1886 / 299 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 20 Dec 1886 18:00:01 GMT) scan diff

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Landeshülfe (20 000 pro Kilometer) gedeckt wird, ist die Stadt Woldegk bereit, für das Terrain der Bahn auf⸗ zukommen.

Braunschweig. Braunschweig, 17. Dezember. (Hann. Cour.) Nachdem der Rest der vorliegenden Arbeiten erledigt war, wurde heute die Landessynode mit der fol⸗ genden Rede des Geheimen Raths Dr. Wirk geschloss en:

Meine hochgeehrten Herren! Nach der mir soe den von Ihrem Herrn Präsidenten gemachten Mittheilung sind die Verhandlungen der Vierten ordentlichen Landessynode beendet. Dieselben be⸗ gannen in den Tagen tiefer Herzenstrauer und schwerer Sorge, in welche das ganze Land und mit ihm unsere evangelisch⸗lutherische Landeskirche sich durch das Dahinscheiden unseres geliebten Herzogs versetzt fand; sie enden in einer Zeit, in welcher Staat und Ge⸗ sellschaft, das ganze Land das feste Bewußtsein haben: Gott hat unser Braunschweig nicht verlassen wollen, sondern er hat es von Neuem gesegnet, indem er uns einen Regenten gab, der hochherzig sich des verwaisten Landes hat annehmen wollen und dies mit segens⸗ reichstem Erfolge gethan hat. Was die Sache unserer evangelisch⸗ lutherischen Landeskirche betrifft, so haben Sie aus dem Bericht der zur Begrüßung Sr. Königlichen Hoheit abgesandten Deputation ver⸗ nommen, welch' herzliches Zeugniß von ernster Hingabe an diese Sache er noch dieser Landessynode hat zukommen lassen wollen. Um so höher und freudiger gestimmt werden Sie, meine Herren, jetzt aus diesem Saale scheiden. Sie nehmen auch dieses Mal wieder das Bewußtsein treuer synodaler Berufserfüllung mit. Die Kirchenregierung schuldet Ihnen ihren Dank für Ihre Mit⸗ wirkung in den mehrfachen Angelegenheiten, welche auf dieser Synode zu erledigen waren, unter welchen die Be⸗ gräbnißordnung, die Ergänzung des Gesangbuches von hervorragender Bedeutung sind. Die Kirchenregierung freut sich auch dieses Mal wieder der segensreichen Einigkeit in dem Zusammenwirken zwischen ihr und der hohen Synode; sie konstatirt mit hoher Befriedigung, daß

die Institution der Landessynode sich auch dieses Mal als hoch⸗ ersprießliche Schöpfung zum Frommen und Segen der evangelisch⸗ lutherischen Landeskirche erwiesen und bewährt hat. Möge der letz⸗ teren auch fernerhin aus dieser Einrichtung nur segensreiches, fried⸗ volles Gedeihen erwachsen! Mit diesem Wunsche, den Sie Alle theilen werden, erkläre ich nunmehr in Höchstem Auftrage Sr. Königlichen Hoheit des Regenten diese Vierte ordentliche Landessynode für ge⸗

schlossen.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 18. Dezember. (W. T. B.) Der General⸗Adjutant des Kaisers, Feldzeugmeister Baron Mondel, ist heute Mittag in Baden gestorben.

Die „Pol. Corr.“ schreibt: Ueber die angeregte Ein⸗ führung des obligatorischen Unterrichts einiger Lehr⸗ gegenstände in ruthenischer Sprache an einigen ost⸗ galizischen Gymnasien eröffnete die Regierung, daß diesem Plane schon aus didaktisch⸗pädagogischen Gründen nicht zugestimmt werden könne, abgesehen von den staats⸗ EE.“ Bedenken, welche jedem Lehrzwange entgegen⸗

änden.

Schweiz. Bern, 19. Dezember. (Bund.) Der Bundes⸗ rath beschloß am Freitag, den eidgenössischen Räthen eine außerordentliche Frühlings⸗Session von zwei bis drei Wochen, beginnend am Montag, den 14. März 1887, vorzuschlagen. Der Nationalrath würde das Betreibungs⸗ und Konkursgesetz berathen, während der Ständerath ebenfalls genügend Berathungsstoff haben wird, indem er das Haft⸗ pflichtgesetz, die Einführung des Erfindungsschutzes, sowie den Mariahilf⸗Rekurs zu behandeln hätte.

Das Gesetz über die eidgenössische Militär⸗ organisation schreibt vor, daß alljährlich die Spitzen der Armee zu einer Konferenz einzuberufen seien zum Zweck der Besprechung nothwendiger Verbesserungen in der Armee⸗ verwaltung. In Ausführung dieser Gesetzesvorschrift hat das Militärdepartement die fragliche Konferenz auf Montag, den 27. Dezember, festgesetzt.

Niederlande. Haag, 18. Dezember. (W. T. B.) Die Zweite Kammer nahm heute zu dem Marine⸗Budget ein Amendement an, wodurch der Bau dreier Torpedo⸗ boote abgelehnt wird. Der Minister erklärte hierauf das Amendement sowie das Marine-⸗Budget selbst für unannehmbar.

Großbritannien und Irland. London, 18. Dezember. (W. T. P.) Dillon, B Brien, Harris, Sheehey,, Redmond und Crilly haben heute Vorladungen er⸗ halten, vor dem Dubliner Polizeigericht zu erscheinen, unter der Anklage, an einer ungesetzlichen Verschwörun g betheiligt gewesen zu sein. In einer besonderen Ausgabe der amtlichen Zeitung wird eine Proklamation veröffentlicht, in welcher die Agrar⸗Bewegung, genannt der „Feldzugsplan“, für eine ungesetzliche, verbrecherische Verschwörung erklärt und angekündigt wird, daß alle diejenigen Personen, welche sich der Bewegung anschließen, sich der gerichtlichen Verfolgung aussetzen, sowie daß von den Theilnehmern an der Bewegung erhobenes Geld oder Quittungen über Geldzahlungen von den Gerichtsbehörden konfiszirt werden können.

Dublin, 19. Dezember. (W. T. B.) Mehrere irische Parlamentsmitglieder sprachen heute in verschiedenen Pächterversammlungen zu Kilrusch und Killarney die Absicht aus, die Pachtstrike⸗Bewegung („Feldzugsplan“) trotz dem Einschreiten der Regierung auch fernerhin mit Ent⸗ schiedenheit aufrechtzuhalten.

Frankreich. 2Paris, 17. Dezember. (Köln. Ztg.) Nach Anhörung des Kriegs⸗Ministers Boulanger hat der Militärausschuß der Deputirtenkammer von dem Militärgesetzentwurf die zwei Kapitel abgelöst, welche die Rekrutirung und die Unteroffiziere betreffen. Diese zwei Kapitel werden getrennte Gesetzentwürfe bilden und der Deputirtenkammer unverzüglich nach Eröffnung der neuen Session, die am 4. Januar 1887 erfolgt, vorgelegt werden. Diese Maßregel wurde getroffen, um möglichst schnell die Reorganisirung der Armee ausführen zu können, welche eine starke Vermehrung des Friedens⸗Effektiv⸗ bestandes zum Ergebniß haben wird.

