für die Verstaatlichung des Feuerversicherungswesens — der Immobiliar⸗ wie auch der Mobiliarversicherung — aufgethürmt haben, daß ich für meine Person in diesem Angenblick mich bescheiden muß, daß ich noch nicht mit voller Klarheit sehen kann, in welcher Form über dieselben hinwegzukommen ist. Ich habe mich nur verpflichtet gehalten, diesen Gesichtspunkt hier auszusprechen, damit man nicht in Zweifel ist über den Standpunkt, den an sich die Regierung diesem ganzen wichtigen Zweige unseres wirthschaftlichen Lebens gegenüber einnimmt. Aber darum handelt es sich bei der vorliegenden Sache nur beiläufig, sondern was uns in erster Linie beschäftigt, ist die Frage: soll der Konkurrenzkampf oder — ich weill das Wort Kampe weglassen soll die Konkurrenz, welche sich jetzt auf dem Boden der ꝛhatfächlich herausgewachsenen Verhältnisse zwischen den öffentlichen Versicherungs⸗ anstalten und den Privataktienversicherungsgesellschaften entwickelt hat. durch einen legislativen Akt zu Gunsten eines der beiden Theile entschieden werden? Das ist die Frage, um die es sich hier in dieser Petition dreht. Nun hat ja der verehrte Hr. Abg. von Meyer⸗Arnswalde in seiner letzten Aus⸗ führung, wie mir scheint, mit vollem Recht, aber nicht ganz mit Ziehung der richtigen Konsequenzen anerkannt, daß die Konkurrenz in dieser Veziehung und auf diesem Gebiete sehr wohlthätige Folgen ge⸗ zeitigt hat. Er sagt ganz richtig: die öffentlichen Gesellschaften sind zu einer größeren Betriebsamkeit und Coulanz angeregt worden; sie haben ihren Zopf abgeschnitten, und die Privataktieng sellschaften haben ihrerseits auch wieder einen Antrieb gefunden, um den Bedürfnissen, denen sie durch ihren Gewerbebetrieb zu dienen berufen sind, leichtere Befriedigung zu schaffen. Dabei will ich allerdings das nicht un⸗ erwähnt lassen, daß ich der Behauptung des Hrn. Abg. von Mexyer, es werde bei einer großen Zahl von Aktiengesellschaften bei der Re⸗ gulirung der bei ihnen versicherten Brandschäden nur zu oft ein sehr starkes Maß von Fiskalität und Engherzigkeit an den Tag gelegt, durchaus beipflichten muß. Die Akten des Ministeriums des Innern enthalten darüber eine Reihe recht tragischer Geschichten, die ich Ihnen hier nicht weiter entrollen will; aber sie liefern allerdings das Gesammt⸗ bild, daß die Aktiengesellschaften — ich will ja weder speziell einzelne anführen, noch in meinen Behauptungen zu weit gehen — doch sehr häufig den Dividendengenuß anstatt der billigen Rücksicht auf die Interessen der Versicherten als die Hauptsache betrachten, und zu einer billigen Regulirung der eingetretenen Schäden häufig ereft unter Anwendung eines gewissen Druckes zu gelangen wissen. Wenn also die Aktiengesellschaften durch die bestehende Konkurrenz in die Lage gebracht werden, coulanter zu verfahren, so kann ich das nur mit Freuden begrüßen und hoffen, daß die Worte, die heute hier von verschiedenen Seiten gefallen sind, auf einen fruchtbaren Boden gefallen seien. Nun sagt aber der Hr. Abg. von Meyer, er würde am liebsten einen Friedensschluß zwischen den beiden verschiedenen Betrieben des Versicherungswesens sehen. Ja, ob das aber ein Friedensschluß ist, der beide Theile — der andere muß doch auch zufrieden gestellt werden — befriedigen würde, daß man dem einen die Lebensadern unter⸗ bindet, wie diese Petition doch in ihrer Tendenz beabsichtigt, wage ich denn doch sehr zu bezweifeln. Ich muß auch sagen, daß di Lektüre dieser Petition oder vielmehr des Berichts ergiebt, daß Forderungen, welche die Petenten erheben, namentlich in concreto die des Uckermärkischen Bauernvereins, weit über dasjenige hinausgehen, was sie früher besessen haben. Halten wir uns einmal an die Geschichte der Kurmärkischen Feuerversicherung. Diese Anstalt hat bis zu dem bekannten Wechsel des Systems im Jahre 1860 und 1861 nicht etwa ein Monopol besessen. Weit entfernt davon hat sie nur ein Exklusivrecht besessen gegenüber anderen Gegenseitigkeitsanstalten; Aktiengesellschaften waren innerhalb des Bereichs der Kurmärkischen Land⸗Feuersozietät frei zugelassen. Und hier wird verlangt die Wiedergewähr des Versicherungs⸗ zwanges; aber die weiteren Ausführungen ergeben, daß darunter ver⸗ standen wird der Ausschluß jeder Konkurrenz von irgend einer Seite ür die Immobiliar⸗Feuerversicherung. — Das ist, glaube ich, der anerkannte Sinn. Nun, meine Herren, brauche ich mich ja auf alle die verschiedenen prinzipiellen Erörterungen, die heute schon gefallen ind und die wir wahrscheinlich noch hören werden, nicht einzulassen; sondern ich glaube, ich habe mich als vorbereitender Factor in der Gesetzgebung doch immer zu fragen: ist das Bedürfniß für eine solche grundstürzende Aenderung des jetzigen Zustandes nachgewiesen? Ich glaube allerdings, daß man sagen kann, den öffentlichen Anstalten würde die Gewährung eines solchen Monopols zum Vortheil gereichen, elbstverständlich also ihnen angenehm sein. Ob aber auch den betreffenden Bevölkerungsklassen damit gedient ist, das ist eine ganz andere Frage, die, glaube ich, schon etwas näher hier geprüft werden muß. Worauf basiren also die Petenten ihre Hauptbeschwerden und wodurch suchen sie ihren ganzen Standpunkt zu rechtfertigen? Sie sagen: die freie Konkurrenz der Aktiengesellschaften hat in Verbindung mit dem Um⸗ tande, daß wir in den öffentlichen Anstalten alles aufnehmen müssen, lso auch die schlechten Risiken, zur Folge gehabt, daß die guten Risiken mehr und mehr uns entzogen und den konkurrirenden Gesell⸗
chaften zugewendet werden, die schlechten Risiken sich bei uns auf⸗
hürmen und wir mit der Zeit immer höhere und unerschwinglichere Beiträge bezahlen müssen, und daß dies schließlich den Ruin der entlichen Kurmärkischen Sozietät herbeiführen müsse und werde. a, meine Herren, wie stimmt das nun mit der Wirklichkeit?
