1887 / 104 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 05 May 1887 18:00:01 GMT) scan diff

Anderes wolle der konservative Antrag als ein Wort ein legen zum Schutz der heimischen Erde. * 8 Der Abg. Dr. Freiherr von Schorlemer⸗Alst bezweifelte, daß der konservative Antrag jetzt am Schlusse der Session und bei versammeltem Reichstage opportun, und überhaupt ein Druck auf die Regierung nöthig sei. Trotzdem begrüße er den Antrag, der die Nothlage der Landwirthschaft zum Ausdruck bringe, mit Sympathie; am wirksamsten glaube er denselben aber durch die vorgeschlagene motivirte Tagesordnung zu unterstützen. Platonisch stehe er den Wünschen der Land⸗ wirthschaft in dieser Schutzzollfrage keineswegs gegenüber; er werde sogar für seine Person im Falle der Ablehnung des eigenen Antrags dem Antrag von Minnigerode zu⸗ stimmen. Der Rückgang der Landwirthschaft könne einem Zweifel nicht mehr unterliegen. Allerdings scheine das Ausland mit seinen Tarif⸗ und Transporkkosten⸗ ermäßigungen an die äußerste Grenze gelangt zu sein und könne seine Konkurrenzfähigkeit kaum noch steigern. Indeß seien die Preise jetzt so niedrig, daß fast durchweg unter dem Selbstkostenpreise gearbeitet werde. Es handle sich nicht um die ausschließlichen Interessen des Großgrundbesitzes, auch der mittlere und selbst der kleine Grundbesitz müsse eine gewisse Fruchtfolge einhalten. Die kleinen Landwirthe, die selbst Korn kaufen müßten für ihren eigenen Grundbesitz, ständen meist als Arbeiter im Dienst des mittleren und großen Grundbesitzes und hätten an der Blüthe dieses letzteren das größte Interesse, weil sie sonst nicht bestehen könnten. Der Niedergang der Landwirthschaft mache sich schon eminent bemerkbar in seiner Rückwirkung auf die industrielle Produktion; der Einwand, daß die Industrie bei billigen Preisen leichter arbeiten könne, sei längst widerlegt. Die Preise der landwirthschaftlichen Produkte würden auch nicht um den Zollbetrag vertheuert; das Ausland habe die Zölle ganz und voll auf sich genommen. Er empfehle die Annahme seines Antrages oder, im Falle der Ablehnung die Annahme des Antrages des Abg. Freiherrn von Minnigerode.

Der Minister für Landwirthschaft, Dr. Lucius, bemerkte, er sei zu der Erklärung ermächtigt, daß die Staatsregierung die schwere Krisis, unter welcher die Landwirthschaft leide, er⸗ kenne und zu ihrer Abhülfe bereit sei; sie sei geneigt, mit einer Erhöhung der landwirthschaftlichen Zölle vorzugehen, vorausgesetzt, daß sie die Zustimmung des Bundesraths und der Mehrheit des Reichstages finde; dieselben Rücksichten für die Landwirthschaft, welche bei der bisherigen Gesetzgebung maßgebend gewesen, würden auch künftig maßgebend sein. Die hätten bisher eine erhebliche finanzielle Bedeutung gehabt, aber für den Schutz der Landwirthschaft nicht viel gewirkt. Trotz der Steigerung der Zölle sei der Preisstand des Weizens so nie⸗ drig, wie er seit hundert Jahren nicht, oder überhaupt noch nie gewesen. Die Roggenpreise böten keine so großen Schwan⸗ kungen, weil der Kreis der roggenbautreibenden Länder sich nicht ausgedehnt habe, wie dies beim Weizen, durch den Hinzutritt Amerikas und namentlich Indiens, ge⸗ schehen sei. Der Import von Pferden beschränke sich auf Pferde niedrigster Gattung. Gegenüber einem Bestande von 15 ¾ Millionen Haupt Rindvieh sei ein Import von 200 000 Haupt nur unbedeutend; gerade ausreichend, um eine Aufbesserung des Bluts herbeizuführen. Der Export sei bedeutend größer als der Import. Nur bei den Schweinen sei der Import von einigem Belang. Bei Schafvieh sei der Import allmählich beinahe gleich Null geworden. Die staat⸗ lichen Maßnahmen zur Hebung der Landwirthschaft, welche moͤglich seien, würden Seitens der Regierung ergriffen werden; aber auch die weitgehendste Staatshülfe werde niemals die Selbsthülfe der Landwirthe, billig und sparsam zu produziren, überflüssig machen. Die Regierung hoffe, daß bei dem Be⸗ streben die landwirthschaftliche Krisis zu überwinden, ihr die Mitwirkung des Reichstages nicht fehlen werde.

Der Abg. Graf von Kanitz dankte dem Minister für seine Erklärung, bat aber nochmals zu erwägen, ob nicht auch eine Erhöhung der Viehzölle möglich sei. Nach England werde nicht mehr so viel Rindvieh, nach Frankreich nicht mehr so viel Schafvieh versendet. Nicht eine Grenzsperre werde verlangt, sondern nur normale Viehpreise; das Sinken der Preise be⸗ deute eine Verschlechterung der Viehzucht. Wenn eine Vorlage dem Reichstage gemacht werden sollte, so müßte es noch in diesem Jahre geschehen; gelange die Erhöhung der Getreide⸗ zölle nicht sofort zur Ausführung, so würde ein bedeutender Import stattfinden, durch den die Maßregel vollständig illusorisch würde.

Bei Schluß des Blattes nahm der Abg. von Saucken⸗ Tarputschen das Wort.

