Willen gar nicht anders können, als eine nationale Handels⸗ und Wirthschaftspolitik treiben. Das ist es aber, was unsere freihändle⸗ rischen Fortschrittler wohl wissen und was sie verdrießt, darum muß auch die Eisenbahnverstaatlichung immer wieder herhalten, wenn es sich darum handelt, den Rückgang der wirthschaftlichen Lage zu be⸗ weisen, der in dem Maße bei uns gar nicht existirt. Möchten doch einmal jene internationalen Schwärmer mit offenen Augen im Aus⸗ lande Umschau halten, sich dabei aber von ihren engherzigen An⸗ schauungen nicht blenden lassen, dann würden sie bald finden, daß Deutschland im Vergleich zum Auslande heutzutage mit seiner wirth⸗ schaftlichen Lage wohl zufrieden sein kann — und das ist die Folge einer nationalen, nicht aber einer internationalen Wirthschaftspolitik.
— Wie die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ mittheilt, heißt es in dem für das Jahr 1886 vom Vorsitzenden des „Deutschen Nautischen Vereins“ erstatteten Bericht über die Vorlage, betreffend die Unfallversicherung der Seeleute:
„Die jetzige Vorlage hat zweifellos eine ganze Reihe von Ge⸗ sichtspunkten berücksichtigt, welche vom Deutschen Nautischen Verein und anderer zur Vertretung der Schiffahrts⸗Interessen berufener Seite kundgegeben sind. Es ist jetzt unsere Pflicht, vorurtheilsfrei und sach⸗ lich zu prüfen, inwieweit der Gesetzentwurf im Ganzen und Einzelnen bietet was dem Heile der deutschen Seeschiffahrt entspricht und in⸗ wieweit unbedingt Aenderungen der Vorlage angestrebt werden müssen. Angesichts der weittragenden Bedeutung des Unfallversicherungsgesetzes für die Schiffahrt, läßt sich wohl sagen, daß unser Verein seit seinem Bestehen niemals einer verantwortlicheren Aufgabe gegenüber gestanden hat. Mögen die bevorstehenden Verhandlungen einen dieser Wichtig⸗ keit der Sache entsprechenden Verlauf nehmen!“;
— Den „Wochenberichten der natsschrift für Folgendes:
Zur Lage des Berliner Konfektionsgeschäfts. Berlin, 13. März. Das Geschäft war in jeder Beziehung lebhaft, wir sahen wiederum eine sehr große Anzahl von Käufern, die nach Hunderten zählten, bei uns, hauptsächlich waren sie vom Rhein, von Westfalen, aus London und aus Thüringen. Aber schon haben wir den Höhe⸗ punkt überschritten, denn die letzten Tage brachten eine kleine Ab⸗ schwächung im Verkehr hervor.. .. Lebhaft hat sich auch das Export⸗ geschäft in der vergangenen Woche gestaltet, England sandte sehr be⸗ deutende Ordres auf anschließende Jaquets in Tricotstoffen, auch ein⸗ farbige Tuche in feinen Farben sind dort begehrt. Leider ge⸗ bricht es an Arbeitskräften, um die Aufträge jetzt so schnell wie gewünscht zur Ausführung bringen zu können. Wir hatten Käufer aus Leeds hier, Hebden Brothers, welche Winterordres für Canada ertheilten, wir sahen Einkäufer aus Toronto, Brice, hier, und einen solchen aus Montreal, Macdonald, beide ertheilten ebenfalls Winter⸗ aufträge. Ein Hamburger Kommissionshaus placirte hier zwei Probeordres auf Jaquets und Umhänge, sowie auf Regenmäntel und Paletots in leichten und halbschweren Stoffen und in Kleidern, die⸗ selben sind für Japan bestimmt. Der Hof in Japan hat europäische Kleidung angelegt und man glaubt, daß dieses Beispiel bei dem besser situirten Theile der Bevölkerung Nachahmung finden wird, jedenfalls hat dieser Wechsel in den japanischen Sitten ein in Tokio domizi⸗ lirtes deutsches Importhaus veranlaßt, Versuche anzustellen, ob sich deutsche Konfektion in Japan einbürgern wird... Das amerikanische Geschäft ist nicht sehr bedeutend, es treffen nur kleine Nachordres ein, meistens auf Gazes und Grenadine⸗Umhänge. Die Stofffabrikation hat zwar noch lebhaft zu thun, sie disponirt aber sehr vorsichtig, um nicht nachher mit großen Vorräthen sitzen zu bleiben. Geraer, Greizer, Elberfelder Fabrikate in Reliefdessins sind sehr begehrt; wenn die letzten Wochen die Nachfrage nicht sonderlich hervortreten ließen, ist jetzt der Bedarf wieder stärker, allerdings fehlt vorläufig noch das englische Absatzgebiet, da dort nur Jaquets aus stärkeren Stoffen verlangt werden. Soleils stark offerirt. Man ist im Ertheilen neuer Winter⸗ ordres noch immer sehr vorsichtig. . ..
In der Tricotwaarenbranche sind einzelne Firmen für Amerika noch recht stark (für Taillen und Tricotkinderkleider) beschäftigt, auch für Deutschland liegen zahlreiche Aufträge vor, trotzdem gehen die Ordres ihrem Ende entgegen, so daß, wenn deren nicht bald neue einlaufen, es der großen Arbeitskraft bald an Beschäftigung fehlen wird. Unsere Blicke sind nach England gerichtet, das bis jetzt noch wenig gekauft hat; man erwartet daher aus diesem Lande diejenigen großen Nachordres, welche unsere Fabrikanten im vorigen Jahre so anhaltend beschäftigten..