Ich will zunächst einmal auf den Punkt eingehen, der, glaube ich,
och nicht genügend hier in der Diskussion erörtert worden ist, mlich auf die Behauptung, daß ein solches Monopol das gegebene Korrelat für die bestehende Annahmepflicht bei den öffentlichen Sozietäten bildet. Da muß man aber fragen: wie verhält es sich denn mit der Annahmepflicht der öffentlichen Sozietäten in Wirklichkeit? Sie hat bestanden in einem gewissen, ich will sogar zugeben, in einem hohen Grade, sie ist aber von Jahr zu Jahr bei den verschiedenen Statutenänderungen verschiedener Sozietäten mehr und mehr in den Hintergrund getreten und hat sich eigentlich jetzt, wie ich gleich an einem Beispiel nachweisen werde, bei manchen dieser Sozie⸗ täten vollkommen verflüchtigt, und die Sache steht jetzt so, daß faktisch eine große Anzahl von öffentlichen Sozietäten in der Annahme von Gebäuden gerade so dasteht wie die Aktiengesellschaften, und die Tendenz, dieses System weiter auszubilden, ist durch spontane Be⸗ wegung innerhalb der öffentlichen Anstalten immer mehr gewachsen. Ich erlaube mir, Ihnen eine Probe mitzutheilen. Nach dem neuen Statut der Ostpreußischen Land⸗Feuersozietät, das im Jahre 1884 im Wege der Revision erlassen ist, ist nach §. 6 — und ich bitte, dies mit „hört, hört!“ bezeichnen zu dürfen — die Direktion befugt, Versicherungsanträge abzulehnen, 1) sofern ein Gebäude durch feuerpolizeiwidrige Einrichtungen, schlechte Feuerungs⸗ anlagen, schlechte Bauart, vernachlässigte Unterhaltung oder sonstige Umstände, welche auch in der Persönlichkeit oder Handlungsweise des Versicherungsnehmers oder der Bewohner des Gebäudes ihre Begründung finden können, einen außergewöhnlichen Grad der Feuers⸗ gefahr oder des Verfalls darbietet.
Nun, meine Herren, eine öffentliche Anstalt, die sich mit solchen Klauseln zu Gunsten ihrer freien Bewegung umgiebt, tritt, glaube ich, damit einfach auf den Boden der gewöhnlichen Konkurrenzanstalt und hat wohl kaum das Recht in Anspruch zu nehmen, um mit ganz besonderen Privilegien ausgestatter zu werden. Damit soll keine tadelnde Kritik gegen diese Anstalt geübt werden: es beweist nur den elementaren Drang des Ganges der Verhältnisse, der dazu führen mußte, daß man auf der einen Seite sowohl die Annahmevpflicht als die Freiheit der Annahme von Versicherungen und auf der anderen Seite die Freiheit der Konkurrenz walten lassen kann. Trotzdem will ich ja, da ich die eminente Gemeinnützigkeit der öffentlichen Anstalten selbstverständlich in vollem Maße anerkenne, die Frage als berechtigt anerkennen, ob im einzelnen Falle eine öffentliche Versicherungsanstalt derart durch den Gang der Verhältnisse in Noth gerathen ist, daß man ihr durch einen außergewöhnlichen Schritt, selbst durch einen Akt der Gesetzgebung, helfen müsse. Ich muß aber doch da gerade die Einschaltung machen im vollen Eirverständniß mit dem Herrn Abgeordneten v. Schorlemer, daß die Form, die hier gewählt ist und der auch schon in früheren Verhandlungen entgegengetreten ist:
Kann oder soll man ein Gesetz machen, welches fakultativ in die Hände des Provinziallandtags das selbständige Urtheil darüber
“
legen soll, ob der betreffenden provinzialständischen Feuersozietät
das Zwangsmonopol verliehen werden soll? — daß diese Form im höchsten Grade bedenklich ist. Ich muß doch sagen, daß ein derartiges Gesetz doch eine so starke Anomalie auch vom Standpunkt der gesetzgeberischen Aesthetik wäre, daß ich mich doch unmöglich entschließen könnte, einen solchen Vorschlag innerhalb des Schoßes der Staatsregierung zu machen. Es läge aber meines Erachtens materiell eine horrende Ungerechtigkeit in einem solchen Gesetz.
Meine Herren, wenn man sich vergegenwärtigt, daß bei Ein⸗ richtung einer großartigen Staatsversicherungsanstalt, die von Memel bis Saarlouis reichen wurde, die gemeinsame Tragung der Gefahren wirklich das Prinzip der ausgleichenden Gerechtigkeit darstellen wurde, so ist das dagegen für einen kleinen Bereich, der vielleicht 150 Quadrat⸗ meilen enthält, eine grobe Rechtsverletzung, ich will zugeben, in wohlmeinendem sozialistischen Sinn; denn das heißt: die Wohl⸗ habenden sollen die Schäden der Armen tragen; darauf läuft diese Petition mehr oder minder hinaus. Aber wie gesagt: ich will an⸗ erkennen, daß gegenüber der Thatsache, daß die bestehenden öffentlichen Antalten eminent gemeinnützig sind, die Frage der Prüfung werth ist, ob im einzelnen Fall die Sache so liegt, daß nur durch außergewöhnliche Hülfsmittel dem Verfall vorgebeugt werden kann. Das muß ich in Abrede stellen, sowohl im allgemeinen, als für die kurmärkische Gesellschaft insbesondere. Wenn ich erwäge, daß trotz der Freigebung, die in den Jahren 1859 bis 1863 durch nach und nach erlassene Allerhöchste Ordres für die Aktiengesellschaften stattgefunden hat, die Gesammt⸗Immobiliarversicherung bei den öffent⸗ lichen Gesellschasten seit 1863 von 5 Milliarden auf 12 Milliarden in 1880 und auf 14 Milliarden 1885 gestiegen ist, dann wird doch kein Mensch in der Welt mir den Satz zu beweisen unternehmen, daß die öffentlichen Gesellschaften in Verfall seien. Anerkennen muß ich allerdings, daß die Aktiengesellschaften unter geschickter Benutzung des ihnen frei gegebenen Terrains noch rascher gewachsen sind; sie sind jetzt gewachsen auf 22 Milliarden und ihre Ausgangsziffer ist, auf 1863 gesehen, eine Summe von 7 Milliarden gewesen. Ich will an⸗ erkennen, daß diese in rascherem Tempo gewachsen sind, als die öffent⸗ lichen Gesellschaften. Aber ich meine: diese Ziffern beweisen doch jedenfalls, daß ein Verfall der öffentlichen Gesellschaften im Großen und Ganzen durch nichts dargethan ist; denn man wird doch nicht annehmen, daß im Laufe des letzten Vierteljahrhunderts — auf diese Periode erstreckt sich ungefähr der Wechsel im System — der Nationalwohlstand, der sich im Anwachsen der Gebäude zeigt, um das Dreifache gewachsen oder der Geldwerth um so viel gesunken sei, so daß also bei relativer Gleichmäßigkeit die öffentlichen Gesellschaften von selbst schon hätten soviel zunehmen müssen; sondern das beweist nur, daß ihr ganzes Geschäftsgebahren auf allgemein gesunden und normalen Grundlagen ruht und dem Weitergehen ihrer Blüthe keinen Eintrag gethan hat.
