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Nichtamtliches. u 8 Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 23. November. Se. Majestät der Kaiser und König nahmen gestern Nachmittag den Vortrag des Staatssekretärs des Auswärtigen Amts, Grafen von Bismarck, entggen. 1u“
Heute nahmen Se. Majestät einige militärische Meldungen an, empfingen den Polizei⸗Präsidenten, Freiherrn von Richt⸗ hofen, und hörten die Vorträge der Chefs des Militärkabinets und der Admiralität.
— Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz begab Sich gestern Vormittag um 10 Uhr nach Potsdam zur Abhaltung einer Fasanenjagd am Entenfang.
Nach Beendigung der Jagd besichtigte Höchstderselbe die neuerbaute Kirche zu Geltow und kehrte mit dem um 2 Uhr 59 Minuten von der Wildparkstation abgehenden Zuge nach Berlin zurück.
Abends wohnte Se. Kaiserliche Hoheit der Kronprinz mit Ihren Königlichen Hoheiten dem Prinzen Heinrich, der Erb⸗ prinzessin von Sachsen⸗Meiningen und der Prinzessin Victoria der Vorstellung im Wallner⸗Theater bei.
Se. Durchlaucht der Prinz Ferdinand von Coburg⸗Gotha war Morgens 8 Uhr abgereist.
Abends um 11 Uhr erfolgte die Abreise Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Heinrich nach Kiel.
Sachsen⸗
In der am gestrigen Tage unter dem Vorsitz des
Staats⸗Ministers, Staatssekretärs des Innern, von Boetticher,
abgehaltenen Plenarsitzung beschloß der Bundesrath, dem Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Friedens⸗Präsenz⸗ stärke des deutschen Heeres, die Zustimmung zu ertheilen. Die Denkschrift über die Errichtung einer ständigen Pharmakopoe⸗ Kommission wurde dem Ausschuß für Handel und Verkehr zur Vorberathung überwiesen.
— Gestern Vormittag traten die Mitglieder der Enquete⸗ Kommission zur Berathung der Revision des Patent⸗ gesetzes im Abgeordnetenhause zur ersten Sitzung zusammen. Der Staats⸗Minister von Boetticher eröffnete die Verhandlungen mit einer kurzen Ansprache, in welcher er auf die Bedeutung, welche die der Enquete gestellten Aufgaben für die weitesten Kreise haben, hinwies.
— Eine erhebliche dauernde Entstellung einer Per⸗ son durch Körperverletzung ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Strafsenats, vom 1. Oktober d. J., selbst dann als schwere Körperverletzung aus §. 224 des Strafgesetzbuchs zu bestrafen, wenn die Entstellung durch künstliche Mittel nicht erkennbar gemacht werden kann und gemacht wird. Eine Bestrafung wegen schwerer Körper⸗ verletzung würde in einem solchen Falle nur dann aus⸗ geschlossen sein, wenn der entstellte Körpertheil nach den natürlichen und sozialen Lebensverhältnissen des Verletzten Dritten gegenüber derart bedeckt zu werden pflegt, daß der Mangel als wesentliche Entstellung nur unter besonderen Um⸗ Finden nach außen erkennbar sein und als solche empfunden würde.
— Die in öffentlicher Gerichtssitzung ausgesprochenen Beleidigungen sind nach einem Urtheil des Reichs⸗ gerichts, III. Strafsenats, vom 7. Oktober d. J., als öffent⸗ lich verübt zu bestrafen, auch wenn nicht festgestellt werden kann, daß sich Jemand im Zuhörerraum befand.
— Der hiesige chinesische Gesandte Hsü⸗Ching⸗Cheng ist von Paris nach Berlin zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.
— Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren: Dr. Barthel, Dr. Lissauer, Dr. Lewinson, Wachsen und Dr. Alfr. Friedländer, sämmtlich in Breslau; Dr. v. d. Loo in Kevelaer; Dr. Ebben, Dr. Overhamm und Dr. van Rey, sämmtlich in Aachen.
Sachsen. Dresden, 22. November. (Dr. J.) Der König hat gestern Mittag aus Anlaß seines Namensfestes im 4 igen Königlichen Residenzschlosse zur Beglückwünschung empfangen: den stellvertretenden Vorsitzenden im Gesammt⸗ Ministerium und Minister des Königlichen Hauses, von Nostitz⸗Wallwitz, die Herren der Königlichen Hof⸗ ätn und den Ministerial⸗Rath im Ministerium es Königlichen Hauses, die Königlichen Leibärzte und den Bischof mit der Hofgeistlichkeit. — Der König und die Königin begeben sich heute Abend nach dem Jagdschloß Wermsvorf⸗ wohin der Prinz Georg morgen früh nachfolgen wird. Während die Königin bereits morgen Abend nach der Villa Strehlen zurückzukehren Pehhce werden der König und der Prinz Georg bis nächsten Freitag in Wermsdorf Aufenthalt nehmen.
Mecklenburg. Malchin, 23. November. (W. T. B.) Der gemeinschaftliche Landtag der Großherzogthümer Mecklenburg⸗Schwerin und Mecklenburg⸗Strelitz ist heute hier eröffnet worden.
Anhalt. Dessau, 21. November. (Anh. St.⸗A.) Der Erbprinz ist heute aus München hier eingetroffen.
Schwarzburg⸗Rudolstadt. Rudolstadt, 20. November. (Lpz. Ztg.) Der Fürst hat sich vor einigen Tagen an den Großherzoglichen Hof nach Darmstadt begeben. — Der Land⸗ tag des Fürstenthums ist am Montag zu einer außerordent⸗ lichen Session hier zusammengetreten und wird u. A. zu berathen haben über die Rechnungslegung der Landeskredit⸗ kasse und der Haupt⸗Landeskasse pro 1882/84 und pro 1885, sowie über die Heranziehung der servisberechtigten Militär⸗ personen zu den Gemeinde⸗Abgaben aus außerdienstlichem Einkommen. Außerdem ist von besonderem Interesse eine Hrrnc. die Beilegung des Rechtsstreits zwischen Schwarz⸗ burg⸗Rudolstadt und Schwarzburg⸗Sondershausen betreffend.
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 20. November. Die amtliche „Wiener Zeitung“ veröffentlicht die Enthebung des Landmarschalls von Galizien, Dr. Zyblikie⸗ wicz, vom Amte und die Ernennung des Grafen Tar⸗ nowski zu seinem Nachfolger.