Wirkwaarenbericht. Chemnitz, 14. März. Strumpfwaaren. Auch die vergangene Woche wurde das Geschäft durch die Ankunft einiger bedeutender Käufer rege gehalten und verliert nicht seinen vor⸗ theilhaften Charakter. In Sohlensocken wird schon wieder viel be⸗ stellt, sodaß in starker Waare darin auf Zeit hinaus manche Fabri⸗ kanten hübsche Aufträge haben. Ebenso wird eine bessere plattiste Waare, die aus Flor und zweifacher Schappe gefertigt ist, wieder mehr gekauft; wir hören von Aufträgen von mehreren hundert Dutzend bei einem Fabrikanten. Die für diese Waaren angelegten Preise lassen auch noch ganz gut Rechnung, und werden nicht so leicht ge⸗ drückt, weil die Artikel nicht in jeder Hand zu finden sind. ... IJIn starken F. M. Socken in Rohgrund mit farbigen Streifen wird stets, wenn die Zeit der Aufträge zur Neige geht, flott weiter gearbeitet, denn man weiß, daß darin der Bedarf doch wieder kommt. Die Preise werden deshalb auch kaum billiger gestellt, wie sie zu anderen Zeiten bezahlt werden, und es kann sich da höchstens um eine ganz kleine Ermäßigung handeln, die bei Abnahme von großen Mengen vielleicht gewährt wird. Auch in Glanzflorstrümpfen und Socken hat man nicht unbedeutend wieder bestellt, wobei das überwiegende Quantum mit †¼ Ma osohle geliefert wird. Strick⸗ waaren bleiben verhältnißmäßig ruhig. Die Patent⸗Kinderstrümpfe werden noch viel mehr angeboten wie gefragt, und sind im Preise sehr reduzirt, sodaß sie wohl auf der niedrigsten Stufe stehen, die der Artikel erreichen kann.
Das Handschuhgeschäft wird in dieser Saison die Fabrikanten nicht befriedigen, denn man kann jetzt schon mit ziemlicher Bestimmt⸗ heit sagen, daß die Aufträge nicht dem Bedarf darnach entsprechen. In einfach 30er Kammgarn und zweifach 64er ist zwar eine ziemliche Nachfrage da, aber was heißt das bei einer Produktionsfahigkeit in dem Umfange, wie sie die heutige Lage der Fabrik aufweist? Daher kommt es denn auch, daß die Posten, welche bestellt werden, zu Preisen zu begeben sind, die noch weit unter denen liegen, mit denen die Saison dieses Jahres eröffnet wurde. Die Befürchtung, daß die Kammgarnstoffproduktion viel zu groß werden würde im Verhältniß zu dem Verbrauch an Stoffen durch die Handschuhfabrikation ver⸗ körpert sich nur zu schnell und wird die Preise bis auf ein Minimum herabdrücken.
w.. . Das deutsche Geschäft nimmt einen stetigeren Zustand an und die Aufträge gehen nicht in großen aber befriedigenden Posten ein....
der Leipziger Mo⸗ Textil⸗Industrie“ entnehmen wir
Gewerbe und Handel.
Aus dem Verwaltungsbericht der Reichsbank für das Jahr 1886 werden folgende Daten mitgetheilt: Der Gesammtumsatz der Reichsbank betrug im Jahre 1886 76 565 423 200 ℳ, im Vorjahre 73 199 039 000 ℳ, d i. mehr 3 366 384 200 ℳ Der Bankzinsfuß berechnet sich im Durchschnitt des ganzen Jahres 1886 auf 3,279 % für Wechsel und auf 3,779 bezw. 4,279 % für Lombarddarlehne. Banknoten sind durchschnittlich 802 178 000 ℳ im Umlauf und mit 86,40 % durch Merall gedeckt gewesen. Im Giroverkehr hat der Um⸗ saß rund 57 230 Millionen Mark und einschließlich der Ein⸗ und
rszahlungen für Rechnung des Reichs und der Bundesstaaten 59 899 Millionen Mark betragen. Am Jahresschluß beliefen sich die Guthaben der Girokunden auf rund 215 776 000 ℳ Der Reserve⸗
19 888 500 ℳ An Wechseln wurden gekauft oder zur Einziehung übernommen 2 197 433 Stück im Gesammtwerthe von 3 671 924 878 ℳ Außerdem sind für Rechnung der Girokunden 738 895 Platzwechsel im Betrage von 932 641 298 ℳ eingezogen. Von den am 31. Dezember 1886 im Bestande gewesenen Diskonto⸗ und Rimessenwechseln waren fällig: binnen 15 Tagen 177 382 600 ℳ, binnen 16 bis 30 Tagen 102 578 300 ℳ, binnen 31 bis 60 Tagen 156 018 400 ℳ und binnen 61 bis 90 Tagen 87 369 400 ℳ An Lombarddarlehnen wurden ertheilt 775 842 450 ℳ und es blieben am Schluß des Jabres aus⸗ geliehen 115 549 350 ℳ Die Wechsel⸗ und Lombardanlage betrug durchschnittlich 447 151 000 ℳ An Zahlungsanweisungen wurden 5536 Stück über 45 451 153 ℳ ertheilt. Bei dem Comtoir für Werthpapiere waren am Schluß des Jahres 1886 148 053 Depots im Nominalwerthe von 1 622 979 813 ℳ in 3567 verschiedenen Gattungen niedergelegt. An Zinsen und Dividenden von den deponirten Effekten sind im Laufe des Jahres 62 412 535 ℳ eingezogen. Der Bruttogewinn für das Jahr 1886 hat betragen 15 923 721 ℳ Hier⸗ von gehen ab: 1) Die Verwaltungskosten mit 6 107 812 ℳ, 2) für Anfertigung von Banknoten 143 522 ℳ, 3) Zahlung an den Preußi⸗ schen Staat gemäß §. 6 des Vertrages vom 17./18. Mai 1875 1 865 730 ℳ, 4) für zu zahlende Notensteuer nach §§. 9 und 10 des Bankgesetzes 35 585 ℳ, in Summa 8152 649 ℳ Es bleibt daher ein Reingewinn von 7 771 072 ℳ, von welchem erhalten: die An⸗ theilseigner 4 ½ % von 120 000 000 ℳ 5 400 000 ℳ, der Reservefonds 474 214 ℳ, zusammen 5 874 214 ℳ; und vom Ueberrest die Reichskasse 948 429 ℳ, die Antheilseigner 948 428 ℳ, zusammen 1 896 857 ℳ Dem Gegwinnantheil der Antheilseigner von 948 429 ℳ tritt hinzu der am Schluß des Jahres 1885 unvertheilt gebliebene Rest von 900 ℳ, sind zusammen 949 329 ℳ, wovon auf jeden Antheil von 3000 ℳ als Restdividende 23,70 ℳ, mithin auf sämmtliche 40 000 Antheile 948 000 ℳ ent⸗ fallen und 1329,30 ℳ der späteren Berechnung vorbehalten bleiben. Die Antheilseigner erhalten hiernach pro 1886 für jeden Antheil von 3000 ℳ zu der bereits empfangenen Dividende von 135 ℳ noch 23,70 ℳ Restdividende, zusammen 158,70 ℳ, mithin einen Ertrag von 5,29 %. — Der Generalversammlung der Preußischen Hypotheken⸗ Aktien⸗Bank wird die Vertheilung von fünf ein halb Prozent Dividende pro 1886 vorgeschlagen werden. Hannover, 17. März. (W. T. B.) Die heutige General⸗ versammlung der Hannoverschen Bank, in welcher 2170 Stimmen vertreten waren, stimmte der vorgeschlagenen Dividende von 5 % zu, ertheilte Decharge und wählte die 4 aus dem Aufsichtsrath aus⸗ scheidenden Mitglieder einstimmig wieder. Köln, 16. März. Der Aufsichtsrath des Schaaffhausenschen Bankvereins schlägt eine Dividende von 4 % für 1886 vor.
