1887 / 136 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 14 Jun 1887 18:00:01 GMT) scan diff

schaftlichen Interesse zu schonen und zu erhalten; von ihnen hänge nicht nur der Kartoffelbau, sondern auch die Viehzucht und Düngung ab. 1 Der Abg. von Kardorff bat die verbündeten Regierungen, dahin zu wirken, daß die Reichsbank den im steueramtlichen Lager befindlichen Spiritus lombardiren möge, ohne Mit⸗ verschluß zu beantragen; dadurch würde den Brennern ihre Lage bedeutend erleichtert werden. Der Staats⸗Minister von Scholz erwiderte, die Vorlage wolle die Lage der Beea tes anfrodes enren erleichtern; wenn also eine Maßregel im Sinne des Abg. von Kardorff mög1g sei, so werde die Regierung nicht dagegen sein. Redner sprac sich gleichfalls gegen die Vorlegung der Kataster aus. Die Kommissionsvorschläge entsprächen vollständig der Tendenz der Regierung, ja sie brächten dieselbe noch besser zum Ausdruck; er bitte, diese anzunehmen und die Anträge des Abg. Rickert abzulehnen. 1b Der Abg. Witte begründete seinen Antrag Der Abg. Spahn empfahl folgenden Antrag: „Für diejenigen Getreidebrennereien, welche nach dem 1. Ok⸗ tober 1887 zur Hefebereitung übergehen, erfolgt die Bemessung der dem niedrigeren Abgabesatze unterliegenden Wenneerne üuge nach den für die bestehenden Hefebrennereien geltenden Grundsätzen“. Der §. 2 wurde hierauf nebst den Anträgen der Abgg. Witte und Spahn angenommen. §. 3 lautet: 2) Eintritt der I;ö Person des Pflichtigen.

Die Verbrauchsabgabe ist zu entrichten, sobald der Branntwein aus der steuerlichen Kontrole in den freien Verkehr tritt.

Zur Entrichtung der Abgabe ist derjenige verpflichtet, welcher den Branntwein zur freien Verfügung erhält.

Gegen Sicherheitsbestellung ist die Abgabe zu stunden. Für eine Frist bis zu drei Monaten kann jedoch die Abgabe auch ohne Sicherheitsbestellung gestundet werden, falls nicht Gründe vorliegen, welche den Eingang gefährdet erscheinen lassen.

2 a. Reinigungszwang. §. 3 a (neu).

Vom 1. Oktober 1889 ab darf der nicht aus Roggen, Weizen oder Gerste hergestellte oder der Materialsteuer unterworfene Branntwein, sofern er der Verbrauchsabgabe unterliegt, nur in ge⸗ reinigtem Zustande in den freien Verkehr gebracht werden.

Den Grad und die Art der Reinigung, sowie die etwa er⸗ forderlichen Beihülfen zur Durchführung derselben bestimmt der Bundesrath.

Dem Reichstage sind diese Bestimmungen, sofern er ver⸗ sammelt ist, sofort, andernfalls bei dessen nächstem Zusammentreten vorzulegen. Dieselben sind außer Kraft zu setzen, soweit der Reichs⸗ tag dies verlangt.

Der Abg. von Christen wünschte, daß die Gewährung der Steuerkredite nicht von den unteren Steuerbehörden ab⸗ hängig gemacht werde; entweder sollten die Provinzialbehörden oder, was ihm das Liebste wäre, der Minister selbst darüber entscheiden.

Der Staats⸗Minister Dr. von Scholz meinte, dieses Miß⸗ sfaet gegen die unteren Steuerorgane sei durchaus ungerecht⸗ ertigt.

§. 3 wurde hierauf angenommen.

u §. 3a führte der Abg. Dr. Meyer (Halle) aus: die

Vorschrift des § 3a habe in weiten Kreisen eine große Be⸗ unruhigung hervorgerufen, und zwar nicht wegen der Ein⸗ führung des Rektifikationszwanges an sich, sondern wegen der Gewährung von Beihülfen an die Brenner, wo⸗ durch die natürlichen Konkurrenzverhältnisse verschoben würden. Der §. 3a vürde ziemlich unwirksam sein. Für Getreidebranntwein werde die Reinigung aus⸗ eschlossen, weil der Kornbranntwein ohnehin schon einer eichten Rektifikation unterzogen würde, wodurch die nach⸗ theilige Wirkung des Branntweingenusses beseitigt werden solle. Er empfehle, den §. 3a abzulehnen und begreife nicht, wie die Konservativen sich hätten schrecken lassen können durch die Drohung des Abg. Miquel, daß er dann die Vorlage ab⸗ lehnen würde.

Der Abg. Miquel erklärte: Die Freunde des Vorredners hätten, anstatt die Bestrebungen, dem Volke einen gereinigten Branntwein zuzuführen, zu unterstützen, sich diesen energisch wider⸗ setzt. Er und seine Freunde hielten den Reinigungszwang für noth⸗ wendig. Für diesen den Brennern aufgelegten Zwang und dieerfor⸗ derlichen Apparate sei eine Beihülfe angebracht. Die Gesundheits⸗ söhaͤlicgren des Fuselöls sei nachgewiesen, deshalb sei auch schon in Schweden und anderen Staaten ein Reinigungs⸗ zwang eingeführt. Wenn die Urtheile verschiedener Sach⸗ verständiger richtig seien, daß der Getreidebranntwein ge⸗ reinigt werden könne, ohne sein Aroma zu verlieren, so würde bei der Berathung des Spezialgesetzes zu erwägen sein, ob eine solche Reinigung vorgeschrieben werden dürfe.

Der Staats⸗Minister Dr. von Scholz führte aus, daß, da die Vorschrift erst am 1. Oktober 1889 in Kraft treten solle, die Regierung bis dahin ein Spezialgesetz vorgelegt haben würde, sodaß eine Verordnung des Bundesraths nicht noth⸗ wendig sei. Da dieses vielleicht wieder durch den Reichstag geändert werden würde, ergäben sich Gefahren für das wirthschaftliche Leben.

Der Abg. Witte äußerte: Die Aeußerung des Abg. Miquel über die Haltung der freisinnigen Partei bei der Reinigungsfrage sei unrichtig; diese meine ebenso wie die Regierung, daß die Frage nicht in dieses Gesetz gehöre, und daß vor Allem den Brennern nicht die zur Reinigung nöthigen Apparate auf Reichskosten beschafft werden sollten.

