1886 / 282 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 30 Nov 1886 18:00:01 GMT) scan diff

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8 Großbritannien und Irland. London, 27. November. (A. C.) Der Inauguration einer kräftigen irischen Politik von Seiten der Regierung pflichtet die „Times“ mit folgen⸗ den Worten bei: „Die Regierung hat sich gezwungen gesehen, von den fortgesetzten Brandreden Dillon's Notiz zu nehmen, und ihm eine gerichtliche Vorladung zug stellt. Es bleibt zweifelhaft, ob dieses Vorgehen Erfolg haben wird; die Regierung wird sich jedoch kaum die Un⸗ ewißheit des Ausgangs verhehlt haben. Der dem gitator bisher gewährte Spielraum ist an sich schon ein Beweis dafür, wie außerordentlich man gezaudert hat, das Gesetz zur Geltung zu bringen. Wenn aber auf seine gistigen Aufreizungen wirklich gesetzlose und ge⸗ waltthätige Handlungen folgen, so ist damit ein Punkt erreicht, wo jene Duldsamkeit anfängt unmöglich zu werden. Nach der Meinung der kompetentesten Männer werden die Uebel eines gerichtlichen Prozesses, welcher vielleicht resultatlos verläuft, aufgewogen durch die Uebel, welche entstehen, wenn überhaupt keine gerichtlichen Schritte ergriffken werden. Wir werden Hrn. Dillon wahrscheinlich kein Unrecht thun, wenn wir an⸗ nehmen, daß er in dem Bewußtsein, daß seine Agitation zu⸗ ammenbricht, wenn er nicht das Volk zu Gewaltthaten aufreizen kann, von welchen abzulassen es gerade im Begriff war, absichtlich die Regierung in ein Dilemma gebracht hat: ent⸗ weder einer Erneuerung der Gewaltthaten ruhig zuzuschauen, oder ein gerichtliches Verfahren einzuleiten. Ein besonderes Verdienst ist es freilich nicht, die Regierung auf diese Weise herauszufordern. Es erfordert keine weitere Aus⸗ rüstung, als absolute Verachtung aller Rücksichten, welche bei edlen Menschen, mögen sie einer Richtung angehören welcher sie wollen, gelten. Dillon’'s Zweck ist, dem Ministerium die Re⸗ gierung Irlands unmöglich zu machen, falls ihm nicht aus⸗ gedehntere Vollmachten ertheilt werden. Wenn der jetzt be⸗ gonnene Prozeß erfolgreich ist, so muß Dillon's Plan schei⸗ tern; wird der Agitator freigesprochen, so ist damit die un⸗ erläßliche Vorbedingung gegeben, daß der Regierung aus⸗ reichende Gewalten bewilligt werden.“

Das Kanal⸗Geschwader verläßt unter dem Befehl des Admirals Sir William Hewitt am 5. Dezember England, um während des Winters in spanischen Ge⸗ wässern zu kreuzen.

Das Blaubuch über Südafrika enthält u. a. eine

lange, vom 4. August 1886 datirte Depesche des Gouverneurs der Kapkolonie, Sir Hercules Robinson, in welcher derselbe

sich gegen die angeregte Ernennung eines besonderen Ober⸗

Kommissärs für Südafrika, welcher neben dem Gouverneur der Kapkolonie fungiren soll, ausspricht und sagt: „Das Zululand kann am besten von dem Gouverneur von Natal regiert werden. In den 9 Monaten zwischen dem Tode Sir George Colley's und der Ernennung Sir Henry Bulwer's, wo die Zulu⸗Angelegenheiten unter meiner Jurisdiction standen, habe ich gefunden,

daß es völlig unmöglich ist, von der Kapstadt aus jenes ent⸗ fernte Gebiet zu übersehen, und ich hatte die Besorgung der vengelehenhetten dem Verwalter von Natal zu übergeben. Ich

8 on früher ausgeführt, daß es kaum ausführbar wäre ür einen Ober⸗Kommissär, der nicht zugleich Gouverneur der Kapkolonie ist, die Beziehungen zum Pondolande zu unter⸗ solten, und daß, falls diese beiden Aemter getrennt werden ollten, der Gouverneur des Kaps zum Spezial⸗Kommissär für Pondoland ernannt werden müßte, ähnlich wie der Gouverneur von Natal Spezial⸗Kommissär für Hülsanh ist.“

30. November. (W. T. B.) Mehrere Morgenblätter melden aus Dublin die Ernennung des Generals Buller zum permanenten Unter⸗Staatssekretär für Irland. 11141“

11114A4A“ 8 Frankreich. Paris, 27. November. Fr. C.) Im heutigen Ministerrath wurde nach längerer Debatte vereinbart, daf der Conseils⸗Präsident die erste Gelegenheit ergreifen solle, um in der Kammer die Vertrauensfrage zu stellen. Die Gruppen der Mehrheit sind bereits von dieser Absicht verständigt worden und haben beschlossen, bei einer solchen Fragestellung für die Regierung zu stimmen, auch die Opportunisten. Die Meldungen der „France“, „Lanterne“ und anderer Blätter über ein angeblich jwischen der Mittelpartei und der Rechten vereinbartes Komplott zum Sturz des Ministeriums Freycinet und zur Einsetzung eines Ministeriums Ferry, welches die Kammerauflösung beantragen würde, werden heute von der „Reépublique Fünn gise. als Erfindungen bezeichnet, und verdienen diese Bezeich⸗ nung in der That, denn einerseits sind die Schwierigkeiten der Budgetberathung und die bezüglichen Kammerbeschlüsse hinreichend durch die Lage selbst erklärt und keineswegs auf irgendwelche künstliche Machinationen zurückzuführen, und andererseits hätte weder die Rechte noch die Mittelpartei von einer Kammerauflösung etwas Gutes zu erwarten, die, nach dem Ausfall der Wahl vom letzten Sonntag zu urtheilen, nicht den Konservativen, wohl aber Angesichts

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reichen würde.

Die Initiativ⸗Kommission der Deputirten⸗ Kammer hat den Antrag von Camille und Benjamin Raspail und Gen., betreffend die Schaffung eines Arbeits⸗Ministeriums, geprüft, sich aber für die Nicht⸗ inbetrachtnahme entschlossen. Die mit der Vor⸗ berathung über die drei Gesetzentwürfe, betreffend die Ausschließung fremder von den Liefe⸗ rungen und den öffentlichen Bauten des Staates, Departements und Kommission hat den Bericht

entgegen genommen. Dieser Bericht gelangt zu fol⸗ genden Schlußforderungen: 1) Die ichtannahme der drei der Kommission unterbreiteten Anträge. 2) Die An⸗ nahme einer legislativen Maßregel, welche die Minister ver⸗ Michter. Kagrgeng den Stand der im Auslande gekauften ebensmittel, Produkte, Waaren, Objekte aller Art zur Deckung des Bedarfs der unter ihren Befehlen stehenden Dienstzweige mit einer summarischen Angabe der Gründe, welche viese An⸗ käufe bestimmt haben, zu veröffentlichen. Der erste Theil der Konklusionen: die Verwerfung der drei vorliegenden Anträge, wurde mit Stimmenmehrheit, der zweite mit Stimmen⸗ einhelligkeit genehmigt. 29,. November. (W. T. B.) In der heutigen —— der Deputirtenkammer erklärte bei der Be⸗ rathung des Kredits von 30 Millionen Francs für 8a. rotektorat über Tongking der Minister des uswärtigen, de Freycinet: der geforderte Betrag von 30 Millionen wurde nach und nach verschwinden; es sei eine ährliche Verminderung desselben um 5 Millionen in Folge

betraute Mort

Gemeinden des Abg.

