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nach Gallabad, um gegen den mächtigen Makada⸗Stamm zu 8 kämpfen, und der dritte beobachtet die Stämme, welche Kassala bedrohen. Alle Stämme des Südostens wünschen, wie es heißt,
das Joch der Derwische abzuschütteln.
Zeitungsstimmen. Die „National⸗Zeitung“ äußert:
Die Reform der Zuckersteuer, wie sie am Donnerstag in der zweiten Lesung thatsächlich entschieden worden, bedeutet einen noch er⸗ heblicheren Schritt zu dem Ziele der reinen Verbrauchsabgabe, als nach dem Regierungsentwurf erwartet werden konnte. Die Bedenken, welche betreffs des dem letztern zu Grunde gelegten Ausbeute⸗ verhältnisses gehegt wurden, sind zwar durch die Beschlüsse des Reichstages noch einigermaßen verstärkt; aber es darf als eine reich⸗ liche Kompensation hierfür betrachtet werden, daß der Antheil der
Materialsteuer an der gesammten Besteuerung des Zuckers verringert, derjenige der Verbrauchsabgabe vergrößert worden ist. Während der Entwurf 1 ℳ Rüben⸗ und 10 ℳ Verbrauchssteuer vor⸗ schlug, wird die erstere Steuer auf 0,80 ℳ, die andere auf 12 ℳ normirt werden Man darf für einen um so viel näheren Zeitpunkt auf die vollständige Ersetzung der Material⸗ durch die Verbrauchssteuer hoffen. Vorläufig aber ist unter den Ergebnissen der Reichs tagssession die Wiederherstellung der Einnahme aus der Zuckerbesteuerung und die Herabsetzung der Zucker⸗Ausfuhrprämien auf die Hälfte des bisherigen Betrags zu verzeichnen. Es ist charakte⸗ ristisch für die ganze deutsch⸗freisinnige Art Politik zu treiben, daß die letztere Thatsache in den Reden von jener Seite völlig ignorirt, ja die Beschlüsse so dargestellt wurden, daß mit den Verhält⸗ nissen minder bekannte Leser der Berichte im Lande leicht glauben könnten, man führe jetzt neue Zuckerprämien ein. Hr. von Bennigsen hat bei der zweiten Lesung diese Taktik und den Leichtsinn, unter ebenso zuversichtlichen wie haltlosen Be⸗ hauptungen den sofortigen Verzicht auf jede Ausfuhrprämie zu verlangen, mit überlegener Sachkenntniß zurückgewiesen. Wenn man sich überhaupt unter unseren deutschen Zuständen eine forschritt⸗ liche Regierung vorzustellen vermöchte, so könnte man mit voller Be⸗ stimmtheit behaupten, daß eine solche genau so wenig, wie die jetzige und wie die Reichstagsmehrheit mit einem Schlage die Prämien ab⸗ schaffen und dadurch die deutsche Zuckerproduktion vom Weltmarkt ausschließen würde. Nur in der unverantwortlichen Stellung einer Fraktion von 31 Mitgliedern kann man sich solche Forderungen ge⸗ statten. Das deutsche Beispiel einer starken Ermäßigung der Prä⸗ mien wird, wie man hoffen darf, auf andere Länder in der nämlichen Richtung wirken, und so wird man allmählich und ohne Gefährdung der deutschen Interessen zur vollständigen Beseitigung der Prämien gelangen.
— Die Münchener „Allgemeine Zeitung“ führt aus:
In der letzten Zeit ist gegen die Reichssteuerreform, wie sie von den verbündeten Regierungen und der gegenwärtigen Mehrheit des Reichstages betrieben wird, wieder vielfach der Vorwurf erhoben worden, daß ihr in Wirklichkeit bles eine höchst verwerfliche Plus⸗ macherei zu Grunde liege, von einer organischen Reform gar nicht die Rede sein könne, und die ganze herrschende Auffassung eine rein mechanische sei. Indessen läßt sich doch nicht bestreiten, daß die beiden großen Steuergesetze unzweifelhaft organische Reformen ent⸗ halten; ganz offenbar ist das bei der Zuckersteuer, welche von dem System der Materialbesteuerung durch ein Uebergangsstadium hin⸗ durch, in dem die Materialsteuer noch neben einer Konsumabgabe auf⸗ tritt, zum System der reinen Fabrikatsteuer übergeleitet werden soll. Aber abgesehen hiervon, sollen durch die Vermehrung der Reichs⸗ einnahmen nicht nur die Mittel für bereits vorhandene und in ab⸗ sehbarer Zeit noch hinzutretende Bedürfnisse des Reichs beschafft, son⸗ dern es soll auch den Einzelstaaten durch größere Herauszahlungen des Reichs Luft für Entlastung ihrer Steuerzahler und Aenderungen ihrer Steuersysteme gemacht werden, über deren Dringlichkeit sich schon längst, namentlich was Preußen betrifft, eine sehr weitgehende Uebereinstimmung der Meinungen der größeren Parteigruppen heraus⸗ gebildet hat. Das sind Reformen, für welche die Hebung der Finanz⸗ kraft des mit den besten Steuerquellen ausgerüsteten Reichs die noth⸗ wendige Voraussetzung bildet. Eine wirklich mechanische Auffassung bekundet sich dagegen in dem freisinnigen Standpunkte, von dem aus Mehreinnahmen für das Reich nur bewilligt werden dürfen, wenn gleich⸗ zeitig an anderer Stelle im Reiche selbst Entlastungen, d. h. Ver⸗ minderungen der Reichseinnahmen, eintreten. Nach diesem Schema ist nicht zum ersten Male bei dem Antrag der Abgg. Rickert und Ge⸗ nossen auf Aufhebung des Kaffeezolles verfahren worden. Vor zwei Jahren, als das Börfensteuergesetz berathen wurde, verlangte man von derselben Seite die gleichzeitige Aufhebung des Petroleumzolles und der Salzsteuer. Jetzt ist man zur Abwechselung auf den Kaffeezoll verfallen. Mag auch die Absicht, den ärmeren Klassen den Kaffee⸗ genuß zu verbilligen, vollkommen aufrichtig gemeint sein, so ist doch die Wirkung der Aufhebung des Zolles auf den Preis, der gerade bei diesem seit der Errichtung von Terminbörsen in Havre und New⸗York immer mehr zum Börsenartikel gewordenen Genußmittel den größten Schwankungen unterliegt, eine so geringe und für den Kleinverkehr ungewisse, daß sie die Nachtheile eines Verlustes der Reichskasse von 47 Millionen Mark nicht aufzuheben vermag.
