1887 / 169 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 22 Jul 1887 18:00:01 GMT) scan diff

Unfallverhütung. Ueberwachung durch die Genossenschaft.

Unfallverhütung. §. 90.

Die Genossenschaft ist befugt, für den Umfang des Ge⸗ nossenschaftsbezirks oder bestimmt abzugrenzender Bezirke oder für bestimmte Kategorien von Fahrzeugen oder Betrieben Vor⸗ schriften über Einrichtungen zur Verhütung von Unfällen, oder über zu beschaffende Ausrüstungsgegenstände der Fahr⸗ zeuge zu erlassen und die Zuwiderhandelnden mit der Ein⸗ schätzung in eine höhere Klasse des Gefahrentariss oder, falls sich das Fahrzeug beziehungsweise der Betrieb bereits in der höchsten Klasse befindet oder ein Gefahrentarif nicht aufgestellt ist, mit Zuschlägen bis zum doppelten Betrage ihrer Beiträge zu bedrohen. Für die Herstellung der porgeschriebenen Ein⸗ richtungen ist den Betriebsunternehmern Ane angemessene Frist zu bewilligen. 1 1

Die Genossenschaft ist ferner befugt, für die Anbringung und Erhaltung der Einrichtungen, sowie für das Vorhanden⸗ sein der etwa vorgeschriebenen Ausrüstungsgegenstände den Schiffsführer für verantwortlich zu erklären und ihm für jede Nachlässigkeit hierin Ordnungsstrafen bis zu einhundert Mark anzudrohen.

Vorschriften dieser Art bedürfen der Genehmigung des Reichs⸗Versicherungsamts. Dem Antrage auf Ertheilung der Genehmigung ist die gutachtliche Aeußerung der Vorstände derjenigen Sektionen, für welche die Vorschriften Gültigkeit haben sollen, oder, sofern die Genossenschaft in Sektionen nicht eingetheilt ist, des Genossenschaftsvorstandes beizufügen.

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Die sür die Versicherten berufenen Beisitzer der Schieds⸗ gerichte beziehungsweise deren Stellvertreter sind zu der Be⸗ rathung und Beschlußfassung des Genossenschafts⸗ beziehungs⸗ weise Sektionsvorstandes über den Erlaß derartiger Vor⸗ schriften zuzuziehen. Dieselben dürfen mehr Stimmen, als die Zahl der stimmenden Mitglieder der Vorstände beträgt, bei der Abstimmung nicht abgeben. Nehmen an der Be⸗ rathung mehr Beisitzer der Schiedsgerichte als Vorstands⸗ mitglieder Theil, so führt bei der Abstimmung die entsprechende Anzahl der dem Lebensalter nach jüngsten Beisitzer der Schiedsgerichte keine Stimme.

Im Uebrigen haben die Beisitzer der Schiedsgerichte bei der Abstimmung über derartige Vorschriften volles Stimm⸗ recht. Auf die ihnen zu gewährende Vergütung findet §. 54 Anwendung. Das über die Verhandlungen aufzunehmende Protokoll, aus welchem die Abstimmung der Vertreter der Versicherten ersichtlich sein muß, ist dem Reichs⸗Versicherungs⸗ amt vorzulegen. 8

Die genehmigten Vorschriften sind durch den Genossen⸗ schaftsvorstand den höheren Verwaltungsbehörden, auf deren Bezirk sich die Vorschriften erstrecken, sowie sämmtlichen See⸗ mannsämtern mitzutheilen und in den Geschäftsräumen der letzteren öffentlich auszuhängen. 8

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Die im §. 90 Absatz 1 vorgesehene höhere Einschätzung, sowie die Festsetzung von Zuschlägen erfolgt durch den Vorstand der Genossenschast, die Festsetzung der im §. 90 Absatz 2 vor⸗ gesehenen F bafelt durch dasjenige Seemannsamt, welches von der Nachlässigkeit zuerst Kenntniß erhält. Die Seemanns⸗ ämter sind besugt, bezüglich der Befolgung der nach §. 90 erlassenen Vorschriften Untersuchungen der Fahrzeuge zu ver⸗ anlassen.

Eine abermalige Straffestsetzung durch dasselbe oder durch ein anderes Seemannsamt ist zulässig, sofern der Schiffsführer nicht nachweist, daß inzwischen die Anordnung nicht hat be⸗ folgt werden können. Die Straffestsetzung ist von dem See⸗ mannsamt in das Schiffsjournal einzutragen und sofort voll⸗ streckbar.

Gegen die höhere Einschätzung sowie die Festsetzung von Zuschlägen oder Strafen findet, unbeschadet der sofortigen Vollstreckbarkeit der Strafen, die Beschwerde statt. Die Be⸗ schwerde gegen die höhere Einschätzung oder die Festsetzung von Zuschlägen (§. 90 Absatz 1) steht dem Betriebsunter⸗ nehmer zu und ist binnen zwei Wochen nach der Zustellung der betreffenden Verfügung einzulegen; die Beschwerde gegen die Festsetzung von Strafen (§. 90 Absatz 2) aber steht sowohl dem Schiffsführer wie dem Rheder, Korrespondentrheder oder Bevollmächtigten zu und ist spätestens binnen zwei Wochen nach Beendigung der Reise zu erheben. Die Einlegung der Beschwerde erfolgt in allen Fällen bei dem Reichs⸗Versiche⸗ rungsamt, welchem auch die Entscheidung über dieselbe zusteht.

Ueberwachung.