Ein mündliches Mitgiftversprechen oder das mündliche Versprechen der Gewährung einer Zulage zum Haushalt oder eines sonstigen Vermögensvortheils Seitens eines Fremden (eines nicht zur Ausstattung Verpflichteten) an einen oder den anderen der künftigen Eheleute unter der Bedingung oder zum Zwecke einer zu schließenden Ehe wird nach einem abweichend von früheren Entscheidungen ergangenen Urtheil des Reichsgerichts, IV. Civilsenats, vom 7. März d. J., im Geltungsbereich des Preuß. Allg. L.⸗R. durch die Erfüllung dieser Bedingung rechtswirksam und klagbar, auch wenn Derjenige, welchem die Mitgift resp. Zulage versprochen worden, dem Versprechenden gegenüber sich nicht zu der geforderten Heirath verpflichtet hatte. „.. . Es fragt sich, ob die mangelnde Feststellung des gedachten klägerischen Ver⸗ sprechens der Eheschließung als nothwendige Voraussetzung für die Anwendbarkeit des §. 165 Th. I, Tit. 5 A. L.⸗R., wonach die Leistung der Handlung den Anspruch auf die mündlich versprochene Vergütung begründet, anzusehen ist. In einigen früheren Entscheidungen des gegenwärtig erkennenden Senats ist diese Frage bejaht; nach nochmaliger Prüfung derselben ist jedoch diese Rechtsauffassung nicht aufrecht erhalten, sondern

im wesentlichen Anschlusse an die Praxis des vormaligen preußischen Ober⸗Tribunals der entgegengesetzten, welche zur Verneinung der gedachten Frage führt, der Vorzug ge⸗ geben. . . .. Indem §. 1048 Th. 1 Tit. 11 A. L.⸗R. („Auch wenn ein Fremder unter der Bedingung oder zum Zweck einer zu schließenden Ehe einem oder dem anderen der künftigen v. Etwas in rechtsgültiger Form versprochen hat, ist ein solcher Vertrag einem lästigen gleich zu achten“) das dort erwähnte, formell einseitige Leistungsversprechen den lästigen, d. h. den Verträgen mit gegenseitigen Verpflichtungen gleichstellt, spricht er damit aus, daß die von dem Promissar zu erfüllende Be⸗ dingung oder Auflage, welche an sich nur Modalitäten des Leistungsversprechens sind, als vertraglich übernommene Gegen⸗ leistungen angesehen und rechtlich beurtheilt werden sollen. Nur in dieser Weise ist die Ausschließung der Schenkungs⸗ natur dieser Verträge und“ deren Unterordnung unter den

Begriff der lästigen zu erklären und zu rechtfertigen, da die⸗ selben nach Obigem die Abwesenheit jeder vorgängigen, sei es auch nur generellen Verbindlichkeit des Versprechenden voraus⸗ setzen. Diese Auffassung steht nun auch mit dem Wesen der Sache durchaus im Einklange. Denn das zum Begriff der Schenkung unerläßliche Erforderniß der Unentgeltlichkeit wird insoweit nicht erfüllt, als von dem Bedachten eine Gegen⸗ leistung verlangt wird, sei es auch, daß dies formell in Gestalt einer von ihm zu erfüllenden Bedingung oder Auflage geschieht, und die Schenkungsnatur eines derartigen Geschäfts zessirt ganz, wenn der Werth solcher Gegenleistung den Werth der Zuwendung erschöpft oder in Gelde überhaupt nicht zu schätzen ist. Dieser schon im Gebiete des gemeinen Rechts an⸗ erkannte Grundsatz hat im Allg. L.⸗R. nur insofern eine Modifikation erfahren, als derartig belastete Zuwendungen überhaupt im Zweifel e 1053 flg. das.), unter den besonderen Voraussetzungen des §. 1048 cit. aber schlechthin und durchweg als lästige Verträge beurtheilt werden sollen, welche letztere Vor⸗ schrift vermuthlich durch die Rücksicht auf die Beförderung der Ehe⸗ schließungen sowie durch die Erwägung motivirt ist, daß die Eingehung einer Ehe eine völlig unschätzbare Handlung ist. Geht man hiervon aus, so kann auch die Anwendung des §. 165 Th. I Tit. 5 A. L.⸗R. auf den in Frage stehenden Fall des §. 1048 cit. in der Weise, daß die Vollziehung der Fhe einen klagbaren Anspruch auf eine auch nur mündlich versprochene Zuwendung im Werthe von über 150 zu begründen vermöge, einem durchgreifenden grundsätzlichen Be⸗ denken nicht begegnen. Das Gesetz beschränkt die Gleichstellung der im §. 1048 cit. behandelten Verträge mit den lästigen Verträgen weder nach seinem Wortlaute noch nach seinem Grunde auf den Ausschluß der besonderen Formerfordernisse und der Widerruflichkeit der Schenkungen, sondern spricht solche all⸗ gemein aus und giebt dadurch zu erkennen, daß es auf jene Fälle den ganzen Komplex der bezüglich der lästigen Verträge aufgestellten Normen angewendet wissen will . ... Auch dem sittlichen Gefühle dürfte es mehr entsprechen, wenn die Be⸗ theiligten nicht durch die Rücksicht auf den beiderseits er⸗ strebten Erfolg genöthigt werden, die Eheschließung aus⸗ gesprochenermaßen zum Gegenstande eines an sich vermögens⸗ rechtlichen Vertrages zu machen.“

Durch Allerhöchste Ordre vom 20. April d. J. ist dem Kreise Osterode das Enteignungsrecht für die zur Aus⸗ führung des Neubaues der Landstraße von Willershausen über Duͤderode und Oldenrode bis zur Northeim⸗Seesener Chaussee im Dorfe Düderode erforderlichen Grundstücke ver⸗ liehen worden.

Am 27. April d. J. verstarb zu Burtscheid bei Aachen der frühere Königlich preußische Minister⸗Resident in Florenz, Wirkliche Geheime Rath Dr. Alfred von Reumont.

Dr. von Reumont, geboren am 15. August 1808 zu Aachen als Sohn des dortigen Medizinal⸗Raths Reumont, trat, nach⸗ dem er seine Studien absolvirt hatte und längere Zeit Privatsekretär bei dem preußischen Gesandten Freiherrn von Martens in Florenz gewesen war, am 28. Juni 1835 in das Sekretariat des hiesigen Königlichen Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten ein. Im März 1836 wurde er der Königlichen Gesandtschaft in Florenz als Geheimer expedirender Sekretär beigegeben und erhielt im Sommer 1843, nachdem er längere Zeit die Geschäfte des Legations⸗Sekretärs in Rom wahrgenommen, eine Stellung als Hülfsarbeiter im Ministerium der aus⸗ wärtigen Angelegenheiten und im Civilkabinet Sr. Majestät des Hochseligen Königs.

