Der Magistrat von Berlin hat zu Meinem Geburtstage in alt⸗
8 gewohnter Weise Meiner gedacht und Mir mit den Ausdrücken an⸗ hänglicher Gesinnung aufrichtige Freude bereitet. Ich danke dem Magistrat für seine guten Wünsche und erwidere dieselben mit der Versicherung, daß Meine rege Theilnahme für das Wohl der Haupt⸗ stadt auf allen Gebieten stets dieselbe bleiben wird.
Beerlin, den 23. November 1886. Victoria, Kronprinzessin.
— Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Rechnungswesen, die vereinigten 228 desselben für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Handel und Verkehr, sowie der Ausschuß für Zoll⸗ und Steuerwesen hielten heute Sitzungen.
— Im weiteren Verlauf der gestrigen (2.) Sitzung des Reichstages ergab der Namensaufruf die Anwesenheit von 230 Mitgliedern. Das Haus war also beschlußfähig. Darauf fand die Präsidentenwahl statt. Der Abg. Dr. Windthorst beantragte, zur Abkürzung der Geschäfte, das bisherige Präsidium mit den Schriftführern durch Akklamation wiederzuwählen. Er glaube damit den An⸗ schauungen und Wünschen des ganzen Hauses zu entsprechen. Da ein Widerspruch gegen diesen Wahlmodus nicht erhobeu wurde, so erklärte der Präsident den Abg. von Wedell⸗Piesdorf als zum ersten Präsidenten, den Frhrn. von und zu Francken⸗ stein und den Abg. Hoffmann zu Vize⸗Präsidenten des Reichs⸗ ages gewählt. Der Präsident von Wedell⸗Piesdorf nahm die Wahl an und dankte besonders für den Beweis von Vertrauen, den ihm das Haus hierdurch aufs Neue gegeben habe. Von dem Tage an, wo er die Ehre gehabt habe, Präsident des Hauses zu sein, sei es sein vornehmstes Bestreben gewesen, die strengste Gerechtigkeit zu üben, und es werde dies auch in der bevorstehenden Session die Richtschnur seines Handelns ein. Sollte er in dieser Beziehung Fehler begehen, so bitte er, wenigstens überzeugt zu sein, daß es an seinem guten Willen nicht gefehlt habe, und deshalb Nachsicht zu üben. Zugleich bitte er das Haus, die wohlwollende Unter⸗ stützung, welche er in der vorigen Session gefunden, ihm auch in der bevorstehenden zu Theil werden zu lassen; denn er wisse nur zu gut, daß es ihm nur dadurch möglich sein werde, b Geschäͤfte 5 zu führen, wie das Haus es zu fordern be⸗ rechtigt sei.
Der Abg. Freiherr von und zu Franckenstein dankte gleichfalls verbindlichst für seine Wahl zum Vize⸗Prästdenten. Er nehme dieselbe an und bitte auch für diese Session um Vertrauen und Nachsicht.
Der Abg. Hoffmann dankte ebenfalls für das ihm be⸗ wiesene Vertrauen und erklärte die Annahme der Wahl.
Auf Antrag des Abg. Dr. Windthorst wurden zu Schrift⸗ führern gewählt die Abgg. Dr. Bürklin, Eysoldt, Dr. Hermes, Graf von Kleist, von Kulmiz, Porsch, Graf Schönborn und Wichmann.
u Quästoren ernannte der Präsident die Abgg. Kochann und Franke. Der Reichstag war hiermit konstituirt. Der Präsident wird Sr. Majestät dem Kaiser die vor⸗ geschriebene Mittheilung hiervon machen.
Um 3 Uhr vertagte sich das Haus auf Dienstag 12 Uhr.
(Nordd. Allg. Ztg.) Die Patent⸗Enquete⸗ kommission beschäftigte sich am Donnerstag mit den die heimische Industrie betreffenden Fragen des Fragebogens, welche lauten:
7) Ist es geboten, im Gesetz ausdrücklich auszusprechen, Patentirung eines Verfahrens, insbesondere zur Herstellung eines chemischen Produktes, auch die Wirkung haben soll, das Inverkehr⸗ bringen oder Feilhalten des nach dem patentirten Verfahren her⸗ gestellten Produkts von der Erlaubniß des Patentinhabers abhängig zu machen?
8) Liegen Wahrnehmungen darüber vor, daß Produkte, welche nach einem im Inlande patentirten Verfahren hergestellt sind, zum Nachtheil des Patentinhabers in erheblichem Umfange aus dem Aus⸗ lande eingeführt werden? Ist bejahenden Falls noch eine weiter⸗
zur Frage gestellte Gesetzesvorschrift zu
8
daß die
gehende als die unter 4 erlassen?
.9) Würde sich insbesondere eine Bestimmung des Inhalts recht⸗ fertigen, daß bei der Einfuhr neuer Stoffe vom Auslande, deren Her⸗ stellungsverfahren im Inlande patentirt ist, bis zum Gegenbeweise die Vermuthung gelten soll, daß die Herstellung derselben nach dem patentirten Verfahren erfolgt sei? Soll diese Präsumtion selbst dain Felten, wenn ein anderes Herstellungsverfahren in der That be⸗ annt i
Die beiden ersten Fragen wurden fast einstimmig bejaht.
— Die Einnahmen der Reichs⸗Post⸗ und Tele⸗ graphen⸗Verwaltung für die Zeit vom Beginn des Etatsjahres bis zum Schluß des Oktober d. J. haben be⸗ tragen 101 541 766 ℳ, 3 826 835 ℳ mehr als in demselben Zeitraum des Etatsjahres 1885/86, die der Reichs⸗Eisen⸗ bahn⸗Verwaltung 27 745 600 ℳ (— 297 900 ℳ).
— Hat in Preußen Jemand an Gegenständen seines Schuldners, welche in bestimmten verschließbaren Räumen auf dem Grundstück des Schuldners sich befinden, ein Faust⸗ pfandrecht unter Beobachtung der im Preuß. Allg. Land⸗ recht für die sog. symbolische Verpfändung vorgeschriebenen Förmlichkeiten erworben, die Schlüssel zu den gedachten Räu⸗ men an sich genommen und bei sich bis zur Konkurseröffnung über das Vermögen des Schuldners verwahrt, so hat nach einem Urtheil des Reichsgerichts, V. Civilsenats, vom 27. Oktober d. 8. dieser Pfandglaubtger ein Absonderungs⸗ recht an jenen Gegenständen, selbst wenn er während der Verwahrung der Schlüssel öfter dieselben dem Schuldner behufs vorübergehender Benutzung der Räume gegeben hat.