Der Abg. Buhl meinte, daß die Haltung der freisinnigen Partei der Reinigungsfrage gegenüber eine sehr kühle gewesen sei. Die nothwendige Vertheuerung des Branntweins erhöhe die Gefahr der Fälschung. Deshalb seien Vorkehrungen im gesundheitlichen Interesse dringend geboten. Die Gewährung der Beihülfe sei ein nothwendiges Korrelat zum Reinigungs⸗ zwange.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, für den §. 3a stimmen zu wollen auf die Erklärung des Finanz⸗Ministers hin, daß

bis zum 1. Oktober 1889 ein besonderes Spezialgesetz vor⸗

plegt werden solle. Gegen die Beihülfe habe er allerdings edenken; die Form des Kommissionsbeschlusses sei unklar, weil daraus nicht hervorgehe, in welchen Fällen Beihülfen gegeben werden sollen.

Darauf wurde die Debatte geschlossen. Ein Antrag des Abg. Kräcker, über die Vorschrift von Gewährung von Bei⸗ hülfen namentlich abzustimmen, wurde nicht genügend unterstützt.

§. 3a wurde gegen die Stimmen der Freisinnigen, der Sozialdemokraten und einiger Centrumsmitglieder unverändert angenommen. (Schluß des Blattes.)

Ein Gerichtsvollzieher, welcher die von ihm beim

Schuldner gepfändeten Sachen ohne Einwilligung des Gläu⸗

bigers und ohne sonstige gesetzlich oder verordnungsmäßig als triftig anerkannte Gruͤnde im Gewahrsam des Schuldners

beläßt, haftet nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Civilsenats, vom 4. April d. J., dem Gläubiger für jeden ihm dadurch erwachsenen Schaden.

I. Abänderung der Zeiteintheilung für die Früh⸗ jahrs⸗Besichtigungen beim Garde⸗Corps finden die Besichti⸗

ungen der Garde⸗Kavallerie⸗Regimenter wie folgt ftatt: am 14. d. M. um 9 Uhr Vormittags: 1. und 2. Garde⸗ eg, am 15. d. M. um 9 Uhr Vormittags: 2. Garde⸗Ulanen⸗Regiment und Garde⸗Kürassier⸗Regiment, am 16. d. M. um 8 Uhr Vormittags: Garde⸗Husaren⸗ Regiment und 3. Garde⸗Ulanen⸗Regiment, am 17. d. M. um 9 ½ Uhr Vormittags: Regiment der Gardes du Corps.

Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren: Dr. Bajohr in Bischofswerder, Nimsch zu Königsberg N.⸗M., Assistenz⸗Arzt Dr. Frentzel⸗Beyme zu Frankfurt a. O., Dr. Kantorowicz in Woldenberg, Dr. Jardon in Bergheim, Dr. Kirch, Dr. Krukenberg und Dr. Marcus in onn,

Dr. Powiton in Weeze, Dr. Diederichs in Holzminden.

S. M. Kanonenboot „Wolf“, Kommandant Kapitän⸗ Lieutenant Jaeschke, ist am 12. Juni cr. in Shanghai,

S. M. Kanonenboot „Cyclop“, Kommandant Kapitän⸗ Lieutenant von Halfern, an demselben Tage in Loanda ein⸗ gesehe 1

er Dampfer „Salier“ mit dem Ablösungskommando für S. M. Kreuzer „Albatroß“ ist am 11. Juni cr. in Sydney eingetroffen.

Sigmaringen, 14. Juni. (W. T. B.) Der Minister für Landwirthschaft ꝛc., Dr. Lucius, ist zur Inspizirung landwirthschaftlicher Arbeiten hier eingetroffen.

Bayern. München, 13. Juni. (Allg. Ztg.) Das Requiem für weiland König Ludwig II. fand heute Vormittag in glänzendster Weise in der St. Michaels⸗Hofkirche statt. Soldaten vom Infanterie⸗Leib⸗Regiment bildeten im Schiff der Kirche Spalier, und vor dem Eingang für den Hof stand ein Doppel⸗Ehrenposten desselben Regi⸗ ments. Im Innern des Gotteshauses, dessen Altar in einem wahren Lichtmeer rstrahlte, hielten zu beiden Seiten des Katafalks Hartschiere in ihrer Gala⸗Uniform die Ehrenwache. Königliche Pagen standen am Altar mit brennenden Fackeln. Kurz vor 11 Uhr erfolgte die Auf⸗ fahrt des Hofes. Anwesend waren der Prinz⸗Regent Luitpold, die Prinzen Ludwig, Leopold, Arnulf, Rupprecht, Herzog Ludwig, die Prinzessinnen Gisela, Arnulf, Adalbert, Maria de la Paz und There se.

Sachsen. Dresden, 13. Juni. (Dr. Journ.) Der König wird am 16. d. M. sich nach London begeben, um die Königin Victoria aus Anlaß Allerhöchstihres 50 jährigen Regierungs⸗Jubiläums persönlich zu beglückwünschen. Von London aus gedenkt der König einen Ausflug nach Schottland zu unternehmen und wird die Abwesenheit Sr. Majestät von hier sich auf mehrere Wochen erstrecken. Im Allerhöchsten Gefolge werden sich befinden: General⸗Adjutant, General⸗ Lieutenant von Carlowitz, Flügel⸗Adjutant, Oberst⸗Lieutenant Müller von Berneck und der Königliche Kammerherr Graf Vitztum von Eckstädt, Kaiserlich deutscher Legations⸗Sekretär.

Württemberg. Stuttgart, 13. Juni. (St.⸗A. f. W.) Gestern fand bei Ihren Maäjestäten Familiendiner staͤtt, an welchem die sämmtlichen Mitglieder der Königlichen Familie, sowie die zum Besuch hier anwesende Herzogin von Edinburg Theil nahmen und zu der auch der Kaiserlich russische Gesandte Baron Freedericks und der Königlich groß⸗ britannische Geschäftsträger Greene geladen waren. Heute hat die Herzogin von Edinburg Stuttgart wieder verlassen.

Baden. Baden⸗Baden, 13. Juni. (W. T. B.) Der Großherzog, Erbgroßherzog und die Erbgroß⸗ herzogin sind mit dem Kronprinzen und der Kron⸗ prinzessin von Schweden sowie deren Kindern zu längerem Aufenthalte heute Nachmittag hier eingetroffen. Ihre Majestät die Kaiserin empfing dies elben am Bahnhofe.

Hessen. Darmstadt, 13. Juni. (Darmst. Ztg.) Der Großfürst Sergius und die Großfürstin Elisabeth von Rußland sind gestern Nachmittag nach Paris abgereist, von wo über Calais die Weiterreise nach England erfolgen wird.