Die Genossenschaft ist befugt, durch Beauftragte die Be⸗ folgung der zur Verhütung von Unfällen erlassenen Vor⸗ schriften zu überwachen und behufs Prüfung der auf Grund gesetzlicher oder statutarischer Bestimmungen eingereichten Nach⸗ weisungen die Schiffsjournale, Musterrollen, Certifikate, Meß⸗ briefe und sonstigen Schiffspapiere, sowie die Listen einzu⸗ sehen, aus welchen die Zahl der Versicherten, sowie der Um⸗ fang und die Dauer der zurückgelegten Reisen ersichtlich werden.

Die Behörden sind verpflichtet, den als solchen legitimirten Beauftragten der Genossenschaft die auf die Verhältnisse des Fahrzeuges und der Besatzung sich beziehenden Verhandlungen und Urkunden im Geschäftslokal zur Einsicht vorzulegen. Die Rheder, Korrespondentrheder und Bevollmächtigten, sowie die Schiffsführer haben den Beauftragten auf Erforvbern den Zu⸗ tritt zu den Fahrzeugen, sowie die Besichtigung derselben zu gestatten und die Schiffspapiere und Listen an Ort und Stelle zur Einsicht vorzulegen. Diese Verpflichtung besteht auch gegenüber dem Seemannsamt (§. 92); demselben ist die Eintragung der von ihm verhängten Strafen in das Schiffsjournal zu gestatten. In gleicher Weise haben die anderen Mitglieder der Berufsgenossenschaft die Besichtigung ihres Betriebs zu gestatten und die im Absatz 1 bezeich⸗ neten Listen zur Einsicht vorzulegen.

Die Verpflichteten können hierzu auf Antrag der Beauf⸗ tragten von dem Seemannsamt oder der unteren Verwaltungs⸗ behörde durch Geldstrafen bis zu dreihundert Mark angehalten werden. 1.“

§. 94.

Die Mitglieder des Genossenschaftsvorstandes und der Sektionsvorstände, sowie deren Beauftragte (§. 93) haben über die Thatsachen, welche durch die Ueberwachung und Kontrole der Betriebe zu ihrer Kenntniß kommen, Verschwiegenheit zu beobachten. Die Beauftragten sind hierauf von der unteren Verwaltungsbehörde des Wohnorts zu beeidigen.

95.

Namen und Wohnsitz der Beauftragten sind von dem Ge⸗ nossenschaftsvorstande den höheren Verwaltungsbehörden, auf deren Bezirk sich die Thätigkeit derselben erstreckt, anzuzeigen.

Die Beauftragten sind verpflichtet, den höheren Verwal⸗ tungsbehörden oder den von diesen bezeichneten öffentlichen Be⸗ hörden und Beamten auf Erfordern über ihre Ueberwachungs⸗ thätigkeit und deren Ergebnisse Mittheilung zu machen. Sie können dazu von dem Reichs⸗Versicherungsamt durch Geld⸗ strafen bis zu einhundert Mark angehalten werden.

K. 96. b

Die durch die Ueberwachung und Kontrole der Betriebe entstehenden Kosten gehören zu den Verwaltungskosten der Genossenschaft. Soweit dieselben in baaren Auslagen be⸗ stehen, können sie durch den Vorstand der Genossenschaft dem Betriebsunternehmer auferlegt werden, wenn dieser oder wenn der Korrespondentrheder, Bevollmächtigte oder Schiffsführer durch Nichterfüllung der ihnen obliegenden Verpflichtungen zu ihrer Aufwendung Anlaß gegeben haben. Gegen die Auf⸗ erlegung der Kosten findet binnen zwei Wochen nach Zu⸗ stellung des Beschlusses die Beschwerde an das Reichs⸗ Versicherungsamt statt. Die Beitreibung der Kosten erfolgt in derselben Weise, wie die der Gemeindeabgaben.

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-III. Aufsichtsführung.

Reichs⸗Versicherungsamt. 8

Die Genossenschaft unterliegt in Bezug auf die Befolgung dieses Gesetzes der Beaufsichtigung des Reichs⸗Versicherungs⸗ amts (§. 87 des Unfallversicherungsgesetzes). M“

Dem Reichs⸗Versicherungsamt treten vier nichtständige Mitglieder hinzu, von welchen zwei von dem Genossenschafts⸗ vorstande aus seiner Mitte, die beiden anderen von den aus den Versicherten berufenen Beisitzern der Schiedsgerichte aus der Zahl schiffahrtskundiger befahrener Männer, welche nicht Rheder, Mitrheder, Korrespondentrheder oder Bevollmächtigte sind, gewählt werden. Hinsichtlich der Wählbarkeit findet im Uebrigen die Bestimmung im §. 1 Absatz 5 Anwendung.

Diese nichtständigen Mitglieder sind zu denjenigen Ver⸗ handlungen des Reichs⸗Versicherungsamts, bei denen es sich um Angelegenheiten der dem gegenmwärtigen Gesetz unter⸗ liegenden Genossenschaft handelt, statt der nach §. 87 des Unfallversicherungsgesetzes von den Genossenschaftsvorständen und den Vertretern der Arbeiter gewählten nichtständigen Mit⸗ glieder, und wenn es sich um allgemeine Angelegenheiten han⸗ delt, neben diesen Mitgliedern zuzuziehen.

