bereits bemerkt, aus Mettlacher Thonfliesen, deren vorwiegend tiefrothe Färbung den ausgestellten Gegenständen einen wirksameren und ruhi⸗ eren Untergrund gewähren, als vielfarbige und gemusterte Böden. Von den übrigen Decken des Gebäudes sind noch zu erwähnen die aus starkem Zink hergestellte und ebenfalls mit Iserlohner gepreßtem Messing geschmückten Kassettenfelder um das große Oberlicht des Lichthofes, ferner die auf Wunsch Schliemann's in Metall nachgebildete, von ihm aufgefundene Decke des Schatzhauses von Orchomenos, endlich die länglich runde Holzdecke über der Aula. Bemerkenswerth ist ferner die Bildung der über 3 m weit gespannten Tonnengewölbe mit Stich⸗ kappen in den Säulenhallen des Lichthofes aus Rabitz'scher Patent⸗ masse, welch letztere in dieser Art der Anwendung ein neues Kon⸗ struktionsmittel geliefert hat. 2 8 Die in den Formen der italienischen Frührenaissance ausgestalteten Hauptfronten des Gebäudes an der Königgrätzer⸗ und Zimmerstraße sind bis zum Gurtgesims mit gelbbraunem Sandstein von Staudern⸗ heim an der Nahe, in den oberen Geschossen mit schlesischem Sand⸗ stein aus den Brüchen bei Bunzlau und bei Wenig⸗Rackwitz bekleidet. Zur Bekleidung der Seiten⸗ und Hoffronten wurden außer den in sächsischem (theils Postelwitzer, theils Kottaer) Sandstein gebildeten Gesimsen, Fenstereinfassungen u. s. w. Siegersdorfer Verblend⸗ steine verwendet. Es ist bemerkenswerth, daß diese theils maus⸗ grau, theils gelblich grau gefärbten Steine, welche mit dem Sandstein sehr gut zusammengehen, zum Theil fehlfarbigen Beständen der Ziegelei entstammen, während das Siegersdorfer Material sonst ledergelb oder braunroth ist. Erst als die Fabrik nicht mehr im Stande war, aussortirtes Material der gedachten Art in genügendem Umfange zu liefern, hat sie die eigenthümliche Farbe durch ein besonderes Fabrika⸗ tionsverfahren hergestellt. Der Kottaer Sandstein ist ferner in größerem Umfange bei den Architekturtheilen im Innern, und zwar in der Flurhalle und an den Säulenhallen des Lichthofes, verwendet worden, während die Säulen⸗ und Pfeilerschäfte daselbst aus grauem Weißenstadter Granit bestehen. Die Wände des Lichthofes und des Haupttreppenhauses sind auf Schulterhöhe mit gemusterten Porzellan⸗ fliesen aus der Königlichen Manufaktur in Charlottenburg bekleidet. Heizung und Lüftung. Tie Erwärmung der Ausstellungs⸗ räume erfolgt mittels Warmwasserheisung, wobei der Dampf dreier Röhrenkessel (Root'schen Systems) als Wärmeerzeuger dient. Die Heiz⸗ körper sind in den Fensternischen stehende gußeiserne Rippenregister. Eine Anzahl in den verschiedenen Stockwerken übereinander liegender Register⸗ gruppen ist zu einzelnen Wasserheizsystemen zusammengefaßt, deren jedes durch je einen der im Kellerflur aufgestellten Wasserkessel seine Wärme erhält. Es hat diese Anordnung den großen Vorzug, daß bei etwa nothwendigen Reparaturen einzelne Räume ausgeschaltet werden können, ohne daß der Betrieb der übrigen Räume gestört wird. In ähnlicher Weise erfolgt die Erwärmung der Bibliothek und der kleineren Räume des Rundbaues, während die Aula, die Flurhalle und der große Lichthof mittelst Dampfluftheizung erwärmt und ge⸗ lüftet werden. Die Lüftung der Ausstellungssäle wird derartig be⸗ wirkt, daß frische, dem großen Hofe entnommene, in Dampfluft⸗ kammern vorgewärmte Luft durch gemauerte Kanäle in die Räume gelangt, die verdorbene Luft durch ebensolche Kanäle in den Boden⸗ raum und von dort mittelst Saugeschlote ins Freie geführt wird. Einrichtung der Sammlungssäle. Für die Aufstellung der Sammlungsschränke in den Ausstellungsräumen ist eine Art Fisch⸗ grätensystem zur Anwendung gekommen, derart, daß in der Längsachse der Hauptsäle größere, nach der Länge getheilte, und senkrecht zu diesen kleinere, ebenfalls in der Mitte getheilte Schränke angeordnet sind. Zwischen je zwei der letzteren sind dann nach Bedarf noch schmäͤlere und ungetheilte Schränke eingeschoben worden. Diese Art der Auf⸗ stellung, bei welcher an jeder Fensterwand cein breiter Gang freibleibt, ermöglicht die bei den ethnologischen Sammlungen besonders wichtige, die Uebersicht erleichternde Gruppirung der Gegenstände nach einzelnen Völkerschaften. Bezüglich der Form und Größe der Schränke sind diejenigen der ethnologischen von denjenigen der vorhistorischen Samm⸗ lungen wenig verschieden, nur hat bei den letzteren neben der Haupt⸗
form das System der Doppelpultform reichlichere Verwendung ge⸗ funden. Die Schliemann'schen Funde endlich
sind in Schränken untergebracht, welche nach dem besonderen Wunsche des Geschenkgebers hergestellt sind, und welche das oben bezeichnete Aufstellungssystem nicht zuließen. Die Ausstellungsbehälter in den ethnologischen und vorhistorischen Sammlungen sind im Hauptkörper aus Eisen hergestellt, da die Ver⸗ wendung verhältnißmäßig dünner Eisenstäbe bei gleichzeitiger größerer
Festigkeit gegenüber einem dickeren hölzernen Pfosten⸗ und Rahmen⸗
werk größere Schaufläche darbietet und weil die Eisentheile bei
größerer Feuersicherheit auch dem Eindringen von Staub und Un⸗ geziefer mehr Widerstand entgegensetzen. Von jeglicher künstlerischer