— Das „Centralbl. d. Bauverw.“ schreibt: Betreffs der nachträglichen Ernennung zum Königlichen Re⸗ gierungs⸗Bauführer bezw. ⸗Baumeister gehen uns noch fortwährend Anfragen zu. Die dabei zum Ausdruck kommenden Fesfel beruhen meist in einer irrigen Voraus⸗ setzung, nämlich in der Verwechselung der „Zulassung zur Baumeisterprüfung“ mit der Zulassung zu den weiteren Prü⸗ fungsabschnitten: der Klausur und der mündlichen Prüfung. Nach den Bestimmungen der neuen Prüfungsvorschriften (C. 39 u. f.) ist 1 übrigens in Uebereinstimmung mit den älteren Vorschriften vom 27. Juni 1876 — die zulassung zur zweiten Hauptprüfung durch die Ertheilung der äuslichen Arbeit bereits ausgesprochen. Wem somit die letztere rbeit ertheilt ist, der ist zur Baumeisterprüfung zugelassen
einstimmig, die letzte
*
ührer zu diesem Zweck nicht mehr. Erst führer wie im Erlaß vom 10. Oktober d. J.
jedenfalls zu stellen, nur
gebrachten Ausnahmefall, daß
öffentlichen Arbeiten zu richten.
Potsdam, Hannover und Kassel angetreten.
Petersburg abgereist.
Mecklenburg⸗Schwerin. Schweri
burg angeregt zu haben, das Verdienst des
Ausschusses,
der Steuerbefreiung im Auslande
Ueber die während des letzten Jahres
bahn sind von dem Rest der Landeshülfe gezahlt.
d. J. begonnen worden, an den Vorstand
der Warne 705 000 ℳ
bahn von Wismar nach Karow bewilligte die volle Landeshülfe. 7) Für Erbauung
557 000 ℳ
(Th. C.) zurückgekehrt. Der dem Landtage zugegangene V
mehr vorliegenden Reichshaushalts⸗Etats
Voranschlag eingestellt war, um
zu berücksichtigen, beträgt. Darunter befinden sich 111 Fehlbetrage des Reichshaushalts für
entnehmen — und 105 485 ℳ, um welche gabe⸗Etat des Staatshaushalts zu erhöhen
herangezogen werden, wie denn überhaupt
in Anspruch nehmen wird, eine weitere wesentliche
schaffung der 8
werden würde. instweilen von einer Erhöhung der Einkommensteuer, anfänglich vorgesehenen Herabsetzung eini Das mit dem Landtage zu daher die bisherigen Steuersätze fest, auf 1 670 000 ℳ festgestellt ist.
Reuß ä. L. Greiz, 25. November. vertagte 7. ordentliche Landtag des 7 Wiederaufnahme der Verhandlungen auf einberufen.
Elsaß⸗Lothringen.
verschiedenen im Januar einberufen werden wird. Kolmar, 22. November. (Lds.⸗Ztg. f.
Ober⸗Elsaß, welche heute Mittags 2 ½ Präsidialgebäude stattfand, hatten s eingefunden.
und bedarf der Ernennung zum Königlichen Regierungs⸗Bau⸗
tage, durch den Bezirks⸗Präsidenten,
die Zulassung von der erfolgten Ernennung abhängig gemacht. Wir können aber unseren Rath, den Antrag auf Ernennung wiederholen. dem genannten Erlaß nicht vorgesehenen, bei uns zur Sprache ein Bauführer bei ein Behörde (z. B. Reichsbehörde) 1 8* Preußens beschäftigt gewesen ist, empfiehlt es sich, die Anfrage betreffs Ernennung zum Königlichen Regierungs⸗Bauführer an den Minister der Hat die Beschäftigung dagegen innerhalb Preußens stattgefunden, so ist der Antrag auf Er⸗ nennung in Gemäßheit des Erlasses vom 10. Oktober bei dem Chef einer der in §. 30 der neuen Prüfungsvorschriften ge⸗ nannten Behörden zu stellen, in deren Bezirk der Antrag⸗ steller zuletzt beschäftigt gewesen ist oder noch beschäftigt wird. eünen u esode. Rxs PAvvA. IreNa-ꝗ‿na. vn⸗
— Der Präses der Ober⸗Militär⸗Examinations⸗Kommission, General⸗Lieutenant des Barres, hat eine Dienstreise nach
— Der Oberst⸗Lieutenant von Villaume, Flügel⸗ Adjutant Sr. Majestät des Kaisers und Königs und Militär⸗ Bevollmächtigter am Kaiserlich russischen Hofe, ist nach St.