Mecklenburg⸗Schwerin. Schwerin, 13. Juni. (Meckl. Anz.) Wie telegraphisch aus Gonobitz vom 12. d. M. ge⸗ meldet wird, ist bei dem Herzog Paul Friedrich jetzt vollständige Reconval escenz eingetreten und werden ferner nur, wenn eine besondere Veranlassuͤng vorliegt, Berichte abgesandt werden

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 13. Juni. (Weim. Ztg.) Der Erbgroßherzog hat sich heute Nach⸗ mittag nach London begeben, wo Höchstderselbe im Auftrag und in Vertretung des Großherzogs der bevorstehenden Jubiläumsfeier der Königin Victoria beiwohnen wird.

Mecklenburg⸗Strelitz. Neustrelitz, 11. Juni. (Meckl. Anz.) Der Großherzog und die Großherzogin, der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin sind heute nach London abgereist.

Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Coburg, 11. Juni. (Goth. Ztg.) In der gestrigen Sitzung des gemeinschaftlichen Landtags wurde betreffs des Antrages der Regierung, die Umwandlung der Funktionszulage des gemein⸗ schaftlichen Bevollmächtigten beim Bundesrath in

kommission: Der gemeinschaftliche Landtag wolle sich damit ein⸗ verstanden erklären, daß die Herzogliche Staatsregierung einer von derselben und den übrigen genannten Regierungen zu treffenden Vereinbarung beitrete, wonach die dem stellvertreten⸗ den Bevollmächtigten von den Herzoglichen und Fürstlichen Regierungen gewährte Funktionszulage mit einem bestimmten Theilbetrage höchstens bis zu ½½ in pensionsfähiges Gehalt verwandelt werde, ohne Debatte angenommen. Ebenso auf Antrag der Finanzkommission der Gesetzentwurf, betreffend die Heranziehung von Militärpersonen zu den Gemeindeabgaben. Lippe. Detmold,

11. Juni. (Hann. Cour.) In

der gestrigen Sitzung des Landtages wurde, nach Ab⸗

stimmung über Vertagung der Berathung des Volksschul⸗ gesetzes, für welche sich kein Abgeordneter erhob, über die Vorlage, betreffend den Landes⸗Schulinspektor, abgestimmt. Dieselbe wurde fast einstimmig abgelehnt. Hiermit war die Tagesordnung erschöpft, und der Kabinets⸗Minister von Richt⸗

hofen erklärte den Landtag für vertagt.

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pensionsfähiges Gehalt betr., der Antrag der Finanz⸗

ODesterreich⸗Ungarn. Wien, 12. Juni. (Wi In Kroatien haben heute die Rerwahlels 1 1n) Landtag begonnen. Die Wahlbewegung ist allenthalben en sehr rege, da in den meisten Bezirken mehrere Kandidaten eme ander gegenüberstehen. 1 ein. (Pr.) Das Reichs⸗Gesetzblatt promulgirt das Geses betreffend die Ausgleichung des im Etat e Staatseisenbahn⸗Betriebes aus der Gebahrung n. Jahre 1881 bis 1885 erwachsenen Mehrerfordernisses” 13. Juni. (W. T. B.) Der auf der Dutchreise n Rom hier befindliche Graf Solms stattete der „Pol. Can⸗ zufolge gestern dem Minister des Auswärtigen, Gru Kälnoky, einen längeren Besuch ab; heute Mend spein Ersterer in Gesellschaft des hiesigen deutschen Botschafte Prinzen Reuß bei dem Grafen Kälnoky.

Großbritannien und Irland. London, (W. T. B.) In der gestrigen Sitzung des Oberhausen theilte der Sekretär für Indien, Croß, mit, der Vizekön von Indien, Lord Dufferin, habe am 2. d. telegraphirt, hätten jüngst keine Gefechte zwischen afghanischen Truppen und Ghilzais stattgefunden. Nach einen weiteren Bericht Lord Dufferin's vom 9. d. sei s Lage der Dinge nicht viel verändert. Hierauf wurd die Einzelberathung der irischen Landbill fr⸗ gesett und sämmtliche Artikel derselben mit einige Amendements angenommen. Das einzige wichtiger Amendement, welches mit Zustimmung der Regierung ge nehmigt wurde, ist die Streichung der Bestimmung, wel eine Revision und Reduktion des Pachtzinses gestattet. Das Unterhaus nahm mit 229 gegen 117 Stimmen der Artikel 5 der irischen Strafrechtsnovelle, wonaz das Gesetz nur in den Distrikten zur Anwendung gelangt, sit welche es vom Vizekönig proklamirt worden, mit einiggn Amendements an. *4

Nach dem offiziellen Programm finden an dem Tar⸗ der Jubiläumsfeier drei Auffahrten zur Vef⸗ minster⸗Abtei statt. In den zwei ersten besinden si die Königlichen und Fürstlichen Gäste. Der Auf⸗ zug der Königin und der Königlichen Familie bestett aus elf Galawagen. Im elften Wagen sitzen de Königin Victoria, die Kronprinzessin Victoric und die Prinzessin von Wales. Der Deutsc⸗ Kronprinz, der Prinz von Wales, die Herzöge von Connaught und Edinburg, Prinz Christian zu Schleswig-Holstein und der Großherzog von Hessen reiten vor dem Wagen der Königin, die übrigen englischen Prinzen, sowie Großfürst Sergius, die Prinzen Wil⸗ helm und Heinrich von Preußen, der Erbprinz von Sachsen⸗Meiningen und der Erbgroßherzog von Hessen hinter demselben.

Frankreich. Paris, 12. Juni. (Köln. Ztg.) Der Ministerrath hat, der „Corr. Havas“ zufolge, den Krieg⸗ Minister ermächtigt, verschiedene Militärnovellen auf der Tisch der Deputirtenkammer zu legen: die erste hat zum Zwet den dreijährigen Militärdienst noch vor Been⸗ digung der Militärvorlage auf administrativem Wea⸗ einzuführen; der General Ferron hat bereits den Generalftct angewiesen, die zur Durchführung dieser Bestimmung in nächsten Herbst nöthigen Maßregeln sofort zu ergreifen. Durch die zweite Novelle sollen fünf neue Kavallerie⸗Regimenter eins für Algerien und vier in Frankreich, errichtet werden Diese letzteren sollen mit der bereits vorhandenen Kürassier Brigade die 6. unabhängige Kavallerie⸗Division bilden. Dur das dritte Gesetz endlich wird die Z aͤhl der Compagnien in den Infanterie⸗Regimentern vermindert und hingegen deren Effektivbestand verstärkt.

Fribourg, einer der Direktoren des Ministeriums der Posten und Telegraphen, ist vorläufig zum General⸗Direkur des Post⸗ und Telegraphendienstes beim Finanz⸗Ministeriun ernannt worden.