Die Wahl der für die Versicherten zu wählenden Mit⸗

glieder erfolgt mittelst schriftlicher Abstimmung unter Leitung

des Reichs⸗Versicherungsamts nach relativer Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos. 4.4 Die Amtsdauer der nichtständigen Mitglieder währt vier Jahre. Für jedes nichtständige Mitglied sind ein erster und ein zweiter Stellvertreter zu wählen, welche dasselbe in Be⸗ hinderungsfällen zu vertreten haben. Scheidet ein solches Mitglied während seiner Amtsdauer aus, so haben für den Rest derselben die Stellvertreter nach ihrer Reihenfolge als Mitglieder einzutreten. Zuständigkeit. §. 98. Die Aufsicht des Reichs⸗Versicherungsamts über den Ge⸗ chäftsbetrieb der Genossenschaft hat sich auf die Beobachtung er gesetzlichen und statutarischen Vorschriften zu erstrecken.

sb llle Entscheidungen desselben sind endgültig, soweit in diesem Gesetz nicht ein Anderes bestimmt ist.

Das Reichs⸗Versicherungsamt ist befugt, jederzeit eine Prüfung der Geschäftsführung der Genossenschaft vorzu⸗ nehmen.

Die Vorstandsmitglieder, Vertrauensmänner und Be⸗ amten der Genossenschaft sind auf Erfordern des Reichs⸗ Versicherungsamts zur Vorlegung ihrer Bücher, Beläge und ihrer auf den Inhalt der Bücher bezüglichen Correspondenzen, sowie der auf die Festsetzungen der Entschädigungen und Jahresbeiträge bezüglichen Schriftstücke an die Beauftragten des Reichs⸗Versicherungsamts oder an das letztere selbst ver⸗ pflichtet. Dieselben können hierzu durch Geldstrafen bis zu eintausend Mark angehalten werden.

Das Reichs⸗Versicherungsamt entscheidet, unbeschadet der Rechte Dritter, über Streitigkeiten, welche sich auf die Rechte und Pflichten der Inhaber der Genossenschaftsemter, auf die Auslegung der Statuten und die Gültigkeit der vollzogenen Wahlen beziehen. Dasselbe kann die Inhaber der Genossen⸗ schaftsämter zur Befolgung der gesetzlichen und stotutarischen Vorschriften durch Geldstrafen bis zu eintausend Mark an⸗

halten. §. 100.

Die Beschlußfassung des Reichs⸗Versicherungsamts ist durch die Anwesenheit von mindestens fünf Mitgliedern (einschließ⸗ lich des Vorsitzenden), unter denen sich je ein Vertreter des Genossenschaftsvorstandes und der Versicherten befinden müssen, bedingt, wenn es sich handelt

a. um die Vorbereitung der Beschlußfassung des Bundes⸗ raths bei der Auflösung der Genossenschaft wegen Leistungs⸗ unfähigkeit (§. 42), sowie bei der Bildung von Schieds⸗ gerichten (§. 49);

b. um die Entscheidung auf Rekurse gegen die Entschei⸗ dungen der Schiedsgerichte (§. 71);

c. um die Genehmigung von Vorschriften zur Verhütung von Unfällen (§. 90);

d. um die Entscheidung auf Beschwerden gegen Straf⸗ verfügungen des Genossenschaftsvorstandes (§. 120).

Solange die Wahl der Vertreter des Genossenschafts⸗ vorstandes und der Versicherten nicht zu Stande gekommen ist, genügt die Anwesenheit von fünf anderen Mitgliedern (einschließlich des Vorsitzenden).

In den Fällen zu b erslat die Beschlußfassung unter Zuziehung von zwei richterlichen Beamten.

Im Uebrigen werden die Formen des Verfahrens und der Geschäftsgang des Reichs⸗Versicherungsamts durch Kaiser⸗ liche Verordnung unter Zustimmung des Bundesraths geregelt.

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Die Kosten des Ce cs Jer teserungsaaits und seiner Ver⸗ waltung trägt das Reich.

Die nichtständigen Mitglieder erhalten für die Theilnahme an den Arbeiten und Sitzungen des Reichs⸗Versicherungsamts eine nach dem Jahresbetrage festzusetzende Vergütung, und diejenigen, welche außerhalb Berlin wohnen, außerdem Ersatz der Kosten der Hin⸗ und Rückreise nach den für die vor⸗

tragenden Räthe der obersten Reichsbehörde

geltenden Sätzen

(Verordnung vom 21. Juni 1875, Reichs⸗Gesetzbl. S. 249). Die Bestimmungen im §. 16 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten, vom 31. März

(Reichs⸗Gesetzbl. S. 61) finden auf sie keine Anwendung.

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IX. Reichs⸗ und Staatsbetriebe.

§. 102.

Für Betriebe des Reichs oder eines Bundesstaates tritt bei Anwendung dieses Gesetzes an die Stelle der Berufs⸗ genossenschaft das Reich beziehungsweise der Bundesstaat. Die Befugnisse und Obliegenheiten der Genossenschafts⸗ versammlung und des Genossenschaftsvorstandes werden durch Ausführungsbehörden wahrgenommen, welche für das Reich vom Reichskanzler, für den Bundesstaat von der Landes⸗ Centralbehörde zu bezeichnen sind. Dem Reichs⸗Versicherungs⸗ amt ist mitzutheilen, welche Behörden als Ausführungs⸗ behörden bezeichnet worden sind.

Die Bestimmungen des vorhergehenden Absatzes finden keine Anwendung, soweit der Reichskanzler beziehungsweise die Landesregierung erklärt, daß Betriebe dieser Art der Berufs⸗ genossenschaft angehören selhh

. 3.