— Die „Staatsbürger⸗Zeitung“ schreibt: Der Reichskanzler hat es seit 1875 wiederholt in Reden und Denkschriften als eine der wichtigsten Aufgaben bezeichnet, die Bedürf⸗ nisse des Reichs fast vollständig oder ganz aus dem Ertrage der Reichssteuern zu befriedigen, also die Matrikularbeiträge zu ermäßigen oder ganz zu beseitigen. Auch ist von Seiten der kleineren Bundes⸗ taaten zu verschiedenen Malen der Versuch gemacht worden, durch Anträge auf Einführung neuer oder Erhöhung bestehender Reichssteuern auf eine Herabminderung der von ihnen als drückende Last empfundenen Matrikularbeiträge hinzuwirken. Die Matrikularbeiträge haben aber jetzt eine Höhe erreicht, daß einzelne Bundesstaaten Gefahr laufen, den an gestellten Anforderungen nicht mehr entsprechen zu können, ohne elber in Finanzverlegenheiten zu gerathen oder die Bevölkerung mit merträglichen Steuern zu belasten, zumal die Beiträge mit jedem Jahre, in diesem Jahre allein um circa 47 Millionen Mark mehr als in dem verflossenen Etatsjahre, zunehmen. Für Preußen allein von circa 71 Millionen auf 100 Millionen Mark. Nicht nur darum st eine weitere Erhöbung der Matrikularbeiträge ganz unmöglich, ondern auch in ihrer jetzigen Höhe sind die nach den Köpfen der Bevölkerung, ohne jede Rücksicht auf die wirthschaftlichen und finanziellen Kräfte der einzelnen Bundesstaaten erhobenen Matrikular⸗ beiträge auf die Dauer unhaltbar
Es bedarf keines Beweises, daß die Matrikularbeiträge als Kopf⸗
steuer die armen Staaten doppelt bedrücken, während sie die zahlungs⸗ fähigen in demselben Verhältniß weniger belasten. Offenbar kann eine so reiche Bevölkerung wie die Hamburgs und Bremens viel leichter die Steuer von einem Thaler auf den Kopf vertragen, als die arme des Thüringer Waldes oder Waldecks. Waren schon bisher
n Kleinstaaten die Matrikularbeiträge eine schwere Last, so muß
die Unmöglichkeit, sie zu tragen, eintreten, sobald eine namhafte Erhöhung derselben eintritt. Gerade deshalb haben auch die Klein⸗ staaten schon wiederholt auf die aus dem System der Matrikular⸗ umlagen entspringenden Uebelstände hingewiesen, und zur Erwägung einer möglichsten Abhülfe aufgefordert. Die Umwandelung der
Matrikularbeiträge ist gewissermaßen eine Bedingung für die Fort⸗ dauer und die Existenz der Einzelstaaten. Bei dem fortwährenden Wachsen der Matrikularumlagen muß nothwendig ein Zustand eintreten, wo viele deutsche Staaten nicht mehr mit können.
Man sieht also, daß die Föderalisten gern für die Beibehaltung der Matrikularumlagen in die Schranken treten. Es hat auch gar nicht in der Absicht der gesetzgebenden Körperschaften des Reichs ge⸗ legen, die Matrikularumlagen für immer’beizubehalten, sie sind viel⸗ mehr als Erbstück des alten Bundes nur als Nothbehelf für den
Moment in die Verfassung übernommen worden. Nur so erklärt es sich, daß der konstituirende Reichstag den von den Einnahmen des Bundes handelnden Artikel 70 durch den Zusatz amendirte, daß nur, „so lange Reichssteuern nicht existiren“, auf Matrikularbeiträge rekur⸗ rirt werden solle. Der Reichstag erkannte damals klar, daß derartige Umlagen den Bund quasi von dem guten Willen der Einzelstaaten abhängig machen, ein Umstand, der keineswegs dadurch beseitigt wird, daß die deutschen Staaten durch Annahme der Bundesverfassung zur Leistung dieser Beiträge verpflichtet sind...
Endlich müssen wir noch gegen die Matrikularumlagen anführen, daß sie in einer Weise Lasten auf die Einzelstaaten legen, die der kon⸗ stitutionellen Doktrin völlig widerspricht. Es ist eine Anomalie, der einen parlamentarischen Körperschaft, dem Reichstage, das Recht der Bewilligung von Ausgaben beizulegen, sie aber der Sorge für die entsprechenden Einnahmen zu entheben, der anderen dagegen, den Land⸗ tagen, die Bewilligung von Ausgaben aufzuzwingen, über deren Ver⸗ wendung sie nicht mitzureden hat. 8
Schon gegen Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, als die großen Entdeckungen und Erfindungen auch nach Deutschland einen Lichtstrahl warfen, der das Nationalgefühl erwachen ließ, erkannte man, daß für das Reich ohne Reichssteuern neue sichere Grundlagen nicht gewonnen werden könnten, und die Worte, welche im konstituirenden Reichstage fielen, daß nämlich eine Reichssteuer in Wahrheit den Deutschen hin⸗ stellen und sich fühlen lass de als in einem Staate lebend, sind durchaus berechtigt. “ ö1
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Im Verlage der C. Kraus'schen Buchhandlung in Düsseldorf erschien: Katechismus des Unfallversicherungs⸗Gesetzes, gemeinfaßlich zusammengestellt von E. R. Christ, und G. Stof⸗ fers (geb. 1 ℳ). — Das Büchelchen verfolgt den Zweck, die Arbeiter über das Unfallversicherungswesen, soweit dasselbe sie interessirt, in gemeinverständlicher und zuverläßlicher Weise zu belehren. Dasselbe hat folgenden Inhalt: Einleitung, die Entwickelung der deutschen Unfall⸗Gesetzgebung I. Abschnitt: A. Von den Personen, welche auf Grund des Unfallversicherungsgesetzes versichert sind. B. Von den Unfällen, gegen deren Folgen diese Personen versichert sind. II. Ab⸗ schnitt: Von den Unfallentschädigungen: A. Für den Fall der Ver⸗ letzung. B. Für den Fall der Tödtung. C. Verschiedene auf die Ent⸗ schädigung bezügliche allgemeine Fragen. III. Abschnitt: Von dem Ver⸗ halten des Versicherten behufs Erlangung der gesetzlichen Entschädigungen für erlittene Unfälle. A. Allgemeine Verhaltungsmaßregeln. B. Für den Fall der Tödtung. C Für den Fall der Verletzung. — Verfahren vor dem Schiedsgericht. — Verhaltungsmaßregeln bei einzulegender Berufung. IV. Abschnitt: Vom Reichs⸗Versicherungsamt. Verfahren vor demselben; EEEE111““ bei einzulegendem Rekurs. Hieran schließen sich folgende Anhänge: Anhang I. Nachweisung der Namen, Sitze und Bezirke der Berufsgenossenschaften, der Sektionen und der Schiedsgerichte, ferner der Namen und Wohnorte der Vor⸗ sitzenden der Genossenschafts⸗- und Sektionsvorstände, sowie der Schiedsgerichte. Anhang II. Nachweisung derjenigen Berufsgenossen⸗ schaften, welche die Versicherungspflicht auf Betriebsbeamte mit einem 2000 ℳ übersteigenden Jahres⸗Arbeitsverdienst ausgedehnt haben. Anhang IHI. Entwürfe zu Eingaben an die Genossenschaften, Schieds⸗ gerichte und an das Reichs⸗Versicherungsamt. Berufungsschriften an das Schiedsgericht; Rekurs und Gegenschriften an das Reichs⸗ Versicherungsamt. Bei den zahlreichen Betheiligten, denen eine Be⸗ lehrung über die vorstehend angedeuteten Gegenstände erwünscht sein muß, kann es dem kleinen Buche an Absatz nicht fehlen.