13. Juni.

(W. T. B.) Die Deputirtenkammer wählte Develle mit 189 gegen 181 Stimmen zum Vize⸗ Präsidenten. Die radikale Linke und die äußerste Linte protestirten heftig gegen die Wahl Develle's, des Kandidate der Opportunisten und der Rechten, weil einige Stimmjette nicht, wie es die Geschäftsordnung vorschreibt, in einm Couvert verschlossen abgegeben worden waren. Die Kamme erklärte die Wahl indessen für gültig. Hierauf wurde e Berathung der Militärvorlage fortgesetzt.

Der Handels⸗Minister d'Autresme empfing heut⸗ mehrere Beamte seines Ressorts und erklärte denselben, es se unrichtig, daß die Regierung die Ausstellung zu ver⸗ schieben gedenke. 8

14. Juni. (W. T. B.) Wie die „Times“ erfähn hätte die Regierung beschlossen, demnächst eine garan tirte tonkinesische Anleihe behufs Deckung der durc die Ausgaben in Tongking entstandenen Budget⸗Defizite zu emittiren.

Italien. Rom, 13. Juni. (W. T. B.) Die Deputirter⸗ kammer nahm das Einnahmebudget in geheimer X. stimmung mit 130 gegen 89 Stimmen an.

TLerbien. Belgrad, 13. Juni. (W. T. B.) Dut⸗ einen heute erschienenen Königlichen Ukas wird e frühere Kabinet zur Disposition gestellt und das neu⸗ wie folgt zusammengesetzt: Ristic Präsidium und Aeußer⸗ Milojlovic Inneres, Wasiljevic Unterricht, Avakumovic Juftt Milosavlievic Volkswirthschaft, Wuic Finanzen und We. mirovic Bauten.

Zeitungsstimmen.

„Die „National⸗Zeitung“, welche mit den gestrige Beschlüssen des Reichstages nicht durchweg einverstanden in bemerkt darüber: 2

... Ueber alle Bedenken betreffs der Einzelheiten hinweg, weie⸗ man in den Kauf nehmen muß, weil das Volk eben den Reichkis⸗ so und nicht anders zusammengesetzt hat, bleibt entscheidend, was 24 oft hervorgehoben. Das Reich bedarf unbedingt einer breiteren ue. festeren finanziellen Basis, als es jetzt besitzt; die höhere Besteuerar⸗ des Branntweins ist das beste und ist ein absolut gerechtfertig⸗ Mittel zu diesem Zwecke; eine gewisse Rücksichtnahme auf die dar⸗ eine einzig dastehende Preissteigerung vermöge der Steuer und dar⸗ entsprechende Verbrauchsverminderung betroffenen Produzenten ist boten. Wenn dieselbe in höherem Maße, als wir für berechte erachten, geübt werden muß, so überlassen wir die Verantwortung *—, dem Lande dafür denen, welche, wie wir jüngst sagten, den Schlas, baum über den zur sinanziellen Festigung des Reiches führenden Te gelegt haben und ihre Bedingungen für das Aufziehen desselben stels

so weit, die ganze Ein⸗

nit Hrn. Migquel sind wir der Ansicht, daß an dem, von den n nt Hegtapantlen der Frage geleiteten Urtheil der Nation alle Foha gegen die Politiker abprallen werden, welche sich solchen merfreulichen Bedingungen um bedeutsamer Ziele willen fügen. Fast le groß Errungenschaften der nationalen Politik seit 1866 mußten 82 alt erlangt werden.

Die „Berliner Politischen Nachrichten“ melden: 8 8 G

Die namentlich aus den romanischen Ländern zunehmende Ein⸗ randerung nach den Vereinigten Staaten von Amerika ruft dort lenthalben lebhafte Besorgnisse hervor und bietet der amerikanischen Presse zur erneuten Erörterung der Frage Anlaß, ob nicht zur Be⸗ zzmpfung der hervortretenden Nothstände der fremden Einwanderung zoch größere Schranken gesetzt werden sollen. ““

Vor Kurzem“, so schreibt das „Cincinnati Volksblatt“ in einem Ztimmungsbericht über diese Frage, wurde von uns der Befürchtung Ausdruck gegeben, daß die mächtige Verstärkung der Einwanderung, iie in diesem Jahre bevorsteht, auch der fremdenfeindlichen, auf Be⸗ ttränkung und Unterdrückung der Einwanderung abzielenden Bewegung neue Stärke verleihen werde. Die Bestätigung dafür hat nicht lange ut sicch warten lassen. Die anglo⸗amerikanische Presse hat zh des Themas bemächtigt, und allenthalben ertönt das Verlangen, Schranken zu errichten gegen den Menschenstrom aus Europa, von dem die Vereinigten Staaten „bedroht“ sind. Gleichzeitig wird gemeldet, daß die „American Association“ ein der alten Knownothing⸗Partei nachgebildeter Geheimbund, bereits gegen 200 000 Mitglieder zählt, und die Zahl, noch „ehe wieder Schnee zäillt, auf eine Million zu bringen erwartet. Diese Vereinigung, der nur eingeborene Amerikaner als Mitglieder beitreten können, bezweckt richt bloß die Beschränkung der Einwanderung; zu ihrer Aufgabe ge⸗ zirt auch, den Eingewanderten die Erwerbung des amerikanischen Bürgerrechts in diesem Lande zu erschweren und von der Bekleidung Ffemtlicher Aemter sie auszuschließen. VVon den Zeitungen gehen einzelne . e wanderung als nur aus dem Auswurf der Menschheit sich rekrutirend darzustellen.“ 6 ö““ 8

Andere der englisch⸗amerikanischen Blätter sind in ihren Aeuße⸗ wungen gemäßigter und übersehen den Unterschied nicht, der zwischen der großen Masse braver, ehrlicher, fleißiger Einggewanderter, und der verbrecherischen, arbeitsscheuen kleinen Minderheit vorhanden ist. Aber auch diese Blätter versäumen es nicht, die Noth⸗ wendigkeit einer schärferen Ueberwachung und „Säuberung“ der Einwandererschaaren hervorzuheben. Da ist die „N⸗Y. Tribune“, welche ihren Lesern vorhält, daß die Zahl der Irsinnigen, Siechen und Arbeitsunfähigen, für welche in den