Der General⸗Resident in Tongking, Bihourd, verläßt mit dem Personal, das ihn begleitet, heute Paris, um sich auf seinen Posten zu begeben. Er wird Saigon nur be⸗ rühren und unmittelbar nach Hanoi fahren.

18. Dezember. (W. T. B.) Die Deputirten⸗ kammer hat heute die Vorlage, betr. die provisorische Bewilligung von zwei Zwölfteln des Einnahme⸗ budgets in der vom Senat abgeänderten Fassung mit 486 gegen 13 Stimmen angenommen. Die Session wurde darauf geschlossen. [eeeih es.Mercg; Se

Italien. Rom, 19. Dezember. (W B.) In der Deputirtenkammer gab der Finanz⸗Minister Magliani heute ein Exposé über die finanzielle Lage und hob dabei hervor, daß für die Finanz⸗Epoche vom 1. Juli 1885 bis 30. Juni 1886 ein Defizit von 64 Millionen ver⸗ anschlagt gewesen sei. Zur Deckung dieses Defizits hätten zunächst die aus der vorausgegangenen Finanzperiode übernommenen 24 Mill. gedient; der Rest von ca. 40 Mill., der für außerordentliche öffentliche Arbeiten und militärische Ausgaben bestimmt gewesen, habe durch außerordentliche Mittel gedeckt werden sollen. Infolge eines Einnahmeüberschusses von 37 Millionen und durch Ersparnisse im Betrage von 2 ½ Millionen habe indeß, unter Hinzunahme der oben er⸗ wähnten 24 Millionen, das vollständige Gleichgewicht im Budget hergestellt werden können. Die Ergebnisse würden noch bessere gewesen sein, wenn nicht in Folge der Cholera sich bei den Einnahmen aus der Post⸗ und Telegraphenverwaltung ein Ausfall ergeben hätte. Das Budget von 1886/87 weise noch günstigere Er⸗ gebnisse auf die effektiven Einnahmen würden alle Aus⸗ gaben decken und außerdem sich ein Ueberschuß von mehr als einer Million ergeben, der sich in Wirklichkeit wahrschein⸗ lich noch sehr erheblich steigern werde. Die Verwaltung der Kirchengüter werde etwa 15 Millionen mehr ergeben. Im Laufe des Finanzjahres 1887/88 werde ein zweites Zehntel der Grundsteuer erlassen werden können, und dessenungeachtet schließe das vorliegende Budget, in welches auch alle Ausgaben für die dem Parlamentzugegangenen Vorlagen mit auf⸗ genommen worden seien, mit einem Ueberschuß von zwei Millionen. Der Minister theilte am Schluß seines Ex⸗ posé's der Kammer mit, daß er derselben Gesetzentwürfe über eine Reform der Zolltarife und eine Reorga⸗ nisirung der Emissions⸗Institute, sowie über die Umwandelung der lokalen Steuern vorlegen werde. Ferner halte er für angemessen, die rückkäuflichen Staatsschulden zu konvertiren und neue Emissionen von 5prozentiger konsolidirter Staatsschuld unter keinen Umständen mehr vorzunehmen. Der Minister legte demgemäß einen Gesetzentwurf, betreffend die Kon⸗ vertirung der rückkäuflichen Staatsschuld durch Schaffung von 4 ½ prozentigen Staatsschuld⸗Obligationen, vor und schloß mit dem Ausdruck der zuversichtlichen Hoffnung, daß im Hinblick auf die bisher erzielten günstigen Resultate der Finanzverwaltung die künftigen Ergebnisse sicherlich noch bessere sein würden. F. se , deegPnh

Türkei. Konstantinopel, 19. Dezember. (W. T. B.) Der Minister der Civilliste, Agob Pascha, ist zum Finanz⸗ Minister, der bisherige Finanz⸗Minister Zihni Effendi zum Handels⸗Minister und der bisherige Handels⸗ Minister Haki Pascha zum Präsidenten der Beamten⸗ kommission ernannt worden.

Amerika. Washington, 18. Dezember. (W. T. B.) Die Repräsentantenkammer lehnte heute mit 154 gegen 148 Stimmen ab, die Morrison'sche Bill, in welcher Fürifernicht88 beantragt werden, in Erwägung zu zichen.

Zeitungsstimmen.

entnehmen wir

Der „Berliner Börsen⸗Zeitung“ nachstehenden Artikel:

Es sind vollständig nichtige Vorwände, mit denen man versucht, die Verschleppung der Kommissionsberathung über die Militärvorlage zu beschönigen. Angeblich soll die dadurch gewonnene Zeit nothwendig sein, um die Verständigung zu fördern. Ist es aber nicht ein Wider⸗ sinn, eine Verständigung dadurch fördern zu wollen, daß die dabei be⸗ theiligten Personen nach allen vier Himmelsgegenden auseinander⸗ gehen? Es wäre nachgerade Zeit genug gewesen, zu einer Ver⸗ ständigung zu gelangen und bestimmte Beschlüsse darüber zu fassen, was man bewilligen will. Eine von den Urhebern nicht beabsichtigte gute Folge könnte es allerdings haben, daß die Fraktionen mit ihrem letzten Wort und mit bindenden Beschlüssen noch etwas zögern. Wir meinen, mancher Abgeordnete wird während der Ferien die Wahrnehmung machen, daß bei den Wählern mehr Verständniß für den hohen Ernst der Weltlage vorhanden ist, als bei ihm selber, und es wird ihm in der Heimath ein Wind entgegen⸗ wehen, wie er ihn in dem fortschrittlichen Dunstkreis von Berlin nicht verspürt hat. Vielleicht kehrt da doch mancher in etwas anderer Stimmung wieder, als er abgereist ist. Wenn das Centrum und die Deutschfreisinnigen ihren guten Willen und ihre ernste Opferbereitschaft mit den vorliegenden Kommissionsbeschlüssen erster Lesung beweisen wollen, so kann ihnen dies bei den Wählern unmöglich gelingen. Diese Beschlüsse können gar nicht ernst genommen werden, sie sind nur aus der Ver⸗ legenheit des Augenblicks entstanden, mit dem Zweck, nicht ganz mit leeren Händen zu erscheinen. Sie bieten noch weniger, als die beiden verbündeten Parteien einzeln geboten hatten. Das Centrum hatte wenigstens die volle Mannschaftszahl bewilligen wollen und die Deutsch⸗ freisinnigen eine dreijährige Frist für die vierten Bataillone. Jetzt ist eine verkürzte Mannschaftszahl und eine einjährige Frist für einen Theil der neuen Cadres, für die ganze Präsenzstärke aber nur eine dreijährige Frist beschlossen. Das würde, was man gerade vermeiden will, die Militärfrage unausgesetzt zum Gegenstand der heftigsten parla⸗ mentarischen Wahlkämpfe und einen wichtigen Theil unserer Kriegsbereit⸗ schaft fortwährend vom guten Willen des Hrn. Windthorst ab hängig machen. Wenn die Politiker des Centrums behaupten, sie hätten ja Alles be⸗ willigen wollen und „nur“ eine zeitliche Beschränkung verlangt, so haben sie eben „nur“ eine Hauptsache verweigert. Wir wollen gerade die Unsicherheit, die fortwährende Abhängigkeit von parlamentarischen Stimmungen und Kämpfen auf längere Zeit von unserem Heerwesen fernhalten. Eine dreijährige Bewilligung der Präsenzzahl, eine ein⸗ jährige eines Theils der Cadres, darüber kann unmöglich ernstlich verhandelt werden. Wenn es den Parteien der Opposition wirklich um eine Verständigung zu thun ist, so kann man ihnen nur rathen, nach Neujahr andere Vorschläge zu machen..