v11“ “
Submissionen im Auslande.
— I. Finnland. 15. April, Mittags. Helsingfors. Oberverwaltung für Wege⸗ und Wasserkommunikationen (Oefverstyrelsen för väg- och vatten kommunikationernd).
Für den Bau der Savolaks⸗Eisenbahn
56 Tons Unterlagsplatten, 8
166 Tons Schraubenbolzen mit Muttern, 508 Tons Schienennägel, Spezifikation, Zeichnung, Kontraktbedingungen und Formulare für Angebote können Reflektanten in der Kanzlei der genannten (Bau⸗) Behorde erhalten.
Nähere Bedingungen in englischer Sprache in der Expedition des „Reichs⸗Anzeigers“. II. Italien.
1) 22. März. Direzione Telegrafi zu Reggio in Kalabrien:
9000 Stück Telegraphenstangen. Voranschlag 86 500 Lire.
2) 28./29. März. R. Polverificio (Pulverfabrik) zu Fossano:
Treibriemen, Leder, Bretter, Sparren, Stabeisen,
Eisendraht und Nähseide. Voranschlag 21 930 Lire.
-3.) 2. April. Direzione costruzioni navali R. Marina in Spezia:
1300 — 1600 cbm Mulmein⸗Teakholz. Voranschlag 400 000 Lire.
Depot 40 000 Lire. Lieferung in Spezia, Neapel und Venedig.
Ferner in Aussicht stehend:
4) Direktion der Adriatischen Eisenbahn⸗Gesellschaft in Florenz:
Anlage eines zweiten Schienengeleises für die Station S. Vito
Lanciano, Linie Ancona — Foggia. Voranschlag 15 000 Lire.
5) Bau eines Zellengefängnisses zu 226 Zellen in
Brescia. Voranschlag 1 Million Lire in runder Summe. 8 Näheres an Ort und Stelle. 8
III. Niederlande. 8
1) 21. März, Nachmittags 2 ½ Uhr. Gemeinde⸗Gasfabrik zu
Delft, Provinz Süd⸗Holland: Lieferung von 76 000 hl Gaskohlen.
Auskunft an Ort und Stelle.
2) 22. März. „Büreau voor de Plaatselyke Werken“ im „Tim⸗
merhuis“ zu Rotterdam: Lieferung von 30 000 kg Gießblei zur Ver⸗
bindung von eisernen Röhren. Auskunft an Ort und Stelle.
3) 26. März. Vereinigung „Landbruwbelang“ zu Tholen, Provinz
Süd⸗Holland: Lieferung von 4000 kg Chili⸗Salpeter. Auskunft an
Ort und Stelle.
4) 4. April, Vormittags 11 Uhr. Bürgermeisteramt von Opster⸗
land im Gemeindehause zu Beetsterzwaag, Provinz Friesland: Liefe⸗
rung einer eisernen Drehbrücke für Kortezwaag. Auskunft an Ort
Verkehrs⸗Anstalten.
Hamburg, 16. März. (W. T. B.) Der Postdampfer „Moravia“ der Hamburg ⸗Amerikanischen Packet⸗ fahrt⸗Aktiengesellschaft ist, von Hamburg kommend, heute Morgen in New⸗York eingetroffen. 111““
“
Italien. 1887. See⸗Sanitäts⸗Verordnung Nr. 2.
Das Königlich italienische Ministerium des Innern hat unterm 8. März 1887 Folgendes verfügt: 1) Alle Schiffe, welche vom 8. März d. J. ab von Sizilien nach irgend einem Punkte des Festlandes oder der anderen Inseln bestimmt sind, werden, falls während der Fahrt verdächtige Krankheitsfälle an Bord nicht vorgekommen sind, einer fünftägigen, in den Quarantäne⸗ Stationen zu Tarant, Gaeta, Porto Santo Stefano, im Golf von Cagliari und in den Alberonen (Venedig) erfolgenden Beobachtung unterworfen. 8 .2.,) Diejenigen Schiffe, welche vom 8. März d. J. ab von einem infizirten Hafen Siziliens nach einem nicht infizirten Hafen derselben Insel gehen, haben eine gleiche Quarantäne in der Station des Küstenforts bei Augusta abzuhalten; sie werden dort vollständig isolirt und müssen wieder in See gehen, ohne mit dem Lande in Berührung gekommen zu sein. 3) Die unter 2 bezeichneten Schiffe können nach Vollzug der Quarantäne in dem Bestimmungsorte zum freien Verkehr und zum Ausladen zugelassen werden, ohne daß eine weitere sanitätspolizeiliche Maßregel Platz greift, sofern auch während ihrer letzten Ueberfahrt der Gesundheitszustand unverändert geblieben und unter den an Bord befindlichen Personen eine verdächtige Erkrankung nicht vor⸗ gekommen ist. 4) Schiffe, auf welchen während der Ueberfahrt oder während der Beobachtung choleraartige oder verdächtige Erkrankungen bezw. Todesfälle vorkommen, sind nach dem Lazareth von Asinara oder nach demjenigen von Poveglia zu dirigiren, um dort die strenge Quarantäne von 21 Tagen abzuhalten.
Griechenland.
fonds ist um 474 214 ℳ gestiegen und beträgt nunmehr 22 872 155 ℳ Die Grundstücke hatten am 31. Dezember 1886 einen Buchwerth von
Sizilien einer fünftägigen Beobachtungsquarantäne unterworfen.
