1887 / 134 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 11 Jun 1887 18:00:01 GMT) scan diff

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Professoren

dhehe g entgegentreten.

Reichstagswahlen mißbraucht hätten, des Landes verwiesen, einige Vereine geschlossen, in denen französische Bestrebungen theils offenkundig hervorgetreten und in denen theils der Versuch gemacht sei, die Wunden, die durch die Loslösung von Frankreich im Elsaß entstanden, offen zu halten. Das sei Alles, was geschehen sei. Daß die unteren Organe der Polizei jetzt mit größerer Schroffheit als vor den Wahlen aufträten, daß sie über ihre Pflicht hinausgingen, davon sei nichts zur Kennt⸗ niß der Regierung gekommen. Die Herren wären ja in der Lage gewesen, die Beschwerden den zuständigen Organen vor⸗ zutragen, aber weder ihm noch seinen Kollegen sei davon etwas bekannt. Die Auffassung, als sei beabsichtigt, nunmehr das ganze Land mit ernannten Beamten zu überschwemmen, sei ihm überraschend. Es könne 1. nicht die Absicht sein, jetzt überall Beamten von außen her als Bürgermeister anzustellen. Nein, es genüge, wenn man innerhalb der Gemeinden Freie Hand habe. Auf die Ernennung der Bürgermeister in Elsaß⸗Lothringen müsse deshalb besonderes Gewicht gelegt werden, weil der Maire nicht bloß kommunale Funktionen habe, sondern in einem weiten Umfange Organ der Staatsverwaltung in der Polizei sei und verschiedenartige staatliche und Gemeinde⸗ funktionen in sich vereinige. Der wiederholt gemachte Versuch, diese Funktionen zu trennen, sei immer wieder aufgegeben worden, weil man bei der Natur der dortigen Gemeindegesetz⸗ gebung Reibungen der beiden Organe gefürchtet habe. Das vorliegende Gesetz werde ja den Effekt nicht haben können, daß überall in den Gemeinden andere und bessere Zustände entständen; aber man erwarte, daß diese Maßregel in Verbindung mit anderen allmählich dahin führen werde, die Bande, welche Elsaß⸗Lothringen mit dem Deutschen Reiche verbänden, zu festigen; und er glaube, daß die Regierung mit Recht die Erwartung hegen dürfe, daß, wenn sie an den Deutschen Reichstag appellire, ihr die Mittel zur Kräftigung dieser Bande zu gewähren, sie keinen Wider⸗ spruch finden werde. Deshalb bitte er, dieses Gesetz, das un⸗ bedingt nothwendig sei, wenn die Regierung für die weitere Entwickelung der Zustände in Elsaß⸗Lothringen verantwortlich gemacht werden solle, anzunehmen. Der Abg. Dr. Windthorst äußerte: Er und seine politi⸗ Freunde meinten, daß der auf dem Frankfurter Frieden eruhende Zustand für Elsaß⸗Lothringen ein unabänderlicher Die Elsässer sollten sich das klar machen und sich in das Bestehende fügen zum Heile Deutschlands und zum Heil von Elsaß⸗Lothringen. Wenn man aber in jenem Lande Maßregeln gegen Deutschland ergreife, so stärke man dadurch nur die Gefühle französischer Revanche, und letztere würde gerade den Franzosen am allerschlechtesten bekommen. Im In⸗ teresse Deutschlands, im Interesse von Elsaß⸗Lothringen und im Interesse Frankreichs werde es mithin liegen, daß die Elsässer sich ruhig verhielten. Andererseits aber meine er wieder, daß die Verwaltung in Elsaß⸗Lothringen nur geführt werden könne Sinne, wie sie der General⸗Feldmarschall von Manteuffel geführt habe. Er könne sich nicht mit allen Ver⸗ fügungen des Herrn von Manteuffel einverstanden erklären weil er sie eben nicht alle kenne und der Unter⸗Staats⸗ sekretär von Puttkamer werde sie auch nicht alle kennen aber er (Redner) kenne die Tendenz seiner Maßnahmen und er könne nur sagen, daß man auf diesem Wege weiter ge⸗ kommen wäre, als jetzt, wo eine Klique von Straßburger soren und die Bureaukratie, welche zahlreich nach dem Elsaß gekommen, den Ton angebe. Er könne nicht dulden, daß hier im Hause ein Mann, wie der General-⸗Feldmarschall von Manteuffel, angegriffen werde und man seine Maßnahmen bemängele, denn es sei ein großer Mann gewesen. Er halte das vorliegende Gesetz für absolut verwerflich und werde dagegen stimmen, wenn es nicht sehr wesentlich modifizirt werde. Die Ausführungen der beiden Abgeordneten aus dem Elsaß seien für ihn sehr lehrreich und nteressant, schon um deswillen, weil der eine ein Ultramontaner,

der andere aber evangelischer Konfession sei und Beide in

ihren Auslassungen übereingestimmt hätten. Staatssekretär von Puttkamer habe betont, durchaus keine Maßregel der Revanche sei. Staatssekretär sollte sich ein Privatissimum von dem Minister des Innern, von wohl wisse, wie man in den vinzen Maßregeln durchsetze, die man für die alten Pro⸗ vinzen nicht einführen könne. Der Unter⸗Staatssekretär habe aber auch ein Zugeständniß gemacht, indem er wenigstens zu⸗ Pgeben habe, daß die Wahlen den ersten Anlaß zu diesem esetze gegeben. Wenn der Unter⸗Staatssekretär von Putt⸗ kamer sage, daß die traurigen Verhältnisse, wie sie bei der Landwirthschaft im Elsaß vorhanden seien, die jetzt herrschende Mißstimmung erzeugt, und bei den Wahlen mitgewirkt hätten, so möge er nicht Unrecht haben, litten doch Alle darunter. Richtig sei ja, daß, wenn ein Bürgermeister in freier Wahlrede erkläre: „Ich bin ein Franzose und werde es bleiben ö abgewirthschaftet habe und nicht mehr Bürgermeister bleiben dürfe. Dazu aber brauche man kein solches Gesetz. Da gehe der Reichskanzler von ganz anderen, höheren Gesichts⸗ punkten aus, und er (Redner) bedauere nur, daß derselbe heute nicht hier sei. Derselbe habe gerade im Gegensatz zur Diktaturwirthschaft die Autonomie gesetzt wissen wollen, von der er beucg daß sie die Präfektur vergessen machen würde. Jetzt aber