Die „National⸗Zeitung“ theilung:

Der Landtags⸗Abgeordnete Berger, welcher bekanntlich bis zur Militär⸗Verhandlung von 1874 der Fortschrittspartei angehörte und seitdem „wild“ ist, hat in einer überaus zahlreich besuchten Wähler⸗ versammlung zu Witten bezüglich der Militärvorlage betont, „daß es für einen wahren Patrioten keinen Augenblick zweifelhaft sein könne, daß dieselbe nothwendig gewesen und deshalb angenommen werden müsse“.

In dem „Leipziger Tageblatt“ heißt es:

„Die deutschfreisinnige und die Centrumspresse wird jetzt natür⸗ lich Jubelhyninen anstimmen, aber es will uns bedünken, daß dieser Jubel wenig oder keinen Widerhall im Volke finden wird, wir wenigstens haben die Empfindung der Beschämung darüber, daß sich die Vertreter des Reichstages in so ernster Stunde nicht der Lage gewachsen gezeigt und sich eine schwer wieder gut zu machende Blöße gegeben haben. Die Mehrheit, welche die Regierungsvorlage ablehnte, ist nicht groß, sie beträgt nur vier Stimmen und die Hoffnung ist berechtigt, daß der Reichstag das

bringt folgende Mit⸗

Votum der Kommission abändern wird. Aber wenn das auch schieht, so ist doch bei der gegenwärtigen Zusammensetzung des; tages nicht anzunehmen, daß die Mehrheit, welche diese herstellung vornimmt, groß sein wird, die Gesammtwirkung Verhandlungen dem Auslande gegenüber würde demgemäß die sei daß die deutsche Volksvertretung es in der Stunde der 6 an Opferwilligkeit fehlen lassen.“

Ein längerer Artikel der schließt:

... Ist es Hrn. Windthorst wirklich ernst gemeint mit d Bewilligung jedes Mannes und jedes Thalers, die gefordert werd 2 so benehme er sich doch hinter dem Rücken der Nationalliberalen 2 der Regierung und den Konservativen über die unerläßliche Zeitz e der Bewilligung; wir zweifeln nicht, daß bei seiner Sachkunde und

seinem guten Willen er eine Einigung mit dem Kriegs⸗Minister erziel wird. Wir unsererseits werden ihr mit größter Bereitwilligkeit beitretten auch wenn sie ganz ohne unser Zuthun zustande kommt, und zu seinem groß n, Verdienste ums Deutsche Reich würde Hr. Windthorst angesichts dessen was er bereits zugestanden, bleibt wirklich wenig mehr zu thun ünrne ein neues hinzufügen, das wir ihm aufrichtig danken würden 9 zu untersuchen, ob er das nicht etwa blos deshalb gethan habe dan. im Reichstag die ultramontane Partei nicht um ihre ausschlaggebende Stellung komme. Und wie schön wäre es, wenn abermals an einem glänzenden Beispiel dargethan würde, daß die Nationalliberalen im Grunde genommen ganz entbehrlich sind, um etwas Gutes zu Stande zu bringen. Auch dieser Gesichtspunkt ist für's Centrum nicht von geringer Bedeutung. Also nochmals: Wie wär'’s?

Der „Schwäbische Merkur“ Reichstag und seine Kommission:

Es erscheint fast unglaublich, wie die Mehrheit (der Kommiission) den Muth gehabt hat, den Beschluß des Auseinandergehens zu fassen Den Kriegs⸗Minister, der noch wichtige, ganz neue Mittheilungen in Aussicht stellte, ließ man stehen, oder nein: E. Richter wußte ja auch das Alles schon und verkündigte es dem staunenden Ausschusse. Die Mahnung des greisen nationalliberalen Führers von Benda, den Ein⸗ druck auf das Ausland zu bedenken, schlug man in den Wind. Wer begreift ds?-? Wenn man nun weiß, wie die französische Kammer arbeitet, wenn es sich um Heeresverstärkungen handelt einmüthige Annahme ohne Debatte, wenn einmal der Kriegs⸗Minister dem Ausschusse das Nöthige anvertraut hat, das ist die Regel versteht man dann besser die Handlungsweise der deutschen Kommis⸗ sion? Nein, die Sache wird dann ganz unfaßlich, wenigstens für ein nicht parlamentarisches Begriffsvermögen. Aber das eben ists: par⸗ lamentarische Rücksichten, Fraktionsinteressen entscheiden im deutschen Reichstag, wie er jetzt ist, auch über Lebensinteressen der Nation. Das Zentrum will nicht das Fallen der Heeresvorlage so wird von vielen urtheilsfähigen Seiten bezeugt aber es sucht allerlei Vortheil für sich, für die Fraktion aus seiner Haltung herauszuschlagen; darum die seltsame, nicht leicht: durchschaubare Taktik. Seit der Deutschfreisinn dies gemerkt hat, arbeitet er seiner⸗ seits lustig drauf los, möglichst wenig zu genehmigen; dann ist er ja, während die anderen Parteien das Geld für den „Militarismus“ zum Fenster hinauswerfen, die verkörperte Reichs⸗Sparkasse; dann werden ihm die Wähler danken. Ob sie's thun werden? Nein, noch herrscht gesunder, gerader Sinn im Volke, das die ultramontanen und demo⸗ kratischen Winkelzüge nicht versteht, auch gar nicht zu ergründen sich die Mühe nehmen will, da Alles auf dem Spiel steht. Wer weiß, wie es übers Jahr um den deutschen Weihnachtsbaum aussieht? Wer wagt es, auch nur den kleinsten Theil von Schuld auf sich zu nehmen, wenn Unglück über uns kommen sollte? Vielleicht ist vor dieser Verantwortung auch der Reichstags⸗Ausschuß zurückgeschreckt. Der Vertagungsbeschluß läßt auch eine mildere Deutung zu: vielleicht wagte man nur nicht, gleich in zweiter Lesung die unheilvollen Be⸗ schlüsse der ersten zu wiederholen. Möchte diese Auffassung Recht behalten, den besseren Regungen die Oberhand werden. Schon rührt es sich auch in den demokratischen Wählerkreisen, den Abgeordneten das Gewissen zu schärfen. Dresden hat den Anfang gemacht. Hoffen wir, daß alles, so schlimm es sich ansieht, noch gut werde. Wenn nicht, wenn an's Volk appellirt werden muß, dann hinweg mit allen den parlamentarischen Zauderern in Zeiten, welche Männer des rück⸗ sichtslosen, festen Entschlusses nothwendig wie das liebe Brod brauchen!