er herrschen⸗ den Strömung den radikalen Bestrebungen zum Vortheil ge⸗

8 * 8 8 8 eböp“ EE1“ der Zunahme der Einnahmen vorauszusehen. Von einer Näumung Tongkings könne nicht mehr die Rede 129 Der Minister appellirte an den Patriotismus ter Kammer und erbat die einstimmige Annahme, um dadurch vor den auswärtigen RNationen und den Eingeborenen Tongkings die Festigkeit der fran⸗ Föfischen Einrichtungen daselbst zu bekräftigen (Beifall). aoul Duval sprach für die Räumung Tongkings. Der Minister erklärte: er würde eine Reduktion der Kredite als ein Anzeichen dafür ansehen, daß man an die Räumung Tong⸗ kings denke; die Regierung müsse einen derartigen Gedanken entschieden zurückweisen. Der Kredit wurde schließlich mit 278 gegen 249 Stimmen genehmigt; ebenso wurde der Kredit

für das Protektorat über Tunis bewilligt.

Bulgarien. Sofia, 30. November. (W. T. B.) Auf den von der Pforte der Regentschaft ertheilten Rath keine Deputation an die Mächte zu senden, da sie, die Pforte, selbst in Besprechungen mit Rußland zwecks Lösung der bulgarischen Krise eingetreten sei, erwiderte die Regentschaft: sie hätte nicht das Recht, die Deputation an der Erfüllung des ihr gewordenen Auftrags zu hindern; sie sei übrigens überzeugt, daß die Schilderung der bulgarischen Lage bei den betreffenden Regierungen nur dazu beitragen würde, die Aufgabe der hohen Pforte zu erleichtern.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 30. No⸗ vember. (W. T. B.) Das „Journal de St. Pöters⸗ bourg“ bespricht die Rede des Grafen Andrassy und meint: es sei interessant zu hören, daß Oesterreich keinerlei Gebietsvergrößerung anstrebe; Se sei auch die Vertheidi⸗ gung zu Gunsten der Autonomie der Völkerschaften des Orients. Man müsse von dieser Aeußerung besonders Vermerk nehmen, obwohl dieselbe abgeschwächt sei durch Ausführungen, welche die Okkupation Bosniens und der Herzegowina legitimiren sollten. Auf die Rußland ertheilten Rathschläge will das Blatt nicht näher eingehen, da es überzeugt sei, dieselben seien durchaus nicht erbeten worden, und der Redner selbst würde Rußland nicht das Recht streitig machen, der zuständigste Richter seiner eigenen Interessen zu sein.

Zeitungsstimmen.

Das „Thüringer Tageblatt“ berichtet über einen Vortrag, ben der Stadtverordnete, Schneidermeister Och, in einer zahlreich besuchten Versammlung des Gewerbevereins zu Gotha gehalten hat:

Das erste Thema: „Haben die landwirthschaftlichen Kreise ein Interesse daran, daß das Krankenversicherungsgesetz auch auf die landwirthschaftlichen Arbeiter ausgedehnt wird?“ gab dem Redner Gelegenheit zu konstatiren, daß die große Aufregung, welche diese Vor⸗ lagen und Gesetze anfänglich hervorgerufen haben, sich nunmehr gelegt habe. Die Gegner seien verstummt, weil sie eingesehen haben, es müsse ffir gewisse Fälle Vorsorge getroffen werden, ehe es zu spät sei. Anzgeschlossen von der Wohlthat dieses Gesetzes seien bis jetzt noch d landwirthschaftlichen Arbeiter, und doch müßten auch diese jener ¹—Phlthaten theilhaftig werden. Ausgehend von den Verhält⸗ nisserar kserer eneren Heimath, führt Redner aus, wie schwer auf dem Ie bei gleichzeitigem Mangel an Krankenhäusern ein Arzt zu habsel. A Die gut situirten Landleute hatten heihc entweder eigenes Gefg. ugzder doch wenigstens Geld, im Lohngeschirr zu miethen. Das könzen aber der kleine Bauer und der ländliche Arbeiter nur in den seltensten Fällen thun, und ohne ein Geschirr kann kaum ein Arzt aus der Stadt hinaus aufs Land geholt werden. Die überwiegend große Zahl von Landbewohnern sei also in den meisten Fällen ohne ärztliche Hülfe; deshalb sei es Pflicht des besitzenden Landwirthes, energisch für die Asudehnung des fraglichen Gesetzes auf die landwirth⸗ schaftlichen Arbeiter einzutreten.

Zugleich kiese das aber auch in seinem Interesse, daß es ihm dadurch gelänge, seine Erwerbsgehülfen gesund zu machen, bezw. gesund zu erhalten. Allerdings wäre das ohne Opfer nicht zu erreichen und gerade diesen Opfern gegenüber hätte sich, einige Ausnahmen abge⸗ rechnet, der bemittelte Landwirth im Allgemeinen bis jetzt ablehnend verhalten. Das habe aber schwerwiegende Nachtheile, und zwar nach zwei Seiten hin. Ein nicht geringer Theil ländlicher Arbeiter sieht den Mangel an Krankenhäusern, ärztlicher Hülfe ꝛc. ein und verläßt die heimathliche Scholle, um nach der Stadt zu ziehen, wie statistisch nachgewiesen werden kann, in so großer Zahl, daß dadurch maßen die ländlichen Bezirke ent⸗, die Städte aber über⸗ völkert werden, was eine allzustarke Belastung des städtischen Armen, Etats zur natürlichen Folge hat, denn der weitaus größte Theil dieser Zuzügler fällt letzterem früher oder später doch anheim. Die Opfer also, welche der begüterte Landwirth bringe, seien nur imaginäre, und werden durch die dauernde Erhaltung nutzbringender Elemente, welche die Stadt ganz gut entbehren könne. mehr wie aufgewogen. Daher sollten unsere Landwirthe endlich aus ihrer Reserve heraus⸗ treten, und sich für Erbauung von Krankenhäusern und Anstellung von Aerzten auf dem Lande interessiren.