Der Unter⸗ daß das Gesetz Der Unter⸗ lesen lassen Puttkamer, der ostpreußischen Pro⸗

wehe ein ganz anderer Wind, und man bereite einen vollen Systemwechsel in Elsaß⸗Lothringen vor. Woher sei es denn gekommen, daß die Stellung des Statthalters schwer erschüttert worden, und sei es zufällig, daß die verabschiedeten Herren nicht Preußen seien, sondern alle anderen Bundesstaaten angehörten? Dies sei nichts weiter, als ein Akt der Revanche und Reaktion zu dem System, das vor Manteuffel regiert habe. Eine gute Staatsverwaltung erkenne man an den gut verwalteten Gemeinden. Er wolle damit nicht sagen, daß die Gemeindever⸗ waltung im Elsaß eine vollkommene gewesen, denn gerade dort sei die Autonomie noch nicht durchgedrungen, aber man müsse den autonomistischen Bestrebungen in der Verwaltung nicht Wolle man hierin ein organisches Ganze schaffen, so werde er (Redner) dabei sein, aber nicht, wenn man ein Stück herausreiße und nur ein bureaukratisch ⸗polizeiliches Element hineinbringen wolle. Im Rheinlande herrsche nicht dasselbe Prinzip, wie in diesem Gesetze enthalten sei, und wenn es so wäre, so habe man es durch die neue Kreisordnung geändert. Es sei Unsinn, wenn man so stückweise eine Verwaltung reformiren wolle, das passe in eine Willkürherrschaft, nicht aber in eine organische deutsche Verwaltung! Die neue Kreisordnung räume den Ge⸗ meinden ganz andere Rechte ein, und noch mehr Einfluß ge⸗ währe die Städteordnung. Immer müßten die Bürger⸗ meister nach Anhörung der Gemeindevertretung aus den an⸗ gesessenen und angesehenen Gemeindeangehörigen genommen

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8 vv““ 1X.“ 1“ werden. Hier aber werde intendirt, daß man von Straßburg bis zur kleinsten Bauerngemeinde die Bürgermeister nehmen könne, woher man immer wolle. Man brauche sie nicht einmal aus der Gemeinde zu nehmen, sondern viel⸗ leicht aus Gumbinnen. Er kenne zwar recht tüchtige Leute aus Gumbinnen, aber er meine, die Elsässer könnten sich aus sich selbst regieren. Eine Reihe respektabler einheimischer Bürgermeister werde beseitigt und durch deutsche Civilanwärter ersetzt werden, ebenso, wie es am FSS geschehen sei. Man werde eine neue Einwanderung in Elsaß Lothringen bewirken. Die Elsaß⸗Lothringer würden unzufrieden sein und sich zurück⸗

eesetzt fühlen. Organe, die mit bloßer Autorität regierten, önnten die Sympathie des Volkes nicht gewinnen, sie könnten eine stramme Polizei üben, aber die Herzen würden ihnen nicht entgegenschlagen. Er bitte, das Gesetz abzulehnen.

Der Abg. von Kardorff meinte: Der Vorredner spreche so, als ob er die Majorität im Hause vertrete. Derselbe habe doch auch mit seinen Prophezeiungen nicht immer Recht, das hätten die Erfahrungen der letzten Monate bewiesen. Er habe früher gesagt: „Die Regierung wird sehen, daß nach der v des Reichstages sie keine andere Majorität finden wird, als die jetzige. Es sei ganz anders gekommen. Manchmal habe er ja Recht, aber nicht immer. Er (Redner) verstehe den Vorredner nicht so genau, weil er von jener, der linken Seite, spreche. Wenn er den Abg. Windt⸗ horst recht verstanden habe, so habe derselbe ausgeführt, dies Gesetz stehe nicht auf der Grundlage des Frankfurter Friedens. Jener habe seine Meinung gegen dieses Ge⸗ setz dahin ausgesprochen, man müsse die Elsaß⸗Lothringer durch Güte zu gewinnen suchen; er habe gesagt, jetzt kehre man nur die rauhe Seite heraus, es scheine, als wolle man das französische Präfekturwesen einführen. Der Versuch sei gemacht worden sehr lange Jahre in Elsaß⸗Lothringen mit vollem Vertrauen. Und wie sei dem Marschall von Man⸗ teuffel von Seiten der Herren gedankt, die jetzt noch das Wort hier führten! Wie sei er angegriffen worden für Alles, was er für Elsaß⸗Lothringen gethan habe! Erinnere man sich noch daran? Nach den Vorgängen, wie sie jetzt bei Gelegenheit der Wahlen, bei Gelegenheit der Kriegsunruhen sich ergeben hätten, jetzt, als es zwischen Frankreich und Deutschland etwas krie⸗ gerisch ausgesehen, hätte die Regierung eine Pflicht verletzt, wenn sie nicht ein Gesetz vorgelegt hätte, wie das in Frage stehende. Wie könne sie es dulden, daß Bürgermeister solche Aeußerungen thäten, wie diejenigen, welche man hier gehört habe; wie dürfe es vorkommen, daß unter den Augen der Bürgermeister die Feuerwehren Feste abhielten, wo nur französische Fahnen wehten? Solche Zustände dürfe die Regierung nicht dulden. Er möchte überhaupt bitten, daß die Herren einen etwas bescheideneren Ton anschlügen, hier im Reichstag sei doch alle Veranlassung dazu; kein Parlament der Welt werde die Gutmüthigkeit haben, solche Redner so ruhig anzuhören. Er glaube, daß es nicht die Wahrheit ge⸗ wesen sei, was die Herren gesagt hätten. Er verstehe es, Elsaß⸗Lothringen sei in einer unglücklichen Lage. Der Abg. Richter habe einmal gesagt: „Dieser Reichstag ist ein Angst⸗ produkt“. Für Elsaß⸗Lothringen habe er damit entschieden Recht. Die Elsaß⸗Lothringer sagten sich: „Wenn wir laue Autonomisten wählen, die nicht entschiedene Protestler sind, und es gelingt den Franzosen hier hereinzukommen, so wird es uns schlecht ergehen“. Daß diese Wahlen einen be⸗ deutenden Einfluß auf die Verhältnisse Elsaß⸗Lothringens ge⸗ habt hätten, sei klar. Der Abg. Windthorst protestire dagegen, daß man den Elsässern französische Gesetze wiedergebe. Sie wünschten sie ja, das zeigten sie durch ihre ganze Haltung, durch ihre Hinneigung zu Frankreich. Es sei das aber kein französisches Gesetz, sondern eine Nothwehr gegen die Zustände, wie sie in den Grenzlanden unmöglich geduldet werden könnten und die Regierung habe nur ihre Pflicht gethan, wenn sie ein solches Gesetz vorgelegt habe. Man habe den Elsaß⸗Lothringern gezeigt, daß sie ruhig und friedlich leben können; zeigten sie sich hierzu bereit, dann werde der Zeitpunkt da sein, wo man ihnen ihre Autonomie zurückgebe; aber nach den Er⸗ fahrungen, die man gemacht habe, brauche man dieses Gesetz, dessen Annahme er nur dringend empfehlen könne.

