— 14. Dezember. (W. T. B.) Wie die heutigen Morgenblätter mittheilen, verbleibt 88* bulgarische De⸗ utation noch ein oder zwei Tage hier. ₰ 8 Pest, 11. Dezember. (Wn. Ztg.) Der Finanzaus⸗ schuß des Abgeordnetenhauses erledigte den Vor⸗ anschlag des Justiz⸗Ministeriums unverändert.
Großbritanuien und Irland. London, 10. Dezember. (A. C.) verne Mittag fand ein Ministerrath statt. „Es verlautet, daß der Lordkanzler von Irland, Lord Afhbourne, im Conseil den Antrag estellt hat, alle irischen Ferleggeisnethitezer⸗ welche sich mit dem Einkaffiren von Pachtzinsen efassen, wegen Komplotts ver⸗
aften zu lassen.
haf Nach 8. Berichten des „United Ireland“ haben bis jetzt die Pächter von 32 trischen Gutskomplexen ihre Pacht Vertrauensmännern eingehändigt. — Die irischen Parlamentsmitglieder Dillon, Harris und Sheehy kassirten gestern die Pachtzinsen der Pächter Lord Clanricarde’s, Lord Clancarty's, Lord Clonbrook's und des Hrn. Dominick Burke in Loughrea ein.
— 11. Dezember. (A. C.) Der gestrige Minister⸗ rath war, wie es heißt, hauptsächlich Fragen der auswär⸗ tigen Politik, insbesondere der bulgaris hen und egyp⸗ tischen Frage gewidmet. Die irischen A ngelegenheiten wurden ebenfalls berührt; die Regierung sah sich jedoch, dem Vernehmen nach, nicht veranlaßt, ihre Ansichten über die von der irischen Vollzugsregierung einzunehmende Seng die seitdem die Zustimmung der unionistischen Liberalen ge unden zu haben scheint, zu ändern. Die egyptische Frage, zu deren Prüfung jüngst ein besonderer Kabinets⸗Ausschuß er⸗ nannt wurde, hat angeblich eine wichtige Phase erreicht, und es dürften die Unterhandlungen zwischen Sir Henry Drummond Wolff und der Pforte binnen einer Woche in Konstantinopel wieder angeknüpft werden.
Einer Reuter'schen Depesche aus der Kapstadt, vom 9. ds., zufolge ist zwischen der Kap⸗Regierung und den Pondo⸗Häuptlingen ein befriedigendes Abkommen zum Abschluß gelangt. Der Friede ist somit jetzt gesichert und die eingeborenen Mannschaften werden entlassen.
Bombay, 13. Dezember. (W. T. B.) Seine König⸗ liche Hoheit der Prinz Friedrich Leopold von Preußen ist in Ulwar eingetroffen und stattete dem Maharadja einen Besuch ab.
Frankreich. Paris, 12. Dezember. (Köln. Ztg.) Das „Journal officiel“ bringt die das neue Kabinet betreffenden Erlasse. Darnach wird die Kultus⸗Verwaltung mit dem Ministerium des Innern vereinigt, Goblet zum Minister des Innern und des Kultus ernannt und zugleich mit der vorläufigen Leitung des Ministeriums des Aeußern betraut. Die Erlasse sind von Hrn. de Freycinet gegengezeichnet; dann folgen neun von Goblet gegen⸗ gezeichnete Erlasse, welche die übrigen Minister ernennen, nämlich Sarrien (Justiz), Dauphin (Finanzen), General Boulanger (Krieg), Admiral Aube (Marine und Kolonien), Berthelot (öffentlicher Unterricht), Lockroy (Handel und Industrie), Eduard Millaud (öffentliche Arbeiten), Develle (Ackerbau), Granet (Post und Telegraphie). — Es war das erste Mal, daß ein Kabinet vor die Kammer trat, ohne daß das amtliche Blatt die Ernennung desselben gebracht hatte, und dies geschah auf Wunsch des Präsidenten Grévy, der damit dem Ende der Krisis Ausdruck geben wollte. Jeden⸗ falls wird man dem Kabinet Goblet die von ihm verlangten Zwölftel bewilligen, zumal Präsident Grévy entschlossen ist, die Kammer aufzulösen, falls Goblet durch eine royalistisch⸗ radikale Mehrheit ein Mißtrauensvotum erhält.
— (Fr. C.) Die Erklärung, welche der Conseils⸗ Präsident Goblet am 11. d. M. in den beiden Kammern verlesen hat, lautete wie folgt:
„Meine Herren! Indem wir uns Ihnen heute vorstellen, ver⸗ hehlen wir uns nicht die Schwierigkeiten unserer Aufgabe. Die unbedingte, rückhaltlose, alle persönlichen Erwägungen hintansetzende Hingebung, die jeder Republikaner dem Lande und der Republik schuldet, hat esuns zur Pflicht gemacht, diese Aufgabe anzunehmen, und flößt uns die Hoffnung ein, sie erfüllen zu können. Da wir von den gleichen Gefühlen beseelt sind und das gleiche Ziel erstreben, so ist es unmöglich, daß wir uns zu dem gemeinsamen Werke, das uns die Umstände auferlegen, nicht sollten einigen können. Welches ist dieses Werk? Wir wollen versuchen, es genau zu bezeichnen. Bezüglich des Auswärtigen glauben Sie sicher, wie wir, daß wir nichts Besseres thun könnten, als die gleichzeitig vorsichtige und feste Politik fortsetzen, die kürzlich auf dieser Tribüne mit so vielem Ansehen von dem hervorragenden Vorsitzenden des vorigen Kabinets dargelegt und von der ganzen Kammer gebilligt worden ist. Nach innen gestattet uns die Lage, in die uns die Wahlen vom Oktober 1885 versetzt haben, keine großen Verbesserungen. Unsere Hauptpflicht ist, gut zu regieren und gut zu verwalten, um die Be⸗ völkerung, die man der Republik zu entfremden gesucht hat, endgültig für sie zu gewinnen. Die letzten Wahlen zeigen, daß die seit jener Zeit befolgte Politik diese glückliche Wirkung in der That ge⸗ habt hat. Was die durch die Wahlprogramme aufgeworfenen Fragen betrifft, so scheint uns, daß mehrere derselben, über die wir unbestreit⸗ bar getrennter Meinung sind, zu dieser Frist nicht mit Erfolg in Angriff genommen werden können. Man ist seinem Programme dadurch nicht untreu, daß man die Punkte desselben, in denen man keine Mehrheit zu erlangen sicher ist, vertagt. Wir behalten über jede dieser Fragen unsere besonderen Meinungen, erklären Ihnen aber bündig, daß es nicht in unserer Absicht liegt, sie Ihrer Prüfung zu unterbreiten, denn es giebt Reformen, bezüglich deren es weder dem Parlament, noch der Regierung