Zlumenstrauß überreichten. Der Kaiser nahm mit huldvollem Lüächeln die Ihm mit den Worten: „Willkommen, Majestät, in
tettin!“ dargereichte duftende Gabe in Empfang und sagte den beglückten jungen Damen Worte des Dankes. Von leicher Huld beseelt zeigte Sich die Kaiserin; die Prinzessin Wilhelm hatte Sich erhoben, um beide Bouquets in Empfang zu nehmen. Besonders rührend war der Jubel der Jugend, die sich im Hochrufen gegenseitig überbot. Von der Höhe der Thürme erklang das Festgeläut der Glocken. Von dem weitläufigen Schlosse, das viele Königliche Be⸗ hörden beherbergt, steht nur ein i kleiner Theil 8 8 das Königliche Hoflager zur Verfügung. Es haben des⸗ halb auch nur Ihre Kaiserlichen Majestäten daselbst mit dem 1.“*“ Wohnung genommen, während Prinz und Prinzessin Wilhelm bei der Frau Geheimen Kommerzien⸗Rath Brumm, Prinz Friedrich Leopold bei dem Kommerzien⸗ Rath Schlutow abgestiegen sind. General⸗Feldmarschall von Moltke genießt die Gastfreundschaft der Frau Dekkert. Auch andere vornehme Familien beherbergen höhere Offiziere aus dem Gefolge. Das Hotel du Nord, die Drei Kronen und das Hotel de Prusse sind fast völlig vom Hof⸗ Marschallamt mit Beschlag belegt worden. 8 In der neunten Abendstunde traten sämmtliche Musiker des II. Armee⸗Corps im Schloßhofe zusammen, um vor des Kaisers enstern den Zapfenstreich auszuführen, dem einige andere Musikstücke vorangingen. Der Schloßhof ist ein mächtiger Raum, in der Mitte bestanden von einigen Linden, welche eine Denksäule des Großen Kurfürsten eschatten; während der Kaisertage ist er gesperrt, nur ür heute Abend hatte man zahlreiche Einlaßkarten ausgegeben. Die Musiker rückten still heran; mit ihnen zogen Träger von Windlichtern, und als sie Aufstellung genommen, flammten plötzlich noch Magnesiumfackeln auf, sodaß für Lichteffekte reich gesorgt war. Die gesammte Aufführung leitete der Armee⸗Musik⸗Inspizient Voigt aus Potsdam. Der Kaiser und ie Kaiserin nahmen am offenen Fenster Platz. Es war das este Zeichen. daß Beiden die Reise nach Stettin gut bekommen st. Ein stürmisches Hoch begrüßte das Kaiserpaar beim Er⸗ scheinen am Fenster; der C.n von „Heil Dir im Sieger⸗ kranz“ bildete den Schluß dieser abendlichen Huldigung. b Am morgenden Dienstag, Vormittags 11 Uhr, gedenkt Se. Majestät der Kaiser die Parade des II. Armee⸗Corps auf em Kreckower Exerzierplatz abzuhalten. Die gesammte Truppenaufstellung, welche der mit der Führung des Armee⸗ Corps beauftragte General⸗Lieutenant von der Burg befehligt, zerfällt in zwei Treffen. Im ersten steht die Infanterie, im zweiten die Kavallerie, die Artillerie und der Train.
Beayern. München, 12. September. (Allg. Ztg.) Der Prinz⸗Regent nahm heute Mittag 12 Uhr in feierlicher Audienz von dem apostolischen Nuntius Ruffo Scilla dessen Akkreditive entgegen.
Württemberg. Stuttgart, 8. September. (St.⸗A. f. W.) Der Bericht der verstärkten volkswirthschaftlichen und der staatsrechtlichen Kommission über den Entwurf eines Gesetzes, betreffend den Eintritt Württembergs in die Branntweinsteuergemeinschaft, ist nunmehr im Druck erschienen. Berichterstatter sind Freiherr von Varnbüler und Dr. Göz. In dem Bericht heißt es:
Die Kommission hat, da das Reichsgesetz für die bestehen de Steuergemeinschaft als ein Ganzes feststeht und für Württemberg nur die Frage vorliegt, ob es demselben als solchem beitreten wolle oder nicht, eine kritische Behandlung des Gesetzes im Einzelnen nicht zu ihrer Aufgabe gemacht. Ueber die in Betracht kommenden staatsrechtlichen Gesichtspunkte hat der Berichterstatter Dr. Göz Folgendes vorgetragen: Gemäß Art. 35 Abs. 2 der Reichs⸗ verfassung ist in Württemberg die Besteuerung des inländischen Branntweins der Landesgesetzgebung als Sonderrecht vorbehalten. Der Eintritt des Königreichs Württemberg in die Branntweinsteuer⸗ gemeinschaft hat die Aufhebung der derzeitigen Landesgesetze bezüglich der Besteuerung des Branntweins und den Verlust des diesfalls in der Reichsverfassung für Württemberg vorbehaltenen Sonder⸗ rechts zur Folge. Allerdings ist beim Eintritt in die Brannt⸗ weinsteuergemeinschaft für Württemberg eine besondere bevorrechtete Stellung insofern vorgesehen, als die Vorschrift des §. 39 Abs. 1 des Reichsgesetzes, wonach der Reinertrag der Verbrauchsabgabe den einzelnen Bundesstaaten nach Maßgabe der matrikular⸗ mäßigen Bevölkerung zu überweisen ist, gegenüber einem der in die Branntweinsteuergemeinschaft neu eintretenden Staaten nur mit dessen Zustimmung abgeändert werden kann; desgleichen eine Abänderung der Bestimmungen des §. 47 Abs. 2 des Reichs⸗ Plebes, wonach für Württemberg die Gesammtjahresmenge von
ranntwein, welche zu dem niedrigeren Abgabesatze hergestellt werden darf, auf 311 reinen Alkohols für den Kopf der Bevölkerung be⸗ messen, sowie die Austheilung dieser Gesammtjahresmenge auf die einzelnen Brennereien und die Erhebung und Verwaltung der auf den Branntwein gelegten Abgaben und Steuern den Landes⸗ behörden überlassen ist, der ausdrücklichen Zustimmung Württem⸗ bergs bedarf. Wenn so auch das bisherige württembergische Branntweinsteuer⸗Sonderrecht mit dem Eintritt Württembergs in die Branntweinsteuergemeinschaft nicht eine vollständige Aufhebung, sondern nur eine Umwandlung erleidet, so handelt es sich dabei doch um einen Verzicht auf das Sonderrecht in seiner jetzigen, durch die Reichsverfassung bestimmten Gestalt und zugleich um eine wesent⸗ liche Einschränkung des bisherigen Inhalts dieses Sonder⸗ rechts. Es wirft sich daher zunächst die Frage auf, ob die Regie⸗ rungsvorlage den zur Aufhebung eines reichsverfassungsmäßigen Sonderrechts erforderlichen formellen Voraussetzungen genügt. Es ist unzweifelhaft, daß zur Rechtsgültigkeit des Verzichts auf ein württembergisches Sonderrecht die Zustimmung des württembergischen Bevollmächtigten im Bundesrath ausreicht und die Zustimmung der württembergischen Landesvertretung nicht erforderlich ist; da⸗ gegen besteht Meinungsverschiedenheit darüber, ob nicht die württembergische Staatsregierung im Hinblick auf den §. 