Ausgestaltung der Ausstellungsbehälter ist Abstand genommen, es
fehlen selbst Bekrönungsleisten und ähnliche Zuthaten, da die
Museumsverwaltung von vornherein die Forderung stellte, daß alle
dem Staube Gelegenheit zum Anhaften und Ansammeln bietende,
durch die Nothwendigkeit nicht bedingte Zuthaten fortzulassen seien, abgesehen davon, daß künstlerisch ausgestaltete Behälter auch leichter die Aufmerksamkeit vom Inhalte abzulenken im Stande seien. Kosten, Bauleitung u. s. w. Die Kosten des eigentlichen Zaues, also mit Ausschluß der Einrichtungsgegenstände, haben rund
2 040 000 ℳ betragen, so daß bei rd. 4431 qm bebauter Fläche auf
das Quadratmeter 460 ℳ und bei rd. 109 4238 chm Rauminhalt auf
das Kubikmeter 18,64 ℳ entfallen. Die Kosten der inneren Einrich⸗ tung des Gebäudes, welche sich zunächst auf die beiden unteren Stock⸗
werke und den Keller erstreckt, belaufen sich auf rd. 467 000 ℳ
Der Ausführung des Gebäudes lag ein im Jahre 1879 auf⸗ gestellter Entwurf nebst Kostenanschlag der Architekten Ende und
Boeckmann zu Grunde, während der Entwurf und Kostenanschlag
zur inneren Einrichtung von dem Königlichen Bauinspektor Klut⸗
mann herrühren. Die obere Aufsicht über den Bau führte eine besondere Baukommission, welcher Vertreter des
Arbeits⸗Ministeriums, des Kultus⸗Ministeriums, ferner der
General⸗Direktor der Königlichen Museen und der technische Decernent
der Käntglichen Ministerial⸗Baukommission angehörten. Die obere
Leitung der Bauausführung wurde von dem Baurath Ende und dem
Bau⸗Inspektor Klutm ann gemeinschaftlich bewirkt, indem der Erstere
mit der künstlerischen Ausgestaltung des Gebäudes, der Letztere mit
der technischen und geschäftlichen Leitung sowie mit der Ausführung der gesammten inneren Einrichtung betraut war. Bei der besonderen
Bauleitung waren der Regierungs⸗Baumeister C. Hesse sowie in
längeren Zeitabschnitten die Regierungs⸗Bauführer Hasack, Lucas,
Weiß, Reimer, Abesser und Schleicher beschäftigt.
Von den einzelnen Sälen sind zur Zeit dem Publikum geöffnet:
Im Erdgeschoß Saal 1 mit den vaterländischen Sammlungen aus der Mark Brandenburg und
Saal 2 mit den prähistorischen Funden in Europa in Gold und Silber.
Saal 6 und 7 mit der Schliemann'’schen Schenkung.
Im ersten Stockwerk:
Saal 1: ethnologische Sammlungen aus Afrifa (von Nachtigal,
P. Reichard, Dr. Barth, Dr. Rohlfs, Rob. Flegel, Dr. Schweinfurth,
Dr. Junker, Lieut. Wißmann, Dr. Poppe u. s. w.
Saal 2: Sammlungen aus den Entdeckungsreisen der Lieutenants
Knud und Tappenbeck sowie Dr. Birkner’s (Expedition der Afri⸗ hüil en Gesellschaft); außerdem eine Sammlung mexikanischer Alter⸗ thümer.
Saal 3: amerikanische Silbersachen und Grabfunde, auch Sachen aus Oceanien.
Saal 4: Oceanien
Saal 5—8: Amerika.
Im zweiten Stockwerk ist eine Aufstellung in Vorbereitung be⸗ griffen für die Sammlungen aus Indien, Indonesien, Indo⸗China, Japan, Koreg und anderen Theilen Asiens (mit Ausnahme der dem ersten Stockwerk bereits zugefügten Sammlungen Sibiriens und Halmahera's), sowie für Sammlungen volksthümlicher Art aus Europa. Zugleich ist in den dortigen Räumen eine koloniale Abtheilung in Aussicht genommen. Für den ersten Abschnitt (indischer und ost⸗ asiatischer S llungen) haben die Vorarbeiten bereits begonnen.
Das dritte Stockwerk ist für anthropologische und verschiedene andere Sammlungen bestimmt.
Im Lichthof sind monumentale Stücke aus indischen und ameri⸗ kanischen Alterthüͤmern und andere umfangreiche Gegenstände zur Auf⸗ stellung gebracht. 8
Die Aula wird zu Vorlesungen und für die Sitzungen der Ge⸗ sellschaft für Anthropologie u. s. w. bestimmt.
Der Vorstand des Kriegervereins Metz hat in einer Broschüre über die Schmückung der Kriegergräber in Lothringen im August d. J. Rechenschaft abgelegt. Dem Verein gebührt die dankbarste Anerkennung für die Bemühungen, die er um diesen Akt der Pietät aufgewendet hat, und ebenso anerkennenswerth ist die Unter⸗ stützung, die ihm Seitens der deutschen Kriegervereine zu Theil ge⸗ worden ist. Mehr als 250 derselben haben ihm Geldspenden über⸗ sendet, die es ihm ermöglicht haben, die Gräber mit 40 großen Metallkränzen (274 ℳ), 1500 grünen Kränzen (750 ℳ), 26 großen grünen Kränzen (26 ℳ), 13 großen Lorbeerkränzen (39 ℳ) und 1609 Schleifen aus Stoff mit den Namen der betreffenden Ver⸗ eine zu schmücken, außerdem noch 210 ℳ an 8 andere lothringische Kriegervereine zu gleichem Zweck zu vertheilen und 435 ℳ zur Instandsetzung von Gräbern, Kreuzen und Denkmälern auf dem Schlachtfelde von Noisseville, Mezières, St. Privat und Gravelotte⸗Vionville zu verwenden. Mit einem Bestande aus dem Vorjahre im Betrage von 572,71 ℳ hat der Verein 2930,60 ℳ ver⸗ einnahmt, wovon 2332,82 ℳ verausgabt sind, so daß noch 597,78 ℳ verblieben sind, die im laufenden Winter und im kommenden Früh⸗ jahr zur Instandsetzung von Denkmälern und Grabstätten verwendet werden sollen.
Die Ausführung der großartigen Arbeit, die meist am Sonntag des 15. August vollführt wurde, ist nur dadurch ermöglicht worden, daß der Kriegerverein gleichzeitig mehrere Kolonnen vom Theaterplatz in Metz aus nach den verschiedenen Schlachtfeldern entsandte.