Ein Fonds von etwa 500 000 würde, wie Redner weiter meint, im Herzogthum Gotha für diesen Zweck hinreichen

Uebergehend auf das zweite Thema seines Vortrages: „Welche Stellung hat das deutsche Volk zu der von der Reichsregierung ge⸗ planten Alters⸗ und Invalidenkasse für Arbeiter zu nehmen?“ leugnet Redner nicht, wie gewagt es sei, ohne bestimmte Anhaltepunkte über derartige Projekte zu urtheilen; doch sei es Pflicht eines denkenden Volkes, sich mit auch erst in Aussicht gestellten Gesetzesvorlagen ver⸗ traut zu machen, um sich ein Urtheil bilden zu können. Deutschland sei seit dem letzten französischen Kriege ein nach außenhin Achtung ge⸗ bietendes Reich geworden, das die Pflicht habe, sein Staatsgebäude auch nach innen immer mehr auzzubauen. Dazu sei aber vor allen Dingen nöthig, für die Zufriedenheit der untersten und gedrücktesten Klassen der Bevölkerung zu sorgen, und da sich der fragliche Gesetzentwurf mit dieser Frage beschäftige, so sei es mit Freuden zu begruüͤßen und das werde sicher von dem Gros des deutschen Polkes geschehen, trotz Dunkelmännern und Anarchisten. Daß ein Bedürfniß vorliege, wird jeder leicht einsehen, der sich die Lage des armen alten Arbeiters vergegenwärtigt. Redner vergleicht diese mit der eines festangestellten Staats⸗ und Kommunal⸗ beamten. Dieser erhalte im Fünber Arbeitsunfähigkeit eine Pension, söme Wittwe ein Wittwengehalt aus einer Kasse, zu welcher der

ann bei Lebzeiten freilich regemmäßig seine Beiträge gezahlt hat. Das kann nun wohl ein Beamter fhun, der ebenso regelmäßig fein Gehalt bezieht, nicht aber ein Afbeiter, der häufig nur mit Mühe und Noth sich und seiner Familie dqs Leben fristet. Die besser situir⸗ ten Arbeiter bilden eben nur einen verschwindend kleinen Prozent⸗ satz, ein alter Arbeiter, dessen Kraft verbraucht, sei nicht viel mehr als 1 Betss. hrer der soztaldenokkatisch . enn die Führer der sozialdemokratischen Partei die Massen ihrer Anhänger auf dieses geses d seine Segnungen vbrdere len wollten, so würde das mehr Vortheiz bringen, als Belehrungen über die bulgarische Frage. Das Gesetz wisd freilich nicht in vollkommener Gestalt vorgelegt werden können, sonden wird 8 erst nach und nach entwickeln, aber auch in unvollkomisener Gestalt soll es uns will⸗ kommen sein. Am gespanntesten dürfte man, wie Redner meint, wohl auf die Beschaffung der Geldmittel sen Angesichts aber des großen Segens, den dieses Ge 5 im Gefolge haben müsse, müsse man darüber weniger scharf urthellen. Sei das Gesetz erst einmal in Kraft getreten, dann, so schließt der Jedner, sei das Friedenswerk

vollendet und eine schöne Mor enröthe 5 88 . Vaterlande aufgehen. genröthe werde über unsern deuiig

Die „Danziger Allgemeine gei A 2 2 89 über die Fortschritte der Schußzollewegun ei ean diis

Die Schutzzollbewegung in England ist heute berang : daß in der Handelskammer der orthodorfreihändl. gso: Manchester eine schutzzöllnerische Resolution kürzlich mikri 22 Stimmen abgelehnt wurde. Wenige Tage spãter f nur 1 eine Versammlung der Grundbesitzer, Pächter längan 12 sowie anderer Gewerbtreibender der Grafschaft statt lichen Aübei hervorragende Parlamentsmitglied Mr. Chaplin wel wirthschaftlichen Nothstand als Mauerbrecher gegen 6 da! system richtete. Redner gab folgenden Gedanken A Fri landwirthschaftliche Nothlage nimmt eher zu als ah veranlaßt durch fremde Zufuhren. Weizen kann bei Preisen auf gewöhnlichem Boden ohne Schaden nicht . werden. Die Noth der Landwirthschaft bedroht den Banehe geb ganze Wirthschaftsleben ernstlich, während andererseits die Sud zunimmt. Die Vernichtung des englischen Weizenbaues ist 1 Landesgefahr und die Regierung muͤsse Vorkehrungen treffegn or bezeichneten Gefahren rechtzeitig vorzubeugen. n, un a

Chaplin schlägt zu Gunsten der Landwirthschaft einen Irdrfi zoll von 30 % vor. Aus dem Ertrage soll die Hälfte benrd. die zur Beseitigung der Zölle auf Thee, Kaffee und Kakao und 1 * Hälfte etwa 5 Millionen Pfund, also 100 Millionen Mnrn Unterstützungsprämien für die Landwirthschaft. Daß er in so Schilderung des Niedergans der englischen andnirisetn übertreibt, dafür giebt die Nasse'sche Abhandlung (,. 8 und landwirthschaftliche Zustände in England*) 6 gehendsten Belag. Nach dieser können, neben anderen h traurige Resultate ergebenden Ermittelungen, als statistich s stellbare Symptome des Niedergangs zwei Merkmale dienen, na 9 die Abnahme des Viehstandes und die Zunahme unbestellten 8 landes. England hat von 1868—81 über 7 % seines Bestandes Vieh verloren. Die Abnahme ist um so bedeutender, als gleich 8 die mit Futterkräutern bestellte Fläche um über 15 % auf Foscäh Getreidebaues zunahm. Ferner sind in Folge des landwirthschaftlihe Nothstandes in den meisten Landestheilen nicht unerhebliche Fläca kulturfähigen und früher bebauten Ackerlandes gänzlich vnbestelhe weil sich Niemand fand, der ihre Bestellung hätte übernehmen vala Die Regierung hat im Jahre 1884 ca. 3 Hu.⸗Meilen derart wist g lassenen, aber kulturfähigen Ackerlandes konstatiren lassen. Wem nach der Nasse'schen Abhandlung in der englischen Landwirthschef bereits vor zwei Jahren derart aussah, so kann man sich einen Begrj davon machen, wie gegenwärtig die Zustände sein mögen. If 7 das Wort des Dichters, daß das Unglück schnell schreite, bal keire Erwerbsart so zutreffend, wie bei der landwirthschaftlichen.

Die Vorgänge in Lincoln und das Auftreten Chaplius sind n naturgemäße Reaktion gegen diese Zustände; beide Vorgänge lieim den handgreiflichen Beweis, daß die vermeintliche Unerschütterlihlü der freihändlerischen Ueberzeugungen des englischen Volkes im Begrif ist, zusammenzubrechen!