Unterm 13. Januar 1844 zum Legations⸗Rath ernannt und durch Allerhöchste Ordre vom 5. Dezember 1846 in den Adelstand erhoben, wurde er im Oktober 1848 als Legations⸗ Sekretär nach Rom versetzt und im November 1851 mit den Funktionen eines Geschäftsträgers in Florenz betraut. Im August 1856 zum Minister⸗Residenten am toskanischen Hofe ernannt, bekleidete er diese Stelle, in welcher er im Oktober 1859“ den Titel Geheimer Legations⸗Rath erhielt, bis zum 22. März 1860, zu welchem Zeitpunkte in Folge der politischen Umgestaltung Italiens die Einziehung dieses Postens und zum 1. Januar 1861 seine Zurdispositionstellung erfolgte. Seitdem widmete Dr. von Reumont seine Muße wissen⸗ schaftlichen, namentlich historischen und kunsthistorischen Arbeiten. In seinen diplomatischen Stellungen hat Dr. von Reumont sich stets die vollste Zufriedenheit zu erwerben gewußt, und es sind ihm auch später durch Verleihung hoher Auszeichnungen zahlreiche Beweise Allerhöchster Gnade zu Theil geworden. Bereits im Jahre 1860 mit dem Rothen Adler⸗Orden 2. Klasse mit Eichenlaub, im Jahre 1871 mit dem Stern zu diesem Orden dekorirt, erhielt er anläßlich seines 50 jährigen Doktor⸗ Jubiläums im Jahre 1883 den Stern der Komthure des König⸗ lichen Haus⸗Ordens von Hohenzollern.

8 Am 28. Juni 1885, an welchem Tage er 50 Jahre dem Staatsdienste angehörte, wurde Dr. von Reumont auf seinen Antrag in den definitiven Ruhestand versetzt und er in An⸗ erkennung der gegen Se. Majestät und das Königliche Haus stets bewährten Treue und Anhänglichkeit zum Wirklichen Geheimen Rath mit dem Prädikat Excellenz ernannt.

Abgesehen von seinen dienstlichen Beziehungen zum Aus⸗ wärtigen Ministerium, stand Dr. von Reumont Ihren Majestäten dem Kaiser und der Kaiserin, sowie dem Hoch⸗ seligen König Friedrich Wilhelm IV. persönlich nahe. Durch seine zahlreichen über die Geschichte und Kunstgeschichte Italiens veröffentlichten Schriften hat er sich auch um die Wissenschaft reiche Verdienste erworben, die ihm auch nach dieser Richtung ein ehrendes Andenken in weiten Kreisen des Vaterlandes sichern.

Der Kaiserliche Botschafter, Graf zu Münster, ist vom Urlaube nach Paris zurückgekehrt und hat die Geschäfte der dortigen Botschaft wieder übernommen.

Wöe S. M. Fahrzeugẽ „Loreley“, Kommandant Kapitän⸗ Lieutenant Freiherr von Lyncker, ist am 30. April cr. in Jaffa eingetroffen und am 3. Mai wieder in See gegangen.

Das ‚Marine⸗Ver.⸗Bl.“ veröffentlicht folgende Nach⸗ richten über Schiffsbewegungen (das Datum vor dem Orte bedeutet Ankunft daselbst, nach dem Orte Abgang von dort). S. M. Kreuzer „Adler“ 2.,2. Sydney. 20./4. (Post⸗ station: Sydney [Australien)). S. M. Kreuzer „Albatroß“ 15.1. Matupi. Letzte Nachricht von dort 27./1. (Post⸗ station: Sydney [Australien].) S. M. Fahrzeug „Caurus“ 20./4. Wilhelmshaven. S. M. Knbt. „Cyclop“ 30. 3. Bonny 2./4. (Poststation: Kamerun.) S. M. Vermess.⸗ Fahrzeug „Drache“ Wilhelmshaven 27.,4. (Poststation: Wil⸗ helmshaven.) S. M. Fahrzeug „Falke“ 18./4. Wilhelms⸗ haven. (Poststation: Wilhelmshaven.) S. M. S. ‚Friedrich

v“

Carl“ 16.,4. Wilhelmshaven 22. 4. 23./4. Wilhelmshave (Poststation: Wilhelmshaven.) S. M. Kreuzer „Habicht 124 594 Maftflanion⸗ S. M B „Hansa“ 24./9. 86 Kiel. (Potstation: Kiel.) S. M. g95. „Hyäne“ 24.,4. Zanzibar (Poststation: Zanzibar.) A Knbt. „Iltis“ Wilhelmshaven 25./4. (Poststation: Gibraltar S. M. Fahrzeug „Loreley“ 15./11. 86 Malta. 20.,4 K 24./4. Canea 25,/4. 28./4. Alexandria 29, 41 (Poststation: Konstantinopel.) S. a“ 10.,2. Kiel. (Poststation: Kiel.) S. M. Kreuzer „Möne⸗ 24. 4. Zanzibar. (Poststation: Zanzibar.) S. M. & „Moltke“ 1./4. Kiel. (Poststation: Kiel bis 11. Mai, dam Swinemünde.) S. M. Pzrfhrzg. „Mücke“ 28./7. 86 Wilhelms⸗ haven 18.4. 87. 20/4. Wilhelmshaven. (Poststation: Wil⸗ helmshaven.) S. M. Kreuzer „Nautilus“ 12./4. Shanghai 24/4. 27./4. Nagasaki. (Poststation: Singapore.) S. M. S. „Nixe“ 31./3. Lissabon. (Poststation: Gibraltar) S. M. Vermessgsfhrzg. „Pommerania“ Kiel 25.4. 25,4 Eckernförde. 29. 4. Kiel. (Poststation: Kiel.) S. M. S „Prinz Adalbert“ 30,/3. Wilhelmshaven. (Poststation. Wilhelmshaven bis 3. Mai, dann Eckernförde.) S M. S. „Sachsen“ 25,/9. 86 Kiel. (Poststation: Kiel.) S. M. S. „Stein“ 30./3. Wilhelmshaven. (Poststation: Wilhelmshaven bis 6. Mai, dann Kiel.) S. M. Knbt. „Wolf“ 11.4. Formosa. Foochow 21./4. 27./4. Naga⸗ saki. (Poststation: Hongkong.) Kreuzergeschwader: S. n Schiffe „Bismarck“ (Flaggschiff), „Carola“, „Olga“, „Sophie“ 15./3. Kapstadt. (Poststation: Sydney (Australien). Torpedc⸗ Divisionsboot „D. 1 27./3. Danzig 1./4.