In der gestrigen Landtagssitzung zu Malchin wurde u. A. über die 61. Proposition des Engeren Ausschusses, betreffend die Herstellung von Natural⸗Verpflegungsstationen für mittel⸗ und arbeitslos umherziehende hülfsbedürftige Personen, be⸗ rathen. Es lag ein sehr eingehender Bericht des Engeren Ausschusses über die wichtige, schon auf den beiden letzten Landtagen lebhaft diskutirte Materie vor, welche zuerst in Mecklen⸗
Rettich auf Rosenhagen ist. Die Landschaft aller drei Kreise (die Vertreter der Städte) behielt sich aber ihre Erklärung vor, ob sie zur Sache im Plenum weiter berathen oder eine Standeserklärung abgeben wolle. — Sodann wurde eine Proposition des betreffend die Verordnung zur Abänderung des revidirten Kontributionsedikts vom 18. Juni 1874, welche am 8. Juni d. J. publizirt ist, mit einem Vortrage des Hrn. von Dreves auf Kirch⸗Mummendorf und des Bürgermeisters Schlaaff⸗Waren der staatsrechtlichen Kommission überwiesen zum Erachten über die Frage, ob die Beh. Aufhebung ereits Zinsen nicht auf die Couponsteuer zu beschränken sei. —
Vorgänge auf dem Gebiet des Eisenbahnbaues und der Wasser⸗ bauten ergiebt sich aus den Vorlagen des Engeren Ausschusses das Nachstehende: 1) Zum Bau einer Sekundär⸗Eisenbahn Plau—Landesgrenze wurde eine Landeshülfe von 20 000 ℳ pro Kilometer bewilligt. 2) Für die Mecklenburgische Süd⸗
3) An die Neubrandenburg⸗Friedländer Eisenbahn ward gleichfalls der Rest der Landeshülfe entrichtet. sichtlich der Warnemünde⸗Neustrelitzer Eisenbahn wird bemerkt, daß, nachdem der Betrieb auf der ganzen Strecke am 1. Juli
schen Lloyd von der Landeshülfe für die in Mecklenburg⸗ Schwerin belegene Strecke 1 235 450 ℳ ausgezahlt sind, so⸗ daß nur noch ein Rest von 20 000 ℳ einbehalten ist. Landeshülfe für Mecklenburg⸗Strelitz ward betrage von 78 684 ℳ bererts an die Lloyddirektion entrichtet, welche also im Ganzen schon 1 314 134 ℳ erhielt. dem wurden an den Rostocker Magistrat als die Hafenbauten in Warnemünde und den Schleusenbau an r Warl gezahlt, sodaß noch 20 000 ℳ rück⸗ ständig sind. 6) Für den Bau einer normalspurigen Sekundär⸗ der Engere Ausschuß
Eisenbahn von Ludwigslust nach Dömitz beantragte der Lud⸗ wigsluster Magistrat Bewilligung einer Landeshülfe von etwa
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 26. November. Der Großherzog ist heute von Allstedt hierher
Staats⸗Einnahmen und Ausgaben ist
modifizirt worden. Einmal muß der Antheil thums an den Reichssteuern, der mit 1 145 100 ℳ in den wa 15 000 ℳ niedriger be⸗ messen werden; ferner ist die Erhöhung der Matrikularbeiträge die für das Großherzogthum 217 000 ℳ 561 ℳ Antheil an dem age d 1885/86 — diesen Be⸗ trag will die Regierung den Ueberschüssen der
dieses Bedarfs werden ebenfalls die Ueberschüsse der Staatskasse
Befriedigung der Anforderungen des Reichs die Staatsmittel mit dem Vorbehalt, daß falls
Erhöhung der Herauszahlungen aus der Reichskasse nicht eintreten sollte, dem Landtag⸗
igen Mittel anderweite Vorlage nimmt die Regierung Abstand
vereinbarende Steuergesetz hält deren Gesammtbetrag
ö ontag,
¹ Straßburg, (Lds.⸗Ztg. f. Els.⸗Lothr.) Der Staatsrath wird sich am 30. d. M. hier versammeln, um die Vorlagen Landesausschuß zu berathen, der jedoch nicht, wie in lättern mitgetheilt, im Dezember,
Eröffnung der ordentlichen Session des Bezirkstages des
G ch sämmtliche Mitglieder Nach Verlesung der landesherrlichen Verordnung vom 30. August cr., betreffend die Einberufung der Bezirks⸗
vom 1. April 1887 klar ausgesprochen,
Für den in
einer
n, 26. November.
Rittergutsbesitzers
Engeren
besteuerter
zu verzeichnenden
220 000 ℳ aus⸗ 4) Hin⸗ des Deutsch⸗Nordi⸗ Die im Gesammt⸗
5) Außer⸗ Landeshülfe für
einer Sekundär⸗
oranschlag der in Folge des nun⸗ nicht unerheblich des Großherzog⸗
Staatskasse Summe der Aus⸗ ist. Zur Deckung die Regierung zur
egen Be⸗ gemacht
aber auch von der ger Steuerstufen.
(Lpz. Ztg.) Der ist zur en 29. d. M.,
25. November. für den sondern erst Els.⸗Lothr.) Zur Uhr im Bezirks⸗
den Regierungs⸗Räthen Hermann Sitzung beiwohnte, schritt der seines Vorstandes. Im ersten Wahlgange wählt: zum Präsidenten Baron von Reina Präsidenten die Herren Kempf und Mieg⸗Köchlin, zu
führern die Herren Grad und Ostermeyer. Hieranf
die Kommissionen in der letztjährigen Zusammenset wurde bildet. Der Bezirkstag trat sodann sofort in die Vemnß 8 der Vorlagen ein. erathan
8 —
8
—
und Bezirkstag
Rabe 8 zur Wail wurden 2 üe
zu P
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 24. Novembe Der galizische Landesausschuß Lkarke feanaa des Antrages Malecki, betreffend den utraqu isic Unterricht in den galizischen Volks⸗ und Mittelschuliscer Uebergang zur Tagesordnung. Diese Angelegenheit vist lebhafte Debatten im Landtage hervorrufen. ün
Pest, 26. November, Abends. (W. T. B.) Die b reichische Delegation genehmigte in der heutigen P 8 sitzung einstimmig und unverändert das Budget des Aur wärtigen und den geforderten Okkupations⸗Kreus Die Berathung über das Extraordinarium des -S Etats wurde auf nächsten Montag festgesetzt. — Von 6 ungarischen Delegation wurde das Marine⸗Bud . genehmigt. Svxxb bet
— 27. November. (W. T. B.) In der heutigen St der ungarischen Delegation inkerpellirte Falzmn Minister des Aeußeren wegen der Mittheilungn Karaweloff's bezüglich der Entfernung v Fürsten Alexander am 21. August und fragte. ob Graf Kälnoky im Voraus’ über das Attente unterrichtet gewesen sei; ob er mit dem Fürsten Bismarck am 22. Juli in Kissingen darüber 5” und stillschwweigend die Pläne RNußlands unterstütt habe, sowie ob die Verhandlungen Anfangs August font gesetzt seien und zur Unterstützung der russischen Zill geführt hätten. Sektionschef Szoegyény erwiderte in Namen des Grafen Kälnoky: ihm seien die Mittheilungen Karaweloff's nur aus den ee bekannt. Er müsft unter Hinweis auf Tisza's Rede vom 30. September, in welcher die Zumuthung einer Kenntniß von oder einer Theil haberschaft an dem Attentat zurückgewiesen worden sei, die in den Fragen des Interpellanten erwähnten Umstände als ent schieden unwahr bezeichnen. Agram, 25. November. (Wn. Ztg.) Im Landtage interpellirte heute Derentschin die Regierung: ob sie Kenntniß davon habe, daß sich die politischen Behörden ba der Ersatzwahl in Vinkovce Mißbräuche der Antz gewalt zu Schulden kommen ließen. Der Banus er⸗ widerte: er werde sich von der Wahrheit dieser Behauptung überzeugen und dann antworten. Derentschin woollt repliziren, was der Präsident jedoch nicht gestattete. N. Derentschin sich mit Gewalt Gehör verschaffen wollte, wurde die Sitzung auf zehn Minuten unterbrochen. Nach wieder⸗ aufgenommener Sitzung wurde der Gesetzentwurf, etreffend die Gerichtshöfe, in der Spezialdebatte angenommen.