zusteht, der öffentlichen Meinung vorauszueilen, und die man nicht vornehmen kann, bis das Land sich ausdrücklich für sie ausgesprochen hat. Andere Fragen im Gegentheil, nicht minder ernste, und deren Lösung die gesammte Mehr⸗ heit ungeduldig zu erwarten scheint, werden unverzüglich von uns in Angriff genommen werden, mit dem festen Willen, sie zu lösen. Das erste Bedürfniß des Landes ist die Ordnung der Finanzen, die Auf⸗ richtigkeit und Regelmäßigkeit unseres Budgets. Wir werden gleich bei Eröffnung der nächsten Tagung in der Lage sein, Sie in den Stand zu setzen, die Annahme des Budgets für 1887 zu vollenden. Ueberzeugt, daß nur ernstliche Ersparnisse, verbunden mit einer Um⸗ gestaltuug unseres Steuersystems, den verschiedenen öffentlichen Dienst⸗ zweigen ihre unerläßlichen Hülfsquellen sichern können, ohne die schon sehr schweren Lasten zu vermehren, werden wir Ihnen gleichzeitig mit dem Budget für 1888 die zur Verwirklichung jener Reformen erforderlichen Gesetzvorschläge unterbreiten Die Kammer hat ihren Willen kund gegeben, unsere Verwal⸗ tungsorganisation, die vom Anfang dieses Jahrhunderts datirt, zu vereinfachen. Wir maßen uns nicht an, eine solche Umge⸗ staltung mit einem Schlage zu bewerkstelligen, aber wir werden sie von jetzt an unternehmen und in dem Maße fortsetzen, in welchem sie uns mit den Anforderungen des Dienstes und den Regierungsnoth⸗ wendigkeiten vereinbar scheinen wird. Wir wollen weder die Verwaltung in Unordnung bringen, noch die Regierung entwaffnen,
welche immer noch mit verfassungsfeindlichen Parteien zu kämpfen hat. Wir werden fortfahren, die Unterrichtsgesetze anzuwenden,
lich und regelmäßig verwirklichen, von welcher ai hat sagen können, daß sie vielleicht die tiefgreifendste gesellschaftliche Umwälzung bildet, die seit 1789 in Frankreich verwirklicht worden ist. Sie werden unsere Schulgesetzgebung durch die Annahme der Vorlage, betreffend die Gehalte und Stellung der Volksschullehrer, zu ergänzen haben. Fügen wir all diesen Arbeiten noch die Annahme der Millitärgesetze, die Prüfung der Vorlagen, betreffend den Ackerbau, die gewer lichen und Arbeiterinteressen, die Organisation der Ausstellung von 1889 hinzu, so haben wir das genaue Bild der Aufgaben vor⸗ geführt, die unseres Erachtens auszuführen nützlich und noth⸗ wendig ist. Meine Herren! Wenn es uns gelänge, dieses Werk zu gedeihlichem Ziel zu führen, würden wir nicht den Wünschen des Landes entsprochen, seinen dringendsten Bedürfnissen Befriedigung gewährt und sein Vertrauen in die Republik befestigt haben? Glauben Sie nicht, ein solches Unternehmen lohne die Mühe, eine Mehrheit zusammenzuschaaren? Was uns betrifft, so wollen wir Ihr Ver⸗ trauen weniger durch Ausdehnung unserer Versprechungen, als durch Eifer und Treue in Erfüllung derselben verdienen. Heute begehren wir von Ihnen Kredit für einige Wochen; Sie werden uns denselben bewilligen, wenn Sie unsere Erklärungen gutheißen, indem Sie die vorläufigen Zwölftel der Steuern genehmigen, die wir in Folge des herangekommenen Jahresendes nachzusuchen gezwungen sind.“
— 13. Dezember. (W. T. B.) Der „Agence Havas“ zufolge lehnte auch der französische Botschafter Decrais in Wien das Ministerium des Aeußern ab, jedoch in Ausdrücken, welche die Annahme zulassen, daß seine Ablehnung keine endgültige sein werde.
In dem heutigen Ministerrath wurde beschlossen, von der Deputirtenkammer die provisorische Bewilli⸗ gung von nur zwei Zwölfteln der Jahreseinkünfte zu verlangen. Die Annahme dieses Antrages kann als sicher betrachtet werden, da die drei Gruppen der Linken in ihrer heutigen Sitzung sich zur Bewilligung der beiden Zwölftel bereit erklärt haben. — Den Abendblättern zufolge wird in parlamentarischen Kreisen allgemein eine Auflösung der Deputirtenkammer als im nächsten Jahre unvermeidlich be⸗ eichnet. 8
— 13. Dezember. (W. T. B.) Der Sektions⸗Präsident im Staatsrath, Flourens, ehemaliger Direktor im Kultus⸗ Ministerium, ist zum Minister des Auswärtigen er⸗ nannt worden.
8—
Italien. Rom, 13. Dezember. (W. T. B.) Bei dem heute stattgehabten Leichenbegängniß Minghetti's war der König durch den Herzog von Aosta vertreten. Die Präfidenten der Kammern, Graf Robilant und andere Würden⸗ träger hielten die Zipfel des Bahrtuches. Zahlreiche Mit⸗ glieder des Klerus schritten dem Leichenwagen voran, dem eine sehr große Menge Leidtragender folgte. Die Leiche wurde in einer Kapelle nächst dem Bahnhofe beigesetzt und wird nach Bologna übergeführt werden.
Griechenland. Athen, 13. Dezember. (W. T. B.) Die anläßlich der Großjährigerklärung des Kron⸗ prinzen veranstalteten Festlichkeiten sind aufs Glänzendste verlaufen. Der König drückte in einer öffentlichen An⸗ sprache den Dank für die bewiesenen Sympathien aus und erklärte: er habe seinen Sohn in patriotischer Gesinnung er⸗ jogen Der Kronprinz wies darauf hin, daß er eng mit er Nation verbunden sei, und daß er hoffe, den Wünschen Griechenlands zu entsprechen. 1
14. Dezember. (W. T. B.) Dem König gingen Seitens der europäischen Souveräne anläßlich der Großjährigkeit des Kronprinzen Glückwünsche zu. Der Kronprinz empfing zahlreiche Ordensdekorationen.
Serbien. Belgrad, 13. Dezember. (W. T. B.) Aus Anlaß der Großjährigerklärung des Kronprinzen von Griechenland wurde heute auf Veranlassung des hiesigen griechischen Gesandten in der Kathedrale ein Tedeum abgehalten, welchem die Minister, das diplomatische Corps und die hiesige griechische Kolonie beiwohnten. Später fand bei dem griechischen Gesandten ein Gratulations⸗ empfang statt.