Pest, 22. November. (W. T. B.) Der Bericht des Budget⸗Ausschusses derösterreichischen Delegation über den Voranschlag des Budgets des Ministeriums des
Z 111ququpu“‘²“ EEEEöö” Auswärtigen hebt die im Ausschuß von allen Seiten aus⸗ gedrückte Mißbilligung über die bulgarischen Ereignisse angesichts des Gegensatzes zwischen dem Eingreifen des russischen Agenten und dem gemäßigten, klugen Vorgehen der Bulgaren hervor. Anknüpfend an die Thronrede und die Erklärungen des Grafen Kälnoky erklärt der Bericht: wo es gelte, die Ehre der Monarchie zu vertheidigen, würden jeder Zeit alle Völker zu jedem Opfer bereit sein, aber sie würden auch dankbar sein, die Segnungen des Friedens genießen zu können. Mit Befrie⸗ digung begrüßt der Ausschuß die Mittheilungen des Ministers über das Verhältniß Oesterreich⸗Ungarns zu den auswärtigen Mächten. Der hohe Grad des Vertrauens, welches die Monarchie genieße, werde nicht wenig erhöht durch die klare und uneigennützige Politik der Re⸗ gierung. Mit der größten Befriedigung habe der Ausschuß vernommen, daß die Grundlagen des Bündnisses mit Deutschland keinerlei Aenderungen erfahren hätten, daß vielmehr das Verhältniß zu Deutschland in der Hand des Ministers sich wesentlich entwickelt und gekräftigt habe sowie daß das frreundschaftliche Verhältniß zu Ruß⸗ land, auf welches der Minister großen Werth lege, die Be⸗ ziehungen zu Deutschland in keiner Weise alterire. Der Bericht erwähnt ferner die Uebereinstimmung mit England über wichtige europäische Fragen und die Identität mancher großer Interessen und nimmt mit Gewißheit an, daß das gute Einvernehmen mit Italien sich fernerhin und in beiderseitigem Friedens⸗Interesse bewähren werde. Der Bericht spricht endlich die Hoffnung einer freundschaftlichen Austragung der Frage mit Rußland aus, erkennt die Bestre⸗ bungen des Ministers als die richtigen an und giebt mit vollstem Vertrauen der Hoffnung Ausdruck: es werde dem Minister auch fernerhin gelingen, im Einklange mit den von ihm dargelegten, als richtig anerkannten e die Interessen der Monarchie in vollem Umfange zu wahren.
Der Vierer⸗Ausschuß der ungarischen Dele⸗ gation genehmigte in seiner heutigen Sitzung den Kredit für die okkupirten Provinzen, Bosnien und Herzegowina. In Beantwortung der Anfragen mehrerer Delegirten erklärte der Reichs⸗Finanz⸗Minister von Kallay: der serbisch⸗bulgarische Krieg, welcher den Philip⸗ popeler Ereignissen folgte, sowie die jüngsten Vorkommnisse auf der Balkan⸗Halbinsel hätten keinerlei Rückwirkung auf die okkupirten Provinzen ausgeübt. In diesem Jahre sei die Ruhe daselbst so ungestört gewesen, wie in keinem anderen Jahre seit der Okkupation. Für die Zukunft könne natürlich Niemand eine Bürgschaft übernehmen, doch berechtigten die Thatsachen und Er⸗ fahrungen zu der Hoffnung, daß diee günstigen Zustände auch künftig würden aufrechterhalten werden können. Die Bevölkerung Bosniens und der Herzegowina, wekhe der jahrelangen, jede fried⸗ liche Arbeit hindernden Wirrnisse überdrüssig sei, besitze leb⸗ haftes Verständniß für den materiellen und kulturellen Fort⸗ schritt und begrüße freudig Zustände, welche die Möglichkeit garantiren, künftig die Früchte der Arbeit genießen zu können. Dies sei die beste Gewähr dafür, daß, wenn nicht außerordent⸗ liche äußere Ereignisse eintreten, Ruhe und Frieden daselbst nicht gestört werden würden.
Schweiz. Bern, 18. November. (Allg. Ztg.) Die
Alkohol⸗Kommission des Nationalraths, die sich bekanntlich für die Lösung der Alkohol⸗Frage 8 dem
Boden des Monopols entschieden hat, sagt in ihrem soeben erschienenen Bericht:
„Das Monopol ist die einzige Steuerform, welche dem Gesetzgeber gestattet, zwischen den widerstreitenden Interessen des Fiskus, der Konsumenten und der Landwirthschaft eine billige Vermittelung herzu⸗ stellen, in der Weise nämlich, daß die Antheile des Imports, des inländischen Großbetriebes und des inländischen Kleinbetriebes an der Versorgung des Landes mit Sprit in einer jene verschie⸗ denen Interessen billig berücksichtigenden Weise regulirt werden.“ Indem die Kommission sich von der Nothwendigkeit einer solchen Ver⸗ mittelung überzeugte, konnte sie keines der beiden bereits vorgeschlage⸗ nen Monopolsysteme in seiner typischen Reinheit acceptiren; sie einigte sich vielmehr auf ein kombinirtes System, welches zwar auf dem Boden des Fabrikationsmonopols aufgehaut ist, aber durch bestimmte Konzessionen auch jenen Interessen Rechnung trägt, deren spezielle Wahrnehmung der Verkaufsmonopol⸗Entwurf sich zur Aufgabe gestellt hatte. Die Grundlage dieses neuen Systems bildet das volle Monopol des Bundes für die Fabrikation und die Rektifikation von gewöhnlichem Branntwein und für die Einsuhr von gebranntem Wasser jeder Art. Die Ausübung dieses Mono⸗ pols soll zum Theil in Regie, zum Theil auf dem Wege der Delegation erfolgen. Der Regiebetrieb ist vorgesehen für einen Theil (etwa die Hälfte) der Fabrikation, für jegliche Rekti⸗ fikation, sowie für den gesammten Import, mit Ausnahme desjenigen von Qualitätsspirituosen. Als Delegation dagegen qualifizirt sich die Besorgung eines Theiles der Fabrikation durch Pächter und die gegen Entrichtung einer Monopolgebühr den Privaten zu ertheilende Be⸗ willigung zum Import von Qualitätsspirituosen. Dem möglichen Einwande, als seien derartige Delegationen mit den Handels⸗ verträgen nicht vereinbar, begegnet die Kommission mit dem Hinweise auf Frankreich, welches ebenfalls sein Zündholz⸗ monopol an eine Gesellschaft in Pacht gegeben hat und der⸗ selben gestattet, gegen Entgelt gewisse Sorten von Streich⸗ hölzchen aus dem Auslande einzuführen. Was endlich die Ver⸗ fassungsmäßigkeit des Monopols betrifft, so steht dieselbe der Kom⸗ mission vollständig außer Frage. „Das durch die Bundesverfassung dem Bunde ertheilte Recht der Gesetzgebung über die Fabrikation des Branntweins,“ sagt ihr Bericht in Bezug hierauf, „begreift offenbar das Recht in sich, jene Fabrikation an irgend welche Bedingungen zu knüpfen, somit auch sie ganz zu verbieten. Und so gut der Bund jegliche Industrie betreiben kann, deren Be⸗ trieb im „Hinblick, auf militärische, postalische Zwecke u. s. w. ihm ersprießlich erscheint (z. B. eine Waffenfabrik, eine Telegraphenwerkstätte), so darf er mit gleichem Rechte auch in diesem Gebiete zum Industriellen werden, sofern er in der Regie⸗ produktion ein geeignetes Mittel erblickt, um die ihm mit Bezug auf den Branntwein überwiesene Aufgabe zu erfüllen. Der Bund darf das um so mehr thun, als ihm auch die Besteuerung der Brannt⸗ weinfabrikation überwiesen wurde und das Monopol bekanntlich, wissenschaftlich betrachtet, nichts Anderes ist, als eine bestimmte Form der Besteuerung.“
Belgien. Gent, 22. November, Abends 6 Uhr 20 Min. (W. T. B.) Anläßlich der beabsichtigten Arbeiterkund⸗ gebung hat der Munizipalrath jeden öffentlichen Aufzug, das Entfalten von Fahnen oder sonstigen Emblemen sowie das Anstimmen von Gesängen auf den Straßen unter⸗ sagt. Jede Ansammlung soll sofort zerstreut werden. Die Fühec eh ist konsignirt und die ganze Bürgergarde zu⸗ sammenberufen worden. Aus Lille sind zahlreiche Arbeiter eingetroffen, um hier Arbeit zu nehmen; mehrere Fabrik⸗ be aen haben sich an den Bürgermeister gewandt mit dem Ersuchen, Maßregeln zum Schutz der Arbeit zu „— 22. November, Abends 11 Uhr. ( ist überall Ruhe; lassen worden.