Der Abg. Simonis äußerte: Wenn der Abg, von Kardorff zur Bescheidenheit ermahne, so müsse er ihm dies zurückgeben; denn gerade er selbst sei heute wieder in seiner gewohnten be⸗ scheidenen Weise hier aufgetreten. Derselbe nenne dieses Gesetz ein Gesetz der Nothwehr; daraus gehe doch hervor, daß die deutsche Regierung sich von der elsässischen Bevölkerung ange⸗ griffen fühle. Das Gesetz trage somit einen entschieden feind⸗ seligen Charakter. Das elsaß⸗lothringische Volk denke aber nicht daran, feindlich gegen die deutsche Regierung aufzu⸗ treten. Wenn der Unter⸗Staatssekretär von Puttkamer behaupte, die Verhältnisse in Elsaß⸗Lothringen so genau zu kennen, würde er nicht mit solcher Bestimmtheit von einer seit langer Zeit dort vorhandenen, mit Erfolg gekrönten, weitverzweigten französischen Propaganda sprechen. Er (Redner) sei ein alter Elsässer, könne aber nur sagen, daß in Folge dieses Gesetzes die französische Propa⸗ ganda nun erst recht mit Erfolg arbeiten werde. Auf den Rechtsweg würden sich die Gemeinden gewiß nicht begeben und gegen eine Wahl protestiren, denn man habe im Elsaß ein altes Sprichwort: „Aus einem Prozesse geht der Eine nackt, der Andere im Hemde hervor“. Wo bleibe das Rechts⸗ gefühl, wenn man einen ausgedienten Feldwebel oder Lieute⸗ nant einer Gemeinde als Vorsteher oktroyire? Im Interesse des sozialen Friedens und des Rechtsgefühls bitte er, das Gesetz abzulehnen und nicht ein Pauschquantum zu bewilligen, welches die Bevölkerung stark belaste. Es sei unerhört, wenn man die Gemeinden zu Ablagerungsstellen für Offiziere außer Dienst machen wolle. Sonst prüfe man die Vorlagen der Regierung bis auf die einzelne Mark. Hier, wo es sich um eine hohe Belastung der Gemeinden handele, wolle man diese Prüfung nicht stattfinden lassen. Es sei doch ein wichtiges soziales Element, welches man mit den alten ö“ Bürgermeistern, die man wie alte Scherben auf den Haufen werfe, beseitige. Der Bürgermeister, von dem der Unter⸗Staatssekretär von Puttkamer so schlimme Dinge erzählt habe, sei gar nicht mehr im Amt, auf ihn habe das Gesetz also gar keine Wirkung. Wie man bei einem Reichstage die Aufhebung alter Rechte in einem Lande beantragen könne, das begreife er (Redner) nicht. Eine ganze Gemeinde solle bestraft werden mit 2 bis 3000 ℳ, dem Gehalt des neuen Bürgermeisters, wenn der alte sich etwas habe zu Schulden kommen lassen.

Der Abg. Dr. Windthorst beantragte die Verweisung der Vorlage an eine Kommission von 21 Mitgliedern.

Der Abg. Schrader meinte, es sei zweifellos, daß die

einen erheblichen Schritt rückwärts gekomm

wolle auf die Erklärungen des nicht 8 eingehen, er bedauere aber, daß der Fall 8,me von em nicht aufgeklärt worden sei; man valens dadurch und wie er glaube, ganz ungerechtf ven Weise zu der Annahme gezwungen, es sel nüge daran, als thatsächlich sein werde. Für Elsaß⸗Lot me wolle man eine Gesetzgebung, die so beschaffen sei, daß sie e Elsaß⸗Lothringern gestatte, sich als integrirenden The de Deutschen Reiches zu betrachten. Die Frage sei nur di dies durch das vorstehende Gesetz erreicht werde. Jede⸗ müsse er sagen, daß die Motive, welche man für dansel⸗ regierungsseitig ins Feld geführt habe, ihm nicht se genügend erschienen. Die Zeit, in der es im Bundes See 182 8* . keine günstige un möchte doch bezweifeln, ob das Gesetz wirklich so drinalzn a8 als man behaupte. 8 c so dringich s6

Hierauf wurde die Diskussion geschlossen. Zersönlich bemerkte der Abg. Magdzinski, daß ihm

den Schluß der Diskussion das Wort abgeschnitten w sei, es hätte sonst sich ein Mann Vorlage ausgesprochen.

Der Antrag Windthorst auf Verweisung der Vorlage eine Kommission wurde abgelehnt, die zweite Berathung 5 also im . stattfinden. 1 ni

Die beabsichtigte Abendsitzung wurde mit Rücksicht ag die für dieselbe Zeit anberaumte Sitzun .½%. Kommission nicht beliebt⸗ dung der Zuckrsers Die nächste Sitzung findet statt am Sonnabend 10 Un

seiner Partei gegen d

Reichstags⸗Angelegenheiten.

„Dem Reichstage ist folgender Entwurf eines Gesetzes betreffend die Anwendung abgeänderter Reichsgeses⸗ auf landesgesetzliche Angelegenheiten Elsaß⸗Lothrit⸗ gens, zugegangen: Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, Kämd von Preußen ꝛc. verordnen im Namen des Reichs, für Elsaß⸗Lothringen, nach erfolge⸗ Zustimmung des Bundesraths und des Reichstages, was folgt: Durch Kaiserliche Verordnung kann mit Zustimmung des Bundes⸗ raths angeordnet werden, daß eine durch Reichsgesetz erfolgte 112“ welche in Elsaß⸗Lothringen als Landesrecht gelten, für Elsaß⸗Lothringen landesrechtliche Anwendun, finden soll. te .

In der Verordnung ist zugleich der Zeitpunkt festzus nüdʒ 6 9. ist zug 1 1 nkt etzen, vor

dem ab die Abänderung in Wirksamkeit tritt.

e Ferner der Entwurf eines Gesetzes, betreffend w

Einführung der Gewerbeordnung in Elsaß⸗Lothringen

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, Kaͤm

von Preußen ꝛc. .“

verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung de

Bundesraths und des Reichstages, was folgt: §. 1

Die Gewerbeordnung für das Deutsche Reich in der Fassun elche durch Artikel 16 des Gesetzes vom 1. Juli 1883, nünbas Abänderung der Gewerbeordnung (Reichs⸗Gesetzbl. S. 159 durch das Gesetz vom 8. Dezember 1884 wegen Ergänzurng des §. 100 e des Gesetzes, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, vom 18. Juli 1881 (Reichs⸗Gesetzbl. 188 S. 255), durch das Se vom 23. April 1886, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung (Reichs⸗Gesetzbl

125), sowie urch die am 4. Januar 1885, am 24. April 1885, 1. April 1886 und 5. Januar 1887 bekannt gemachten, vom Reichs⸗ tage genehmigten Beschlüsse des Bundesraths (Reichs Gesetzbl. des Jahres 1885 S. 2 und 92, des Jahres 188 S. 68 und des Jahres 1887 S. 4) 1 festgeftellt ist,

tritt in Elsaß⸗Lothringen, vorbehaltlich der Bestimmungen der §§. bis 5 dieses Gesetzes, am 1. Januar 1888 als Reichsgesetz in Kraf

Hinsichtlich des Gewerbebetriebes, welcher die Herstellung, der Umsatz und die Verbreitung von Schriften, Drucksachen und bildliche Darstellungen jeder Art zum Gegenstand hat, bleiben an Stelle d Bestimmungen der Gewerbeordnung die Landesgesetze maßgebend.

