1887 / 106 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 07 May 1887 18:00:01 GMT) scan diff

weite Unterbringung des Hauses der Königlichen Staatsregierung noch nicht gefaßt worden ist.

Der Minister der öffentlichen Arbeiten. Der E“ Mavbach. von Zastrow. Der Finanz⸗Minister. In Vertretung: An den Präsidenten des Hauses der Abgeordneten, lichen Geheimen Rath Hrn. von Köller, Excellenz.

Als erster Gegenstand stand auf der Tagesordnung die dritte Berathung der Gesetzentwürfe, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Staatshaus⸗ halts⸗Etat für das Jahr vom 1. April 1887/88, und betreffend die Ergänzung der Einnahmen in diesem Nachtrags⸗Etat.

In der Generaldiskussion bemerkte der Abg. Knauer, die bedenkliche Höhe der Matrikularbeiträge lasse es nothwendig erscheinen, daß das Reich endlich einmal für seine Bedürfnisse selbst sorge; er hoffe, daß die Branntwein⸗ und Zuckersteuer das Defizit im Reich und in den Einzelstaaten decken würden; die Zuckersteuer dürfe allerdings nur mit großer Vorsicht reformirt werden; die Reform, welche die Enquete anrathe, würde die ganze Zuckerindustrie zu Grunde richten; auch Pegen die neue Branntweinsteuer habe er im Interesse der

rennereien Bedenken.

Der Abg. Rickert erwiderte, daß ihm das letztere um so verwunderlicher erscheine, als durch die Branntweinvorlage den Brennern ein geradezu ungeheuerliches Geschenk gemacht werde.

„Der Abg. von Tiedemann (Bomst) war der Meinung, daß mit der Branntweinvorlage den Brennern nicht ein Geschenk gemacht, sondern ein großes Opfer auferlegt werde.

Der Abg. Rickert wies dem gegenüber darauf hin, daß die Vorlage nach den Motiven den Zweck verfolge, den Preis des Spiritus höher zu bringen und auf dieser Höhe zu erhalten.

Der Abg. von Tiedemann (Bomst) hielt dies nur für eine Entschädigung für die großen Nachtheile, welche die Ausführung des Entwurfs für die Brenner mit sich bringe.

Die Generaldiskussion wurde hierauf geschlossen, und der Nachtrags⸗Etat sodann im Einzelnen und schließlich im Ganzen ohne Debatte endgültig genehmigt.

Es folgte die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Theilung von Kreisen in den Pro⸗ vinzen Posen und Westpreußen. ,

Zunächst wurden die in der Provinz Posen beabsichtigten Kreistheilungen diskutirt.

Zur Theilung des Kreises Adelnau in die Kreise Adelnau und Ostrowo bemerkte der Abg. Dr. von Jazdzewski, daß nicht die Ueberbürdung der Landräthe und die Nothwendigkeit ihrer Entlastung für die Theilung maßgebend zu sein schienen, son⸗ dern die Absicht, das Polenthum wirksamer bekämpfen zu können; vor der Anwendung eines solchen Kampfmittels müsse er auf das Entschiedenste warnen.

Der Abg. von Tiedemann (Labischin) entgegnete, allerdings sei die Vorlage ein Glied, in der Kette der Maßregeln zur Germanisirung der polnischen Landestheile, aber aucch ohne dieses Moment würde die Theilung zahlreicher Kreise in diesen Landestheilen unumgänglich sein. ie Landräthe in der Provinz Posen seien weit mehr als in irgend einer anderen Provinz mit Geschäften überhäuft. Von den geordneten, musterhaften Zuständen der öffentlichen Ver⸗ hältnisse in den Kreisen der übrigen Provinzen sei in der Provinz Posen recht wenig vorhanden; die kleinen Städte ver⸗ dienten hier kaum den Namen von Gemeindewesen. Deshalb seien die Landräthe genöthigt, in alle Verwaltungsangelegenheiten immerfort kinzugreisn, und dies mache namentlich wieder häufige Reisen desselben Dazu kämen die großen sozial⸗ politischen Aufgaben; die Aufgabe, welche die vorjährige An⸗ siedlungsgesetzgebung den Behörden auferlegt habe; die stets

wachsenden Aufgaben auf dem Gebiete der Schule. Von einer

Degradirung, einer Mediatisirung der Landräthe durch Ver⸗

kleinerung ihrer Kreise könne nicht im Mindesten die Rede sein; daß einzelne Landräthe ungern einer Theilung ihrer Kreise entgegensähen, sei allerdings begreiflich.

Der Abg. Czwalina führte aus, daß die öffentlichen Zu⸗ stände in Posen so schlimm nicht lägen, wie sie der Vorredner geschildert, wenn man auch zugeben müsse, daß die Unterschiede in der Kultur stärker würden, je weiter man von Westen nach

Osten gehe. Gewiß seien die posenschen Landrathsämter die am schwierigsten zu verwaltenden in der ganzen Monarchie; aber andererseits werde die Verwaltung wieder erleichtert durch die Distriktskommissarien, welche viel schneller funk⸗ tionirten als in anderen Provinzen die Selbstverwaltungs⸗ organe, da sie nur Verwaltungsbeamte und direkte Unter⸗ gebene des Landraths seien; ferner dadurch, daß Posen verhältnißmäßig mehr Städte habe, als andere Pro⸗ vinzen; endlich erleichtere auch die große Zahl der Gutsbezirke die Verwaltung wesentlich. Bisher hätten die Landräthe die Lasten ihres schweren umfangreichen

Amtes ohne Klagen getragen; die neuen Kolonisations⸗

aufgaben könnten aber am zweckmäßigsten durch Verstärkung der Hülfskräfte erfüllt werden; erst wenn dieses Mittel sich

nicht bewähren sollte, würde zur Theilung der Kreise ge⸗ schritten werden müssen. Auch der Kostenpunkt sei zu berück⸗ sichtigen. Soweit eine Theilung im nationalen Interesse nachgewiesen werde, werde sie zu bewilligen sein; es müsse

68. stets Gewinn und Opfer auf das Genaueste abgewogen werden.