ergreifen. T. B.) die Bürgergarde ist wi d
Großbritannien und Irland. London 2. (W. T. B.) Einem über Bombay eingegangene woe aus Lahore zufolge, meldeten daselbst von Ghr egramn getroffene Kaufleute, daß die Ghilzais die Trup en ein Emirs besiegt hätten und der Aufstand rasch en des greife. Ein Theil der Truppen des Emirs sei mit der Anii h zu den Ghilzais übergegangen. rtillen
Frankreich. Paris, 22. November. (W T Der Präfekt des Rhone⸗Departements, Massicaule 8) an Stelle Bihourd's zum Residenten in Tunis e t,ij worden. 8 rnann Die Deputirtenkammer hat ein A betreffkend Aufhebung des Unter⸗Sta aterbenent Postens, mit nur vier Stimmen Majorität verworfi⸗ Wie es heißt, hätte der Unter⸗Staatssekretär des Finaen Ministeriums, Peytral, in Folge dessen demifsiona⸗ Ein Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“ aus Aiürt meldet: Der Kapitän und 7 Personen der Manns 6 des französischen Kriegsschiffs „Pengouin“ s in Ambadu, wo dieselben gelandet waren, um Wasser ün zunehmen, von dem Stamm der Essah Somanli an mordet worden. 8 8 — 21. November. (Köln. Ztg.) Die französt Gesandtschaft, die den Kaiser von Marskkasagi soll, ist in der Hafenstadt Mogador eingetroffen. Dkeseh besteht aus dem französischen Residenten in Tanger, den Gesandtschafts⸗Sekretär Grimaud, drei Offizieren und megrern andern Personen. b
Italien. Rom, 22. November. (W. T. B.) Die „Gazzetta ufficiale“ schreibt im amtlichen Theil: Die gestrige Rückkehr der Majestäten nach Rom bot der Bevölkerung neuen Anlaß, durch eine überaus imposante Kundgebung die Gefühle der Ehrerbietung, Ergebenhen und Anhänglichkeit für den König, die Königin und die ruhn. reiche Dynastie an den Tag zu legen.
Türkei. Konstantinopel, 22. November. (W. T. ) General Kaulbars ist mit dem russischen Konsul Igelström aus Philippopel hier eingetroffen.
Rumänien. Bukarest, 22. November. (W. T. B) En Telegramm der „Agence Havas“ meldet: Die bisherigen russischen Konsuln in Rustschuk und Widdin sird hier eingetroffen. In dem Augenblick der Abreise des Ersteren hatten der Präfekt von Rustschuk und der Führer der Oppositionspartei, Zacharias Stojanoff, eine Ansprache an denselben gehalten, in welcher sie erklärten, daß die At⸗ reise der russischen Konsuln für Bulgarien be⸗ klagenswerth, der Abbruch der Beziehungen zwischen Rußland und Bulgarien unmöglich sei, und daß alle Slaven, sowohl diejenigen Bulgariens, als auch diejenigen Macedoniens, einen derartigen Zustand nicht dulden würden. Der Präfekt und Stojanoff schoben alle Verantwortlichkeit für die geger⸗ wärtigen Verhältnisse in Bulgarien dem General von Kaulbars zu und erklärten schließlich: die Bulgaren sein bereit, die von Rußland vorzuschlagenden Existenz⸗Bedingungen anzunehmen, wenn nur die Verfassung gewahrt bleibe.
Bulgarien. Philippopel, 23. November. (W. T. B) Der „Polit. Corr.“ wird gemeldet: General von Kaul⸗ bars, welcher gestern früh hier eintraf, ließ durch seine Sekretär auf dem Bahnhof Blätter vertheilen, in welchen e die Motive für seine Abreise darlegt. Kaulbars hatt mit dem Polizeikommissär, welcher die Vertheilung zu verhindern suchte, einen Wortwechsel, wobei er sich über die Regentschaft und das Ministerium sehr abfällig äußerte. Der russische Konsul in Philippopel hat mit seinem Per⸗ s 4 al gleichzeitig mit dem General von Kaulbars die Stadt verlassen.
Rußland und Polen. Odessa, 22. Novemhex. (W. T. B.) Der Dampfer „Gedächtniß Merkurz“ ist Vormittags von Varna hier eingetroffen. Der Dampfet „Zadiaka“ folgt demselben alsbald. Beide Schiffe, auf welchen sich der russische Konsul aus Varna und zahe reiche bulgarische Emigranten befinden, gehen auf fünf Tage in Quarantäne.
Amerika. New⸗York, 22. November. (W. T. B) Das heutige Leichenbegängniß des früheren Präsi⸗
denten Axthur trug einen durchaus einfachen Charakter.