Die Wiener „Presse“ schreibt:

Die Verhandlungen der Militär⸗Kommission des Deutschen Reichs⸗ tages haben vorläufig ihr Ende gefunden und es mag für alle Theile ersprießlich sein, daß die Weihnachtsferien Zeit und Ruhe geben, um den heillos verwirrten Knoten von Stimmungen und Intrignen zu lösen. Die Empfindlichkeit, mit welcher die öffentliche Meinung in Oesterreich⸗Ungarn den politischen Vorgängen in Berlin aus Rücksicht für das bestehende und allenfalls praktisch zu erprobende Allianzver⸗ hältniß der beiden Reiche folgt, läßt es werthvoll erscheinen, daß die fast unbegreiflichen Beschlüsse der Militär⸗Kommission des deutschen Reichstages auf ihre Ursachen und Wirkungen hin in Kürze erörtert werden. 1

Zur Basis jeder derartigen Klarstellung dient die Thatsache, daß ungeachtet der großen Erfolge, welche die auswärtige Politik Vismarcks und die deutsche Heeresleitung erzielt haben, die Majorität des Deutschen Reichstages, bestehend aus Centrum, Freisinnigen, Sozial⸗ demokraten, Polen und Elsässern, dem Regime Bismarck' feindlich gegenübersteht. Daß gerade diese Parteien im Reichstage die Majo⸗ rität haben, erklärt sich daraus, weil allerorts in ruhigen Zeiten die Parteiparole auf die Wähler mächtiger wirkt, als die ernstere und minder populäre Staatsraison. Der Patriotismus bleibt als selbst verständlich latent und in den Wahlkämpfen dominiren die besonderen Gegensätze der Parteien meist unter der Voraussetzung, es seien ja ohnedies alle Parteien über die ersten Grundsaätze der staat lichen Ordnung einig. . Als vor zwei Jahren die faktiöf Opposition den zweiten Direktorsposten im Auswärtigen Amte strich ging so ein Sturm der Entrüstung durch das deutsche Volk und be drohte so sehr die Basis der Oppositionsparteien, daß diese letzteren sich beeilten, ihr Versehen in einer neuerlichen Abstim mung zu korri giren. Solche faktiöse Opposition, welche also, ohne selbst regierungs fähig zu sein, es wagt, die loyalen Voraussetzungen der Partei gliederung in der Wählerschaft unbeachtet zu lassen, hat den Zusammen schluß der „nationalen“ Parteien, der Konservativen, Reichsparteiler und Nationalliberalen, veranlaßt, und diese Opposition ist durch das Gewissen des deutschen Volkes vor faktiösem Muthwillen gewarnt.

Angesichts dieses Verhältnisses hatte nun die Vorlage des Militärgesetzes eine doppelte Wirkung. Einerseits wurde die Opposition in die Zwangslage versetzt, vor den Augen der Wähler ihren Patriotismus zu bekunden und ihre Bereitwilligkeit für die Sicherheit und Würde des Reichs zu erklären. Anͤdererseits aber sahen die Herren Windthorst und Richter ein, Be⸗ willigung der Militärvorlage auf sieben Jahre die bit⸗ herige Politik der Negation in Sachen der Reichs⸗Ein⸗ nahmen ein Ende haben müsse. Bei einer so wesentlichen Steigerung der Matrikularbeiträge würden nicht die Regierungen, sondern die Wähler ein positives Finanzprogramm for⸗ dern, und dieses bedeutet das Ende der Allianz Windthorst⸗Richter, dieses gefährdet namentlich das Centrum, in welchem alle Abarten der wirthschaftlichen Interessen vertreten sind. Dazu kam, daß die Freisinnigen wenigstens einen Scheinerfolg haben mußten, um ihre Exristenzberechtigung nach der unglücklichen Taktik des Herrn Eugen Nichter vor dem Lande und vor der öffentlichen Meinung zu erweisen. Wäbrend also das nationale Gewissen die Opposition zwang, ihre prinzipielle Zustimmung zur Heeresverstärkung zu erklären, nöthigte sie ein zwingendes Partei⸗Interesse, dem Entwurf in seiner praktischen Durchführbarkeit Opposition zu machen. . ..

Und so hat denn die Opposition an der Vorlage so lange herum⸗ gezerrt, bis sie zu dem unfasbaren . . . Beschlusse kam, die Kreirung von sechzehn Bataillonen auf ein Jahr! zu bewilligen. Die Kriegsverwaltung hat diese Kommissionsbeschlüsse als unannehmbar bezeichnet und besteht ihrerseits auf der Tradition der deutschen Heeresleitung, welche stabile und dauernde Institutionen als erste

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Gefahr ba⸗

„Kölnischen Zeitung“

äußert über den

1 ür die Tüchtigkeit der nationalen Webhrkraft erachtet. geingung sar und erprobte Grundsatz hat viel Glaubwürcdeetett Düsih und wird im deutschen Volke sehr gut verstanden.. fi siehgen Richter aber gebührt der zweifelhafte Ruhm, daß er seine Hertei dem Hrn. Windthorst als Werkzeug in die Hand giebt, um erfoschem Anlaß Geschäfte zu besorgen, die jedenfalls mit dem frei⸗ Programm nichts gemeinsam haben. Und wenn auf lange Liberalismus in Deutschland diskreditirt wird, so ist es Richter, welcher dieses Kunststück zu Wege gebracht hat. . . .

sinnigen Fahre der ör. Eugen

I1“

Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. Antliches: Personal⸗Nachrichten Nichtamtliches: Standbild der Fribeit im Hafen von New⸗York. (Schluß.) Neubau eines Bankgebäudes für den Sparkassenverein in Danzig. Mittheilungen uns dem mechanisch⸗technischen Laboratorium der K. Technischen Hoch⸗ shule in München. Beanspruchung von Fachwerksträgern durch waagerechte Kräfte in der Trägerebene. Hermann Spielberg 30. November 1886. Vermischtes: Ernennung zum Königlichen gegierungs⸗Bauführer. Grabfund im Dom zu Worms. Eß⸗ lnger Fensterläden. Feuerhahn mit Schlauchtrommel. B“ (Bronzethüren des Domes in Florenz. Kunstausstellung in Venedig.

