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traf kurz nach 11 Uhr auf dem Paradefelde
3 Zörer Majestät der Kaiserin und oheit der Prinzessin Wilhelm in einem sechs pännigen sowie von Ihren Königlichen Hoheiten den
gefolgt, zunächst an dem in zwei Treffen aufgestellten rmee⸗Corps entlang und ließ sodann die Truppen zweimal im Parade⸗ v vorbeidefiliren. Bei beiden Vorbeimärschen führte Se. Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm das Regiment König Ferenh Wilhelm IV. (1. Pommersches) Nr. 2, Feld⸗ marschall Graf Moltke das Kolbergsche Grenadier⸗Regiment (2. Pommersches) Nr. 9 vor Sr. Majestät dem Kaiser vor⸗ über. Bei dem ersten Vorbeimarsch des Kürassier⸗ Regiments Königin Sr Nr. 2 verließ Se. Majestät der Kaiser Seinen agen, ging zu dem daneben haltenden Wagen Ihrer Majestät der Kaiserin, salu⸗ tirte und blieb am Wagen Ihrer Majestät stehen, bis das Während beider Vorbeimärsche stand stät fa brochen im Wagen. — Gegen 1 ¾ Uhr Vorbeimarsch beendet. Se. Majestät der Kaiser fuhr sodann, von Ihrer Majestät der Kaiserin und der ganzen Suite gefolgt, die Front einer Reihe von Kriegervereinen ab, welche aus der ganzen Provinz mit mehr als 200 Fahnen und ihren Musikcorps erschienen waren. Ununterbrochene enthusia⸗ hüce Hochrufe begleiteten die Majestäten auf der ganzen a
Um 5 Uhr wohnte Se. Majestät der Kaiser dem Parade⸗ Diner bei, zu welchem gegen 350 Einladungen an das Ge⸗ folge, die Generäle sowie sämmtliche Stabsoffiziere, welche
Vormittags in der Parade gestanden hatten, ergangen waren. Bei dem Diner trank Se. Majestät der Kaiser auf das Wohl des
8 Armee⸗Corps. Ihre Majestät die Kaiserin nahm an dem
Diner nicht Theil
den Platz neben Sr. Majestät dem Kaiser hatte “ Königliche
) 1hege die Prinzessin Wilhelm. Nach dem Parade⸗Diner ließ Sich Ihre Majestät die Kaiserin mehrere Herren vorstellen, darunter den Ober⸗Bürgermeister Haken, welchem Allerhöchstdieselbe für den überaus herzlichen Empfang in der Hauptstadt Pommerns dankte. 1 — 14. September. (W. T. B.) Se. Majestät der Kaiser, dessen Abfahrt zum Feldmanöver auf 9 ½ Uhr Vor⸗ mittags festgesetzt war, hat wegen des seit gestern Abend ein⸗ getretenen Regenwetters, das auch bis jetzt nur wenig nach⸗ gelassen hat, Seine Theilnahme an dem Feldmanöver auf⸗ gegeben. Se. Königliche Hoheit der Wilhelm und der Feldmarschall Graf Moltke haben sich auf das Manöver⸗ ld bei Brunn begeben. Ihre Majestät die Kaiserin wird morgen Vormittag um 11 Uhr die Vorstände und Delegirten des Frauenvereins und anderer hiesiger Wohlthätigkeitsanstalten — gegen 120 Personen — empfangen.
Se. Majestät der Kaiser ertheilte im Laufe des Vormittags mehrere Audienzen. — Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Wilhelm besuchte heute Vormittag die Friedländer'’sche Mädchenschule und einige andere Sohgaszsartten. — Nach⸗ mittags 5 Uhr findet bei Sr. Majestät dem Kaiser ein größeres Diner statt, zu welchem die Spitzen der Civil⸗ behörden von Stettin und der ganzen Provinz — etwa 220 Personen — geladen sind. — Zu dem nach dem Diner bei den Majestäten stattfindenden Kaffee haben auch die angesehensten Damen von hier und aus der Pro⸗ vinz Einladungen erhalten. — Morgen Nachmittag 1 Uhr indet auf dem hiesigen Rennplatz ein Rennen des Pasewalker
eitervereins statt. Se. Majestät der Kaiser hat den Besuch desselben in Aussicht gestellt.