“ 1 se
Die unterm 4. März 1887 getroffene gegen sämmtliche Provenienzen aus Sizilien eine siebentägige Quarantäne angeordnet war, ist durch Beschluß des Gesundheitsratöe zu Tunis vom 6. März 1887 dahin abgeändert worden, daß die für die tunesischen Häfen vornämlich in Betracht kommenden Provenienzen aus Palermo, sowie diejenigen des übrigen Sizilien einer 24stündigen medizinalpolizeilichen Beobachtung unterworfen, für Catania die er⸗ wähnten Bestimmungen vom 4. März d. J. dagegen in Kraft be⸗
“
82
11
Berlin, 17. März 1887.
und Bega sind in raschem Steigen begriffen. Es sind geeignete vee cin getroffen, um nach Möglichkeit Wasserschäden zu verhüten.
Zanzibar, 14. März. (A. C.) Hier eingegangene Nachrichten besagen, daß Emin Pascha vor fünf Monaten nach ee- gangen sei, daß König Mwanga ihm und seinem Gefolge aber ver⸗ oten habe, das Gebiet zu betreten. Emin Pascha habe darauf ver⸗ sucht, durch Karagwa, am westlichen Ufer des Victoria⸗Nyanza, vor⸗ zudringen, aber vergebens, worauf er nach Waddelai zurückgekehrt sei, nachdem er eine Abtheilung Soldaten in Unyoro unter dem Befehl des Hauptmanns Casati, des einzigen Europäers, welcher sich bei ihm befindet, zurückgelassen habe.
Zanzibar, 14. März. (A. C.) Hier von Uganda eingetroffene, vom 24. Januar datirte Nachrichten melden, daß die Junker'sche Karawane wohlbehalten zu Emin gestoßen ist. Der Bote brachte Elfenbein mit. Emin Pascha befindet sich wohl.
Die Notiz des „Berliner Fremdenblatts“ über Verhandlungen zwischen der General⸗Intendantur der Königlichen Schau⸗ spiele und dem Kapellmeister Seidl schon vor den Verhandlungen mit Kapellmeister Mottl ist, wie wir von maßgebender Seite erfahren, insofern unrichtig, als von einer ersten Kapellmeisterstelle nie die Rede gewesen ist, noch überhaupt sein kann, da eine erste derartige Stelle bei der Königlichen Oper garnicht existirt, die Kapellmeister vielmehr einander coordinirt sind.
Für die Kaisertage erhält das Deutsche Theater außer der vorbereiteten Festvorstellung noch eine eigenartige Aus⸗ schmückung des Zuschauerraums welche die feierliche Stimmung des Tages in sinniger Weise veranschaulichen soll. Sodann wird sich an die Darstellung des Volksstücks „Kornblumen“ noch eine Hul⸗ digung von spezifisch militärischem Charakter anschließen, welche den entsprechenden Vorgang mit den Mitteln der Wilkklichkeit selbst wiedergiebt.
Walhalla⸗Theater. Ihre Königlichen Hoheiten die Prin⸗ zessin Friedrich Carl und die Erbgroßherzogin von Oldenburg beehrten die gestrige Aufführung der Operette „Die Marketenderin“ mit Ihrer Gegenwaar.
1
Die Violinistin Frl. Madge Wickham wird unter Mitwirkung des Concertsängers Hrn. Albert Paulet und des Orchesters der Philharmonischen Gesellschaft unter der Leitung des Professors Karl Klindworth am Sonnabend, den 19. d. M. (7 ½ Uhr), im Saale der Sing⸗Akademie ein Concert veranstalten.
Frl. Valerie Paoli, eine noch sehr jugendliche Sängerin, gab gestern in Gemeinschaft mit dem Baritonisten Hrn. Walter Presting im Saale des Hotel de Rome ein Concert, in welchem sich Beide zum ersten Mal vor dem hiesigen Publikum hören ließen. Frl. P. besitzt eine zwar nicht umfangreiche, aber in der Mittelkn e recht wohlklingende Mezzosopranstimme. Reine Intonation und sehr deutliche Aussprache zeugen von sorgfältigen Studien; nur muß die Sängerin noch eine größere Beherrschung der höheren Töne (vom zweigestrichenen E an aufwärts gehend) zu erreichen suchen. Unter den vorgetragenen Liedern gelangen Weber's „Schneeglöckchen“ und „Mein Schatz ist auf der Wanderschaft“, von Franz, am besten, während der Vortrag der „Widmung“ von Schumann viel zu wünschen ließ. Hr. Presting gebietet über eine sehr umfangreiche, bis in die Tenor⸗ lage hinaufgehende Stimme, der es jedoch in der Tiefe an Wohl⸗ klang fehlt; auch mus die Ausgleichung und Verschmelzung des Fal⸗ setts mit den Tönen des Brustregisters noch durch fortgesetzte Stu⸗ dien erlangt werden. Mit sehr lebendigem und dramatischem Aus⸗ druck trug Hr. Presting die Arie aus dem „Maskenball“ von Verdi vor, während unter den Liedern „Alt⸗Heidelberg“ von Jensen den meisten Beifall fand. — Die bereits vortheilhaft bekannte Pianistin Frl. Leubuscher unterstützte das Concert durch die sehr gelungene Ausführung einiger Piecen von Mendelssohn, E. Taubert, Liszt und Rubinstein. Reicher Beifall wurde ihrem Spiel, sowie den Leistun⸗ gen ihrer Kunstgenossen zu Theil.