Soweit das Reich oder ein Bundesstaat an die Stelle der Berufsgenossenschaft tritt, finden die §§. 16 bis 47, 68 Ab⸗ satz 4, 70 Absatz 1, 78 bis 86, 87 Absatz 2 und 3, 88, 90 bis 96, 97 Absatz 1, 98 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 und 3, 99, 100 Absatz 1 Litt. a, c, d, 117 bis 120 keine Anwendung.

. 104.

Die Wahl der Vertreter der Versicherten (§. 48) erfolgt für den Geschäftsbereich jeder Ausführungsbehörde.

Die für den Erlaß der Ausführungsvorschriften zuständige Behörde (§. 108) bestimmt die wahlberechtigten Kassen und Vereinigungen, sowie die Zahl der auf dieselben entfallenden Stimmen, und erläßt das Wahlregulativ (F§. 51). In dem⸗ selben sind die den Vertretern der Versicherten zu gewährenden Vergütungssätze (§. 54) festzustellen.

Ueber Streitigkeiten, welche sich auf die Gültigkeit der vollzogenen Wahlen beziehen, entscheidet vas Reichs⸗Versiche⸗ rungsamt.

§. 105.

Für den Geschäftsbereich jeder Ausführungsbehörde ist mindestens ein Schiedsgericht (§. 49) zu errichten. Die im §. 50 Absatz 3 bezeichneten Beisitzer werden von der Ausfüh⸗ rungsbehörde ernannt.

§. 106.

Die Feststellung der Entschädigungen (§. 67) erfolgt durch die in den Nütsfechi cGs eh es zu bezeichnende Behörde.

Gegen den Bescheid der zuständigen Behörde, durch welchen ein Entschädigungsanspruch aus dem Grunde abgelehnt wird, weil der Betrieb, in welchem der Unfall sich ereignet hat, für nicht unter den §. 1 fallend erachtet wird (§. 70), steht dem Verletzten oder seinen Hinterbliebenen die Beschwerde an das Reichs⸗Versicherungsamt zu. Dieselbe ist bei dem Reichs⸗Ver⸗ sicherungsamt einzulegen; auf die Beschwerdefrist finden die Bestimmungen des §. 70 Absatz 3 und 4 entsprechende An⸗

wendung.

Die zur Durchführung der Bestimmungen in §§. 102 bis 107 erforderlichen Ausführungsvorschriften sind für die Reichsverwaltungen vom Reichskanzler, für die Landesverwal⸗ tungen von der Landes⸗Centralbehörde zu erlassen.

X. Schluß⸗ und Strafbestimmungen.

Haftpflicht der Betriebsunternehmer und Betriebsbeamten. .109.

Die nach Maßgabe dieses Gesetzes versicherten Personen und deren Hinterbliebene können einen Anspruch auf Ersatz des ir Folge eines Unfalls erlittenen Schadens gegen den Betrieosunternehmer, gegen einen Mitrheder, Lootsen, Bevoll⸗ mächtigten oder Repräsentanten, Betriebs⸗ oder Arbeiter⸗ aufseher, oder eine Person der Schiffsbesatzung desjenigen Fahrzeuges, zu dessen Besatzung der Verletzte gehört hat, sowie desjenigen Fahrzeuges beziehungsweise Betriebes, in welchem der Unfall sich ereignet hat, nur dann geltend machen, wenn durch strafgerichtliches Urtheil festgestellt worden ist, daß der in Anspruch Genommene den Unfall vorsätzlich herbei⸗ geführt hat.

In diesem Falle beschränkt sich der Anspruch auf den Be⸗ trag, um welchen die den Berechtigten nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften gebührende Entschädigung diejenige übersteigt, auf welche sie nach diesem Gesetz Anspruch haben.

Auf die durch Artikel 523 ff. des Handelsgesetzbuchs, §§. 48 ff. der Seemannsordnung und §. 10 dieses Gesetzes begründete Fürsorgepflicht findet diese Bestimmung keine An⸗ wendung.

§. 110.

Diejenigen Betriebsunternehmer, Mitrheder, Lootsen, Be⸗ vollmächtigten oder Repräsentanten, Betriebs⸗ oder Arbeiter⸗ aufseher, oder Personen der Schiffsbesatzung, gegen welche durch strafgerichtliches Urtheil festgestellt worden ist, daß sie den Unfall vorsätzlich oder durch Fahrlässigkeit mit Außeracht⸗ lassung derjenigen Aufmerksamkeit, zu der sie vermöge ihres Amts, Berufs oder Gewerbes besonders verpflichtet sind, herbeigeführt haben, haften der Genossenschaft und den Krankenkassen für alle Aufwendungen, welche in Folge des Unfalls auf Grund dieses Gesetzes oder des Gesetzes, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15. Juni 1883 (Keichs⸗Gesetzbl. S. 73) von denselben gemacht worden sind.

In gleicher Weise haftet als Betriebsunternehmer eine Aktiengesellschaft, eine Innung oder eingetragene Genossen⸗ schaft für die durch ein Mitglied ihres Vorstandes, sowie eine Handelsgesellschaft, eine Innung oder eingetragene Genossen⸗ für die durch einen der Liquidatoren herbeigeführten Unfälle. fagcs Ersatz für die Rente kann in diesen Fällen deren Kapitalwerth gefordert werden.

Der Anspruch verjährt in achtzehn Monaten von dem Tage, an welchem das traftechteche Urtheil rechtskräftig ge⸗ worden ist.

z. 111.