§. 3

§. 3. Die auf die Theaterpolizei bezüglichen Bestimmungen der Landes⸗ gesetze bleiben neben den Bestimmungen der Gewerbeordnung in Kraf

Die Schließung von Wirthschaften kann auch fernerhin in der landesgesetzlich vorgesehenen Fällen erfolgen. Die Fortsetzung de Wirthschaftsbetriebes entgegen einer auf Grund der Landesgesetze wr geordneten Schli g unterliegt der Strafe des §. 147 der Gewerbe⸗ ordnung.

Die Bestim ungen der Landesgesetze über die Befugniß zur A⸗⸗ haltung von öffentlichen Versteigerungen bleiben unberührt. §. 6

Die höhere Verwaltungsbedörde kann gestatten, daß jugendlich Arbeiter (§. 135 der Gewerbeordnung), welche zur Zeit des Inkraf tretens dieses Gesetzes in einer Fabrik bereits beschäftigt waren, da⸗ selbst bis zum 1. Januar 1890 in der durch das Gesetz, betreffen die Beschäftigung der Kinder in Fabriken u. s. w., vom 22. Mär 1841 (bulletin des lois IX. série No. 9203) zugelassenen Ausdehnung weiter beschäftigt werden. 1

B. 1.

Die Bezeichnung der nach den Landesgesetzen zuständigen Behöͤr⸗ den, sowie die näheren Bestimmungen über das Verfahren bezüglit der Genehmigung der im §. 16 der Gewerbeordnung aufgeführt gewerblichen Anlagen erfolgen durch Kaiserliche Verordnung.

Begründung. 8

Die Gewerbeordnung für das Deutsche Reich als solche ist bisber

in Elsaß⸗Lothringen nicht eingeführt. 8 b

Iog8

1) die Wirksamkeit des 32 29 der Gewerbeordnung durch Gesch

vom 15. Juli 1872 (Gesetzbl. für Elsaß⸗Lothringen S. 534) arf

Elsaß⸗Lothringen ausgedehnt und dieses Gesetz der Novelle von

1. Juli 1883 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 159 ff.) entsprechend durch Landes⸗

gesetz vom 17. März 1884 (Gesetzbl. für Elsaß⸗Lothringen S. 14

ergänzt worden.

Sodann sind:

2) die Vorschriften der Gewerbeordnuug— ’8

a. über das Aufsuchen von Waarenbestellungen und den Ge⸗ werbebetrieb im Umherziehen durch Gesetz vom 14. Ma⸗ 1877 (Gesetzbl. für Elsaß⸗Lothr. S. 15) und der Novel⸗ vom 1. Juli 1883 entsprechend durch Gesetz von 14. März 1884 (Gesetzbl. für Elsaß⸗Lothr. S. 3), sowie über den Kleinhandel mit Branntwein und Spiritus durd Sesch vom 16. Mai 1877 (Gesetzbl. für Elsaß⸗Lothe . 20)

inhaltlich übernommen worden.

gwingende Gründe für die fortdauernde Belassung dieses Z .

standes der Rechtsverschiedenheit auf dem Gebiet der Gewerbegesez⸗

gebung zwischen Elsaß⸗Lothringen und den Bundesstaaten liegen nicht

Gemeindegesetzgebung von Elsaß⸗Lothringen durch die Wahlen

mehr vor. §. des genden Gesetzentwurfs nimmt dem⸗

8*

Ministerium ertheilten persönlichen Konzession (brevet) und nach vor⸗

Gesetz vom 27. Juli 1849 Artikel 7).

lu jederzeit widerruflicher Weise ertheilt wird.

1 je Einführung der Gewerbeordnung in Elsaß⸗Lothringen nüprecand dnr 1888 ab in Aussicht. vom Die in den §§. 2 bis 4 vorgesehenen Ausnahmebestimmungen 4 2„ sich auf diejenigen Gewerbe, welche sich mit der Herstellung 1 922 Ümsatz von Druckschriften dieses Wort im Sinne des und des Gesetzes über die Presse vom 7. Mai 1874 genommen 5.2 ferner auf die Unkernehmung von Theater⸗ und sonstigen tlichen Vorstellungen, sowie auf den Wirthschaftsbetrieb. je Gründe für diese Ausnahmebestimmungen sind im Wesent⸗ hen staatspolizeilicher Natur. 3 li enoee Gewerbe, welche das Reichspreßgesetz im §. 4 unter dem Preßgewerbe“ zusammenfaßt, unterliegen, soweit es sich nicht Gewerbebetrieb an öffentlichen Orten (§. 43) und im Umher⸗ um a (§. 56 Absatz 3 und 4) handelt, nach §. 14 Absatz 2 der ie . rdnung lediglich der Anzeigepflicht, und zwar auch für den Gew tbebetrieb von Haus zu Haus in dem Gemeindebezirk des Wohn⸗ Gen § 42 b Absatz 3 der Gewerbeordnung), während die bestehenden 8 ggesetze dieselben in Bezug sowohl auf die Zulassung zum Ge⸗ anbebetriebe als auf die Ausübung desselben aus preßpolizeilichen wert vücr erheblich weitergehenden Beschränkungen unterwerfen. Gründen den in Elsaß⸗Lothringen gegebenen Verhältnissen, wo eine gegen die Zugehörigkeit des Landes zum Reich gerichtete Agitation mentlich auch von Außen her thätig ist und sich für ihre Zwecke . Art von Preßerzeugnissen bedient, erscheinen die durch die be⸗ febenden Gesetze gebotenen Machtmittel gehen einen derartigen Miß⸗ seaach der Presse zur Zeit noch unentbehrlich. Aus diesem Grunde 2 durch §. 2 des Gesetzes die Landesgesetze, welche preßpolizeiliche Plsimmmungen enthalten, im vollen Umfange aufrecht erhalten werden, ie dies bezüglich der Colportage von Drucksachen und bildlichen Darstelungen bereits im §. 28 des vom 14. März 1884, eas im Uebrigen die Bestimmungen der Gewerbeordnung über den Gwerbebetrieb im Umherziehen in Elsaß⸗Lothringen einführte, vor⸗ vorden ist. . G velehen ne den Forbehalt des §. 2 fallen insbesondere auch die landesgesetzichen Bestimmungen über die Herausgabe periodischer Druckschriften. Das Reichsgesetz über die Presse vom 7. Mai 1874, welches die Herausgabe von periodischen Druckschriften in seinem wweiten Atschnitt über die Ordnung der Presse regelt, ist in Elsaß⸗ Lothringen zur Zeit noch nicht eingeführt. Soweit es sich um landesgesetzliche Bestimmungen hinsichtlich der Ausübung des Gewerbebetriebes handelt, würden dieselben auch ohne Vorbehalt bestehen bleiben, sofern sie nicht rein gewerbepolizei⸗ licher Natur sind, oder sofern nicht die Gewerbeordnung, wie es im §. 56 bezüglich des Gewerbebetriebes mit Druckschriften im Umher⸗ jiehen geschehen ist, die betreffende Materie erschöpfend regeln wollte. Die Preßgewerbe unterliegen nach Lage der Landesgesetzgebung im Einzelnen folgenden Bestimmungen: I. Buchdrucker.