Rußland und Polen. Die bereits telegraphisch signalisirte Kundgebung des „Regierungs⸗Anzeiger“ lautet, nach einer Uebersetzung des St. Petersburger „Herold“, vollinhalt⸗ lich folgendermaßen:
„Das Cirkular des Ministeriums des Aeußern an unsere Ver⸗ treter an den auswärtigen Höfen, wovon die ausländische Presse Kenntniß bekommen, hatte den Zweck, die Anschauung der Kaiserlichen Regierung über die Resultate der An⸗ wesenheit des General⸗Majors Baron Kaulbars in Bulgarien zum Ausdruck zu bringen. 1
Als der Fürst Alexander von Battenberg Bulgarien verließ, übergab er die Verwaltung des Landes einer Regentschaft von ihm selbst auserwählter Persönlichkeiten, von denen sich einige bereits früher für blinde Feinde Rußlands erklärt hatten. Die Bedingungen, unter denen sich die Regentschaft konstituirte, beraubten sie der Bedeutung einer gesetzlichen Regierung. Da aber die faktische Macht sich in ihren Höfden befand, so hielt es die Kaiserliche Regierung in ihrem leb⸗ haften Interesse für die Geschicke des bulgarischen Volkes für nicht zeitgemäß, die geschaffene Lage der Dinge als rechtmäßig anzuerkennen. Sie zog es vor, ungeachtet des Mißtrauens, welches ihr einige der zeitweiligen Regenten einflößten, ihre moralische Unterstützung anzu⸗ wenden, um ihnen die Gefahren zum Bewußtsein zu bringen, welchen das Land ausgesetzt sein könnte, wenn es in der jetzigen Lage ver⸗ harrte, und ihnen den regulärsten Weg zu weisen, wie sie sich aus dieser Lage befreien könnten. Unter diesen Gesichtspunkten wurde General⸗Major Baron Kaulbars beauftragt, die Regenten zur Auf⸗ hebung des Belagerungszustandes zu bewegen, die beabsichtigte Ein⸗ berufung der großen Sobranje behufs der Wahl eines Fürsten, sowie den Urtheilsspruch über die Verschwörer vom 9. August aufzuschieben. Die im Lande herrschende Erregung schloß vollständig die Möglichkeit einer reiflichen und leidenschaftslosen Beurtheilung sowohl der einen, als auch der anderen Frage aus, hhis welche es jedoch unmöglich war, auf eine reguläre Entscheidung zu
auen.
Gleichzeitig sollte sich der General Kaulbars mit den Wünschen des bulgarischen Volks selbst vertraut machen, welches gegen seinen Willen bereits vor länger als einem Jahre auf eine abenteuerliche, die Zukunft bedrohende Bahn gezogen worden war, und er sollte das Volk des unveränderten Wohlwollens der Kaiserlichen Regierung vergewissern.
Nachdem sich der General Kaulbars nach seiner Ankunft in Sofia bereit erklärt hatte, geeignete Maßregeln zur Wiederherstellung der normalen Lage in Betracht zu ziehen, weigerten sich die Regenten und ihre Minister gleich darauf, den Rathschlägen des Generals zu folgen, indem sie sich dabei auf die Landesgesetze stützten, welche sie selbst ungestraft ignorirten, und deren Hauptverletzung darin bestand, daß sie sich an der Spitze der Regierung befanden. Hierauf schritt man in Bulgarien und Ost⸗Rumelien zu den Wahlen für die Große Sobranje, wobei die Regenten, um den Triumph ihrer eigenen Partei zu sichern und alle ihnen feindlichen Bulgaren von den Wahlen fern zu halten, es nicht verabsäumten, durch die allerenergischsten und aufrührerischsten Maßregeln auf die Bevölkerung einzuwirken.
weder das Gesetzmäßige der Regierung, welche die ihr zufälli
gefallene Macht mißbraucht, noch der bevorstehenden Großen Soß zu⸗ 19— gur 8 ranje sowie deren Beschlüsse anerkennen kann. je
Nachdem General Kaulbars alle Mittel erschöpft hatte entschl er sich zur Ausführung des zweiten Theils der ihm gewordenen dß gabe; er unternahm eine Rundreise durch Bulgarien, um das Vi. direkt mit dem Feel und der Bedeutung der von der Kaiserli . Regierung den Regenten übermittelten Rathschläge bekannt zu ma und die Stimmung des Volkes kennen zu lernen. en Der direkte Verkehr des russischen Vertreters mit dem bulgarisch Volke war nichts Ungewöhnliches; schon wiederholt stand das bu⸗ garische Volk in schwierigen Situationen von Angesicht zu Angesich mit Rußland und fand in dessen Rathschlägen stets den Ausgang ict der schwierigen Lage. Aber derartige Beziehungen paßten nicht 8 Regenten, welche sich ausschließlich um ihre eigenen, mit den dur⸗ die Konstitution dem Lande garantirten Rechten nicht ddentische Interessen bekümmern. In Folge Befehls aus Sofia wurden -. den lokalen Autoritäten auf der Reiseroute des Generals Maßregen ergriffen behufs Verhinderung eines direkten Verkehrs zwischen lün und der örtlichen Bevölkerung. Alles dieses verhinderte den Vertreter Rußlands übrigens nicht sich durch den Augenschein zu überzeugen, daß das Volk weit entfern davon ist, mit der ihm aufgezwungenen Regierung und deren Anschaum⸗ en zu sympathisiren, und über die Bedrückung — empört ist. Allen⸗ “ wo es nicht gelang, Repressivmaßregeln zu ergreifen, kamen die Bulgaren in zahlreichen Mengen dem General Kaulbars entgegen und drückten ihm ihr unbegrenztes Vertrauen in das Wohlwollen „ Kaiserlichen Regierung und den Wunsch aus, Rußland möge die Lu⸗ kung des Schicksals Bulgariens übernehmen.
Private Demonstrationen, wenn auch mehr schüchterner Natur fanden sogar dort statt, wo sich das Volk unter dem Druck der Be⸗ hörden befand, aber derartige Demonstrationen zogen unausbleiblich für die daran theilnehmenden Personen bedauernswerthe Folge nach sich; in diesen Fällen zeigte sich der in Bulgarien herrschende Terrorismus in den allerbrüskesten und sogar unmensch⸗ lichen Formen. Unter Anderem wurden in Varna mehrere russische Unterthanen arretirt und insultirt, ebenso mehrere Personen, die unter russischem Schutze stehen, im Hinblick worauf es sich zur Wahrung der Würde unserer Agenten als unumgänglich erwies zwei russische Kriegsschiffe nach Varna zu entsenden Zugleic wurde durch General Kaulbars der bulgarischen Regierung erklärt daß bei der ersten Beleidigung, die einer unseren Schutz genießenden Person zugefügt wird, sowohl unsere diplomatischen Agenten als auch die Konsuln aus Bulgarien abberufen werden.
Mittlerweile fuhr die Regentschaft fort, hartnäckig den von ihr gewählten Weg zu verfolgen. Die von ihr in Tirnowa zusammen⸗ berufene Sobranje, sich ihren Eingebungen fügend, wählte den Prinzen Waldemar von Dänemark zum Fürsten von Bulgarien, und nach der Ablehnung der Fürstenwürde durch Se. Hoheit verlangten die Regenten von der Sobranje die Bestätigung in der ihnen zugeeigneten Macht, wobei sie vollständig den Rathschlägen eutgegenhandelten, welche ihnen von der Ottomanischen Pforte behufs einer schnellen Lösung der Krssts ertheilt wurden.