Die in den §§. 109 und 110 bezeichneten Ansprüche können, auch ohne daß die daselbst vorgesehene Feststellung durch strafgerichtliches Urtheil stattgefunden hat, geltend ge⸗ macht werden, falls diese Feststellung wegen des Todes oder der Abwesenheit des Betreffenden oder aus einem anderen in

der Person desselben liegenden Grunde nicht erfolgen kann.

Haftung Dritter.

§. 112.

Bei Zusammenstößen mehrerer unter dieses Gesetz fallender Fahrzeuge finden die Bestimmungen der §§. 109 bis 111 auf iie Rheder oder Mitrheder, Lootsen, Bevollmächtigten und Repräsentanten, Betriebsaufseher oder Personen der Schiffs⸗ esatzungen sämmtlicher bei dem Zusammenstoß betheiligten

Fahrzeuge Anwendung.

Im Uebrigen bestimmt sich die Haftung dritter, in den

§§. 109 und 110 nicht bezeichneter Personen, welche den Unfall

orsätzlich herbeigeführt oder durch Verschulden verursacht haben, nach den bestehenden gesetzlichen Vorschriften. Jedoch geht die Forderung der Entschädigungsberechtigten an den Dritten auf die Genossenschaft insoweit über, als die Verpflich⸗ tung der letzteren zur Entschädigung durch dieses Gesetz be⸗ gründet ist.

Verbot vertragsmäßiger Beschränkungen.

Der Berufsgenossenschaft sowie den Betriebsunternehmern, Mitrhedern und Schiffsführern ist untersagt, die Anwendung der Bestimmungen dieses Gesetzes zum Nachtheil der Ver⸗ sicherten durch Verträge (mittelst Reglements oder besonderer Uebereinkunft) auszuschließen oder zu beschränken. Vertrags⸗ bestimmungen, welche diesem Verbot zuwiderlaufen, haben keine rechtliche Wirkung.

Aekltere Versicherungsverträge. §. 114.

Versicherungsverträge, welche von Unternehmern der unter 5. 1 fallenden Betriebe oder von den in solchen beschäftigten Personen gegen die Folgen der in diesem Gesetz] bezeichneten Unfälle mit Versicherungsanstalten abgeschlossen sind, können sowohl von den Versicherten als von den Versicherungsanstalten mit der Wirkung gekündigt werden, daß sie nach Ablauf eines Monats von dem Tage der Zustellung der Kündigung ab erlöschen.

Die aus solchen Versicherungsverträgen über den Zeit⸗ punkt des Erlöschens hinaus vorausbezahlten Prämien hat die Versicherungsanstalt antheilig zurückzuerstatten. Dieselbe ist jedoch berechtigt, für bereits aufgewendete Verwaltungs⸗ kosten den zu erstattenden Betrag um zwanzig Prozent zu kürzen, sofern nicht die Kündigung von ihr ausgegangen war.

Soweit derartige Versicherungsverträge nicht gekündigt werden, geht der Anspruch auf die fortan fälligen Versiche⸗ rungsbeträge sowie die Verbindlichkeit zur Entrichtung der fortan fälligen Prämien und Verwaltungskosten auf die Be⸗ rufsgenossenschaft über, wenn der Versicherungsnehmer dies bei dem Vorstande der Genossenschaft beantragt. Die der Genossenschaft hieraus erwachsenden Zahlungsverbindlichkeiten werden durch Umlage auf die Mitglieder der Genossenschaft (§§. 18, 79) gedeckt. Das in den Absätzen 1 und 2 vorge⸗ sehene Kündigungsrecht steht mit den daselbst bezeichneten Wirkungen auch der Berufsgenossenschaft zu, sofern die vor⸗ stehend bezeichneten Rechte und Pflichten auf sie über⸗ gegangen sind.

. Rechtshülfe.

§. 115.

Die öffentlichen Behörden sind verpflichtet, den im Voll⸗ zuge dieses Gesetzes an sie ergehenden Ersuchen des Reichs⸗ Versicherungsamts, anderer öffentlicher Behörden, sowie des Genossenschaftsvorstandes, der Sektionsvorstände und der Schiedsgerichte zu entsprechen und den bezeichneten Vorständen auch unaufgefordert alle Mittheilungen zukommen zu lassen, welche für den Geschäftsbetrieb der Genossenschaft von Wich⸗ tigkeit sind. Die gleiche Verpflichtung liegt den Organen der Genossenschaft unter einander ob.

Die durch die Erfüllung dieser Verpflichtungen entstehen⸗ den Kosten sind von der Genossenschaft als eigene Verwal⸗ tungskostei (§. 18) insoweit zu erstatten, als sie in Tagegeldern und Reisekosten von Beamten oder Genossenschaftsorganen, sowie in Gebühren für Zeugen und Sachverständige oder in sonstigen baaren Auslagen bestehen.

Gebühren⸗ und Stempelfreiheit. §. 116.

Alle zur Begründung und Abwickelung der Rechtsverhält⸗ nisse zwischen der Berufsgenossenschaft einerseits und den Versicherten andererseits erforderlichen schiedsgerichtlichen und außergerichtlichen Verhandlungen und Urkunden einschließlich der Unfalluntersuchungsverhandlungen (§. 62) und der vor inländischen Behörden abgelegten Verklarungen, soweit die⸗ selben an die Stelle der Unfalluntersuchungsverhandlungen treten (§. 64), sind gebühren⸗ und stempelfrei. Dasselbe gilt für die behufs Vertretung von Berufsgenossen ausgestellten privatschriftlichen Vollmachten und für die im §. 12 bezeich⸗ neten Streitigkeiten.