Es wird von den Betreffenden behauptet: ja, das ist die ent⸗ scheidende Ziffer nicht — und wenn es die Petenten nicht behaupten, so wird es doch in der Diskussion hervorgetreten sein —, sondern die entscheidende Ziffer liegt darin, daß nachgewiesen ist, daß die Ver⸗ hältnisse der Risiken unter einander sich zu Ungunsten der ärmeren Klassen — der mit weicher Bedachung versehenen Gebäude, will ich einmal sagen — verschoben werden, mit anderen Worten, daß das Heraustreten der besseren Risiken aus den öffentlichen Anstalten und ihr Hinübertreten zu den Aktiengesellschaften die nachtheilige Folge gehahr habe, daß die schlechten Risiken, die armen Bauern, die kleinen Leut Emit unerschwinglichen Abgaben belastet wurden, mit stets sich steigernden Abgaben, daß daraus schließlich ein Zusammenbruch und Bankerott der ganzen Genossenschaft hervortreten würde. Das sagen die Petenten ausdrücklich, und zwar betreffs der kurmärkischen Sozietät, von welcher in der Petition in erster Linie die Rede ist.
Ich bitte um die Erlaubniß, die Ziffern hier vorfuhren zu dürfen, wie es eigentlich in Wirklichkeit steht, und zwar umfassen dieselben die allerletzten Jahre 1881, 82, 83, 84, 85. Da hat sich innerhalb der kurmärkischen Sozietät die Sache, was die Belastung betrifft, in stets degressiver Dimension entwickelt. Ich will nur von der vierten Abtheilung sprechen, die die Gebäude mit weicher Bedachung enthält. Diese haben in der kurmärkischen Sozietät im Jahre 1881 pro hundert Mark der Versicherungssumme 2,16 ₰ bezahlt, im Jahre 1883 1,68 ₰ und ebensoviel seildem bis einschließlich 1885. Also die Last ist, statt gestiegen zu sein, ganz erheblich gesunken.
Was die anderen drei Klassen betrifft, so ist nicht etwa deren Belastung gestiegen, sondern sie ist auch gesunken und zwar von 18 — 36 — 126 ₰ auf 14 — 28 — 98 ₰ und überdies bei stetiger Zunahme der Versicherungssumme in der ersten Klasse. Es ist nicht richtig, meine Herren, daß die besten Risiken allmählich aus den öffentlichen Anstalten verschwinden, wie gerade das Beispiel der Kur⸗ mark lehrt. Lassen Sie mich auch da die Summen angeben. Die erste Klasse — also die besten Gebäude der Versicherungssumme betrug — ich lasse die Tausende weg und beschäftige mich nur mit Millionen — im Jahre 1881 235 Millionen, im Jahre 1882 war die Summe allerdings gesunken auf 233 Millionen, im Jahre 1883 stieg sie wieder auf 234 Millionen, im Jahre 1884 betrug sie 239 Millionen und im Jahre 1885 244 Millionen. Meine Herren, wo ist da das Verschwinden der besseren Risiken aus der Genossenschaft und in Folge dessen die Gefahr des Zusammen⸗ bruchs? Ich kann also nach diesen Daten, die alle offiziell sind und mir nicht widerlegt verden können, nur sagen, daß vielleicht Unbequem⸗ lichkeiten bei der Verwaltung sich zeigen und daß manche Sozietät nicht mehr so floriren mag, wie früher; aber daß ein zu legislativem Einschreiten zwingender Nothstand innerhalb der öffentlichen Gesell⸗ schaften im Allgemeinen und bei der kurmärk schen im Besonderen be⸗ stände, das kann ich schlechterdings, so weit meine Materialien reichen, nicht einsehen. Ich muß deshalb bei dem Satz stehen bleiben, daß bis zu dem vollständig erbrachten Beweise des Gegentheils die Re⸗ gierung in der Richtung, wie es von den Petenten verlang! wird, nicht wird vorgehen können.
Nun komme ich noch auf einen Punkt, den ich vielleicht schon vorher in den Kreis meiner Erörterungen hätte ziehen sollen, das ist die meiner Auffassung nach bis zu einem gewissen Grade vorhandene Abneigung der öffentlichen Anstalten, mit dem Fortschreiten der Zeit auf dem Wege des Versicherungswesens weiter zu gehen und dadurch ihre alte Prosperität wieder zu gewinnen. Ich spreche hier nicht von der Verwaltung; aber bleiben wir hier einen Augenblick stehen bei der Frage — die auch Hr. von Meyer, wenn ich nicht irre, in den Kreis seiner Erörterungen gezogen hat — ob nicht die öffentlichen Anstalten gut thäten, sich in böherem Maße das auch ihnen eröffnete Feld der Mobiliarversicherung nutzbar zu machen und sich dadurch einen größeren Kreis zu sichern. Hr. von Meyer hat das ausdrücklich abgewiesen; er will keine Mobiliarversicherung für die öffentlichen Gesellschaften haben, aber ich glaube, er ist im Unrecht, und dafür sind Beweise vorhanden. Die cheinische Provinzial⸗Feuersozietät hat meines Erachtens mit kühnem und glücklichem Griff schon seit Jahren sich dieser Frage bemächtigt und hat günstige Resultate erzielt. Es ist eine bekannte Sache, daß der Versicherungsnehmer sehr häufig und in den meisten Fällen schon der Bequemlichkeit halber Mobiliar⸗ und Immobiliarversicherung bei derselben Gesellschaft versichert. Das ganze Geschäft ist viel einfacher und leichter; er hat nur eine Adresse, mit der er zu verhandeln hat; das liegt in der Natur der Sache. — Dieses ist allen öffentlichen Anstalten angeboten worden. Einige haben es angenommen, haben dieses Gebiet aus⸗
gebaut und die besten Erfahrungen damit gemacht; sie haben
sich ein neues Element zugeführt. Andere wollen das nicht; Hr. von Meyer hat das ganz offen ausgesprochen, das paßte ihnen nicht. Verzeihen Sie mir: ich meine, es paßt ihnen nicht, weil sie zu schwerfällig sind, weil sie nicht dazu kommen können, die wirkliche Konkurrenz, die auch auf diesem Gebiete nützlich und nöthig ist, mit den Privatgesellschaften aufzunehmen; und da will ich gern einräumen, daß in manchen Fällen sozietätsseitig die Aufnahme der Mobiliar⸗ versicherung zum eigenen Schaden der Betheiligten unterblieben ist; aber dafür können Sie unmöglich die Regierung verantwortlich machen. Ich bin sogar soweit gegangen, — ich will die Provinz nicht nennen, das könnte einen unangenehmen Eindruck machen, — die Herren “
geradezu darauf aufmerksam zu machen und ihnen das zu Gemüthe führen, daß, wenn sie sich nicht endlich entschlössen, auch die Mobiliar⸗ versicherung aufzubauen, sie verknöchern würden. Da hat man mir geantwortet, das paßt uns nicht, wir haben es versucht, es hat keine großen Resultate gezeigt. Ein Verband hat es sogar ausdrücklich abgelehnt, überhaupt auf den Gedanken einzugehen. Da kann man sich doch nicht wundern, wenn eine und die andere Sozietät in gewisse Schwierigkeiten und Nachtheile den, wie ich mich ausdrücken möchte, mit größerer kaufmännischer Beweglichkeit ausgestatteten Prirat⸗ gesellschaften gegenüber, geräth.