Ein weiteres Verbleiben des außerordentlichen Vertreters Ruß⸗ lands in Bulgarien erwies sich als nutzlos, und da gleichzeitig en frecher Ueberfall auf einen Kawassen des General⸗Konsuls in Philippopel, während der Ausübung seiner dienstlichen Obliegenheiten. ausgeführt wurde, die bulgarische Regierueg sich aber nicht bemühte, die von ihr geforderte Genugthuung zu geben, so erhielten sowohl General Kaulbars, als auch die Konsuln in Bulgarien und Ostrumelien den Befehl, ihre Posten zu verlassen.
Indem die Kaiserliche Regierung alle ihre Agenten abberief, beabsichtigte sie durchaus nicht, das zwischen Rußland und Bulgarien bestehende Band zu zerreißen. Als sie zu dieser Maßregel schritt wollte sie blos dokumentiren, daß sie sich weigere, die Legalität der augenblicklichen Ordnung der Dinge anzuerkennen, wobei eine unbe⸗ deutende Minorität, welche die Macht an sich gerissen, sich berechtigt wähnt, nach eigenem persönlichen Gutdünken über das Schicksal des bulgarischen Volkes zu schalten und es zum Werkzeug von revoluti⸗ nären Leidenschaften, die verhängnißvoll auf die allgemeine Sittlichket wirken, zu machen.
Das bulgarische Volk zeichnet sich unstreitig durch friedlice Neigungen und durch Liebe zur Arbeit aus. In diesen Eigenschafta ruht das Unterpfand seiner kuͤnftigen Blüthe, und Dank dieser Eigen⸗ schaften hatte der Wohlstand Bulgariens bereits rapide Fortschritte gemacht, als die Philippopeler Revolte von 1885 das Land plöhlih auf die Bahn von gefährlichen politischen Abenteuern Zerrte. H welchem Behufe von ihm schwere und gänzlich überflüssige Opfar verlangt wurden. Die augenblickliche Ordnung der Dinge ist de direkte Folge der erwähnten Revolution; im Fall dieser Zustand fortdauert, wird Bulgarien nicht nur neuem Sturm ausgesetzt sen, sondern es wird sich auch unausbleiblich in einen Herd der Anarche und revolutionärer Leidenschaften verwandeln, wodurch der Friede und die Ruhe im Orient beständig bedroht sein werden.
Indem die Kaiserliche Regierung es für ihre Pflicht hält, fir die Erhaltung dieser Ruhe zu sorgen und indem sie auf dem Boden des Traktats beharrt, beabsichtigt sie wie früher ihre Anstrengungen auf die Aufhebung des Bulgarien belästigenden Druckes und auf de Herstellung der gesetzlichen Ordnung in diesem Lande zu richten, welte Ordnung als zuverlässiges Unterpfand für sein künftiges Gedeiher und als Rechtfertigung für die schweren Opfer, welche Rußland ge⸗ bracht hat, dienen könnte. Indem der Kaiserlichen Regierung jeglit egoistischen Pläne fremd sind, beabsichtigt sie, keinerlei Kombinatin zu dulden, welche unter dem Deckmantel der Legalität blos zur el gung der anormalen Bedingungen, unter welche Bulgarien augenblie lich gestellt ist, dienen würde.“ 1
14. Dezember. (W. T. B.) Nach Informationan welche dem „Journal de St. Pétersbourg“ zugehan konnte die einzige Mittheilung, welche der b ulgarische Deputation in dem russischen Botschaftshotel 6 Wien gemacht wurden, nur darin bestehen, daß dieselbe 1 St. Petersburg nicht empfangen werden Anderslautende Nachrichten Wiener Blätter stammen jedenfa nicht aus der russischen Botschaft.
Dänemark. Kopenhagen, 10. Dezember. thing hat heute die vorläufigen Finanzvorlagen de Regierung einstimmig zur zweiten Lesung und auf Holstent Ledreborg's Antrag dem Finanz⸗Ausschuß überwiesen.
Afrika. Egypten. (A. C.) Aus Kairo wird urdt dem 9. Dezember berichtet: 2
Zwei Agenten kamen gestern aus Berber, via Murab, in 8 rosko an. Sie melden, daß Abdullah den Titel „Mahdi“ ang nommen hat. Die Shukerieh⸗ und Dabayna⸗Stämme haben gen schaftlich alle Derwische getödtet, die sich in ihren Distrikten beläscc In Sennar hat Abu Rof, der Scheich der Stämme von Ru ffa Hoi und Ruffa⸗el Shark, dieselben strengen Maßregeln. ergrune Osman Digma wurde mit Abu Anga und einer Anzahl e Bazingars und Bagarras entsandt, um die Insurgenten h kämpfen. Mahomedel Keir kam in Begleitung voe Saad und Hassan Mahomed am 6. November in Berber an. ich Mission besteht darin, so viele Mannschaften als nur mög digs sammeln, um Berber und die Straßen sicher zu machen. Zu ve⸗ Zweck hat er sämmtliche Jaalens, Jehmiabs und andere, die d. Hamad waren, sowie die Shaggiyehs von Metammeh dorthin berufen Er befahl, alle Holztheile von den nehmen, um daraus im Norden von Berber eine Zariba anz Er gestattete allen Eingeborenen aus dem Norden, sowie den unge heiratheten Leuten, nach ihren Distrikten zurückzukehren. Drewfng zingar⸗Soldaten, welche einen Theil der Garnison bilden, sind entme worden. Wad Rejumi machte sich am 15. November von Gobof
Das Folke⸗
der
In Anbetracht dieser Umstände wurde dem General Kaulbars
welche Sie erlassen haben. Dadurch werden wir eine Reform fried⸗
. 11““ 8
aufgetragen, den Regenten zu erklären, daß die Kaiserliche Regierung
1 8 ““ 88
Dongola auf. Abdul Medjid und Emir Mendil haben 9 8. Khartum begeben. In Abu Hamad verbleiben allein die Robata
trauten Kaufmanns (Fahrenwaldt) über die Erwerbsverhältnisse in
können, ihr lat 8 G 8 en, ihr letztes Bißchen Hab und Gut verkaufen, um nur die Ueber⸗
vir a Stock
Es verlautet, ldaß die Rebellen, die sich auf Sowarba zurück⸗ Gogen hatten, mit Verstärkungen wiederum vorgerückt sind. — Pvers Kitchener telegraphirt, daß der abyssinische General Has⸗Alula auf Kassala marschirt und jetzt in Kufit steht. Die Stümme Hadendowah und Shukriyeh sind den Derwischen feindlich
gesinnt.
HLA** Zeitungsstimmen.