Unser Berichterstatter schreibt:
Stettin, 13. September. Das II. Armee⸗Corps stand heute vor dem Kaiser in Parade. Das militärische Schau⸗ spiel war vom schönsten Wetter begünstitt; es war kein heißer Tag, und der Himmel leicht mit Wolken bedeckt. Noch gestern Abend spät hatte es geregnet, aber leider nicht genug, und deshalb machte sich auch der Staub auf dem Paradefelde mehr bemerkbar, als es wünschenswerth war. Früh um 6 Uhr schien es noch, als wollte das Wetter umschlagen, es war nebelig und kalt, ein Herbstmorgen; bald aber kämpfte die Sonne das Gewölk nieder und verhüllte sich dann in Schleier, um nicht zu heiß auf das Paradefeld herniederzubrennen. — In früher Morgenstunde war es bereits in Stettin lebendig ge⸗ worden, und in der achten Stunde fing, obgleich die Pa⸗ rade erst für 11 Uhr angesagt war, bereits die große Völkerwanderung nach dem Exerzierplatz an. Der Weg führt zunächst am Berliner Thor vorbei durch die neu gebildeten und neu sich bildenden Stadttheile Stettins, durch Neu⸗Torney und estend. Auch hier hatten sich die Häuser allenthalben reich mit Tannengrün und Fahnen Beehetcct. einer besonders ehrenden Er⸗ wähnung bedarf die Falkenwalder Straße, die in ihrer ganzen beträchtlichen Länge in eine Bannerstraße umge⸗ wandelt war. Hier, glei im ersten Hause links, wohnt der General⸗Feldmarschall Graf von Moltke bei Frau Dekkert. Von da führt die sauber gehaltene Landstraße etwa noch eine halbe Stunde nach Nordwest, bis aus dem welligen Terrain ich ein Hügel mit einer Denksäule erhebt. Der Hügel heißt der Deutsche Berg, und die Säule erinnert an die braven Pommern, welche in den Befreiungs⸗ kriegen ihr Leben für das Vaterland in die Schanze ges lagen haben. Vor diesem Hügel breitet sich nach Norden er mächtige 1 aus, links liegen die Baracken der Truppen und das Dorf Kreckow, rechts Nemitz; im Hinter⸗ runde dämmern die Thürme von Stettin. Das füͤr die
ruppen reservirte Terrain ist abgesperrt, ein lebendiger Menschenzaun hat sich hier aufgepflanzt und zieht wohl stunden⸗ weit seine breite schwarze Linie über das Blachfeld. Eintrittskarten berechtigen zum Betreten des Platzes, die glücklichen Besitzer von Billets eilen nach der mächtigen Tribüͤne, um sich ihre Plätze zu sichern. Alles ist praktisch angeordnet, die Tribüne hat sechs Aufgänge, ein Jeder findet auf dem Billet schon, welche Treppe er zu ersteigen hat, das ganze Arrangement vollzieht sich ohne Lärm und Störung. Gar nicht aufhören wollte die Wagenreihe.