11“ Das Gewerbe eines Buchdruckers darf nur auf Grund einer vom

iger gerichtlicher Vereidigung betrieben werden Dekret vom

88 Artikel 6 —. Die Konzession soll nur erhalten, wer sich über seine Befähigung und seine Verfassungstreue ausweist. Aus der letzterwähnten Bestimmung folgt, daß die Konzession nur an Deutsche verliehen werden kann.

Die Buchdrucker sind verpflichtet,

mindestens zwei Pressen zu besitzen (Artikel 6 a. a. O.),

ein chronologisches Register über die bei ihnen gedruckten Schriften zu führen (Ordonnanz vom 24. Oktober 1814 Artikel 2),

dem Bezirks⸗Präsidenten vor dem Druck einer jeden nicht perio⸗ dischen Schrift Anzeige zu erstatten (Gesetz vom 21. Oktober 1814

Artikel 14), G” jedes Druckexremplar mit ihrem Namen und ihrer Wohnung zu

bezeichnen (Artikel 15, 17 a. a. O.),

vor Veröffentlichung jedes Druckwerks zwei Pflichtexemplare an das Bezirks⸗Präsidium abzugeben und außerdem, sofern das Druck⸗ werk Gegenstände politischen oder sozialen Inhalts behandelt, zwei weitere Exemplare bei der Staatsanwaltschaft zu hinterlegen (Gesetz vom 21. Oktober 1814 Artikel 14, Ordonnanz vom 9. Januar 1828,

Nur die Geranten von Zeitungen sind zur Errichtung einer aus⸗ schließlich für den Druck der Zeitung bestimmten Druckerei ohne Konzession befugt (Gesetz vom 11. Mai 1868 Artikel 14).

Die Zurücknahme der Konzession ist zugelassen für den Fall, daß der Drucker wegen Zuwiderhandlung gegen die Gesetze oder gegen die Reglements, die sein Gewerbe betreffen, ł rechtskräftig verurtheilt worden ist (Geses vom 21. Oktober 1814 Artikel 12).

Durch die Ordonnanz vom 8. Oktober 1817 sind die Stein⸗ drucker, durch das Dekret vom 22. März 1852 die Kupferstecher den Bestimmungen über Konzession und Eid der Buchdrucker unterworfen worden. ö11“ II. Buch⸗ und Kunsthändler.

Die Buchhändler bedürfen, wie die Buchdrucker, einer Konzession zum Gewerbebetrieb, und sind vor Beginn desselben gerichtlich zu vereidigen (Dekret vom 5. Februar 1810 Artikel 29, Gesetz vom 21. Oktober 1814 Artikel 11 und 12, Artikel 24 des Dekrets vom 17. Februar 1852) 8 .

Voraussetzung der Ertheilung der Konzession ist auch hier guter Fumand, und Verfassungstreue (Dekret vom 5. Februar 1810 Artikel 33).

Freigegeben ist der Handel mit Schulbüchern, Kalendern und Gebetbüchern von weniger als 2 Druckbogen (Staatsrathsbeschluß vom 10. September 1735).

Den Buchhändlern stehen gleich die Inhaber von Bibliotheken, Lesekabineten und Antiquare, welch' letztere überdies zur Führung

eines Registers über den Ankauf alter Bücher gehalten sind (Ordonnanz von 1780 Art. 1 und 2). „Die Büchertrödler, welche nur auf der Straße ausstellen und feilbieten (libraires-étaleurs-bouquinistes), bedürfen keines Brevets, wohl aber einer ortspolizeilichen Erlaubniß, die jederzeit widerruflich ist (Dekret vom 11. Juli 1812 Art. 3). In Bezug auf den Handel mit bildlichen Darstellungen bedarf e nach Artikel 22 des Dekrets vom 17. Februar 1852 zur Veröffent⸗ lichung, Ausstellung oder zum Feilbieten von Zeichnungen, Stichen, Steindruckwerken, Medaillen, Kupferstichen oder Sinnbildern jeder der vorhergängigen Erlaubniß der Bezirks⸗Präsidenten. Diese Erlaubniß ist für die einzelnen bildlichen Darstellungen individuell zu ertheilen. Bezüglich der Zurücknahme der Konzession zum Betrieb des Buchhändlergewerbes gelten die gleichen Bestimmungen wie für die Buchdrucker (Gesetz vom 21. Oktober 1814 Artikel 12).

III. Colporteure.

Die Colportage, unter welcher die Landesgesetzgebung sowohl die sevwerbsmäßige als die nicht gewerbsmäßige Verbreitung von Schrift⸗ kücken und Abbildungen begreift, ist durch Artikel 6 des Gesetzes vom 27. Juli 1849 geregelt. Jeder Colporteur bedarf der persön⸗ lichen Erlaubniß zum Colportiren, welche vom Bezirks⸗Präsidenten In objektiver Hinsicht ist die nöthige Kontrole dadurch hergestellt, daß die zur Vofe Hinsee zugelassenen Schriften und Abbildungen mit em sogenannten Colportagestempel versehen werden.

Eine Ausnahme läßt Artikel 10 des Gesetzes vom 16. Juli 1850 zu, welcher bestimmt, daß während 20 Tagen vor den Wahlen irkulare und politische Glaubensbekenntnisse (professions de foi) er Kandidaten, wenn sie von diesen unterzeichnet sind, nach einer interlegung bei der Staatsanwaltschaft ohne polizeiliche Genehmigung angeschlagen und verbreitet werden dürfen. 8 8 Das Gesetz, betreffend die Stimmzettel für öffentliche Wahlen, Lothrl2. März 1884 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 17), gilt auch in Elsaß⸗

ngen.