Nach der feierlichen Einsegnung der Leiche in der Firche welcher der Präsident, die Minister und andere herror⸗ ragende Persönlichkeiten beiwohnten, und während welche die früheren Minister des Verstorbenen das Leichentuch hielte, wurde der Sarg unter dem Geleit von Marine⸗Artilferisten nach dem Bahnhof gebracht, von wo die Ueberführung m Albany zur Beisetzung auf dem dortigen Friedhofe erfolgte
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Zeitungsstimmen.
Der „Hamburgische Correspondent“ „wünsch, daß bei der Militärvorlage auf möglichste Sparsamkeit Bedach genommen werden möchte, sagt aber: .
... Allerdings kann nicht die Rede davon sein, daß eine Natio deren Aufwand für geistige Getränke den Gesammtbetrag aller Reiche und Staatssteuern um mehr als das Doppelte übersteigt, und welce in der Ausnutzung dieser Steuerquelle so weit hinter allen Kultr⸗ völkern unserer Zeit zurückbleibt, an der Grenze ihrer Leistungzfäbin keit für öffentliche Zwecke angekommen sei. . . . Wenn demngemah die Forderungen für Heereszwecke auf das durch die Siche heit des Reichs gebotene Maß zu beschränken sein werden, d wäre es andererseits der Gipfel der Verkehrtheit, das für das He⸗ Nothwendige verweigern zu wollen. Denn die Sicherung vor 2 äußeren Feind, eine Rüstung, welche in gleicher Weise die etnalge kriegerischen Gelüste anderer Staaten wirksam dämpft und 5 Fall eines Krieges die Gewähr eines günstigen Erfolges bietet, dh die nothwendige Voraussetzung für das gedeihliche Fortschreitn di Nation in den Künsten und Werken des Friedens. Was wir für t⸗ Sicherung vor Kriegsgefahr unter Beschränkung auf das Nan wendige aufwenden, ist nichts weniger als unprodung, verwendet, es bildet das Fundament nicht nur für 8 nützlichen Auswendungen von Reichs⸗ und Staatsnegs sondern auch für die gesammte Produktion, für das ganze Erwekte leben der Nation. Dieses Fundament durch unzeitige Sparsane zu schwächen und der Fähigkeit zu berauben, seine Aufgabe in volef Maße zu erfüllen, wäre die ärgste Mißwirthschaft. Beschränkung das Nothwendige, in dieser Beschränkung aber Bewilligung dehe was das deutsche Heer zur Erhaltung seiner Stellung unter an Armeen Europas bedarf, wird also der Gesichtspunkt sein, von de im nationalen, wie finanziellen Interesse an die Beurtheilung Militärvorlage heranzugehen ist.
— Ueber das Septennat und den Reichstag schreibt
chwäbische Merkur“:
Die unerwartete Ankündigung, daß nun doch schon vor Weih⸗ nachten die Vorlage über die Festsetzung der Friedensstärke unseres Heeres auf weitere sieben Jahre an den Reichstag gebracht werden solle, lehrt wieder einmal, wie wenig man sich auf die Ver⸗ muthungen verlassen kann, welche jeweilig über die voraus⸗ sichtliche Reihenfolge der Reichstagsarbeiten angestellt werden. Es waltet eben an leitender Stelle in Berlin keine schreiber⸗
aäßige Gewohnheit, sondern eine lebendige „politische Kraft, welche frisch die Gelegenheiten ergreift, die Umstände sich zu nütze macht, die Personen aufrüttelt, nach Allem fragt, was ihr dienen kann, nur ncht nach irgend einer alten Schablone Daher die „Ueber⸗ raschungen“, die immer wieder von dort ausgehen und über die sich zu beklagen ein stehendes Kapitel der Schlafsüchtigen ist. Also das Septennat kommt gleich, und die Parteien werden Farbe be⸗ kennen müssen. Die Weltlage mag es wünschenswerth machen, daß die Grundlage unserer Militärverhältnisse möglichst bald wieder in Sicherheit gebracht werde, und die Rücksicht auf diese Lage wird am Ende auch widerwillige Parteien zur Einsicht bringen. Wenn nicht, so giebt es Mittel, sie ründlich zu belehren. Ein Reichstag, der es weigern würde, Deutschland einer waffenstarren⸗ den Welt gegenüber in den Stand zu setzen, seinen Schild fest und sein Schwert blank zu erhalten, ohne alle Jahre oder alle paar Jahre bei seiner, zum Theil aus sehr schwierigen Bestandtheilen zusammen⸗ gesetzten Volksvertretung darum betteln zu müssen, wäre nicht länger zu brauchen. Das Volk müßte in neuen Wahlen neue Vertreter berufen, und... würde doch wohl eine Anzahl eigensinniger Partei⸗ leute nicht wieder aus der Urne hervorgehen lassen...
der
Armee⸗Verordnungs⸗Blatt. Nr. 25. — Inhalt: unterrichtsbuch für Lazarethgehülfen. — Termine für die Portepee⸗ fähnrichs⸗ und Offiziers⸗Prüfungen im Jahre 1887. — Zeichnungen vom Train⸗Material. — Beschaffung von Kassenbüchern ꝛc. — Ab⸗ änderungen von Preis⸗Tarifen. — Verpflegungszuschuß für die Gar⸗ nison Oberlahnstein für das 4. Vierteljahr 1886. — Ausgabe einer neuen Ausrüstungs⸗˖Nachweisung. — Herausgabe eines neuen Kriegs⸗ spielplanes. — Mantelkragen. — Nachtrag zu dem Verzeichniß der höheren Lehranstalten, welche zur Ausstellung von Zeugnissen über die wissenschaftliche Befähigung für den einjährig⸗freiwilligen Militärdienst berechtigt sind. 6
Archiv für Post und Telegraphie. Nr. 21. — Inhalt: I. Aktenstücke und Aufsätze : Urkunden über Botendienst und Postwesen im Elsaß. — Englische Postsparkassen im Jahre 1884. — Der Nord⸗ Ostseekanal. — II. Kleine Mittheilungen: Neue Verwendung des Fernsprechers. — Neuer Telegraphentarif in Rußland. — Das alte Postgebände in Breslau. — Unterirdische Führung der elektrischen Leitungen in den Vereinigten Staaten von Amerika. — III. Literatur des Verkehrswesens: Die deutsche Post⸗ und Telegraphengesetzgebung. Nebst dem Weltpostvertrag und dem Internationalen Telegraphen⸗ vertrag. Textausgabe mit Anmerkungen und Sachregister von Dr. P. D. Fischer. Dritte vermehrte Auflage. — IV. Zeitschriften Ueberschau.