Strafbestimmungen

Die Betriebsunternehmer, Mitrheder, Korrespondentrheder und Bevollmächtigten, sowie die Schiffsführer können von dem Genossenschaftsvorstande mit Ordnungsstrafe bis zu fünfhundert Mark belegt werden, wenn in den von ihnen auf Grund statutarischer oder gesetzlicher Bestimmungen ein⸗ gereichten Nachweisungen, oder in der auf Grund solcher Be⸗ stimmungen von ihnen erforderten Auskunft thatsächliche An⸗ gaben enthalten sind, deren Unrichtigkeit ihnen bekannt war oder bei Anwendung angemessener Sorgfalt nicht entgehen

konnte. §. 118.

Betriebsunternehmer, Mitrheder, Korrespondentrheder und Bevollmächtigte, sowie die Schiffsführer, welche der auf Grund gesetzlicher oder statutarischer Bestimmungen ihnen obliegenden Verpflichtung zur Ernennung von Bevollmächtigten und zur Mittheilung des Namens derselben, sowie etwaiger Verände⸗ rungen in der Person derselben an den Genossenschaftsvorstand, zur Anmeldung von Betriebsveränderungen, zur Einreichung von Nachweisungen, zur Ertheilung von Auskunft oder zur Erfüllung der für Betriebseinstellungen gegebenen statutari⸗ schen Vorschriften nicht rechtzeitig nachkommen, können von dem Genossenschaftsvorstande mit Ordnungsstrafe bis zu drei⸗ hundert Mark belegt werden.

Dasselbe gilt bei Zuwiderhandlungen gegen die Ver⸗ pflichtungen bezüglich saß a. der Eintragungen in das Schiffsjournal (§. 57 Ab⸗

b. der Führung der Unfallnachweisung (§. 57 Absatz 2), c. der Mittheilung der Eintragungen (§. 57 Absatz 3),

2

e. der Herbeiführung der Unfalluntersuchungen (§. 62 Absatz 1 und 2),

f. der Abgabe eidesstattlicher Erklärungen (§. 62 Ab⸗

satz 1). §. 119.

Die in den §§. 117 und 118 für Betriebsunternehmer ge⸗ troffenen Strafbestimmungen finden Anwendung:

a. wenn eine Aktiengesellschaft, eingetragene Genossen⸗ schaft, Innung oder andere juristische Person Rheder oder Mit⸗ rheder ist, auf alle Mitglieder des Vorstandes;

b. wenn eine andere Handelsgesellschaft oder eine Kom⸗ manditgesellschaft auf Aktien Rheder oder Mitrheder ist, auf alle persönlich haftenden Gesellschafter.

Im Uebrigen finden die Strafvorsch und 118 auch gegen die gesetzlichen 2 unfähiger Berufsgenossen, sowie gegen die Liquidatoren einer Handelsgesellschaft, Innung oder eingetragenen Genossenschaft Anwendung.

iften der §§. 117

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Vertreter handlungs⸗ §. 120.

Gegen die Strafverfügung des Genossenschaftsvorstandes steht den Betheiligten binnen zwei Wochen, von deren Zu⸗ stellung an, die Beschwerde an das Reichs⸗Versicherungsamt zu.

Die Rheder haften für die ihnen oder dem Schiffsführer auf Grund der §. 117 bis 119 auferlegten Strafen nach Maßgabe der Bestimmungen des §. 86 Absatz 1.

Zuständige Landesbehörden. Zwangsbeitreibung. §. 121.

Die Centralbehörden der Bundesstaaten bestimmen, von welchen Staats⸗ oder Gemeindebehörden die in diesem Gesetz den höheren Verwaltungsbehörden, den unteren Verwaltungs⸗ behörden und den Orts⸗Polizeibehörden zugewiesenen Ver⸗ richtungen wahrzunehmen sind.

Die von den Centralbehörden der Bundesstaaten in Ge⸗ mäßheit vorstehender Vorschrift erlassenen Bestimmungen sind durch den „Deutschen Reichs⸗Anzeiger“ bekannt zu machen. Geldstrafen, welche auf Grund dieses Gesetzes verhängt sind, mit Ausnahme derjenigen, auf welche von den Gerichten erkannt ist, werden in derselben Weise beigetrieben, wie Gemeindeabgaben.

Geldstrafen, über deren Abführung das Gesetz keine Be⸗

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stimmungen enthält, fließen in die Genossenschaftskasse.

Zustellungen.

§. 123. ustellungen, welche den Lauf von Fristen bedingen, folgen durch die Post mittelst eingeschriebenen Briefes. Beweis der Zustellung kann auch durch behördliche Beglaubi⸗ gung geführt werden.

Ausländer, welche nicht im Inlande wohnen, haben einen Zustellungsbevollmächtigten (§. 160 der Civilprozeßordnung) zu bestellen. Wird ein solcher nicht bestellt, so kann die Zu⸗ stellung durch öffentlichen Aushang während einer Woche in den Geschäftsräumen der zustellenden Genossenschaftsorgane oder Behörden ersetzt werden.

Gesetzeskraft.

Die Bestimmungen der Abschnitte II, III, IV, V und VIII, die auf diese Abschnitte bezüglichen Strafbestimmungen, sowie diejenigen Vorschriften, welche zur Durchführung der in diesen Abschnitten getroffenen Anordnungen dienen, treten mit dem Tage der Verkündung dieses Gesetzes in Kraft.

Im Uebrigen wird der Zeitpunkt, mit welchem das Gese in Kraft tritt, mit Zustimmung des Bundesraths durch K liche Verordnung bestimmt.

Mrkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel.