nzwischen waren auch die Kriegervereine aufma chirt und hatten dicht an den trennenden Schranken Aufstellung genommen; aus der ganzen Provinz waren sie zusammen⸗ gekommen, die Zahl ihrer Fehne schien Legion zu sein. Drüben links am Deutschen Berge wird es lebendig, die Be⸗ wegung wird stärker, ferne Hochrufe deuten an, daß der Kaiser eingetroffen ist. Der oberste Kriegsherr trägt roße Generals⸗Uniform mit dem Bande des Schwarzen Adler⸗ Ordens und dem wehenden Federbusch auf dem Helme; Er sitzt im offenen, von vier Rappen gezogenen Wagen, neben Ihm
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sichen den Wagen der Kaiserin, welche die Frau Prinzessin ilhelm zur Seite hat. Ibre Majestäten fahren in 5
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der Kaiser Sich der Truppenaufstellung naht, sprengt der mit der Führung des II. Armee⸗Corps beauftragte General⸗Lieutenant von n zu und überreicht den Frontrapport, während sämmtliche Musiker „Heil Dir im Siegerkranz!“ spielen, alle Fahnen sich senken und die gesammten Truppen erweisen dem Der Kaiser
fuhr, von hrer 842
1 agen, on den Prinzen Wilhelm und Friedrich Leopold zu Pferde nebst einer Suite
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Exerzierplatz ein, eine glänzende Suite reitet hinterher. der Burg auf J
obersten Kriegsherrn die militärischen Ehren. fuhr langsam die Fronten der in zwei Treffen Truppen entlang.
Dann folgte der Vorbeimarsch der Truppen. Der Kaiser, von dem Publikum stürmisch begrüßt, nahm der Tribüne gegenüber Aufstellung in Seinem Wagen, von welchem das vordere Paar Pferde abgeschirrt war, und stand während der drei Stunden, welche der doppelte Vorbeimarsch währte. Den Anfang machte die Infanterie mit dem Grenadier⸗Regiment König Friedrich Wilhelm IV. (1. Pommersches) Nr. 2, à la suite dessen Prinz Wilhelm steht, der deshalb auch das Regiment führte. Das 34. Infanterie⸗Regiment führte der General der Infanterie von Schachtmeyer als Chef dem Kaiser vor.
Als das Kolbergsche (9.) Grenadier⸗Regiment, geführt von dem Grafen von Moltke, nahte, erscholl unbeschreiblicher Jubel, der seinen Höhepunkt erreichte, als der Kaiser den General⸗Feldmarschall von Moltke zu Sich heran⸗ rief und ihm die Hand drückte. Das Regiment cotoyirte der General der Infanterie Graf Neidthard von Gneisenau. An der Spitze der Kavallerie ritt das Kürassier⸗ Regiment Königin Nr. 2; ein Jeder vermißte den Kronprinzen, der es Sich versagen mußte, an der Seite Seiner Kürassiere zu erscheinen. Der Kaiser verließ Seinen Wagen und begab Sich zu dem der Kaiserin, neben welchem Allerhöchstderselbe während des Vorbei⸗ marsches verblieb. Auch diese Scene ward von der Tribüne her mit begeistertem Hurrah begrüßt. Daß das Armee⸗Corps seinen alten, guten Ruf auch heute rechtfertigen würde, wußte man im Voraus; die Haltung der Soldaten, die Exaktheit im Defiliren waren des höchsten Lobes werth. Den ersten Vorbeimarsch vollführte die Infanterie in Compagnie⸗ sge die Kavallerie in Escadrons⸗Front, die Artillerie in
aufgestellten
Zügen; — den zweiten die Infanterie in Regiments⸗Kolonne, Kavallerie und Artillerie im Trabe. Nach beendigter Parade fuhr der Kaiser noch die Fronten der Kriegervereine ab. Da gab es wieder viel Jubel und manche ergreifende Scene. Die Heimfahrt des Kaiserpaares gestaltete sich zu einem erneuten Triumphzuge.
Seiner Zufriedenheit über die militärische Leistung der Truppen gab der Kaiser auch in dem Trinkspruch Aus⸗ druck, welchen Se. Majestät bei dem Parade⸗Diner auf das II. Armee⸗Corps ausbrachte. Das Stettiner Schloß besitzt keinen großen Fest⸗ oder Speisesaal, und die Gäste waren deshalb über mehrere Zimmer vertheilt. Ihre Majestät ver⸗ sagte es Sich, an der Tafel theilzunehmen; der Kaiser saß des⸗ halb zwischen dem Prinzen und der Prinzessin Wilhelm. Nach links zu folgten die Palastdame Gräfin Oriolla, Fürst Putbus, die Hofdame Gräfin Schulenburg, nach rechts Prinz Friedrich Leopold, die Hofdame Gräfin Schwerin, der General⸗ Adjutant Graf von der Goltz, die Ober⸗Hofmeisterin Gräfin Brockdorff. Dem Kaiser gegenüber saß der Kriegs⸗Minister General⸗Lieutenant Bronsart von Schellendorff, vechts von ihm der General⸗Feldmarschall Graf von Moltke, links der mit 8. ührung des Corps beauftragte General⸗Lieutenant von er Burg.