85 der Ver⸗ fassungsurkunde und ihre landesverfassungsmäßige Verantwortlichkeit verpflichtet ist, vor dem Verzicht auf ein Sonderrecht die Ein⸗ willigung der Stände einzuholen. Im vorliegenden Fall will die Königliche Staatsregierung sich zuvor der Uebereinstimmung mit der Landesvertretung vergewissern, und hat hierfür nach dem Vorgan Badens, dem auch Bayern sich anschließen wird, und da es sich um eine besonders wichtige Steuerfrage und die Außerkraftsetzung eines neueren Landesgesetzes handelt, die Form des Gesetzes gewählt. Hiermit sind jedenfalls bei der allein in Frage stehenden Aufhebung des Branntweinsteuer⸗Sonderrechts die Rechte der Landstände ge⸗ wahrt, eine prinzipielle Erörterung der vorbezeichneten Streit⸗ frage kann unterbleiben, da die Regierungsvorlage den weitestgehenden formell rechtlichen Anforderungen entspricht. Des Weiteren behandelt der Bericht die Frage, ob nicht der vor⸗ liegende Gesetzentwurf eine Abänderung der württembergischen Ver⸗ fassung enthalte und daher die rechtliche Natur eines Verfassungs⸗ gesetzes trage, dessen Annahme die qualifizirte Mehrheit des §. 176 der Verfassungsurkunde in beiden Kammern erfordere. Der Bericht verneint diese Frage. — Zu der Frage übergehend, ob n Verzicht auf das Sonderrecht der selbständigen Branntweinbesteuerung nach dessen innerer und politischer Bedeutung materielle staatsrechtliche Bedenken entgegenstehen, sagt der Bericht:
3 für die Hoheitsrecten auf. 8 ttembergischen Staats, für das staats⸗ rechtliche und politischen Verhältniß der württembergischen Staatsgewalt zum Reich keine hervorragende oder gar aus⸗ schlaggebende Bedeutung; es haben auch nicht staatsrechtliche und politische Gründe, sondern wirthschaftliche Erwägungen, insbe⸗ sondere die Verschiedenheit der Produktion, des Verbrauchs und der seinerzeitigen Besteuerung zur Begründung des Sonderrechts geführt. Somit wird auch diese Frage verneint. — Der Bericht behandelt sodann die Frage, ob der Beitritt den wirthschaftlichen Interessen Württembergs entspreche, und erwägt, welchen Einfluß derselbe auf die Branntwein⸗Industrie in Württemberg haben wird, ob die aus der Besteuerung des Branntweins zu erwartende Stei⸗ gerung der Branntweinpreise einen Grund gegen denselben abgebe, endlich inwiefern die finanziellen Wirkungen des Gesetzes bei der vorliegenden Frage ins Gewicht fallen. Das Er⸗ gebniß dieser Untersuchungen des Kommissionsberichts kommt im Wesentlichen auf dasselbe hinaus, was in der Begründung der Regierungsvorlage gesagt ist, der Kommissionsbericht hebt in gleicher Weise alle die Vortheile des Beitritts hervor, die auch in den Regie⸗ rungsmotiven schon ausgeführt sind. Das Ergebniß wird folgender⸗ maßen zusammengefaßt: Die in Württemberg bestehende Branntwein⸗ brennerei wird in Folge des Reichsgesetzes nicht nur nicht mehr be⸗ schränkt als bisher, sondern dieses gewährt namentlich den kleinen und mittleren Brennern einzelne nicht unwesentliche Erleichterungen, welche in die Hand der wüͤrttembergischen Verwaltung gelegt sind. Die Konkurrenz des norddeutschen Sprits wird erleichtert, dem gegenüber stehen aber Steuererleichterungen der württembergischen Brenner, welche sich an die kleinere Ausdehnung der einzelnen Brennerei knüpfen; in der auch nach der Steuererhöhung verbleibenden Steuerdifferenz zwischen Engros⸗ und Detailpreis liegt kein zwingender Grund für empfindliche Erhöhung des letzteren; aber auch, wenn diese einträte, läge darin kein Nachtheil, insofern sie auf Maßhalten im Genuß hinwirkte. Man vergegenwärtige sich, daß das deutsche Volk jährlich für Branntweintrunk ausgiebt 500 920 000 ℳ, für geistige Getränke überhaupt 1 711 405 000 ℳ — Der Reinigungszwang des Branntweins ist eine höchst wohlthätige Maßregel für die sittlichen, gesundheitlichen, wirth⸗ schaftlichen Interessen des deutschen Volks; die großen aus dem Gesetz sich ergebenden Einnahmen werden dem Deutschen Reich und den deutschen Bundesstaaten Erleichterungen gewähren und Aus⸗ gaben ermöglichen, welche die allgemeinen Interessen zu fördern ge⸗ eignet sind; — in dem Beitritt Württembergs zu dem Reichsgesetz liegt ein bedeutsamer, dessen Interessen in keiner Weise schädigender Schritt weiterer Einigung, ein Ereigniß von nationaler Bedeutung.
Hienach beantragt die Kommission mit allen Stimmen gegen diejenigen der Herren Propst, Becher, Stockmayer welche beide Letzteren sich ihre Abstimmung vorbehielten): die ammer der Abgeordneten wolle auf die Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend den Eintritt Württembergs in die Branntweinsteuergemeinschaft, eingehen und demselben ihre Zustimmung ertheilen.
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 12. September. (Th. C.) Der Großherzog, welcher noch in Scheveningen weilt, besuchte am Sonnabend von dort aus Rotterdam, um die Stadt und namentlich die neuen Hafenanlagen in Augenschein zu nehmen. Nach der Rückkehr wird Se. König⸗ liche Hoheit auf der Wartburg Aufenthalt nehmen. Die Groß⸗ herzogin ist am 10. auf Schloß Heinrichau in Schlesien eingetroffen, woselbst auch der Erbgroßherzog Aufenthalt nehmen wird. Die Erbgroßherzogin, welche zur Zeit in Cortina verweilt, ist erfreulicher Weise in ihrem Befinden so gekräftigt, daß die Rückkehr derselben hierher Ende Oktober stattfinden wird.