IV. Zettelanschläger und öffentliche Ausrufer.

gabe seiner Wohnung erklären, ₰. ist jeder fernere Wohnungswechsel anzuzeigen (Gesetz vom 10. Dezember 1830). Die gleiche Erklärung hat aßc eben und überdies der ausdrücklichen Erlaubniß der Orts⸗ polizeibehörde bedarf, wer das Gewerbe eines Ausrufers, Verkäufers oder Vertheilers von Schriftstücken auf öffentlicher Straße ausüben will (Gesetz vom 16. Februar 1834).

V. Das Ausprägen von Denkmünzen, Marken und Spiel⸗ marken von Metall.

„Hierzu bedarf es nach dem Konsularbeschluß vom 5. Germinal XII in jedem einzelnen Falie einer besonderen Erlaubniß der Regierung für denjenigen, der die bezeichneten prägen lassen will.

u §. 3.

Aehnliche Gründe, wie sie die Aufrechterhaltung von Beschrän⸗ kungen des Gewerbebetriebes in preßpolizeilichem Interesse angezeigt erscheinen lassen, machen sich auch auf dem Gebiet der Theaterpolizei eltend. Vorstellungen und Vorträge, welche in Wort oder Dar⸗ hlnn an die frühere Zugehörigkeit des Landes zu Frankreich erin⸗ nern, geben den durch die politische Agitation aufgeregten Ele⸗ menten der Bevälkerung, wie sie namentlich in den größeren Städten des Landes vorhanden sind, eine erwünschte Gelegen⸗ heit zu Demonstrationen im deutschfeindlichemn Sinne. Die beste Handhabe, solche zu verhüten, bietet die in den Landes⸗ gesetzen der Polizei, speziell den Bezirks⸗Präsidenten gewährte Befugniß, die einzelnen zur Aufführung gelangenden Stücke vorher zu prüfen und die Genehmigung zur Aufführung zu versagen (Dekret vom 8. Juni 1806, Artikel 14, Dekret vom 30. Dezember 1852, Artikel 1, Dekret vom 6. Januar 1864. Artikel 3). Es ist nun zwar zweifellos, daß durch §§. 32 und 33a der Gewerbeordnung die polizei⸗ liche Befugniß, die Aufführung bestimmter Stücke aus sicherheits⸗ oder sittenpolizeilichen Gründen zu beanstanden, nicht beseitigt ist; zweifelhafter dagegen ist die Frage, ob durch die Einführung der Gewerbeordnung ohne entsprechenden Vorbehalt auch die rein präventive Vorschrift der Landesgesetzgebung, wonach für jedes einzelne Stück vor dessen Aufführung die ausdrück⸗ liche Genehmigung der Polizeibehörde zu erfolgen hat, bestehen bleiben würde. Für die Bejahung spricht der Umstand, daß es sich bei dieser Vorschrift nicht und sicher nicht ausschließlich um das Rechts⸗ ebiet der Gewerbepolizei handelt, nach der Auffassung des französischen Rechts gehören vielmehr die Bestimmungen über öffentliche Vor⸗ stellungen, weil die Verbreitung von Gedanken in Frage steht, zum Gebiet der Preßpolizei. Um jeden Zweifel in dieser Richtung aus⸗ zuschließen, ist die Aufrechterhaltung der theaterpolizeilichen Bestim⸗ mungen der Landesgesetze vorgesehen. In Bezug auf die Zulassung zum Gewerbebetrieb fordern die letzteren von dem Unternehmer nur eine Anzeige (Gesetz vom 13. Ja⸗ nuar 1791 Artikel 1, Dekret vom 6. Januar 1864 Artikel 1); einer Erlaubniß bedarf derselbe nicht. Es besteht kein Grund, diese Be⸗ stimmung gegenüber der Vorschrift des §. 32 der Gewerbeordnung, welche die ausdrückliche Erlaubniß verlangt, in Kraft zu belassen. §. 3 des Gesetzentwurfs sieht deshalb bei sonstiger Aufrechterhaltung der Landesgesetze die Anwendbarkeit der betreffenden reichsgesetzlichen Bestimmung („neben den Bestimmungen der Gewerbeordnung“) vor. Eine Unterscheidung zwischen Vorstellungen, bei welchen ein höheres künstlerisches Interesse obwaltet, und solchen, bei welchen dies nicht der Fall ist, wie die §§. 32 und 33 a der Gewerbeordnung sie aufstellen, kennt die Landesgesetzgebung zwar nicht, jedoch werden die letztgenannten Vorstellungen dem Erfolge nach in der Regel unter Artikel 6 des Dekrets vom 6. Januar 1864 über die Freiheit der Theater fallen, welcher im ersten Absatz lautet:

les spectacles de curiosités, de marionettes, les cafés dits cafés

chantants, cafés concerts et autres établissements du mẽme

genre restent soumis aux rêèglements présentement en vigueur.

Diese Reglements sind enthalten in dem Gesetz über die Gerichts⸗ verfassung vom 16. August 1790 Titel 11 Artikel 3 und 4, sowie in dem Dekret vom 8. Juni 1806 Artikel 15; dieselben bestimmen, daß derartige Unternehmungen der Genehmigung der Ortspolizeibehörde bedürfen. Die Genehmigung wird nach freiem Ermessen ertheilt.

Die Landesgesetzgebung behandelt die Veranstalter von Unter⸗ nehmungen der bezeichneten Art rechtlich völlig so, wie §. 33 b der Gewerbeordnung diejenigen, welche Musikaufführungen von Haus zu Haus, auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen darbieten.

Eine strenge polizelliche Kontrole der bezeichneten Unternehmungen erscheint ebenso sehr aus den oben dargelegten politischen, wie aus allgemeinen, sicherheits⸗ und sittenpolizeilichen Gründen angezeigt; sie wird um so erfolgreicher sein, je mehr der Unternehmer angesichts der Möglichkeit der Zurücknahme der Erlaubniß seiner Verantwortlichkeit sich bewußt wird.

Aus diesen Gründen rechtfertigt sich auch hier die Aufrecht⸗ erhaltung der weitergehenden Beschränkungen, welche die landesgesetz⸗ lichen Bestimmungen über die Theaterpolizei enthalten.

Die im §. 33 b bezeichneten Gewerbe sind landesgesetzlich den gleichen Vorschriften unterworfen, wie durch die Gewerbeordnung (außer dem oben bezogenen Gesetz vom 16. August 1790 Titel 11 kommt hier noch das Gesetz vom 16. Februar 1834 Artikel 1 in Be⸗ tracht, welches insbesondere für die Straßensänger die Erlaubniß der Orts⸗Polizeibehörde fordert).

Die Aufrechterhaltung der Landesgesetze neben den Bestimmungen der Gewerbeordnung führt sonach zu keiner Inkongruenz.

Bezüglich des Gewerbebetriebes im Umherziehen bewendet es bei den Bestimmungen des §. 55 Ziffer 4 und Absatz 2 der Gewerbe⸗ ordnung, welche bereits durch das Gesetz vom 14. ib⸗ nommen waren.