„Niederlande. Haag, 27. November. (W. T. B.) Die Regierung hat den Kammern einen Gesetzentwurf, betreffend die Aenderung der Verfassung in Bezug auf das Wahlrecht, vorgelegt. Dieser Gesetzentwurf schließt die Möglichkeit des allgemeinen Wahlrechts aus und knüpft das Wahlrecht an den Nachweis einer gewiseen Befähigung sowie an bestimmte Bedingungen in Bezug auf die sozialen Verhältnisse. Letztere Bedingungen solen durch ein besonderes Gesetz näher geregelt werden. Ferne⸗ wird ein provisorisches Wahlreglement vorgeschlagen, welcher auf einer Ausdehnung des gegenwärtigen Wahlrechts beruht und durch welches die Zahl der Mitglieder der Zweite Kammer auf 100 und die der Ersten Kammer auf 50 erhöht werden soll.
Großbritannien und Irland. London, 25. November (A. C.) Der Marquis von Salis bury hat die ihm an vorigen Sonntag von einer Deputation der Sozalisten⸗ versammlung auf dem Trafalgar⸗Square zugestellte Denk⸗ schrift über die Nothlage unter der arbeitslosen Bevölkerung in London und die Mittel zu derm Abhülfe beantwortet. Er sagt: „Die in dieser Denkschrift enthaltenen Vorschläge, welche gewaltige legislatorisce Veränderungen in sich schließen, werden vom Parlament, wenn sie demselben unterbreitet werden, ohne Zweifel gehörig erwogen werden. Ich bin jedoch außer Stande, sie zu adoplirm oder zu unterstützen, da ich überzeugt bin, daß sie einen größeren Nothstand als den, welcher gegenwärtig herrsch⸗ verursachen würden.“
— 26. November. (W. T. B.) Die Abendblätter melden: die Regierung von Irland treffe Vorbereitungen, nach mehreren Punkten Irlands Truppen zu senden, um der Agitation zum Zweck der Verhinderung von Packtt⸗ zahlungen wirksam entgegenzutreten.
— 27. November. (W. T. B.) Die irische Regie⸗ rung hat die für morgen in Sligo geplante nationg⸗ listische Kundgebung, bei welcher Dillon und O Brien Reden halten sollten, untersagt.
Wie die „Times“ erfährt, wird das Parlament am 13. Januar zusammentreten.
Der „Morningpost“ zufolge schweben Verhandlungen zwischen England und China, betreffs Abtretung von Port Hamilton an China.
Dublin, 26. November. (W. T. B.) Der oberste Gerichtshof hat einen Befehl erlassen, durch welchen der Deputirte Dillon angewiesen wird, am nächsten Dienstag vor dem Gerichtshof zu erscheinen, da er angeschuldigt ist, in zwei Versammlungen von Pächtern Reden gehalten zu haben, die bezweckten, Unterthanen der Königin ein⸗ zuschüchtern und zum Widerstand gegen das Gese aufzufordern.
— (A. C.) Ueber den Feldzug in Birma wird dem „Reuter'schen Bureau“ gemeldet: 9
Ningyan, 23. November. Oberst Holt, Commandeur de Royal West Surrey Regiments, operirte in der Richtung von Puzan Myang und fand daselbst den Feind in einer starken Stellung vor⸗ Die britischen Truppen griffen dieselbe an und nahmen sie mit 8 Bajonett. Der Führer der Rebellen, Tham⸗han, und sein Serf vefeden 1 unter den Gefallenen. Es verlautet, daß Prinz Tyktinmhe gestorben sei. 1
Chindwin, 24. November. Major Symonds hat mit 88 Abtheilung berittener Infanterie das Lager mit sammt den Wafea und den Lastthieren des Freischärler⸗Führers Hla⸗Oo erbeutet, welche
welcher nebst
Letztere mit seinen Anhängern mit knapper Noth in das Bschungi entkam.
Aus der Kapstadt liegt folgende Reuter'sche Depesche
vom 25. d. vor: 1 8 In Folge der Resignation des Hrn. Upington kam es zur inister⸗Krisis und ist jetzt ein neues Ministerium unter
[Sir Gordon Srigg als Präsidenten desselben gebildet worden.
Frankreich. Paris, 25. November. (Fr. C.) Die strenge Sparsamkeit, von welcher die gestrigen Beschlüs se der Kammer zeugen, lassen die Vermuthung zu, daß die Unter⸗Staatssekretariate wirklich in ihrem Weiter⸗ bestande bedroht seien. Bei genauer Zählung der Stimmen
Ffür und wider die Beibehaltung des Unter⸗Staatssekretariats im Finanz⸗Ministerium stellt sich obendrein heraus, daß nicht
Majorität den vier Nächst⸗ nämlich den Unter⸗Staatssekretären Pey⸗ tral, de la Porte, Tourquet und Bernard, ge⸗ örten, sondern daß sechs Mitglieder der Rechten ür den Antrag, betreffend die Aufhebung des Postens, ge⸗ stimmt hatten, während sie zu denjenigen, die sich enthielten, ezählt worden waren. Umstoßen läßt sich nun allerdings das Resultat vom letzten Montag nicht, aber es ist derart, daß über das Schicksal der Unter⸗Staatssekretariate kaum mehr Zweifel walten können. — Der heutige Ministerrath beschloß, die genannten Herren aufzufordern, zunächst noch im Amte zu bleiben, bis die Kammer sich im Prinzip über die Unter⸗Staatssekretäre geäußert haben würden, deren Beibehal⸗ tung die Regierung verlangt.