Kiel, 14. September. (W. T. B.) Se. Königliche Hoheit der Prinz Heinrich ist mit der ersten Torpedo⸗ boots⸗Division heute früh aus Wilhelmshaven hier einge⸗ troffen.
Bayern. München, 13. September. (W. T. B.) Die Abgeordneten Bucher und Rittler haben mit fünf konservativen Abgeordneten eine Fraktion gebildet, die als „freie Vereinigung“ bezeichnet wird.
Sachsen. Dresden, 12. September. König vec sich heute früh 7 ¼ Uhr in Begleitung des Prinzen Georg, des Kriegs⸗Ministers, Generals der Ka⸗ vallerie Grafen von Fabrice, des General⸗Lieutenants von Car⸗ lowitz, der Generäle d Byrn, Schurig, Hammer und des Chefs des Generalstabes, Obersten v. d. Planitz mittelst Sonder⸗ zuges nach Seitschen und von hier mittelst Wagen nach Dahren. Dort stieg der König zu Pferde und begrüßte die im Rendezvous bei Dahren aufgestellte 1. Division Nr. 23. Der heutigen Uebung lag die Annahme zu Grunde, daß ein Westcoorps (markirte Truppen bei Kannewitz und Rothnauslitz, westlich des chwarzwassers dem von Bautzen anrückenden XII. (Königlich sächsischen) Armee⸗Corps (Ostcorps) entgegentritt. Da die bis Vor⸗ mittags 9 Uhr frontal zum Angriff angesetzten Theile des Armee⸗Corps — 2. Infanterie⸗Division Nr. 24 und Corps⸗ Artillerie supponirt — den Widerstand des Feindes nicht zu brechen vermögen, wird die erste Infanterie⸗ ivision Nr. 23 — 11 Bataillone, 9 Eskadrons, 4 Batterien zu 6 Geschützen, 1 Pionier⸗Compagnie, Krankentransport⸗Kolonne — von Dahren über Nedaschütz in Marsch gesetzt mit dem nuftrng. den anscheinend nördlich Kannewitz stehenden linken Flügel des Feindes anzugreifen. Die bei⸗. Klein⸗Praga aufgestellte Corps⸗Artillerie — durch 2 Geschütze markirt — erhält Befehl, den Angriff der Division zu unterstützen. Die Division e zunächst ihre Kavallerie in Bewegung, welche über Koblenz südlich Dobranitz mit der des markirten Feindes zusammenstieß, folgte sodann auch mit ihrer Infanterie und Artillerie durch Koblenz und Nedaschütz und entwickelte sich westlich des Schwarz⸗ wassers gegen die feindliche, von 6 Bataillonen und 3 Batterien besetzte Hauptstellung auf den Höhen nördlich Kannewitz. Nach Dur sührung dieses Angriffs wurde die Uebung geschlossen und die Truppen der Division in der Nähe des „Sächsischen Reiter“ zu einem Parademarsch vor dem König zusammengezogen. Die Infanterie defilirte in Regimentskolonne, die Kavallerie in Escadronsfronten, die Artillerie in Batterie⸗ fronten im Trabe. — Nach beendetem Vorbeimarsch sprach der König den Commandeuren über die Haltung der Truppen, sowohl im Manöver als auch beim Parademarsch, seine Zufriedenheit aus.