Die Kolonne I begab sich nach Amanweiler, wo sich die Kameraden des Vereins Longeville⸗Moulins mit Kränzen zu ihr ge⸗ sellten: Eine Abtheilung der Kolonne marschirte dann mit 9 massiven und 135 grünen Kränzen nach St. Privat⸗la⸗Montagne, um die dort liegenden zahlreichen, auch die französischen Gräber zu schmücken und stille Gebete an ihnen zu verrichten, wobei sie bei dem Denkmal des französischen 94. Infanterie⸗Regiments mit einer Prozession der Ein⸗ wohner des Dorfes zusammentraf. Zwei andere Abtheilungen erfüllten mit 2 massiven und 140 grünen Kränzen dieselbe Ehrenpflicht in den Bois de la Cusse (in Frankreich) und Umgegend. Die Kolonne I1 begab sich mit 281 grünen und 7 Metallkränzen nach Gravelotte, die III. mit 300 grünen und 14 massiven Kränzen nach Gorze, Mars⸗la⸗Tour, Flavigny⸗Vionville u. ö D11“ grünen und 7 massiven Kränzen nach Mezières, Hagendingen u. s. w., die V. in einer Abtheilung mit 4 massiven und 150 grünen Kränzen nach Villers l'Orme, Montry u. s. w., in einer andern mit 3 massiven und 150 grünen Kränzen nach Borny, Colombey, Noissville u. s. w. Die VI. Kolonne hatte Rupigny, Charly und Antilly übernommen. Außerdem waren auch von dem Kriegerverein Ars a. d. M. am 15. August 4 Kolonnen entsandt wor⸗ den, um die deutschen und französischen Gräber in Ars a. d. M. und Umgegend zu schmücken. Ein Gleiches hatten an demselben Tage die Kriegervereine Chateau⸗Salins und Diedenhofen, und bereits früher die Kriegervereine Novéant⸗Corny, Forbach und Bolchen gethan; der Kriegerverein Bitsch vollzog die Feier am 5. September, und der Kriegerverein Metz entsendete am 26. September noch eine Deputation mit 300 Kränzen zu den Gräbern bei Les Etangs, Puche, Colligny, Pange, Courcelles a. N. und Ars⸗Lc quenery. Dem Denkmal des Königlich Sächsischen Armee⸗Corps sind am 18. August 2 prächtige Kränze gewidmet worden.
So ist es den Anstrengungen des Kriegervereins Metz möglich geworden, in diesem Jahre auf allen bekannten Gräbern Lothringens Zeichen dankbarer Erinnerung niederzulegen, und er hofft, gewiß nicht ohne Grund, daß die Pietät der Deutschen ihn in den Stand setzen werde, auch noch manches bis jetzt unbekannte Grab zu entdecken, um es in Zukunft mit den übrigen zu schmücken.
Der Bericht enthält genaue Angaben über jedes einzelne Grab. Die Angehörigen der Gefallenen können aus demselben die beruhigende Ueberzeugung gewinnen, daß sich die Gräͤber der Ihrigen in gutem Schutz und treuer Pflege befinden.
Eutin, 20. Dezember. (W. T. B.) Sece. Majestät der Kaiser Alexander III. von Rußland hat dem Comité für die Errichtung eines Denkmals für Karl Maria von Weber die Summe von 1000 ℳ bewilligt.
Metz, 19. Dezember. (W. T. B.) Da Hochwasser der Mosel hat einen sehr hohen Stand erreicht: zwischen Novéant und Sierck sind weite Thalstrecken überfluthet. Auch von der fran⸗ zösischen Grenze wird fortdauerndes Steigen des Flusses gemeldet.
Brüssel, 18. Dezember. (W. T. B.) Gutem Vernehmen nach werden über die unter Leitung Stanley's abzufendende Expedi⸗ tion zur Aufsuchung und Unterstützung Emin Bey'’s erst dann endgültige Beschlüsse gefaßt werden, wenn Dr. Junker, der Gefährte Emin Bey's, welcher am 19. September d. J. Uyugi verließ und auf der Rückreise nach Europa kürzlich in Sansibar an⸗ gekommen ist, über die Lage, in welcher sich Emin Bey befindet, näheren Bericht erstattet haben wird.
Die Feier der hundertjährigen Wiederkehr des Ge⸗ burtstages von Carl Maria von Weber wurde von beiden Königlichen Theatern in durchaus würdiger Weise begangen. Im Königlichen Opernhause wurde zu Ehren des Tages das Schau⸗ spiel „Preziosa“ gegeben, zu welchem der unvergeßliche Meister seine reizende Musik geschrieben. Eröffnet wurde die Vorstellung durch einen von Ernst von Wildenbruch gedichteten Prolog. Der Dichter vergegenwärtigt uns darin, welche Bedeutung das Auftreten Weber's und die Einführung seiner Musik für das damalige Kunstleben gehabt hat, indem seine Schöpfungen die italienische Musik, die damals die deutsche Bühne beherrschte, durch seine frischen, volksthümlichen Melodien verdrängten und dem deutschen Volk eine eigene, seinem Wesen und Empfinden zusagende Musik schafften. Frl. Schwartz, als Muse gekleidet, brachte die prächtigen Wildenbruch'schen Verse zu schöner Geltung und erntete mit dem Dichter zugleich für ihre hübsche Leistung die verdiente Anerkennung. Nachdem sodann die vom Orchester sauber vorgetragene Ouverture zu „Preziosa“ alle anwesenden Verehrer Weber's erfreut hatte, ging die Aufführung vor sich, welche sich in jeder Hinsicht zu einer ge⸗ lungenen gestaltete. Die frischen Weisen der gutgeschulten Chöre, das treffliche Spiel der Mitwirkenden, beides trug dazu bei, den Abend zu einem überaus genußreichen zu machen. Von den Darstellern seien die Damen Barkany (Preziosa), Frl Berg⸗ mann, die Herren Krause, Müller, Hellmuth Bräm und Nesper lobend hervorgehoben. Von großartiger Wirkung war das Schluß⸗ tableau. Während die an dem Schauspiel Mitwirkenden, also auch der ganze Chor, alle noch auf der Buͤhne versammelt waren, senkte sich eine Wolkenwand hernieder. Durch dieselbe sah man in einen wirkungsvoll be⸗ leuchteten Hintergrund, in dem sich auf hohem Unterbau die Kolossalbüste Weber's erhob, über welche die Muse, Frl. Schwartz, einen Lorbeer⸗ kranz hielt. Zu ihren Seiten waren geschickt zusammengestellte Gruppen aus den sämmtlichen Opern Weber's aufgebaut, die als lebende Bilder somit eine plastische Darstellung des künstlerischen Schaffens Weber'’s boten. Reicher Beifall ward dem Gebotenen zu Theil.