Der „National⸗Zeitung“ wird aus Frankfurt a. M., 11 1. Dezember, geschrieben: Eine zahlreich besuchte Versammlung hat vorgestern folgende Resolution einstimmig angenommen: Die im „Lindenfels“ am 11. Dezember versammelten Mitglieder der nationalliberalen Partei erkennen in der vom Reichstag. geforderten Erhöhung der Friedens⸗ ftürke des Heeres eine im Angesicht der steigenden Rüstungen Frank⸗ nichs und Rußlands leider nicht abweisbare Maßregel zur Sicherung unserer Grenzen und zur Aufrechthaltung des friedenbestimmenden Einflusss der deutschen Macht im Rathe Europas. Sie hoffen und wünschen, daß über die materiellen und budgetrechtlichen Schwierigkeiten eine Verständigung im Reichstage gefunden, und daraufhin das vorgelegte Gesetz mit erdrückender Mehrheit und thunlichst so frühzeitig beschlossen wird, daß die Neuorganisation bereits am 1. April nächsten Jahres ins Leben treten kann. Der Finanzlage im Reiche gegenüber betonen sie, daß eine rationelle Form der Branntwein⸗ und Zuckerbesteuerung die Mittel zu gewähren hat, welche der Mehraufwand für Landesvertheidigungszwecke erfordert.“
— Dem „Deutschen Handels-⸗Archiv“ wird aus Augsburg, von Mitte Oktober, über den Aufschwung in der Kammgarnspinnerei Folgendes mitgetheilt:
Die Kammgarnspinnerei arbeitet zur Zeit unter sehr günstigen Umständen und erzielt Preise, welche gegen das vorige Vierteljahr eine Steigerung um 40 bis 50 % aufweisen. Veranlaßt ist dieselbe einmal durch den Umschwung der Mode, welche die harten englischen Stoffe verlassen und sich neuerdings wieder den weichen Kammgarn⸗ fabrikaten zugewandt hat, andererseits durch den starken und stetigen Begehr, welcher von der noch immer in außerordentlicher Entwicklung begriffenen Trikotweberei ausgeht.
Demselben Blatt von Mitte Oktober, gemeldet:
Sehr günstig gestaltete sich die Lage der Kammgarn⸗
Spinnerei. Die bedeutende Preissteigerung der Wolle, verbunden mit starkem Begehr des Marktes nach weichen Wollstoffen, erwies sich nicht als eine nur vorübergehende Erscheinung, sondern setzt sich stetig fort, ja der Bedarf ist so bedeutend gestiegen, daß unsere Etablissements kaum noch in der Lage sind, den an sie gestellten An⸗ forderungen zu genügen, und schon für das nächste halbe Jahr mit Aufträgen versehen sind. 1
Dasselbe wird aus Düsseldorf, Gera, Erfurt, Chemnitz und Kottbus über die Aufbesserung der Kamm⸗ garn⸗Industrie geschrieben. Aus Kottbus wird gemeldet:
Kammgarnstoffe haben, von der Mode bevorzugt, fortgesetzt vor⸗ züglichen Absatz gehabt und eine ungleich höhere Preisaufbesserung erfahren, als Streichgarnstoffe. Die Fabrikanten sind mit den er⸗ zielten Resultaten sehr zufrieden.
„— In ‚„Friedrich Georg Wieck'’s Deutscher illu— strirten Gewerbezeitung“ lesen wir über den Abfluß deutscher Arbeitskräfte und deutschen Kapitals nach Amerika: „Bei der Vorliebe, die immer noch, trotz aller Abmahnungen und Nathschläge Seitens der Behörden und berufenen Personen, für die Auswanderung nach den Vereinigten Staaten herrscht, wo man das Glück zu finden hofft, das man im großen Vaterlande vergeblich erstrebt hat, dürfte, nach der „Deutschen Industrie⸗Zeitung“, die nach⸗ folgende Schilderung eines mit amerikanischen Verhältnissen sehr ver⸗
wird aus Mülhausen i. E.,
den Vereinigten Staaten von Nordamerika mit Interesse beachtet werden.
Im Castle Garden, dem Landungsplatze New⸗Yorks für alle aus fremden Häfen ankommenden Zwischendecks⸗Passagiere, sind nach den mir an Ort und Stelle zur Disposition gestellten statistischen Auf⸗ zeichnungen vom 1. Januar 1885 bis zum 31. Dezember desselben
Zahres 304 999 Einwanderer gelandet worden. Wie seit Jahren, stellt Deutschland auch dieses Mal wieder das weitaus größte Kon⸗ tingent, denn nicht weniger als 136 856 Personen kehrten in ge⸗ nanntem Zeitraum dem alten Vaterlande den Rücken, um in Amerika, dem gelobten Lande“, eine neue Heimath zu suchen. Die Zahl der Kajüten⸗Passagiere, welche im selben Jahre den Ozean kreuzten und nicht im Castle Garden, sondern an den Anlageplätzen der Dampfer gelandet werden, beläuft sich auf 5065, so daß die Gesammtzahl der Fnh Deutschland im Jahre 1885 in New⸗York allein Eingewanderten 41 921 beträgt. 8 1 Jahresbericht of the Commissioners of Emigration G dhe e ves ew-York beigegebene Tabelle zeigt ferner, daß seit Pork 859 105 888 incl. 31. Dezember 1885 im Ganzen in New⸗ 1015 6792 1 Linwanderer ausgeschifft wurden, unter diesen waren däfe “ sche. Rechnet man zu dieser Zahl die in den anderen
düs er Union gelandeten Deutschen, so sind es weit über theitstrafn die dem alten Vaterlande Lebewohl gesagt. Welch riesige
.““ Unsummen von Intelligenz und Wissen sind hier ür Deuüschee verloren gegangen! Es ist gewiß kein gutes Geschäft frittaste 8 daß jährlich Tausende und Abertausende seiner ihren ö one nach Amerika auswandern und, wenn sie. sich in mit von 19 getäuscht sehen, an Körper und Geist geknickt und alhwegs Pem Beutel heimkehren. Denen es in Amerika nur
Diejen gen ö kehren nicht zurück nach der alten Heimath, und
vor Augen, ses he das ganze Elend des in der Fremde Darbenden
Mitte hen, sie entschließen sich, wenn sie eben noch genügend
S den, zur Heimkehr, um nach ihrer Ankunft der Armen⸗ dorde zur Last zu fallen.
111“ genügenden Mitteln versehen, in Amerika an⸗
5 räglich heeh dtc Zukunft bei rastloser, harter Arbeit noch immerhin ichen Wa stalten, wie aber steht es mit denen, die in dem unglück⸗ znnn,Wahn, ihre Arbeitskraft in Amerika besser verwerthen zu
a e besnt Lande, wo Milch und Honig fließt, oder besser wir indesees „bezahlen zu können? Die Antwort ist nicht schwer, Verzwefftone sie einestheils in den Zeitungen: Selbstmorde aus ordnung aus Arbeitslosigkeit ꝛc. sind an der Tages⸗ varüber zu d e etwaßs Gewöhnliches, daß es sich kaum verlohnt, es Arbe 88 hen. Anderntheils finden wir sie in der Ueberfüllung eutend, die A. es; das Angebot übersteigt die Nachfrage ganz be⸗ oniedrigen St eitslöhne sinken fortwährend und haben jetzt einen Thätigkeit 1 88 erreicht, wie nie zuvor; große Fabriken stellen ihre und Akertause 88 Eisenbahnen entlassen fortwährend Leute, Tausende ir auch Uusen e geschickter, tüchtiger Arbeiter sind brodlos, wohin ung in all- nirgends zeigt sich ein nur etwas erfreuliches Bild, er wichtigsten La Branchen der Industrie, unerhört niedrige Preise raft der Üüberwi andesprodukte, stark geschwächte Kauflust und Kauf⸗ Signatur deerwiegenden Mehrzahl der Bevölkerung — das ist die zo der gegenwärtigen Geschäftslage. offnungen, welche die Geschäftswelt an die Erwählung tllicht uüpfte, haben sich vorläufig nur zum allerkleinsten Theil Geschäfte kan on einer allgemeinen, durchgreifenden Besserung der täuschung don nicht die Rede sein, und ist es eine arge Selbst⸗ Bran 18 augenblicklichen Beschäftigung dieser oder jener anische Geschäft gemeinen Aufschwung abzuleiten. Der ganze ameri⸗ jeftigen Se⸗ch sbetrieb bewegt sich überhaupt stoßweise und ist stets .Schwankungen unterworfen, man arbeitet eine Zeit lang Hals
“ — .“ - Deutschland, giebt es nicht in den Vereinigten Staaten, wie ei flüchtiger Blick auf die zahlreichen in Amerika stattfiadenden Arbeiter⸗ streiks im Vergleich zu den verhältnißmäßig wenigen in Deutschland klarstellt. Was nützt es also einem Handwerker in Amerika, wenn er eine Zeit lang das Doppelte oder Dreifache seines Kollegen in Deutsch⸗ land an Tagelohn erhält und dann gezwungen ist, aus der einen oder anderen Ursache Monate lang zu seiern?