Gegeben Koblenz, den 13. Zuli 1887.

(L. S.) Wilhelm. 8 von Boetiicher.

Wekwei i m a han g. fend die Anmeldung unfallversicherungs⸗ iger Seeschiffahrts⸗ und verwandter Betriebe.

Vom 21. Juli 1887.

Nach §. 22 des Gesetzes, betreffend die Unfallversicherung der Seeleute und anderer bei der Seeschiffahrt betheiligter Personen, vom 13. Juli 1887 (Reichs⸗Gesetzblatt Seite 329), sind die Eigenthümer der unter §. 1 dieses Gesetzes fallenden, in das Schiffsregister nicht eingetragenen Fahrzeuge ver⸗ pflichtet, den für dic letzteren ausgefertigten Meßbriek der Orts⸗ polizeibehörde des Heimathshafens binnen einer von dem Reichs⸗Versicherungsamt zu bestimmenden Frist einzureichen.

Diese Frist vird hiermit auf die Zeit bis zum 1. Sep⸗ tember 1887 einschließlich festgesetzt.

Binnen gleicher Frist haben in Gemäßheit des §. 23 des genannten Gesetzes die Unternehmer der unter §. 1 g. a. O. fallenden Betriebe, welche nicht Seeschiffahrtsbetriebe sind, die Zahl der in ihrem Betriebe durchschnittlich beschäftigten ver⸗ icherten Personen bei der unteren Verwaltungsbehörde anzu⸗ melden.

Im Uebrigen wird wegen Erfüllung der vorbezeichneten Verpflichtungen auf die beigefügte Anleitung hingewiesen.

Berlin, den 21. Juli 1887.

Das Reichs⸗Versicherungsamt.

betre pflich

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d. der Unfallanzeigen (§§. 57 Absatz 4, 58 Absatz 1),

Bödiker.

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h betreffend die Anmeldung unfallversicherungs⸗ pflichtiger Seeschiffahrts⸗ und verwandter Betriebe.

(§§. 1, 22 und 23 des Seeunfallversicherungsgesetzes vom 13. Juli 1887.)

Die Anmeldung ist eine verschiedene, je nach dem

A. Seeschiffahrtsbetriebe (§. 1 Absatz 1 Ziffer 1 des Gesetzes)

oder:

3. andere Betriebszweige, welche zur Seeschiffahrt in naher Beziehung stehen (§. 1 Absatz 1 Ziffer 2 des Gesetzes), in Betracht kommen.

A. Seeschiffahrtsbetriebe.

1) Die Anmeldung hat mittelst Einreichung des Meß⸗ briefs an die Ortspolizeibehörde des Heimathshafens zu er⸗ folgen. Die Verpflichtung hierzu beschränkt sich auf die⸗ jenigen deutschen Seefahrzeuge, welche in das Schisssregister nicht eingetragen sind.

Nicht anzumelden sind daher die registrirten Fahrzeuge, sei es, daß die Eintragung in das Schiffsregister auf Grund gesetzlicher Verpflichtung wie bei den Kauffahrteischiffen von mehr als fünfzig Kubikmeter Bruttoraumgehalt —, oder daß sie wie dies öfters bei kleineren Fahrzeugen der Fall freiwillig stattgefunden hat.

2) Ausgenommen von den Bestimmunger und deshalb nicht anzumelden sind:

a. Seefahrzeuge, welche nicht mehr als fünfzig Kubik⸗ meter Bruttoraumgehalt haben und dabei weder Zubehör eines ß Fahrzeugs -

des Gesetzes

größeren noch auf Fortbewegung dur Dampf oder andere Maschinenkräfte (Gasmotoren, elektrische Motoren ec.) eingerichtet sind,

b. Fischerfahrzeuge jeder Größe und Betriebsart. .3) Nicht versicherungspflichtig und daher nicht anzumelden sind ferner Seeschiffahrtsbetriebe, in denen der Eigenthümer des Fahrzeugs allein und ohne Beihülfe anderer zur Schiffs⸗ besatzung gehörender Personen thätig ist, oder in denen außer einem Lohn oder Gehalt nicht beziehenden Schiffer (Schiff kapitän, Schiffsführer) S

sf Seeleute nicht beschäftigt sind. „Dcoagegen fällt unter das Gesetz ein Fahrzeug, auf welchem ein Familienangehöriger des Unternehmers abgesehen von dessen Ehefrau, welche niemals als von ihrem Ehemann be schäftigte Arbeiterin gilt neben dem das Schiff führenden Unternehmer einen Arbeitsposten als Gehülfe, Maschinist ꝛc. einnimmt, auch wenn dieser Angehörige Lohn oder Gehal nicht bezieht.

4) Als „deutsches Seefahrzeug“ (Ziffer 1) gilt ausschließlich oder vorzugsweise zur Seefahrt benutzte Fahr zeug, welches unter deutscher Flagge fährt (§. 2 Absatz 1 Gesetzes).

Einbegriffen sind daher ebensowohl die zum Erwerb durch Seefahrt bestimmten Schiffe (Kauffahrteischiffe), wie solche Fahrzeuge, welche öffentlichen, wissenschaftlichen oder ähnlichen Zwecken dienen (Postschiffe, Zollkreuzer, Entdeckungsschiffe ꝛc.) ferner auch Lustjachten, die in die offene See gehen, und die in dem Gesetz vom 15. April 1885 (R. G. Bl. S. 89) be⸗ zeichneten für Ausländer im Inlande erbauten Fahrzeuge.