Justiz⸗Ministerial⸗Blatt. Nr. 43. — Inhalt: Allgemeine Verfügung vom 12. November 1886, betreffend die Quittungen über die aus der Justizoffizianten⸗Wittwenkasse bewilligten Pensionen, fort⸗ laufenden Unterstützungen und Erziehungsgelder. — Allgemeine Ver⸗ fügung vom 9. November 1886, betreffend die Gesammtzahlen der in den Gefängnissen der Justizverwaltung während der Etatsjahre 1881/82, 1882/83, 1883/84, 1884/85, 1885/86 detinirt gewesenen Ge⸗ ; und die Tagesbelegung in den Gefängnissen während derselben
ahre.
Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 47. — Inhalt: Amtliches: Cirkular⸗Erlaß vom 15. November 1886. — Personal⸗ Nachrichten. — Nichtamtliches: Selbstthätiger Schneezaun. — Die Kinzigthalbahn. — Kensington⸗Halle in London. (Schluß.) — Wosch⸗ und Bade⸗Anstalten in Metz. — Eiffel's Riesenthurm. — Ver⸗ mischtes: Zweite Hafeneinfahrt und die neuen Kriegshafenanlagen in Wilhelmshaven. — Einfluß der Wärme auf die Bewegung des fließenden Wassers. — Berechnung der Stärke der Monier'schen Cementplatten — Hirth's „Formenschatz“. — Einheitlicher Fahrpreis auf den Hochbahnen von New⸗York. — Unterirdische elektrische Lei⸗ tungen in New⸗York.
Statistische Nachrichten.
„Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund⸗ heitsamts sind in der Feit vom 7. bis 13. November cr. von je 1000 Einwohnern, auf den Jahresdurchschnitt berechnet, als gestorben semeldet⸗ in Berlin 22,1, in Breslau 29,7, in Königsberg 28,9, in Köln 6,1, in Frankfurt a. M. 14,1, in Wiesbaden 22,5, in Hannover 27,2, in Kassel 17,9, in Magdeburg 22,5, in Stettin 26,6, in Altona 24,3, in Straßburg 21,4, in Metz 19,2, in München 30,6, in Nürnberg 24,0, in Augsburg 22,9, in Dresden 22,6, in Leipzig 15,6, in Stuttgart 16,1, in Karlsruhe 17,9, in Braunschweig 26,9, in Hamburg 30,3, in Wien 24,0, in Pest 39,5, in Prag 25,8, in Triest 26,0, in Krakau 31,8, in Basel 21,3, in Amsterdam 19,0, in Brüssel 21,4, in Paris 22,3, in London 17,8, in Glasgow 23,4, in Liverpool 23,8, in Dublin 23,6, in Edinburg 21,1, in Kopenhagen 21,4, in Stockholm 17,1, in Christiania 19,5, in St. Petersburg 22,1, in Warschau 23,9, in Odessa 36,4, in Rom 21,1, in Turin —, in Venedig 22,5, in Alerandria 35,6. Ferner in der Zeit vom 17. Oktober bis 23. Oktober cr.: in New⸗York 24,7, in Philadelphig 18,7, in Balti⸗ more 20,6, in Kalkutta —, in Bombay 21,8, in Madras 35,2.
„In der Berichtswoche waren die Sterblichkeitsverhältnisse in den meisten europäischen Großstädten günstige, obgleich auch aus einem
heile deutscher Städte etwas größere Sterblichkeitsziffern als in der vorhergegangenen Woche gemeldet wurden. Gering war die Sterblich⸗ keit namentlich in Frankfurt a. M., Mannheim, Mainz, Metz, Kassel, Leipsig, Stuttgart, Barmen, Basel, Amsterdam, London, Stockholm,
bristianig. — Unter den Todesursachen waren wie alljährlich um die jetzige Jahreszeit, akute entzündliche Prozesse der Athmungsorgane gesteigert, während Darmkatarrhe und Brech⸗ durchfälle der Kinder in den meisten Orten seltener, nur in Paris etwas häufiger als Todesursachen auftraten. — Die Theil⸗ nahme des Säuglingsalters an der Sterblichkeit war in Folge dessen im Allgemeinen eine kleinere als in der Vorwoche. Von 10000 ebenden starben (aufs Jahr berechnet) in Berlin 65, in München 99 h äuglinge. — Etwas größere Verbreitung gewannen dagegen vielfach ie Infektionskrankheiten, und führten von ihnen Masern, typhöse Fieber, Kindbettfieber, Keuchhusten und Pocken häufiger, Scharlach und Diphtherie etwas weniger zum Tode. — Masern forderten in
1 Hamburg, Mülhausen i. E., Magdeburg, Barmen, Elberfeld, Flauen, Paris, London, Liverpool zahlreiche Opfer, auch in den Re⸗ jerungsbezirken Düsseldorf, Marienwerder, Königsberg, Stettin,
chlezwig sowie in Wien u. a. O. waren Masernerkrankungen fählreich. —. Todesfälle an Scharlach waren in Berlin, München, Ge London, Dublin, Odessa gesteigert, dagegen in Hannover, 8 die Zahl der Sterbefälle von 39 auf 19 sank, ferner in Pest, de Petersburg, Warschau vermindert. Auch neue Erkrankungen wur⸗ 8 aus den meisten der genannten Städte weniger, aus Hamburg nd St. Petersburg mehr gemeldet. — Die Sterblichkeit an Diph⸗
erie und Croup war in Berlin, Hamburg, Frankfurt a M., Leipzig, anzig, Nürnberg, Altona, Prag, Kopenhagen, St. Petersburg, arschau, etwas vermindert, in Breslau, Dresden, Halle, Pest, ndon, Christianig gesteigert; Erkrankungen waren in den genannten 8n ten, wie auch in den Regierungsbezirken Düsseldorf und Schles⸗ w noch sehr zahlreich, wenn auch in einigen seltener als in der Vor⸗ fach c. — Dagegen war die Sterblichkeit an Unterleibstyphus viel⸗
S. Ss gesteigerte, wie in Berlin, Hamburg, Paris, Rom, London,
le Prtersburg, auch Erkrankungen wurden mehr gemeldet. An de yphus kam aus London 1. Todesfall, aus St. Petersburg
aus den Regierungsbezirken Königsberg und Marienwerder je 1 Er⸗
krankung zur Berichterstattung; aus St. Petersburg wird auch 1 Todesfall und mehrere Erkrankungen an Rückfallsfieber ge⸗ meldet. — An epidemischer Genickstarre kamen aus Berlin und aus dem Regierungsbezirk Marienwerder je 1 Erkrankung zur Anzeige. Rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut waren in Berlin, Nürnberg, London, Wien, St. Peters⸗ burg, Kopenhagen nicht selten. — Der Keuchhusten zeigte in Ham⸗ burg, Nürnberg, London, Kopenhagen eine kleine Abnahme, in Berlin eine Zunahme der Erkrankungen. — Pocken haben in Wien, Prag, Venedig einzelne, in Hamburg (2), Paris (3), St. Petersburg (4), in Warschau (8) mehrfache, in Pest 73 Sterbefälle veranlaßt. Erkran⸗ kungen an Pocken gelangten aus Berlin und Breslau je 3, aus dem Regierungsbezirk Königsberg 4, aus Wien und St. Petersburg je 7, aus Hamburg 11, aus Pest 203 zur Berichterstattung. — Die Nach⸗ richten über die Cholera in Oesterreich⸗Ungarn lauten andauernd günstig. In Pest sind in der Zeit vom 4. bis 11. November nur noch 4 Er⸗ krankungen und 3 Todesfälle an Cholera vorgekommen; aus den ein⸗ zelnen Ortschaften des Pester Komitates werden jedoch noch immer Erkrankungen gemeldet. In Kroatien sind seit dem 6. November Cholerafälle nicht mehr bekannt geworden. In Triest kamen vom 3. bis 12 November noch 2 Erkrankungen (1 mit tödlichem Aus⸗ gange) zur Anzeige. In Istrien und Krain zeigten sich besonders unter den Zwangsarbeitern in mehreren Gemeinden noch Cholerafälle. — In Italien hat die Epidemie in der Provinz Bergamo gleichfalls abgenommen und sind nur noch wenige Erkrankungen bekannt ge⸗ worden. In Mailand und Cantanzoro sind unter den dortigen Regi⸗ mentern mehrere Cholerafälle vorgekommen, auch in Genua und Spezia zeigte sich seit Anfang November die Seuche.