51. Inhalt:

Reichstags⸗Angelegenheiten.

Die von der VI. Kommission in erster Lesung gefaßten Beschlüsse zu dem Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Friedensi⸗ präsenzstärke des deutschen Heeres, haben folgenden Wortlaut:

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser ꝛc.

§ 1. In Ausführung der Art. 57, 59 und 60 der Reichs⸗ verfassung wird die Friedenspräsenzstärke des Heeres an Mannschaften für die Zeit vom 1. April 1887 bis zum 31. März 1890 auf 441 200 Mann festgestellt Für die Zeit vom 1. April 1887 bis zum 31. März 18ss kann eine Erhöhung der Präsenzstärke bis auf 450 000 Mann iintreten. Die Einjährig⸗Freiwilligen kommen auf die Friedens⸗ präsenzstärke nicht in Anrechnung Vom 1. April 1887 ab werden die Infanterie in 518 Bataillone, die Kavallerie in 465 Escadrons, die Feld⸗Artillerie in 364 Batterien, die Fuß⸗Artillerie in 31, die Pioniere in 19 und der Train in 18 Ba⸗ taillone formirt. Außerdem können von dem gleichen Tage an bis zum 1. April 1888 16 Bataillone Infanterie formirt werden. §. 2. Der Artikel I §. 1 und 2 des Gesetzes vom 6. Mai 1880, be⸗ neffed Ergänzungen und Aenderungen des Reichs⸗Militärgesetzes vom 2. Mai 1874 und die noch in Geltung befindlichen, auf die Zahl der Truppentheile Bezug habenden Bestimmungen des §. 2 des Reichs Militärgesetzes vom 2. Mai 1874 treten mit dem 31. März 1887 außer Kraft. §. 3. Dem §. 10 des Gesetzes vom 6. Mai 1880, betreffend Ergänzungen und Aenderungen des Reichs⸗Militär⸗ gesetes vom 2. Mai 1874, wird als zweiter Absatz ein⸗ gefügt: „Diejenigen Wehrpflichtigen, welche sich dem Studium der Theologie einer mit Korporationsrechten innerhalb des Gebiets des Deutschen Reichs bestehenden Kirche oder Religionsgesell⸗ schft widmen, werden während der Dauer dieses Studiums bis zum 1. April des Kalenderjahres, in welchem sie das 26. Lebensjahr voll⸗ enden, von der Einstellung in den Militärdienst vorläufig zurückgestellt. Haben dieselben bis zu der vorbezeichneten Zeit auf Grund bestandener Prüfung die Aufnahme unter die Zahl der zum geistlichen Amt be⸗ rechtigten Kandidaten erlangt, beziehungsweise die Subdiakonatsweihe empfangen, so sind sie gänzlich von der Militärdienstpflicht befreit.“ §. 4. Gegenwärtiges Gesetz kommt in Bayern nach näherer Bestim⸗ mung des Bündnißvertrages vom 23. November 1870 unter III §. 5, in Württemberg nach näherer Bestimmung der Militärkonvention vom 21.,25. November 1870 zur Anwendung. 1

Resolutionenn.

Den Reichskanzler zu ersuchen, zu veranlassen, daß dem Reichs⸗ tage baldmöglichst ein Nachtrag zum Etat pro 1887/88 vorgelegt werde, in welchem: a. unter den „Fortdauernden Ausgaben“ diejenigen Forderungen eingestellt sind, welche als dauernde Ausgaben zur Bil⸗ dung von 5 Regimentern Infanterie, 24 Batterien Feld⸗Artillerie, 9 Compagnien Eisenbahntruppen, 1 Compagnie Pioniere, 14 Com⸗ pagnien Train, sowie den mit diesen Neuformationen in Verbindung stehenden Stäben erforderlich sind; b. unter den „Einmaligen Ausgaben“ außer den durch die unter a. aufgeführten Forma⸗ tionen benöthigten einmaligen Ausgaben noch eine Pauschal⸗ summe eingestellt ist, zu temporären Formationen bis zur Höhe von 6 Bataillonen, sowie zur Etatsverstärkung bereits vorhandener Truppentheile, falls solche Formationen beziehungsweise Etats⸗ verstärkungen in Anbetracht der Gestaltung der politischen Verhältnisse unabweislich erscheinen sollten.

Die Erwartung auszusprechen, daß bei den vorzunehmenden Formationen und Etatsverstärkungen die Einberufung von Disposi⸗ tionsurlaubern soweit wie möglich eingeschränkt und auch für die Zukunft auf eine möglichste Erleichterung der militärpflichtigen Mann⸗ schaften durch Einschränkung der thatsächlichen Dienstzeit Bedacht genommen werde.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Von Dr. Richard Rothe’'s „Entwürfen zu den bendandachten über die Pastoralbriefe und andere Pastoralterte“, gehalten im Prediger⸗Seminar zu Wittenberg, aus R. Rothe's hand⸗ schriftlichem Nachlaß herausgegeben von Karl Palmis, Pastor emer. remen, Verlag von M. Heinsius), II. verb. Auflage, ist der 1 Band erschienen. Der Verfasser behandelt in demselben den ersten Brief Johannis, die Geschichte des Herrn, die Bergpredigt, Fest⸗ und indere Pastoralterte. Die Andachtsentwürfe mit der Fülle ihrer tiefen, lichtvollen und anregenden Gedanken sind in allen theologischen Kreisen, unbeschadet der abweichenden Ansicht über einzelne Punkte, mit solcher Anerkennung aufgenommen worden, daß auch die neue ver⸗ esserte Auflage einen zahlreichen Leserkreis finden wird. Der Preis tträgt 5 ℳ, eleg. geb. 6 1 In demselben Verlage ist erschienen: „Grammatik der spanischen Sprache nebst einem Uebungsbuch, für den Gebrauch - chulen, wie auch für den Selbstunterricht“, von Dr. F. Hoyer⸗ 1 ord. Lehrer am Realgymnasium zu Bremen (4,50 ℳ, eleg. 8. 550 ℳ). Da die spanische Sprache in weiten Gebieten herrscht, mit denen der zunehmende Verkehr den Deutschen in immer engere Verbindung bringt, so entspricht ein Buch wie das vorliegende,

öwo 2 8 158 4 2. velches darauf berechnet ist, den Lernenden ebenso rasch wie gründlich