Zur Fest⸗Aufführung im Königlichen Schauspielhause hatte man den „Freischütz“ gewählt, jene Oper, welche wie kaum eine andere in den Besitz unseres Volkes übergegangen, die mit Fülle herrlicher Melodien und ihrem Märchenzauber aber auch ganz besonders geeignet ist, uns die musikalische Bedeutung Weber's in dankbare Er⸗ innerung zu rufen. Es bedarf kaum der Erwähnung,“ daß alle bei
. forderungen, welche
der Vorstellung mitwirkenden künstlerischen Kräfte ihr Bestes abe um dieselbe in der That zu einer Festvorstellung zu gestalten Aber 88 n, heben müssen wir ganz besonders die vorzüglichen Leistungen der Frl. Leisinger (Agathe) und Renard (Aennchen), welche sowohl durch ibien reizvollen Gesang wie durch ihr schauspielerisches Wirken dem Ensembfn Natürlichkeit und Frische verliehen; beide Damen waren in ih 8 Stimmmitteln ganz besonders gut disponirt, so daß die belebende menn entzückende Wirkung auf die Hörer sichtbar hervortrat. Hr dnn⸗ sang den Max ganz vorzüglich, und die Herren Betz (Eremit Biberti (Caspar) und Krolop (Kuno) griffen mit gewohnte. Verve ein. Natürlich spendete das Publikum fortgesegt lebhaftesten Beifall. — Mit demselben poetischen Prold Ernst von Wildenbruch's, der im Königlichen Opernhause die Fefd vorstellung einleitete, wurde auch im Königlichen Schauspielhause 8. Aufführung eröffnet. Hr. Kahle trug hier die schönen Verse g. Wärme und tiefer Empfindung vor. 1E h
Zur frohen Weihnachtszeit, in welcher die „Birnams“⸗Tannen⸗ wälder des Harzes ihren Einzug in die Hauptstadt halten, bot 8s Deutsche Theater gestern eine glänzende, vollendete Aufführung des romantischsten, von nordischer Reckenhaftigkeit, wilder Blutgier und düsterem Hexen⸗ und Geisterspuk erfüllten Shakespeare sche Dramas, des „Macbeth“. Gewählt war, abweichend von onst benutzten Uebersetzungen, die neuere, Gildemeister'sche. Ob mit Glück, wollen wir dem Urtheil der Shakespeare⸗Gelehrten zu entscheiden überlassen Versichert doch schon Tycho Mommsen, der Herausgeber der klassischen Schlegel⸗Tieck'’schen deutschen Shakespeare⸗Ausgabe, daß es zu den schwersten Aufgaben gehöre, die Macbeth⸗Gedanken, „die so kurz und unheimlich einander überzucken und überblitzen wie gekreuzte Schwerter, die Macbeth⸗Sprache, in der fast jedes Wort ein Dolchstich ist“, so getren wiederzugeben, daß daneben die allgemeinen Erfordernisse der Deutlich⸗ keit, Richtigkeit und dichterischen Schönheit bewahrt bleiben. Selbst des feinfühligen A. W. von Schlegel Kunst scheint an der Schwierig⸗ keit des Unternehmens gescheitert zu sein, denn er hat nur wenige Bruchstücke einer Uebersetzung dieses Trauerspiels hinterlassen, welche T. Mommsen dann bei seiner Uebertragung nebst denen des Tieck'schen Kreises benutzt hat. Die Verdeutschungen von Voß und Lachmann andererseits wollen den heutigen Anforderungen der Textkritik nicht mehr genügen, die Schiller'sche Bearbeitung aber ist zwar entschieden die von der Bühne her am leichtesten verständliche und dramatisch wirk⸗ samste, jedoch ganz frei und mit eigenen Zusätzen versehen. Unter diesen Umständen füllt die Uebertragung Gildemeister's, der sich auch als gewissenhafter Interpret der Dichtungen Shakespeare' Byron’s und des „Rasenden Roland“ von Ariost, bereits einen Namen gemacht hat, ohne Zweifel eine fühlbare Lücke aus. Die Kunst jedoch, die ihn die Schönheiten lyrischer und epischer Werke so vollendet sprach⸗ lich nachzugestalten befähigt, scheint der dramatischen Schärfe und Be⸗ stimmtheit des Ausdrucks gerade im „Maebeth“ mit seiner wild und stür⸗ misch dahineilenden Handlung doch nicht immer gewachsen zu sein. — Die Inscenirung, die dem Trauerspiel am Deutschen Theater zu Theil geworden, ist eine geradezu meisterhafte; die schnellen Verwandlungen bei verdunkelter Bühne bewähren sich auch hier vortrefflich, so daß selbst die ganz kurzen Scenen der Ermordung Banquo's und der Familie Macduff's ohne Verzögerung des Flusses der Handlung ermöglicht werden. Die Hexenscenen mit den Geistererscheinungen, welche so leicht, selbst an mancher großen Bühne, an der Klippe der Unzulänglichkeit des scenischen Apparats scheitern, gelangen hier mit Benutzung aller technischen Fortschritte, namentlich in der Beleuchtung, auf das Effektvollste zur Darstellung. Großartig poetisch ge⸗ stimmt waren die beiden sumpfigen Haidelandschaften, auf denen kurz nach einander die Hexen bei Donner und Blitz erscheinen. Ein wahres Entzücken für den Kunstfreund bilden die peinlich stylgetreu gemalten prachtvollen Säle im Schlosse Dunsinan, der stimmungsvoll düstere Hof desselben, in welchem sich die Scene nach dem Morde des Königs abspielt, die mondbeglänzte Halle, durch die Lady Macbeth schlafwandelt ꝛc. Auch die Rüstungen, Waffen, die ganze Gewandung des auftretenden Personals ist von sorgfältiger, geschichtlicher Treue. — Diesem glänzenden Rahmen, in welchem das Trauerspiel erscheint, entsprach aber auch die Darstellung: Die Titelrolle spielte Hr. Pohl mit der ganzen reckenhaften Tapferkeit und heimtückischen, wilden Ehrbegier, welche dieselbe verlangt. Den ungemein großen An⸗ f sie an den Darsteller in physischer Hinsicht Bezug auf konsequente Durchführung dieses bösen, un⸗
Charakters stellt, zeigte sich dieser ausgezeichnete Künstler in bewundernswerthem Grade gewachsen. Als Lady Maecbeth überraschte das zarte Frl. Geßner durch den hoch⸗ dramatischen, wilddämonischen⸗Zug, den sie der Figur zu geben wußte, und weiterhin nicht minder durch die psychologische Vertiefung und naturalistische Ausarbeitung des schauerlichen Monologs in der be⸗
rühmten Schlafwandel⸗Seene. Vortrefflich waren Hr. Pategg als Banquo, Hr. Kainz als Malcolm und Hr. Sommerstorff als Mac⸗ duff, Letzterer namentlich in der erschütternden Scene seines Schmerz⸗ Ausbruchs um die ihm von dem Wütherich hingemordete Familie, Auch Hr. Nollet als König Duncan und Fr Jürgens als Lady Mac⸗ duff, sowie die Damen Carlsen, Lenau und Link, welche die Hexen höchst wirksam darstellten, sprachen und sangen, verdienen gebührende Anerkennung An dieser ließ es das Publikum auch nicht fehlen, zeichnete vielmehr die Hauptdarsteller bei offener Scene und nach den Aktschlüssen durch stürmischen Beifall aus. Das Haus war ausverkauft. — Se. Kaiser⸗
liche und Königliche Hoheit der Kronprin z, Höchstwelcher der Vor⸗ n
db
stellung vom Anfang bis zum Schluß beiwohnte, ließ nach den 4. Akt Hrn. Direktor LArronge zu Sich rufen, drückte den selben Seine ganz außerordentliche Befriedigung über Dar stellung, Inscenirung und Ausstattung des
und in bändigen
und beauftragte ihn, dies auch dem gesammten, darin beschäftigte Personal mitzutheilen. — Die „Maebeth“⸗Aufführung am Deutsche Theater wird für die nächste Zeit sicher die größte theatralische Sehenswürdigkeit der Reichshauptstadt bilden. Hoffentlich bietet uns nun die eifrige Direktion aber auch zu der Reihe vollendeter Shake speare⸗Darstellungen, die sie bisher gebracht hat, recht bald die in Aussicht gestellten Musteraufführungen der Göthe'schen Dramen, des „Götz“ und des „Egmont“.