2 Bei Schluß des Blattes ergriff

Staats⸗Ministeriums, Minister des das Wort.

Durch Allerhöchste Ordre vom 15. April d. J. ist der Stadtgemeinde Wiesbaden auf Grund der §§. 1 85 2 des Gesetzes vom 11. Juni 1874 (Gesetz⸗Samml. S. 221) das Recht verliehen worden, behufs Ausführung der für die Stadt

MWiesbaden projektirten Kanalisation im Wege der Ent⸗

1 gtnd 1) folgende in der Gemeinde Wiesbaden belegene Grund⸗

ücke:

8 a. des Mühlenbesitzers Adam Voltz Nr. 1898, 1897

1901, 1905, 1904 und 1903 des Lagerbuches, Nr. 9664, 9665, 86278 ge 18. und Se- 584 Stockbuches,

26 . der Wittwe und der Erben des Feldgerichtsschöffen

8 Pem⸗ Schmidt Nr. 1899 des Lagerbuches, Nr. bo sc ees-

c. des Badewirths Georg David Schmidt Nr. 1900 des 2 Eegerbisches, Nr. 5839 des Stockbuches, 85

des Mühlenbesitzers Heinrich Werner Nr. 1916 des

der Vize⸗Präsident des Innern, von Puttkamer,

der Ahgeordneten Seitens.

. de statu

Lagerbuches, Nr. 10027 des Stockbuches der Gemeinde Wies⸗ baden, zu erwerben und

„2) die Mühlenbesitzer Adam Voltz und Heinrich Werner bezüglich ihres Rechts zur der Wassergefälle an ihren in der Gemarkung Wiesbaden belegenen Mühlen, der g 59 Kupfermühle, mit einer dauernden Beschränkung zu belasten.

„— Durch Allerhöchste Ordre vom 20. April d. J. ist das seiner Zeit dem Kunzendorf⸗Hausdorf⸗Stein⸗Kunzendorfer Thars Aktien⸗Verein verliehene Recht, auf der Chaussee von Kunzendorf im Kreise Neurode über Hausdorf nach Stein⸗Kunzendorf im Kreise Reichenbach Chausseegeld nach den Bestimmungen des Chausseegeld⸗Tarifs vom 29. Fe⸗ bruar 1840 einschließlich der in demselben enthaltenen Be⸗ stimmungen über die Befreiungen sowie der sonstigen, die Erhebung betreffenden zusätzlichen Vorschriften zu erheben, auf die Kreise Neurode und Reichenbach je für die innerhalb ihrer Grenzen belegene Strecke gegen Uebernahme der chausseemäßigen Unterhaltung dieser Straßenstrecke vorbehaltlich der Abänderung der fämmtlichen voraufgeführten Bestimmungen übertragen worden.

In Bezug auf §. 193 des Strafgesetzbuchs, wonach an sich herabwürdigende Aeußerungen in Bezug auf eine Person z8ur Wahrnehmung berechtigter Interessen in der egel straffrei sind, hat das Reichsgericht, IV. Straf⸗ senat, durch Urtheil vom 18. Februar d. J., ausgesprochen, daß für die Annahme der Wahrnehmung berechtigter Inter⸗ essen der gute Glauben des Thäters genügt, auch wenn er dabei leichtfertig und ohne positive Ueberzeugung von der that⸗ sächlichen Begründbarkeit seiner Aeußerung gehandelt hat.

—. Der Kaiserliche Botschafter am Königlich groß⸗ britannischen Hofe, Graf von Hatzfeldt⸗Wildenburg ist vom Urlaub nach London zurückgekehrt und hat die Geschäfte der dortigen Botschaft wieder übernommen.

Der General⸗Lieutenant von Seeckt, Commandeur 828 10. Division, hat Berlin nach beendigtem Urlaub wieder verlassen.

Der Dampfer „Salier“ ist mit dem Ablösungs⸗ kommando für S. M. Kreuzer „Albatroß“ am 6. Mai er. in Suez eingetroffen und beabsichtigt, am 9. dess. M. wieder in See zu gehen.

Bayern. Ueber die Rundreise des Prinz⸗Regenten melden Telegramme der M. „Allg. Ztg.“ weiter:

Hof, 5. Mai. Der Aufenthalt des Prinz⸗Regenten in Hof vollzog sich unter begeisterten Kundgebungen der Bevöl⸗ kerung. Tausende von Fremden sind zu den Hofer Festlichkeiten eingetroffen. Nach dem Einzug defilirte ein 7000 Köpfe starkes Spalier, das Feuerwehrcorps, die Vereine und die Schuljugend vor dem Absteigequartier des Regenten. Abends fand ein von der Stadtgemeinde gegebenes Festconcert, sodann bei brillanter Illumination eine Serenade von zehn Gesangvereinen statt, welche eine gesangliche Musterleistung war. Der Regent wurde bei seinem Erscheinen mit nicht enden wollendem Jubel be⸗

Hof, 6. Wai.⸗Trotz üepfrrereneh Regenwetters waren schon in früher Morgenstunde die gesammte Stadtbevölkerung und Tausende von auswärtigen Besuchern in den Straßen, um bei der Abreise Sr. Königlichen Hoheit des Prinz⸗ Regenten zugegen zu sein, welche dem Programm gemäß er⸗ folgte. Noch kurz zuvor hatte der Prinz⸗Regent an den Bürgermeister Mann folgendes Handschreiben gerichtet: „Ich spreche von Herzen Meinen lebhaftesten Dank der Einwohnerschaft und den Vereinen von Nah und Fern aus, deren Zusammenwirken den gestrigen Tag für Mich zu einem außerordentlich hat. Die sichtlich aus innerster Empfindung der Bevölkerung entsprungenen Kundgebungen wahrhaft patriotischer Gesinnung werden Mir stets ein Gegen⸗ stand besonders freudiger Erinnerung sein. Meine wärmsten Bünsche begleiten diese wohlaufblühende Stadt in alle