Bremen, 12. September. (W. T. B.) Prinz Ludwig von Bayern traf heute Nachmittag von Wilhelmshaven hier ein, besichtigte unter Führung des bayerischen Konsuls die hiesigen Sehenswürdigkeiten und wollte spät Abends die Reise fortsetzen. 8 8 “ 1— 1.“
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 13. September. (W. T. B.) Der Statthalter in Elsaß⸗Lothringen, Fürst Hohenlohe, ist “ mit seiner Gemahlin von hier nach Warschau abgereist.
Großbritannien und Irland. London, 12. September. (W. T. B.) Im Unterhauf e erklärte heute der Unter⸗ Staatssekretär des Auswärtigen, Fergusson, auf eine bezügliche Anfrage: der englische Konsul in Samoa sei angewiesen worden, strenge Neutralität zu beobachten. Die englische Regierung habe von der deutschen die Versicherung erhalten, daß die auswärtigen Be⸗ ziehungen Samoas, speziell die der drei Vertragsmächte von der Aktion Deutschlands nicht berührt würden. — Der Staats⸗ sekretär für Irland, Balfour, theilte mit, daß bei einem in der vergangenen Nacht in Lisdoonvarna erfolgten Angriff auf eine Bande von „Mondscheinlern“ ein Polizei⸗Ober⸗ Konstabler getödtet und zwei Konstabler schwer verwundet worden seien. Fünf „Mondscheinler“ seien in dem Hause des Pächters, den sie überfallen hatten, verhaftet worden. wei weitere Individuen, welche identifizirt werden önnten, seien heute zur Haft gebracht worden. Bei der Debatte über den Antrag auf Eintritt in die Einzelberathung des Finanzgesetzes protestirte Har⸗ court sehr energisch gegen die Einmischung der Regierung in das öffentliche Versammlungsrecht, wozu dieselbe nach dem gemeinen Recht durchaus nicht befugt sei. England dürfe eine Vergewaltigung des Versamm⸗ lungsrechts nicht dulden. Der General⸗Sekretär für Irland, Balfour, erwiderte: Buller habe seinen Posten als Unter⸗Staatssekretär für Irland nicht wegen Mei⸗ nungsverschiedenheit niedergelegt, sondern weil derselbe auf seinen früheren Posten zurückkehren wolle. Im Jahre 1882, als Forster, 8g und Spencer im Amt waren, seien über 130 Versammlungen unter der Herrschaft des ge⸗ meinen Rechts untersagt worden. Er könne nur wieder⸗ helen, daß bei den Vorgängen in Mitchelstown die
olizei lediglich in Selbstvertheidigung gehandelt habe, und daß ihr Vorgehen vollständig gerechtfertigt gewesen sei. Die nectednn werde unentwegt bei ihrer Politik beharren, um den sozialen Beschwerden abzuhelfen und die Ordnung mit Festigkeit aufrecht zu 8 G6“ Politik werde es schließlich doch gelingen, die Irländer zu ver⸗ söhnen. — Worms erklärte auf Befragen: das Handels⸗ amt habe keine Nachricht erhalten, daß viele Personen auf dem Kontinent in Folge des Genusses von Hamburger Sheg an Trichinose leiden. Das Lokal⸗Perwaltungsamt 88 e 1881 eine Instruktion vhinsichtlic der Trichinose erlassen. as die Ein n uhr von trichinosem Fleisch anlange, so sei es Sache der Zollbehörden, das Geeignete zur Abwehr zu ver⸗ anlassen. er Marine⸗Minister erklärte, es sei ihm
Wie dem „Reuterschen Bureau’“ aus Bombay, heutigen Tage, gemeldet wird, soll nach einer Depesch ausz Kabul der Emir von ö auf seiner Sommer⸗ residenz in Paghman ernstlich erkrankt sein; Eyub Khan soll sichl in Kilai⸗Salar befinden.
— 13. September. (W. T. B.) Im weiteren Verlauf der gestrigen Sitzung des Unterhauses wurde der Antrag P die Debatte zu vertagen, mit 228 gegen
zelnen Paragraphen des inanzgesetzes ange⸗ nommen. Das Haus nahm hierauf sämmtliche Amendementz zu der Vorlage, betreffend den Betrieb von Kohlen⸗ und anderen Bergwerken, an.
Als die Polizei in vergangener Nacht bei einer unter den Dorfbewohnern von Ballyponeen nahe bei Mitchelstomn einschreiten wollte, wurde sie von einem Volkshaufen angegriffen und in die Kaserne zurück⸗ gedrängt. Von hier aus gab sie zwei Flintenschüsse ab. E wurde Niemand verwundet, die Menge ergriff indeß die Flucht, Vier Personen wurden verhaftet.
Cork, 12. September. (W. T. B.) O’Brien erschien heute vor dem hiesigen Gerichtshof. Derselbe wurde auf den Straßen von einer großen Volksmenge mit lebhaften Ovationen begrüßt. Nach der ersten Vernehmung wurde die weitere Verhandlung vertagt und O' Brien in das hiesige Gefängniß abgeführt. — Der Prozeß gegen O'Brien vd bis zum 23. d. M. vertagt. O Brien soll dann vor dem Ge⸗ richt in Mitchelstown erscheinen.