Alles das zusammengenommen — ich will nicht in die weitere grundsätzliche Erörterung eingehen, weil ich, wie gesagt, hier nur unter Vorbehalt wegen mangelnder Reife der Sache sprechen kann — aber alles dieses zusammengenommen, bringt mich zu der wiederholten Bitte, zwar den Antrag Ihrer Kommission anzunehmen, aber nur in dem Sinne, daß er der Regierung zur vollständig freien Erwägung des Gesichtspunkts überwiesen wird, ob und welche Reform auf dem Gebiete des Feuerversicherungswesens sich in der Gesetzgebung als nothwendig ergiebt.
Der Abg. von Hülsen bemerkte: Der zweite Theil der
Rede des Herrn Ministers habe den günstigen Eindruck des ersten Theils wesentlich abgeschwächt. Ihm (Redner) sei es lieber, wenn die Petition der Regierung zur Erwägung über⸗ wiesen würde. Der Minister habe erklärt, daß die Feuer⸗ versicherung sich sehr wohl für die Verstaatlichung eignen würde. Er freue sich über diese Erklärung, denn als er vor 20 Jahren etwa dasselbe gesagt habe, sei darüber eine allge⸗ meine Empörung entstanden. In England und Amerika habe das Prinzip der absolut freien Konkurrenz dahin geführt, daß sehr viele Privatgesellschaften bankerott gegangen wären. Das Publikum habe die freie Konkurrenz aus seiner Tasche bezahlen müssen. Er erkenne ja die umsichtige Leitung der deutschen Privat⸗ gesellschaften an, aber es sei ein großer Fehler gewesen, den⸗ selben neben der Mobiliarversicherung auch noch die Immobiliar⸗ versicherung zuzugestehen. Die Privatgesellschaften gewährten dem Lande an Entschädigung viel weniger zurück, als die Sozietäten. Letztere hätten im Durchschnitt der letzten 10 Jahre 96 Proz. der Prämien an Entschädigung ausgezahlt, also nur 4 Proz. an Verwaltungskosten behalten, während die Privat⸗ gesellschaftem nur etwa 60 Proz. zurückgezahlt hätten, und 40 Proz. auf Verwaltungskosten und Dividende entsallen seien. Allerdings hätten einzelne Sozietäten den Fortschritten der Zeit nicht gehuldigt, allein der Grund dafür liege doch hauptsächlich in der übermäßigen Konkurrenz, welche ihnen die Privatgesellschaften gemacht, und darin, daß die Interessenten jeder Aenderung mißtrauisch gegenüberständen. Den Versicherungszwang für Gebäude halte er in Preußen für historisch berechtigt auf Grund der Entwickelung unseres ganzen Feuerversicherungswesens; die Petition wolle nur den alter Rechtszustand wiederherstellen, der durch mißbräuchliche Auslegung sich verflüchtigt habe. Wenn die Privatgesellschaften billiger arbeiteten als die öffentlichen Sozietäten, so liege das daran, daß die ersteren sich die besseren Objekte aussuchen und die Aufnahme der schlechteren ablehnen könnten. Einzelne Sozietäten könnten ohne Zwang auskommen, weil sie noch eine genügende Anzahl guter Objekte in Versicherung hätten, die den Ausfall bei den schlechteren deckten. Bei andern sei dies aber nicht möglich. Daher stiegen die Verwaltungskosten. Die Sozietäten beehe jede mögliche Weise für die Verhütung von Bränden. Sie gäben Beihülfen zur Be⸗ seitigung von Strohdächern, von schlechten Schornsteinen und sonstigen Unzuträglichkeiten, die leicht eine Feuers⸗ gefahr herbeiführen könnten. Die Privatgesellschaften lehnten dies bekanntlich beharrlich ab. Es sei behauptet worden, daß die Annahmepflicht der Sozietäten thatsächlich nicht mehr be⸗ stehe. Das sei unrichtig. Nach dem Statut der Merseburger Feuersozietät sei dieselbe verpflichtet zur Aufnahme aller bäuer⸗ lichen Besitzungen und auch beim Besitzwechsel dieselben in Versicherung zu behalten. Sie dehne ihre Aufnahmeverpflich⸗ tung zum großen Theil noch weiter aus, als dieselbe that⸗ sachlich vorgeschrieben sei. Er glaube, wenn der Zwang jetzt nicht eingeführt würde, daß man dann nach 50 oder nach 2) Jahren schon den Zwang nach dem Rezept der Sozialdemokraten haben werde. Davor möchte er warnen. Alle die Rathschläge, welche man von offtzieller Seite gege⸗ ben habe, seien sehr gut gemeint, aber nicht viel werth gewesen. Die Versicherten, als Interessenten, seien schon von selbst hestrebt gewesen, die Verwaltungskosten möglichst hecabzudrücken und nicht mehr Prämien zu erheben, als noth⸗ wendig sei. Wenn sie der Regierung den Privatgesell⸗ schaften gegenüber zuriefen: Landgraf, werde hart! — so sollten sie auch nichts dagegen haben, wenn die Regierung ihnen gegenüber hart sei, wo sie Fehler machten.