Im Circus Renz fand gestern eine große Komiker⸗Vor⸗ stellung statt, welche den beliebten Clowns des Instituts Gelegen⸗ heit geben sollte, ihre Künste und Fähigkeiten einmal in hervorragender Weise dem Publikum zu zeigen. Es gelang ihnen denn auch, die Lachlust desselben vollauf zu befriedigen und den altbewährten Ruf der Renz'schen Clowns durch ihre Leistungen aufs Neue zu befestigen. Die sechs Pierrots mit ihren drolligen Vorführungen, die Damen⸗ kapelle, die Kavallerie zu Fuß, welche nie ihre Wirkung versagt, ins⸗ besondere das komische Entrée des beliebten Clowns Hrn. Godlewski fanden den aufrichtigen Beifall der Zuschauer; auch das von der Geschicklich⸗ keit der Ausführenden zeugende Hutwerfen und andere Pidcen erregten wie immer das Staunen derselben. So gestaltete sich diese Vor⸗ stellung zu einer besonders lustigen, namentlich da die bewährte Panto⸗ mime „Die lustigen Heidelberger“, bei welcher das gesammte Personal des Circus betheiligt ist, wiederum den Glanzpunkt des Abends bildete. Aber auch die anderen Rummern des Programms boten des Anziehenden genug. Frl. Helene Wagener, deren erstes Auftreten vor einigen Tagen mit großem Beifall erfolgte, giebt weitere Beweise dafür, daß der Circus an ihr eine schätzenswerthe Kraft gewinnt, welche bei weiterer tüch⸗ tiger Schulung den schwierigsten Aufgaben gewachsen sein wird. Die von Hrn. Fr. Renz in Freiheit dressirten zwölf Schimmelhengste zeigen in ihren Produktionen die hohe Intelligenz des Pferdes. Die Vorführung des arabischen Vollbluthengstes „Agat“, welcher als Feuerpferd dressirt ist, macht dem eben genannten Herrn alle Ehre. Hr. Oscar Renz ritt den „Non plus ultra“, einen Fuchshengst, tadel⸗ los in der hohen Schule. Hr. und Frl. Hager, in ihren Vorführun⸗ gen edler Reitkunst, erfreuen nach wie vor durch ihre trefflichen Leistungen. Die Luftgymnastikerin Maggie Claire führt noch immer mit gleichem Beifall ihre Künste vor.
Redacteur: Riedel.
Verlag der Expedition (Scholz). 1“
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 2Z. 1
Fünf Beilagen
Berlin:
Die Königlich griechische Regierung hat die Provenienzen aus
nschließlich Börsen⸗Beilage).
Maßregel, durch welche
lassen werden l... ö1“
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Temesvar, 16. März. (W. T. B.) Die Flüsse Temes
Reichs⸗An
1“]
Erste Beil
Berlin, Donnerstag, den 17. März
zeiger und Königlich Preuß
1887.
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Nichtamtliches.
Berlin, 17. März. Im weiteren Verlauf (9.) Sitzung des Reichstages erklärte den Abgg. Hitze und Lohren ge⸗ der E der
ren: Die Reichspartei habe ihre früheren Anträge
I. Fo⸗ um ihre Shrhans nochmals zu präzisiren und könne mit Genugthuung konstatiren, daß ihre Anträge, ein⸗ stimmig in der vom Reich eingesetzten Arbeiterschutzkommission acceptirt und auch im Lande überall als recht und billig aufgenommen worden seien. Sie würden nirgends
Preußen. der gestrigen bei ger Berathung der von stellten Anträge, betreffs
auf Widerstand stoßen, vorausgesetzt, daß die Befreiungen, welche darin für jugendliche Arbeiter enthalten seien, auch auf die arbeitenden Frauen ausgedehnt würden. Dies erreiche ihr Antrag damit, daß eine betreffende Bestimmung dem 17136 einverleibt werde, auf welche sich §. 139a im Wesent⸗ sihnn beziehe. Daß große Mißstände in Betreff der Aus⸗ beutung der Frauenarbeit besonders zur Nachtzeit noch be⸗ ständen, zeige deutlich der letzte Bericht der Fabrikinspektoren. Besonders in Zeiten eine ungebührliche man daher schon Falle der Ablehnung verbündeten Regierungen, nicht de chs diesen Anträgen, betreffend die Frauenarbeit, habe di Kommission im voxrigen Jahre noch zwei Beschlüsse über Kinderarbeit gefaßt, und er sei von seiner Partei beauftragt, zu erklären, daß sie den dort vorgeschlagenen Abänderungen der Gewerbeordnung soweit beistimme, daß vierzehnjährige Kinder in keinem Gewerbe gegen Lohn beschäftigt und in keiner Fabrik angenommen werden dürften, so ch schulpflichtig seien. Was den Normalarbeitstag und die zwangsweise Regelung der Männerarbeit betreffe, so sei seine Partei überzeugt, daß in diesem Punkte für jeden Industriezweig besondere Regelung erfolgen müsse. Sie sei ferner der Meinung, daß es nicht mehr. lange dauern werde, bis die betreffenden Industrien sich selbst an diese Regelung machten; sie würden dazu gezwungen werden durch die Ueberproduktion, durch die humanen und sozialen Pflichten, welche die Arbeitgeber ihren Arbeitern gegenüber haben müßten. Es seien auch derartige Versuche in ver⸗ schiedenen Industrien bereits gemacht, so z. B. in der Eisen⸗ industrie, den Kohlenwerken, der Spiritusfabrikation, welche letztere gegenwärtig noch im Gange seien. Die so versuchte Kontingentirung der Produktion schütze vor übermäßiger Aus⸗ beutung. Er habe früher darauf hingewiesen, daß die Berufs⸗ genossenschaften wesentlich diese Aufgabe erfüllen müßten, da sie durch ihre Kontrole der Unfälle genau erfahren könnten, wie lange in jeder Fabrik gearbeitet werde. Eine Regelung der Produktion durch die Berufsgenossenschaften erscheine aus dem Grunde von Bedeutung, weil so allein eines der großartigsten sozialen Probleme gelöst werden könne: das Recht auf Arbeit. Jeder Arbeiter er Nothwendigste zum Unterhalt verdienen könne, einer Fabrik oder auf einem Rittergute arbeiten. ter⸗ stützung in Krankheitsfällen nütze ihm nichts, wenn eer nicht reichlichen Verdienst habe, so lange er gesund sei. Es müsse schließlich zu einem Gesetze kommen, welches bestimme, daß,
der Frauenarbeit, de Riegel vorschieben müsse. treffe alle Schuld die den Reichstag. Außer
Ausnutzung jetzt einen
möge er in Alle Unter⸗
wenn 50 bis 80 Proz. der Arbeitgeber sich zu einer Konvention
sammenschlössen, um die Produktion zu regeln, die anderen helweten 8 Dann höre die Ausbeutung der Arbeiter auf. Eine solche Regelung wäre himmelweit erhaben über die schablonenhafte Regelung nach den beiden Anträgen Hitze. Betreffs der Sonntagsruhe habe der Abg. Hitze die Beschlüsse der Arbeiterschutzkommission vom 6. Mai 1885 dem Hause unverändert vorgelegt, während er doch die von der Regierung ausgearbeiteten Denkschriften hätte eingehend studiren müssen, aus welchen sich ergebe, daß die Frage der Sonntagsruhe in den einzelnen Bundesstaaten gesetzlich bereits ganz gut geregelt sei. Wenn seine Partei sonach dem Antrage über die Frauen⸗ und Kinderarbeit theilweise zustimmen könne, ferner überzeugt sei, daß eine sofortige Regelung der Maximalarbeits⸗ zeit auf falsche Bahnen führe, während die Sonntagsruhe demnächst von der Regierung durch ein Gesetz geregelt werden würde, so bleibe nur der vierte Punkt, die Werkstätten, noch übrig. Der Antrag Hitze wolle in dieser Beziehung unter das Fabrikgesetz alle Werkstätten stellen, wo elementare Kräfte verwendet würden. Dieser Antrag in dieser Richtung gehe weiter, er stelle einfach alle Werkstätten unter das Fabrikgesetz, er wolle alle die kleinen Ausbeuter treffen, die sich bisher dem Lehrlings⸗ und dem Fabrikgesetz entzogen hätten.