Frankreich. Paris, 11. September. (Fr. C.) Dee Rede, welche der Kriegs⸗Minister Ferron bei dem zum Schluß der Divisionsmanöver in Castelnaudary ge⸗ gebenen großen Diner hielt, lautete:
„Meine Herren! Ich bringe einen Toast aus auf das XVII. Corps und seinen tapferen und erfahrenen Führer. Die Probe, die Sie, mein lieber General, durchgeführt haben, war von Anfang bis zu Ende eine delikate. Ohne Zweifel haben wir Militärs, die wissen, mit welch peinlicher Genauigkeit die auf die Mobilmachung bezüglichen Instruktionen von 1878 und 1879 ausgearbeitet, wurden, welche Instruktionen seit⸗ her nur wenige Veränderungen erlitten, mit welchem Eifer sie von den militärischen Führern studirt und angewendet werden, ohne Zweifel haben wir gute Gründe, Vertrauen zu hegen. Allein, man muß diet wohl sagen, unser Vertrauen wurde weder vom Parlament noch vom Lande getheilt; es herrschte noch ein fast allgemeines Zweifeln, und dieses Zweifeln war für uns ein Grund der Schwäche. So lange ich Minister sein werde, werde ich nichts, gar nichts vernachlässigen, damit im Inlande oder im Auslande kein Zweifel über die Militärmacht Frankreichs bestehen kann. Ich habe daher mit Eifer das von meinem Vorgänger ein⸗ gebrachte Gesetzesprojekt, einen Mobilmachungsversuch zu unternehmen, aufgenommen. Ich mußte dasselbe jedoch abändern, denn eine einfache Einberufung des Armee⸗Corps hätte keine Schlußfolgerungen gestattet, und die Einberufung der Landwehr hätte uns nichts gezeigt, dabei aber die wirthschaftlichen Interessen der Gegend schwer geschädigt, Dieser Einberufung der Landwehr habe ich die Einschiffung des ganzen mobilisirten Armee⸗Corps in die Eisenbahn fast unter den nämlichen Bedingungen, wie bei einer wirklichen Konzentrirung, und mehrtägige Manöver mit ernstlichen Fortsetzungen des Krieges vorgezogen. Dieses Projekt war nicht neu, es war von dem Großen Generalstab im Jahre 1882, da ich Sous⸗Chef desselben war, ausgearbeitet worden, und nur bud⸗ getäre Erwägungen haben die Minister, die aufeinander gefolgt sind, verhindert, dessen Verwirklichung zu verlangen. Der Versuch, iden Sie durchgeführt, gestattet uns folgende trostvolle Konstatirungen: vor⸗ erst den patriotischen Eifer aller Civilbehörden für die Vollendung einer großen Pflicht, wrlchem Eifer ich glücklich bin, meine An⸗ erkennung zu zollen, sodann die Hingebung unserer schönen Bevöl⸗ kerungen des Südens, die so lebhaft, so intelligent sind, von denen man alles verlangen kann, wenn es sich um das geheiligte Interesse des Vaterlands handelt. Dieser Versuch gestattet uns, noch einmal wieder die außerordentliche Gewandtheit unserer Eisenbahn⸗Direktoren zu kon⸗ statiren und den Eifer des unter ihren Befehlen stehenden Personals lobend zu erwähnen. Dank diesem Eifer, dieser Gewandtheit war der Versuch so schlüssig als möglich, ohne in hohem Grade den Handels⸗ interessen des Landes zu schaden. Trotz einiger Schwierigkeiten im Detail haben wir konstatirt, daß unsere Einheiten der ersten Linie zu gelegener Zeit in den von den Marsch⸗ vorschriften angegebenen Stunden bereit gewesen wären. Nach dem Manöver, dem ich beigewohnt, hege ich die Zuversicht, daß unsere Offiziere die Kriegs⸗Compagnien der Infanterie mit Erfolg in den Kampf führen werden. Die Probe, an welcher das Parlament und die Nation zweifelten, ist von Ihnen, mein General, durchgeführt worden. Der Zweifel, diese Ursache der Schwäche, die uns bedrückte, ist verschwunden. Meine Sache ist es nun, die durch die Gesammtheit der Operationen zu Tage getretenen Unvollkommen⸗ heiten zu verbessern.é Ich werde dieser Aufgabe gerecht werden. In Namen des Präsidenten der Republik, im Namen der Regierung und des Landes danke ich Ihnen, mein lieber General, und bitte Sie, den unter Ihren Befehlen stehenden Truppen den Ausdruck meiner vol⸗ kommenen Befriedigung zu übermitteln.“
Bulgarien. Sofia, 12. September. (W. T. B.) Ein Telegramm der „Agence Havas“ meldet: Die Regierung beabsichtigt gegen den Präfekten von Rustschuk, dessen Verhalten zahlreiche Reklamationen Seitens der Konsuln ver⸗ anlaßt hat, vorzugehen, und hat denselben aufgefordert, sich über die gegen ihn vorliegenden Beschwerden zu äußern. Einem Telegramm des „Reuter'schen Bureaus“ zufolge fand am 12. auf dem Platze an der Kathedrale zu Sofia ein von Personen besuchtes Meeting der nationalen Partei statt, bei welchem Stojanow und Voltschew sprachen. Letzterer schlug eine Resolution vor, in welcher gesagt wird, daß man dem Prinzen von Coburg in seinen Bestrebungen für das Wohl Bulgariens bis zum Aeußersten beistehen müsse. Hiernach begab sich ein großer Volkshaufe zum Hause Karawelow's, in welchem die Fenster eingeworfen wurden. Die Gendarmerie griff, den Haufen wiederholt an, und, wie es heißt, wurden dabei mehrere Personen, sowie einige Gendarmen verwundet. Die Menge zog hierauf nach der Druckerei der Zeitung „Tirnowska Constitutia“, zerbrach auch hier die Fensterscheiben und riß das Schild herunter, wobei gerufen wurde: „Nieder mit den Verräthern!“ Sodann begab ich die Menge nach dem Palais des Prinzen und brachte demselben lebhafte Ovationen dar, nachdem die auf dem Meeting beschlossene Resolution verlesen worden war. Der Prinz dankte und sagte: „Liebet mich, seid Patrioten! Es lebe Bulgarien!“
Rußland und Polen. St. Petersburg, 13. Sep⸗ tember. (W. T. B.) Der diesseitige Botschafter am Berliner Hofe, Graf Schuwalow, ist zum General der Infan⸗ terie befördert worden. Das „Journal de St. Pétersbourg“ sagt bezüglich der Erwiderung der „Nordd. Allg. Ztg. auf die Auslassung der „Kölnischen Ztg.“ über die Stellung Deutschland⸗ zu Rußland in der bulgarischen Frage:
nicht bekannt, daß für die Flotte Kontrakte über Speckliefe⸗
Das Recht der la ekgesetzlichen Branntweinbesteuerung an sich habe
rungen in Hamburg abgeschlossen worden seien.
nehmen mit Befriedigung von dieser freimüthigen Erklärung Akt, welche sicherlich nicht allein an die „Kölnische Ztg. gerichtet ist. Die Erklärung kann zu gleicher Zeit auch
vom
7 Stimmen und die Berathung der ein⸗
„Wir
die Angriffe gewisser deutscher Blätter gegen die russische Politik und gewisser russischer Blätter gegen die deutsche Politik dienen. Daraus, daß bei einer so hervorragend wichtigen Frage sich die beiden Mächte, deren Politik nicht von einem Tage zum andern lebt, in ihren Urtheilen und ihrer Aktion begegnen, folgt weder, daß die eine Macht die Unterstützung der andern mit Mißtrauen ansieht, noch daß die eine sich im Schlepptau der anderen befindet. Was würde aus dem Frieden der Welt werden, wenn dieses Mißtrauen das höchste und alleinige Gesetz jeglicher Politik wäre?“
— 13. September. (W. T. B.) Wie der ,Nordischen Telegraphen⸗Agentur“ aus Merw auf Grund neuester und zuverlässiger Informationen mitgetheilt wird, ist Eyub Khan nicht auf persisches Gebiet zurückgedrängt, sondern befindet sich, geschützt von einer zahlreichen Anhängerschaft, unweit Herat.