ukunft.“

Amberg, 6. Mai. Bei der unter enthusiastischen Hoch⸗ rufen eines zahllosen Publikums 7 Uhr 30 Minuten früh er⸗ folgten Abreise Sr. Königlichen Hoheit des Prinz⸗Regenten regnete es ziemlich stark; auch bei der Durchfahrt durch Wiesau hielt der Regen an; trotzdem begrüßte die Volksmenge den Allerhöchsten Gast mit lautem Jubel. Der Regierungs⸗Präsident von Oberfranken, C. A. von Burchtorff, verabschiedete sich in Hohenbrunn, der Regierungs⸗Präsident der Oberpfalz, M. von Pracher, empfing den Prinz⸗Regenten in Weiden und schloß sich Allerhöchstdessen Gefolge an. Hier in Amberg harrten die Spitzen der Be⸗ hörden, sowie eine Ehrencompagnie am Bahnhofe des Hof⸗ zuges; bei dessen Ankunft hielt Bürgermeister König die Er⸗ a Unter Begleitung einer Abtheilung der ehevauxlegers hielt sodann der Prinz⸗Regent seinen Einzug in die festlich geschmückte Stadt unter unendlichem Volksjubel leider bei leichtem Regen.

Hessen. Darmstadt, 6. Mai. (Köln. Ztg.) Die Zweite Kammer nahm heute den Antrag auf Ermöglichung der Feuerbestattung gegen acht Stimmen an. Die Regierung ist dagegen.

Elsaß⸗Lothringen. Metz, 6. Mai. (W. T. B.) Der neu ernannte Unter⸗Staatssekretär des Innern, Studt, ist heute Mittag von Straßburg hier eingetroffen. Ss

. E“ KDOesterreich⸗Ungarn. Wien, 5. Mai. (Wien. Abdp.) Heute waren beide Häuser des Reichsraths versammelt. Das Herrenhaus erledigte ohne Debatte den Gesetzentwurf, betreffkend die Krankenversicherung der Arbeiter, während das Abgeordnetenhaus die Spezialdebatte über den Etat des Ministeriums des Innern fortsetzte.

Pest, 5. Mai. (Pr.) Der Antrag der Quoten⸗ Deputation hat solgenden Wortlaut:

„Nachdem die reichsräthliche Deputation den von Seite der ungarischen Deputation ausgesprochenen Wunsch nach Beseitigung des im G.⸗A. IV 1872 sösterreichisches Gesetz vom 8. Juni 1871, R.⸗G.⸗Bl. 49) festgestellten 2prozentigen Präcipuums und Berechnung einer einheitlichen Quote für die gesammten Länder der ungarischen Krone nicht nur vom sttaatsrechtlichen Standpunkte als be⸗ rechtigt anerkannte, sondern auch zu dessen Realisirung die Hand zu bieten bereit war, vorausgesetzt, daß eine in Gesetzesform ekleidete Garantie dafür geboten werden könnte, daß in Folge einer solchen Beseitigung des Präcipuums den im Reichsrath vertretenen Königreichen und Ländern nicht nur innerhalb der nächsten zehn Jahre, sondern überhaupt ein materieller Nachtheil gegenüber

annehmbare und heruhigen e, zugleich aber auch mit d sglei Plcge im vollen Einklange stehende Garantie jedoch de Aueglas ühens von beiden Seiten nicht gefunden werden kocften nachdem ferner für die Berechnung der Quote präzise gef e; liche Normen nicht existiren und auch beide Deputationen sich ucb⸗ eine feste Basis für die Berechnung der Quote nicht einigen 1.

Gesetze vorhergesehenen, jedoch vom konstitutionellen S . nicht wünschenswerthen Mittels zu vermeiden, sich bahfr ndpame von allen speziellen Berechnungen abzusehen und lediglich aehng. gemeiner Inbetrachtnahme der für die Jahre 1876 bis inel d. vühii nenden Daten, azne Peüiude fir die Zahmst die Aufrecht erhaltung des gegenwärtig zu Recht bestehenden Zustan ufr. zehn Jahre in Vorschlag zu bringen.“ Zustandes auf weit

Tchweiz. Zürich, 6. Mai. Di⸗ Agitation zu Gunsten des Alkoholgesetzes, das am 15. Nar

zur Abstimmung kommt, regt sich mächtig. Versamm finden überall statt, namentlich in denjenigen

Landesgegenden, in denen die Gegnerschaft sich am mei hervorgethan hat. Mitglieder der Behelbersehneeee andere bewährte Volksführer treten daselbst als entschiedene Vertheidiger des Gesetzes auf. Verschiedene Kantonsregierungen der Eidgenössische Verein, die Aargauische Kulturgesellschaft die Vertreter einzelner Kantone in der Bundesversamm⸗ lung u. s. w. erlassen besondere Aufrufe an das Volk, um demselben die Annahme des Gesetzes dringend zu empfehlen. war eine Versammlung von Mitglieden

Bemerkenswerth der Bundesversammlung am 28. April, über welche einem Flugblatt 1

Ständerath Dr. Birmann in theilung macht und welche nochmals ihre Zustimmung Unterschrieben sind fast alle

zu dem Gesetze erklärt. Mitglieder der beiden Räthe. „Diese fast einstimmige An⸗ zeigt, daß die

nahme des Gesetzes sagt das Schriftstück Vertreter des Schweizervolkes aus allen Theilen des Vater⸗ landes, aus allen politischen, religiösen und gesellschaftlichen Kreisen der Schweiz zusammengewirkt haben bei einem Werk⸗ das der sittlichen Wohlfahrt der Mitbürger wie der Ordnung im kantonalen Staatshaushalte dienen soll.“

„Belgien. Brüssel, 6. Mai. (W. T. B.) Die Repräsentantenkammer hat die Vorlage, betreffend die Eingangszölle auf Vieh und Fleisch, in erster Lesung angenommen. Danach beträgt der Zoll auf Fleisch von Ochsen 5 Cent., auf Fleisch von Kühen 3 Cent. pro Kilo⸗ gramm, auf Hammel 2 ½ Fr., auf Lämmer 1 ½ Fr. pro Stück und auf gedörrtes Fleisch 15 Cent. pro Kilogramm.