— 24. November. (Köln. Ztg.)
nur die vier Stimmen
betheiligten,
In der Budget⸗
Erörterung spiegeln sich die französischen Parteiverhältnisse
wahrheitsgetreu wieder. Die Kammer nimmt fast grundsätz⸗ lich alle von dem Budget⸗Ausschuß im Einverständniß mit der Regierung verworfenen Verbesserungsanträge wieder auf und beschneidet das Budget des Finanz⸗Ministeriums auf eine Weise, daß alle Dienstzweige desselben mehr oder weniger in Unordnung gerathen müssen. Da ist es denn sehr erklärlich, daß heute Abend wieder einmal das Gerücht auftauchte, der Finanz⸗Minister Sadi Carnot sei dieses Treibens endlich müde und habe von Neuem seine Entlassung eingereicht. Hr. de Freycinet wird auch diesmal sein Möglichstes thun, um ihn zum Bleiben zu bestimmen. — Die Frage betreffs der Unter⸗Staats⸗ sekretäre scheint endgültig gelöst zu sein: obgleich Hr. de Freycinet die Entlassungsgesuche derselben nicht amtlich an⸗ nahm, soll er doch die Absicht haben, diese von Gambetta ins Leben gerufenen Stellen abzuschaffen. Die jetzigen Unter⸗ Staatssekretäre werden 1gie im Amte bleiben, bis ihre Ersetzung durch Verwaltungsbeamte geregelt ist.
— 26. November. (W. T. B.) Die Deputirten⸗ kammer hat heute den Etat des Justiz⸗Ministeriums, unter Ermäßigung der Ausgabendesselben um 1 Million angenommen. — Morgen gelangt der Etat des Ministeriums
des Auswärtigen zur Berathung, für welchen der Minister⸗
Präsident de Freyecinet selber eintreten wird. Italien. Rom, 23. November. (Köln. Ztg.) In Gegen⸗
vart sämmtlicher Räthe der Krone wurde heute vor 200 Ver⸗
tretern der Nation die Deputirtenkammer wieder er⸗ öffnet. Von den 24 verlesenen Anfragen verdient die⸗ jenige des neapolitanischen Advokaten Vastarini über die Verhaftung des Schiffskapitäns Turi und die des Hrn. di Sant'Onofrio über die auswärtige Politik hervorgehoben zu werden. Auf den Vorschlag des Minister⸗Präsidenten wurde ge⸗ nehmigt, daß die Budgets zuerst zur Berathung kommen, die An⸗ fragen dagegen in außerordentlichen Sitzungen behandelt werden sollen. Der Finanz⸗Minister legte die Budgets und zwanzig Gesetzentwürfe auf den Tisch des Vorsitzenden nieder. Der Siegelbewahrer überreichte den ersten Theil eines neuen Strafgesetzbuchs und der Bauten⸗Minister den Entwurf zur Herstellung außerordentlicher dringlicher Wasserbauten.
Türkei. Konstantinopel, 26. November. (W. T. B.) General von Kaulbars ist heute, nachdem er vom Sultan in einer längeren Audienz empfangen worden war, nach Odessa abgereist. Der Sultan hat demselben das Großkreuz des Medjidie⸗Ordens verliehen.
Rumänien. Bukarest, 26. November. (W. T. B.) Das
amtliche Blatt veröffentlicht die Dekrete, durch welche der Fürst Leopold von Hohenzollern zum Chef des dritten Linien⸗Infanterie⸗Regiments und sein Sohn Prinz Ferdinand zum Second⸗Lieutenant desselben Regiments ernannt werden. Aus Anlaß dieser Ernennungen fand heute in Gegenwart des Königs und der Königin, der Generalität und der Hof⸗ und Staatswürdenträger eine Truppenrevue statt. Bei dem Vorbeimarsch der Truppen führte Fürst Leopold das ihm verliehene Regiment bei dem König vorüber, während der zum Second⸗Lieutenant des Regiments ernannte Prinz Ferdinand von Hohenzollern neben der Fahne marschirte.
Die englisch⸗rumänische Konvention, durch welche der bestehende Handelsvertrag modifizirt und bis zum
Jahre 1891 verlängert wird, ist heute unterzeichnet worden. er modifizirte Handelsvertrag tritt sofort in Wirksamkeit.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 27. No⸗ vember. (W. T. B.) Der neu ernannte französische Bot⸗ chafter de Laboulaye ist gestern vom Kaiser im nitschkoff⸗Palais in feierlicher Audienz empfangen worden. ach Ueberreichung seiner Akkreditive wurde derselbe nebst seiner Gemahlin und Tochter der Kaiserin vorgestellt.
Amerika. New⸗York, 3. November. Der ‚„Köln. Ztg.“ wird geschrieben: „Die Arbeiterbewegung nimmt in den ereinigten Staaten einen Umfang und eine Richtung an, die für die Weiterentwickelung unserer heimischen Industrie verhängnißvoll werden kann. Vor allem ist es der Orden der „Ritter der Arbeit“, der nicht nur in stetigem Wachsen ist, sondern sich auch immer mehr durch sozialistische Anschauungen durchdringen läßt. Schon jetzt wird die Gesammtzahl der „Ritter der Arbeit“ auf zwei Nillionen geschätzt. Der Großmeister des Ordens, Powderly, bilt zwar als konservativer und gemäßigter Mann, in dem rden selbst aber gewinnen offenbar die radikalen An⸗ schauungen immer mehr Boden und ihnen wird die rdensleitung entsprechend Rechnung tragen müssen. Die allung der letzten Generalversammlung des Ordens, die zwar das gegenwärtige Vorgehen der Anarchisten als den Vireesen der Arbeiter zuwiderlaufend bezeichnete, gleichwohl aber ihr warmes Mitgefühl für die verurtheilten Chicagoer Anarchisten aussprach, giebt in dieser Hinsicht viel zu denken. uch die bisherige Zurückhaltung der verschiedenen Gewerks⸗ vereine den Rittern der Arbeit gegenüber dürfte nicht mehr von langer Dauer sein. Gelingt es, eine Annäherung oder
gar ein inniges Zusammengehen dieser Arbeitervereinigungen zu erzielen, so dürften für unsere Arbeitgeber schwere und gefahreiche Zeiten hereinbrechen.“ 8 1“
Zeitungsstimmen. Die „Weser⸗Zeitung“ äußert sich in einer Betrachtung
über die Thronrede zur Eröffnung des Reichstages wie folgt:
.. Als wichtigsten Gegenstand der gesetzgeberischen Arbeit erwähnt der Minister die Militärfrage. Die Norhwendigkeit, unser Heer zu verstärken, wird weit mehr betont, als diejenige, die gesetzliche Grundlage ihrer Friedensstärke abermals sicherzustellen; es wird sogar nicht einmal gesagt, auf wie lange Zeit letzteres geschehen müsse. Gleichwohl steht die Septennatsvorlage in sicherer Aussicht. Mag nun über die Militärfrage an sich noch mancherlei Meinungsverschiedenheit sein, gewiß ist, daß die ganze Nation der auf den Frieden gerichteten Politik des Kaisers auf⸗ richtig und dankbar zustimmt und daß sie ein großes und starkes
eer gern in seiner Hand sieht, als ein wichtiges und gewichtiges Instrument für die Erhaltung der Sicherheit unseres Landes, als eine Waffe, deren Mißbrauch Niemano befürchtet. Daß an eine Erleichterung der furchtbaren Rüstung, unter welcher Deutschland wie alle kontinentalen Großmächte seufzen, nicht gedacht werden kann, so lange Frankreich und Rußland in ihrer drohenden Kriegsstärke ver⸗ harren, ist wohl einmüthige Ansicht aller Deutschen, auch der Oppo⸗ sition. Auch eine jährliche Festsetzung der Friedensstärke würde daran ebenso wenig ändern, wie sie die Entwicklung der Marine gehemmt hat. Die Nothwendigkeit der geforderten Verstärkung darzuthun, hat 1 Ekcen unterlassen; das wird nunmehr der Vorlage selbst zufallen.