Dampfer „Salier“ mit dem Ablösungskommando für S. M. Kreuzer „Albatroß“ Bremerhaven 20./4. 21. 4 Amsterdam 23./4.

Wiesbaden, 3. Mai. In der heutigen 6. öffentlichen Sitzung des Kommunal⸗Landtages wurde zunächst auf den Bericht der Wegebaukommission zu der Verlage des Landesausschusses, betreffend die Uebernahme der Ortsbering⸗ straßenstrecen in vormals nassauischen Gemeinden in kommunalständische Unterhaltung, nach einer langen und erregten Debatte beschlossen, diese Vorlage noch einmal an die Finanzkommission und Wegebaukommission zur gemeinschaftlichen Berathung zurückzuverweisen. Auf den Bericht derselben Kommission wurde der Umbau einer Theil⸗ strecke der Hachenburg⸗Herborner Straße beschlossen. Eine Eingabe eines Einwohners zu Holzhausen ward durch Ueber⸗ gang zur Tagesordnung erledigt. Ein Gesuch der Gemeinde Holzhausen um eine Ruͤckvergütung der zu den Kosten des Baues der Straße Eifabachsmühle—Laisa geleisteten Beiträge wurde dem Landes⸗Ausschuß zur Berücksichtigung überwiesen. Auf den Bericht der Wegebaukommission genehmigte der Landtag die Abtretung eines Theils der Darmstädter und Mörfelder Landstraße in das Eigenthum, die Unter⸗ haltung und Verwaltung der Stadt Frankfurt a. M. gegen Gewährung einer Rente von 2000 per Kilometer. Auf den Bericht der Finanzkommission zu der Eingabe des Kuratoriums des landwirthschaftlichen Instituts zu Hofgeisberg wurde dieselbe an den Landesausschuß verwiesen, und auf den Bericht der Rechnungsprüfungskommission die Rechnungen der ständischen Fonds und Institute dechargirt. Ein Ge⸗⸗ such um Unterstützung wurde dem Landesdirektor überwiesen. Einige Wahlprüfungen wurden ohne Debatte genehmigt. Nächste Sitzung morgen früh 11 Uhr.

Bayern. Bayreuth, 3. Mai. (Allg. Ztg.) Der Prinz⸗Regent wurde auf seiner Reise von Bamberg in Kulmbach überaus herzlich bewillkommt. Um halb 11 Uhr traf der Zug in Bayreuth ein. Der Bürgermeister Muncker betonte in seiner Begrüßungsrede: die Bayreuther seien mit Bayerns Königshaus aufs engste verwachsen. Beim Einzug in die festlich geschmückte Stadt bis zum Schlosse wurde dem Prinz⸗Regenten ein jubelvoller Empfang bereitet. Von einer Tribüne in der Jägerstraße aus, unter einer Ehren⸗ pforte, brachten Ehren⸗Jungfrauen dem Prinz⸗Regenten eine poetische Huldigung dar. Bei dem Reiz seiner Straßen an sich mußte Bayreuth Besonderes aufbieten, um einen festlichen Schmuck zur Geltung bringen zu können. Die Maximilians⸗ straße, Opernstraße, Richard⸗Wagnerstraße u. s. w. gewährten denn auch einen prachtvollen Anblick. Reich und schön war u. a. die Ausschmückung des Opernhauses, des Komman⸗ danturgebäudes, des Palais des Herzogs Alexander von Württemberg, des Bezirksamtsgebäudes, des Palais der Frau von Meyernberg, des Häusertrakts des Bau⸗ meisters Wölfel und der alten Kaserne zu nennen. Se. Königliche Hoheit nahm in der prächtigen Residenz Wohnung und wurde im Treppenhause von lieblichen weiß⸗blau gekleideten Mädchen mit Rosenspenden begrüßt. Heute Mittag hat Se. Königliche Hoheit die Aufwartungen der Staats⸗ und Civil⸗ behörden, der Gemeindekollegien und Landbürgermeister ent⸗ gegengenommen und Nachmittags mit den Herren seiner Be⸗ gleitung einer Hoftafel im Schlosse beigewohnt.

Beaden. Karlsruhe, 4. Mai. (W. T. B.) Der Kronprinz und die Kronprinzessin von Schweden und Norwegen sind heute nach Amsterdam abgereist. Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 3. Mai. (Th. C.) Der Großherzog ist gestern nach der Wartburg zurückgekehrt, woselbst heute Abend, einer Einladung des Groß⸗ herzogs folgend, Prinz Wilhelm von Preußen eintrifft.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 3. Mai. (Wien. Abdp.)

Im Abgeordnetenhause des Reichsraths wurde heute die Spezialdebatte über den Staatsvoranschlag für 1887 fortgesetzt. Der Titel „Dispositionsfonds“ veranlaßte eine längere Debatte. Bei der Abstimmung wurde der Titel jedoch mit bedeutender Majorität genehmigt. Die übrigen Posten des Kapitels „Ministerrath“ wurden theils nach kurzer, theils ganz ohne Debatte angenommen. Die Budget⸗Kommission des Herrenhauses hat den Bericht über den Gesetzentwurf, betreffend die aus Anlaß der Umwandelung der Grundentlastungsschuld von Ober⸗ Oesterreich in eine neue Landesschuld im Höchstbetrag von 9 400 000 Fl. zu gewährenden staatlichen Begünstigungen, vor⸗ elegt und stellt durch den Obmann und Berichterstatter Fürsten C. Czartoryski den Antrag: „Das Herrenhaus wolle dem Gesetzentwurf in der Fassung des Abgeordnetenhauses seine Zustimmung ertheilen.“

Pest, 3. Mai. (W. T. B.) Das Unterhaus ge⸗ nehmigte heute im Ganzen und im Einzelnen die Vorlage, betreffend die Aufnahme einer Anleihe von 32 Millionen Gulden zur Ergänzung der Reservebestände der Staats⸗

kassen.

ich

zezuhaltende große

vird vertreten sein, von der 110 Tonnen schweren Kanone, die imn Stande ist, ein Wurfgeschoß von 1800 Pfd. Gewicht auf (ine Distanz von 6 Meilen abzufeuern, bis zu den schnell⸗

(zatte 14 erledigt. Nach diesem Maßstab gemessen, wird allein iie Berathung des ersten Paragraphen 88 Stunden in An⸗ Frruch nehmen, und wenn es in dieser Weise bei den übrigen

zeer Vorlage 1760 Stunden, also eine lange Parlamentssession (efordern.

ei ein feiger Lügner.

antrag, in welchem erklärt wird: der Artikel der „Times involvire keinen Bruch

die „Times“ durch den General⸗Fiskal einen Verleumdungs⸗

agenen Anwalts zu überlassen.

bestehendes Ehrentribunal.