Die „Berliner Politischen Nachrichten⸗ schreiben:

Annläßlich der Uebernahme der englisch⸗amerikanischen Domnerstat briefpost durch die in Southampton anlegenden Postdampfer des Roh⸗

deutschen Lloyd stellt die englische Presse Betrachtungen an, welche n

einer rückhaltlosen Anerkennung der überseeischen Verkehrspolitik de Reichskanzlers Fürsten Bismarck gipfeln. So lesen wir im „Globe⸗

„Es ist wohlbekannt, daß Fürst Bismarck seinen Chrgeiz dn gesetzt hat, den Engländern einen Theil ihrer ozeanischen Frachta⸗ vermittelung abzunehmen, und schon sind seine Bemühungen von nal lichem Erfolg gekrönt. Wir glauben, daß mehrere unserer gresg Verfrachter im austral⸗asiatischen Handelsverkehr es wohlfeiler, gleicher B. förderungsschnelligkeit, finden, ihre Güter mit den st ventionirten deutschen Hampserlinien zu befördern, und daß diese N lenkung der Frachten ständig zunimmt. .Thatsache ist, io Deutschland auf unsere Kosten im überseeischen Frachtverkeht d Boden gewinnt.“

Ueber die Erhöhung der Präsenzstärke der deutsche Armee bemerkt der „Standard“:

Weit davon entfernt, dem Deutschen Reiche einen Vorwuf al seinen militärischen Vorbereitungen zu machen, sollten die andem Länder zugeben, daß Deutschland darin eine Mäßigung gezeigt ha welche seine Nachbarn nur hätten nachahmen sollen. A. Maschinerie des deutschen Heeres ist so vollendet, daß es m einer Art nationaler Bewegung bedarf, ohne jeden Lärm u jede Verwirrung, um es zu vergrößern. Die Organisation so elastisch, daß die neuen Rekruten einfach in dem Rahna der bestehenden Armee⸗Corps absorbirt werden. Zum Gllck sala weder das deutsche Volk noch seine Lenker die Absicht, die furhtza Waffe, welche sie sich geschmiedet, in leichtsinniger Weife zu gebrauca Dem deutschen Heere verdankt Europa die fünfzehn Jahre verhällnt mäßiger Ruhe, und der Friede Europas würde ohne dasselbe u unserer Meinung auch nicht einen Pfifferling werth sein.

Reichstags⸗Angelegenheiten.

Da zufolge der Bestimmung im §. 28 Absatz 2 des Gesehe⸗ gegen die gemeinge ührlichen Bestrebungen der Soßia- demokratie vom 21. Oktober 1878 (Reichs⸗Gesetzblatt Seite ü dem Reichstage über die Anordnungen Rechenschaft zu geben i welche von der Königlich preußischen und der hamburgischen Neltea auf Grund des §. 28 jenes Gesetzes unter dem 16. und 20. tember d. J. mit Genehmigung des Bundesraths getroffen und „Reichs⸗Anzeiger“ vom 23., bezw. 30. desselben Mts. bekannt ge macht worden sind, so ist dem Reichstage folgende Darlesgult zugegangen:

I.

Das Königlich preußische Staats⸗Ministerium hat auf Em des §. 28 des Gesetzes gegen die gemeingefährlichen Bestrebunga Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878 mit Genehmigung n Bundesraths für die Stadt Berlin und die angrenzenden Beätke selben Anordnungen, welche am 28. November 1878 etroffn R demnächst alljährlich erneuert worden sind, sowie ferner die am 11. g d. J. getroffenen Anordnungen mittelst des in der Anlage Fun gefügten Beschlusses vom 16. September d. J. auf die Dauer

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Jahres von Neuem erlassen. 8 Diese Anordnungen, welche in Nr. 224 des „Reichs Anfesga und auf die für landespolizeiliche Verfügungen vorgeschriebene Voin E1“ worden sind, erwiesen sich aus folgenden Gtü als nothwendig. „Seit dem Herbste v. J. war die sozialdemokratische Vauin⸗ in den Arbeiterkreisen Berlins eine überaus lebhafte und bonig derselben die radikalere Parteirichtung fast ausschließlich die jt hand, sodaß die Agitation häufig einen unverkennbar propokatorig Charakter zu Tage treten ließ. Als Agitationscentren dienten 8 dugwfise die Arbeiterbezirksvereine und zahlreiche Fachvereine, einer sehr großen Anzahl von öffentlichen Versammlungen wur ch die Arbeiterschichten eingewirkt. Während der Reichstagssession gafg die sozialdemokratischen Abgeordneten in die Bewegung 2 beeinflußten sie mit ihrer Autorität als Leiter der Gesamm sens Die Abgeordneten waren eifrige Theilnehmer an den beiesie lungen, referirten in denselben und betheiligten sich an der Dis 1 Mit edemn Auftreten derselben wuchs die Fer. ena und Fanatisch der Massen. Mehrfach machten ihre Reden die Auflösung dei treffenden Versammlungen nöthig. Vom 1. April bis 15. Mai c verfielen 20 Persammlungen in Anlaß aufrelzender Reden der 1 „In einigen Fällen hatte diese Maßregel tumultuarische gi tritte auf den Straßen und thätliche Angriffe gegen Poltzeibeam Ausübung ihres Dienstes zur Folge.

lingsalters war daher

m Hinblick hierauf erging die seiner Zeit dem Reichstage vor⸗ 398 hamntnaccang des Königlichen Staats⸗Ministeriums vom 11. Mai 1886, mittelst deren in dem ganzen Ausnahmebezirke für Versammlungen, in welchen öffentliche Angelegenheiten erörtert oder berathen werden sollen, die vorgängige polizeiliche Genehmigung er⸗ fordert wurde. In Anwendung dieser Vorschrift ist in der Zeit von Mitte Mai d. J. bis Mitte August die zur Abhaltung von 1150 Versammlungen nachgesuchte Genehmigung in 124 Fällen wegen Ver⸗ bachts sozialrevolutionärer Bestrebungen versagt worden, während eine Auflösung 38 innerhalb dieses Zeitraums noch in

aällen stattfinden mußte. 8 Föle der Ermächtigung zur Versagung des Aufenthalts wurde vorzugsweise gegen Agitatoren von Profession, welche ihrer Berufs⸗ arbeit entfremdet, die Mittel zum Unterhalt aus der sozialdemo⸗ kratischen I oder aus gewerkschaftlichen Streikkassen bezogen, auch gemacht. Zeit von Anfang Oktober v. J. bis Mitte August wur⸗ den im Ganzen 10 Personen von dieser Maßregel betroffen. Aus früheren Jahren standen Mitte August 172 Aufenthaltsversagungen 1 t. p Kaaft. wie vor ist Berlin durch sozialrevolutionäre Agitationen und gnarchistische Bestrebungen mit Gefahr für die öffentliche Sicherheit hedroht, und konnte daher von der Erneuerung der auf Grund der Nr. 1, 3 und 4 des §. 28 a. a. O. erlassenen Anordnungen nicht ab⸗ en werden. 1 6 5 gesehen einer Abänderung der Gebiete, für welche die Ausnahmemaß⸗ regeln bisher bestanden haben, lag keine Veranlassung vor.

II.

Das Königlich preußische Staats⸗Ministerium hat auf Grund des § 28 des Gesetzes gegen die E1“ Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878 mit Genehmigung des Bundesraths für Altona und Harburg nebst den angrenzenden Be⸗ irken unter dem 16. September d. J. die in der Anlage B enthaltene Unordnung getroffen.

Ferner hat der Senat der freien und Hansestadt Hamburg für das hamburgische Staatsgebiet mit Ausschluß des Amtes Ritzebüttel mit Genehmigung des Bundesraths die als Anlage C beigefügte An⸗ ordnung vom 29. September d. J. erlassen.