— Die Wiener „Presse“ schreibt über die Thronrede:
Indem die Thronrede den ungünstigen Stand der Reichsfinanzen zugiebt und feststellt, daß die Deckung des Ausfalls an der Zucker⸗ steuer, die Deckung der unabweislichen Reichserfordernisse eine In⸗ anspruchnahme des Reichskredits und eine Erhöhung der Matrikular⸗ beiträge nothwendig macht, verzichtet die Reichsregierung angesichts der Voten des Reichstages über die Branntweinsteuer, mit diesem Reichstage weiter über Steuerreformpläne zu verhandeln. Der nächste Reichstag wird unter dem Druck einer unerläßlichen Vermehrung der Reichseinnahmen zusammentreten, er wird gewählt werden unter dem Eindruck der bewilligten oder gar der verweigerten Heeres⸗ verstärkung, und der Ernst der gestellten Fragen, die zwingende Nothwendigkeit ihrer Lösung wird dem Schnitzelreiten der Her⸗ ren Windthorst und Richter ein Ende machen. Erst dann, wenn die deutsche Volksvertretung in Ansehung der nothwendigen Dinge wieder verläßlich sein wird, dann erst wird man mit den Parteien über die nützlichen und angenehmen Parteiparolen verhandeln können. Eine Opposition, welche ohne Rechtfertigung die Gesetzgebung in den noth⸗ wendigen Erledigungen hemmt, kompromittirt den Parlamentarismus — das soll in aller Schärfe und Eindringlichkeit den deutschen Wählern klar gemacht werden. Man mag einwenden, daß die Thron⸗
rede für solche Zwecke etwas nüchtern gehalten ist und es verschmäht,
auch nur mit etlichen angenehmen Worten der Opposition den bitteren Trank zu insinuiren. Diese Art von Volkspolitik hat Fürst Bismarck nie betrieben, ihm galt immer als Hauptsache: rem dicere; das verba dicere werden die Herren Windthorst und Richter schon mit erprobter Gründlichkeit besorgen. Ob auch mit Erfolg? Darauf wird die deutsche Nation antworten müssen.
Die „Staatsbürger⸗Zeitung“ sagt unter der Ueberschrift „Deutsches Handwerk sonst und künftig“: Wir gehören zu denjenigen, die es durchaus nicht als Merkmal höherer Zivilisation betrachten, den industriellen Kleinbetrieb zu den Todten zu werfen. Es hat eine Zeit gegeben, und das ist noch gar nicht lange her, wo jeder, der an die Zukunft des Handwerks glaubte und für sie arbeitete, von Leuten, die sich gern liberal nennen, unbe⸗ dingt als Finsterling vor der Oeffentlichkeit denunzirt wurde. .. Die maßlose Ueberschätzung der Maschine, die solche wirren Vorstellungen erzeugen konnte, ist schon jetzt bei allen Einsichtigen ein überwundener Standpunkt, und wird es in Zukunft noch mehr werden. Mehr und mehr bricht sich die Erkenntniß Bahn, daß die In⸗ telligenz des einzelnen Arbeiters denn doch unendlich wich⸗ tiger ist, als die Maschinenseligen es ahnten, daß die beste aschine nie einen Ersatz bieten kann für den geistigen Mangel des Arbeiters. Die industriellen Erfolge, die wir in den letzten Jahren auf allen Gebieten der Industrie zu verzeichnen haben und die das Ausland, in erster Linie England und Frankreich, in einen panischen Schrecken gejagt haben, danken wir der zunehmenden In⸗ telligenz und Vorbildung des einzelnen Arbeiters. Wir wiesen darauf hin, welchen ungeheuren Einfluß die Weiterentwickelung des Fort⸗ bildungs⸗Schulwesens und der industriellen Fachschulen auf die Lei⸗ stungen des deutschen Handwerkers hat; wie unendlich kräftiger läßt sich diese Wirkung noch machen, wenn die einzelnen Gewerbebetriebe sich straffer organisiren, geschlossen zur Begrün⸗ dung von Fachschulen vorgehen und ihrem Nachwuchs die mindestens moralische Verpflichtung auflegen, in den Fachschulen eine höhere Ausbildung zu suchen. Auf der hohen geistigen Durchbildung des einzelnen Handwerkers beruhten die staunenswerthen Erfolge deut⸗ scher Industrie im 14., 15. und 16. Jahrhundert, jener Zeit, wo deutsche Handwerksgenossenschaften weit über die Grenzen Deutschlands hinaus, in Italien, Frankreich, selbst in England bestanden. Es ist eine lächerliche Redensart, daß die bis ins Kleinste gehende und heut⸗ zutage, wie immer, nothwendige Arbeitstheilung eine ganz andere Art der Produktion nöthig mache und daß aus diesem Grunde das Klein⸗ gewerbe von der Großindustrie durch einen angeblichen Naturprozeß unterdrückt werden müßte. Das 15. und 16. Jahrhundert hat genau so mit Hülfsmaschinen gearbeitet wie wir; und die Genossen⸗ schaft jener Zeit war nicht nur eine solidarische Rohstoff⸗ genossenschaft, sondern