Der Vize⸗Präsident des Staats⸗Ministeriums, Minister des Innern, von Puttkamer, erwiderte:
Meine Herren! Der Herr Vorredner hat mit der ihm eigenen Sachkenntniß und Gründlichkeit mir gegenüber eine Reihe von Thesen verfochten, die ich doch nicht so ohne Weiteces stillschweigend übergehe kann, denn sonst würde ich etwa in die Gefahr kommen, als ein solche angesehen zu werden, der ihre Berechtigung ohne Weiteres anerkennt, wozu ich leider nicht im Stande bin. Ich kann das selbstverständlich nicht in der Ausführlichkeit thun, wie es von dem Herrn Vorredner geschehen ist, — das ist selbstverständlich bona fide gesagt, — sondern ich kann nur einzelne der hervorstechenderen Ausführungen des Herrn Vorredners nicht gelten lassen. 8
Er sprach die Hoffnung aus, daß, wenn sich der Herr Ministe eines Tages von der Unhaltbarkeit des gegenwärtigen Zustandes über 8 zeugt hätte, er selbst die Initiative zur Abhuülfe des Nothstandes ergreifen würde. Meine Herren, das unterschreibe ich durchaus; wenn ich m von der Unhaltbarkeit überzeugt haben werde, dann werde ich natürlich meine Pflicht erfüllen und meinen geringen Einfluß innerhalb der Staatsregierung dazu aufbieten, daß eine Reform erfolge; aber das ist gerade das Thema probandum, welches doch der Herr Vorredne trotz seiner sehr beredten Ausführungen zu begründen nicht ganz in Stande gewesen ist. Er hat sodann einige andere Sozietäten, vo denen in der Petition nicht die Rede war, angeführt, Wum die Nothwendigkeit einer Wiedereinführung des Ver⸗ sicherungsmonopols der öffentlichen Sozietäten zu begründen. Ich kann auf die politischen Angaben, die er zur Begründung dieses Satzes anführte, nicht eingehen, weil mir das Material nicht zur Verfügung steht. Ich glaube, ich war auch nur verpflichtet, mich an die Petition zu halten, denn diese gerade ist ja zum Ausgangs⸗ punkt der ganzen Aktion gemacht worden; und da muß ich doch wieder⸗ holen: selbst die modifizirte Erklärung des Herrn Vorredners, daß die Kurmark, wie er sagte: „in Gefahr sei, in unhaltbare Zustände zu gerathen“, ist nach den von mir vorher mitgetheilten statistischen Zahlen bis jetzt vollkommen unbegründet. Der Herr Vorredner macht mich ganz besonders darauf aufmerksam, daß die Gesammtzahlen, innerhalb deren sich die Bewegung der verschiedenen Versicherungs⸗ summen hielte, einerseits bei den öffentlichen Gesellschaften, anderer⸗ seits bei den Akxriengesellschaften nicht entscheidend sei. Das habe ich ja meinerseits, wenn die Herren sich entsinnen wollen, ausdrücklich hervorgehoben; aber ich habe auch speziell bewiesen, daß innerhalb des Kurmärkischen Verbandes keinerlei Anzeichen dafür sprechen, daß diese
Gefahr eines Niederganges oder eines Verfalles des Verbandes vor⸗
handen sei. Ich hakbe erstens gesagt, daß es nicht richtig ist, daß die guten Risiken je länger, je mehr ausgetreten sind, wie der Her Vorredner wiederholt behauptet hat, sondern daß gerade innerhalb
er letzten 5 Jahre die ersten Risiken ganz bedeutend gewachsen sind
und zwar um 9 bis 18 Millionen, und habe weiter behauptet. daß
gegenüber dem Anwachsen der Versicherungssummen auch die Versicherungsbeiträge gesunken sind. Dies findet namentlich statt in der 4. Klasse, — wenn auch nicht das Anwachsen; das hat damit nichts zu thun, das hat seine anderen Gründe. Aber innerhalb der 4. Klasse ebenso gut wie bei der 3., 2. und 1. sind die Ver⸗ sicherungsbeträge, also die Last welche zu tragen ist, und darin drückt sich doch der vermeintliche Mißstand aus, entschieden gefallen, und ich ätte wirklich gewünscht, daß der Herr Vorredner die Güte gehabt ätte, statt seine interessanten, aber doch etwas vom Thema ab⸗ chweifenden Bemerkungen zu machen, sich mit dieser einen statistischen hatsache etwas näher zu beschäftigen. Er würde mir dann, glaube ich, darin beitreten, daß der Minister doch nur die Pflicht haben kann, diejenigen Uebelstände anzuerkennen, die wirklich nachgewiesen sind, und nicht diejenigen, die in einer, wie ich glaube, zwar sehr wohlwollenden, aber doch sehr übertriebenen Fürsorge für die Interessen, die der Herr Abgeordnete zu pflegen hat, ausgesprochen worden sind. 8 Ich kann es ja anerkennen, was er im Eingange seiner Worte sagte — und ich möchte da um Gotteswillen kein Mißverständniß aufkommen lassen —: man hat uns bewiesen — und das unterschreibe ich durchaus —, daß, was die Finanzresultate der öffentlichen Gesell⸗ schaften einerseits und der Aktiengesellschaften andererseits betrifft, es ganz llar ist, daß die Aktiengesellschaften in ihren Beutel arbeiten, und die öffentlichen zum gemeinen Nutzen; das habe ich anerkannt. Die öffentlichen Gesellschaften sind gemeinnützige Institute im eminentesten Sinne des Wortes. Aber was dessen ungeachtet noch zu beweisen bleibt, und meines Erachtens bis jetzt nicht bewiesen ist, das ist: aus dieser ihrer gemeinnützigen Natur die Nothwendigkeit zu folgern nun auch
das Monopol zu besitzen, während sie in dem jetzigen Zustande ganz
gut bestehen können. Das ist der Punkt, auf den ich immer wieder zurückkommen muß. Wenn sich in der That die Zustände in der einen oder anderen Provinz so entwickeln sollten, daß eine Gefahr für das Bestehen der öffentlichen Anstalten wirklich eintritt, dann wird man sich einer Erwägung hierüber gewiß nicht entziehen. Aber es ist doch charakteristisch, daß gerade in denjenigen Provinziallandtagen, innerhalb deren Gebiets nach der Mei⸗ nung des Hrn. Abg. v. Hülsen die Sachen so sehr schlecht stehen, kein Wort bisher gesagt worden ist. Das wären doch die ersten, die der Meinung sein müͤßten, daß sie ohne Wiedereinführung des Zwanges nicht bestehen können. Ich will dem Abg. v. Hülsen soweit entgegen⸗ kommen, daß ich sage: wenn ich in den Jahren 1859 und 1860 ver⸗ antwortlicher Minister gewesen wäre, so würde ich mich außerordent⸗ lich lange besonnen haben, ehe ich Sr. Majestät den Rath gegeben hätte, den bestehenden Zustand zu Ungunsten der öffentlichen Anstalten zu modifiziren. Das ist nun aber einmal geschehen, und es hat sich innerhalb eines Vierteljahrhunderts ein entsprechender Rechtszustand zwischen den öffentlichen und Privatgesellschaften auf dieser neuen Basis entwickelt. Es ist nicht nachgewiesen, daß diese Entwickelung zu einem fundamentalen Nachtheil für die öffentlichen Anstalten und für das Gemeinwesen geführt hat. Ich wüßte in der That nicht, wie ich jetzt dazu kommen follte, aus Rücksicht auf eine Perition, die, wie ich glaube bewiesen zu haben, auf einem unrichtigen Fundament be⸗ ruht, nach meiner Ansicht, zu einer vollständigen Umkehr auf diesem Gebiete zu gelangen. “
Es ist ja richtig, wie Hr. v. Hülsen sagt: historisch betrachtet, sind die öffentlichen Anstalten von Anfang an im rechtlichen Besitz; das habe ich nicht verkannt. Daraus kann man aber nur den Zustand entnehmen, der in den meisten Provinzen und Bezirken bis zum Jahre 1860 bestanden hat und welchem gemäß neben den öffentlichen Gesellschaften keine anderen gegenseitigen Anstalten sich geschäftlich etabliren durften. Die Aktiengesellschaften, die um das Jahr 1812 herum bei uns in Preußen entstanden sind, haben auf dem Wege der Thatsachen allmählich in dieses Gebiet hinübergegriffen. Sie haben eine, wie ich glaube und auch im Eingange meiner ersten Ausführung gesagt habe, nicht gerade sehr gemeinnützige Thätigkeit entwickelt, aber sie haben inzwischen doch ihre Brandschäden bezahlt, und wenn sie das auch wesentlich thun im Interesse ihrer eigenen Dividenden, so wird man doch nicht annehmen können, daß sie gerade darauf ausgehen, das Publikum zu benachtheiligen.