Zwar finden sich genug Leute, welche eine solche Ueberstürzungs⸗ periode als Hünstiges Zeichen allgemeinen Wohlstandes ausposaunen und die alles aufbieten, Leute zur Auswanderung zu veranlassen. Das Loos der armen Bethörten ist in den weitaus meisten Fällen ein überaus trauriges: wer sich überzeugen will, der besuche die Geschäftslokale der deutschen Gesellschaften in den Hauptstädten der Union, und er wird finden, daß meine Schilderung noch weit hinter der Wahrheit zurückbleibt! (Die deutsche Gesellschaft der Stadt New⸗York zahlte im Jahre 1885 in 3473 Fällen 10 765 Dollars an Unterstützungen.) Der Geschäfts⸗ führer der deutschen Gesellschaft von Chicago sagt in einem seiner Monatsberichte:
4 Die wiederholt gemachte Wahrnehmung, daß verheirathete ältere Leute hier ankommen, die ihrer körperlichen und geistigen Beschaffen⸗ heit nach nicht hätten auswandern dürfen, weil sie einerseits zu alt sind, die englische Sprache zu erlernen, und andererseits zu ungeschickt und zu energielos, sich den hiesigen Verhältnissen zu ihrem Vortheil anzupassen, hat zu der Frage veranlaßt: Was hat diese armen, un⸗ “ Menschen bewogen, in ihren alten Tagen auszuwandern?
iese Frage wurde in verschiedenen Fällen direkt gestellt und dahin beantwortet, daß die Ueberredung der Schiffsagenten am meisten dazu gethan hätte.
Eine indirekte Bestätigung dieser Aussagen wurde uns kürzlich durch den Empfang eines Briefes aus Deutschland, in welchem der Agent einer Dampfschiffahrts⸗Gesellschaft (nebenbei bemerkt, für eine industriell, aber besonders in den landwirthschaftlichen Nebengewerben hochentwickelte Provinz) die deutsche Gesellschaft um ein größeres Quantum ihres Jahresberichtes zur Vertheilung, an Auswanderer er⸗ sucht. Dem Herrn ist folgende Antwort ertheilk worden: „In Er⸗ widerung Ihres gefälligen Schreibens benachrichtigen wir Sie, daß wir Ihren Wunsch, ein größeres Quantum unseres letzten Jahresberichtes Ihnen zur Vertheilung an Auswanderer zu überschicken, nicht erfüllen werden. Unsere Erfahrungen in Betreff von Auswanderern, die namentlich in jüngster Zeit hierher gekommen sind, sind durchaus unerfreulicher Natur. So sind Familien hierhergekommen, die nichts besaßen, als was sie auf dem Leibe trugen, Leute über 40 und 50 Jahre, die weder jemals die englische Sprache erlernen, noch sich in hiesige Ver⸗ hältnisse schicken lernen, so daß sie nie im Stande sind, ganz auf eigenen Füßen zu stehen. Und fragt man diese Aermsten, wie es möglich war, den dummen Streich zu machen, in ihren alten Tagen nach hier auszuwandern, so bekommt man zur Antwort, daß sie durch die Auswanderungs⸗Agenten zu dem Schritte beredet worden seien. Die versprechen einem ja goldene Berge in Amerika! Man brauche nur den Fuß ans Land zu setzen, so erhalte man auch sofort Arbeit zu gutem Lohne. In Amerika wird den ganzen Winter gearbeitet, und Arbeiter seien fortwährend gesucht ꝛc.“ 1
Aus diesen und ähnlichen Aussagen geht hervor, daß es den
Schiffsagenten nur darum zu thun ist, soviel wie möglich lebendige Fracht für die Auswanderungsdampfer zu liefern. Was aus dieser nachher wird, das überlassen sie den deutschen Gesellschaften, die ja dazu da sind, den armen Auswanderern unter die Arme zu greifen. Wir wünschen nicht die Auswanderung von armen Deutschen nach hier zu unterstützen. 8 Soweit der Geschäftsführer der deutschen Gesellschaft von Chicago. Auch habe ich mich persönlich von den jetzt in Amerika herrschenden Verhältnissen überzeugt und kann nicht eindringlich genug von einer Auswanderung nach dort abrathen; wer nicht mindestens gan Monate ohne Verdienst dort leben kann oder wer nicht sofort nach seines An⸗ kunft in ein vorher gesichertes Arbeitsverhältniß eintritt, der soll die Reise unterlassen; unternimmt er sie dennoch, so kann er sicher sein, daß bittere Enttäuschungen seiner harren; Kummer, Noth und Elend. sind von nun an seine steten, unjzertrenn⸗ lichen Gefährten. Die Einwanderungs⸗Kommissäre handhaben die Einwanderungsgesetze mit äußerster Strenge, rücksichtslos wird Demjenigen, von dem die Kommissäre glauben, annehmen zu müssen, daß er der öffentlichen Wohlthätigkeit zur Last fallen werde, das Landen verweigert, die Dampfergesellschaften sind verpflichtet, solche Zurückgewiesene (paupers) wieder nach dem Einschiffungshafen zurück⸗ zubefördern. Ich bin mehr als einmal Zeuge gewesen, wo sonst arbeitsfähigen Leuten, die aber ohne alle Mittel anlangten, das Be⸗ treten amerikanischen Bodens nicht gestattet wurde; alles Bitten und Flehen war nutzlos, die Beamten ließen sich nicht rühren — haben sie ja doch nur das Gesetz zur Ausführung zu bringen
Die Sachlage ist aber und wird mit jedem Tage für Deutschland
ernster, weil die durch Kapital und Technik enorm gesteigerte industrielle Produktionsfähigkeit der Union — welch letztere in den vortrefflichen eingewanderten deutschen Arbeitern eine ihrer mächtigsten Stützen sieht — der auf den Export und zwar vorzugsweise nach dem seither sehr aufnahmefähigen amerikanischen Markte entschieden an⸗ gewiesenen deutschen Industrie eine immer schärfer auftretende Konkurrenz bereitet. Es muß deshalb auch von diesem Gesichtspunkte aus als eine Angelegenheit von eminent nationaler Bedeutung betrachtet werden, dem thatsächlichen Verlust an Menschen, Kapital und Arbeitskraft, welchen Deutschland durch die Auswanderung seiner Söhne erleidet, mit aller Kraft entgegenzuwirken. Und weil die Verhältnisse und Aussichten für die Einwandernden in Nord⸗Amerika durchaus nicht verlockende sind, sollten es sich auch die deutschen Arbeiter, Landleute und Handwerker doppelt und dreifach überlegen, ehe sie dorthin aus⸗ wandern; was sie in der alten Heimath gehabt, wissen sie, was ihrer in Amerika wartet, wenn sie leichtsinnig handeln, das glaube ich deutlich genug gezeigt zu haben.