Württemberg. Stuttgart, 13. September. (St.⸗A. f. W.) Die Kammer der Abgeordneten trat heute zur Beschlußfassung über das Gesetz, betreffend den Eintritt
(Dr. J.) Der
Sein General⸗Adjutant Graf Lehndorff. Sechs prächtige Rappen
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Württembergs in die Branntweinsteuergemein⸗
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beiden Referenten Dr. Göz und Freiherr von Varnbüler erstatteten im Namen der Kommission — der eine vom staatsrechtlichen, der andere vom volks⸗ und staatswirthschaft⸗ tichen Standpunkt — ihre dem Eintritt günstigen Berichte Sodann wurde die Sitzung vertagt, um den Fraktionen eit zu gewähren, sich über ihre Stellung zu der Frage schlü⸗ sig
zu machen.
— 14. September. (W. T. B.) Die Abgeordneten⸗ kammer hat das Gesetz, betreffend den Eintritt Württem⸗ bergs in die Branntweinsteuergemeinschaft, mit 64 gegen 19 Stimmen Dagegen stimmte die Volkspartei
darunter Probst, Schwarz und Haerle.
Mecklenburg⸗Schwerin. Schwerin, 13. September. (Meckl. Anz.) Die Großherzogin⸗Mutter wird heute Nachmittag von Heiligendamm hierher zurückkehren und im Greenhouse Aufenthalt nehmen.
Oesterreich⸗Ungarn. Toblach, 13. September. (W. T. B.) Ihre Königliche Hoheit die Erbprinzessin Charlotte von Sachsen⸗Meiningen ist auf der Durchreise von Venedig heute Nachmittag hier eingetroffen und gedenkt Abends die Reise über München digeegen
Prag, 13. September. (W. T. B.) Bei den Wahlen der Städte zum böhmischen Landtage wurden sämmt⸗ liche Kandidaten des deutschen Central⸗Wahlkomités gewählt; nur in Wildestein siegte der selbständige Kandidat. Die Wahl⸗ betheiligung war überall äußerst gering. — Bei der heutigen Wahl der hiesigen Handelskammer zum böhmischen Land⸗ tage erschienen die deutschen Mitglieder der Handelskammer nicht; es wurden die Kandidaten der böhmischen Partei gewählt.
Agram, 13. September. (W. T. B.) Der kroatische Agitator, Abg. David Staresevics, ist zu 6 Jahren schweren Kerkers und Verlust des Doktortitels sowie der Advokatur verurtheilt worden.
Schweiz. Bern, 13. September. Der „Bund“ schreibt: „Wie wir aus bester Quelle vernehmen, ist die Mit⸗ theilung des „Temps“, wonach die Schweiz von Frank⸗ reich verlangt hätte, eine gemeinsame Vereinbarung über die Anwendung des Vertrages von 1815 ah⸗ zuschließen, soweit der Vertrag auf Savoyen Bezug habe, wiederum vollständig unrichtig. Der Bundesrath wird sich übrigens wahrscheinlich veranlaßt sehen, sich mit all diesen in letzter Zeit herumgebotenen falschen Zeitungs⸗ nachrichten noch weiter zu befassen.“
Großbritannien und Irland. London, 12. September. (A. C.) Die „Times“ fordert die Regierung auf, un⸗ bekümmert um alle Angriffe der Opposition standhaft die Verbrechenakte durchzuführen: „Der Augenblick“, sagt das Blatt, „ist ein kritischer, und es steht zu hoffen, daß die Regierung nicht minder wie ihre Gegner einsehen wird, was auf dem Spiele steht. Möge die Regierung noch so sehr heute Abend von dem Wortlärm der Opposition über⸗ täubt werden, ihre klare Pflicht bleibt einfach, auf dem be⸗ schrittenen Wege stetig fortzufahren. Der Sturm wird vor⸗ übergehen, und das Volk unseres Landes wird, wenn wir uns nicht sehr irren, es ablehnen, sich durch die oratorischen Wirbel⸗ winde, welche Sir William Harcourt erregen kann, zu