— Die Nr. 25 von „Schorer’s Familienblatt“ (red. von Dr. Franz Hirsch) hat folgenden Inhalt: Das Kind der Straße. Von H. Schobert. (14. Fortsetzung.) — In der Katschemme Von A. Oskar Klaußmann. — Kleine Ausfälle. Von Ludwig Fulda. — Oesterreich⸗Ungarns nationales Prachtwerk. Mit 4 Illustrationen. — Königin Victoria in Windsor. Mit dem Bildniß der Königin Victoria von England im Jahre 1839. — Else und Ilse. Erzäh⸗ lung von C. Hirundo. — Plauderecke: Das neueste lenkbare Luft⸗ schiff. — Geistige und körperliche Arbeit. — Claude Duval. — Das Geheimmittelunwesen in Amerika. — Wie alt werden die Ameisen. — Knunstblätter: In der Katschemme. Originalzeichnung von Fritz Gehrke. — Beilage: Die Grundsteinlegung des Nord⸗Ostsee⸗Kanals. Originalzeichnung von L. Dettmann. — Der Nord⸗Ostsee⸗Kanal. Von Hugo Herold. — Die Erleuchtung der Lombardsbrücke und der Binnenalster in Hamburg. — Denkübungen. — Für Haus und Herd: Schleudermaschine zur Schnellfabrikation von Butter, Eis, Schnee u. s. w. Mit 2 Illustrationen. — Der Nord⸗Ostsee⸗Kanal. (Plan) — Briefkasten. Mit dem Bildniß des Contre⸗Admirals Knor
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Amtliche Berichte über den Saatenstand in Ungarn melden: Weizen ist im ganzen Lande in guter Entwickelung, über⸗ wiegend in Blüthe stehend und verspricht im Allgemeinen eine gute Mittelernte. Rost zeigt sich in den Komitaten Gran, Neutra, Eisen⸗ burg, Zala und Bacs. Roggen verspricht eine Mittelernte, steht blos rechts und links der Theiß schwächer und hat im Trenesiner Komitat durch Platzregen und Sturmwinde, im Wiesel⸗ burger Komitat durch Hagelschläge viel gelitten. Gerste verspricht namentlich rechts der Donau und links der Theiß, sowie in Siebenbürgen eine gute Mittelernte und hat sich auch in den anderen Landestheilen gebessert. Rost zeigt sich nur sporadisch. Hafer steht stellenweise schütter und mit Unkraut vermischt, verspricht jedoch im Allgemeinen eine gute, in Siebenbürgen eine Mittelernte. Am schwächsten steht Hafer in der Theißgegend. Raps läßt rechts und links der Donau und zwischen der Donau und Theiß nur eine Ernte über „mittel“ erwarten. Rechts der Theiß ist Aussicht auf eine Mittel⸗ ernte. Im Biharer Komitat sowie im Bolyaer Bezirk des Torontaler Komitats, wo der Schnitt schon begonnen hat, ist das Resultat sehr ungünstig. Mais läßt zumeist viel zu wünschen übrig. Das erste Hacken ist größtentheils schon vorüber, doch entwickelt er sich sehr langsam, ist niedrig und leidet von Insekten und Unkraut. Die Krautfelder werden im Trenesiner Komitat durch Schnecken ver⸗ wüstet. Hülsenfrüchte stehen zumeist schön, links der Theiß aus⸗ gezeichnet. Kartoffeln haben sich, wo sie bisher schlecht standen, zumeist gebessert und versprechen fast durchaus einen guten Ertrag. Hanf und Flachs entwickeln sich überall befriedigend, ebenso Taback, der stellenweise schon gehackt wird. Rüben sind links der Donau sehr zurückgeblieben und entwickeln sich rechts der Theiß nur langsam, in allen anderen Landestheilen versprechen sie jedoch einen guten mittleren Ertrag. Die Weingärten stehen fortwährend sehr schön und versprechen, wenn die Witterung günstig bleibt, nahezu überall eine sehr gute Lese.
Gewerbe und Handel.