1⸗*

ere

Großbritannien und Irland. London, 5. Mai. (A. C.) Der Schatzamtskanzler Goschen hielt gestern bei einem ihm zu Ehren veranstalteten Diner in Bow eine Rede, in welcher er mit Befriedigung auf den sichtlichen Fortschritt der liberal⸗unionistischen Partei hinwies und sagte: die Anhänger Gladstone's pflegten sich stets der Sympathien der gesammten civilisirten Welt und insbesondere der Kolonien und der Vereinigten Staaten zu rühmen. Sicherlich habe die glänzende Feder irischer Journalisten die öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten stark beeinflußt; aber man müsse dennoch unterscheiden zwischen Pref⸗ stimmen und öffentlicher Meinung. Was aber die britischen Kolonien angehe, so wüßten die gegenwärtig in London an⸗ wesenden Vertreter derselben sehr wohl, daß es sich bei der Homerule⸗Frage nicht um eine englisch⸗irische, sondern um eine Reichsfrage handle. Selbst wenn das Ausland das Pro⸗ gramm der konservativen Partei verdamme, so möchte er den noch seine Landsleute bitten, diesen Aeußerungen kein Ohr zu leihen, wie es ja Amerika auch stets in solchen Fälln zu thun pflege. Es sei von Wichtigkeit, festzustellen, ob die nationalistische Partei anarchistischen Bestrebun⸗ gen nicht fern stehe. Die Regierung habe sich erboten einen Verleumdungsprozeß gegen die „Times“ an zustrengen, die irischen Abgeordneten hätten aber er widert, daß sie dem britischen Gesetz nicht trauen könnten. Die Nationalisten hielten einen Ausschuß des Hauses für ein geeigneteres Tribunal als ein ordentliches Gericht mi Richtern, Anwälten und Zeugenverhör. Erst hätten sie sie über die Ungerechtigkeit des Unterhauses beklagt, dann wollten sie es zu. Richtern einsetzen, das Land aber werde wissen, was es von diesen Praktiken zu halten habe.

In Leeds wurde eine großartige Kundgebung füt die Politik der Regierung veranstaltet. Der Hauvt redner, Lord Hartington, betonte, daß die irische Parei noch immer unter der Anklage stehe, mit Dynamitern Verkeh zu unterhalten. Die Irisch⸗Amerikaner machten auch keif Hehl daraus, daß sie Dynamit und Mord als Miteh zur Emancipation ihrer Landsleute anwenden wollten Gladstone und Lord Rosebery hätten den liberalen Unionisten kürzlich mitgetheilt, daß die Zeit der Nachsicht vorübergehe. Er, der Redner, sehe nicht ein, da Lord Rosebery jemals habe Nachsicht üben müssen. Die libe ralen Unionisten hätten um ihre Sitze im Parlament kämpfen und sie verdankten sie sicherlich nicht der Nachsich der Liberalen. Die Unionisten betrachteten die jetzige Regierun nicht als eine Tory⸗Regierung. Es handle sich jetzt um höhers Fragen als Parteifragen, nämlich um die Erhaltung der Union zwischen Großbritannien und Irland. Das Ministerium has⸗ sich bei der Uebernahme der Regierung verpflichtet, alle Parte⸗ grundsätze der Erreichung des einen Zieles unterzuordnen und dazu wären auch die liberalen Unionisten bereit. Glad stone habe darüber geklagt, daß die liberalen Unionisten nich in solchen Angelegenheiten, in welchen alle Liberalen überein stimmten, mit seinen Anhängern zusammenhandelten. So lan⸗ die Letzteren mit den Parnelliten durch Dick und Dünn gingen sei an ein Zusammenwirken nicht zu denken. Gladstone’'s Vor gehen in der letzten Zeit sei unerhört. Derselbe habe sogs nicht angestanden, zu erklären, daß das jetzige Parlament nich die Wünsche und den Willen der Massen des Volkes vertrete sondern nur den der Klassen. Man sage, daß der Zweck de Verbrechen⸗Bill politischer Natur sei und es sich bei derselbe gar nicht um Unterdrückung von Verbrechen hand, Vor wenigen Monaten noch habe Gladstone selbst einiger B stimmungen der Acte entrathen können. Das irische Volt se⸗ zur Selbstregierung noch nicht reif. Die dem Parlament vo liegende Verbrechen⸗Bill richte ihre Spitze nicht gegen de Nationalliga als politischen Verein; die Nationalliga sei vie mehr als das, nämlich eine Organisation, welche eine Neben regierung Irlands erstrebe. m britischen Reich sei kei Platz für zwei Regierungen oder für zwei Exekutiven. 6. Mai. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung de Oberhauses erklärte der Earl of Onslow: der heutige Bericht des „Standard“ über die Kolonialkonferer

cht erwachsen we eine solche für beide Theile

unvollständig,

sei in einigen ie. Detailpunkten ungenau un sodaß er über mehrere, die wichtigste

haben dieselben, um die Anwendung des für diesen äußersten Fall i.

Mit.

enstände betreffende Beschlüsse der Konferenz unrichtige gebrüge hervorrufen könne. Namentlich in Bezug auf die Vorschläge der Regierung betrefss der Neuen hHebriden sei von der Kolonialkonferenz allgemein die Ge⸗ neigtheit ausgesprochen worden, das Vorgehen der Regierung

friedigend anzuerkennen. Die Regierung habe die ,„ dem Parlament baldmöglichst vollständige Be⸗ ricte über die Konferenz vorzulegen. Der Sekretär für ndien, Viscount Croß, theilte mit, daß nach dem nunmehr eingegangenen Telegramm des Vize⸗Königs Lord Dufferin in der Umngegend des Khyber⸗Passes keine Kämpfe mit den Aufständischen stattgehabt hätten; es scheine sich bei den fraglichen Gerüchten um ein Gefecht zwischen den Truppen des Emir und den Stämmen des Hopeck⸗ landes zu handeln, das am 12. v. M. stattgefunden habe, und in welchem beide Theile sich den Sieg zuschrieben. Es liege durchaus kein Grund zu der Annahme vor, daß der Emir sich nicht werde behaupten können.