— Katholisches Elementarschulwesen der Stadt Breslau im Jahre 1885/86. — Aus dem Bericht des katholischen Stadt⸗Schulinspektors Dr. Handloß über die katholischen Elementar⸗ schulen der Stadt Breslau ersehen wir, daß am Schluß des Schul⸗ jahres 1885/86 einschließlich der drei nicht städtischen (Seminar⸗
ebungsschule, Schule des Knaben⸗Waisenhauses zur heiligen Hedwig und Domschule) 34 katholische Elementarschulen bestanden (2 mehr als im Vorjahre), und zwar 16 Knaben⸗, 16 Mädchen⸗ und 2 ge⸗ mischte Schulen. Diese 34 Schulen umfassen 214 Klassen (11 mehr als im Vorjahre), wovon 103 Knaben⸗, 107 Mädchen⸗ und 4 gemischte Klassen. Vier städtische Schulen hatten nur je 5 Klassen und von den nicht städtischen zwei je 3 und die Schule des Waisenhauses zur heiligen Hedwig nur 2 Klassen; dafür wiesen 2 Schulen je 7, 2 Schulen je 9 und 4 Schulen je 10 Klassen auf. 3 Schulen mit zu⸗ sammen 21 Klassen waren wie bisher in Miethsräumen untergebracht; ebenso waren je 2 Klassen von 3 Schulen ausgemiethet. Für 24 Klassen bestand Halbtagsunterricht, weil 12 eigene Klassen⸗ zimmer fehlten. Die Zahl aller katholischen Elementarschüler belief sich auf 13 865, und zwar 6872 oder 49,6 % Knaben und 6993 oder 51,4 % Mädchen (im Ganzen 768 mehr als 1884/85). Der Reli⸗ gion nach waren 13 693 Schüler römisch⸗katholisch, 76 alt⸗katholisch, 93 jüdisch und 3 dissidentisch. Für längere Schulversäumnisse waren stets Krankheiten der Grund. Unentschuldigt blieben 1 ½ bis 2 % der Schüler der Schule fern. Es starben im Laufe des Schuljahrs 26 Knaben und 21 Mädchen. Der Disziplin muß im Allgemeinen volles Lob gespendet werden; doch mußten 5 Kinder in Zwangserziehung gegeben werden, und Seitens des Königlichen Polizei⸗Präsidiums liefen zahlreiche Anträge auf Bestrafung von Kindern im Wege der Schuldisziplin ein; es handelte sich dabei zumeist um Baden, Fischen an unerlaubten Stellen, um Feilbieten von Blumen und Betteln An 8 Schulen gab es Schulsparkassen. — Die Zahl der Lehrkräfte ist von 195 im Vorjahre auf 206 (darunter 57 Lehrerinnen) gestiegen. Außerdem waren an den Mädchenschulen 56 Handarbeits⸗Lehrerinnen thätig. An den 3 nicht städtischen Schulen wirkten 7 Lehrkräfte.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Die Sagen der Hohenzollern. Von Oskar Schwebel. Zweite stark vermehrte Auflage. Mit einer Abbildung der Burg ohenzollern. XIV und 452 Seiten. Preis elegant geheftet 5 ℳ In Prachtband mit Goldschnitt 6 ℳ — Das reich ausgestattete, von 15 auf 29 Bogen vermehrte Werk des beliebten Verfassers, ein Familien⸗ und Volksbuch im besten Sinne des Wortes, liegt in zweiter Auflage vor, und alle die Verdienste, welche die Kritik bereits der 1. Auflage zuerkannte, haben in dieser ihre wefentliche Steigerung insofern erfahren, als nicht allein in derselben der Kreis der in poetischer Sprache erzählten Sagen bedeutend erweitert ist, sondern auch viele der in der ersten Auflage nur skizzirten Sagen in fesselnder Form ausgearbeitet worden sind. So erscheint das Buch gleichsam als ein neues und wird gewiß bei Jung und Alt die freund⸗ lichste Aufnahme finden. Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz hat die Widmung des Werks angenommen. Der Inhalt des Buches gliedert sich in folgende Abschnitte: 1) Berg und Burg Hohenzollern. 2) Stammessagen der Hohenzollern. 3) Graf Isenbard von Altorf. 4) Herzog Tassilo. 5) St. Meinrad. 6) Die heilige Magd Irmentrud. 7) Die Hohenberger. 8) Hohenzollern, Hirschberg und Schalksburg. 9) Die Gründung von Kloster Stetten. 10) Die Heiligekreuz⸗Linde am Hohenzollern. 11) Graf Friedrich von Hohenzollern, der Oettinger genannt. 12) „Aus 'm Zollerländle a letschta Schtrauß.“ 13) Die Prophezeiungen der künftigen Größe des Hauses Hoherzollern. 14) Märkische Fürstensagen alter Zeit. 15) Burggraf Friedrich VI. von Nürnberg und der Bürgermeister von Rothenburg. 16) Das Kreuz am Kremmer Damm. 17) Der Hohenzollern Kurhut und Schwert. 18) Im alten Schlosse zu Kölln an der Spree. 19) Jagd⸗ schloß Grunewald. 20) Markgraf Hans von Küstrin. 21) Die weiße Frau. 22) Allerlei Portenta und Mirakula. 23) Der große Kurfürst. 24) „Die Herrlichkeit der Erden muß Staub und Asche werden.“ 25) Der Neidkopf in der Heiligen Geiststraße zu Berlin. 26) Träume und Gesichte aus den Tagen Friedrich Wilhelm's I. 27) Die Veet gre n von Schwedt in der volksthümlichen Ueber⸗ lieferung. 28) Friedrich der Große und die Volkspoesie. 29) Der Ring der Markgrafen von Ansbach⸗Bayreuth. 