Frrenanstalten, Hospitälern und Armenhäusern New⸗Yorks auf öffent⸗ liche Kosten gesorgt werden muß, in den letzten Jahren außer allem Verhältniß zur Zunahme der Bevölkerung gestiegen ist, und daß diese

ne und rapide Zunahme „fast ausschließlich“ davon herrührt, daß zuropäische Länder ihre Paupers und Blödsinnigen hier heruͤberschicken. Da ist die „N.⸗Y. Times“, welche dagegen protestirt, daß „Tausende von Arbeitern hierher kommen, um nur ein paar Jahre hier für riedrigen Ldohn zu arbeiten und dann wieder nach Europa zurück⸗ zukehren“. „Wir brauchen schreibt die „Times“ diese Sorte Einwanderer nicht. Wir sind besser daran ohne sie. Sie brauchen für ihre Nabhrung nicht viel mehr als Abfälle (garbage); ihre nungen sind Schmutzlöcher und Brutstätten von Krankheiten; Konkurrenz kann nur dazu beitragen, die einheimischen Arbeiter

zu erniedrigen. Die Frage heißt es dann in dem Artikel der „Times“ weiter ist eine praktische und sollte nicht durch sentimentale Erwägungen rerdunkelt werden. So lange „die Bedrückten aller Nationen“ ge⸗ sunden Geistes und gesunden Körpers herüberkamen in der Absicht, bier anständig zu leben und ihren Lebensunterhalt zu erwerben, hier Bürger zu werden und unsere freien Institutionen aufrecht zu erhalten, und so lange als hier Platz für sie war und ein Bedarf für sie auf unserem jungfräulichen Boden und in unseren Werkstätten so lange sind sie willkommen gewesen.“

In der „Magdeburgischen Zeitung“ lesen wir: ie Ergebnisse der deutschen Handelsstatistik für 1886, welche liegen, regen zu einer Vergleichung mit den Resultaten des

zuswärtigen Waarenverkehrs der hervorragendsten anderen europäi⸗ schen Länder an. Im deutschen Zollgebiet ist die Waareneinfuhr von 2944 Mill. Mark im Jahre 1885 auf 2888 Mill. Mark in 1886 oder um nahezu 2 % gesunken. Ungefähr die gleiche Verminderung kat die Einfuhr in Oesterreich⸗Ungarn erfahren, wo sie 1886 547 Mill. Fl. gegen 758 Mill. im Vorjahre, also ebenfalls etwa 2 % weniger betrug. In England ist der Rück⸗ gang des Imports noch viel bedeutender gewesen, denn derselbe verminderte sich von 370 Mill Pfd. Sterl. im Jahre 1885 auf 349 Mill. im Jahre 1886, mithin um 5,7 %. Nur in Frankreich hat sich die Einfuhr im letzten Jahre gesteigert, denn während sie sich 1885 auf 4088 Mill. Francs stellte, wird sie für 1886 auf 4234 Mill. oder 3,6 % mehr berechnet. Den Haupt⸗ vosten in dieser Zunahme bildet indessen Wein, von dem in Folge der Verheerungen durch die Phylloxera 1885 bereits für 388 Mill. Francs, 1886 aber sogar für 516 Mill. importirt wurde. Wie bei der Waareneinfuhr überwiegend eine Verminderung eingetreten, ist umgekehrt bei der Waarenausfuhr fast überall eine Vermehrung ir konstatiren. Voran steht hierbei Oesterreich⸗Ungarn, dessen Ausfuhr für 1886 auf 723 Mill. Fl. gegen 672 Mill. im Vor⸗ jahre, also um 7,5 % höher berechnet worden ist. Frankreich weist eimne Zunahme des Exports um 6,9 % auf, da sich derselbe von 3088 Mill. Francs in 1885 auf 3300 Mill. im Jahre 1886 gehoben hat. un dritter Stelle steht Deutschland, dessen Ausfuhr 1886 2985 Mill. Mark gegen 2860 Mill. im Jahre 1885, also um 4,3 % mehr betrug. Nur England hat auch bei der Ausfuhr ein Sinken, und zwar von 213,1 Mill. Pfund Sterl. auf 212,4 Mill oder um ca. 3 % zu verzeichnen. Im Allgemeinen hat eben fast überall das Jahr 1885 und das erste Drittel des Jahres 1886 für die europäischen Industriestaaten den tiefsten Stand der Verkehrsstockung bezeichnet, welcher im übrigen Theil des lesten Jahres fast ebenso gleichmäßig eine Belebung des Geschäfts, zum Theil mit steigenden Preisen, gefolgt ist. England, welches im Gesammtresultat eine Ausnahme macht, zeigt doch bei dem wichtig⸗ sten Zweige seines Exports, bei den Fabrikaten der Textilindustrie, wenfalls eine erhebliche Steigerung. Daneben sind in mannigfacher hinsicht die Aenderungen der Zollgesetzgebung von Einfluß auf die Gestaltung des auswärtigen Waarenverkehrs gewesen. So t die Verminderung der Waareneinfuhr in das deutsche Zollgebiet zu erheblichem Theile auf den Umstand zurückzuführen, daß im vorhergehenden Jahre in 18 der Zollnovelle von 1885 von vielen wichtigen Artikeln sehr beträcht⸗ liche Mengen mehr als sonst üblich bezogen worden sind, welche naturgemäß im folgenden Jahre durch einen Ausfall Fetfelschen worden sind. Bei der Ausfuhr hat umgekehrt die von umfangreichen Erhöhungen begleitete Revision des Zolltarifz Rumäniens zunächst jeitweilig steigernd auf den Export Desterreichs und Deutschlands nach diesem Lande eingewirkt. Unter dem Zusammenwirken aller dieser Faktoren hebt sich aber doch auch aus den Resultaten der stati⸗ stischen Ermittelungen vor Allem der enge Zusammenyang hervor, in welchem bei dem heutigen Stande der Weeltwirthschaft alle hervor⸗ felvfn Kulturländer stehen, gleichviel welchem zollpolitischen System ne igen. Der HervFgleleh⸗ Staats⸗Anzeiger“ schreibt: Wer die Polemik der radikalen Presse gegen unsere Steuerreform⸗ volitik aufmerksam verfolgt, wird bemerken, mit welcher Hartnäckigkeit bin Schlagwort von einer angeblichen Steuerbewilligung „ins Blaue inein“, d. h. über den im Augenblick vorliegenden Bedarf hinaus, wiederkehrt, und welche Summe von Angst und Erbitterung sich strade auf diesen Punkt konzentrirt. Auch liegt der Grund ür diese Empfindungen und für die verzweifelten Anstrengungen, mit denen die freisinnige Partei ihren Kampf auf diesem