Kroll's Theater. Zu der Matinée des „Mikado“ welche am nächsten Mittwoch auf Höchsten Wunsch zum Besten des Heims für englische und a merikanische Erziehe⸗ rinnen in Deutschland veranstaltet wird, sind für den gesammten Hofstaat drei Parquetreihen bis zur Empore reservirt worden. Der Raum neben dem Parquet, in welches ein Separateingang führt, wird zum Empfangszimmer für Se. Majestät den K aiser umgestaltet und entsprechend dekorirt. Für die numerirten Plätze laufen fort⸗ während zahlreiche Bestellungen ein, sodaß die „Mikado⸗Matinée ohne Zweifel eine der glänzendsten Vorstellungen des so überaus er⸗ folgreichen Gastspiels der englischen Opern⸗Gesellschaft zu werden verspricht.
Belle⸗Alliance⸗Theater. Fr. Marie Geistinger beschließt am Donnerstag ihr vom glänzendsten Erfolge begleitetes Gas⸗ spiel. Infolge dessen muß die überaus lustige Gesangsposse „Die Kindsfrau“, die sich allabendlich der beifälligsten Aufnahme erfreut, vom Repertoire abgesetzt werden, wenn es der Direktion nicht gelingt, die beliebte Künstlerin zu bewegen, ihr Gastspiel noch um einige Tage zu verlängern. 8
Redacteur: Riedel.
Berlin: — 1 Verlag der Expedition (Scholz). Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. DSeechs Beilagen (1719
ichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger. 1886.
Erste Beilage
Deutsches Reich.
Bescheide und Beschlüsse des Reichs⸗Versicherungsamts. 239) Ein Amtsvorsteher lehnte die bei ihm beantragte Unter⸗ suchung eines in seinem Polizeibezirk eingetretenen Betriebsunfalles aus dem Grunde ab, weil der Ver⸗ letzte nicht in seinem Bezirk wohne und er deshalb nicht in der Lage sei, denselben zur Verhandlung vorzuladen.
Das Reichs⸗Versicherungsamt hat auf die bezügliche
Eingabe eines Genossenschaftsvorstandes diese Auffassung
als irrthümlich bezeichnet.
Die für den Betriebssitz beziehungsweise den Unfallsort zuständige Orts⸗Polizeibehörde hat durch §. 53 des Unfall⸗ versicherungsgesetzes nicht nur die Berechtigung, sondern auch die Verpflichtung erhalten, den bei ihr zur Anzeige gebrachten Unfall einer Untersuchung zu unterziehen und die zur Erreichung der in § 53 a. a. O. bezeichneten Feststellungen erforderlichen Maßregeln auszuführen. Ob es zur Erreichung der Zwecke der Unter⸗ suchung der Zuziehung des Verletzten bedarf, ob von der Ladung desselben wegen der Verletzung oder wegen anderer zu⸗ reicheder Gründe Abstand zu nehmen ist: dies bleibt dem pflichtmäßigen Ermessen der Orts⸗Polizeibehörde nach Lage des einzelnen Falles anheimgegeben. Jedenfalls giebt aber der Umstand, daß der Verletzte in einem andern Bezirk wohnt, keinen Grund, die Ladung des Verletzten, geschweige denn die Führung der gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchung zu unter⸗ lassen.
240) Auf die Anfrage eines Genossenschaftsvorstandes, „ob
a. der §. 5 Absatz 8 des Unfallversicherungsgesetzes dahin aufzufassen sei, daß auch die Zahlung von Renten an die Angehörigen eines in einem Kranken⸗ hause untergebrachten Verletzten (§. 7 Absatz 1 und 2 a. a. O.) der Krankenkasse, welcher der Ve kletzte an⸗ gehört, übertragen werden könne, ob diese Renten Seitens der Krankenkasse — anstatt an die Ehefrau, beziehentlich die Kinder oder die Aszendenten des Verletzten — an den Verletzten selbst gezahlt werden könnten,“
hat das Reichs⸗Versicherungsamt unter dem 26. No⸗
vember 1886 das Folgende erwidert:
Streitigkeiten, welche aus Anlaß der Bestimmung des §. 5 Absatz 8 des Unfallversicherungsgesetzes zwischen den Berufsgenossenschaften und den Krankenkassen entstehen, sind nach §. 58 Absatz 2 des Krankenversicherungsgesetzes zu ent⸗ scheiden.
Indessen nimmt das Reichs⸗Versicherungsamt nicht An⸗ stand, seine Meinung dahin auszusprechen, daß die Frage a zu bejahen ist. Die Frage b. dagegen läßt sich nicht allgemein beantworten. Dieselbe ist vielmehr nach Maßgabe der dies⸗ bezüglichen Bestimmungen des örtlichen bürgerlichen Rechts (Privatrecht, Partikularrecht) zu beurtheilen.
Nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen werden allerdings der⸗ artige Zahlungen an eine Ehefrau beziehentlich an minder⸗ jährige Kinder mit rechtlicher Wirksamkeit an den Ehemann beziehungsweise Vater erfolgen können. Aszendenten dagegen können von ihren Deßendenten in der fraglichen Hinsicht nicht ohne ausdrückliche Vollmacht vertreten werden.
8 (Zu vergleichen im Uebrigen „Amtl. R.⸗V.⸗A.“ 1886 S. 133 Ziffer 184 und S.
Nachrichten des 56 Ziffer 142.) AwuSD 241) Ueber die Bedeutung und Tragweite des öö“ Unfallversicherungsgesetzes und das Verfahren in den Fällen dieses Paragraphen hat sich das Reichs⸗ Versicherungsamt in einem Bescheid vom 25. November 1886, wie folgt ausgesprochen:
Das Wahlrecht zwischen den nach 8§. 5 und 7 des
Unfallversicherungsgesetzes alternativ zu gewährenden Leistungen — welches ausschließlich der Berufsgenossenschaft zusteht (Amtl. Nachrichten des R.⸗V.⸗A. von 1886 17Iöö- — ist von demjenigen Genossenschaftsorgane auszuüben, welches durch das Gesetz beziehungsweise durch das Statut zur Rentenfestsetzung berufen ist. Dieses Recht kann auch dann noch ausgeübt werden, wenn die Feststellung der Entschädigung bereits erfolgt ist; ins⸗ besondere steht in solchem Falle der Bescheid des Reichs⸗Ver⸗ sicherungsamts Ziffer 153 (Amtl. Nachrichten 1886 S. 74) em fraglichen Wahlrechte nicht im Wege,. Vielmehr kann, wenn alle Voraussetzungen des §. 7 vorliegen, die Ver⸗ pflegung in einem Krankenhause auch nachträglich nicht nur dann gewählt werden, wenn aus Anlaß des Unfalls demnächst ein neues Heilverfahren erforderlich wird, sondern auch dann, wenn das zunächst dem Unfall folgende Heilverfahren sich in die Länge zieht, und so lange, als es noch nicht be⸗ endigt ist. In jedem Falle ist das Wahlrecht, ebenso wie in den Fällen des §. 65 a. a. O. durch Ertheilung eines der Be⸗ rufung auf schiedsrichterliche Entscheidung unterliegenden for⸗ mellen Bescheides des bezeichneten Genossenschaftsorgans auszu⸗ üben (§. 61 und §. 62 Absatz 4 a. a. O.)
242) Nach eingehender Berathung mit den betheiligten Ge⸗ nossenschaftsvorstüänden über die Heranziehung der Pflastererletveh⸗ zur Unfallversicherung hat das Reichs⸗ Versicherungsamt im Hinblick auf die Stellungnahme der gedachten Vorstände, sowie auf die Ergebnisse einer am 6. November 1886 zu Berlin mit den Vorsitzenden sämmtlicher Baugewerks⸗ Berufsgenossenschaften ab⸗ gehaltenen Besprechung durch Verfügung vom 2. De⸗
doß e vember 1886 ausgesprochen,
daß die Pflasterer in Beziehung auf die Unfallversicherung den
Steinhauern beziehungsweise Maurern — §. 1 Absatz 2 des
nfallversicherungsgesetzes zusurechnen sindd.
d aßgebend hierfür war die Erwägung, daß die Verwen⸗
nung sogenannter Findlinge zu Pflasterungen immer mehr ab⸗
nimmt und selbst bei diesem Material ein Behauen (püiren einzelner Steine zur Fertigstellung des Pflasters unumgängli nothwendig ist, daß ferner, auch wenn fertig zugerichtete Steine
Verlin, Montag, den 20. Dezember
das Pflastern,
—
(sogenannte Kopfsteine) verwendet werden,
z. B. beim Anschluß an die Bordsteine der Straßendämme
oder der Trottoirs, an Pferdebahngeleis 2c., ohne ein Behauen
einzelner Steine nicht zu bewerkstelligen ist, und daß solche
Betriebe, namentlich im Hinblick auf die Härte des zu be⸗
arbeitenden beziehungsweise nachzuhauenden Materials, alle
Gefahren des Steinhauergewerbes mit sich bringen, während
andererseits die Herstellung von Trottoirs u. s. w. mittelst
Mörtels als Maurereibetrieb anzusehen ist.
Bezüglich der Steinschläger (Steinklopfer), welche für die Beschotterung von Chausseen Steine zerkleinern, hat sich das Reichs⸗Versicherungsamt der in der Eingangs erwähnten Be⸗ sprechung von den anwesenden Genossenschaftsvertretern ein⸗ stimmig ausgesprochenen Ansicht ebenfalls angeschlossen, wonach für diese Betriebe eine Versicherungspflichtigkeit — abgesehen von den übrigens wohl kaum vorkommenden Fällen der Ver⸗ wendung von Motoren ec. oder der regelmäßigen Beschäftigung von mindestens zehn Arbeitern in einer Betriebsanlage, §. 1 Absatz 3 und 4 a. a. O. — nicht anzunehmen ist, weil es sich hier nicht um Steinhauereibetriebe, sondern nur um das Zer⸗ trümmern von Steinen bis auf gewisse Größen handelt.
243) Es waren Zweifel darüber entstanden, ob die zum Zwecke der Gewinnung von Kies ꝛc. betriebenen Baggereien zu den Binnenschiffahrts⸗Berufsgenossen⸗ schaften oder zu der Steinbruchs⸗Berufsgenossenschaft gehören. Das Reichs⸗Versicherungsamt hat sich über diese Frage unter dem 12. November dahin aus⸗ gesprochen,
daß alle versicherungspflichtigen Betriebe zur Gewinnung von
Kies und Sand durch den Bundesrathsbeschluß vom 21. Mai
1885 der Steinbruchs⸗Berufsgenossenschaft zugetheilt worden sind. Dementsprechend gehören auch diejenigen Baggereien zur Steinbruchs⸗Berufsgenossenschaft, deren Betrieb ausschließlich auf die Gewinnung von Kies und Sand gerichtet ist. Da⸗ gegen werden diejenigen Baggereien, welche lediglich dem Zwecke der Vertiefung des Fahrwassers ꝛc. dienen, ohne Rück⸗ sicht auf das ausgebaggerte Material, gemäß dem Bundes⸗ rathsbeschlusse vom 15. April 1886 den Binnenschiffahrts⸗ Berufsgenossenschaften anzugehören haben.