Ich kann auch das nicht anerkennen, was der Herr Abgeordnete sagte, daß die Privataktiengesellschaften, wie sie das Feuerversicherungs⸗ wesen treiben, es immer ablehnten, Vorbeugungsmaßregeln zu treffen, um gegen Feuersgefahr zu sichern, namentlich Beiträge zur Vervoll⸗ kommnung des Feuerlöschwesens zu leisten. Das thun sie allerdings, da es ja in ihrem eigenen Interesse und in der Natur der Sache liegt. Ich bin als Landrath 6 Jahre sogenannter Kreis⸗Feuersozietätsdirektor gewesen und habe diesen Fragen sehr nahe gestanden. Ich kann bekunden, daß in den 6 Jahren, daß ich Landrath war, allein von der Aachen⸗Münchener Gesellschaft mindestens 6 Feuerspritzen für einzelne Ortschaften, theils unentgeltlich, theils gegen ganz geringe Preise geliefert worden sind. Ich rechne das den Actiengesellschaften gar nicht als besonderes Verdienst an, denn es liegt in ihrem eigenen Interesse, dafür zu sorgen, daß die Feuersicherheit erhöht wird; sie brauchen ja dann weniger Brandschäden zu bezahlen. Aber diese ganze Erörterung kann doch, glaube ich, wirklich nicht zu dem Resultat fühcen, daß man die Regierung einer besonderen Versäumniß be⸗ schuldigen könnte — soweit ist allerdings Herr v. Hülsen gegangen — wenn sie nicht Hals über Kopf in das bestehende Verhältniß hinein⸗ greift, zu Gunsten einer, wie ich glaube, doch etwas einseitigen Richtung, die — ganz unbeschadet der Gemeinnützigkeit der öffentlichen Anstalten — doch immer nicht den Satz beweisen kann, daß man den öffentlichen Feuersozietäten, um sie in ihrer Gemeinnützigkeit zu er⸗ halten, ein Monopol beilegen müsse, was sie zum großen Theil niemals besessen haben, jedenfalls aber seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr ausüben.
Der Abg. von Eynern meinte: Den Anträgen der Sozie⸗ täten auf Verleihung des Versicherungszwanges träten natürlich immer die Interessenten der Privatversicherungsanstalten mit Energie gegenüber. Der Minister scheine die Bedeutung des
Art. 4 der Reichsverfassung, wonach das Versicherungs⸗ wesen der Aufsicht und Gesetzgebung des Reichs unter⸗ liege, haben klar machen zu wollen. Derselbe spende weder den Sozietäten noch den Privatanstalten Lobes⸗ erhebungen. Seine Weigerung, den Sozietäten das Monopol zu ertheilen, scheine nur daraus entstanden zu sein, daß die Sozietätsmonopole ein Hinderniß für die Einführung eines Reichsmonopols sein würden. Der Gedanke des Reichs⸗
monopols erfreue sich in weiten Kreisen der Bevölkerung großer Sympathien, weil die Zustände derartige seien, daß der Gedanke des Monopols populärer werden müsse. Das Monopol bestehe thatsächlich für die Gebäude⸗ versicherung in Bayern, Sachsen, Hessen, Oldenburg, Weimar, Altenburg, Gotha, Braunschweig, Lippe und Waldeck. Es bestehe ferner in den preußischen Provinzen Hessen, Hohenzollern, in Theilen von Schleswig⸗Holstein und Hannover, ebenso in einzelnen Städten wie Breslau, Stettin, Thorn, Berlin. Die Zustände in Berlin sowohl wie überall seien sehr befriedigende. Die Klagen kämen immer aus den Landestheilen, in welchen die freie Konkurrenz walte. Es seien auch andere Städte schon auf den Gedanken gekommen, für sich das Monopol in Ansoruch zu nehmen, da die Privat⸗ versicherungs⸗Gesellschaften absolut nichts thäten, um die Maßregeln zur Feuerverhütung zu unterstützen. Mit Ausnahme der Aachen⸗Münchener Versicherungs⸗ Gesellschaft und der Colonia in Köln gewähre keine einzige Privatversicherungsgesellschaft den Kommunen irgend⸗ welche Beihülfe zur Einrichtung von Feuerwehren u. s. w. Es
müsse jedenfalls die Frage aufgeworfen werden, ob nicht den Gesellschaften irgendwelche Verpflichtungen nach dieser Richtung hin aufzuerlegen seien. Bei Schadenregulirung seien die Ver⸗ sicherungsgesellschaften, sobald es sich um solche Leute handele, welche die En schädigungsgelder sofort haben müßten, immer zu Abstrichen und zum Handeln geneigt. Sie hätten sich da⸗ durch im Volk durchaus nicht populär gemacht.
Der Abg. Dr. Meyer (Breslau) bemerkte: Wenn eine Petition als Material überwiesen werde, so enthalte sich das Haus jeder eigenen Aeußerung. Da eine materielle Erörte⸗ rung nicht stattfinde, glaube er sich auf die nothwendigsten Dinge beschränken zu können. Seit den Diätenprozessen gegen Reichstagsabgeordnete sei es Sitte geworden, auf alte Para⸗ graphen des Landrechts zurückzugreisen. Er verweise auf §. 1973 Theil II Titel 8 des Allgemeinen Landrechts: „Wo Jemand seine Versicherung suchen will, das bleibe ihm über⸗ lassen“. Das sei die Grundlage unseres Versicherungswesens, und er wundere sich, warum der Abg. von Hülsen diesen Rechtszustand angegriffen habe, da doch allgemein eingestanden werde, daß bei uns die Versicherung am günstigsten stehe. Das thatsäch⸗ lich bestehende Versicherungsmonopol der Sozietäten sei vom Fiskus zuerst durchbrochen worden, der 1820 seine Domänen aus denselben ausgeschieden habe, wahrscheinlich weil er mit ihren Leistungen nicht zufrieden gewesen sei. Was die hohen Dividenden betreffe, so seien in dem letzten Jahrzehnt 2,67 Proz. der Prämie als Dividende vertheilt worden. Der größere Theil der öffentlichen Sozietäten sei gut verwaltet und er⸗ ziele deshalb auch gute Resultate. Um eine Feindschaft gegen die Sozietäten handele es sich gar nicht, sondern lediglich um Abwehr der Eingriffe in die Thätigkeit der Privatgesellschaften. Aenderungen könnten nur herbeigeführt werden im Interesse des Publikums, welches nicht gut bedient werde. Die Behaup⸗ tung, daß für die schlechten Risiken bei den Privatgesellschaften nicht gesorgt sei, sei schon mehrfach bestritten. Die Privat⸗ gesellschaften hätten unter ihren 10 Milliarden Versicherungen 3 Milliarden für Strohdächer; die Sozietäten bei 14 Milliarden Versicherungen nur 1 ½ Milliarden für Stroh⸗ dächer, ständen also günstiger als die Privatgesellschaften. Letztere häͤtten sich überdies auf dem Gebiete sehr gefährlicher Risiken, nämlich der industriellen Gebäude, ein sehr großes Verdienst erworben. Der Abg. von Meyer⸗Arnswalde wolle den Frieden auf der Basis, daß die Sozietäten die Immobilien, die Aktiengesellschaften die Mobilien nähmen. Friede auf in⸗ dustriellem Gebiete heiße nicht Einstellung der Konkurrenz, denn diese sei der natürliche Zustand; der Friede bestehe darin, daß eine ständige Konkurrenz geführt werde. Ein volles Drittel ihres Geschäftes sollten die Privatanstalten sich ab⸗ nehmen lassen und für die ausgefallenen 10 Milliarden sollten sie sich mit den 1 ½ Milliarden Mobiliar⸗ versicherung begnügen, welche die Sozietäten hätten. Das sei keine Großmuth. Wenn der Abg. von Meyer dafür Ent⸗ gegenkommen gefunden habe, so sei das nur seiner persön⸗ lichen Liebenswürdigkeit zu danken; ein Anderer würde wohl eine andere Antwort erhalten haben. Wenn die Aktiengesell⸗ schaften bei der Schadenregulirung Schwierigkeiten machten, so thäten sie das nur, weil sie die Hüter der landrechtlichen Vorschrift seien, daß Niemand aus Anlaß eines Brandunglücks sich bereichern solle. Für den Uckermärkischen Bauernverein habe keine Veranlassung vorgelegen, das Haus in diese tiefgehende Diskussion hineinzudrängen. Er (Redner) könne mit der Aeußerung des Ministers vollkommen zufrieden sein.