Der Abg. Harm bedauerte, daß bei so wichtigen Anträgen
der Bundesrathstisch so leer, auch das Haus so schwach besetzt sei; dies müsse im Lande einen üblen Eindruck machen. Be⸗ züglich der Anträge Hitze und Genossen wolle er zugeben, daß manches Gute darin sei, womit er und die übrigen sozial⸗ demokratischen Abgeordneten durchaus sich einverstanden erklären müßten. Zu bedauern sei aber, daß die Herren nicht entschieden weiter gingen, da doch die eminenten Nothstände schon seit Jahren Abhülfe verlangten. Man gehe wie die Katze um den heißen Brei herum. Die vorgeschlagene Beschränkung der Kinderarbeit betreffe ohne Zweifel einen sehr wunden Punkt. Man weise mit besonderer Vorliebe auf die Rohheit der Fabrikarbeiter hin. Diese habe einen sehr natürlichen Grund: wenn die Kinder so frühzeitig der Volksschule entrissen würden, um in Fabriken zu arbeiten, so lernten sie dort wohl arbeiten, aber was weiter bei den Ein⸗ flüssen ihrer Umgebung aus ihnen würde, davon schweige des Sängers Höflichkeit. Man wisse, daß die Fabriken eine Hauptschuld an dem beregten Uebelstand tragen, ja, daß sie oft der Herd des Verbrechens seien. Daher halte seine Partei dafür, daß Kinder unter 16 Jahren überhaupt nicht fabrikmäßig beschäftigt werden dürften. Die Kinder müßten so lange wie irgend möglich dem schweren Joch der Fabrik⸗ arbeit entzogen bleiben. Gerade in dem Alter ihres stärksten Wachsthumes und ihrer körperlichen Entwickelung würden sie jetzt in Textilfabriken eingesperrt, die vorzugsweise gesundheits⸗ schädlich auf die Jugend einwirkten. — Ein fernerer sehr wunder Punkt sei die Beschäftigung der Frauen. Er wolle
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durchaus nicht behaupten, daß überhaupt weibliche Arbeiter nicht im industriellen Leben verwendet werden sollten; denn sie seien als Mitglieder der menschlichen Gesellschaft ja ver⸗ pflichtet, auch zu ihrem Theile sich nützlich zu machen. er möchte ebenso gut auch wünschen, daß die Frauenarbeit mehr beschränkt würde auf das gerechte Maß. Wenn man sage: sie dürften unter keinen Umständen länger als 8 Stun⸗ den beschäftigt werden, dann könnten sie immer noch im Hause sich nützlich machen, — dann sei es jedenfalls doch noth⸗ wendig, daß die verheiratheten Frauen aus den Fabriken ganz verbannt würden. Die verheirathete Frau gehöre in das Haus, das sie dem arbeitenden Mann angenehm machen solle, während heutzutage leider das Gegentheil hiervon der Fall sei. Heute machten die verheiratheten Frauen ihren Männern Kon⸗ kurrenz. Diese Frauen seien dann gezwungen, ihre Kinder der Verwahrlosung durch Herumtreiben auf der Straße zu überlassen. Das seien traurige Zustände, deren Beseitigung zu den dringlichsten Aufgaben gehören sollte. Der Abg. Lohren habe bereits darauf hingewiesen, daß in England am Sonn⸗ nur bis zum Nachmittag gearbeitet werde, und an Feiertagen überhaupt nicht gearbeitet werden dürfe. Es wäre aber ein großer Fehler, wenn es etwa dem Bundesratb über⸗ lassen bleiben sollte, in jedem Falle zu ermitteln, welche In⸗ dustriezweige Ueberstunden haben müßten und welche nicht.