Diese Maßnahmen, welche in den Nrn. 224 bezw. 230 des „Reichs⸗ Anzeigers“ und auf die für landespolizeiliche Verfügungen vorge⸗

schriebene Weise bekannt gemacht worden sind, erwiesen sich aus fol⸗

genden Gründen als nothwendig.

Die Propaganda für die Sozialdemokratie in der Arbeiter⸗ bevölkerung von Hamburg, Altona und Harburg, sowie der Nachbar⸗ orte ist bis in die neueste Zeit eine äußerst rührige Vor Allem sind es zahlreiche gewerkschaftliche Vereine und Verbände, welche der Verbreitung sozialrevolutionärer Tendenzen dauernd Vorschub leisten. Die Zahl der Fachvereine ist allein in Altona von 10 im vorigen Jahre auf 18 gestiegen, obwohl inzwischen der Altona'er Maurer⸗

achverein mit circa 400 Mitgliedern durch gerichtlich be⸗ ätigte Schließung in Wegfall gekommen ist. Die an Mitglieder⸗ zahl stärksten dieser Vereine, die Reiseunterstützungsvereine deutscher Tabackarbeiter zu Altona und Ottensen, haben in Anlaß der Beerdi⸗ zung eines Cigarrenarbeiters am 4. Juli d. J. ihren Charakter als fonielvemotratische Organisationen ohne Scheu offen an den Tag gelegt. Das nach Tausenden zählende Leichengefolge war zumeist mit den Abzeichen revolutionärer Bestrebungen versehen. Die Stadt Ottensen ist die Stätte eines umfangreichen Geschäftsbetriebes für die Verbreitung verbotener Preßerzeugnisse, namentlich des „Sozial⸗ demokrat“, geworden. Die Untersuchung gegen den Cigarren⸗ arbeiter Kückellhahn und Genossen hat ergeben, daß im Jahre 1885/86 während 6 Monaten durchschnittlich jede Woche von Ottensen aus nach anderen Orten große Mengen verbotener Druckschriften, unter anderen „Der Sozialdemokrat“, „Die Frau in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“ von Bebel und „Zu Schutz und Trutz“ von Liebknecht, in Kisten versendet wor⸗ den sind. Der Hauptthäter hat wegen fortgesetzter Zuwiderhandlungen gegen den §. 19 a. ga. O. eine Strafe von 3 ½ Jahren Gefängniß zu verbüßen. Auch nach Abschluß dieser Untersuchung sind von Ottensen 8 größere Sendungen verbotener Druckschriften u. A. nach Berlin abgegangen. „Der Aufenthalt in dem Bannbezirk ist von Anfang Oktober v. J. bis Mitte August insgesammt 9 Personen versagt worden, von denen 5 in Hamburg und 4 in Altona und Umgegend wohnhaft waren. Aus früheren Jahren standen bis Mitte August 233 Aufenthalts⸗ versagungen in Kraft.

amburg, Altona und Harburg, sowie die Nachbarorte sind fort⸗ davernd durch revolutionäre Bestrebungen der Sozialdemokratie mit Gefahr für die öffentliche Sicherheit bedroht, und konnte daher von c. bedauer des bestehenden Ausnahmezustandes nicht abgesehen erden.

Der Erlaß weitergehender Anordnungen als über Versagung des Aufenthalts war zur Zeit nicht erforderlich. Die Abgrenzung des Bannbezirks hat sich bewährt, und lag zu seiner Abänderung keine Veranlassung vor.

Statistische Nachrichten.

„Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund⸗ heitsamts sind in der 8 vom 14. bis 20. November cr. von je 1 Einwohnern, auf den Jahresdurchschnitt berechnet, als gestorben e in Berlin 20,2, in Breslau 30,0, in Königsberg 26,5, in Köln

71, in Frankfurt a. M. 18,1, in Wiesbaden 15,0, in Hannover 26,3, in Kaffel 16,2, in Magdeburg 33,6, in Stettin 27,7, in Altona 26,3, in Straßburg 23,7, in Metz 18,3, in München 23,2, in Nürnberg 24,9, 1 Pagcbarh 22,9, in Dresden 21,3, in Leipzig 16,5, in Stuttgart 18,7, tn Karlörn e 19,6, in Braunschweig 17,1, in Hährfass 36,5, in Wien 105 in Pest 37,4, in Prag 26,2, in Triest 27,7, in Krakau 23,2. in Basel 16,9, in Amsterdam 21,5, in Brüssel 33,5, in Paris 22,2, in London 17,4, in Glasgow 23,8, in Liverpool 20,5, in Dublin 24,5, n Edinburg 19,4, in Kopenhagen 20,2, in Stockholm 18,0, in Phristiania 20,2, in St. Petersburg 22,7, in Warschau 25,7, in ddessn 328, in Rom 18,9, in Turin —, in Venedig 19,0, in

lerandria 41,5. Ferner in der Zeit vom 25. Oktober bis

. Oktober cr.: in ew⸗York 24,3, in Philadelphia 20,8, in Balti⸗ more 18,5, in Kalkutta 27,5, in Bombay 24,2, in Madras 38,5. meis⸗ n der Berichtswoche waren die Sterblichkeitsverhältnisse in den 8* ten euro äischen Großstädten günstige, wenn auch theilweise etwas öhere Sterblichkeitsziffern als in der Vorwoche gemeldet wurden. 88 n wenigen deutschen Städten Hamburg, Barmen, Stettin) 1 8 die Sterblichkeit eine nennenswert gesteigerte; dagegen werden St büsmer sehr großen Zahl, besonders deutscher Städte, kleine

erblichkeitzziffen mitgetheilt. Auch in Pest und Triest an die Sterblichkeit abgenommen. Einen weiteren ziemlich ungemeinen Rückgang der Sterblichkeit erfuhren Darmkatarrhe Arechdurchfälle der Kinder, die nur in Hamburg in ansehnlich ene rter Zahl zum Tode führten. Die Theilnahme des Säug⸗ ebend im Allgemeinen eine kleine; von 10 000

uden starben (aufs Jahr berechnet) in Berlin 56, in München orgg äuglinge. Dagegen kamen akute Entzündungen der Athmungs⸗ 18 ch e in vielen Städten in größerer Zahl zum Vorschein und führten tiongkene,größere Zahl von Fterbefäcden herbei. Von den Infek⸗ Pyxgthan eiten haben Masern, Keuchhusten, Scharlach und Fiebe erie vielfach größere Ausdehnung gefunden, während typhöse erufen und Pocken mehrfach eine Abnahme der durch sie hervor⸗ üh eenen Sterbefälle und Erkrankungen aufwies en. Todes⸗ urg . asern waren in Berlin, Barmen, Dresden, Ham⸗ St pet agdeburg, Nürnberg, Lübeck, Plauen, Prag, Paris, London, 8ge 8 urg häufig, auch in Breslau und in den Regierungsbezirken aser; chleswig. eldorf, Marienwerder, Stettin herrschen

1 charlachfieber forderte in Hamburg, Chemnitz, Opfer; in Berlin, 1ee. London, Dublin,