Der Abg. von Quast entgegnete: Er hätte erwartet, daß der Vorredner als Vertreter von Breslau ausgeführt haben würde, wie günstig das Versicherungsmonopol in der Stadt Breslau wirke, und daß er den Wunsch aussprechen würde, dieselben Einrichtungen auch auf andere Landestheile auszu⸗ dehnen. Er bedauere, daß der Abg. Dr. Meyer das nicht gethan habe. Bezüglich der Kurmärkischen Sozietät führte Redner aus, daß, trotzdem die Versicherungs— summen ziffermäßig fast die gleichen geblieven seien, dennoch thatsächlich ein Rückgang stattgefunden habe, weil man den gestiegenen Geldwerth in Betracht ziehen müsse. Nothleidend sei eine Sozietat dann, wenn sie ungewöhnlich hohe Prämiensätze erheben müsse. Leider mache sich eine Ver⸗ mehrung der Brandstiftungen bemerkbar, das Anzünden von alten Gebäuden werde zum Theil gewerbsmäßig betrieben, um neue Gebäude herstellen zu können. Die Gerichte bestraften die Brandstifter leider nicht scharf genug. Wir befänden uns jetzt in einer neuen Bauperiode, wie sie nach dem Ende des 30 jährigen Krieges und zur Zeit Friedrich's des Großen ebenfalls stattgefunden habe. Daher die Mode des
Abbrennens namentlich auf dem Lande und in kleinen Städten. Wenn der Kurmärkischen Feuersozietät nicht geholfen werde, würde ein Theil der Versicherungsnehmer sich entschließen, eine Gegenseitigkeitsgesellschaft zu grüͤnden, und das Bestehen der Sozietät würde dadurch in Frage gestellt werden. Das bitte er den Minister in Erwägung zu ziehen. Billiger könne die Verwaltung nicht gestaltet werden. Die Verwaltungskosten seien schon sehr gering; eine neue Klasseneintheilung habe große Gefahren; eine Entschädigung der Privatgesellschaften sei ebensowenig nothwendig, als man bei der Unfallversicherung an eine solche gedacht habe. An ein Reichsmonopol habe der Minister wohl nicht gedacht; er wolle wohl! nicht die öffentlichen Sozietäten beseitigen, und gegen das Staatsmonopol beständen erhebliche Bedenken. Wenn die Sozietäten sich nicht ordentlich entwickelt hätten, so liege das an der mangelnden Staatsaufsicht, die aber sofort ein⸗ treten würde, wenn den Sozietäten Zwangsrechte verliehen würden. In der Kurmark bestehe ein Nothstand. Deshalb bitte er, die Petition des Uckermärkischen Bauernvereins der Regierung zur Erwägung zu überweisen. Damit schloß die Diskussion.
Der Antrag des Abg. von Quast wurde mit großer Mehrheit abgelehnt und der Antrag der Kommission, beide Petitionen der Regierung als Material zu überweisen, an⸗ genommen.
Schluß 4 ¼ Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend 11 Uhr.
Centralblatt für das Deutsche Reich. Nr. 17. — Inhalt: Zoll⸗ und Steuerwesen: Aenderungen in den Behörden zur Erhebung der Zölle und indirekten Abgaben in den Hohenzollernschen Landen. — Bestellung eines Stations⸗Controleurs. — Handels⸗ und Gewerbe⸗ wesen: Bekanntmachung, betreffend die Ausdehnung der ärztlichen Prüfung auf die Schutzpocken⸗Impfung. — Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet. — Allgemeine Verwaltungs⸗ sachen: Herausgabe eines Haupt⸗Sachregisters des Bundes⸗ bezw. Reichs⸗Gesetzblatts der Jahrgänge 1867 — 1886.
Justiz⸗Ministerial⸗Blatt. Nr. 17. — Inhalt: Bekannt⸗ machung des Justiz⸗Ministers vom 20. April 1887, betreffend die
anderweitige Abgrenzung der Geschäftsbezirke der Eisenbahn⸗Betriebs⸗ ämter in Nordhausen und Aachen. — Bekanntmachung vom 22. April 1887, betreffend den von der Feuerversicherungs⸗Gesellschaft Colonia zu Köln eingesandten Prämienantheil an den Versicherungen der Justizbeamten im Jahre 1886. — Erkenntniß des Reichsgerichts vom 23. September 1886.
Centralblatt der Abgaben⸗Gesetzgebung und Ver⸗ waltung in den Königlich preußischen Staaten. Nr. 9. — Inhalt: Anzeige der in der Gesetzsammlung und im Reichs⸗Gesetzblatte erschienenen Gesetze und Verordnungen. — I. Allgemeine Verwal tungsgegenstände: Veränderungen in dem Stande und in den Befug nissen der Zoll⸗ und Steuerstellen. — Gewährung eines Dienst⸗ bekleidungszuschusses an Schiffer. Matrosen und Heizer auf Wacht und Kreuzerschiffen. — Verrechnung von Tagegeldern und Reisekosten III. Indirekte Steuern: Ergänzung der Bestimmungen über die zoll⸗ freie Zulassung des zur Verarbeitung und Wiederausfuhr bestimmten Roh⸗ und Brucheisens. — Zwei Erkenntnisse des Ober⸗Landesgerichts in Dresden, betr. die Anwendung des §. 4, Absatz 1 des Reichs stempelgesetzes (Anzeigepflicht an die Steuerbehörde). — VI. Per sonalnachrichten.
Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 18. — Inhalt: Amtliches: Personal⸗Nachrichten. — Nichtamtliches: Die Schlachthöfe in Schwerin und Plauen im Vogtlande. (Fortsetzung.) — Ueber Traß und Traßmörtel. — Zur Umgestaltung des Stadtplans von Rom. — Nachtrag zum Reichshaushalts⸗Etat für 1887/88. — Erdbeben in Ober⸗Italien am 23. Februar 1887. — Heberanlage am Fritzöe⸗Werk in Nerwegen. — Vermischtes: Bücherschau.
Reichstags⸗Angelegenheiten. “ Kommission des Reichstages zur Vorberathung des von dem Abg. Hitze eingebrachten Gesetzentwurfs, betreffend Abänderungen und Ergänzungen der Gewerbeordnung hat denselben in folgender Fassung angenommen: Artikel I.
An Stelle des Artikels III §§. 135, 146 und 154 der Gewerbe⸗ ordnung treten folgende Bestimmungen:
§. 135. Kinder unter 12 Jahren dürfen in Fabriken nicht be⸗ schäftigt werden.
Vom 1. April 1890 ab ist diese Beschäftigung nur Kindern zu gestatten, welche das 13. Lebensjahr vollendet und ihrer landesgesetz⸗ lichen Schulpflicht genügt haben. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen Kinder, welche zum Besuche der Volksschule verpflichtet sind, in Fabriken nur dann beschäftigt werden, wenn sie in der Volksschule, oder in einer von der Schulaufsichtsbehörde genehmigten Schule und nach einem von ihr genehmigten Lehrplane einen regelmäßigen Unter⸗ richt von mindestens 3 Stunden täglich genießen.
Die Beschäftigung von Kindern unter 14 Jahren darf die Dauer von 6 Stunden täglich nicht überschreiten.
Junge Leute zwischen 14 und 16 Jahren dürfen in Fabriken nicht länger als 10 Stunden täglich beschäftigt werden. 4
Wöchnerinnen dürfen während vier Wochen nach ihrer Niederkunft nicht beschäftigt werden.
§. 136 a. In Fabriken dürfen Arbeiterinnen an Sonn⸗ und Fest⸗ tagen, desgleichen in der Nachtzeit von 8¼ Uhr Abends bis 5 ½ Uhr Morgens nicht beschäftigt werden.
Am Sonnabend und an Vorabenden von Festtagen dürfen Kinder und Arbeiterinnen Nachmittags nach 6 Uhr in Fabriken nicht beschäf⸗ tigt werden.
Arbeiterinnen, welche ein Hauswesen zu besorgen haben, dürfen in Fabriken nicht länger als 10 Stunden täglich beschäftigt werden.
Zur Reinigung in Gang befindlicher Motoren, Transmissionen und Gefahr drohender Maschinen dürfen Arbeiterinnen nicht verwendet werden.
In Fabriken, in welchen Arbeiter und Arbeiterinnen beschäftigt werden, ist für Trennung der Geschlechter nach Möglichkeit zu sorgen. Wenn Arbeiter und Arbeiterinnen in Einem Raum arbeiten, müssen für Letztere abgesonderte Ankleide; und Waschräume eingerichtet werden.
Durch Beschluß des Bundesraths werden diejenigen Fabrikations⸗ zweige bestimmt werden, in welchen Schwangere nicht arbeiten dürfen. §. 146. Mit Geldstrafe bis zu zweitausend Mark und im Un⸗ vermögensfalle mit Gefängniß bis zu sechs Monaten werden bestraft:
1) Gewerbetreibende, welche bei der Zahlung des Lohnes oder bei dem Verkauf von Waaren an die Arbeiter dem §. 115 zuwider⸗ handeln; 8
2) Gewerbetreibende, welche den §§. 135, 136, 136a oder den auf Grund der §§. 139, 139 a getroffenen Verfügungen zuwider, Ar⸗ beiterinnen oder jugendlichen Arbeitern Beschäftigung geben;
3) Gewerbetreibende, welche der Bestimmung im §. 111 entgegen die Eintragungen mit einem Merkmale versehen, welches den Inhaber des Arbeitsbuches günstig oder nachtheilig zu kennzeichnen bezweckt;
4) wer §. 56 Ziffer 6 zuwiderhandelt.
Die Geldstrafen fließen der im §. 116 bezeichneten Kasse zu.
§. 154. Die Bestimmungen der §§. 105 bis 133 finden auf Gehülfen und Lehrlinge in Apotheken und Handelsgeschäften keine Anwendung.
Die Bestimmungen der §§. 134 bis 139 b finden entsprechende Anwendung auf Arbeitgeber und Arbeiter in Hüttenwerken, Bauhöfen und Werften, sowie in Werkstätten, in welchen durch elementare Kraft (Dampf, Wind, Wasser, Gas, heiße Luft, Elektrizität u. s. w.) bewegte Triebwerke zur Verwendung kommen. Ausgenommen sind diejenigen Werkstätten, in welchen nur vorübergehend eine nicht zur Betriebsanlage gehörende Kraftmaschine benutzt wird, oder in welchen ausschließlich Mitglieder der Familie des Arbeitgebers beschäftigt werden.
In gleicher Weise finden Anwendung die Bestimmungen der §§. 115 bis 119, 135 bis 139 b, 152 und 153 auf die Besitzer und Arbeiter von Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten und unter⸗ irdisch betriebenen Brüchen oder Gruben.
Arbeiterinnen und Kinder dürfen in Anlagen der im Absatz 3 bezeichneten Art nicht unter Tage beschäftigt werden. Zuwiderhand⸗ lungen unterliegen der Strafbestimmung des §. 146.
Artitel II. Dieses Gesetz tritt sechs Monate nach seiner Ver⸗ kündigung in Kraft
Ferner wurden folgende Resolutionen angenommen.
Der Reichstag wolle beschließen: I. Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, thunlichst bald dem Reichstage einen Gesetzentwurf vorzu⸗ legen, durch welchen die Beschäftigung von Kindern im Gewerbe außerhalb der Fabriken unter der nöthigen Rücksichtnahme auf die körperliche, sittliche und intellektuelle Entwickelung der Kinder geregelt wird. II. An die verbündeten Regierungen das Er⸗ suchen zu richten, eine, insbesondere durch umfassende Befragung von Arbeitern und Arbeitgebern zu bewirkende Erörterung darüber zu veranstalten, inwieweit gesetzliche Maßregeln gegen eine übermäßige Ausdehnung der Arbeitszeit erwachsener Arbeiter in Fabriken noth⸗ wendeh und ausführbar sind, und das Ergebniß dem Reichstage mit⸗ zutheilen.
— Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend den Verkehr mit Ersatzmitteln für Butter, har nach den Beschlüssen der Kommission des Reichstages in zweiter Lesung folgende Fassung erhalten: 1
Die Geschäftsräume und sonstigen Verkaufsstellen, einschließlich der Marktstände, in welchen Margarin gewerbsmäßig verkauft oder feilgehalten wird, müssen an in die Augen fallender Stelle die dentliche, nicht verwischbare Inschrift: „Verkauf von Margarin“ tragen.
„Margarin“ im Sinne dieses Gesetzes sind diejenigen, der Milch⸗ butter ähnlichen Zubereitungen, deren Fettgehalt vicht ausschließlich der Milch entstammt. 8
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