5) Als „Seefahrt“ (Ziffer 4) gilt nicht nur der Verkehr auf See außerhalb der durch §. 1 der Vorschriften über die Registrirung und die Bezeichnung der Kauffahrteischiffe vom 3. November 1873 (R. G. Bl. S. 367) festgesetzten Grenzen, ondern auch die Fahrt auf Buchten, Haffen und Watten der 8 nicht aber auf anderen mit der See in Verbindung stehenden Gewässern, auch wenn sie von Seeschiffen befahren

„Hiernach fallen unter das Gesetz z. B. die Passagier⸗ und

Packetdampfer, welche zum Verkehr unmittelbar an der Nordsee⸗ küste durch das sogenannte Wattenmeer beziehungsweise zur

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„Föhrdefahrt“ benutzt werden, während die —oft größeren

Schiffe, welche ausschließlich oder vorzugsweise die Mündungen Pr Uhsec Ströme befahren, als „Seefahrzeuge“ nicht anzu⸗ sehen sind.

Unwvesentlich ist es ferner, ob ein Schiff, welches über⸗ wiegend zur Fahrt auf dem offenen Meere benutzt wird, ge⸗ legentlich auch Binnengewässer befährt. Es bleibt trotzdem stets ein „Seefahrzeug“, ebenso wie Fahrzeuge, welche aus⸗ schließlich oder vorzugsweise zur Binnenschiffahrt verwendet werden, ihre Eigenschaft als Flußschiffe durch gelegentliche Fahrten auf den Watten oder auf offener See nicht verlieren.

6) „Unter deutscher Flagge fährt“ jedes Schiff, welches die Reichsflagge führt und die Berechtigung hierzu auf Grund des Gesetzes, betreffend die Nationalität der Kauffahrteischiffe und eihre Befugniz zur Führung der Bundesflagge, vom 25. Oktober 1867 (B. G. Bl. S. 35), oder des Gesetzes, betreffend die Registrirung und die Bezeichnung der Kauf⸗ fahrteischiffe, vom 28. Juni 1873 (R. G. Bl. S. 184), oder des Gesetzes, betreffend die Befugniß von Seefahrzeugen, welche der Gattung der Kauffahrteischiffe nicht angehören, zur Führung der Reichsflagge, vom 15. April 1885 (R. G. Bl. S. 89), besitzt oder beim Mangel der Voraussetzungen dieser Gesetze durch Genehmigung einer zu deren Ertheilung zustän⸗ digen Behörde erhalten hat. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob z. B. eine geringe Schiffspart durch Vererbung ꝛc. in das Eigenthum eines Ausländers gelangt ist.

72) Die Pflicht zur Einreichung des Meßbriefs liegt dem Eigenthumer des Fahrzeugs, d. i. dem Rheder, oder seinem gesetzlichen Vertreter ob.

Als Rheder im Sinne des Gesetzes ist auch die Rhederei, sofern eine solche besteht, anzusehen, nicht aber derjenige, welcher ein ihm nicht eigenthümlich gehöriges Schiff zum Erwerb durch die Seefahrt für seine Rechnung verwendet und es entweder selbst führt oder die Führung einem Schiffer anvertraut. (Vergl. dagegen Art. 477 des Handelsgesetzbuchs.)

8) Als „Heimathshafen“ gilt derjenige Hafen, von welchem aus mit dem betreffenden Schiff die Seefahrt betrieben wird.

9) Die Anmeldung mittelst Einreichung des Meßbriefs hat auch dann statrzufinden, wenn der fragliche Seeschiffahrts⸗ betrieb auf Grund anderer Gesetze bereits einer Berufs⸗ genossenschaft zugetheilt ist, wie beispielsweise bei Küsten⸗ fahrern (Watt⸗ und Föhrde⸗Fahrzeugen), welche bereits einer der Binnenschiffahrts⸗Berufsgenossenschaften angehören.

Es ist dies aus dem Grunde erforderlich, weil in der⸗ artigen Fllen die Betriebe, die sich nunmehr als ‚Seeschiff⸗ fahrtsbetriebe“ darstellen, aus der Berufsgenossenschaft, welcher sie seither überwiesen waren, ausscheiden und der neuen Be⸗ rufsgenossenschaft beizutreten haben. (§. 2 Absatz 3 des Gesetzes.) Bei Einreichung des Meßbriefs ist daher vorkommenden⸗ falls auf die bisherige Zugehörigkeit zu einer Berufsgenossen⸗ schaft Bezug zu nehmen und letztere bestimmt zu bezeichnen. B. Betriebszweige, welche zur

naher Beziehung stel (§. 1 Absatz 1 Ziffer 2 des Gesetzes.

10) Die Anmeldungspflicht erstreckt sich auf alle inlän

dischen Betriebe

a. schwimmender Docks und ähnlicher Einrichtungen, b. für die Ausübung des Lootsendienstes, c. für die Rettung und Bergung von Personen oder Sachen bei Schiffbrüchen, d. für die Bewachung, Beleuchtung und Instandhaltung der dem Seeverkehr dienenden Gewäüsser. b 11) Nicht versicherungspflichtig und deshalb nicht anzu⸗ melden sind Betriebe, in welchen außer dem Unternehmer und etwa seiner Ehefrau andere Personen nicht beschäftigt sind. Die Verpflichtung ist dagegen begründet, wenn ein sonstiger Familienangehöriger einen Arbeitsposten im Betriebe versieht. Demgemäß ist ein einzelstehender Lootse, welcher sein Ge⸗ werbe ohne Gehülfen betreibt, zur Anmeldung nicht verpflichtet.