7. Mai, früh. (W. T. B.) Das Unterhaus hat den Antrag Gladstone's auf Ernennung eines Comités des Hauses zur nerfücung der Anklage der „Times“, welche den Deputirten Dillon als Lügner be⸗ gichnete, mit 317 gegen 233 Stimmen abgelehnt und hierauf den Antrag der Regierung angenommen, in welchem erklärt wird: der Artikel der „Times“ involvire keinen Bruch der Parlamentsprivilegien, und die Regierung sei bereit, die Angelegenheit durch eine Verläumdungsklage gegen die „Times“ vor Gericht zum Austrag zu bringen. Im Lauf der Debatte theilte Fowler mit: Parnell habe sich telegraphisch bereit erklärt, die Untersuchung auf seinen angeblichen Brief auszudehnen. Der Schatzkanzler Goschen wies darauf hin, daß ein Comité des Unterhauses nicht das gehörige Tribunal sei, weil es aus Parteimännern bestehe. Die Regierung habe, den Ernst der Frage erkennend, angeregt, die Prüfung dieser hochwichtigen Frage vor den Ge⸗ richten zu erleichtern.

Toronto (Canada), 4. Mai. (R. B.) Der General⸗ Gouverneur, Lord Lansdowne, welcher gestern Abend hier eintraf, wurde von den Einwohnern begeistert empfangen. Alle Straßen waren voll von Menschen. Am Abend fand ein Feuerwerk und ein Fackelzug zu Ehren des General⸗Gouver⸗ neurs statt. Man betrachtet diese Kundgebungen als Beweis der Sympathie der Bevölkerung mit Lord Lansdowne gegen⸗ über der von William O'Brien geplanten Agitation.

Kalkutta, 4. Mai. (R. B.) Der „Calcutta English⸗ man“ bestätigt die Nachricht von der den Truppen des Emir von den Shinwaris beigebrachten Nieder⸗ lage. Die Letzteren halten jetzt den Khyber⸗Paß und die umliegenden Hügel besetzt. Das Blatt sagt: die indischen Zeitungen hätten die Verluste der Insurgenten in den neu⸗ lichen Gefechten übertrieben, und die Angriffe der Ghilzais seien mehr oder weniger erfolgreich gewesen. Cabul soll fast von Truppen entblößt sein.

Frankreich. Paris, 5. Mai. (Fr. C.) In der gestrigen Sitzung des Budgetausschusses brachte der Finanz⸗Minister Dauphin eine Reihe von Erspar⸗ nissen in Höhe von 13 000 000 Fr. in Vorschlag.

Die Blätter bringen folgende Note: „Der Kriegs⸗ Minister wird der Sbe auseinander⸗ setzen, daß die von ihm an seinem Budget vorgeschlagenen Ersparnisse in der Höhe von 9 Millionen weder im Ganzen noch zum Theil das Resultat der Einstellung gewisser Kredite aus dem ordentlichen in das außerordentliche Budget, sondern mehrerer Reformen von Détails in der Verwaltung und ver⸗ schiedenen Nebendienstzweigen sind. Die von dem Minister beantragten Herabsetzungen werden in keiner Weise die Effektiv⸗ bestände berühren.“ Der Kriegs⸗Minister wird am Montag im Militär⸗Ausschuß erscheinen, um die Reihen⸗ folge der Berathung der einzelnen Theile der Armeevorlage zu vereinbaren, die obenan auf der Tagesordnung der Kammer steht. Von mehreren Seiten beantragt man, noch vor dem Rekrutirungsgesetz die Vorlage über die Zuckersteuer zu berathen, da die Aenderung dieser Steuer von wesent⸗ lichem Einfluß auf das Gleichgewicht des Budgets ist.

5. Mai. (Köln. Ztg.) Der Budgetausschuß be⸗ schloß auf Pelletan's Antrag, den Budgetentwurf für 1888 an die Regierung zurückzuverweisen, weil derselbe weder im wirthschaftlichen Punkte, noch in Hinsicht auf das Gleich⸗ gewicht den Charakter habe, den der Stand der Finanzen er⸗ fordere.

6. Mai. (W. T. B.) Der „Temps“ will wissen, daß zwischen der französischen und der englischen Re⸗ gierung eine Verständigung über die Frage der Auf⸗ hebung der Frohnden in Egypten unmittelbar bevorstehe.

Italien. Rom, 3. Mai. (M. Be; Ztg.) Der Kriegs⸗ Minister hat der Kammer einen Gesetzentwurf, be⸗ treffend eine theilweise Abänderung der Heeres⸗ organisation, vorgelegt. Die Hauptpunkte der Vorlage sind folgende. Artillerie: Verdoppelung der Feld⸗Artillerie⸗ Regimenter, deren Zahl also 24 betragen soll; Kriegsstärke der Regimenter: 8 Batterien zu 6 Geschützen; Vermehrung der reitenden Artillerie um 2 Batterien und Formirung derselben in ein Regiment; Vermehrung der Gebirgs⸗Artillerie um 1 Batterie und Formirung eines Gebirgs⸗Artillerie⸗Regiments; Bildung von 8 neuen Festungs⸗und Küsten⸗Artillerie⸗Compagnien; Genie⸗Corps: Vermehrung um 12 Compagnien; Abänderung der Rangverhältnisse im Offizier⸗Corps behufs Verbesserung des Avancements; Infanterie: Vermehrung der Offizierscadres um 33 Oberstenstellen im Festungs⸗ und Landwehrbezirksdienst, um 87 Majors⸗ und 100 Hauptmannsstellen bei den Regi⸗ mentern und geringfügige Verminderung der Subaltern⸗ Offiziere; Kavallerie: Vermehrung um 2 Regimenter oder 12 Schwadronen und um 2 Brigade⸗Kommandos. Weitere Umwandelungspläne betreffen die bisherigen „Waffen⸗ Comités“, welche in „Inspecteur⸗Aemter“ der einzelnen Waffen verwandelt werden sollen, ferner die Infanterie⸗Normalschule, welche vergrößert und zu einer eigentlichen Central⸗Unteroffi⸗ Fürschnl⸗ für die gesammte Armee gemacht werden soll; die

ildung einer Central⸗Artillerie⸗Schießschule und einer durch einen General zu leitenden Schule (in Caserta) für Offiziers⸗ Aspiranten aus der Klasse der Unteroffiziere. Im Sanitäts⸗ corps, dem Intendantur⸗, Kommissariats⸗ und Thierarztwesen sollen gleichfalls Verbesserungen eingeführt werden. Andere Dispositionen bezwecken die schnellere und leichtere Organisi⸗ rung der Landwehrtruppen in Kriegszeiten. Die Mehrforde⸗ rungen, welche die Vorlage 1 betragen 12 Millionen Lire, um die Ausstattung der Bekleidungskammern zu ver⸗ vollständigen, und 2 600 000 Lire für Anschaffung von Pferden. Die Kammer, welche nach kurzer Unterbrechung gestern ihre