Berliner Wollmarkt. 18. Juni. Bis gestern Abend waren auf dem eigentlichen Wollmarkt in der Brunnenstraße eingegangen pr. Ostbahn 86 499 kg, pr. Stettiner 48 157 kg, pr. Nordbahn 9409 kg, pr. Schlesische 6290 kg, pr. Hamburger 3220 kg. Heute trafen ferner ein: pr. Ostbahn 161 847, pr. Stettiner 71 942, pr. Nordbahn 23 632, pr. Schlesische 1916, pr. Hamburger 26 672 kg. Diese Posten repräsentiren zusammen 8791 Ctr. 68 Pfd., rechnet man hierzu die pr. Fuhrwerk bis jetzt herangeschafften ca. 1500 Ctr., so ergiebt sich ein Gesammtquantum von ca. 10 200 Ctr. Da der eigentliche Markt erst am Montag Morgen beginnt, so dürften um diese Zeit nicht allein die bisher angemeldeten ca. 17 000 Ctr., son⸗ dern noch eine größere Quantität zur Stelle sein, da An⸗ meldungen noch fortwährend eingehen, und viele Wollen auch ohne vorherige Anmeldung zur Einlagerung in die Zelte gelangen. Es dürfte sich sonach bei Beginn des Marktes auf dem eigentlichen Wollmarktsterrain ein Quantum befinden, daß das vorjährige um mehrere 1000 Ctr. übersteigt. Händler sind bis
jetzt ca. ¾ Produzenten und ca. †¼ in den Zufuhren v
von Wolle auf Stadtläger kommen sehr ü — die und werden, nach jetziger Situation zu urtheilen, wohl um herxm, Vorjahre zurückbleiben, verursacht einestheils durch die infol⸗ g 3 Wetters verspätete Wäsche, anderentheils durch die Uen schletta früher kaufen und die Wollen rechtzeitig heranschaffen zu kön glicket Stimmung läßt sich bis jetzt als abwartend bezeichnen und din. d. erst im Laufe des Nachmittags prägnanter gestalten. ürfte sic
Wien, 18. Juni. (W. T. B.) Der internati Getreide⸗ und Saatenmarkt findet am 29. und 30. gral in der Rotunde des Weltausstellungsgebäudes statt. Augrft Warschau, 17. Juni. (W. T. B.) Wollmarkt d fuhren betragen bis jetzt 40 500 Pud gegen 51 613 Pud j ie e jahre. Die Kauflust dauert fort. Preise für hochfeine 8 Wolle unverändert, für mittelfeine 90 bis 97, für mittel 70 en für ordinäre 55 bis 65 Thlr. Drei Viertel der vorhandenen 1. 8, sind verkauft, so daß man heute die gänzliche Räumung des Mom ’ Pork, 17. Jun. (W. T. B ew⸗York, 17. Juni. (W. T. B.) Ba
Wochenbericht. Zufuhren in allen Unionshäfen a001en- Ausfuhr nach Großbritannien 2000 B., Ausfuhr nach dem Kont B, 7000 B., Vorratb 311 000 B. nert
8 Submissionen im Auslande.
“ I. Oesterreich. 28. Juni Mittags. K. u. K. General⸗Direktion der österreichist⸗ Staatsbahnen zu Wien. e Lieferung folgender Materialien für den Bau der Staatsbahnen Horagdiowitz — Klattau und Janowitz — Taus: 1. 6000 t Flußstahlschienen System XI, 410 „ Winkellaschen 36 360 „ Unterlagsplatten 2 8 60 „ Laschenschrauben 3 1 220 „ Hakennägel 1 8 110 Mille Fixirungsringe 23 m’/m licht. Durchmesser Näheres an Ort und Stelle. .“ 8 II. Spanien. 1. Juli. Spanische Post⸗ und Telegraphen⸗General⸗Direktion u Madrid. Lieferung von 13 750 Telegraphenstangen. Kaution 5504,38 Pesetas Maximalpreise 7,50 Pes. für die Telegraphenstange von 6 m, 8,25 Pr für eine solche von 7 m und 9,25 Pes. für eine solche von 8 m Läng⸗ Näheres an Ort und Stelle. 8
Verkehrs⸗Anstalten.
London, 17. Juni. (W. T. B.) Der Union⸗Dampfer „Spartan“ ist heute auf der Ausreise von Plymouth abgeganger. Der Castle⸗Dampfer „Methven Castle“ ist gestern au der Heimreise von Capetown abgegangen und der Castle⸗Dampfer „Garth-⸗Castle“ ist gestern auf der Ausreise in Capetown ange⸗ kommen.
Berlin, 18. Juni 1887.
Leipzig, 18. Juni. (W. T. B.) Hochverrathsprozef Das Urtheil lautet gegen Köchlin⸗Claudon auf 1 Jahr, Blech?, Schiffmacher 2, Trapp 1 ¼ Jahre Festungshaft; Jordan, Rexybel,
Freund und Humbert wurden freigesprochen.
Im Deutschen Theater setzt sich die Reihe der Gastsvpiel fort. Nachdem am Montag Frl. Ortwin vom Stadttheater in Königsberg mit günstigem Erfolge als „Hero“ aufgetreten war, stelte sich gestern von demselben Theater ein anderes Mitglied den Berlinem vor, Hr. Peters, der den „Sanders“ in L'Arronge'’s gefälligen Lustspiel: „Der Weg zum Herzen“ spielte. Man it gewöhnt und berechtigt, in Anbetracht der von dem Deutschga Theater bisher eingenommenen künstlerischen Höhe, an die daseltst auftretenden Künstler hohe Ansprüche betreffs ihrer Leistungs⸗ fähigkeit zu stellen. Einen hohen Maßstab darf man nun l die gestern gebotene Leistung des Hrn. Peters nicht legen. E verfügt ja über eine recht hübsche Begabung und offenbarez Talent. ob dasselbe aber für die Aufgaben, welche das Deutsch Theater an ihn stellen würde, genügt, muß sehr zweifelhaft erscheinen. Das Spiel des Gastes lief auf einen Heiterkeitserfolg hinaus, wie er durch Anwendung starker Mittel erzielt wird, dasselbe paßt abe nicht recht in den Rahmen des vornehm gehaltenen Lustspiels Vielleicht hat der Gast in anderen Rollen Gelegenheit, eine über⸗ zeugendere Probe von seinem Können abzulegen. Die „Julie“ wurde gestern von Frl. Hausner gespielt und mit all der naiven Anmuth ausgestattet, welche der jungen Dame so reichlich zu Gebote steit. Der österreichische Dialekt klingt freilich immer noch stark hervor, doch steht zu hoffen, daß bei fortgesetzter Bemühung der Künstlerr diesem Uebelstande gründlich abgeholfen wird. Die übrigen Mit⸗ wirkenden wurden ihren Rollen vollauf gerecht.