hielt sich auch gemeinsame Maschinen. Daß dieselben damals — beispielsweise als Göpelwerke — von lebenden Wesen, von Pferden oder Menschen, in Be⸗ wegung gesetzt wurden, ist kein prinzipieller Unterschied, genug, die genossenschaftlichen Maschinen standen den einzelnen Meistern zur Ver⸗ fügung. Die moderne Zeit hat sogar etwas sehr Wesentliches für den Kleinbetrieb voraus: wir haben heute Kraftmaschinen, die mit Gas oder heißer Luft arbeiten, und deren Anschaffung um ein Billiges selbst einem weniger Bemittelten möglich ist. Was aber die viel⸗ besprochene Arbeitstheilung betrifft, die angeblich den Kleinbetrieb heut⸗ zutage unmöglich macht, so vergesse man nur nicht, daß dieselbe in der ersten Blüthezeit der deutschen Industrie, am Ende des Mittelalters, genau so weit ging, wie sie es in der modernen Zeit der Maschinen thut; sie mußte so weit gehen, sonst hätte sie nicht so bewun⸗ derungswürdige Leistungen schaffen können, welche nachzuahmen heut⸗ zutage unser sehnlichster Wunsch und seößtes Streben ist. Wir sind jetzt glücklich so weit gekommen, den höchsten Ruhm einer modernen Leistung des Kunstgewerbes darin zu sehen, daß es den Erzeugnissen jener alten Zeit möglichst ähnlich sieht. Die Arbeitstheilung alter Zeit ging sehr weit, nur war die Vorbildung der Handwerker eine solche, baß nicht jeder von vornherein nur auf ein Stück dressirt wurde: vielseitige Ausbildung, namentlich Bildung des Geschmacks, waren die Grundgedanken altdeutscher Handwerksbi dung; nachdem die allgemeine Durchbildung vollendet war, mochte sich ein jeder speziali⸗ siren. Wenn heute das, was man im Allgemeinen mit dem Namen Tisch⸗ lerei bezeichnet, sich in sehr verschiedene Zweige gliedert: als Möbel⸗ tischlerei, Modelltischlerei, Bautischlerei, so hat die frühere Zeit genau die gleichen Unterschiede gekannt und darauf das genossenschaftliche Leben aufgebaut. Wie unendlich fein waren in alter Zeit beispiels⸗ weise die Unterschiede bei den Schmieden! Da gab es Hufschmiede, Schloßschmiede, Panzerschmiede, Harnischweber, Plattirer, Polirer und noch mehr. Wo ist denn nun der prinzipielle Unterschied, der es heute unmöglich machen sollte, den Kleinbetrieb mit der Groß⸗ industrie wettbewerbfähig zu halten? Das deutsche Handwerk ist nicht
dem Untergange geweiht, wenn seine Glieder, zum besten der Leistungs⸗ fähigkeit der Nation, sich kräftig regen. Wir sind sogar der festen Ueberzeugung, daß der Kleinbetrieb sich Gebiete wieder erobern wird, auf welche die im Großen betriebene Maschinen⸗Industrie ihm nicht folgen kann. Mit Freuden ist in dieser Beziehung die kräftige Regung bei den Schmieden zu begrüßen, deren Hauptversammlung zu Magde⸗ burg am 5. Juni d. J. einen Preis ausgeschrieben hat für das beste Lehrbuch für Schmiedelehrlinge. Das sind bedeutsame und erfreuliche Regungen des denkenden Handwerkerstandes, denen wir von Herzen Erfolg wünschen. Die manchesterliche Presse wird ja freilich auf alle selbständigen Regungen des Handwerkerstandes scheel sehen; denn beim Handwerk fällt der Unternehmergewinn fort, und der Zwischenhändler wird matt gesetzt, je mehr das Handwerk sich straff organisirt: dann geht eben der Erfolg der Arbeit unmittelbar in die Tasche der Pro⸗ duzenten. Wir aber wünschen dem deutschen Handwerk, daß die frische Bewegung von gutem Erfolg gekrönt wird, und sind überzeugt, daß dieser nicht fehlen wird. Der Blick auf die alte Kraft und Herrlich⸗ keit des deutschen Handwerks wird spornend und begeisternd wirken.
Centralblatt für das Deutsche Reich. Nr. 48. — Inhalt: Finanzwesen: Nachtrag zur Nachweisung über Einnahmen des Reichs vom 1. April bis Ende Oktober 1886. — Konsulatwesen: Ernennung. — Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiete. Justiz⸗Ministerial⸗Blatt. Nr. 44. — Inhalt: Allgemeine Verfügung vom 19. November 1886, betreffend die Vollstreckung der von den Justizbehörden gefaßten Defektenbeschlüsse. — Erkenntniß des Reichsgerichts vom 31. Mai 1886.
Reichstags⸗Angelegenheiten.
Mannheim, 26. November, Nachts. (W. T. B.) Nach dem bisher vorliegenden Resultat der hiesigen Reichstags⸗Ersatzwahl erhielten Diffené (nationalliberal) 7585, Dreesbach (Sozialdemokrat) 6808, Buol (Centrum) 1963 und Stockhorn (konservativ, 993 Stim⸗ men. Es ist somit eine Stichwahl zwischen Diffené und Dreesbach erforderlich.
Statistische Nachrichten.