Sitzungen wieder aufgenommen hat, bewilligte die Drin lich⸗ keit für die Militärvorlage und überwies die Vorberathung an eine einheitliche Kommission.

6. Mai. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer erwiderte auf eine Anfrage des Deputirten Dezerbi bezüglich der Okkupation eines Ge⸗ bietstheils an der afrikanischen Küste im Rothen Meer Seitens Spaniens der Minister⸗Präsident Depretis: er könne diese Anfrage, Dank den zwischen Spanien und Italien bestehenden herzlichen Beziehungen sofort beantworten. Es handele sich dabei nicht um ein fait accompli, sondern einfach nur um ein Projekt, auch stehe dasselbe nicht mit den Küsten des Rothen Meeres im Zusammenhange, sondern be⸗ ziehe sich auf ein Gebiet, das außerhalb der italienischen Aktionssphäre und der italienischen Kolonial⸗Interessen liege. Dezerbi erklärte sich durch die Antwort des Minister⸗Prä⸗ sidenten zufriedengestellt.

Amerika. New⸗York, 4. Mai. (A. C.) Eine Depesche aus Mexiko meldet, daß der Senat einstimmig die Vorlage genehmigt hat, welche die konstitutionelle Vorschrift aufhebt, wonach kein Präsident der Republik für einen zweiten Amtstermin wiedergewählt werden darf.

Die „New⸗York Times“ schreibt: „Es seien viele Anzeichen dafür vorhanden, daß die extremen irischen Nationalisten in den Vereinigten Staaten Vor⸗ kehrungen treffen, um in England während der Feier des Regierungs⸗Jubiläums der Königin eine neue Reihe von Dynamit⸗Ausschreitungen ins Werk zu setzen. Chicago, 6. Mai. (W. T. B.) Prinz Friedrich Leopold von Preußen ist hier eingetroffen.

8 Zeitungsstimmen.

Die „Berliner Politischen Nachrichten“ äußern über die Branntweinsteuer⸗Vorlage: Wenn man den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Be⸗ steuerung des Branntweins, unter dem Gesichtspunkte seiner Ein⸗ wirkung auf die bei der Erzeugung und dem Vertriebe des Brannt⸗ weins betheiligten Erwerbzweige betrachtet, so ergiebt sich im Wesent⸗ lichen Folgendes: 1 Von einer Kontingentirung der Brennereien oder irgend einer anderen Produktionsbeschränkung ist nicht die Rede, ebenso wenig von einer Bevorzugung der bestehenden Brennereien gegenüber den künftig zu errichtenden. Alle bezüglichen Behauptungen freisinniger Blätter entbehren der thatsächlichen Unterlage völlig. Der andernfalls dem Verderben preisgegebenen Spiritusindustrie wird für die Beschränkung des einheimischen Marktes und die Vermehrung der Schwierigkeiten der Ausfuhr, welche nothwendig ein weiteres Sinken der ohnehin völlig unrentablen Preise zur Folge haben müßte, ein Ausgleich dadurch geboten, daß der volle Steuersatz von 0,70 auf das Liter nur von dem 4 ½ 1 auf den Kopf übersteigenden Quantum Spiritus erhoben wird, bis zu dieser Grenze aber ein um 20 geringerer Steuersatz Platz greift. Diese Diffe⸗ renz giebt der Spiritusindustrie die Möglichkeit, für einen Theil ihres Erzeugnisses einen höheren Preis zu erreichen, als er ihr sonst zu Theil würde; das Maximum dieser Erhöhung würde 20 auf das Hektoliter sein, sicher aber weitaus nicht erreicht werden. weil, wie bei den Schutzzöllen die Konkurrenz einen Theil der Wirkung aufheben und überdies mit dem bereits erwähnten Sinken des Welt⸗

marktpreises zu rechnen sein würde. Immerhin würde der Spiritusindu⸗ strie eine wenn auch beschränkte, so doch mehr gesicherte Existenzbasis und damit ein ausreichender Ausgleich für die aus der Einführung einer im Vergleich zu dem Werthe des Produkts hohen Konsumsteuer gegeben werden. Für die landwirthschaflichen kleinen Brennereien treten helfend diejenigen Erleichterungen hinzu, welche ihnen bei der Maischraumsteuer nach dem Muster des bayerischen Gesetzes in Aus⸗ sicht gestellt werden, während durch die Besteuerung der gewerblichen Brennereien, welche mehlige oder mehlige und nichtmehlige Stoffe zusammen verarbeiten, einer erdrückenden Konkurrenz der letzteren vorgebeugt wird. In der Steuerermäßigung, welche ein Theil der Produktion bei der Konsumsteuer und die kleineren landwirthschaft⸗ lichen Brennereien bei der Maischraumsteuer genießen, liegt ein Anreiz zu freiwilliger Produktionsbeschränkung im eigenen Interesse, dessen etwaige Wirkung für die Gesammtheit der Produzenten nur erwünscht sein kann, aber darauf beschränkt sich auch die Einwirkung des Ent⸗ wurfs auf den Umfang der Produktion. Die Bestimmung zu drei⸗ jähriger Revision der Gesammtmenge, von welcher der niedrigere Steuersatz entrichtet werden soll, und dieser Steuersatz selbst sichern deren Uebereinstimmung mit den thatsächlichen Voraussetzungen, ohne die Industrie der Gefahr auszusetzen, Mangels einer Verständigung der gesetzgebenden Faktoren vor ein Vacuum gestellt zu sein.