Im

§. 4 8 hat der Gesetzentwurf die landesgesetzlichen Bestimmungen über die Schließung von Wirthschaften aufrecht erhalten. Die Zulassung zum Wirth chastsbetrieb, welche zur Zeit durch Artikel 1 des Dekrets vom 29. Dezember 1851 sur les cafés, carbarets et débits de boissons und die Verordnung, betreffend die Suftängäsfet der Kreis⸗Direktoren, vom 28. August 1875 (Gesetzbl. für Elsaß⸗Lothringen S. 171) dahin geregelt ist, daß der Kreis⸗Direktor die Genehmigung zur Er⸗ öffnung der Wirthschaft nach freiem Ermessen ertheilen oder versagen kann, soll sich fortan nach §. 33 der Gewerbeordnung bestimmen, dessen Grundsätze in der Praxis schon bisher im Wesentlichen befolgt wurden.

Was die Schließung der im Dekret vom 29. Dezember 1851

genannten Wirthschaften anlangt, so bestimmt Artikel 2 daselbst: la fermeture des établissements désignés en l'article ler qui existent actuellement ou qui seront autorisés à l'’avenir pourra être ordonnée par le préfet soit apres une condamnation pour contravention aux lois et rêèglements, qui concernent ces pro- fessions, soit par mesure de süreté publique. 8

An die Stelle des Präfekten ist durch die obenbezogene Ver⸗ ordnung vom 28. August 1875 der Kreisdirektor getreten.

Ferner schreibt Artikel 3 des Dekrets neben der jetzt durch das Gesetz vom 16. November 1875 ersetzten Strafandrohung die sofortige Schließung jeder Wirthschaft vor, deren Betrieb ohne Erlaubniß unternommen oder fortgesetzt wird.

Die Aufrechterhaltung dieser durch das Landesgesetz gegebenen Befugniß zum Schließen von Wirthschaften ist im Gesetzentwurf vor⸗ gesehen, weil die Bestimmungen der Gewerbeordnung (§§. 40 und 53) keine genügende Handhabe bieten würden, um gegen solche Wirthe einzuschreiten, die sich zu Werkzeugen und Förderern der gegen Deutsch⸗ land gerichteten Agitation hergeben und ihre Wirthschaftsräume zu Sammelpunkten derselben machen. 8

Die Strafbestimmung des §. 147 der Gewerbeordnung, welche auf die Zuwiderhandlung gegen eine Bestimmung des Einführungs⸗ gesetzes nicht ohne Weiteres Anwendung findet, und deshalb ausdrück⸗ lich anwendbar zu erklären ist, deckt sich inhaltlich mit der gegen⸗ wärtig in Kraft stehenden Bestimmung des Gesetes vom 16. No⸗ vember 1875 (Gesetzbl. für Elsaß⸗Lothringen S. 187).

in Elsaß⸗Lothringen der Grundsatz, daß öffentliche Versteigerungen nur durch Beamte abgehalten werden dürfen. In Bezug auf Mobiliarversteigerungen, einschließlich derjenigen von hängenden oder stehenden Früchten und Holzschlägen, ist dieser Grundsatz aus der französischen Gesetzgebung überkommen, und zwar sind es hier, nachdem das Institut der Abschätzungskommissare (com- missaires priseurs) thatsächlich hinwezgefallen und die bezügliche Befugniß der Gerichtsschreiber durch §. 29 des Gesetzes vom 4. No⸗ vember 1878 (Gesetzbl. für Elsaß⸗Lothringen S. 65) beseitigt ist, zur Zeit nur noch die Notare und die Gerichtsvollzieher, welche als Versteige⸗ rungsbeamte in Betracht kommen. S. Arrété vom 12 fructidor IV, Gesetze vom 22 pluv. VII und 5 Juni 1851. Hinsichtlich der Versteige⸗ rungen von neuen Waaren, welche auch in Betreff ihrer Zulässigkeit Sonderbestimmungen unterliegen, erleidet jene Regel allerdings inso⸗ fern eine Ausnahme, als hier gesetzlich in gewissem Umfang auch die Waarenmäkler, und zwar bald in erster Linie, bald neben den No⸗ taren und Gerichtsvollziehern, zur Vornahme der Versteigerung be⸗ rufen sind (vergl. bes. die Gesetze vom 17. April 1812, 25. Juni 1841, 28. Mai 1858, 3. Juli 1861, code de commerce Artikel 93, sowie die Dekrete vom 12. März 1859, 30. Mai und 29. August 1863); allein diese wesentlich für die Bedürfnisse der Stapelplätze des Seehandels berechnete Ausnahme ist für Elsaß⸗Lothringen ohne praktische Bedeutung. 1 . Eine die Befugniß zur Abhaltung von Immobiliarversteige⸗ rungen allgemein beschränkende Vorschrift enthielt die französische Gesetzgebung nicht, woraus nach mannigfachen Schwankungen der Praxis gefolgert wurde, daß die außergerichtlicher Ver⸗ steigerungen dieser Art Jedermann freistehe. Dieser Rechtszustand war um so bedenklicher, als Angesichts der offenkundigen Mangel⸗ veftigiet des in Elsaß⸗Lothringen geltenden Immobiliar⸗Sachenrechts die Mitwirkung eines rechtsverständigen und praktisch geschulten Be⸗ amten bei der Versteigerung gerade hier unerläßlich ist. Um den hervorgetretenen Unzuträglichkeiten abzuhelfen, erging das Gesetz vom 21. Mai 1881 (Gesetzbl. für Elsaß⸗Lothringen S. 60), durch welches die ausschließliche Befugniß zur Vornahme öffentlicher Verkäufe von Gegenständen des unbeweglichen Vermögens den Notaren über⸗ tragen wurde. Ob und inwieweit die gedachten Landesgesetze ohne ausdrückliche Bestimmung dieses Inhalts neben der Gewerbeordnung bestehen bleiben würden, ist angesichts der bisherigen Rechtsprechung (vergl. die sich widersprechenden Erkenntnisse des Königlich preußischen Obertribunals vom 17. Februar 1870, Oppenhoff, Rechtsprechung XI S. 104, und 26. Juni 1879, Rhein. Archiv LXX 2. Abth. S. 145) zweifelhaft, Jedenfalls sprechen erhebliche Gründe für die Auffassung, daß die vorbehaltlose Einführung der Gewerbeordnung die Freigabe der Be⸗ fugniß zur gewerbsmäßigen wie nichtgewerbsmäßigen Vornahme von Mobiliarversteigerungen nach sich ziehen würde. Ja, seltsbeicg⸗ lich der Fortdauer der ausschließlichen Befugniß der Notare zur Ab⸗ haltuug von Immobiliarversteigerungen wären Zweifel nicht ausgeschlossen.