Dänemark. Kopenhagen, 12. September. Der Namenstag des Kaisers von Rußland wurde hier estern mit großen Feierlichkeiten begangen. Schon am frühen orgen zeigten sich die russischen Schiffe „Derjawa“ und Czarewna“, die englische Nacht „Osborne“, der französische Marinekreuzer „Chateaurenault“ sowie die dänische Fregatte Själland“ und die Königsyacht „Danebrog“ im reichsten 4 laggenschmuck; später folgten viele auf der Rhede und im Häfen “ Gen delaschiff diesem Beispiel. Kurz vor 11 Uhr brachte
als Antwort auf
in Ertrazug die Königliche Familie nebst allen Gästen 8 Fredensborg nach der Hauptstadt; von der Eisenbahn⸗ station fuhren Alle sofort in Gala⸗Equipagen nach der russischen Kapelle in der Breitenstraße, wo aus Anlaß des Tages eine Dankmesse stattfand. Außer den Kaiserlichen und Königlichen Herrschaften wohnten die Mitglieder der russischen Gesandtschaft, die russischen Konsuln, sowie eine große Anzahl russischer Marine⸗Offiziere und Matrosen dem Gottesdienst bei. Nach Beendigung des⸗ selben fand an Bord der Nacht „Derjawa“ ein Gala⸗Dejeuner statt, zu welchem auch mehrere der höchsten Offiziere der dänischen Armee und der Flotte sowie sämmtliche Offiziere der dänischen Leibgarde, deren Ehren⸗Oberst der Czar ist, geladen worden waren. Während der Ueberfahrt der hohen Herrschaften nach der russischen Nacht gaben alle Kriegs⸗ schiffe und die Batterie Sixtus Kaiserlichen Salut. Bei dem Dejeuner toastete, wie die „Nat.⸗Tid.“ berichtet, der König von Dänemark auf den Kaiser von Ruß⸗ land und dieser dann auf den König von Dänemark, den König von Griechenland und den Prinzen von Wales. Bei jedem Toast spielte die russische Marinekapelle die betreffende Nationalhymne, während die Kanonen der „Derjawa“ salu⸗ tirten. Zahllose Fahrzeuge aller Art umschwärmten die russische Kaiseryacht. Um 2 ½ Uhr begab sich die hohe Gesellschaft wieder von Bord und fuhr gleich nach der Landung nach dem Centralbahnhof, auf dem Wege durch die Stadt von der Bevölkerung lebhaft be⸗ grüßt. Der Kaiser von Rußland, der sehr wohl aussah, dankte ununterbrochen für die ihm dargebrachten Huldigungen. Ein Ertrazug führte die hohen Herrschaften nach Fredensborg zurück. Am Abend wurden die beiden russischen Nachten durch Lampions prachtvoll illuminirt.
Amerika. Philadelphia, 8. September. (A. C.) In Philadelphia werden großartige Vorbereitungen zur Feier des hundertjährigen Bestehens der Ver⸗ assung der Vereinigten Staaten, am 17. September 1887, getroffen. Das Fest wird drei Tage dauern und am Donnerstag, den 15. September, seinen Anfang nehmen. Der große Zug wird mehr als zehn (englische) Meilen lang sein, und es sollen darin die Fortschritte der Industrie Amerikas in dem verflossenen Jahrhundert dargestellt werden. Alle Gouverneure der Staaten der Union werden nach Philadelphia kommen, und es wird ihnen zu Ehren ein Banquet veranstaltet werden. Der Präsident Cleveland wird am Donnerstag eintreffen und am Freitag eine Repue über 30 000 Mann Bundestruppen und Milizen, über welche General Sheridan den Befehl führen wird, abnehmen. Von allen Theilen des Landes werden Kriegervereine zur Feier hierher kommen. Am Donnerstag Abend wird Präsident Cleveland einem vom Bürgercomité gegebenen Fest⸗ mahl beiwohnen. Am Sonnabend soll unter dem Vorsitz des Präsidenten eine Versammlung unter freiem Himmel, auf dem Unabhängigkeitsplatz, stattfinden, wobei Richter Miller vom obersten Gerichtshof die Rede halten wird. Der Chor, welcher an dem musikalischen Theil der Feier mitwirkt, sähc 600 Stimmen. Bischof Potter von New⸗York, der Bischof der englischen Hochkirche, wird die Versammlung mit Gebet eröffnen, und der katholische Kardinal Gibbons am Schluß den Segen sprechen. Der Präsident wird am Sonnabend Nachmittag Gaßt der hibernischen Gesell⸗ schaft sein und am Abend einem von der Universität von Pennsylvanien veranstalteten Banquet beiwohnen.
Zeitungsstimmen.
In dem „Bromberger Tageblatt“ lesen wir:
Ueber die Wirksamkeit des Unfallversicherungsgesetzes haben wir bereits einige gutachtliche Aeußerungen, welche uns in den seither er⸗ schienenen Handelskammerberichten für 1886 entgegentraten, unseren Lesern mitgetheilt. Auf diese Aeußerungen ist um so mehr Werth zu legen, als sie aus Kreisen stammen, denen das Gesetz nicht zum ge⸗ ringen Theil inmitten einer sehr ungünstigen Geschäftslage, erhebliche Opfer auferlegte, Opfer, welche jedoch mit Bereitwilligkeit über⸗ nommen wurden in der Hoffnung, den bestehenden sozialen Miß⸗ verhältnissen auf diese Weise eine tiefeingreifende Abhülfe zu gewähren.
Für wichtige Theile des ee. lagen bei Abschluß der 1886er Handelskanmier ferichie noch keine Erfahrungen vor, namentlich fehlen dieselben in Bezug auf die Unfallverhütungs⸗Vorschriften, die Ge⸗ fahrentarife, das Umlageverfahren u. s. w. Doch genügt die bisherige Entwickelung, um das Gefühl der Befriedigung darüber zum Aus⸗ druck zu bringen, daß, wie der Handelskammerbericht eines rheinischen Industriebezirks es mit freudigster Anerkennung ausspricht, „durch die sozialpolitische Gesetzgebung endlich den verbitterten Prozessen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern wegen Schadenersatzes auf Grund des Haftpflichtgesetzes Einhalt gethan ist und die Verletzten und deren Hinterbliebene ihre Entschädigung nicht mehr auf Grund eines zivilrechtlichen Schadenanspruchs erhalten, sondern auf Grund einer öffentlich⸗rechtlichen Feifächerxheng ohne Rücksicht darauf, ob und wessen Verschulden den Unfall herbeigeführt hat, namentlich ob etwa dem Beschädigten eine Fäeläsligkeit beizumessen ist.“ .“
In welcher Weise die 2 Fenfageg senschoften selbst die ihnen durch das Gesetz zugewiesene Thätigkeit auffassen, erhellt u. A. aus folgendem Vorgange.