Christiania, St. Petersburg, Warschau nahm

schaften u. s

die Zahl der Sterbefälle und der gemeldeten Erkrankungen ab. Die Sterblichkeit an Diphtherie und Croup war in Berlin, Dresden, Danzig, Kassel, Magdeburg, Barmen, London, Paris, Kopen⸗ hagen, Christiania, St. Petersburg, Warschau eine größere, während sie in Breslau, München, Leipzig, Altona, Stettin, Wien, Prag. Feft ein wenig kleiner wurde. Die Zahl der gemeldeten

eu⸗Erkrankungen war jedoch in den meisten der genannten Städte eine geringere, als in der Vorwoche. Todesfälle an Unter⸗ leibstyphus waren in Berlin, London, St. Petersburg vermindert, in Hamburg, Paris, Lyon gesteigert. Erkrankungen haben aber auch in Hamburg eiwas abgenommen. An Flecktyphus wurden aus den Regierungsbezirken Marienwerder und Münster 4 bezw. 1, ferner aus Wien 1, aus St. Petersburg 2 Erkrankungen, an Rückfallsfieber aus St. Petersburg 3 Todesfälle mitgetheilt. An epidemischer Genickstarre kam nur 1 Todesfall (aus Berlin), an Kindbettfieber 5 Sterbefälle aus Berlin, 7 aus London zur Berichterstattung. Erkrankungen an rosen⸗ artigen Entzündungen des Zellgewebes der Haut waren in Berlin, Wien, Kopenhagen nicht selten, in London führten sie auch häufiger zum Tode. Der Keuchhusten rief in Berlin weniger, in Paris und London mehr Todesfälle hervor; Er⸗ krankungen waren in Berlin, Fanbacg. Nürnberg, Kopenhagen ge⸗ steigert. Todesfälle an Pocken kamen aus Berlin, Wien, Prag, Venedig je 1, aus Hamburg, Paris, Rom je 2, aus St. Petersburg und Warschau je 4, aus Pest 57 zur Mittheilung. Erkrankungen zeigten sich in Breslau, im Regierungsbezirk Marienwerder nur in einzelnen Fällen, in Berlin und im Regierungsbe irk Schleswig in je 2, in Wien in 3, in Hamburg in 6, in St. Petersburg in 15, in Pest in 207 Fällen. In Breslau ist ein aus Ungarn auf der Durchreise begriffener Auswanderer an asiatischer Cholera erkrankt angekommen und gestorben. Ein weiterer verdächtiger Erkrankungsfall ist seitdem nicht zur Kenntniß gelangt. Von den Behörden sind Maßregeln zur mög⸗ lichen Verhütung einer erneuten Einschleppung getroffen worden. Aus Oesterreich⸗Ungarn lauten die Nachrichten uͤber die Cholera im Ganzen günstig. In Szegedin und Triest ist die Seuche erloschen, in Pest kommen nur noch vereinzelte Erkrankungen vor. Auch aus einigen Orten Kroatiens und Krains werden noch neue Erkrankungen gemeldet. In Italien tritt die Cholera neuerdings in Genua, sowohl in der Stadt wie in der Provinz stärker auf.

Den Beiträgenzur Morbiditäts⸗Statistik Bayerns (Beilageheft zur Zeitschrift des Kgl. bayerischen Statistischen Bureaus, Jahrgang 1886), entnehmen wir aus der Morbiditäts⸗ Statistik von Niederbayern folgende Daten: Die Kindbettfieber ergaben im Jahre 1884 die Zahl 208, also 1,85 % der Gesammt⸗ krankenziffer. Die Malaria ist auf 257 Fälle angestiegen, bildet somit 2,29 % der Gesammtkrankenziffer. An Typben kamen im Berichtsjahre 448 Fälle vor; an der Gesammtziffer ist der Typhus mit 3,98 % betheiligt. Die Ruhr kam in 43 Fällen in 27 Pentaden zur Beobachtung und partizipirt an der Gesammtziffer mit 0,39 %. Von Blattern, unter welchem Namen Variola und Variolois subsumirt werden, beobachtete man nur 5 Fälle und beträgt der Antheil der Gesammtkrankenziffer 0,04 %. Von Cholera kam kein Fall zur Beobachtung. Die Zahl der Schar⸗ lachfälle des Berichtsjahres betrug 734 und beträgt 6,53 % des Gesammtkrankenkontingents. Die Diphtherie, mit welcher der Croup deshalb vergesellschaftet erscheint, weil die Differentialdiagnose bisweilen fast unmöglich ist, trat 1884 mit 1450 ärztlich behandelten Fällen in Nieder⸗Bayern auf und machen dieselben fast 13 % der Gesammtkrankenziffer aus. Neben der Pneumonie kamen Masern weitaus am häufigsten zur Beobachtung, nämlich 2308 Fälle gegen 697 im Vorjahre, es ist also mehr als eine Verdreifachung der Zahl eingetreten, und beträgt der Antheil, den die Masern an der allgemeinen Krankheitsfrequenz nehmen, 20,5 %. Die Mehrzahl der Masernkranken steht im Alter von 6—9 Jahren, doch hat das 4. Lebens⸗ jahr die relativ meisten Fälle. Die Ziffer des Rothlaufes, im Jahre 1884: 298, ist um wenig größer als die des Vorjahres (um 28 Kranke) und ist das Erysipel mit Ausnahme der Pentaden 21 und 64 in allen übrigen so ziemlich gleichmäßig aufgetreten. Ob⸗ wohl anzunehmen ist, daß die meisten Keuchhustenfälle, nament⸗ lich auf dem Lande, nicht zur ärztlichen Kognition gelangen, so wurden im Jahre 1884 dennoch 530 Fälle (1883: 662 Er⸗ krankungen) beobachtet, also etwas weniger als im Vorjahre, und nahmen dieselben an der Gesammtkrankenziffer mit 4,7 % Antheil. Am häufigsten kam der Keuchhusten in dem Alter von 1—9 Jahren zur Beobachtung. Gegenüber den 28 Fällen von Genickstarre (Meningitis cerebro-spin., cerebr. epidem.) im Vorjahre wurden 1884 nur 16 derartige Krankheiten beobachtet, und bildet die Ziffer 2 das Pentadenmaximum. Das höchste Alter bei Genickstarre war 64 Jahre. Die Kinderdiarrhoe, welche 1883 mit 846 Fällen zur Beobachtung gelangte, ist in 1884 mit 1004 Fällen vertreten, d. i. 8,93 % der Gesammtkrankensumme. Nach onaten hatte der Juli mit 137 Fällen die höchste Ziffer. An 8 eumonie kamen im Jahre 1884 2332 Fälle zur