Bei Baggereibetrieben, welche gleichzeitig beiden Zwecken dienen, nämlich der Vertiefung des Flußbetts ꝛc., sowie der Gewinnung von Kies und Sand behufs anderweiter Ver⸗ wendung beziehungsweise Veräußerung des Materials, wird es sich hinsichtlich der Zugehörigkeit derselben zu einer der in Rede stehenden Genossenschaften in jedem einzelnen Falle darum handeln, festzustellen, welchem Theile des Unternehmens die überwiegende Bedeutung beizumessen, d. h. was als Haupt⸗ betrieb im Sinne des §. 9 Absatz 3 des Unfallversicherungs⸗ gesetzes anzusehen ist.
244) Ueber die Zulässigkeit von Vergleichsabschlüssen in dem schiedsgerichtlichen Verfahren des Unfallversicherungs⸗ gesetzes hat das Reichs⸗Versicherungsamt in einem Be⸗ scheide vom 2. Dezember 1886 Folgendes ausgeführt:
Es unterliegt diesseits keinem Bedenken (vergl. auch das durch die diesseitige Bekanntmachung vom 1. Oktober 1886 vorgeschriebene Formular, Spalte 10, für den von den Schiedsgerichts⸗Vorsitzenden an das Reichs⸗Versicherungsamt einzureichenden Geschäftsbericht — §. 27 der Kaiserlichen Ver⸗ ordnung vom 2. November 1885, „Amtl. Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1886 S. 178 ff. —), daß die „Parteien im Laufe des schiedsgerichtlichen Verfahrens befugt sind, eine bestehende Ungewißheit über den Umfang der durch den Unfall ver⸗ ursachten Erwerbsunfähigkeit des Verletzten, beziehungsweise über die Höhe der demselben zu leistenden Entschädigung im Wege gegenseitigen Zugeständnisses durch Vergleich zu be⸗ seitigen. Jedoch wird die Bestimmung des Gesetzes (§. 66 Absatz 2), daß eine Entschädigung durch Kapital — abgesehen von ausländischen Entschädigungsberechtigten und von der Wiederverheirathung von Wittwen (§§. 67 und 6 Ziffer 2 Lit. a Absatz 3 a. a. O.) — nicht zulässig ist, in allen Fällen zu beachten sein. Die Entschädigung durch Renten, welche in monatlichen Raten im Voraus zu zahlen sind, bezweckt, die Arbeiter gegen die Folgen von Unfällen wirthschaftlich dauernd sicher zu stellen.
245) Aus Anlaß von Katasterbeschwerden hat das Reichs⸗Ver⸗ sicherungsamt auf Grund des §. 1 Abs. 5 des Unfall⸗ versicherungsgesetzes unter dem 13. November 1886 beschlossen,
daß Kupferschmiedebetriebe, in welchen die Arbeiten überwiegend
nicht zu Hause in der Werkstatt, sondern in Fabriken
(Reparaturarbeiten an Maschinen, Rohrlegungen u. s. w.) ver⸗
richtet werden, in der Regel als fabrikmäßige Betriebe (§. 1
Abs. 1 des Unfallversicherungsgesetzes) anzusehen sind und
demgemäß ohne Rücksicht auf die Zahl der in diesen Betrieben
beschäftigten Arbeiter und auch ohne die Verwendung von
Motoren ec. der gesetzlichen Unfallversicherungspflicht unterliegen.
Diese Entscheidung beruht auf der Erwägung, daß die in Rede stehenden Betriebe, ähnlich wie die Gas⸗ und Wasser⸗ leitungs⸗Installation als Hülfsbetriebe und Abzweigungen an⸗ derer gewerblicher Großbetriebe sich darstellen und mit Ge⸗ fahren verknüpft sind, welche dem Handwerk im Allgemeinen fremd sind. (Vergl. Bescheid 197. „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1886 S. 205.)
An der Königlichen landwirthschaftlichen Hochschule werden, wie in den Winter⸗Halbjahren 1884/85 und 1885/86, so auch im gegenwärtigen Semester Unterrichtskurse für praktische Landwirthe
stattfinden. 8 ““
In der gegenwärtig für die Landwirthschaft schwierigen Zeit er⸗ scheint es ganz besonders erforderlich, alle Hülfsmittel zusammenzufassen, welche wirthschaftlich mit Aussicht auf praktischen Erfolg in Be⸗ tracht kommen können. Mehr als bisher ist es in Folge der drückenden Konkurrenzverhältnisse geboten, Nichts unversucht zu lassen, wodurch die zur Verfügung stehenden Mittel in ihrer ökonomischen Wirkung gesteigert und wirthschaftlich zweckmäßiger verwerthet werden können.
Die von der landwirthschaftlichen Hochschule ins Leben gerufenen Unterrichtskurse sind dazu bestimmt, dem in der Praxis seiner Berufs⸗ thätigkeit stehenden Landwirth die Möglichkeit zu gewähren, sich auf dem Gebiete der neueren wissenschaftlichen Forschungsresultate und der bezüglichen praktischen Erfahrungen auf dem Laufenden zu erhalten und die für die Initiative auf praktischem Gebiete nothwendigen An⸗ regungen zu empfangen, welche unter dem Druck des Lebens und der Betriebsverhältnisse nicht selten verloren gehen und fehlen.
Eine gewisse Bekanntschaft mit den Hauptergebnissen der Land⸗ wirthschafts⸗Wissenschaft ist für die fruchtbringende Theilnahme an diesen Kursen vorauszusetzen, da dieselben in kurzer Zeit ein volles Bild über den gesammten Umfang der bezüglichen Wissenszweige nicht zu geben vermögen, sondern an die allgemeinen Grundlagen der⸗ selben anknüpfend sich über die neueren Ergebnisse und Fortschritte sowie besonders wichtige Fragen und Aufgaben der Gegenwart verbreiten.
Der bisherige Besuch der Kurse ist ein befriedigender gewesen und derselbe läßt darauf schließen, daß das Bedürfniß, mit der Wissenschaft in Verbindung zu bleiben, in weiteren Kreisen mehr und mehr zur Anerkennung gelangt. Die Betheiligung bezog sich nicht nur auf die benachbarten norddeutschen Gegenden, sondern auf zum Theil entfernte Distrikte unseres Vaterlandes und über die Grenzen desselben hinaus. Die Regierung eines auswärtigen Staates hatte im vergangenen Winter⸗Semester sogar zwei besondere Deputirte ent sendet, um von der bezüglichen Einrichtung eingehend Kenntniß zu er⸗ halten.