Morgen wird im Deutschen Theater „Don Carlos“ und am Montag „Goldfische“ gegeben. Am Mittwoch, den 22. d. M. beginnt Fräulein Friederike Bognar vom Deutschen Lande⸗ Theater zu Prag ein Gastspiel in der Rolle der Königin Elisabet in „Graf Essex“; zugleich wird in der Titelrolle des Stuücks Hr. Paul Arendt vom Großherzoglichen Hoftheater l Schwerin zum ersten Male als Gast auftreten und Frl Maria Ortwin die Rolle der Gräfin Rutland spielen. In der nächsta Aufführung von „Macbeth“, welche am Sonnabend, 25. d. M. ftarr findet, giebt Frl. Bognar als zweite Gastrolle die „Lady Macbetz“ Außerdem bringt das Wochenrepertoire noch Aufführungen von „Det G'wissenswurm“, Prinz von Homburg“ und „Goldfische“. Die leste Vorstellung in dieser Saison findet am Donnerstag, 30. d. M, statt
Auf der Krollschen Bühne beginnt morgen der rühmlichst 9 kannte Bassist Hr. David Ney aus Pest als „Sarastro Gastspiel, welches er am Mittwoch in der völlig neu inscenirten . Donizetti's „Belisar“ fortsetzen wird. — In der Zauberflöte gaftin neben ihm Frl. Carlotta Grossi als „Königin der Nacht“ As Abschiedsrolle hat Fr. Klafsky am Montag den Fidelco⸗ Frl. Tony Schläger ist bereits eingetroffen und hat an den Proha der „Lucretia Borgia“ — bekanntlich einer glänzenden Partie der Künstlerin — theilgenommen.
Im Belle⸗Alliance⸗Theater findet am Dienstag, der 21. d. M., die Feier des 25 jährigen Bestehens des Instituts st welches von den kleinsten Anfängen sich zur Stellung eines 8 elegantesten und besuchtesten Etablissements der Kaiserstadt empo geschwungen hat. Ausnahmsweise wird an diesem Tage das Coma, schon um 5 Uhr beginnen und erst um 12 Uhr Nachts enden. v- selbe wird von 3 Musikcorps ausgeführt, und zwar von den 25 Musikcorps, die dort am meisten gewirkt, dem des Kaiser ve Garde⸗Grenadier⸗ und dem des Garde⸗Feld⸗Artillerie⸗Regiments undin Hauskapelle. Bei eintretender Dunkelheit wird der prachtre Sommergarten bengalisch beleuchtet sein.
83
: Riedel.
Verlag der Erpedition (Scholz).
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗Anstalt, 16 Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 23Z3.
Acht Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage).
Berlin:
11““
“
zum Deutsche
140.
EEEEEEE112
Erste Beil
1
eiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger. “ 1887.
Berlin, Sonnabend, den 18. Juni
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Preußen. Berlin, 18. Juni. Im weiteren Verlauf estrigen (46.) Sitzung des Reichstages wurde bei im gesetzter Berathung des Gesetzentwurfs, be⸗ lefend die Besteuerung des Branntweins, der §. 3 ngenane! üeitee Debatte erhob sich erst bei §. 43. Derselbe
ilt die Vorschriften über die Nachsteuer. Es lag dazu ein ach romißantrag Buhl und Genossen vor, welcher außer redak⸗ bnmlen Aenderungen auch die Streichung der auf Antrag üi gbg Witte in dieses Gesetz hineingebrachten Bestimmungen 78 die Nachversteuerung des Branntweins, in Bezug auf välhe vor dem 7. Juni Lieferungsgeschäfte vorgeschlagen sind, nnfclän . Lieber beantragte, steuerfrei zu lassen diejenigen gestände von Branntwein, welche nachweislich vor dem 7. Junid. J. auf Lieferung bis 31. Dezember d. J. verkauft seien, und folgende Bestimmung hinzuzufügen: Soweit Brennereibesitzer ot zu erzeugenden Branntwein nachweislich vor dem zuni d. J. auf Lieferung bis 1. Oktober d. J. zu festen greisen verkauft haben, bleibt ihnen der Betrieb ihrer Brennerei in dem dazu erforderlichen Umfange zu dem bisherigen Satze der Maischbottichsteuer gestattet. 1
Der Abg. Freiherr von Huene äußerte: Er habe bereits in der meiten Lesung den vom Abg. Witte beantragten Zusatz als vedenklich bezeichnet. Inzwischen habe er sich orientirt, und d sei ihm bestätigt worden, daß in der Geschäftswelt ein Be⸗ ürfniß für eine solche Bestimmung nicht vorhanden sei, daß in Gegentheil ihre Aufnahme verwirrend auf das Geschäft enwirken würde. 1
Der Abg. Dr. Windthorst empfahl den Antrag Lieber.