Im Interesse des Notariats und des Gerichtsvollzieberinstituts, wie sie sich in Elsaß⸗Lothringen herausgebildet haben, erscheint es ge⸗ boten, denselben ihre bisherige Zuständigkeit ungeschmälert zu erhalten und jede Ungewißheit über deren Fortbestand von vornherein zu be- seitigen. Namentlich erfordert dies die auch politisch bedeutsame Rück⸗ sicht auf die unter deutscher Herrschaft ernannten und in der Folge zu ernennenden Notare und Gerichtsvollzieher, deren amtliche, soziale und wirthschaftliche Stellung ohnehin unter den besonderen Verhält⸗ nissen des Reichslandes vielfach eine schwierige ist und durch die Frei⸗ gabe des Mitbewerbs auf dem Gebiete der öffentlichen Verkäufe un⸗ mittelbar wie mittelbar weit stärker geschädigt würde, als bei nor⸗ malen Zuständen zu besorgen wäre.

Nicht minder empfiehlt es sich im Interesse der Sicherheit des Rechtsverkehrs, besonders des liegenschaftlichen, die bestehenden Vor⸗ schriften ausdrücklich aufrecht zu erhalten und so jedem Zweifel über die Lage der Gesetzgebung vorzubeugen.

Auch ist noch der innige Zusammenhang zwischen der bisherigen Regelung des Versteigerungswesens und dem Steuersystem des Reichs⸗ landes ins Auge zu fassen, indem die Mitwirkung eines öffentlichen Beamten bei jeder Versteigerung schon wegen des darin liegenden Schutzes gegen Hinterziehungen der Stempel⸗ und Registrirungs⸗ dee. finanziell von nicht zu unterschätzender Bedeutung ist.

m 6

sind Uebergangsbestimmungen in Bezug auf die Durchführung der Vorschriften über die Beschäftigung der jugendlichen Arbeiter in den Fabriken vorgesehen. Das in Elsaß⸗Lothringen geltende französische Gesetz, betreffend die Beschäftigung der Kinder in den Fabriken, Hüttenwerken und Werkstätten, vom 22. März 1841*) legt den Fabrikbetrieben erheblich geringere Beschränkungen auf, als die Ge⸗ werbeordnung, und gestattet die Beschäftigung von Kindern schon vom 8. Lebensjahre an. Thatsächlich werden jedoch Kinder von 8 bis 12 Jahren in Elsaß⸗Lothringen in Fabriken nicht beschäftigt, da nach der Verordnung des General⸗Gouverneurs über das Schulwesen vom 18. April 1871 die Verwendung von schulpflichtigen Kindern zu einer regelmäßigen Beschäftigung in Fabriken von der Genehmigung der Schulbehörden abhängig gemacht und letztere darauf hin allgemein angewiesen worden waren, diese Genehmigung für Kinder unter 12 Jahren nicht zu ertheilen. b Hinsichtlich der Kinder von 12 bis 16 Jahren bestimmt Artikel 2 des Gesetzes vom 22. März 1841, daß sie auf je 24 Stunden nicht länger als 12 Stunden mit Ruhepausen dazwischen zu wirkliche Arbeit verwendet werden dürfen. Die Arbeit darf nur in der Zeit von Morgens 5 Uhr bis Abends 9 Uhr stattfinden. 8 Nachtarbeit ist für Kinder unter 13 Jahren verboten. Kinder über 13 Jahre dürfen unter gewissen vom Gesetz bestimmten Vor⸗ aussetzungen (Stillliegen einer Wasserkraft, Vornahme dringender Ausbesserungen, bei Werken mit beständigem Feuer, deren Betrieb nicht unterbrochen werden kann) Nachts beschäftigt werden, es sind dabei jedoch zwei Stunden für drei zu berechnen. Arbeiter unter 16 Jahren dürfen an Sonntagen und gesetzlichen Feiertagen nicht be⸗ chäftigt werden. . 8 1 s fixh. getroffenen Uebergangsbestimmungen beziehen sich lediglich auf die Beschäftigung solcher lugendlichen Arbeiter, welche zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes bereits in einer Fabrik arbeiten. Die⸗ jenigen, welche von dem bezeichneten Zeitpunkt an neu eintreten, sollen sofort unter den Bestimmungen der Gewerbeordnung stehen. Bezüglich der jugendlichen Arbeiter der erstgenannten Kategorie, soll die höhere Verwaltungsbehörde die Befugniß haben, wenn es nach ihrem Ermessen das Beduͤrfniß des Betriebes einer Fabrik erfordert, bis zum 1. Januar 1890 eine Beschäftigung von jugendlichen Arbeitern bis zu der Grenze zuzulassen, welche durch das Gesetz vom 22. März 1841 gezogen ist. Eine derartige Uebergangsbestimmung ist ebenso sehr im Interesse der Arbeitgeber erforderlich, als im Interesse der Arbeiter⸗ familien. Den ersteren kann dadurch ausreichend Zeit gewährt werden, um die geeigneten Veranstaltungen zur Anpassung des Be⸗ triebes an die gesetzlichen Bestimmungen zu treffen, ohne daß die hoch entwickelte Industrie des Landes gefährdet wird; den lesteren kann der ungeschmälerte Verdienst, wie sie ihn zur Zeit des Jukraft⸗ tretens des Gesetzes beziehen, erhalten werden. Die Zeitdauer, während welcher die Uebergangsbestimmung gelten soll, ist auf zwei Jahre be⸗ messen, weil in der Industrie des Landes überwiegend lugendliche Arbeiter im Alter von 14 bis 16 Jahren beschäftigt sind, welche nach zwei Jahren aus der Klasse der jugendlichen Arbeiter ausscheiden. Die Zahl der Kinder von 12 bis 14 Jahren beträgt nach der Auf⸗ nahme vom 1. Oktober 1886 in den beiden Bezirken des Claß von der Gesammtzahl der in Fabriken beschäftigten jugendlichen Arbeiter (8890) nur 21 %. Ein ähnliches Verhältniß desteht in den in⸗ dustriellen Betrieben Lothringens, wo überhaupt weniger lugendliche Arbeiter als im Elsaß in den Fahriken beschäftigt werden 8 Schwierigkeiten, welche sich während der Uebergangszeit im Betriode einer Fabrik dadurch ergeben, daß wei Kategorien von lugendlichen Arbeitern nebeneinander beschäftigt sind, wird durch Verfügungen aut

Mai 182 8

z Wer auch nur vorübergehend das Gewerbe eines Zettelanschläͤgers will, muß dies vorher bei der Ortspolizeibehörde unter An⸗

Zu §. 5. Auch außerhalb des durch die Gewerbeordnung nicht berührten Gebiets der See nsvan Aufe und anderer gerichtlicher Verkäufe gilt

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*) In Frankreich ersetzt durch das Gesetz vom 19. 2