81 Aer spanischen Sprache vertraut zu machen, welches sowohl für 6 nfänger wie für den schon weiter Fortgeschrittenen bestimmt n mit großer Sachkenntniß und Sorgfalt verfaßt ist, zweifelsohne einem Bedürfniß. hathn Soeben erschien; E. v. Woedtke, Kaiserl. Geh. Regierungs⸗ hcg gd vortragender Rath im Reichsamt des Innern: „Unfall⸗ Felicherung der in land⸗ und forstwirthschaftlichen vom een beschäftigten Personen. *Nach dem Reichsgesetz Anbalrst Mkai 1886. Verlag von Georg Reimer, Berlin SW. 111, ehrfach ase 12. (Preis broschirt 10 ℳ, in Leinenband 11 69 Auf entschl h an ihn herangetretene Aufforderung hat sich der Verfasser Bea ossen, im Anschluß an seine im gleichen Verlage erschienene rbeitung des Unfallversicherungsgesetzes vom 6. Juli 1884 nun Betriebe Unfallversicherung der in lNand⸗ und forstwirthschaftlichen einschlagn beschäftigten Personen in Form eines Kommentars zu den erchzagenden Bestimmungen des Reichsgesetzes vom 5. Mai 1886 Kommugeben. In seiner äußeren Anordnung entspricht der vorliegende soll den früheren ähnlichen Arbeiten des Verfassers; das Werk ischen ABchörden und den Betheiligten ein Wegweiser bei der prak⸗ soziale usführung des Gesetzes sein und das Verständniß für die Kale Gesetzgebung erleichtern und fördern.

Im Verlage von R. Herrosé (Wittenberg) erschien im Druck ein Vortrag, welchen der Königliche General⸗Superintendent für die Provinz Sachsen, D. Möller, auf der Pastoral⸗Konferenz der Pro⸗ vinz Sachsen am 28. September 1886 zu Wittenberg hielt worin er das „Außeramtliche Leben der Geistlichen“ be⸗ handelt. Im Eingange seines Vortrages zeichnet der Verfasser zu⸗ nächst kurz das Wesen des geistlichen Amtes und die Grenzen seines Gebietes, um klar zu sehen, wo das außeramtliche Leben beginnt, und sowohl die Grundlage als die Norm für die folgende Be⸗ urtheilung zu gewinnen. Das kirchliche Amt betrachtet der Verfasser zuvörderst als ein Gemeindeamt und noch genauer als das Centralamt in der Gemeinde, worin die Gemeinde sich zu⸗ sammenfaßt, um sich in ihrem eigenthümlichen Leben zu erhalten und weiter zu gestalten. Der Geistliche soll die Gemeinde im Ganzen wie in ihren Gliedern auf dem Grunde des ewigen Heils erbauen. Nachdem der Verfasser diese Aufgabe des Pfarrers eingehend beleuchtet hat, wendet er sich der Beantwortung der Frage zu: wie derselbe sich dem Hause, also der Ehe, der Kindererziehung, den Dienstleuten gegen⸗ über zu verhalten und in der Ordnung und Führung des ganzen Haus⸗ wesens, wie in den Aufgaben und Erfahrungen des häuslichen Lebens sich als Diener Christi und seiner Kirche zu erweisen habe. Der Verfasser betont: daß ein von der Zucht, der Liebe und dem Frieden Christi durchwaltetes Pfarrhaus die gesegnetste Hülfe des Geistlichen nach außen und für ihn selbst der heilsamste Halt, die heiligste Stärkung und Förderung ist. Des Weiteren wird der Pastor als Staatsbürger betrachtet, wobei der Verfasser seine Ansicht von der Aufgabe des Staates und der Kirche und die Stellung der beiden zu einander kundgiebt. Es liegt nahe, daß hier auch die Theilnahme am politischen Leben, soweit solche für den Geistlichen rathsam ist, ihrer Bedeutung und Tragweite nach beleuchtet wird. Die innere Mission wird sodann nach ihrem Werth für die erfolgreiche Thätigkeit der Geistlichen ge⸗ würdigt und hierüber manch beherzigenswerthes Wort gesprochen. Sodann wird auch das Verhalten des christlichen Pfarrers zur Kunst betrachtet und auch hier auf die innezuhaltenden richtigen Grenzen hin⸗ gewiesen; ferner wird die Beschäftigung der Geistlichen mit den Wissen⸗ schaften besprochen und hier, bei weitgehenden Zugeständnissen, von dem⸗ jenigen Geistlichen, den seine wissenschaftlichen Bestrebungen schließ⸗ lich zu atheistischer, materialistischer Weltanschauung führen, das Ausscheiden aus dem Amte gefordert. Als den geeignetsten wissenschaftlichen Gegenstand empfiehlt der Verfasser die Theologie selber; in welcher Weise dies geschehen soll, wird weiter ausgeführt. In einem ferneren Abschnitt wird die Stellungnahme des Geistlichen zu dem öffentlichen Verkehrsleben erörtert, welche Be⸗ trachtung dem Verfasser Gelegenheit giebt, auf das soziale Leben zu sprechen zu kommen und zu untersuchen, welche Aufgabe dem Geist⸗ lichen darin zufällt. Nachdem sodann noch das private Leben des christlichen Pfarrers einigen Bemerkungen unterzogen worden ist, schließt der Verfasser mit einer allgemeinen Betrachtung seinen inter⸗ essanten Vortrag, welchem nicht nur in geistlichen Kreisen zahlreiche Leser zu wünschen sind. Der Preis des Hefts beträgt 50 ₰.

„Geschichte der Bulgaren von Constantin Jos. Jiresek, bulgarischem Unterrichts⸗Minister a. D. (1876. 80, XII und 588 Seiten. Preis geh. 8 ℳ) Verlag von F. Tempsky in Prag und G. Freytag in Leipzig. Diese interessante Geschichte der Bul⸗ garen ist von einem der besten Kenner dieses Volkes verfaßt. Con⸗ stantin Jos. Jiredek, der längere Zeit die Geschäfte der bulgarischen Unter⸗ richtsverwaltung leitete, beginnt seine Darstellung mit der frühesten Zeit der Balkanhalbinsel und führt dieselbe bis zur bulgarischen National⸗ bewegung und den Revolutionsversuchen von 1872 und 1873 fort. Inhalt: Geogr. Uebersicht. Die Thrako⸗Illyrer und die Römer. Die slavische Kolonisation der Balkanhalbinsel. Leben, Sitten, Ansiedelungen der eingewanderten Slaven und deren Berührung mit den Ureinwohnern. Die Einwanderung der Bulgaren. Krum und Omortag. Die Christianisirung der Bulgaren. Der Czar Symeon. Die Bogomilen. Die Russen in Donau⸗Bulgarien. Czar Samuel und die Sismaniden von Trnovo. Untergang West⸗Bul⸗ gariens. Die Byzantinerherrschaft in Bulgarien im XI. u. XII. Jahrh. Der innere Zustand Bulgariens im XI. und XII. Jahrhundert. Wiederherstellung des Reichs durch die Brüder Asén J. und Peter. Die Kämpfe der Bulgaren mit den Lateinern. Czar Joannes Asén II. Die letzten Aséniden. Bürgerkriege. Czar Constantin Asén. Der Usurpator Ivajlo. Tatagxische Oberherrschaft Die kumanischen Terteriden und die Bdyner Sismaniden. Der größte Aufschwung des serbischen Reichs. Religiöse Wirren in Bulgarien im XIV. Jahrhundert. Die ersten Kämpfe der Südflaven mit den Türken. Die Eroberung Bulgariens durch die Türken. Bul⸗ garien im XV. Jahrhundert. Altbulgarisches Staats⸗ und Cultur⸗ leben im XII. XVv. Jahrhundert. Altbulgarische Literatur. Die Türkenherrschaft in Bulgarien im XVI.—XVIII. Jahrhundert. Pasvanoglu und die Krdalijen. Die fanariotischen Bischöfe und der Hellenismus in Bulgarien. Die Wiedererwachung des Bul⸗ garenvolkes. Die russischen Feldzüge und die griechische Revolution. Die bulgarische Nationalbewegung. Der bulgarische Kirchen⸗ streit. Neubulgarische Literatur. Wohnsitz und Volkszahl der Bulgaren.