Der Abg. Buhl meinte: Die Bestimmung des §. 43, wo⸗ nach vom 1. Juli bis 30. September die Maischbottichsteuer auf das Dreifache des bisherigen Satzes und dem entsprechend die Steuervergütung für Branntwein, welcher aus dem deutschen gollgbiete ausgeführt oder zu gewerblichen Zwecken einschließlich dr Essigbereitung verwendet werde, erhöht würde, enthalte eine bedenklice Schädigung der süddeutschen Staaten, wenn nicht ugleich auch eine gleiche Maßregel für den süddeutschen t r neh von den Partikularstaaten eingeführt werde. Wenn er beantragt habe, den Antrag Witte zu streichen, so sei dies nur unter der Voraussetzung geschehen, daß das Haus in diesem Gesetz eine civilrechtliche Frage nicht ent⸗ sheiden könne. Das habe nichts zu thun mit der meri⸗ torischen Behandlung der ern Er selbst glaube, daß dise Nachsteuer denselben Grundsätzen unterworfen werden nüsse, wie die Konsumsteuer, und auf den Konsumenten über⸗ gewützt werden müsse. Es gehe das Gerücht, daß sich hier in der Börse an kompetenter Stelle die Ansicht hrsstsgehet habe, die Nachsteuer den Verkäufern aufzuerlegen. Dies vürde der Tendenz des Gesetzes widersprechen. Die Lage des geschufts werde dadurch noch schwieriger, daß in Stettin und Posen in ganz entgegengesetztem Sinne versasaen werden sole. Wenn es richtig sei, daß gegen die Entscheidung der börsenschiedsgerichte kein Rekurs beim Reichsgericht zustehe, so müsse es ein unerträglicher Zustand werden. Der 1c Auzweg bleibe der, daß die Börsen sich vereinigten, und diese srage auf einheitliche Weise regelten. Sie aber in das Gesetz aufzunehmen, halte er nicht für angänglich. „Der Abg. Dr. Meyer (Halle) wagte nicht die Höhe der Nilionen zu beziffern, um welche es sich hierbei handele. Feenfalls würden einzelne Personen, die sich von jeder Speku⸗ laion fern gehalten, mit einer Wucht getroffen werden, die weder irgend einer Verschuldnng, noch ihrer finanziellen Lage entspreche. Diese Nachsteuer sei nichts weiter, als eine Art von Konsumsteuer; sie sollte deshalb gleich so aufgelegt wer⸗ den, daß sie nicht dem einzelnen Geschäftsmann zur Last falle,
ondern vom Konsumenten getragen werde. Daß sowohl der
Käufer wie der Verkäufer sich gegen die Nachsteuer fräubten, sei erklärlic. Nun liege die Sache so, uuß die Berliner Börse sich dahin schlüssig gemacht labe, daß der Verkäufer die Nachsteuer zahle, die Stettiner, daß der Käufer sie zu zahlen habe. Gegen die sciidsgerichtlichen Entscheidungen stehe kein Rekurs offen, und sei mit Sicherheit vorauszusehen, daß an jedem einzelnen dr das Schiedsgericht im Sinne seines Börsenvorstandes ent⸗ sceiden werde. Man komme zu widersprechenden Entscheidungen und ihr Widerspruch sei nicht durch die höchste Instanz zu ösen. Nun sei der Fall möglich, daß Jemand mit demselben geschäft bei der einen und anderen Börse betheiligt sei. Eine vollkommen befriedigende Lösung wäre nur zu finden dadurch, daß man für diese Fälle auf die Nachsteuer ganz verzichte, dann vären beide Theile zufrieden. Der Antrag Lieber sei, so gewaltsam rauch im ersten Augenblick erscheine, nur geeignet, weit größeren Schwierigkeiten vorzubeugen, als durch Annahme desselben entstehen könnten. Derselbe habe nur den einen Fehler, daß er den 7. statt den 9. Juni wähle. Seine Freunde und er tantragten, den 9. Juni einzusetzen. Die Börse, vor Allem nefenige außerhalb Berlins, habe von den Kommissions⸗ teschlüssen am 7. Juni noch nichts gewußt, sondern erst am etwas davon erfahren. Lehne man diesen Antrag ab, dann nüsse man daran verzweifeln in der noch übrig bleibenden Rrist disse Sache befriedigend zu lösen. 8
Der Staats⸗Minister Dr. von Scholz äußerte sich fol⸗ gendermaßen: Meine Herren! Ich möchte Sie bitten, den Antrag anzunehmen ber auf Nr. 227 sub II Nr. 1 gestellt ist, den zweiten Absatz im 8 48 zu streichen. Ich habe schon in der Kommission mich nur dahin fünprechen können, daß ich es für durchaus bedenklich halte, in einem besen en durch eine solche Bestimmung eingreifen zu wollen in ilechtöver ältnisse, welche sich aus Verträgen gebildet haben. de reiche Zuschriften, die ich erhalten habe, versichern mich, daß süe dergleichen Bestimmungen überflüssig sind, daß die Verträge alle von zu Stande gekommen seien in der letzten Zeit unter sorgfältiger lchnägung und Bestimmung dessen, was für den Fall einer gesetz⸗ Anordnung zwischen den Kontrahenten Rechtens sein sollte, und bühes deshalb nur Verwirrung anrichten könnte, wenn das Gesetz der mit einer Bestimmung in dieses Vertragsrecht eingreift. ber Ich glaube auch nicht, meine Herren, daß es hier, sei es auf die tglichste Darstellung einer der Herren, der von einer Seite
informirt ist, sei es auf ebenso bewegliche Darstellung eines Herrn, der von der anderen Seite informirt ist, möglich wäre, zu einem gleichmäßigen, für alle Fälle anwendbaren Rezept zu gelangen, wonach man hier die Beruhigung fassen könnte: nun haben wir für das Peihefecht und insbesondere für die bestehenden privatrechtlichen
erträge genügend gesorgt. Ich fürchte, daß wir uns dann erst recht überzeugen würden, daß dieser Saal der Gesetzgebung nicht der geeignete Ort ist, um vorab in die Funktionen des Richters einzu⸗ treten, der aus den Verträgen, welche abgeschlossen sind unter den gegebenen Verhältnissen, dann entscheiden wird, wie sie richtig zu inter⸗ pretiren sind.
Ich bin auch gar nicht mit Hrn. Dr. Meyer der Ueberzeugung, daß die Dinge, die hier in Frage kommen, so in die Millionen gehen. Ich meine, meine Herren, soweit es sich um effektive Geschäfte handelt, um den Spiritus, der wirklich in der Welt ist oder in die Welt gesetzt werden soll, werden diese Verträge in bescheidenen Grenzen sein. Wer in die Millionen gehen kann und wobei es sich um ungeheure Differenzen handeln kann, das sind wohl die Spekulationsverträge. Nun, diese Herren mögen unter sich die Sache abmachen. Ich habe kein besonderes Gefühl dafür, ob die eine Seite oder die andere Seite mehr gewinnt oder verliert. Das ist unsere Aufgabe nicht, darauf einzuwirken. Ob die verbündeten Regierungen — der Hr. Abg. Dr. Meyer hat das auch als möglich hingestellt — gerade eine so große Verantwortlichkeit dafür träfe, das kann ich nicht zugeben. Die Gesetzgebung muß gemacht werden, indem man anfängt, einen Entwurf vorzulegen, diesen Entwurf in Beratbung zu nehmen, indem man in den Kommissionsberathungen Beschlüsse faßt, dann in erster, zweiter, dritter Lesung. Wenn alle diese Vorbereitungen, die nothwendig zum Zustandekommen eines Gesetzes gehören, Verpflichtungen enthielten gegenüber denjenigen, welche inzwischen richtig oder falsch kalkuliren, dann könnte die Gesetzgebung allerdings eine ungeheure Summe von Verpflichtungen zu übernehmen haben. Das kann ich nicht zugeben. Der Hr. Abg. Dr. Meyer hat gesagt, die Handelsvorstände haben sich bereits schlüssig gemacht in Berlin und in Stettin u. s. w.; ich bin ja nicht so orientirt über das, was die Verpflichtung dieser Handels⸗ vorstände ist, aber den bescheidenen Zweifel möchte ich doch heute, wo ich das zuerst höre, aussprechen: es scheint mir doch ein sehr ge⸗ wagtes Unternehmen zu sein, wenn über ein Gesetz, was noch nicht beschlossen, was noch nicht vom Reichstage angenommen ist, was dann noch das Stadium durchzumachen hat, wieder an die verbün⸗ deten Regierungen zu gehen, was noch erst von Sr. Majestät sank⸗ tionirt und als Reichsgesetz publizirt werden muß, wenn über ein solches noch unfertiges Gesetz eine Verwaltungsbehörde oder eine Behörde der Kaufmannschaft sich heute schon schlüssig gemacht haben sollte, wie es zu interpretiren ist. Alle Achtung vor der Schnelligkeit, mit der im Handelsstande Entschließungen gefaßt werden müssen, dies würde aber meines Erachtens doch wohl eine voreilige Ent⸗ schließung sein. Und deshalb kann ich Sie nur bitten: lassen Sie sich nicht bange machen über diese Sache, sondern beschränken wir uns auf die Aufgabe, die uns gestellt ist, und überlassen wir die Auf⸗ gabe, die Anderen gestellt ist, ruhig den Letzteren.