Eine Berufsgenossenschaft hatte die Betriebsunternehmer durch
Betriebsunternehmer fragte darauf bei der Berufsgenossenschaft an, inwieweit ein gesetzlicher Zwang auf den Arbeiter dahin ausgeübt werden könne, daß er seinerseits die Wiederherstellung seiner Erwerbsfähigkeit zur Anzeige bringe. In der Antwort der Berufsgenossenschaft wird nun zunächst ausgeführt, daß ein solcher Zwang nicht besteht, daß aber des Weiteren die den Betriebsunternehmern ausgesprochene Bitte neben der Absicht der Arbeit⸗ und Kostenersparniß den Zweck im Auge hätte: „durch die Ueberwachung der Verunglückten bei den Herren Betriebsunternehmern ein gewisses Interesse für dieselben zu erwecken. Der Gesetzgeber ist bei Abfassung des Unfallversicherungs⸗ gesetzes von der Grundidee beseelt gewesen, dem Arbeiter nicht nur die materielle Wohlthat zu erweisen, sondern auch demselben die Fürsorge des Arbeitgebers für sein Wohl vor Augen zu führen. Dieser Zweck wird aber nicht nur durch Gewährung von Geldunter⸗ stützungen erreicht, sondern in erster Linie dadurch, daß der Arbeiter die Sorge des Brodherrn für seine materiellen Interessen erkennt.“ Die Ueberwachung der Verunglückten habe nicht nur den Zweck, die Berufsgenossenschaft vor unnöthigen Entschädigungsansprüchen zu schützen, sondern auch, dem geschädigten Arbeiter durch zweck⸗ entsprechende Behandlung und rechtzeitiges Vorbeugen sein kostbarstes Gut, seine Gesundheit, zu erhalten und wieder herzustellen. Diese Ueberwachung aber falle in erster Linie dem auch durch materielle Interessen verpflichteten Arbeitgeber zu. Dieser Vorgang beweist, daß die Gesichtspunkte, welche die Kaiserliche Botschaft von 1881 als Ausgang und Ziel ihrer Bestre⸗ bungen aufstellte, mehr und mehr anerkannt und gepflegt werden. Die Fürsorge für die arbeitenden Klassen sollte nach dem Willen des Kaisers die Erfüllung der Pflicht christlicher Nächstenliebe sein, welche alle Berufsstände der Nation, und zwar gerade für die Tage von Noth und Gefahr, dauernd umschließen soll. Jene Kundgebung aus berufsgenossenschaftlichen Kreisen zeigt, wie diese Auffassung Boden gefunden und hoffentlich wachsend Gemeingut des ganzen Volkes werden wird.
Im Ganzen beschränken die in den Handelskammerberichten vor⸗ liegenden Stimmen sich darauf, die allgemein wohlthätige Wirkung des Gesetzes zu konstatiren. Einzelne Wünsche, welche dabei zum Ausdruck gelangen, über die 13wöchentliche Karenzzeit, über den Um⸗ stand, daß nicht alle Unfälle unter das Gesetz fallen und die Arbeit⸗ geber daher für diese dennoch bei Privatgesellschaften versichern müssen, u. s. w., sind schon bei den Berathungen im Reichs⸗ tage in der Presse ausgiebig zur Erörterung gelangt, ihre Er⸗ füllung wird erst an der Hand längerer praktischer Erfahrungen mög⸗ lich sein, wie denn die Verbesserungsfähigkeit des Gesetzes von Anfang an von keiner Seite in Zweifel gezogen worden ist.
Einstweilen genügt es, die erfreuliche Thatsache zu verzeichnen, daß die Wohlthaten desselben im Volke verstanden, und daß das Gesetz von seinen zunächst berufenen Pflegern, den Berufsgenossen⸗ auch nach seiner sittlichen Seite hin gewürdigt und gehand⸗ habt wird.
— Der „Reichsbote“ schreibt: “
Man geht aber jetzt von freihändlerischer Seite — selbst auf die Gefahr hin, sich lächerlich zu machen — so weit, zu behaupten, daß die deutschen Landwirthe in Mecklenburg, Ost⸗ und Westpreußen sich beklagten, „durch die Zölle“ sei ihnen der englische Markt zerstört worden. Wenn dies wahr wäre, so müßte doch von ihrem Getreide Zoll in England erhoben werden; wenn dies aber nicht der Fall ist, so kann ihnen auch nicht „durch die Zölle“ der englische Markt zerstört worden sein; wohl aber hat, sofern dieser englische Markt bestand, die Konkurrenz denselben zerstört; wie man ebenfalls durch die Konkurrenz, welche den deutschen inneren Markt „erschwerte oder vielmehr zer⸗ störte“, genöthigt worden war, den englischen aufzusuchen. Klar ist aber ohne Zweifel, daß man in Deutschland sich gegen die dringendsten Pflichten der Selbsterhaltung versündigt haben würde, wenn man dem ruhig zug esehen hätte. War es schon schlimm genug, daß die fremde Konkurrenz der heimischen Produktion zum Theil ihren nächsten Markt streitig machen und sie nöthigen konnte, sich in der e Ersatz zu suchen, so war es allenfalls erträglich, so lange dieser Ersatz noch da war. Allein dieser Ersatz durch die ameri⸗ kanische und indische Konkurrenz verschwand, so mußte doch wohl gegen die fremde Konkurrenz im eigenen Lande der Grund⸗ satz, daß sich Jeder selbst der Nächste ist, in Anwendung kommen. Wenn selbst behauptet werden könnte, daß die Schutzzölle eine Erhöhung der Verkaufspreise für Getreide in Deutschland nicht hervorgebracht haben: so haben sie jedenfalls die fremde Konkurrenz im Lande gemäßigt. Wenn, wie behauptet wird, die deutsche Landwirthschaft ihren Exportmarkt für Getreide verloren habe — was doch unmöglich durch unsere Einfuhrzölle, sondern nur durch das Ueberwiegen der Konkurrenz geschehen sein kann: — was sollte erst aus ihr werden, wenn wir diese Konkurrenz auch im Innern schalten und walten ließen ohne Schranken und Maß? Wir würden wahrscheinlich jetzt schon kaum noch zwei Drittel unseres Getreide⸗ bedarfs bauen können. ...