30) Schluß. — Im Verlage von Friedrich Wilhelm Grunow, Leipzig, erschien ein eigenartiges Buch, welches schon durch den Titel: „Als der Großvater die Großmutter nahm, ein Liederbuch für altmodische Leute“, das Interesse der Leserwelt erregt. Diese Bezeichnung deutet schon darauf hin, daß das Werk einem ganz be⸗ sonderen Zweck dienen soll. Der Herausgeber, Dr. Gustav Wust⸗ mann, läßt sich über den bei Zusammenstellung dieser Sammlung leitenden Gedanken ausführlich in seinem Vorwort zur ersten Auf⸗ lage aus. Er erläutert den eigenartigen Titel, durch welchen angedeutet werden soll, daß man bier nicht mit altmodischen Leuten, sondern mit alt⸗ modischen Liedern zu thun hat, d. h. solchen, welche aus der Mode gekommen sind und mehr und mehr in Vergessenheit gerathen. Er hat es mit dem vorliegenden Buch unternommen, der älteren noch lebenden Generation, den Großvätern und Großmüttern und sonstigen betagten Personen, deren Jugenderinnerungen bis in den Anfang dieses Jahrhunderts zurückreichen, hier eine Auswahl derjenigen Lieder und Gedichte zu bieten, welche in jener Zeit beliebt und gelesen waren, ihnen also die Erinnerung an die längstvergangenen Tage ihrer Jugend und an den damaligen Geschmack, die in jener Zeit herrschende. Mode zu erneuern. Diese poetischen Produkte, wie sie unserem Geschmack nicht mehr zusagen, die aber dem geistigen Leben der vergangenen Zeit Ausdruck geben, finden sich hier in sorg⸗ fältiger Auswahl zusammengestellt. Die bekannten Liedchen, wie wir sie noch aus dem Munde der Großeltem und Eltern kennen, sie bilden hier einen bunten Strauß, an dessen Mannigfaltigkeit auch noch das heutige, eine minder einfache literarische Kost gewohnte Geschlecht seine Freude haben kann. Aus der Zeit von 1740 an bis 1840 finden wir hier die dichterischen Früchte eines ganzen Jahrhunderts, in charakteristischen Proben vereinigt, jede nach ihrer Eigenart den herr⸗ schenden Geschmack der Zeit, in Perce sie entstanden, erkennen lassend. So finden wir denn jene schmachtenden, füßlichen Liebesgedichte, in denen die Belinde, Dorinde und Phyllis eine Rolle spielt, jene Schäferpoesie, welche in ihrer Harmlosigkeit und theilweisen Ab⸗ geschmacktheit unserem Geschmack nicht mehr zusagt, und die doch da⸗
mals das Entzücken der gebildeten Welt erregte. Wir finden hier die damals so beliebten Fabeln, ein Genre, das jetzt nicht mehr gepflegt wird, dann Proben aus der Stürmer⸗ und Drängerzeit, die sanften Weisen der romantischen und nachromantischen Schule, welche auch dem jüngeren Geschlecht noch wohlbekannt sind. Der Herausgeber hat seine Aufgabe absichtlich beschränkt und in die Sammlun
nur Produkte der Kunstpoesie aufgenommen, welche allmähli
volksthümlich geworden sind; hierbei hat er es sich besonders angelegen sein lassen, wenn irgend möglich, die ursprüngliche Gestalt der im Volksmund allmählich veränderten Lieder und Gedichte aus⸗ findig zu machen und wiederzugeben, insbesondere aber die Namen der Dichter der einzelnen Nummern festzustellen. Man kann dem Herausgeber nur beistimmen, wenn er erklärt, daß die chronologische Reihenfolge ihm als die einzig richtige bei Anlage der Sammlung er⸗ schien, ebenso daß er von der in den modernen Anthologien üblichen Eintheilung der Gedichte von dem in ihnen behandelten Stoff absah und zusammenfassende Abschnitte gemacht hat, so zuerst eine Serie von Fabeln und Erzählungen, sodann von Liedern, und eine dritte Abtheilung, welche die beliebtesten, auch jetzt noch im Volke verbreiteten Gesangsnummern aus Opern, Operetten und Singspielen enthält. Hat der Verfasser mit seiner Sammlung sich zunächst den Dank der „altmodischen Leute“ erworben, so verdient dieser Akt literarischer Pietät auch, von literar⸗wissenschaftlichem Gesichtspunkte aus betrachtet, volle Anerkennung. Wie viele der in diesem Liederbuch abgedruckten poetischen Erzeugnisse wären im Laufe der Zeit nicht vollständig vergessen worden und verloren gegangen, während sie jetzt in diesem Neudruck der Nachwelt erhalten bleiben! Obschon ja manche von ihnen von geringem oder gar keinem künstle⸗ rischen Werthe sind, so lassen sie uns doch in das Seelenleben unserer Vorfahren einen belehrenden Einblick thun und erleichtern uns das Verständniß ihres Dichtens und Trachtens. Von besonderem Werth aber sind die Anmerkungen und das Inhaltsver⸗ zeichniß. Hier wird erst ersichtlich, welch einer großen Mühe sich der Herausgeber bei Zusammenstellung des Liederbuchs unterzogen hat, und es ist recht erfreulich, daß seine Arbeit auch von bestem Erfolge gekrönt worden ist. Mit emsigem Fleiß hat er die Almanach⸗ und Kalenderliteratur des von ihm bearbeiteten Zeitabschnittes durchforscht und giebt uns den ersten Druckort und die Zeit des ersten Erscheinens der betreffenden literarischen Produkte an. Das interessante Werk ist bereits in zweiter Auflage erschienen; der rasche Verbrauch der ersten zeigt, welcher beifälligen Aufnahme sich das Liederbuch zu erfreuen ge⸗ habt hat. Diese zweite Auflage ist um 162 Stück bereichert worden; in der ersten Abtheilung (Fabeln und Erzählungen) sind 49, in der zweiten (Lieder) 92, in der dritten (aus dem Theater) 21 Nummern neu hinzugekommen, so daß die ganze Sammlung nun nahezu 400 Stück umfaßt. Die Verlagshandlung hat das Werk auf das eleganteste ausgestattet. Titelblatt in Heliogravüre, Wahl der Schriftgattung und typographisches Arrangement, Stoff und Prägung der Einband⸗ decke, Muster des Vorsatzpapieres, Alles macht einen vornehmen Ein⸗ druck und läßt das Buch wie kein anderes zum Geschenk für den Weihnachts⸗ und Geburtstagstisch der Eltern und Großeltern er⸗ scheinen. Der Preis des Liederbuchs in Damastband beträgt 6 ½ ℳ, in Atlas oder Kalbleder 11 ℳ . .