Der gleichen Fersorge erfreuen sich die mit der Weiterverarbeitung des Rohspiritus befaßten Gewerbe. Durch die Bestimmung, daß die für den Export arbeitenden inländischen Liqueurfabriken und der Roh⸗ spiritusanstalten den Branntwein während der Verarbeitung unter steuerlicher Kontrole behalten dürfen, ist Sicherheit gegeben, daß nur für das in den inländischen Verkehr übergehende Produkt die Konsum⸗ abgabe erhoben wird, das Ausgeführte davon ganz frei bleibt und ebenso wenig von dem bei der Reinigung eintretenden Schwunde die Steuer zu entrichten ist. h

Der Spiritushandel endlich wird durch die Bestimmung, daß die Steuer erst bei dem Uebergang in den freien Verkehr erhoben und überdies durch die vorgesehene Stundung der Abgaben nach Möglich⸗ keit vor einer Störung seines Gewerbebetriebs und insbesondere vor der Nothwendigkeit erhöhter Kapitalaufwendung und der daraus fol⸗ Füden Gefahr einer übermächtigen Konkurrenz des Großkapitals

ewahrt.

So durchzieht den Entwurf als rother Faden der Gedanke einer so eingehenden Berücksichtigung der Interessen des heimischen Erwerbs⸗ Se als sie irgend mit dem finanziellen Zwecke der Vorlage ver⸗ einbar ist.

Der „Hamburgische Korrespondent“ sagt zu der Erhse der landwirthschaftlichen Schutzzölle: .. IDJn der That wird sich nicht mehr bestreiten lassen, daß die Lage der Landwirthschaft und des ländlichen Grundbesitzes, was zwar nicht ganz, aber bei dem Ueberwiegen der Selbstbewirthschaftung doch nahezu gleichbedeutend ist, namentlich in den östlichen Provinzen Preußens eine überaus unerfreuliche ist. Dies gilt in gleicher Weise von dem großen, wie von dem bäuerlichen Besitze, am meisten aber bezüglich derjenigen Gegenden und Wirthschaften, welche vorzugsweise auf Körnerbau angewiesen sind. Zwar ist auch der Preisstand von ucker und Spiritus ein fortdauernd niedriger, aber derselbe macht sich augenblicklich weniger fühlbar, weil die Kartoffel⸗ und die Rübenernte quantitativ und qualitativ sehr gut war. Die Ausbeute der Zuckerfabriken und der technisch gut eingerichteten Brennereien hat alles bis daher Dagewesene überstiegen und eine Höhe erreicht, an welche bis vor Kurzem noch Niemand dachte. Dabei sind die Ursachen dieser Erscheinung zum Theil dauernder Natur; sie be⸗ ruhen wenigstens theilweise auf den Fortschritten der Technilk und des Rüben⸗ und Kartoffelbaues. Anders liegt die Sache bezüglich des Getreidebaues. Die Preise der Hauptgetreidearten sind seit 1885 trotz der Verdreifachung des Weizen⸗ und Roggenzolles weiter gefallen, ohne daß durch Erhöhung des Ernte⸗Ertrages oder Verminderung der Produktionskosten ein entsprechender Ausgleich eingetreten wäre. In dem Sinken des Zins⸗ fußes für Grundschulden, welches einen, wenn auch geringen Ausgleich

bot, ist ein Stillstand eingetreten; der Börsencours der 3 ½ % tra⸗

16““

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vgeuhen Pfandbriefe von eiwa 97 % bereitet für die zahlreich ein⸗

geleiteten Konversionen 4 % tragender Schuldbriefe sogar ernstliche

Schwierigkeiten. 1 1 v Waren 1885 die Verhältnisse eines Theiles des ländlichen Grund⸗ besitzes so wenig erfreuliche, daß Regierung und Reichsvertretung sich zu dem schwerwiegenden Schritte einer Verdreifachung des Zolles für die Brodfrucht entschlossen, so sind sie inzwischen noch ungleich miß⸗ licher geworden, und es ist angesichts der völligen Erfolglosigkeit jener Zollmaßregeln nur zu natürlich, daß in den betreffenden Kreisen auf wirksamere Hülssmaßregeln hingedrängt wird. Das geschieht um so mehr, als in Folge des Herabgehens der russischen Valuta und der weiteren Verbesserung der russischen Verkehrsmittel ein ferneres erhebliches Sinken des Preises, namentlich des Roggens, nach der nächsten Ernte befürchtet wird. 8 ]

So erklärlich es aber ist, wenn die Interessenten auf erhöhten Zollschutz drängen, so wird es ihnen nach den wiederholten Er⸗ fahrungen der Jahre 1879 und 1885 doch zunächst obliegen, den Nach⸗ weis zu liefern, daß die Erhöhung der Getreidezölle ihnen den ge⸗ wünschten Schutz wirklich gewährt und nicht abermals dazu beiträgt, den Weltmarktpreis weiter zu drücken und damit die beabsichtigte Wirkung auf den Inlandspreis wieder aufzuheben....

Die „Berliner Börsen⸗Zeitung“ berichtet: ... Der Mäntelexport nach den Vereinigten Staaten in den

ersten drei Monaten dieses Jahres weist eine Zunahme auf, er hat

sich von 141 652 Doll. Werth in der gleichen Periode des Vorjahres auf 171 406 Doll. gehoben. In der Wollen⸗ und Plüschwaaren⸗ branche sind englische Aufträge bisher in mäßigem Umfange ein⸗ gegangen; amerikanische Aufträge dagegen sind in den letzten Wochen in umfangreicherer Weise wie vordem ertheilt worden. Das Geschäft nach den Vereinigten Staaten im ersten Quartal dieses Jahres weist gegen die gleiche Periode des Vorjahres eine recht erhebliche Zunahme auf. Es wurden Konfektionsstoffe für 106 333 Doll. (1886 78 825 Doll.), Plüsche und Astrachans für 144 908 Doll. (1886 82 502 Doll.) nach den Vereinigten Staaten gesandt. Diese beiden Positionen sind bei Weitem die größten des ganzen Berliner Exports, der für das erste Quartal dieses Jahres 1 292 914 Doll. betrug, gegen 1 138 952 Doll. in der gleichen Periode des Vorjahres. . . . Ueber die Trikotwaaren⸗Branche läßt sich zwar berichten, daß der Verkehr lebhafter geworden ist, im Allgemeinen aber spricht man sich in dieser Branche nicht sehr befriedigt über den Geschäftsgang aus. Das Exportgeschäft hat gelitten, das beweist schon die Amerikanische Ausfuhr, sie ist im ersten Quartal dieses Jahres auf 121 226 Doll. gegen 195 232 Doll. im Vorjahr zurück⸗ gegangen. ..