eobachtung und überragt diese Zahl die des Vorjahres (1978) um ein Bedeutendes; an der Gesammtkrankenziffer ist die Lungen⸗ entzündung mit 20,71 % betheiligt und beträgt das Pentadenmittel 31,9, welches 42 Mal, namentlich im I. Semester überschritten wurde. Derartige Krankheitsfälle wurden in allen Lebensjahren beobachtet. Auch die Lungenschwindsucht zeigt 1884 eine höhere Krankheits⸗ ziffer (1101) als 1883 (1008) und einen 9,78 prozentigen Antbeil an der Gesammtsumme der Erkrankten. Die meisten Tuberkulosen (508), also fast die Hälfte, wurden in den 4 ersten Jahresmonaten beobachtet und steht der Januar mit 141 Fällen an der Spitze; die wenigsten hat der September. Diese Krankheit kommt in jedem Lebensjahr vor, doch steht diesmal das 30. Lebens⸗ jahr mit 49 Phthisiserkrankungen obenan. Der akute Gelenk⸗ rheumatismus kam 1884 mit 521 Erkrankungen zum ersten Male zur Notirung. Der Januar mit 55 Fällen hat die höchste, der Sep⸗ tember mit 20 die geringste Monatsfrequenz. Diese Krankheit kommt bis ins höchste Alter hinauf vor. Die Krankheitsziffer des Jahres 1884: 11 255 überragt die des Vorjahres um 3480 Die prozenta⸗ rische Betheiligung der einzelnen Erkrankungen an der Gesammtkranken⸗ ziffer ist am höchsten bei der Pneumonie (20,71 %), am geringsten (0,04 %) bei den Blattern; außerdem sind an der Gesammtkranken⸗ ziffer in absteigender Linie die Masern mit 20,50, die Diphtherie mit 12,89, Tuberkulose mit 9,78, Kinderdiarrhoe mit 8,93, Scharlach mit 6,53, Keuchhusten mit 4,70, Gelenkrheuma mit 4,62, Typhus mit 3,98, Rothlauf mit 2,65, Malaria mit 2,29, Kindbett⸗ fieber mit 1,85, Ruhr mit 0,93 und Genickstarre mit 0,14 % be⸗ theiligt. Wenn man die Pentadenfrequenz der Gesammtkrankheiten betrachtet, so fällt das Maximum mit 265 auf die 34. (15.—19. Juni), das Minimum mit 83 auf die 51. Pentade (8.—12. September) und ist das Pentadenmittel 154,1, welches namentlich in der ersten Jahres⸗ hälfte 35mal überschritten wurde. Die Belastung der einzelnen Monate mit Erkrankungen war folgende: Am höchsten stand dieses Jahr der Junt mit 12,7 % (im Vorjahre der April mit 10,02 %); der Mai zeigte 11,7, der März 10,0, der Januar 9,5, der Juli 9,3, April 9,0, Februar 8,5, November 6,5, Oktober 6,4, Dezember 5,9, August 5,8, September 4,7 % der Erkrankungen. Beobachtet man im Allgemeinen das Alter der Erkrankten, so ist hervorzuheben, daß auf ein solches von 1—8 Jahren nahezu die Hälfte sämmtlicher

atienten trifft, natürlich abgesehen von den 49 mit unbekanntem lter krank Gewordenen.

Die periodische Presse Frankreichs. Nach dem „Jahrbuch der periodischen französischen Presse“ für das Jahr 1886 (herausgegeben von E. Mermet in Paris) gab es am 31. Dezember 1885 in ganz Frankreich, einschließlich Algerien und die Kolonien, 4359 in regelmäßigen Zwischenräumen erscheinende Zeitungen und Zeitschriften. Davon erschienen 1540 in Paris, 151 in dem Departement Bouches du Rhone (Marseille), 143 im Departement Nord (Lille, Roubaix), 102 in der Gironde (Bordeaux) und 107 in Algerien. Ihrer politischen Richtung nach waren von den 2819 Provinzial⸗ Journalen 962 republikanisch und 509 monarchisch, während 1348 verschiedenen anderen politischen Richtungen, den Künsten, Wissen⸗ w. dienten. Von den 46 verschiedenen Zwecken, nach denen

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Die Wandervorträge,

die Pariser Zeitungen und Zeitschriften zusammengefaßt sind heben 25 nachstehende hervor: 88 Blätter befchgtiben sich speziell mit der Politik, davon 52 im großen Stile; daneben erscheinen 69 literarische und politische Revuen. 148 Journale dienen den Finan

57 dem Handel und 45 der Industrie im Allgemeinen; außerdem giebt es noch zahlreiche gewerbliche und industrielle Fachzeitschriften und 43 Blätter, welche sich mit Land⸗ und Forstwirthschaft beschäftigen. Von den wissenschaftlichen Fetschriften u. s. w. erwähnen wir 110 medizinische, 83 rechtswissenschaftliche, 58 für Erziehung und Unterricht und 42 technologische; den schönen Künsten widmen 28, der Füet 21, dem Theater 25 und dem Sport 24 ihre Spalten. 65 Zeitungen und Zeitschriften erscheinen illustrirt, ebensoviel vertreten speziell katholische, 18 protestantische und 2 jüdische Interessen. Der allgewaltigen Mode stehen 84 und heirathslustigen 4 reg erscheinende Journale zu Gebote. 8 8*

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Am Sonnabend Abend verstarb hierselbst im Alter von 62 Jahren am Herzschlage der Mineraloge Geheime Bergrath, Prof. Dr. Martin Websky. Mitglied der Akademie der Wissenschaften.

In Dresden ist am Sonntag der bekannte Bibliograph und Begründer des Bibliographischen Museums in Leipzig, Kommissions⸗ Rath Heinrich Klemm gestorben.

Leipzig, 28. November. Der Verlags⸗Buchhändler und Buch⸗ druckereibesitzer Joh. Gottl. Chr. Franz Otto Spamer, der Begründer der durch ihre Jugend⸗ und Volks⸗Schriften weitbekannten Verlags⸗Buchhandlung, ist gestern Abend verstorben. 1

Für Reichs⸗Civilbeamte ist soeben ein sehr handliches Kompendium aller SATEET“ nebst Sach⸗ register in R. v. Decker's Verlag, G. Schenck in Berlin (Pr. cart. 1 50 ₰) erschienen. Der erste Theil behandelt den Diensteid, die Rechtsverhältnisse, die Anstellung der Reichsbeamten, bzw. auch bei der Reichsbank, die Naturalisation von Ausländern, die Fürsorge für Wittwen und Waisen. Der zweite Theil behandelt die Kautionen, den Urlaub, Tagegelder, Fuhrkosten und Umzugkosten, Wohnungsgeld⸗ zuschüsse, Fürsorge bei Betriebsunfällen, desgl für Wittwen und Waisen. Alle bisher erschienenen einschläglichen Gesetze und Verordnungen sind systematisch im Text angeführt. Ein Sachregister erleichtert den Gebrauch des sehr nützlichen Buches. In demselben Verlage er⸗ schien auch das Pensionsgesetz vom 27. März 1872 in der durch die Gesetze vom 31. März 1882 und 30. April 1884 abgeänderten Fassung nebst den Gesetzen, betreffend die Fürsorge für die Wittwen und Waisen der unmittelbaren Staatsbeamten, vom 20. Mai 1882. Auch dieses Werkchen (Preis 30 ₰) enthält ein Sachregister.