Der Abg. Goldschmidt konnte sich den Ausführungen des Finanz⸗Ministers nur anschließen. Er und ein großer Theil seiner Freunde befänden sich im Gegensatz zu dem Abg. Meyer und das auf Grund fehr eingehender Informationen von durchaus sachverständiger und uninteressirter Seite. Die Ver⸗ wirrungen, welche die Nachsteuer anrichte, seien so groß, daß man sie mit Bestimmungen, wie sie dem §. 43 des Gesetzes eingefügt werden sollten, nur vermehren würde. Gerade der Umstand, daß die verschiedenen Handelsvorstände der ver⸗ schiedenen Handelsplätze schon ganz entgegengesetzte Be⸗ stimmungen getroffen hätten, sollte das Haus hindern, in diese Frage, die sich von selbst regeln müsse, gesetzgeberisch ein⸗ zugreifen. Er bitte also, den Zusatz des Abg. Witte ab⸗ zulehnen.
Der Abg. Rintelen empfahl den Antrag Lieber, welcher die Härten der Nachsteuer wenigstens mildere. Wenn ein Theil des Centrums auch andere Bedenken überwunden hätte, dieses Bedenken könne er nicht überwinden und werde gegen das Gesetz stimmen. .
Die Diskussion wurde geschlossen.
In der Abstimmung wurde nur der Kompromißantrag Buhl angenommen und der Antrag Lieber abgelehnt.
Zu §. 44, welcher von dem Inkrafttreten des Gesetzes handelt, bemerkte der Abg. Dr. Meyer (Halle): Bisher habe man unter Reservatrecht nur das Recht eines Einzelstaats verstanden, sich einer gesetzlichen Norm des Reichs nicht zu unterwerfen. Jetzt solle der einzelne süddeutsche Staat durch ein liberum veto eine Reform des bestehenden Rechts des Reichs hindern können. Dieses beziehe sich nicht allein auf die besonderen Verhältnisse dieser Staaten, sondern auch auf die anstößige Bestimmung des §. 36, wonach der Reinertrag der Verbrauchsabgabe den einzelnen Bundesstaaten nach Maß⸗ gabe der matrikularmäßigen Bevölkerung zu überweisen sei. Man könne den Begriff des Reservatrechts nicht noch weiter vertiefen. Der §. 44 allein würde seine Partei zu einem ab lehnenden Votum über das ganze Gesetz führen. 8
Der Abg. Dr. Windthorst meinte, während das Reservat recht den süddeutschen Staaten vertragsmäßig gesichert sei, seien die Vergünstigungen, die ihnen hier für den Fall der Aufgabe des Reservatrechts zugewendet werden sollten, nur gesetzlich fixirt. Davon, daß ein besonderer Vertrag darüber geschlossen sei, sei dem Reichstage jedenfalls nichts bekannt. Eine gesetzliche Bestimmung biete dem Süden nicht genügende Garantie; diese zu gewähren vermöge nur ein Vertrag. Die Verhältnisse änderten sich, die Personen wechselten und ein Gesetz werde ebenso leicht beseitigt wie geschaffen. Der Redner hielt es für seine Pflicht, auf diese Lage der Sache auf merksam zu machen. Wenn die süddeutschen Staaten trotzdem auf das Reservat verzichten wollten, so möchten sie es thun; er habe seiner Pflicht genügt.
Der bayerische Bundesbevollmächtigte, Graf von Lerchen feld⸗Köfering entgegnete: Es würde ihn immer freuen, den Abg. Windthorst sich im Interesse der Süddeutschen bewegen zu sehen. Natürlich müsse das Urtheil darüber vorbehalten bleiben, ob er sich in wirklichem Aeterese der Süddeutschen oder in einem sehr zweifelhaften Interesse bewege. Etwas Neues habe eigentlich der Abg. Windthorst in seiner heutigen Rede zu seinen neulichen Ausführungen nicht hinzugefügt, und er (Redner) nehme Anstand, das, was neulich von ihm (dem Redner) und seinem württembergischen Kollegen ausgeführt worden sei, zu wiederholen. Er bleibe dabei, daß es sich hier doch um ein Vertragsverhältniß handle; und er wolle in Kurzem skizziren, wie die bayerische Regierung zu diesem Para graphen gelangt sei. Von bayerischer Seite sei ausgeführt
worden, welche Kautelen nothwendig seien, um den Eintritt der Süddeutschen in die norddeutsche Branntweingemeinschaft möglich erscheinen zu lassen, und von der anderen Seite, welche Kautelen gegeben werden könnten, ohne das Interesse der Gesammtheit zu verletzen; man habe sich im undesrath darüber verständigt und das Er ebniß gesetzlich festgelegt. Wenn bei der Vereinbarung, welche als Artikel 35 in die Verfassung aufgenommen sei, ein förmlicher Vertrag geschlossen worden sei, so habe das in den damaligen Ver⸗ hältnissen gelegen. Es habe damals kein Deutsches Reich gegeben; wo seien damals die Faktoren gewesen, die ein 1 29 2 vereinbaren können? Aber nachdem der Vertrag geschlossen, seien die festgesetzten Bestimmungen als Artikel 35 in die Verfassung übergegangen und gesetzlich festgelegt worden. Und anders liege es heute auch nicht. Wenn förm⸗ liche Verträge heute nicht abgeschlossen seien, so seien doch die Bestimmungen, die den Süddeutschen zu⸗ gesichert worden, Reservatbestimmungen. Sie hätten das Ver⸗ trauen, daß es weder den verbündeten Regierungen noch dem
Reichstage in den Sinn kommen werde, gegenüber dem §. 44 1
die Süddeutschland gewährten Berechtigungen ohne Zustimmung der Süddeutschen aus dem Gesetze herauszubringen. Das würde nicht ein Vorgehen von gesetzgebenden Verone sein, sondern ein Verfahren von Winkeladvokaten. Die Süddeutschen hegten das Vertrauen, daß sie in keiner Weise etwas zu besorgen hätten. Das Wort habeer eigentlich nur ergriffen, weil die Theorie, dieman von dem Abg. Windthorst gehört habe und die er (Redner) an sich für unrichtig halte, doch den Uebelstand habe, daß sie Mißtrauen säen könnte zwischen Reichsregierung und Reichstag, zwischen den Einzelregierungen und den Landtagen. Er sei über⸗ zeugt, daß der Abg. Windthorst dies nicht beabsichtige und seine Ausführungen nur im Interesse Bayerns gemacht habe. Aber diese Ausführungen könnten nicht glücklich wirken, sie müßten Mißverständniß erregen.