Landtags⸗Angelegenheiten.

Mitglieder des Herrenhauses sind durch Rundschreiben sich zu den am 12. d. M. wieder beginnenden demnächstigen Schluß beider Häuser des

Die eingeladen worden, Plenarsitzungen und dem Landtages hier einzufinden.

Statistische Nachrichten.

Die deutsche überseeische Auswanderung über deutsche Häfen (einschließl. der indirekt über englische Häfen Beförderten), niederländische Häfen und Antwerpen betrug:

1886 1887 1972 2 655 Februar 2920 4 694 W 7946 11 671

Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Sta sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche von 24. April bis inkl. 30. April 1887 zur Anmeldung gekommen: 368 Eheschließungen, 860 Lebendgeborene, 35 Todtgeborene, 571 Sterbefälle.

London, 5. Mai. (A. C.) Die britische und auslän⸗ dische Bibel⸗Gesellschaft hielt gestern in Exeter Hall unter dem Vorsitz des Earl von Harrowby ihre 83. Jahresversammlung ab. Während des letzten Jahres hat die Gesellschaft 3 932 678 Bibeln und Testamente und seit ihrer Gründung 112 253 547 Exemplare der heiligen Schrift herausgegeben. England und Wales brauchen jähr⸗ lich 160 000, Frankreich 124 000, Rußland 450 000 und Spanien 56 000 Exemplare. Die Einnahme der Bibelgesellschaft ist in den letzten Jahren um etwa 15 000 Pfd. St. geringer geworden.

London, 5. Mai. (A. C.) In den zehn Distrikten von Bengalen wurden im Fiskaljahr 1885/86 nicht weniger als 11 823 Personen durch wilde Thiere und giftige Schlangen getödtet. Es ist dies die höchste Ziffer in den letzten fünf Jahren. Wie ge⸗ wöhnlich wurden * 10 dieser Todesfälle durch Schlangen verursacht. Ferner wurden getödtet: 548 Personen durch Schakale, 221 durch Krokodile und Alligatoren, 22 durch Elephanten, 12 durch Büffel⸗ ochsen und 2 durch Bisamratten, deren Biß Starrkrampf erzeugt. An Belohnungen für die Vernichtung wilder Thiere und giftiger Schlangen wurden im Berichtsjahre 29 884 Rupien gezahlt, gegen 42 374 Rupien im vorhergehenden Jahre.

im Januar 8 Personen.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

eines Lieutenants.

Von

Memoiren von H. Albrecht.

Carl Hecker. Mit 100 Illustrationen 8 22 Bogen. 3. Verlag von C. Krabbe in Stuttgart. Der talentvolle Verfasser schildert mit scharfer Beobachtungsgabe selbsterlebte oder mitempfundene Freuden und Leiden auf „Kriegs⸗ und Liebespfaden“ hauptsächlich auf letzteren theils lustig und harmlos, wie in „Ich grolle nicht“, „Romeo und Julia in der Garnison“ u. A., theils mit einem tiefen Ernst trotz des leichten Plaudertones, wie in „Mein Freund Nikolas“ und „Der alte Major“, theils kunstvoll und spannend verarbeitet, wie im „Fall von Granada“, immer aber amüsant und fesselnd, und immer und überall den einzelnen Studienkopf voll und ganz zum allgültigen Typus ge⸗ staltend, daß jede Garnisonsstadt mit Freuden bekannte Gestalten be⸗ grüßen wird! Die Erzählungen sind in fließender Sprache ge⸗ schrieben; die hie und da eingestreuten Gedichte zeugen auch von der poetischen Begabung des Verfassers. H. Albrecht hat die an⸗ sprechenden Erzählungen mit 100 hübschen Bildern geschmückt und mancher lustigen Situation köstlichen Ausdruck gegeben. Jedem Freunde heiterer Lektüre, besonders aber den Standesgenossen des Verfassers, wird das Buch reiche Unterhaltung gewähren. Wanderungen eines Naturforschers im Malavi⸗ schen Archipel von 1878—1883 von Henry O. Forbes. Mitglied der Schottischen geographischen Gesellschaft. Autorisirte deutsche Ausgabe. Aus dem Englischen von Reinhold Teuscher, Dr. med. Mit sehr zahlreichen Abbildungen nach den Skizzen des Verfassers, einer Farbendrucktafel und vier Karten. Jena. Hermann Costenoble. 1886. gr. 8. XIII u. 254 S. Da diese vorstehende Reisebeschreibung eine Menge neuer Forschungs⸗Ergebnisse über Land und Bewohner des bisher wenig bekannten Malavischen Archipels bringt, namentlich über die Pflanzen⸗ und Thierwelt uns aufklärt, so ist die Uebersetzung aus dem englischen Original für die deutsche Leserwelt vollständig gerechtfertigt. Mit feiner Beobachtungsgabe hat der Verfasser die Ergebnisse seines Aufenthalts in dem merkwürdigen Lande auch durch zahlreiche bildliche Darstellungen anschaulich gemacht. Die Uebersetzung siest sich angenehm. Es ger sich in dem über⸗ sichtlichen Anhang Erläuterungen über Sprache und Pflanzennamen.

Aus den

Vorzugsweise lesens⸗ und beachtenswerth sind die verschiedenartigen Mittheilungen aus dem Kulturleben des Volkes. 8

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