lungen den Arbeiterkammern — welche seiner Zeit doch sicher einmal würden eingeführt werden — zu überlassen. Nur diese Kammern würden die Mittel und Wege finden, auf welche Weise sich die Unterscheidung betreffs der Ueberstunden ermöglichen ließe. Seine Partei wolle durchaus nicht behaupten,
Zeitumstände und Zustände eintreten, welche solches unbedingt erforderlich machten. Aber dann sollte die Regelung der be⸗ treffenden Verhältnisse doch nur den Arbeiterkammern über⸗ tragen werden, nicht dem Bundesrath. In Betreff des An⸗ trages Hitze hätte er (Redner) gewünscht, daß derselbe dahin gestellt worden wäre, daß eine zehnstündige ei die normale für alle Zweige bezeichnet werde. Denn man sehe bereits heute, daß diese Zehnstundenarbeit sich immer mehr einbürgere, und er halte es nicht für zweckmäßig, daß der Reichstag in seiner Humanität hinter den einzelnen Arbeit⸗ gebern zurückbleibe, welche die Arbeitszeit bereits so weit reduzirt hätten. der Te die beiter vielfach geschunden mit oft vierzehn und mehrstündiger Arbeit. Deutschland könne nicht allein den Maxrimalarbeitstag einführen, sage man, aber er meine, Deutschland sei doch im Stande, auf internationalem Wege eine Vereinbarung mit den anderen Staaten zu erzielen. Dem Fürsten Reichskanzler sei ja sonst so viel möglich gewesen; er (Redner) zweifle nicht, daß mit seiner Initiative sich die anderen Staaten dem Rufe des Pflichtgefühls nicht entziehen würden, da sie ohnehin ein⸗ mal nothgedrungen sich auf diesen Normalarbeitstag würden hingewiesen sehen. In
der Schweiz hätten Fabrikanten gesagt: Ja, sie könnten die Arbeitszeit nicht reduziren, und doch sei Staaten müsse nachgewiesen werden, daß das Volk ganz und gar dafür eingenommen sei. Der Staat habe überdies die Pflicht der Intervention, um die ungebührliche Freiheit, d. h. Willkür des Einzelnen gegenüber der Gesammtheit zu beschneiden, und schon hätten auch einzelne Arbeitgeber gesagt, sie wollten lieber mit weniger Profit arbeiten, aber dafür ihren Arbeitern die nöthige Ruhezeit gönnen. Um der Ausbeutung auf diesem Gebiet, und auch der Schundkonkurrenz vorzubeugen, seien eben gesetzliche Bestimmungen über die Arbeitszeit unerläßlich. Wenn man das Koalitionsrecht der Arbeiterbevölkerung freilich dermaßen beschränke, wie es heute unter dem Minister von Putt⸗ kamer geschehe, so werde es dem Volke unmöglich gemacht, an der Reform der Arbeitszeit mitzuarbeiten. Die Beschränkung des Ver⸗ sammlungsrechts werfe zugleich ein grelles Licht auf die heutige Sozialreform; das Volk vermöge nicht daran zu glauben, daß es der Regierung und dem Reichstage wirklich damit Ernst sei, wenn diese Reform sich lediglich als eine Polizeireform erweise. Nur durch eine Reform, die vom Volke selbst aus⸗ gehe, werde ihm geholfen, sonst aber niemals.
Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, gierungs⸗Rath Lohmann bemerkte: 1 8
Meine Herren! Obwohl es nicht richtig ist, wenn der Herr Vorredner aus der geringen Zahl der Vertreter der verbündeten Re⸗ gierungen, welche hier gegenwärtig sind, auf das Interesse derselben an der hier zur Berathung stehenden Angelegenheit schliest, so will ich doch nicht unterlassen, mitzutheilen, daß der Herr Staatssekretär des Innern nur durch unaufschiebliche Geschäfte verhindert ist, heute hier anwesend zu sein 9 b Im Uebrigen gestatte ich mir nur zu den Aeußerungen des Hrn. Abg. Lohren zwei Bemerkungen, um keine Mißverständnisse aufkommen zu lassen. Der Hr. Abg. Lohren hat gesagt: Wenn der Erlaß von Bestimmungen, wie sie auf Nr. 37 der Drucksachen verzeichnet sind, länger verzögert und dadurch später größere Unzuträglichkeiten entstehen würden, als das jetzt der Fall sei, so trügen ausschließlich die verbündeten Regierungen die Schuld, weil sie nicht rasch genug den Beschlüssen des Reichstages beigetreten seien. Ich möchte dem gegenüber konstatiren, daß bis jetzt noch nie ein Beschluß des Reichs⸗ tages, diese ebat gehabt hätte, den ver⸗ ündeten Regierungen vorgelegen hat. 1 ““ 8 En so gnöchte ich 3 daß es nicht richtig ist, wenn der Hr. Abg. Lohren gesagt hat, die verbündeten Regierungen bätten die Vorlegung eines Gesetzes über die Sonntagsarbeit versprochen, nack⸗ dem die Enquete beendet sein würde. Ein solches Versprechen ist niemals abgegeben worden. Der Herr Reichskanzler hat diese Enguete veranlaßt, um sich über die Frage zu instruiren, und hat nur in Aus⸗ sicht gestellt, daß diese Frage, nachdem die Enquete vorliegen würde, geprüft werden solle. 8 8
Der Abg. Dr. Buhl äußerte: Jeder Parteiunterschied trete bei diesen Fragen zurück; es sei allein zu eprüfen, welche Wirkung die vorgeschlagene Gesetzgebung auf die Arbeiter üben werde. In England habe sich die Feststellung der Arbeitszeit in der Hauptsache durch Uebereinkunft der Arbeit⸗ geber und der Arbeiter geregelt, und zwar sei dieser Streit dort zu einer Zeit ausgekämpft worden, wo die Lage des Weltmarktes und der Industrie eine wesentlich andere als heute gewesen. In der Schweiz schienen sich nach den Berichten der Fabrik⸗Inspektoren die Bestimmungen über die Normal
Geheime Re⸗
Aber
Es wäre vor allen Dingen nothwendig, gerade diese Ermitte⸗
auch
daß überhaupt nicht Nachts gearbeitet werden solle. Es könnten ja
Arbeitszeit als
Gerade in der Textilarbeit würden die Ar⸗ N g dief — e 2. könnten vielleicht die Arbeiter⸗
die 11stündige Arbeitszeit durchgeführt worden. Den anderen
V
arbeitszeit mehr einzuleben, indessen sei sie da noch nicht aus⸗ nahmslos durchgeführt. In Oesterreich gingen die Ausnahmen noch so weit, daß die Durchbrechung der Regel noch das Ge⸗ wöhnliche sei. Zu erwägen bleibe, wie weit durch Beschränkung der Arbeitsgelegenheit die ökonomische Lage der Arbeiter be⸗ einflußt werde. Von Vielen werde behauptet, daß bei Ab⸗ kürzung der Arbeitszeit durch intensivere Arbeitsleistung das⸗ selbe Arbeitsresultat werde erreicht werden; aber auch sie meinten, daß eine Uebergangszeit nothwendig sei. Es würde ob man gegenwärtig eine derartige
deshalb zu prüfen sein, artig Uebergangszeit riskiren könne, und welche Vorsichts⸗ ; angszeit anzuwenden
maßregeln zur Ueberwindung der Uebergangszeit anzuwender seien. Wenn aber jene Behauptung nicht richtig sei, so müsse seine Partei fragen, wer bei eintretender Abkürzung der Arbeitszeit den Ausfall trage. Nach der Lage der einzelnen Betriebe werde diese Frage verschieden beantwortet werden können. Sie wäre leicht zu beantworten, wenn nur der deutsche Markt für die deutsche Industrie in Betracht käme. Sie sei aber mit 4 ½ Milliarden an dem Weltmarkt betheiligt und deshalb darauf angewiesen, mit Industrie der übrigen Länder zu konkurriren. Gerade die weniger potenten Industrien würden diejenigen sein, die unter den Fehlern der Gesetzgebung am meisten litten. Man habe nicht zu vergessen, daß man über das, was in Deutschland für die Arbeiter geschehen, in der Belastung der deutschen Industrie nicht gut hinausgehen koͤnne. Er erinnere an die Belastung durch die Kranken⸗ und Unfallversicherung, und der Staatssekretär von Boetticher habe ja auch die Durchfüh⸗
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rung der Altersversorgung schon für die nächste Zeit in Aus⸗
Eine Altersversorgung aber ohne kräftigere der Arbeitgeber könne er sich nicht gut denken. Regelung der Frage
sicht gestellt. Heranziehung der Arbeit, b Es sei dann auf eine internationale
hingewiesen worden. Der Gedanke habe etwas Verführerisches.