Statistische Nachrichten.
Evangelisches Elementarschulwesen der Stadt Breslau im Jahre 1885/86 — Aus dem vom Stadtschulinspektor Dr. Kriebel erstatteten Bericht über die evangelischen Elementarschulen der Stadt Breslau für das Schuljahr 1885/86 entnehmen wir nach⸗ stehende Mittheilungen: Zu den 50 evangelischen Elementarschulen, mit welchen das Schuljahr 1884/85 schloß, sind bei Beginn des Schuljahres 1885/86 drei neue fünfklassige Schulen, eine Knabenschule und zwei Mädchenschulen hinzugekommen. Die im Vorjahre vorhandenen vier fünfklassigen Schulen sind in sechsklassige umgewandelt worden. Durch Eröffnung von Parallelklassen erhielten fünf Schulen je 7, eine Schule 8, vier Schulen je 10 Klassen. Zwei Schulen werden noch als gemischte aufgeführt, doch ist bei der einen bereits der Anfang mit der Trennung der Geschlechter gemacht. Sämmtliche 53 Schulen ent⸗ hielten 338 Klassen (18 mehr als im Vorjahre); davon waren 66 in Privathäusern miethsweise untergebracht (5 mehr als 1884/85). 14 Schulen hatten Halbtagsunterricht (gegen 6 im Vorjahre), da ihnen 17 Klassenzimmer fehlten. Die Frequenz der 53 Schulen belief sich am Schlusse des Schuljahres 1885/86 insgesammt auf 22 302 Kinder (1024 mehr als im Vorjahre). Hiervon waren 10 816 oder 48 % Knaben und 11 486 oder 52 % Mädchen. Die Knaben waren in 24 Schulen mit zusammen 153 Klassen, die Mädchen in 27 Schulen mit 172 Klassen untergebracht; die beiden gemischten Schulen hatten 13 Klassen. Der Religion und Konfession nach wurden die evangelischen Elementarschulen am Schlusse des Schuljahres von 21 744 evangelischen, 9 römisch⸗katholischen, 63 altkatholischen, 391 jüdischen und 95 dissidentischen Schülern besucht. Schulversäum⸗ nisse von längerer Dauer kamen mehr bei den Mädchen vor; im Ganzen ist der Schulbesuch als regelmäßig zu bezeichnen. Gestorben sind im abgelaufenen Schuljahre 82 Schüler, d. i. 4 Pro Mille (gegen 9 im Vorjahre). Drei Knaben und ein Mädchen unter 12 Jahren mußten in Zwangserziehung gegeben werden; zwei Knaben über zwölf Jahre sind wegen Diebstahls mit Gefängniß bestraft worden. Infolge poli⸗
nwungener vmn dann wieder eine Zeit lang sich freiwilliger oder kuhe hinzugeben. Stete andauernde Beschäftigung, wie
der Schuldisziplin bestraft werden. Die Gründe für die Ueber⸗ tretungen liegen überall in der häuslichen Noth und in dem Mangel an Aufsicht in der schulfreien Zeit. Der Berichterstatter tritt des⸗ halb wiederholt für die Gründung von Schülerhorten ein. Das Lehrerpersonal bestand aus 259 Lehrern, 87 wissenschaftlichen und 108 Handarbeits⸗Lehrerinnen und einem ständigen Stellvertreter. Die Stellvertretungskosten betrugen 6223,21 ℳ ie Vertretungszeit der Lehrer beträgt 3 % der ganzen jährlichen Arbeitszeit, die der Lehre⸗ rinnen dagegen nach nicht 1 %. Der Gesundheitszustand der Lehrer ist also ein erheblich ungünstigerer gewesen als der der Lehrerinnen.
— Summarische Uebersicht über die Zahl der Studirenden auf der Königlichen Georg⸗Augusts⸗Universität zu Göttingen im Winter⸗Semester 1886/87. A. Im Sommer⸗Semester 1886 sind im⸗ matrikulirt gewesen 1017; davon sind a. gestorben 3, b. abgegangen mit Ermatrikel 192, c. weggegangen, ohne sich abzumelden und daher gestrichen 35, d. gestrichen auf Grund des §. 13 der Vorschriften für die Studirenden vom 1. Oktober 1879 —, e. gestrichen aus sonstigen Gründen 24, zusammen 254. Es sind demnach geblieben 763. Dazu sind in diesem Semester gekommen 278. Die Gesammtzahl der immatrikulirten Studirenden beträgt daher 1041. Die evangelisch⸗theo⸗ logische Fakultät zählt 200 Preußen, 39 Nichtpreußen, zusammen 239; die juristische Fakultät zählt 107 Preußen, 38 Nichtpreußen, zusammen 145; die medizinische Fakultät zählt 180 Preußen, 53 Nichtpreußen, zusammen 233; die philosophische Fakultät zählt a. Preußen mit dem Zeugniß der Reife 230, b. Preußen ohne Zeugniß der Reife nach §. 36 des Reglements vom 2. Juni 1834 55, zusammen Preußen 285, c. Nichtpreußen 139, zusammen 424 = 1041. B. Außer diesen imma⸗ trikulirten Studirenden haben die Erlaubniß zum Hören der Vor⸗ lesungen vom Prorektor erhalten: nicht immatrikulirte Preußen und Nichtpreußen 21. Die Gesammtzahl der Berechtigten ist mithin 1062. Von diesen Berechtigten hören Vorlesungen: AA. Von den imma⸗ trikulirten Studirenden: in der evangelisch⸗theologischen Fakultät 239, in der juristischen Fakultät 145, in der medizinischen Fakultät 233, in der philosophischen Fakultät 422, zusammen 1039; vom Hören von Vorlesungen dispensirt sind: in der evangelisch⸗theologischen Fakultät —, in der juristischen Fakultät —, in der medizinischen Fakultät —, in der philosophischen Fakultät 2, zusammen 2. BB. Von den übrigen berechtigten Personen: nicht immatrikulirte Preußen und Nichtpreußen, welche vom Prorektor die Erlaubniß dazu erhalten haben, 21. Die 1““ der Berechtigten, welche Vorlesungen hören, ist mit⸗ hin