Großbritannien und Irland. London, 2. Mai. (A. C.) „Negierung beabsichtigt, wo möglich, die Ausschuß⸗ ꝛrathung der irischen Zwangsvorlage vor den ngstferien des Parlaments zu beendigen; die Opposition hzerseits glaubt jedoch, daß die Berathung sich bis Mitte veausdehnen werde. Gladstone und seine Freunde bezwecken, un Kampf so sehr als möglich zu verlängern, um die Auf⸗ zafsamkeit des Landes zu erregen. Seitens der Opposition Zen die Beschränkung der Dauer des Gesetzes auf drei Jahre e‚m Sonnabend, dem Vorabend der Eröffnung der all⸗ zörlichen Gemälde⸗Ausstellung, gaben der Präsident und die nglieder der Königlichen Akademie der Künste im zurlington⸗House das übliche Bankett. Unter den zahlreichen zaten befanden sich der Prinz von Wales, der Herzog n Cambridge, Prinz Christian zu Schleswig⸗Holstein, der zerzog von Teck, die Botschafter Oesterreich⸗Ungarns, Frank⸗ 5s und Italiens, der Gesandte der Vereinigten Staaten, der marauis von Salisbury und die meisten Mitglieder des binets, zahlreiche Pairs und Mitglieder des Unterhauses, „in London weilenden Vertreter der Kolonien, der Lord⸗ wor von London, sowie die Zierden der Kunst, Wissen⸗ zaft und Literatur. Sir F. Leighton, der Präsident der nademie, führte den Vorsitz. Die Tischreden vermieden, eie immer bei diesem Festmahl, sorgfältig das Gebiet „„ Politik. Den üblichen Toasten auf die Königin d die Mitglieder der Königlichen Familie folgte ein roast auf Heer und Flotte, den der Herzog von zambridge beziehungsweise der Chef der Admiralität, rd G. Hamilton, beantworteten. Letzterer machte im aufe seiner Rede Mittheilungen über die am 23. Juli auf „¶ Rhede von Spithead zu Ehren des Regierungs⸗ biläums der Königin in Gegenwart der Monarchin p Flottenrevue und sagte: „Ohne

prahlen, wird an diesem Tage eine Flotte

diren, die an Stärke und Macht irgend einer te, die jemals von irgend einem Souverain in Friedenszeiten gesehen worden ist, überlegen sein wird. Sie rd über hundert Wimpel zählen, die jede Abart der vernsten Kriegsschiffe umfassen werden, vom Torpedoboot zum mächtigsten Panzerschiff. Jede Gattung von Kanonen

..2

zwernden Maschinenkanonen, die im Stande sind, viele Hundert Schüsse in einer Minute abzugeben u. s. w.“

3. Mai. (A. C.) Anläßlich der Feier des Re⸗ zierungsjubiläums der Königin sind für den Monat zuni mehrere Hoffestlichkeiten im Buckingham⸗Palast in gussicht genommen. So findet am 1. oder 2. Juni ein Hof⸗ vonzert, am 24. Juni ein Hofball, am 28. Juni wiederum ein gonzert und am 29. Juni ein Gartenfest natt. 1

Bis jetzt sind nicht weniger als 155 Amendements um ersten Paragraphen der irischen Verbrechen⸗Bill gestellt worden, obgleich dieselbe fast gleichlautend mit dem zetreffenden Abschnitt der früheren Gladstone’'schen Zwangsakte t. Alle diese Amendements rühren, mit Ausnahme eines einzigen, von Parnell's und Gladstone's Anhängern her. Zwei Abgeordnete, zamlich die beiden Healy, sind die Urheber von 97 Amendements. Von den 155 wurden am Freitag nach fast achtstündiger De⸗

¹9 Paragraphen fortgeht, so wird allein das erste Stadium

3. Mai. (W. T. B.) In der heutigen Unterhaus⸗ jitzung theilte der Unter⸗Staatssekretär Fergusson auf eine bezügliche Anfrage mit: Die Unterhandlungen mit der Pforte bezüglich Egyptens dauerten noch fort; dem Par⸗ lament würden über den Charakter und das Resultat der⸗ elben Mittheilungen gemacht werden, sobald das Staatsinteresse dies gestatte. Lewis beantragte wegen des gestern von der „Times“ gebrachten Artikels: „Dillon's Lügen im Unterhause“, Anklage zu erheben, und behauptete: derselbe verletze die Parlamentsprivilegien. Dillon unterstützte den Antrag und wünschte, den Anschuldigungen der „Times“ ent⸗ gegenzutreten, indem er bemerkte: der Herausgeber der „Times“ sei ein Smith beantragte, die Sache zu ver⸗ agen, um dem Hause Zeit zu ruhiger Ueberlegung zu geben. Die Parnelliten, welche Gladstone unterstützte, bekämpften diesen Antrag. Die Vertagung wurde schließlich mit 213 gegen 174 Stimmen genehmigt. 1