— Von dem Werke: „Das Wissen der Gegenwart“ (Ceipzig: G. Freytag, Prag: F. Tempsky) liegen wieder 3 interessante neue Bände vor:
55. 56. Dr. Max Schasler: „Aesthetik.“ Grundzüge der Wissenschaft des Schönen und der Kunst. 248 u. 266 Seiten. 80. — 2 ℳ = Fl. 1,20 Kr. — Der bekannte Verfasser hat das schwierige Problem, eine Aesthetik populär zu schreiben, meisterhaft gelöst, wie eine Durchsicht der oben genannten Leistung lehrt. Der erste Theil beschäftigt sich mit der Idee des Schönen in ihrer Allgemeinheit und Besonderung (Naturschönheit, menschliche Schönheit), der zweite Theil führt uns in das große Reich der Kunst; er weist uns die Ele⸗ mente des Kunstschönen nach und bietet dann eine äußerst feinsinnig gehaltene ästhetische Betrachtung der Architektur, Plastik, Malerei, Musik, Mimik und Poesie in all ihren Unterabtheilungen. Die Sprache ist gehoben, edel und dabei körnig einfach. Wer sich mit Kunst und Philosophie beschäftigt oder irgend ein Interesse für die⸗ selben hat, wird das Buch mit größtem Nutzen lesen; es wird den Sinn für das Schöne und Edle in die weitesten Kreise des deutschen Volkes tragen. b
57. Prof. Dr. R. Hartmann: „Madagaskar und die Inseln Seychellen, Aldabra, Komoren und Mas⸗ karenen.“ 803. 152 Seiten. Preis gebunden 1 ℳ = 60 Kreuzer. — Dieser Band ist der V. Theil des Werkes: „Der Welttheil Afrika in Einzeldarstellungen.“ Aber er bietet auch ein selbständiges und bei den Vorgängen auf Madagaskar gerade jetzt lebhaftes Interesse. Von kundiger Hand sind uns die obengenannten Inseln in ihren Bodenverhältnissen und Produkten, ihren Einwohnern, deren Sitten, Gebräuchen und Lebensverhältnissen geschildert. Wer sich für fremdes Land und für fremde Leute interessirt, wird hier eine reiche Quelle der Belehrung und Unterhaltung finden. Die Fauna und Flora der einzelnen Inseln ist gründlich behandelt, aber auch die national⸗ ökonomische und kulturhistorische Seite wurde sorgfältig und in ihren charakteristischen Erscheinungen aufgefaßt. Ebenso erscheinen die sozialen und religiösen Einrichtungen mit Klarheit dargestellt. 23 Vollbilder und 28 in den Text gedruckte Abbildungen erläutern denselben. Ein ausführliches Register erhöht den Werth des Buchs, an dem Jung und Alt, Gelehrfe und Laien Gefallen finden werden.
58. J. Löwenberg: „Die Entdeckungs⸗ und For⸗ schungsreisen in den beiden Polarzonen.“ (8. 152 Seiten. Preis gebunden 1 ℳ = 60 Kr.) — Nach einer übersichtlichen geogra⸗ phischen Rück⸗ und Rundschau belehrt der Verfasser uns über die Wiederaufnahme der heldenhaften Polarreisen im Jahre 1818. Wir begleiten Franklin und später die Franklinsucher auf ihren Fahrten, reisen mit den „deutschen arktischen Argonauten“ Koldewey, Dorst, Bessel, v. Heuglin, v. Zeil, Weyprecht, Payer, Roß, Challenger, Nordenskjöld u. a. m. nach dem äußersten Norden und Süden. Hoch⸗ interessante Erörterungen über Ballonexpeditionen zum Pol und die Polarforschung der Zukunft schließen das Werk ab, welches gut aus⸗ gestattet, mit instruktiven Karten und ausführlichem Register versehen, einen zeitgemäßen Stoff in anregender Weise behandelt.
Zürich, 21. November. Der bekannte Historiker Dr. Johannes Scherr, Professor am hiesigen Polytechnikum, ist heute nach langem Leiden gestorben.é Johannes Scherr, Bruder des Schweizer Schul⸗ mannes Ignaz Thomas Scherr, war geboren am 3. Oktober 1817 zu Hohenrechberg, besuchte das Gymnasium zu Gmünd und die Universitäten zu Zürich und Tübingen, wirkte dann eine Zeit lang als Lehrer und ließ sich 1843 in Stuttgart nieder, wo er 1844 mit der großes Aufsehen erregenden Schrift: „Württem⸗ berg im Jahre 1844“ den politischen Kampfplatz betrat. 1848 wurde er in die württembergische Abgeordnetenkammer und in den Landesausschuß gewählt und stand während der Revolutionszeit mit an der Spitze der demokratischen Partei, weshalb er nach Auflösung der Kammer 1849 in die Schweiz flüchten mußte. Er ließ sich zu⸗ nächst in Winterthur nieder, wo er längere Zeit schriftstellerisch be⸗ schäftigt lebte, bis er 1860 als Professor der Geschichte und Literatur an das eidgenössische Polytechnikum in Zürich berufen wurde, wo er bis zu seinem Lebensende wirkte. Von Scherr's belletristischen Schriften sind am bekanntesten die Romane: „Schiller“ (1856); „Michel, Ge⸗ schichte eines Deutschen unserer Zeit“ (1858, 5. Aufl. 1878); von seinen historischen Werken: „Geschichte deutscher Kultur und Sitte“ (1853, 7. Aufl. 1879); „Geschichte der deutschen Frauenwelt“ (4. Aufl. 1879); „Blücher, seine Zeit und sein Leben“ (1862). In das Ge⸗ biet der Literaturgeschichte gehören: „Bildersaal der Weltliteratur“ (neue Bearbeitung 1869); „Allgemeine Geschichte der Literatur“ (6. Ausg. 1881); „Schiller und seine Zeit“ (1859); „Germania, zwei Jahrtausende deutschen Lebens“ (3. Aufl. 1880).
Veterinärwesen.
Belgien. In neun Provinzen Belgiens herrscht die Lungenseuche unter
dem Rindvieh in bedeutendem Umfange.