Gebiete führt, auf der Hand. Gelingt es uns nämlich, Mittel

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genng, ohne thatsächliche Bedrückung des Volkes, flüssig zu machen, um auf allen Punkten energische Reformen durchzuführen, die Kom⸗ munen zu erleichtern, die Schule zu heben und sicherzustellen, und namentlich das Loos des Arbeiters zu bessern und ihn Dankbarkeit egen den Staat zu lehren, dann ist es mit der Herrschaft der radi⸗ kalen Parteien auf absehbare Zeit ohne Gnade vorbei. Das gilt auch von der Sozialdemokratie gerade so, wie von der freisinnigen Partei und der Demokratie im Centrumslager. Daß die Sozialdemokratie bei uns schon jetzt in einer rückläufigen Bewegung begriffen, mindestens bei einer Krisis angelangt ist, kann nicht verkannt werden; die von der Regierung seit einem Jahre gegen sie geführten zugleich energischen und zielbewußten Schläge sind nicht ohne Wirkung geblieben. Gelingt es uns also jetzt, mit zwei oder drei Reformmaßregeln großen Stils, wie der allgemeinen Durchführung der Arbeiter⸗Alters⸗ versorgung und einigen anderen, auf die wir in der nächsten Zeit zu sprechen kommen werden, einen energischen Schritt in der Bethätigung der Fürsorge des Staats für den Arbeiter nach vorwärts zu machen und dem letzteren so die Binde von den Augen zu lösen, dann wird die Rolle jener Volksbethörer ausgespielt sein. Darum haben die ehrlich volksfreundlichen Parteien auch nie mehr Anlaß gehabt, als gerade jetzt, fest zusammenzustehen und das gemeinsame Werk nicht durch kleine Bedenken und den Eigensinn vorgefaßter Meinungen zu gefährden.

Landtags⸗Angelegenheiten.

Kreuzburg, 13. Juni. (W. T. B.) Bei der heute stattgehabten Ersatzwahl eines Landtags⸗Abgeordneten für den 1. Wahlbezirk des Regierungsbezirks Oppeln sind insgesammt 298 Stimmen ab⸗ gegeben worden. Davon erhielt Graf d'Haussonville kkonservativ⸗ klerikal) 181, von Cramm zu Roschkowitz (konservativ) 116 Stimmen. Ersterer ist somit gewählt.

Statistische Nachrichten.

Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund⸗ heitsamts sind in der Zeit vom 29. Mai bis 4. Juni cr. von je 1000 Bewohnern, auf den Jahresdurchschnitt berechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin 20,3, in Breslau 28,9, in Königsberg 30,3, in Köln 24,3, in Frankfurt a. M. 22,7, in Wiesbaden 29,1, in Hannover 14,7, in Kassel 18,1, in Magdeburg 22,2, in Stettin 24,5, in Altona 17,6, in Straßburg 20,0, in Metz 11,5, in München 38,2, in Nürnberg 29,1, in Augsburg 31,7, in Dresden 20,7, in Leipzig 26,4, in Stuttgart 17,4, in Karlsruhe 26,5, in Braunschweig 17,7, in Hamburg 21,7, in Wien 29,7, in Pest 28,1, in Prag 31,1, in Triest 25,0, in Krakau 46,3, in Basel —, in Brüssel 26,1, in Amsterdam 20,7, in Paris 24,5, in London 17,9, in Glasgow 20,4, in Liverpool 22,6, in Dublin 21,4, in Edinburg 20,0, in Kopenhagen 23,7, in Stockholm 24,0, in Christiania 19,0, in St. Petersburg 28,2, in Warschau 22,1, in Odessa 21,9, in Rom 27,9, in Turin 33,6, in Venedig 21,2, in Alerandria 34,5. Ferner in der Zeit vom 8. bis 14. Mai cr.: in New⸗York 27,3, in Philadelphia 24,6, in Baltimore 14,6, in Kalkutta 29,8, in Bombay 22,9, in Madras 30,1. 88

Die Sterblichkeit blieb auch in dieser Berichtswoche in den meisten Großstädten Europas eine günstige, wenn auch aus den meisten der⸗ selben etwas größere Sterblichkeitsziffern gemeldet wurden als aus der vorhergegangenen Woche. Gering war die Sterblichkeit in Metz (11,5), Hannover, Stuttgart, Halle, Altona, Braunschweig, Erfurt, Kassel, Bremen, London, Christiania (noch nicht 20,0 pro Mille und Jahr). Günstig war auch die Sterblichkeit in Berlin, Dresden, Bar⸗ men, Kiel, Magdeburg, Straßburg, Mainz, Glasgow, Edinburg; hohe Sterblichkeitsziffern (über 30,0 pro Mille und Jahr) wer⸗ den von den deutschen Städten aus München, Augs⸗ burg, Königsberg, M.⸗Gladbach, Chemnitz gemeldet. Ziemlich allgemein haben Sterbefälle an akuten Entzündungen der Athmungsorgane und Katarrhe der Luftwege abgenommen, obwohl die Zahl der durch sie hervorgerufenen Sterbefälle in Berlin, Bremen, Dresden, Frankfurt a. M., Krefeld, Leipzig, München, Nürnberg u. a. noch immer eine größere blieb. Dagegen haben Darmkatarrhe und Brechdurchfälle der Kinder mehrfach eine zum Theil bedeutendere Steigerung der Sterbefälle aufzu⸗ weisen, besonders in Berlin, Hamburg, Breslau, Königsberg, Barmen, Chemnitz, Wien, St. Petersburg u. a. Die Theil⸗ nahme des Säuglingsalters an der Sterblichkeit war im Allgemeinen eine etwas gesteigerte. Von 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, in Berlin 65, in München 143 Säuglinge. Von den Infektionskrankheiten riefen Masern, Scharlach, typhöse