4. Mai. (W. T. B.) Im Unterhause bekämpfte die Regierung heute den Antrag Lewis'’ durch einen Unter⸗ der Parlamentsprivilegien. Es sei erwünscht, die Sache zum Austrage zu bringen, aber das Gericht und nicht das Unterhaus sei das hierfür zusäändige Tribunal. Die Regierunsg sei bereit, gegen

prozeß einleiten zu lassen und Dillon die Wahl eines Die Debatte war äußerst lebhaft; die Anhänger Parnell's und Gladstone'’s protestirten gegen die Absicht der Regierung, da dieselbe unbillig gegen die Parnelliten sei. Letztere erklärten, die Angelegenheit ge⸗ hore nicht vor das Gericht, sondern vor ein aus Gentlemen s Gladstone stellte, falls der Unterantrag der Regierung angenommen würde, einen An⸗ trag auf Ernennung eines Comités des Hauses zur Unter⸗ suchung der Anklage der „Times“. Die Debatte wurde schließlich auf morgen vertagt. 8 1b 8 DOttawa (Canada), 1. Mai. (A. C.) Die canadische Regierung hat beschlossen, der canadischen Pacific⸗ Eisenbahn⸗Gesellschaft für drei Jahre eine jährliche Subvention von 200 000 Doll. zu bewilligen, damit die Gesellschaft eine Dampfschiffsverbindung zwischen der Vancouver⸗Insel und Australien errichte. Die Halifax⸗ und Westindische Gesellschaft erhielt eine Subvention im Betrage von 75 000 Doll. und eine fran⸗ zösische Gesellschaft, deren Dampfer zwischen Havre und Halifax fahren, 50 000 Doll. 3. Mai. (R. B.) Der General⸗Gouverneur, Lord Lansdowne, reiste heute Morgen von hier nach To⸗ ronto, wo die Bürger eine großartige Kundgebung ihm zu Ehren veranstalten wollen.

Italien. Rom, 4. Mai. (W. T. B.) Der König ist heute Abend von Venedig hierher zurückgekehrt.

Regierungsseitig wird

Zustand verhängt wird, verbietet längs der blokirten Küste den Handelsverkehr mit Abessinien und den Bewohnern dieses Landes. handelt, wird vor ein in Massovah einzusetzendes Prisengericht gestellt, welches über Schiff und Ladung dem Völkerrecht gemäß erkennen wird.

Jedes Schiff, welches diesem Verbot zuwider⸗

Venedig, 3. Mai. (W. T. B.) Heute fand in Gegen⸗

wart des Königs und der Königin der Stapellauf des Avisodampfers „Galilevo“ statt.

Griechenland. Athen, 3. Mai. (W. T. B.) Bei den Ersatzwahlen zur Deputirtenkammer sind überall die ministeriellen Kandidaten gewählt worden.

Türkei. Konstantinopel, 4. Mai. (W. T. B.) 1 s Folgendes bekannt gegeben: Der

wischenfall, welcher zu den Gerüchten über Unruhen auf

reta Anlaß gegeben hat, ist auf folgende Vorkommnisse zurückzuführen: Ein Muselmann aus Alikan, einem Dorfe bei Canea, war durch einen Flintenschuß getödtet worden. Einige seiner Gladubensgenossen schossen während des Transports der Leiche auf zwei Christen und verwundeten dieselben. Drei der Ermordung des Muselmanns ange⸗ klagte Christen und die Muhammedaner, von welchen die beiden Christen verwundet worden waren, wurden verhaftet. Während der Nacht entstand eine gewisse Aufregung in Daratzu, einem anderen in der Nähe von Canea gelegenen Dorfe; bei einem sich daran schließenden Streit wurden eine Person getödtet und drei verwundet. In Folge der von den Behörden ergriffenen Maßregeln wurde die Ruhe und Ord⸗ nung wieder hergestellt. Es handelte sich also nur um ein jeden politischen Charakters entbehrendes Verbrechen.

Rumänien. Jassy, 4. Mai. (W. T. B.) Der König ist heute Nachmittag zur Feier der Einweihung der Metropolitan⸗Kirche hier eingetroffen; derselbe wurde auf allen Stationen von Bukarest bis hier mit enthusiastischen Kundgebungen begrüßt.

8

Rußland und Polen. St. Petersburg, 3. Mai. (W. T. B.) Heute sind die Kaiserlichen Erlasse veröffent⸗ licht worden, durch welche die Machtbefugnisse des St. Petersburger Stadthauptmanns resp. des die Polizei verwaltenden Gehülfen des Ministers des Innern zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit in der Residenz resp. in den Provinzen erweitert werden.

4. Mai. (W. T. B.) Die russisch⸗englische Kommission für die Regelung der afghanischen Grenz⸗ frage trat heute zu einer Sitzung zusammen. Rußland war durch Zinowieff, Kuhlberg und Lessar, England durch Ridgeway, Lessoe und Barrow vertreten. Die Kommission vertagte sich, ohne Beschlüsse zu fassen, bis nächsten Dienstag, wo wahrscheinlich die Verhandlungen geschlossen werden.

Amerika. Chicago, 2. Mai. (R. B.) Die Königin Kapiolani von Hawait ist auf der Reise nach Washington hier angekommen. Vertreter des Kriegs⸗ und Marine⸗ Departements werden ihr zur Begrüßung bis Baltimore ent⸗ gegenfahren.

Afrika. Egypten. (A. C.) Ueber das Treffen bei Sarras ist im Kriegs⸗Ministerium zu London von dem Höchstkommandirenden in Egypten ein vom 30. v. M. datirter Bericht mit weiteren Einzelheiten ein⸗ gegangen. Darnach hatte vor dem Frontangriff auf den Feind die egyptische Kavallerie dessen Stellung vollsäändig umgangen. Nach Meldungen von Eingeborenen wurde die erste Linie des Feindes, aus etwa 200 fana⸗ tischen Derwischen bestehend, fast aufgerieben; die zweite Linie, bestehend aus etwa 300 Dongolesen unter dem Scheich Tahir und den Scheichs von Ambigol, Akasheh, Sukkat u. s. w., löste sich auf, als sie von der Kavallerie umgangen wurde, und die Araber schwammen gerade unterhalb Sarras über den Nil. Das engagirte egyptische Bataillon war ein schwarzes. Die Kavallerie setzte die Verfolgung fünf Meilen jenseits des Punktes fort, wo die Dongolesen den Fluß auf der Flucht überschritten hatten, fanden aber jenseits keinen Feind zu verfolgen. Die ganze Streitkraft kehrte nach Wady Halfa zurück. Diese Feindliche Bewegung der Derwische hatte muthmaßlich den Zweck, das Prestige unter der Bevölkerung aufrechtzuerhalten. Nur 14 wirkliche Derwische entkamen. Die Dongolesen zerstreuten sich nach ihren Distrikten. Die ganze Correspondenz des Feindes wurde erbeutet.

Suakim, 2. Mai. (R. B.) Hier angelangte Deserteure melden, daß die Hadendowas und andere freundlich gesinnte Stämme die Rebellen von Kassala vertrieben und Osman Digma und Abu Girga gefangen genommen haben.