Von der Münchener Einwohnerschaft wurden, wie die „Neuesten Nachr.“ mittheilen, am 1. Dezember 1885 der Staats⸗ angehörigkeit (Heimath) nach verzeichnet: 238 374 Bavern, 5460 Preußen, 4218 Württemberger, 1366 Badenser, 1185 Sachsen, 682 Hessen, 1530 andere Deutsche, die sich auf die thüringischen Lande, die Reichslande, Mecklenburg, Braunschweig, Anhalt, Schwarzburg, Oldenburg, Waldeck und die freien Städte vertheilen, dann 6140 Oesterreicher und Ungarn, 861 Schweizer, 424 Italiener, 405 Russen, 238 Briten, 130 Franzosen, 70 Dänen, 68 Griechen, 53 Schweden, 49 Niederländer, 33 Norweger, 30 Rumänen, 26 Belgier, 16 Luxemburger, 14 Serben, 13 Türken, 8 Bulgaren, 5 Spanier, 3 Angehörige von Monaco und 2 Portugiesen, 565 Aneri⸗ kaner, 7 Asiaten, 5 Afrikaner und 1 Australier. Der Hauptsache nach sind von je 1000 Einwohnern Münchens 910 Bayern, 55 andere Deutsche und 35 Ausländer. Die Veränderun 3 die in dieser Hinsicht innerhalb der letzten 10 Jahre vorging, drückt sich in folgenden Ziffern aus: Im Jahre 1875 waren von je 1000 Einwohnern noch 940 Bayern, dagegen nur 32 andere Deutsche und 28 Ausländer. Die Zahl der Angehörigen einzelner deutscher Staaten hat sich in diesen 10 Jahren mehr als verdoppelt; so wurden jetzt an Stelle von je 100 des Jahres 1875 gezählt: 270 Hessen, 220 Würt⸗ temberger, 215 Preußen, 209 Badenser, an Stelle von je 100 Sachsen jetzt 175. Auch bei den Ausländern sind meist Mehrungen nach⸗ gewiesen, nur bei den Franzosen, Spaniern, Norwegern, Türken, Ru⸗ mänen und Serben zeigen sich unbedeutende Minderungen. 11“
Paris, 22. November. Der Seine⸗Präfekt hat bei Ein⸗ bringung der Kreditfsorderung von 207 400 Fr. für die Pariser Gemeinde⸗Leihbibliotheken dem Gemeinderath einen aus⸗ führlichen Bericht über die Thätigkeit der 48 bestehenden Bibliotheken vorgelegt. Im Laufe des verflossenen Jahres sind danach 145 601 Bücher in den Lesesälen selbst, 885 566 zu Hause, also in Allem 1 031 167 gegen 699 762 im Vorjahre gelesen worden. Im Durchschnitt haben von 1000 Parisern 454, gegen 308 im Vorjahre, sich der Lesebibliotheken bedient.
Kunst, Wissenschaft und Literatur. “
Weimar, 26. November. (Th. C) Professor Dr. Erich Schmidt, Direktor des Goethe⸗Archivs, verläßt diese Stellung im Frühjahr nächsten Jahres, um den Lehrstuhl für deutsche Literatur an der Berliner Universität zu übernehmen. Derselbe wird jedoch auch ferner Mitarbeiter an der neuen Ausgabe der Werke Goethe's bleiben.
— Altpreußische Monatsschrift (neue Folge, der „Neuen Preußischen Provinzial⸗Blätter“ 4. Folge), herausgegeben von Rudolf Reicke und Ernst Wichert. XXIII. bezw. LXXXIX. Band. 5. und 6. Heft, Juli bis September 1886. (Königsberg i. Pr., Verlag von Ferd. Beyer's Buchhandlung). — In dem vorliegenden Doppelheft der Zeitschrift berichtet zuvörderst Pfarrer emer. Dr. E. Wolsborn über Münzfunde aus West⸗ und Ostpreußen. Dann folgt eine Ent⸗ gegnung von W. Fuchs auf die von Dr. M. Perlbach in Halle an seinen Ansichten über das Verhältniß Peters von Dusburg zu dem Chronicon Olivense geübte Kritik. Sehr interessant sind die Nach⸗ träge zu Heinrich Albert's und Simon Dach’s Gedichten von Johannes Bolte und L. H. Fischer in Berlin: zum Theil bisher gänzlich un⸗ bekannte Poesien, die für diese Hauptvertreter der Königsberger Dichterschule charakteristisch und deren Manuskripte in den verschie⸗ densten Bibliotheken gesammelt sind. Prof. Dr. Tschackert in Königsberg giebt eine aktenmäßige Darstellung des Projekts König Friedrich Wilhelms III., neben der Universität Königs⸗ berg eine katholisch⸗theologische Fakultät zu errichten. Weiterhin folgen Referate über die Sitzungen der Alterthumsgesellschaft Prussia. Unter den kleineren Mittheilungen am Schluß verdient ein bisher un⸗
edrucktes Schreiben der philosophischen Fakultät zu Königsberg an
Immannel Kant, d. d. 30. Juli 1801, Erwähnung, welches Prof. Dr. Tschackert veröffentlicht. Derselbe theilt auch einen bisher un⸗ gedruckten Brief des Faustus Socinus an Hieronymus Moscorovius, d. d Racau, 6. Juni 1603, mit. Den übrigen Inhalt des Doppel⸗ hefts bilden die Chroniken der Universität Königsberg und des Lyceum Hosianum in Braunsberg, sowie die altpreußische Bibliographie für 1885. 8
8 Gewerbe und Handel.
Die „Schles. Ztg.“ äußert sich über den Oberschlesischen Metallmarkt wie folgt: Im Roheisengeschäft erhält sich die feste Richtung, da die Ausfuhr von Puddel⸗ und Qualitäts⸗Roheisen ziemlich stetig verlief und ansehnliche Mengen der Restbestände in Anspruch nahm. Die Produktion der Hohöfen, welche in den seit Anfang dieses Quartals gezogenen Grenzen verblieb, steht so ziemlich im Einklang mit dem derzeitigen Konsum; sie sucht indessen durch die Ver⸗ wendung besserer Erze und Vervollkommnung der technischen Behandlung ihre Leistungsfähigkeit, damit zugleich aber die Qualität der Produkte zu erhöhen. Da die Bestände an feineren Marken sich verringern, so wendet sich das Interesse der Konsumenten diesem Produkt mehr zu; der Begehr danach scheint um so erklär⸗ licher, als auf den Walzwerken bei fortgesetzter flotter Beschäftigung und gleichwohl ökonomischem Betriebe die Vorräthe an Halbprodukten erschöpft sind, zu deren Neubeschaffung ansehnliche Mengen von Puddel⸗Roheisen, und zwar nunmehr möglichst in besserer Qualität, er⸗ fordert werden. Es steht zu erwarten, daß weitere Liefer⸗ quanten in Roheisen demnächst werden begeben werden, nachdem bereits Einzelposten aus dem Markt genommen
wurden. Die bisherigen Roheisenpreise wurden beibehalten. Die Lage der Eisengießereien ist eine unveränderte; doch richtet man