ieber etwas mehr, Diphtherie, Keuchhusten und Pocken weniger Sterbefälle hervor als in der vorhergegangenen Woche. Masern herrschten in München, Magdeburg, Cbemnitz, Brüssel, Wien (und Vororten), Paris, Liverpool in größerer Ausdehnung, wiewohl in München die Zahl der Sterbefälle etwas kleiner als in der Vor⸗ woche war (39 gegen 51); auch in Köln, Amsterdam, Stockholm. Dublin und St. Petersburg nahm die Zahl der Maserntodesfälle ab; dagegen wurden neue Erkrankungen aus Breslau, aus den Regierungsbezirken Aachen, Düsseldorf, Schleswig, sowie aus Pest, Stockholm u. a. noch zahlreich gemeldet. Das Scharlachfieber hat in Danzig, Prag und Graz mehr Ver⸗ breitung gefunden, in Wien sank die Zahl der Sterbefälle. Neue Erkrankungen wurden aus Hamburg, Stockholm, Christiania in größerer Zahl berichtet. Die Sterblichkeit an Diph therie und Croup war in Berlin, Leipzig, Wien die gleiche wie in der Vor⸗ woche; in Hamburg, Prag, Paris, London, St. Petersburg, Frank⸗ furt a. M., Hannover, Magdeburg, Königsberg sank die Zahl der Todesfälle, während sie in Breslau, München, Stettin, Chemnitz, Danzig, Straßburg, Nürnberg, Kopenhagen etwas größer wurde. Auch neue Erkrankungen an Diphtherie wurden aus Berlin, Hamburg, Nürnberg, St. Peterzburg und dem Regierungs⸗ bezirk Schleswig in gesteigerter Zahl gemeldet, während sie in Breslau, Kopenhagen und Christiania etwas seltener wurden. Todesfälle an Unterleibstyphus waren nur in Paris etwas gesteigert, in St. Petersburg vermindert. Erkrankungen haben aber in Berlin, Hamburg, St. Petersburg ein wenig zugenommen. An⸗ Flecktyphus kamen aus Danzig 2, aus Krakau und Prag je 1 Todesfall, aus dem Regierungsbezirk Marienwerder 1 Erkrankung zur Berichterstattung. Aus St. Petersburg kam 1 Todesfall an Rückfallsfieber, aus Prag 1 an epidemischer Genickstarre zur Mittheilung. Rosenartige Entzündungen des Zellen⸗ gewebes der Haut haben in Berlin erheblich abgenommen, in Kopenhagen zeigten sie sich noch häufig. Auch der Keuch⸗ husten forderte in Berlin, London, Liverpool, Edinburg noch viel Opfer; sehr groß war auch in Kopenhagen die Zahl der gemeldeten neuen Erkrankungen. Sterbefälle an Pocken kamen aus der Stadt Königsberg 1, aus Lemberg, Pest, Prag, Triest mehrfache, aus St. Petersburg und Rom je 7, aäus Warschau 8, aus Paris 13 zur Mittheilung, Erkrankungen aus Berlin, Breslau, London je l, aus Pest 18, aus St. Petersburg 20.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Die Vorschriften über das Etats⸗ und Kassen⸗ wesen bei den Gerichtsbehörden. Für den Gebrauch der Gerichtsbehörden und Gerichtsverwaltungs⸗Beamten zusammengestellt und mit einem Kommentar versehen. Trier. Verlag der Fr. Lintz⸗ schen Buchhandlung. 1887. Preis kart. 2 40 ₰. In vor⸗ stehender Schrift sind die das Etats⸗ und Kassenwesen bei den Ge⸗ richtsbehörden betreffenden Verfügungen und Vorschriften mit Sorg⸗ falt und Genauigkeit zusammengestellt und im Wortlaut mitgetheilt; es bringt dieselbe: I. die Instruktion des Justiz⸗Ministers für die Verwaltung der Etatsfonds bei den Justizbehörden, vom 3. März 1885 (mit 4 Anlagen); II. die Instruktion für die Verwaltung der Kassen bei den Justizbehörden (mit 5 Anlagen); III. die allgemeine Verfügung des Justiz⸗Ministert, betreffe d di Dienst⸗ nd Geschäfts⸗

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verhältnisse der Rechnungsrevisoren; IV. das Kanzlei⸗Reglement. Die Anlagen enthalten außerdem noch mehrere Verfügungen und Vor⸗ schriften des Justiz⸗Ministers, des Ministers des Innern und der Ober⸗Rechnungskammer. Da, wo es nöthig schien, sind die ver⸗ schiedenen Vorschriften mit einem Kommentar in Anmerkungen ver⸗ sehen. Die Brauchbarkeit des Buches wird durch ein beigefügtes genaues Sachregister noch erhöht. Es dürfte daher das vorstehende Buch den bezüglichen Beamten wohl willkommen sein.