Der badische Bundesbevollmächtigte, Freiherr von Marschall, äußerte: er wolle auch von seiner Seite bekunden, daß es dem Abg. Windthorst in keiner Weise gelungen sei, irgendwie einen oder ein Mißtrauen hervorzurufen bezüglich des vollen Schutzes der süddeutschen Interessen. Er habe die Sache so dargestellt, als ob Süddeutschland die ausschließliche Garantie für seine Interessen in der bundesfreundlichen Gesinnung der Regierungen sehe. Süddeutschland finde darin allerdings die höchste Garantie, allein es entbehrten seine Interessen auch nicht der juristischen Garantie und er widerspreche entschieden der Aus⸗ führung des Abg. Windthorst, daß diese juristische Garantie nur gegeben werden könne durch einen formellen Vertrag. Wie liege denn die Sache? Man stelle in diesem Gesetz die Modalitäten fest, unter denen die süddeutschen Staaten oder einzelne derselben in die norddeutsche Branntweinsteuergemein⸗ schaft eintreten könnten, indem sie verzichteten auf ein Reservatrecht, welches in der Verfassung ihnen ein⸗ geräumt und durch Art. 78 geschützt sei. Wenn nun in demselben Gesetz, wo diese Modalitäten fest⸗ gestellt seien, den süddeutschen Staaten gewisse Sonderrechte im Anschluß an den Wortlaut des Art. 78 der Verfassung gewährt würden, so entstehe allerdings formell juristisch nicht ein Vertrag, wohl aber ein bilaterales Verhältniß, bei dem die Zustimmung auf der einen Seite und die gewährleisteten Sonderrechte auf der anderen Seite in einer ganz unlösbaren Verbindung ständen, ähnlich wie bei einem Vertrage die Leistung und die Gegenleistung. Es sei also eine juristische Monstrosität, zu glauben, daß, wenn einmal diese Zustimmung von den süddeutschen Staaten erklärt wäre, wenn sie auf den mit gewissen Sonderrechten aus⸗ gestatteten Boden dieser Gesetzgebung einträten, dann einfach diese Sonderrechte im Flusse der regelmäßigen Gesetzgebung wieder weggeschwemmt werden könnten. Das sei undenkbar, um so mehr, als die im §. 44 genannten Bestimmungen von Seiten der süddeutschen Regierungen mit aller Ent⸗ schiedenheit als conditiones sine quibus non des Eintritts in die norddeutsche Branntweinsteuergemeinschaft bezeichnet worden seien, und er nehme gern Anlaß, noch besonders zu erklären, daß für die Großherzoglich badische Regierung speziell §. 36, Absatz 1, der die matrikularmäßige Vertheilung der In⸗ traden nach der Kopfzahl der Bevölkerung feststelle, eine con⸗ ditio sine qua non sein werde, wenn sie sich veranlaßt sehen solle, den Eintritt in jene Gemeinschaft ihrer Landesvertre tung zu empfehlen. Er wolle die Sache juristisch nicht weiter approfondiren Juristen pflegten sich in der Regel nicht zu überzeugen, und er habe um so weniger Aussicht, den Abg. Dr. Windthorst eines Besseren zu belehren, weil wie dies der Vorredner bereits angedeutet habe, vielleicht bei dem Herrn nicht nur juristische Momente in die Waagschaale fielen. Er (Red ner) habe gesagt, d8 fehle nicht an juristischer Garantie, aber allerdings die hoͤchste Garantie für den Schutz seiner Interessen sehe Sud⸗ deutschland in dem Vertrauen auf die Loyalitaät, auf die Treue, welche die verbündeten Regierungen sich seit Gründung des Deutschen Reichs stets untereinander be⸗ währt hätten und stets bewähren würden in der Zuversicht, daß jeder Reichstag Angesichts der schweren Pflichten, die die süddeutschen Regierungen mit Eintritt in die Branntwein steuergemeinschaft auf sich nähmen, auch der Rechte eingedenk sein werde, welche ihnen durch dieses Gesetz gegeben und ge währleistet seien.
Der Abg. Windthorst meinte: Es sei im parlamentarischen Leben unzulässig, dem Mitkombattanten irgend welche Motive unterzulegen, die er nicht selbst geäußert habe. Das moöge ia sehr hübsch sein, im Salon Pikanterie zu treiben, aber in das Parlament gehore sie nicht. Er müsse ein solches Verfahren zurückweisen. Lieb sei es ihm, von Herrn von Marschall an⸗ erkannt gehört zu haben, daß ein Vertrag nicht vorliege. Die Bestimmungen seien allerdings gesetzlich fest und klar, aber sie seien nicht verfassungsmaͤßig klar. Bei der Frage der Kompetenz sei es auch so; aber alle Vertrauensseligkeit der damaligen Zeit habe nicht ersparen koͤnnen, daß die Kompetenz
immer mehr ausgedehnt worden sei dis zu dem Augendlick,
wo in die Reichsversassung eine Bestimmung aufgenommen sei die so wenig Schutz gewähre, daß mit der groͤßten Leichtigkeit