Zeitungsstimmen.

Die „National⸗Zeitung“ schreibt:

Der Naturforscher vermag aus dem aufgefundenen Zahn eines vorfündfluthlichen Thieres das Letztere zu rekonstruiren. Die deutsch⸗ freisinnige Presse hat es beinahe ebensoweit gebracht; aus zwei an⸗ geblich in der noch unbekannten Branntweinsteuer⸗Vorlage enthaltenen Zahlen baut sie vor den erstaunten Blicken ihrer Leser den Entwurf auf; und die „Freisinnige Zeitung“, welche nicht den Raum erübrigen kann, um die Note des Reichskanzlers in der Schnäbele'schen An⸗ gelegenheit mitzutheilen, sich vielmehr auf den Abdruck einiger Sätze beschränkt, weil die Note „nichts Neues“ enthalte, bringt über die unbe⸗ kannte Branntweinsteuervorlage gleichzeitig vier Leitartikel. Der Menschheit ganzer Jammer faßt das Blatt bei dem Gedanken an, daß der Schnaps theurer werden könnte. Ein Ausländer, der diese herzbrechenden Klagen liest, muß glauben, daß die Deutschen ein Volk von leidenschaftlichen Schnapstrinkern seien. Nebenbei hetzt das deutschfreisinnige Organ, welches dieser Tage den Süddeutschen auf Grund des Nachtrags⸗Etats Angst vor dem Reichs⸗Eisenbahnprojekt machen wollte, nun zur Abwechselung die Norddeutschen gegen den Süden auf: dieser werde aus der Branntweinsteuereinnahme mehr erhalten, als dazu beitragen. Damit aber die Süd⸗ deutschen nicht hierdurch allzu sehr für die Vorlage gewonnen werden, wird alsbald bei ihnen wieder die Erzeugung eines neuen „Angst⸗ produkts“ versucht: mit dem Reserbatrecht betreffs der Branntwein⸗, werde auch das betreffs der Bierbesteuerung hinfällig werden. Es

eht doch nichts über fortschrittliche nationale Gesinnung! Auf die

Föörterungen über den angeblichen Inhalt der Vorlage einzugehen, haben wir keinen Grund; wir wollen abwarten, bis wir nicht blos den Zahn, sondern das Mammuth selbst vor uns haben.

Demselben Blatt entnehmen wir:

Ueber die Lage der Landwirthschaft äußert sich eine anerkannte landwirthschaftliche Autorität, Geheimer Rath Settegast, in einem offenen Briefe an den General⸗Sekretär der landwirthschaftlichen

Der Erlaß des Generals Saletta, durch welchen üͤber Massovah und Dependenzen der Blokade⸗

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Vereine für das Großherzogthum Hessen, anläßlich einer dort an⸗ gestellten Enquete, u. a. wie folgt: 8

Ich wende mich nun zu den Ergebnissen der Enquete, deren Zu⸗ sammenstellung die Gesammtlage der Landwirthschaft in Hessen klar⸗ stellen und darüber Auskunft geben soll, ob und inwieweit durch Um⸗ gestaltung bestehender Verhältnisse bezw. durch Beeinflussung oder Eingreifen von der einen oder anderen Seite die wirthschaftliche Lage der Landwirthe einer Besserung entgegen zu führen wäre. Da mag es denn in erster Linie zur Beruhigung dienen, daß auch die Enquete im Großherzogthum Hessen die schwere Sorge und düstere Befürchtung Derer nicht bestätigt, welche pessimistisch den deutschen Land⸗ wirthschaftsbetrieb weit und breit in unheilvolle Zustände ver⸗ strict und von unausbleiblichem Zusammenbruch bedroht er⸗ achten, wenn die Agrargesetzgebung und Wirthschaftspolitik durch außerordentliche Maßregeln nicht sofort Abhülfe schaffen. Es ist wahr, trübe genug sieht es da und dort aus, aber ebenso wahr ist, daß die bisherigen deutschen Enqueten mit Einschluß der jetzt in Hessen veranstalteten nichts weniger als Denen Recht geben, die von einem beschränkten Beobachtungsfelde aus die landwirthschaftliche Gesammtlage durch den letzten Schluß: „untröstlich ist es allerwärts“ charakterisiren zu dürfen vermeinen. Dieses Urtheil, an sich schon unzutreffend, erweist sich besonders verfehlt, wenn es die Gründe für herrschende Nothstände nicht in der Verkehrtheit wirthschaftlichen Gebahrens, sondern vor Allem in Um⸗ und Zuständen erblickt, die ganz außerhalb der Selbst⸗ hülfe des Landwirths liegen. Noch ist es Niemandem geglückt, die von mir früher einmal aufgeworfene Frage zu beantworten, wo es eine Gegend, einen Ort, ja auch nur eine Einzelwirthschaft gebe, die dem Schicksal des Niederganges oder Zusammenbruchs der Oekonomie anheimfallen mußte, obgleich der Grund und Boden nicht zu theuer erkauft oder erpachtet war; es an hinlänglichem Bet riebskapital nicht mangelte; der Bewirthschaftung des Gutes eine zweckmäßige Organisation zu Grunde lag; die Oekonomie mit Intelligenz, Umsicht, Ordnung und Fleiß geführt wurde; die Lebenshaltung des Wirths nicht über seine Verhältnisse hinausging. Bis jetzt, so sagte ich 1885 und kann es hier wiederholen, hat es selbst dem verbittertsten Pessimismus nicht glücken wollen, Fälle dieser Art namhaft zu machen und damit die Regel umzustoßen, daß landwirth⸗ schaftliche Unternehmungen vom Mißlingen nicht bedroht sind, wenn ihnen obige Bedingungen festen Bestandes zu statten kommen, d. h. wenn sie Forderungen erfüllen, welche das heutige Gewerbsleben zum Gelingen einer Unternehmung als selbstverständlich erachtet. Gewiß winkt den Staatsregierungen noch eine schöne, die allgemeine Wohl⸗ fahrt fördernde Aufgabe, durch gesetzgeberische Akte dort, wo es fehlt und angebracht ist, dem wirthschaftlichen Aufschwunge Stützen zu ver⸗ leihen. Aber alle Maßregeln von dieser Seite würden erfolglos sein, wenn die durchdachten praktischen Vorschläge der Enquete für die auf Selbsthülfe beruhenden Verbesserungen de . unbeachtet verhallen sollten..