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Im Verlage von Fr. Wilhelm Grunow, Leipzig, erschien eine lyrische Erzählung: „Attarachus und Valeria“ von Beatus Rhenanus, aus der Studienmappe eines Bonner Studenten, den Freunden aus der Bonner Studienzeit gewidmet. Es ist eine eigen⸗ artige Dichtung, welche der Verfasser hier seinen Lesern bietet, eigen⸗ artig sowohl in der Form wie im Inhalt. Die Handlung spielt zur Zeit des römischen Kaisers Probus, also im dritten Jahrhundert nach Christus Sie beginnt in Rom, im Hause des reichen Römers Valerius Massala, der eine reizende Tochter, Valeria, und einen schönen Sklaven besitzt, welcher den eigenthümlichen Namen „Atta⸗ rachus“, d. h. Krümchen, führt. Valeria soll den Rufus, einen jun⸗ gen römischen Fant, heirathen; sie hat sich aber in den Attarachus verliebt und will ihm angehören. Es kommt zu einem heftigen Auftritt, bei welchem der Sklave sich an dem vornehmen jungen Römer vergreift. Sein Herr, welcher die Leidenschaft seiner Tochter für den Sklaven merkt, bestraft diesen für seine Vermessenheit mit der Verbannung auf seine Landgüter in Campanien wo er die Weinberge beaufsichtigen und pflegen soll. Schweren Herzens nimmt Attarachus Abschied und begiebt sich nach seinem Exil unter dem Versprechen, Rom nie wieder betreten zu wollen. Elf Jahre schwinden dahin. Die Erzählung wird in dem Augenblick wieder aufgenommen, wo ein römisches Schiff den Rhein hinabfährt, um nach Köln, der Stadt Agrippina's, zu gelangen. Der Kriegstribun Sigbert, ein junger Germane, führt das Schiff, auf dem eine stolze Römerin ihre Reise vollbringt. Es ist Niemand anders als Valeria. Sie hat damals den Rufus geheirathet, den sie schließlich verließ, da er Christ geworden ist. Ihr Vater ist gestorben, ihe Bruder ist in den Kampf gegen die Perser gezogen. Sie selbst folgt einem Orakelspruch der Isis, der ihr weissagte, daß ihr am fernen Rhein ein Glück vorbehalten sei. So gleitet denn das Schiff den herrlichen Strom hinab, als die Aufmersamkeit seiner Insassen durch fröhliches Festgetümmel auf die Ufer hingelenkt wird. Winzer feiern ihre erste Erntelese, denn kaum ein Jahr vorher hat Kaiser Probus die ersten Weinreben am Rhein pflanzen lassen, welche jetzt die ersten Früchte tragen; es sind campanische Weinbauer, welche hierher verpflanzt sind und nun nach römischer Sitte dem Bacchus ein Fest feiern. Die lustige Gesellschaft stürmt das Schiff der Valeria, man ruft nach dem Priester, welche ihr eine Spende von Wein dar⸗ bringen soll. Er erscheint und tritt vor sie hin, als er sie aber an⸗ blickt, entstürzt die Schale seinen Händen, und trunken vor Freude umarmt er die Römerin. Es ist Attarachus, ihr Jugendgeliebter, der hier am Rhein das Amt eines Priesters versieht. Lange hat er, der Verbannte, die campanischen Weinberge gepflegt, da kam der Aufruf des Kaisers Probus, welcher taugliche Winzer zum Anba der Reben in Germanien warb, und auch Attarachus ging und fand hier oben eine neue Heimath. Die Geliebten haben sich gefunden und ihrer Wiedervereinigung steht nun nichts mehr im Wege. Das ist der Inhalt der Dichtung, gewiß ein so anziehender und hübsch erfundener, wie er nur erdacht werden kan In flottgeschriebenen Versen wird uns die Geschichte erzählt. B fremdlich wirken zunächst die Unterbrechungen, welche der Dichter macht, indem er uns aus der Handlung heraus dann und wann mitten in das moderne Leben, und zwar nach Bonn versetzt, wo er uns von flotten Trinkgelagen inmitten seiner Studiengenossen, vergnügten Aus⸗ fahrten und Kollegien erzählt. Diese modernen lyrischen Blüthen ranken durch die Erzählung hindurch; vielleicht werden sie manchen Leser stören, manchen aber, besonders denjenigen, der in Bonn gelebt hat, gerade anziehen. Den Anlaß zu der Dichtung gab dem Verfasser die räthselhafte Inschrift einer Steinplatte, welche bei einem Bahnbau zu Köln gefunden wurde und folgendermaßen lautete: „Dis Manibus Titi Simpliciani Attarachi et Valeriae Massalae vivae. Gaius Va- lerius Alphius vivus sibi et parentibus suis fecit.’“ Zahlreiche formvollendete lyrische Stücke sind dem Text eingestreut; sie zeugen von großer Gewandtheit und Fertigkeit in Behandlung des Reims doch muß sich der Verfasser vor der Reimspielerei, welche zuweile sich geltend macht, hüten. Das Buch mit seinem heiteren, poesie vollen Inhalt wird zahlreiche Freunde finden und empfiehlt sich be⸗ sonders zu Geschenken für festliche Gelegenheiten. Die Ausstattung ist eine hoch elegante. 3 — Unterrichtsbuch für Lazarethgehülfen. Mit 50 Ab⸗ bildungen im Text. (E. S. Mittler & Sohn, Königliche Hofb uch⸗ handlung, Berlin, Kochstraße 68—70). — Ein Unterrichtsbuch für Lazarethgehülfen, welches amtlich soeben herausgegeben wird, beweist die Fürsorge der Behörde für die technische Ausbildung eines zum Krankendienst bestimmten Personals. Es löst die schwierige Aufgabe, fachwissenschaftliche Belehrung in einfacher und gemeinverständlicher Form zu ertheilen, in mustergültiger Weise und erläutert die Dar⸗ stellung zugleich durch zahlreiche und gute Holzschnitte. Die groß⸗ artigen Ergebnisse der neueren chirurgischen Wissenschaff, die erprobte⸗ sten und rationellsten Heilmethoden sind für dasselbe verwerkhet. Es wird das Nothwendigste über den Bau des menschlichen Körpers ge⸗ lehrt, die Hülfeleistung in Krankheitsfällen, insbesondere die heutige Wundbehandlung und die Verbandlehre. Diese Kenntnisse und die ebenfalls in dem Buche enthaltenen vielen Rathschläge für allerlei kleine Leiden, für erste Hülfe in plötzlichen Unglücksfällen, sind von so allgemeinem Nutzen, daß das Werkchen auch über die dienstliche Verwendung hinaus ein höchst beachtenswerthes Unterrichts⸗ und e;N 8 ½ 88 . 2½ 7 8 Nachschlagebuch auch für das Laienpublikum bildet. zeichnen und im militärischen
zeilicher Requisition mußten 170 Knaben und 9 Mädchen im Wege
Aufnehmen an den Königlichen Kriegsschulen. Auf Ver⸗
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