 bezw. 101 626 2449 Die Prämien⸗Reserve und Ueberträge sowie die Rentenfonds bezifferten sich bei den gegenseitigen Gesellschaften auf 261 724 997 ℳ, bei den Aktiengesellschaften auf 320 366 758 ℳ, bei den 252 Gesellschaften zusammen also auf 582 091 755 An Schäden und Prozeßreserven hatten die gegen⸗ seitigen Gesellschaften 16 536 149 ℳ, die Aktiengesellschaften 14 536 113 ℳ, zusammen also 31 072 262 aufzuweisen. Von der Hogerverschgung, abgesehen, sind demnach, wie sich aus vorstehenden Zahlen ergiebt, die Geschäftsresultate im Jahre 1884 für die Aktien⸗