6 Statistische Nachrichten.
Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheits⸗ amts sind in der Zeit vom 28. August bis 3. September cr. von je 1000 Bewohnern, auf den Jahresdurchschnitt berechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin 25,0, in Breslau 30,5, in Königsberg 33,3, in Köln
—, in Frankfurt a. M. —, in Wiesbaden 10,9, in Hannover —, in Kassel 13,4, in Magdeburg 28,1, in Stettin 22,9, in Altona 28,1, in Straßburg 28,6, in Metz 20,1, in München 26,6, in Nürnberg 26,5, in Augsburg 17,8, in Dresden 30,3, in Leipzig 20,3, in Stuttgart 17,0, in Karlsruhe 16,9, in Braunschweig 19,4, in Hamburg 29,6, in Wien 19,4, in Pest 32,2, in Prag 26,0, in Triest 33,4, in Krakau 28,5, in Amsterdam 19,1, in Brüssel 22,8, in Paris 21,0, in Basel —, in London 16,6, in Glasgow 19,2, in Liverpool 20,4, in Dublin 37,5, in Edinburg 17,6, in Kopenhagen 24,4, in Stockholm 17,0, in Christiania 18,2, in St. Petersburg 23,5, in Warschau 28,3, in Odessa 29,0, in Rom —, in Turin —, in Venedig 24,7, in Alexandria 39,0. Ferner in der Zeit vom 7. bis 13. August: in New⸗ Bork 27,0, in Philadelphia 22,4, in Baltimore 24,9, in Kalkutta 21,8, in Bombay 27,2, in Madras 34,8. “
Die im Allgemeinen hohe Temperatur der Luft, die während der Berichtswoche in ganz Mittel⸗Europa vorherrschte, beeinflußte die Sterblichkeit in den meisten Großstädten Europas in der Art, daß, besonders in deutschen Städten, Darmkatarrhe und Brechdurchfälle der Kinder wieder zahlreicher zum Vorschein kamen und häufiger tödtlich endeten. Dies war in Berlin, Hamburg, Dresden, Leipzig, Königsberg, Danzig, Frankfurt a. M., Straßburg, auch in St. Petersburg und Odessa der Fall, während in anderen Orten, wie München, Breslau, Nürnberg, Barmen, Magdeburg, Braun⸗ schweig, London, Wien, Pest, Kopenhagen, Brüssel u. a. die Zahl der Opfer, wenn auch noch immer groß, so doch kleiner war als in der Vorwoche. Die Sterblichkeit war deshalb in einer ganzen Zahl von Städten etwas größer, als in der vorhergegangenen Woche, in einer anderen gleich hoch, in mehreren auch vermindert. Einer günstigen Sterblichkeit (noch nicht 20 pro Mille und Jahr) erfreuten sich Wies⸗ baden, Bremen, Augsburg, Stuttgart, Barmen, Braunschweig, Erfurt, Kassel, Mainz, Karlsruhe, Wien, London, Glasgow, Edinburg, Stockholm, Christiania. Auch in Metz, Leipzig, Feetaege B., Essen, Elberfeld, Paris, Liverpool u. a. blieb die Sterblichkeit eine mäßige. Hoch (über 30,0 pro Mille und Jahr) war die Sterblichkeit unter den deutschen Städten in Breslau, Dresden, Königsberg, Danzig, Förlit, Chemnitz, Posen u. a. O. — Die Theilnahme des äuglingsalters an der Gesammt⸗ sterblichkeit blieb im Ganzen die Neich hohe, wie in der Vorwoche. Von 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, in Berlin 128, in München 130 Säuglinge. — Akute Entzündungen der Athmungs⸗ organe blieben in beschränkter Zahl Todesursachen. — Von den In⸗ fektionskrankheiten kamen Sterbefälle an Scharlach, Diphtherie und
Cirkular aufgesordeit, von der Wiederherstellung in ihren Betrieben verunglückter Arbeiter sofort Anzeige machen zu wollen. Einer der
Pocken etwas mehr zur Meldung, während typhöse Fieber, Masern
E 2 8
und Keuchhusten etwas seltener wurden. — Masern führten in Paris, London, Dublin etwas mehr, in München, Wien, Kopenhagen etwas weniger Sterbefälle als in der Vorwoche herbei; neue Erkran⸗- kungen kamen in Berlin, Breslau, Wien. Kopenhagen, St. Petersburg in beschränker Zahl, auch in den Regierungs⸗ bezirken Düsseldorf und Königsberg seltener als in der Vorwoche zur Anzeige. — Das Scharlachfieber hat in Berlin und London etwas mehr, in Wien etwas weniger Todesfälle veranlaßt. Erkrankungen haben in Breslau, in dem Re⸗ gierungsbezirk Düsseldorf sowie in Wien abgenommen, dagegen war ihre Zahl in Hamburg, Nürnberg, Edinburg, Kopenhagen, Stockholm, im Regierungsbezirk Schleswig eine etwas gesteigerte. — Die Sterb⸗ lichkeit an Diphtherie und Croup war in Berlin, Dresden, Altona, Prag, St. Petersburg, London, Christiania eine verminderte, in Frankfurt a. M. und Danzig blieb sie die gleich hohe wie in der Vorwoche. Dagegen nahm sie in Breslau, Hamburg, Nürnberg, Wien, Pest, Paris zu. Erkrankungen an Diphtherie kamen jedoch aus Berlin, Breslau, aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf, aus Pest, Kopenhagen in etwas größerer, aus Hamburg, Nürnberg, Christiania, St. Petersburg in etwas verminderter Zahl zur Anzeige. — Typhöse Fieber riefen in Berlin, Dortmund, Hamburg, Magdeburg, Paris etwas mehr, in London und St. Petersburg etwas weniger Sterbefälle hervor. Erkrankungen haben in den meisten der genannten Städte abgenommen. An Flecktyphus kam aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf 1 Todes⸗ fall und aus diesem Bezirk, sowie aus Berlin je 1 Erkrankung zur Anzeige. Rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut führten in London häufiger zum Tode. — Der Keuch⸗ husten hat in Berlin, London, St. Petersburg ein wenig abgenommen, aus Hamburg und Kopenhagen werden weniger Erkrankungen berichtet. Aus Hamburg kamen 4 weitere Todesfälle und 13 Erkrankungen an Trichinosis zur Mel⸗ dung; auch in Braunschweig sind zahlreiche Erkrankungen vorgekom⸗ men. — Aus St. Petersburg wird 1 Todesfall an Tollwuth, aus London 1 Todesfall an Rotz berichtet. Pocken veranlaßten in Wien 2, in Prag 5, in St. Petersburg 7, in Paris 9, in Triest 15, in Warschau 17 Todesfälle; Erkrankungen kamen aus den Regierungs⸗ bezirken Hildesheim 1, Schleswig 2, aus Pest 5, aus Wien 7, aus St. Petersburg 9 zur Mittheilung. Die Nachrichten über die Cho⸗ lera in Italien lauten im Allgemeinen günstiger; nur in Palermo und in der Umgegend von Neapel haben zu Ende August die Cho⸗ lerafälle zugenommen, in der Stadt und Provinz Catania, sowie in den Provinzen Syrakus und Messina kamen nur vereinzelte Fälle vor