Postliederbuch. Eine Liedersammlung zum Gebrauch bei geselligen Vereinigungen und in Familienkreisen der deutschen Post⸗ und Telegraphenbeamten. Herausgegeben von dem Rechnungs⸗Rath Carl Alexander Schmitt, Vorsteher des Statistischen Bureaus des Reichs⸗Postamts (Frankfurt a M., 1886. Mahlau & Waldschmidt. 329 Seiten. 80. Ladenpreis in Originaleinband 3 ℳ) Wie glücklich der Gedanke des Herausgebers gewesen ist, diese Lieder zu sammeln und zu veröffentlichen, beweist die Thatsache, daß das erst im Januar d. J. erschienene Buch im Oktober d. J. bereits die dritte Auflage erlebt hat. Es zerfällt in drei Abtheilungen: 1) „Kaiser⸗, Vaterlands⸗ und Weihelieder“ (50 Nummern), 2) „Post und Telegraphie“ (103 Nummern), 29„ „Lieder allgemeinen Inhalts“ (181 Nummern). Der erste Theil enthält die beliebtesten patrio⸗ tischen sowie Volks⸗ und geselligen Lieder ernsten Inhalts, Weihnachtslieder u. a.; der dritte Theil ist der heitern Muse ge⸗ widmet. Das Eigenthümliche liegt in der zweiten Abtheilung: hier hat der Herausgeber Alles zusammengetragen, was an Sangbarem über Post und Telegraphie bekannt oder zugänglich war. Den Grund⸗ stock bildeten hierbei, wie in der Vorrede betont ist, die Lieder des „Poststammbuchs“, einer von dem Chef der Reichs⸗Post⸗ und Tele⸗ graphenverwaltung ins Leben gerufenen, zuletzt im Jahre 1876 in dritter (illustrirter) Auflage erschienenen Sammlung. In den in dieser Gruppe hier vereinigten Liedern sind die Post und die Telegraphie, selbstverständlich meist in humo⸗ ristischer Weise, aber mit regem Selbstgefühl von allen Seiten her beleuchtet und besungen; keine ihrer rühmenswerthen Leistungen und Eigenschaften ist den Dichtern entgangen, unter denen sich auch Post⸗ und Telegraphenbeamte befinden, wie der Herausgeber der Sammlung, der viele treffliche humoristische Beiträge geliefert hat, z. B. das Lied von der Findigkeit der Post. Den Liedern sind die Melodien, soweit sie nicht bekannt, in Noten beigegeben, und dadurch lernen wir drei Postbeamte auch als Komponisten kennen. Es ist gewiß erfreulich, in einer so großen und schwierigen, mit Arbeit über⸗ ladenen Verwaltung einen so frischen und fröhlichen Geist zu finden, wie er sich in diesen Liedern kundgiebt, und das Postliederbuch wird gewiß dazu beitragen, diesen Geist zu erhalten, zu kräftigen und zu fördern. Möchte es in diesen und anderen geselligen Kreisen eine recht weite Verbreitung finden! Der Druck ist klar und deutlich.

Das Novemberheft XX. Jahrgangs 1886 von „Kunst und Ge⸗ werbe“, Zeitschrift zur Förderung deutscher Kunst⸗Industrie, heraus⸗ gegeben vom Bayerischen Gewerbe⸗Museum zu Nürnberg, redigirt von Dr. J. Stockbauer (Nürnberg, Verlag des Bayerischen Gewerbe⸗Museums, C. Schrag) bringt an der Spitze drei größere Aufsätze: einen Auszug aus einem im Bavyerischen Gewerbe⸗Museum von Dr. J. Stockbauer gehaltenen, sehr anregenden Vortrage über „Kultur und Kunst der Renaissance“, belehrende Mittheilungen über den Reliefschmelz, von A. Schnütgen, und einen Bericht über das neu errichtete Museum von Wandteppischen in Florenz, von C. v. Fabriczy. Weiterhin wird über neue Zugänge in der permanenten Ausstellung des Bayerischen Gewerbe⸗Museums berichtet; Aafssche aus den Jahresberichten der Königlichen Kunstgewerbeschule in München, der allgemeinen Gewerbeschule und der Schule für Bauhandwerker in

amburg, des Kaiserlich österreichischen Museums für Kunst und Endustrie in Wien sowie Mittheilungen aus dem Berliner Kunst⸗ gewerbe⸗Museum, der Ausstellung von Exvortwaaren in Dresden, dem

Steiermärkischen 111“ „Johanneum“ in Graz reihen sich an. Den übrigen Inhalt des, wie sonst, mit mannigfal⸗ tigen Illustrationen ausgestatteten Hefts bilden Mittheilungen aus dem Kunsthandel, dem Buchhandel, die periodische Literatur der Kunst und des Kunstgewerbes sowie kleine Nachrichten. Von den beigefügten Kunstblättern zeigt die erste Tafel (Farben⸗ druck) Einlagen von einer alten nußbaumenen Truhe aus Italien, die zweite Tafel (Lichtdruck) eine spanische Posamenterie aus dem 17. Jahr⸗ hundert, die dritte (Zinkographie) ein indisches Wasserbecken (sämmt⸗ liche Stücke aus der Mustersammlung des Gewerbe⸗Tuseums). Als Beiblatt zu „Kunst und Gewerbe’ erschienen die Nrn. 20 und 21 der „Mittheilungen des Bayerischen Gewerbe⸗Museums zu Nürnberg.“ Außer Bekanntmachungen über den Besuch des Museums, die permanente Ausstellung, die König Ludwig's⸗Preisstiftung, ent⸗ halten dieselben Nachrichten über die jeden Montag von 8 bis 9 Uhr Abends im Museum stattfindenden Vorträge sowie über die Lehr⸗ und Wandervorträge. Die ersteren umfassen in 8. Winter folgende Gegenstände: Die Aesthetik im Gewerbe, Direktor Dr. von Stegmann; Die chemische und physikalische Natur der in der Textil⸗ Industrie verwendeten Faserstoffe, Chemiker Dr. Kayser; Europäisches Porzellan, Sekretär Dr. von Schorn; Die Dampfmotoren für das Kleingewerbe, Ingenieur Kröller; Das Gruben⸗ und Zellenemail in seiner geschichtlichen und kunstgewerblichen Bedeutung. Bibliothekar Friedrich; Die Metalle und Legirungen der Neuzeit, Assistent Marquard; Orientalische Seidengewebe, Kustos Dr. Stock⸗ bauer; Künstliche Kälteerzeugung, insbesondere die technische Verwendung der flüssigen Kohlensäure, Professor Staudacher. welche auf Ansuchen im Dezember und in den Gewerbevereinen des Verbandes veranstaltet d folgende: Ingenieur Kröller: „Ueber Patent⸗ und Musterschut auf Grund praktischer Erfahrungen“; Bibliothekar Friedrich: „Ueber die Erfindung der Taschenuhren“; Chemiker Marquard: „Ueber die Neuerungen auf dem Gebiet der Metall⸗ technik.“ Den übrigen Inhalt der Nummern füllen Berichte über die V. Wanderversammlung des Verbandes bayerischer Gewerbevereine,

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