Die „Berliner Börsen-⸗Zeitung“ bemerkt:

Nach dem Verlauf der kommissarischen Berathungen über den Nachtrags⸗Etat ist zu erwarten, daß auch die Verhandlungen im Plenum keine besonderen Schwierigkeiten bereiten werden, so daß vielleicht noch in dieser Woche oder wenigstens in den ersten Tagen der nächsten Woche die ganze Etatsberathung erledigt sein kann In der Kommission sind die Forderungen alle einstimmig bewilligt worden. Das ist eine Thatsache, die des heilsamen Eindrucks auf das Ausland insbesondere nicht verfehlen wird. ...

Ueber dieselbe Angelegenheit schreiben die „Ham⸗ burger Nachrichten“:

„Die Behandlung, welche der Nachtrags⸗Etat für militärische Zwecke bisher im Reichstage bezw. in der Budgetkommission gefun⸗ den hat, berührt ordentlich wohlthuend, wenn man sich erinnert, wie vor Weihnachten die Hrrn. Richter und Windthorst an jeder Säbel⸗ koppel und jeder Haferration herumfeilschten. Jetzt ist die Frage der unumgänglich nothwendigen militärischen Sicherheitsmaßregeln in großem Zug und patriotischem Geist angefaßt worden. Es ist an⸗ zuerkennen, daß auch die Opposition sich gebessert hat. Das Läute⸗ rungsbad der jüngsten Wahlen ist nicht ganz spurlos an ihr vorüber⸗ gegangen, und das Bewußtsein ihrer inneren Ohnmacht drückt sie

er Technik und Oekonomie

einigermaßen nieder ... Die Art, wie jetzt die Fragen der mili tärischen Wehrkraft bei uns behandelt werden, der entschlossene Ernst, die volle Kraft der Nation an die Abwehr feindlicher Angriffe zu setzen, kann auch nach außen unmöglich ohne Eindruck bleiben und muß somit nothwendig zu Gunsten des Friedens wirken.“

Ferner das „Posener Tageblatt“:

„Man wird diese Erscheinung und den Gegensatz gegen das Elend der früheren Reichstagsmehrheit, den sie zum Bewußtsein bringt, doppelt freudig begrüßen, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die Kommissionsmehrheit mit dieser Haltung zugleich endlich entschieden mit der unsinnigen Anschauung gebrochen hat, daß das Parlament grundsätzlich die Aufgabe habe, an allen, auch den wohlerwogensten und auf das knappste Maß gestellten Anforderungen der Regierung zu mäkeln und zu streichen. Wir hätten, wenn diese Theorie noch länger eine Mehrheit hinter sich gehabt hätte, unmöglich dem Schicksal ent gehen können, einem System der Heuchelei und Unehrlichkeit zu ver⸗ fallen, da unserer Regierung schließlich nichts Anderes übrig geblieben wäre, absichtlich mehr zu fordern, als sie gebrauchte, und sich dann

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im Parlament auf das wirkliche Maß des Bedürfnisses herunter⸗

handeln zu lassen.“

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Die am 7. Mai 1887 erscheinende Nr. 2288 der „Illustrirten Zeituing“ enthält folgende Abbildungen: Hebe und Amor, die Tauben der Venus tränkend. Marmorgruppe von Fritz Schaper. Die neue Fagade des Domes zu Florenz. Der italienische Bild hauer Donatello. Zur 5. Säcularfeier seiner Geburt. Berliner Bilder: „Schaler“ (Lumpensammler). Originalzeichnung von C. Koch. Bilder aus Holland. 11 Abbildungen. Bei Zaardam. Bei Scheveningen. Aus Dordrecht. Aus Harlem. Thor in Delft. Im Haag. Aus Utrecht. Rotterdam. Aus Amsterdam. Dörfchen Holl. Beim Fischmarkt in Amsterdam. Die Lavinenstürze im Urseren⸗ thal (Schweiz) zwischen Andermatt und Hospenthal und die Schöllenen mit der Teufelsbrücke. 4 Abbildungen. Nach der Natur gezeichnet von J. Weber. Panorama von Gurschen, St. Annaberg, Winterhorn, Hospenthal. Fahrt durch die Schölle⸗ nen. Wegmacher. Die große Lavine bei Hospenthal. Charlotte Wolter. Zu ihrem 25 jährigen Künstlerjubiläum. Kunst⸗ kritiker. Nach einem Gemälde von José Echena. Der französische Grenzpolizeikommissar Schnäbele. Himmelserscheinungen: Der Barnard⸗Hartwig'sche Komet. Der Ringnebel in der Leier. Poly technische Mittheilungen: Momentphotographien. 24 Abbildungen. Aus Eder's „Anleitung zur Herstellung von Momentphotographien“ (Halle, W. Knapp). Photographie des elektrischen Funkens. Photo⸗ graphie eines rennenden Stiers (12 Fig.). Heimkehr des Storches zum Neste. Photographie des elektrischen Funkens. Photographische Straßenbilder (6 Fig.). Katzenphotographie v. Pointer. Moment⸗ aufnahme eines Stockspringers. Katzenphotographie von Pointer. Moden: Morgenhaube aus Mull. Morgenrock aus gedrucktem

Flanell. Morgenhaube aus gesticktem Tüll. Morgenhaube aus Krepp.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Im Bezirk des Königlich preußischen Hof⸗Jagdamts sind in der Jagdsaison 1886/87 an Wild und Raubzeug im Ganzen erlegt worden: an Rothwild 219 Hirsche und 410 Spießer und Wild, an Dammwild 340 Schaufler und 1394 Spießer und Wild, an Schwarzwild 366 grobe und 338 geringe Sauen; ferner 36 Rehe, 1007 Fasanen, 2872 Hasen, 1840 Rebhühner, 605 Gänse, Enten, Schnepfen u. s. w., 278 Reiher, Kormorane u. s w., 232 Füchse, 42 Marder, 123 Iltisse, 203 Wiesel, 678 Raubvögel, 1244 verschiedene. Von den im Ganzen erlegten 12 227 Thieren fallen 1763 (Roth⸗, Dam⸗ und Schwarzwild, Rehe) auf die Hofjagden in der Schorfheide, im Saupark bei

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