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Bendix, Rechtsanwalt: „Die Deutsche Konkurs⸗ ordnung. Handausgabe für den praktischen Gebrauch.“ (Verlag von L. Schwann in Düsseldorf. Preis geh. 2 ℳ, geb. 2,50 ℳ) — Die vorliegende Ausgabe der „R.⸗K.⸗O.“ enthält in handlicher Form einen genauen Abdruck des Gesetzestextes und des dazu gehörenden deutschen Einführungs⸗ und preußischen Ausführungsgesetzes sowie ein voll⸗ ständiges Sachregister. Die Entscheidungen des Reichsgerichts sind bis auf die neueste Zeit (bis zum XVI. Bande einschl.) in den den Text der „K.⸗O.“ erläuternden zahlreichen An merkungen sorgfältig berücksichtigt, ebenso die einschlägigen Be stimmungen des bürgerlichen Reichs⸗ und Landesrechts. Di Lehrbücher des Preußischen Rechts von Förster⸗Eccius und Dernburg und diejenigen des Rhein. Rechts von Zachariae und Kretschmar haben gebührende Beachtung gefunden. Das Buch steht in der Mitte zwischen den großen Kommentaren und den lediglich nur mit Parallelstellen versehenen Textausgaben. Der Verfasser hat es ver⸗ standen, in übersichtlicher Weise diejenigen Punkte hervorzuheben, au welche es in der Praxis wesentlich ankommt, und das inhaltreiche Buch darf daher einer beifälligen Aufnahme sicher sein. 8
— Praktische Anleitung zur Kultivation subtro pischer Gebiete. Nach eigener Erfahrung, besonders in Süd- Australien. Von Hermann Rieck in Walhalla bei Coffs Harbour 8 Neusüdwales, Australien. Mit Abbildungen. Herausgegeben vom Westdeutschen Verein für Kolonisation und Export. (München und Leipzig. Preis 1 ℳ 50 ₰. Druck und Verlag von R. Oldenbourg. 1887.) Das Buch hat folgenden Inhalt: Vorbemerkung. — Kampf gegen Wildniß. — Friedensschutz. — Vertheilung des Landes — Auswahl des Bodens. — Wie Wildland zu klären und zu be pflanzen. — Forsten und Reserven. — Bauholzausfuhr und Busch⸗ zimmerei. — Erstes Obdach. Hausbau. — Pferde⸗, Rindvieh⸗ und Schafzucht. — Edelmetall⸗ und Edelsteinminen. — Post⸗ und Tele graphenwesen, Banken. — Flüsse und Seehäfen. — Oeffentlich Bauten, Arbeiten, Leistungen und Lieferungen. — Wie erhält sich der weiße Arbeiter in der warmen Zone die Gesundheit? — Schlußwort. — Dem Buche gereicht es zur besonderen Empfehlung, daß der oben genannte Verein dasselbe durch Zuerkennung eines Preises ausge⸗- zeichnet hat, da es sich deutschen Auswanderern und den neuen deutschen Kolonien von praktischem Nutzen erweisen werde. 8
— Die „Gewerbehalle, Organ für den Fortschritt in allen Zweigen der Kunstindustrie“ (unter Mitwirkung bewährter Fachmänner⸗ redigirt von Ludwig Eisenlohr und Carl Weigle, Architekten i Stuttgart, Verlag von J. Engelhorn daselbst) bietet in ihrer neuesten Lieferung (9., 25. Jahrgangs) zunächst einige werthvolle Auf⸗ nahmen älterer kunstgewerblicher Arbeiten. So zeigt die erste Tafel ein schönes altes Gitterthor aus Nürnberg (aufgenom⸗ men vom Architekten Ch. Hinderer daselbst). Dem Anfang des 18. Jahrhunderts angehörend, ist dasselbe ein Muster zweck⸗ entsprechender Komposition, welche das Grundmotiv, die Stacketen⸗ Theilung, in künstlerisch schöner Weise verwerthet. Auf Tafel 60 der Lieferung ist der Deckel eines Schmuckkästchens ans dem 17. Jahr⸗ hundert dargestellt: eine reiche, prächtige, höchst geschmackvolle Intarsia⸗Arbeit (aufgenommen von Georg Geißler in Ulm). Die Ornamente und Linienfassungen des schwungvoll gezeich⸗ neten Zierrahmens, dessen Grund Ahorn ist, bestehen aus Birn⸗, Nuß⸗, Apfel⸗, Brasil⸗, Pfaffenkappen⸗ und ge⸗ beiztem Ahornholz nebst Erlenmaser, welche durch Brennen aufs Schönste nüancirt sind. Die Jagdscene des Mittelstücks mit dem sie umgebenden Medaillonfries ist in Kupfer gravirt und feuervergoldet Den Rand des Deckels ziert ein schmaler Rankenfries mit Thierdarstellungen aus demselben Metall, jedoch flach reliefirt. Eine höchst interessante alte Arbeit von origineller Form und Schönheit ist das auf der folgenden Tafel abgebildete, in Silber getriebene Schreibzeug (aufgenommen von O Häberle in Hannover) Das auf drei vortretenden Kugelfüßen ruhende Geräth, auf deren zweien Figuren sich bäumender und die Keule schwingender Centauren stehen, ist aufs Reichste mit durchbrochenem Rankenwerk und Relief⸗Ornamenten im Barockstyl geziert; der Deckel zeigt das Bildniß der Königin Katharina von Polen. Das neuere Kunstgewerbe ist ebenfalls durch mehrere Tafeln ver treten: Eine Kollektion von Entwürfen zu farbigen Glasgefäßen, von Julius Camillo Maeß in Berlin, schließt sich ziemlich eng an berühmte Vorbilder altvenetianischer Kunstfertigkeit an, ohne jedoch diese, eben einfach unübertrefflichen, Muster verbessern zu können. Ein anderes Blatt zeigt das Fragment einer Zimmereinrich⸗ tung im modern’ englischen, richtiger japanisirenden Stvyvl (für den Baron von Harrison in Archangel entworfen, vom Architekten B. Schäde in Berlin). Die neufranzösisch Kunstindustrie repräsentirt die Firma Flachat und Cochet in Lyon mit einigen, ziemlich nuchtern aus verschiedenen Stylarten kompilirten Möbeln (Spiegel, Lehnstuhl und Stuhl). Die Farbendrucktafel am Schluß zeigt vier Hörner blasende Putten, erfunden von Prof. Rudolf Seitz in München (Wandmalerei aus dem Königlich Bavyerischen National⸗Museum). 1“ 1
— Die Nr. 37 (1887) von „Schorer's Familienblatt“ (red. von Dr. Franz Hirsch) hat folgenden Inhalt: Das Geheimniß Ihrer Durchlaucht. Von A. Remin. (2. Fortsetzung) — Der Rechte. Gedicht von H. von Bequignolles. Zu dem Kunstblatt: Die Zither spielerin. — Unerklärliches aus Vergangenheit und Gegenwart. X. Der Giftmord des Hoflakaien Bechstädt. Von Wilhelm Bennecke.
— Das neue Theater 8 Prag. Mit dem Porträt o Neumann