Aus der „Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft“ ist ein Aufsatz über die Entstehung und Entwickelung der Klassen⸗Lotterie in Preußen (1703—1813), mit Benutzung amtlicher Quellen dargestellt von Dr. Otto Warschauer, Docent der Staatswissenschaften an der Universität zu Leipzig, als Separat⸗ abdruck (bei H. Laupp in Tübingen) erschienen. Dieser Sonder⸗ abdruck enthält besonders interessante Mittheilungen aus dem Jahre 1807.

Die 26. Lieferung der „Oesterreichisch⸗Ungarischen Monarchte in Wort und Bild“ giebt im Terxt eine zoologische Uebersicht der österreichisch⸗ ungarischen Monarchie, von August von Moijsisovies. An Illustrationen enthält sie: Aus der alpinen Thier⸗ welt: Schneehühner und Alpenmurmelthiere, von Heinrich Benk. Aus der hohen Tatra: Luchs und Gemsen, von Fr. von Pausinger. Aus der Steppe: Blindmaus und Erdziesel, von Heinrich Benk. Initial C von Leopold Schauer, und Hochwild im Rohrbrand, von Fr. von Pausinger.

Gewerbe und Handel.

In der vorgestrigen Generalversammlung der Schloßbrauerei Schöneberg wurden der vorgelegte Geschäftsbericht, die Bilanz und das Gewinn⸗ und Verlust⸗Conto, sowie die Vertheilung einer Di⸗ vidende von 4 % genehmigt und Decharge ertheilt.

Nürnberg, 18. Dezember. (Hopfenmarktbericht von Leo⸗ pold Held.) In der heut zu Ende gehenden Woche wurden alltäglich 500 bis 600 Ballen verkauft. Preise zeigen keinerlei Veränderung. Die gute Hälfte des Umsatzes ging in die Hände von Exporteuren über und zwar zu gleichen Theilen an Amerika⸗ und an England⸗ Exporteure. Für Amerika wurden vornehmlich grüne Württemberger zu 32 45 ℳ, sowie schöne badische zu gegen 50 gekauft, doch sind auch zu gleichem Zweck größere Posten ordinärer Hallertauer Anfangs und Mitte der Zwanzig genommen worden. England⸗Exporteure kauften hauptsächlich ganz billige Hopfen, theils hochgelbe, theils scheckige zu 18 bis Mitte der Zwanzig, dann auch bessere gelbe zu Ende der Zwanzig und Anfang der Dreißig, sowie etwas schöne grüne Hopfen zu 45 bis über 50 Die Kundschaftshändler suchen meistens grünliche Mittelhopfen. Die Zufuhr blieb auch in gegenwärtiger Woche namhaft hinter den Verkaäufen zurück, trotzdem aber ist der Vorrath am Markt immer noch bedeutend. Die Stimmung ist ruhig. Die Notirungen lauten: Gebirgshopfen 70 75 ℳ; Markthopfen 17 55 ℳ; Aischgründer 20 75 ℳ; Hallertauer prima 75 90 ℳ, mittel 45 55 ℳ, gering 25 35 ℳ; Württemberger prima 75 90 ℳ, mittel 40 50 ℳ, gering 25 35 ℳ; Badische prima 80 85 ℳ, mittel 40 50 ℳ, gering 25 32 ℳ; Wollnzacher Siegel 70 95 ℳ; Spalter Land 75 150 ℳ; Elsässer 20 60 ℳ; Posener 20 70

Wien, 18. Dezember. (W. T. B.) Der Verwaltungsrath der Karl⸗Ludwigsbahn beschloß, den Januar⸗Coupon mit 2 Fl. 10 Kr. einzulösen.

Glasgow, 18. Dezember. (W. T. B.) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores

belaufen sich auf 840 280 Tons gegen . 8

661,342 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betrieb befindlichen Hochöfen 71 gegen 92 im vorigen Jahre.

New⸗York, 18. Dezember. (W. T. B.) Der Werth der in der vergangenen Woche eingeführten Waaren betrug 6 972 974 Doll., davon 1 899 890 Doll. für Stoffe. Der Werth der Ein⸗ fuhr in der Vorwoche betrug 9 499 782 Doll., davon 2 130 960 Doll. für Stoffe. 8

Verkehrs⸗Anstalten.

Triest, 19. Dezember. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Euterpe“ ist mit der ostindisch⸗chinesischen Post heute Vormittag aus Alexandria hier eingetroffen. 8

London, 18. Dezember. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Trojan“ ist heute auf der Ausreise von Plymouth abgegangen.

Sanitätswesen und Quarantänewesen

8b

Italien. Quarantäneverordnung Nr. 23. Zufolge Erlasses des Königlich italienischen Ministeriums des Innern vom 3. Dezember 1886 ist das durch die Verordnung Nr. 19 vom 27. September d. J. (R.⸗A. Nr. 237 vom 8. Oktober 1886 vorgeschriebene spezielle Sanitätsverfahren, welches die Beförderun von Handwerkern, Landleuten und Arbeitern nach Sardinien und den kleinen benachbarten Inseln regelte, eingestellt worden. 1 Griechenland. Die Königlich griechische Regierung hat die elftägige Effektiv⸗ Quarantäne, welche für die Provenienzen der Küste von Fiume bis Duleigno bisher bestanden hatte (R.⸗A. Nr. 199 vom 25. August 1886), auf eine fünftägige Beobachtungs⸗Quarantäne herabgesetzt.

Berlin, 20. Dezember 1886. Das Königliche Museum für Völkerkunde in Berlin.

(Nach dem in der Zeitschrift für Bauwesen veröffentlichten Aufsatz des Königlichen Bau⸗Inspektors Klutmann.)

Das Königliche Museum für Völkerkunde ist bestimmt, folgende Sammlungen in sich zu vereinigen:

1) die vorgeschichtlichen Alterthümer, deren Hauptbestandtheile bisher im Erdgeschoß des sogenannten „Neuen Museums“ unter dem Namen „Sammlung nordischer Alterthümer“ ihren Platz hatten;

2) die bis zur Fertigstellung des Neubaues im Kunst⸗ gewerbe⸗Museum aufgestellt gewesene Sammlung trojanischer Alter⸗ thümer, die bekannte Schenkung Heinrich Schliemann's; .