Wie im vergangenen Jahre sind die Kurse wiederum Monat März, jedoch einige Tage früher, verlegt worden, um jede Kollision mit den Semestervorträgen für die Studirenden zu ver⸗ meiden und den kundgegebenen Wünschen entsprechend möglichst die Vormittags⸗ und Mittagsstunden zu den Vorträgen und Uebungen verwenden zu können.
Die Unterrichtskurse für praktische Landwirthe werden am Dienstag den 1. März 1887 beginnen und am Donnerstag den 10. Maͤrz ge⸗ schlossen werden. Zur Theilnahme an denselben ist Jeder berechtigt, der sich bei dem Rechnungs⸗Rath Müller im Sekretariat der land⸗ wirthschaftlichen Hochschule meldet und unter Nennung seines Namens und seiner persönlichen Verhältnisse das Unterrichts⸗Honorar für die von ihm gewählten Vorträge entrichtet.
Wünschenswerth — wenn auch nicht Bedingung für die Theilnahme an den Kursen oder zu derselben definitiv verpflichtend — ist eine vorgängige schriftliche oder mündliche Meldung mit Bezeichnung der Vorträge, welche der Betreffende anzunehmen wünscht. Die Meldungen werden im Sekretariat, Invalidenstraße Nr. 42, entgegengenommen. An dasselbe sind auch alle etwaigen Anfragen in Betreff der Unterrichts⸗ kurse zu richten. .
Folgende Vorträge werden angemeldet:
1) Geheimer Regierungs⸗Rath Professor Dr. Settegast: a. Standpunkt, Aufgaben und Ziele der deutschen Viehzucht überhaupt und ihrer einzelnen Zweige insbesondere. (8 Stunden.) b. Die Be⸗ urtheilung der Thiere und die Methoden des Preisrichtens auf land⸗ wirthschaftlichen Thierausstellungen. (3 Stunden.)
2) Professor Dr. Orth: Ueber die neuesten Fortschritte in der Verwendung des Stalldüngers und der käuflichen Dungstoffe. (8 Stunden.)
3) Oekonomie⸗Rath Dr. Freiherr von Canstein: a. Ausnutzung der Gewässer durch Fischzucht. (4 Stunden.) b. Anbau und Pflege des Getreides. (4 Stunden.)
4) Dr. Grahl: a. Kartoffelkultur. kultur. (12 Stunden.)
5) Dr. Lehmann: a. Bedeutung, Entwickelung und An⸗ wendung landwirthschaftlicher Fütterungsnormen. (8 Stunden.) b. Aus⸗ gewählte Kapitel über Molkereiwesen (Kritik der besten Centrifugen⸗ systeme. Die Verwerthung der Magermilch. Bereitung von Mager⸗ käse ohne und mit Zusatz von Fett. Die Untersuchungsmethoden der Milch). (6 Stunden.)
6) Ingenieur Schotte: a. Feldbahnen. (3 Stunden.) b. Kartoffel⸗ ernte⸗Maschinen. (3 Stunden.)
7) Garteninspektor Lindemuth: Obstbau. (10 Stunden.)
8) Professor Dr. Kny: Einführung in den Gebrauch des Mikroskops. (12 Stunden.)
9) Professor Dr. Frank: (6 Stunden.)
10) Professor Dr. Wittmack: Botanik und ihre Anwendung auf die Praxis.
11) Geheimer Regierungs⸗Rath Professor Dr. Landolt: Speectral⸗Analyse (mit Experimenten). (2 Stunden)
12) Professor Dr. Gruner: a. Die Bonitirung des Bodens. (3 Stunden.) b. Die mineralischen Düngemittel und ihre landwirth⸗ schaftliche Verwerthung. (3 Stunden.) c. Die geologischen Verhält⸗ nisse des norddeutschen Flachlandes und die geologisch⸗agronomische Kartirung. (2 Stunden.)
13) Professor Dr. Börnstein: a. Das Wetter und seine Voraus⸗ sagung. (8 Stunden.) b. Die elektrische Uebertragung von Arbeits⸗ kraft. (Experimental⸗Vortrag.) (1 Stunde.)
14) Professor Dr. Zuntz: Ueber neuere Forschungen und ihre Bedeutung für die Praxis.
15) Professor Dr. Schmoller: Ueber die Krisis. (4 Stunden)
16) Professor Dr. Alex. Müller: Die Bebandlung der haus⸗ wirthschaftlichen Abfälle in Rücksicht auf Gesundheitspflege, Land⸗ wirthschaft und Industrie. (Private und öffentliche Reinhaltung.) (6 Stunden.)
17) Dr. C. Weigelt: Ueber und Weinfälschung. (6 Stunden.)
Berlin, den 13. Dezember 1886. Der Rektor der “ Hochschule. Orth.
auf den
(6 Stunden.) b. Moor⸗
Wichtige und neue Pflanzenkrankheiten.
Die neuesten Fortschritte in der (6 Stunden.)
thierphysiologische (6 Stunden.)
landwirthschaftliche
Mostbehandlung, Weinbereitung
Nichtamtliches.
Preußen. Berlin, 20. Dezember. Im weeiteren Verlauf der vorgestrigen (13.) Sitzung des Reichs⸗ tages erklärte bei der betreffs der Vertagung des Reichstages sich entspinnenden Debatte der Staats⸗ Minister von Boetticher:
Meine Herren! Ich habe zunächst das Bedürfniß, dem Herrn Abgeordneten zu sagen, daß die Regierungen und Se. Majestät der Kaiser, denen allein das Recht zusteht, den Reichstag aufzulösen, sich zu diesem Ihren Entschlusse von keiner Seite drängen lassen, daß Sie diesen Entschluß fassen werden nach eigener Initiative und nach Maß⸗ gabe der Umstände.
Zweitens habe ich auf einen Widerspruch aufmerksam zu machen, der in den Ausführungen des Herrn Vorredners bezüglich der Militär⸗ vorlage erkennbar wurde. Der Herr Vorredner sagt: wir haben alles bewilligt. Nun frage ich ihn, wo sind die Bewilligungen? Er hat ferner gesagt: wir werden in der zweiten Lesung die Finanzfrage einer sorg⸗ fältigen Erörterung unterziehen. Er will also noch von der Prüfung der Finanzlage seine Bewilligung abhängig machen. Dieser Wider⸗ spruch ist unerklärt. 1