Aber wenn die kontrahirenden Länder von den Abmachungen abgingen, — was für Mittel habe man dann, um sie zur Durchführung der Vereinbarungen zu zwingen? Seit der letzten Berathung über diese Frage sei insofern ein Novum hinzugekommen, als man eingehende Berichte der Fabrik⸗ inspektoren über die Lage der Arbeiter habe. Es seien danach Mißstände vorhanden, deren Beseitigung in ernstliche Er⸗ wägung gezogen werden müsse. Er möchte anregen, ob nicht die Berufsgenossenschaften zur Mitwirkung bei Regelung dieser Verhältnisse einzuladen wären. bei den Genossenschaften errichteten Ausschüsse gehört werden. England, wo die Regelung durch freies Uebereinkommen zwischen den Arbeit⸗ gebern und Arbeitern erfolgt sei, sei besser daran als Deutsch⸗ land, wenn es sie im Wege der Gesetzgebung vornehme. Wenn die Arbeiter dort sähen, daß die Arbeitsgelegenheit ab⸗ nehme, so könne eine Aenderung des Uebereinkommens leichter eintreten, als wenn der ganze schwerfällige Apparat der Ge⸗ setzgebung in Bewegung gesetzt werden müsse. Was die Frauen⸗ arbeit betreffe, so sei es gewiß erstrebenswerth, die verheira⸗ theten Frauen, besonders wenn sie Kinder zu erziehen hätten, von der Fabrikarbeit zu befreien. Es frage sich aber, gb das nicht in manchen Arbeiterkreisen die allerschlimmsten Folgen nach sich ziehen würde. Dagegen aber müsse er sich prinzipiell aussprechen, die Arbeitszeit der verheiratheten Frauen auf 6 Stunden zu normiren; sie würden dann, wenn überhaupt, nur unter ganz ungünstigen Bedingungen und zu niedrigem Lohn Beschäftigung finden. Wo Nachtarbeit der weiblichen Arbeiter stattfinde, beständen durchweg zwei Schich⸗ ten. Würde die Nachtarbeit gänzlich beseitigt, so würde die eine Schicht, also die Hälfte der weiblichen Arbeiter, überhaupt außer Dienst gesetzt werden. In der Beschränkung der Kinder⸗ arbeit werde Deutschland kaum von einem anderen Kulturland übertroffen. 1883 habe man nur 18000 in den Fabriken be⸗ schäftigte Kinder gehabt, ebenso 18841. Die Beschäftigung von Kindern spiele also kaum mehr als die Rolle der Ausnahme, die der Hitze'sche Antrag zulassen wolle. Schließe man die schulpflichtigen Kinder von der Arbeit in den Fabriken gänzlich aus, so würden sie nur um⸗ somehr in der Hausindustrie beschäftigt werden, wo sie nach den Klagen der Fabrikinspektoren auf jede beliebige Zeitdauer, nicht selten ganze Nächte hindurch und den ganzen Sonntag arbeiteten. Die Kommission werde sich der Aufgabe nicht entschlagen können, zu prüfen, ob die Fabrikgesetzgebung nicht auf die Hausindustrie auszudehnen sei. Dem Antrage auf Ueberweisung der gemachten Vorschläge an eine Kommisston schließe er sich an und wolle wünschen und hoffen, daß diese wichtige Frage dort in einer für die Arbeiterbevölkerung segensreichen Weise geregelt werde. 1“ Der Abg. Baumbach erklärte: Er habe gegen eine Kom⸗ missionsberathung nichts einzuwenden, wenn er auch sagen müsse, daß die früheren Kommissionsberathungen zu keinem besonders gedeihlichen Resultat geführt hätten. In der Frage der Sonntagsruhe sei die Kommission geradezu festgefahren, und es sei eine Erlösung, daß ihr die Enquete zu Hülfe komme. Gegen eine einheitliche Lösung dieser Frage habe ge⸗ wiß Niemand etwas einzuwenden, aber es frage sich, in welchem Umfange und von welchen Behörden die Ausnahmen statuirt
werden sollten und wie die Sonntagsruhe mit den wirthschaftlichen und sozialen Verhältnissen in Einklang zu bringen sei. Ein ab⸗ schreckendes Beispiel biete die österreichische Gesetzgebung. Dort seien einige große Prinzipien in das Gesetz aufgenommen, die Feststellung der Ausnahmen aber sei der Ministerial⸗ instanz überlassen. Diese habe nun nicht weniger als 27 Kategorien von gewerblichen Betrieben aufgeführt, in welchen eine Feststellung der Sonntagsarbeit unthunlich sei. Man frage sich danach, welche Sonntagsarbeit dann üͤber⸗ haupt noch verboten sei. Einen ähnlichen Weg betrete der Antrag Hitze. Er mache sich die Sache sehr leicht; er wolle das Verbot der Sonntagsarbeit als Grundsatz gesetzlich fest⸗ legen und überlasse das Weitere, die Feststellung der Ausnahmen, dem Bundesrath; der möge zusehen, wie er damit zurecht komme. Damit werde dieser kaum einverstanden sein. Er glaube, man werde sich auch über die Ausnahme⸗ bestimmungen schlüssig machen müssen. In Bezug auf die Kinder⸗ arbeit habe man ihm namentlich in der Wahlbewegung sozial⸗