3) die ethnologischen Sammlungen, welche den Zweck verfolgen, das Leben und Treiben, die Gewohnheiten und bis zu einem gewissen Grade auch die Geschichte derjenigen Völkerschaften zur Darstellung zu bringen, über welche im Gegensatz zu den bekannteren Kultur⸗ völkern des Alterthums zuverlässige Urkunden fehlen. Dieser Zweck wird erreicht durch Vorführung ihrer selbstverfertigten Waffen, Werk⸗ zeuge, Geräthe, ihrer Kleidung, Schmucksachen und Troxrhäen, durch Modelle und Abbildungen ihrer Behausungen, durch Gegenstände zur Befriedigung religiöser Bedürfnisse u. s. w.

Die ethnologischen Sammlungen nehmen den bei weitem größten Theil der Museumsräume in Anspruch und sind, sowohl was den Werth ihrer einzelnen Theile, als auch die Zahl der vorhandenen Gegenstände betrifft, zur Zeit vielleicht die bedeutendsten der Welt. Auch diese Sammlungen waren bis zur Uebersiedelung in das neue Haus zum größten Theil im Erdgeschoß des „Neuen Museums“ untergebracht, jedoch schon seit vielen Jahren der Oeffentlichkeit ent⸗ zogen, weil der überaus schnelle und großartige Zuwachs eine geordnete und gesicherte Aufstellung nicht mehr ermöglichte, sondern die be⸗ treffenden Säle und Keller des Museums zu wahren Lagerräumen gestaltete.

Anordnung der Räume. Die Grundform des im Spät⸗ herbst 1880 in Angriff genommenen Gebäudes bildet in der Haupt⸗ sache ein unregelmäßiges Viereck, welches zur günstigeren Ausnutzung der spitzwinkligen Baustelle an der Ecke der Königgrätzer⸗ und Zimmer⸗ straße eine Abrundung erhalten hat. Die vier Gebäudeflügel umschließen

einen 1300 qm fassenden, zur Aufstellung besonders großer und schwerer S6 Gegenstände bestimmten Hof.

Das Gebäude hat ein 3,5 m hbohes Kellergeschoß und vier (bis Oberkante Fußboden gerechnet) 6,59, 6,16, 5,65 und 4,90 m hohe Stockwerke. Das Kellergeschoß enthält neben drei Wohnungen (für den Hausverwalter, den Röhrenmeister und den Pförtner) Werk⸗ stätten, Laboratorien und Lagerräume, sowie die Kesselanlage zur Heizung und Lüftung des Gebäudes Im Erdgeschoß sind die Schlie⸗ mann’'schen Sammlungen, sowie die vorgeschichtlichen Alterthümer aufgestellt, während die übrigen Stockwerke ausschließlich zur Auf⸗ nahme der ethnologischen Gegenstände bestimmt sind. Die Arbeits⸗ zimmer der Direktoren und Ässistenten, sowie Räume zu Konferenzen und für die Registratur sind in zweckentsprechender Weise in den ver⸗ schiedenen Stockwerken untergebracht.

Der Hauptzugang zum Gebäude liegt an der oben bezeichneten abgerundeten Gebäudeecke. Hier gelangt man zunächst in eine, nach der Straße offene Vorhalle und von dieser in die mittels einer Flachkuppel überwölbte, in der Grundform länglich runde Flurhalle, welche durch ein von Otto Lessing entworfenes, durch Salviati in Venedig in Glasmosaik ausgeführtes allegorisches Deckengemälde einen bedeutsamen Schmuck erhalten hat. Von der Flurhalle führt eine 1 neun Stufen hohe Steintreppe durch fünf Bogenöffnungen in einen im Grundriß fächerartig gestalteten 14 m hohen Lichthof, in welchem sich die beiden in Schmiedeeisen ausgeführten, durch alle Stockwerke reichenden Haupttreppen befinden. Der von Säulenhallen umgebene Lichthof dient im übrigen zur Aufstellung größerer und besonders hervorragender Schaustücke, wie des über 10 m hohen Abgusses des Sanchi Tope, eines altindischen Grabthores mit überaus reichem ornamentalen und figürlichen Schmuck. Ueber der Flurhalle liegt die Aula mit ansteigenden Sitzplätzen für 200 Personen. Rings um dieselbe befindet sich eine Anzahl Arbeitszimmer und die Bibliothek. Durch Gruppirung der Gebäudeflügel um den großen Hof konnte den größeren Ausstellungssälen durch weite Fenster Licht von beiden Lang⸗ seiten zugeführt werden, wodurch ein bisher wohl noch in keinem Museum vorhandener Grad von gleichmäßiger Helligkeit in allen Theilen erzielt worden ist.

Art der Ausführung. feuersicher hergestellt, indem

Das Gebäude ist durchweg möglichst Holzwerk, wo es irgend zu entbehren war, vermieden wurde, während Stein und Eisen auch zur Ausgestaltung des Innern reichliche Verwendung gefunden haben. Für die Bedachung ist Holzecement auf ½ Stein starker Wölbung zwischen Eisenträgern verwendet. EEEEPbö“ tiefen, durch schmiedeeiserne Unterzüge auf gußeisernen Säulen in der Mitte unterstützten Decken der Ausstellungssäle bestehen aus gewölbtem und sauber verzinktem, zwischen schmiedeeisernen Trägern gespanntem Wellblech, welches mit Beton betragen und mit Mettlacher Thonfliesen belegt ist. Die verzinkten Bleche haben zum Schutz gegen Blindwerden, gleich nachdem sie aus dem Metall⸗ bade gekommen sind, einen Ueberzug erhalten, welcher aus einer Mischung von Dammarlack und holländischem Standöl besteht. Die Flansche der eisernen Träger sind mit gepreßten Messingfriesen ge⸗ schmückt, deren Metall eine Legirung von 30 Loth Kupfer und 15 Loth Zink bildet. Auch diese Friese sind mit Firniß überzogen worden, welcher sie vor dem Orvdiren schützt und ihnen eine goldähnliche Färbung verleiht. Dieselben sind aus Iserlohn in Westfalen bezogen, wo die Fabrikation geprägter Bronzen seit fast 100 Jahren in großem Umfang betrieben wird. 8

Die Wände der Ausstellungssäle sind bis auf Schulterhöhe mit glasirten Mettlacher Platten bekleidet. Im Uebrigen ist von jeglichem besonderen Schmuck der Räume Abstand genommen, weil die Erfahrung gelehrt hat, daß solcher in Museen allzu leicht geeignet ist, die Auf⸗ merksamkeit des Beschauers abzule Die Fußböden bestehen, wie