Dem Jahresbericht des Germanischen National⸗ Museums in Nürnberg für 1886 zufolge hat sich das Berichts⸗ jahr für die Entwickelung der Anstalt zu einem der wichtigsten ge⸗ staltet und wesentlich dazu beigetragen, einerseits ihre Bedeutung zu erhöhen, andererseits die allseitige Anerkennung zu mehren, welche sie bisher stets gefunden hat. Se. Königliche Hoheit, der Prinz Luitpold von Bayern, des Königreichs Bayern Verweser, hatte die Gnade, bei einem Besuch in Nürnberg den versammelten Verwaltungs⸗ ausschuß zu empfangen und die von dem 1. Direktor Namens desselben vorgetragene Bitte um Uebernahme des Protektorats sofort durch huldvolle Zusage zu erfüllen. Was die Bauten des Museums betrifft, so war, wie im vorletzten Jahresbericht erwähnt, der auf Kosten des Deutschen Reichs zu erbauende Hauptflügel des südlichen Theils des Gebäudekomplexes im Jahre 1885 im Rohbau fertig geworden. Im Berichtsjahre 1886 ist derselbe nunmehr soweit in der übrigen Herstellung vollendet worden, daß das Hauptgeschoß, ein großer, zweischiffiger gewölbter Saal für die Sammlungen, in Benutzung und dem Publikum übergeben werden konnte. Das darüber liegende Geschoß, welches eine Reihe vollständiger Zimmertäfelungen und Decken aufnehmen soll, war soweit vor⸗ geschritten, daß an der Aufstellung gearbeitet werden konnte. Eine, früher im Saale des Freiherrlich von Bibra'schen Hauses in Nürn⸗ berg befindlich gewesene sehr schöne Wand⸗ und Deckentäfelung aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts war bereits fertig angebracht. Fast alle Abtheilungen des Museums haben im Berichtsjahre wichtige Vermehrungen erfahren; zum Theil waren dieselben von hervorragendster Bedeutung. So ist die Sammlung der römischen Denkmäler durch einige kostbare Glasgefäße und einen bronzenen Helm bereichert worden; die Samm⸗ lung der germanischen Alterthümer erhielt Zuwachs durch werthvolle Waffen und Schmuckstücke, die Sammlung der kirchlichen Geräthe einige bemalte Reliquienkästchen aus dem 14. und 15. Jahrhundert, eine Anzahl schöner Plättchen von rheinischem Email aus dem 11. bis 13 Jahrhundert, eine Monstranz aus dem 14. bis 15. Jahr⸗ hundert und ein aus einem Bergkrystallring mit vertiefter Inschrift des 11. Jahrhunderts im 14. Jahrhundert hergestelltes Reliquiar, ein Seitenstück zu dem bekannten ähnlichen Werk in der Kaiserlichen Hofburgkapelle zu Wien. Die Sammlung der Hausgeräthe wurde vermehrt durch zwei größere Schränke aus dem 16. und einem solchen aus dem 17. Jahrhundert, von denen die beiden ersteren aus Nord⸗ westdeutschland und Holstein, der letztere aus Danzig stammt. Zu der Waffensammlung kamen ein hübsches Pulverhorn mit eingelegter Arbeit und ein prächtiges, in Eisen geschnittenes Doppelgewehrschloß (beide aus dem 17. Jahrhundert) hinzu. Für die Sammlung der Textil⸗Arbeiten wurde eine Reihe höchst merkwürdiger Gewebe aus der Zeit des 4. bis 8. Jahrhunderts erworben. Diese Gewebe, welche theils ornamentale, theils figürliche Darstellungen zeigen, füͤllen eine bis dahin schmerzlich empfundene Lücke in der Sammlung aus. Die Gemälde⸗Galerie wurde durch Ankäufe und Geschenke mit hervorragenden Werken des 15. und 16. Jahrhunderts, die Münzsammlung mit einer Anzahl höchst seltener karolingischer Münzen sowie brandenburgisch⸗preußischer Thaler bereichert. Das großartigste Geschenk aber hatte im Berichtsjahre die Bibliothek des Museums zu verzeichnen. Ein eifriger Freund und opferwilliger Ver⸗ ehrer der Anstalt hat nämlich aus einer Nachlaßmasse eine werthvolle Büchersammlung für den Betrag von 40 000 erworben und dem Museum zum Geschenk gemacht. Wie bedeutend und um⸗ fangreich diese Schenkung ist, geht daraus hervor, daß sie 63 große Kisten mit einem Gesammtgewicht von fast 200 Centnern umfaßte. Nach der Einreihung und Katalogisirung dieser Sammlung wird die Bibliothek des Museums einen Umfang von 110 000 bis 120 000 Bänden haben. Die Skulpturen⸗Abtheilung erhielt ein schönes Originalwerk in den Bruchstücken einer aus Engeln zusammengestellten Umrahmung. In der Sammlung der Abgüsse fallen besonders die von der Stadtgemeinde Augsburg gestifteten Abformungen älterer Augsburger Werke in die Augen, eine Anzahl Grabdenkmale sowie sonstige Skulpturen aus der Zeit vom 11. bis 17. Jahrhundert. Auch die Abgüsse der Hildesheimer Denk⸗ mäler sind vermehrt worden, und zwar durch einen solchen der Hildes heimer „Jungfrau“, einer das Stadtwappen haltenden Frauenfigur vom Jahre 1518, welchen die Stadtvertretung gestiftet hat. Das im Jahre 1885 abgeformte Grabmal des Erzbischofs und Kurfürsten von Mainz, Uriel von Gemmingen, ist im Berichtsjahr zur Aufstellung gelangt. Die Berliner Pflegschaft hat das Grabmal des Kurfürsten Johann Cicero im hiesigen Dome abformen lassen und einen Abguß davon gestiftet. Der „Anzeiger“ des Museums, welcher in vorzüglicher Ausstattung mit vielen Illustrationen monatlich ausgegeben wird, erfreut sich des allgemeinen Interesses der Kunst⸗ und Alterthums⸗ Freunde. 1

Gewerbe und Handel.

Ueber den rheinisch⸗westfälischen Metallmarkt be⸗ richtet die „Rhein.⸗Westf. Ztg.“: Die allgemeine Lage des rheinisch westfälischen Eisengeschäfts läßt sich, was die letzte Woche anbelangt, mit einem Worte kaum präzisiren, denn während einige Artikel sich fest auf ihren Preisen behaupten konnten und hier und da die Nach⸗ frage sich belebt hat, sind andere, man möchte sagen offiziell, zurück⸗ gegangen. Die Einzelberichte geben indessen im Allgemeinen einer etwas zuversichtlicheren Stimmung Ausdruck. In Eisenerzen ist nur wenig Neues zu berichten, immerhin hat sich der Preis von Spateisenstein im Verlauf von 14 Tagen etwas gefestigt und es sind nicht viele Vorräthe in dieser Eisensorte vorhanden. Was Roh⸗ eisen anbelangt, so hat zunächst Puddel⸗Roheisen in den rheinisch⸗westfälischen Bezirken einen nicht unbedeuten⸗ den Preisrückgang erfahren, indem die rheinisch westfälische Roheisenvereinigung sich durch das Vorgehen der Siegerländer Hoch⸗ ofenwerke gezwungen sah, den Preis für Qualitätspuddeleisen bedeu⸗ tend zu ermäßigen. Während sich bisher der Preis für rheinisch⸗ westfälisches Puddelroheisen trotz der stetigen Preisrückgänge im Sieger⸗ lande auf 48 annähernd fest behaupten ließ, so ist derselbe gegen⸗ wärtig auf 43 ½ herabgesetzt worden. Bei diesem Preise ist jeden⸗ falls. wenn man den festen Stand der Preise der Rohmaterialien be⸗ rücksichtigt, die unterste Grenze erreicht worden, und es hat sich diese Ueberzeugung auch bereits innerhalb der Vereinigung geltend gemacht. Es sind in Folge dessen in den letzten Tagen nicht unerhebliche Ab⸗ schlüsse für das dritte Quartal gethätigt worden; für die anderen Roheisensorten ist die Geschäftslage insofern eine bedeutend günstigere zu nennen, als die Preise hier nur um 1. ermäßigt worden sind Thomaseisen wird gegenwärtig für 41 —42 ver⸗ kauft. Für Gießereiroheisen Nr. 1 wird 54 —95 bezahlt: Nr. 2 51 ℳ; Nr. 3 48 49 Für sämmtliche Rob⸗ eisensorten ist augenblicklich genügende Nachfrage vorhanden und man schließt darans, daß auch für Puddelroheisen der Markt allmählich besser werden dürfte. Im Stabeisengeschäft ist so ziemlich alles beim Alten geblieben. Die Walzwerke sind meist befriedigend beschäftigt, und da die Vorräthe in zweiter Fünd sich allmäblich zu vermindern scheinen, so legen auch die Zwischenhändler die Konventiond⸗ preise williger an, zumal das Zustandekommen einer gemeinsamen Verkaufsstelle Aussicht auf Realisirung hat und dann jedenfalls ein höherer Grundpreis als der jetzige zu erwarten ist. Wie verlautet, soll in diesen Tagen eine neue Konferenz zwischen den Vertretern der oberschlesischen und rheinisch⸗westfälischen Walzwerke stattfinden, worin das Zustandekommen einer Vereinigung als sicher angenommen wird. Ueber Kesselbleche läßt sich nichts Neues berichten, doch ist die

e im Agemeinen bei fest behaupteten Preisen eine geworden und ist ebenso wie Beschäͤftigung augen⸗