der An⸗ sicht verführen zu lassen, daß jeder Versuch zur Durchführung der Gesetze aufgegeben werden soll. OÖ'Brien ist verhaftet worden; trotzdem wurde ihm nach seiner Verhaftung erlaubt, von einem Fenster des Imperial⸗Hotel eine Ansprache an die Menge zu halten. Seine Verhaftung war natür⸗ lich unabweislich geboten, und ebenso sollte jeder andere Brandredner verhaftet werden, ob er nun’ das Land diesseits oder jenseits des St. Georgs⸗Kanals seine Heimath nennt. Das Bewußtsein, daß ihre ganze unheil⸗ bringende Opposition sich jetzt in einer höchst prekären Lage befindet, erfüllt ohne Zweifel die Nationalisten mit der Wuth, von welcher ihre Reden Zeugniß ablegen. Dieses Bewußtsein sollte die Regierung ermuthigen, bei den Anstren ungen zu beharren, welche allem Anschein nach für sie selbst und die L.“ Bevölkerung Irlands Friede und Ruhe schaffen werden.“
Der Herzog von Cambridge ist am 10. d. M. von Kissingen nach London zurückgekehrt.
Der Kronprinz und die Kronprinzessin von Portugal verließen am 9. d. M. England, woselbst Ihre Königlichen Hoheiten seit den Jubiläumsfestlichkeiten geweilt hatten, und traten von Southampton an Bord des Post⸗ dampfers „Neva“ die Rückreise nach Lissabon an.
Dr. Morell Mackenzie wurde am 8. d. M. in Bal— moral von der Königin zum Ritter geschlagen, und zwar, wie das Hofjournal besagt, „in Anerkennung seiner werth⸗ vollen Dienste, die er dem Schwiegersohn der Königin, dem Kronprinzen des Deutschen Reichs, geleistet.“ — 13. September. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Unterhauses erklärte der Unter⸗Staatssekretär Fer⸗ gusson auf eine bezügliche Anfrage: Portugal habe die Theilnahme an der Zuckerkonferenz abgelehnt, weil es kein Interesse an der Zuckerfrage habe. Der Termin für den Zusammentritt der Konferenz könne erst festgestellt werden, wenn die hauptsächlich an der Frage interessirten Mächte die Einladung beantwortet hätten. — Das Unterhaus nahm sodann nach langer Debatte das Finanzgesetz in dritter Lesung an. Im Laufe der Diskussion beschwerten sich die Parnelliten darüber, daß die politischen Ge⸗ fangenen in Irland unter dem neuen Ausnahmegesetz wie gemeine Verbrecher behandelt würden. Der General⸗ Sekretär für Füta p Balfour, erklärte: er begreife nicht, wie man verlangen könne, daß Personen, welche zu Ver⸗ brechen aufreizen, anders behandelt werden sollten als die⸗ jenigen, welche die Verbrechen begehen. — Das Haus vertagte sich sodann bis Freitag, an welchem Tage der Schluß des Parlaments erfolgen wird.
Das Ober haus nahm das Lesung und in allen Lesungen die richtung technischer Schulen in Schottland, an.
Frankreich. Paris, 11. September. (Fr. C.) Das „Journal Officiel“ bringt die folgende Note: „Gegen⸗ wärtig werden von einigen Personen Versuche gemacht, um eine unabhängige Republik zu Cunani zu affen, einer Oertlichkeit, welche in dem großen Gebiet liegt, dessen Besitz 1e.. und Brasilien seit dem Utrechter Vertrage in gleicher Weise in Anspruch nehmen. Ein solches Unternehmen steht in flagrantem Widerspruch mit den Ansprüchen der beiden
inanzgesetz in erster ill, betreffend die Er⸗
schaft, zusammen und begann sofort die Berathung. Die
Staaten und mit dem modus vivendi, der zwischen ihnen im ..
Jahre 1862 errichtet wurde, um die Ausübung der Polizei
in ei Gebiet zu regeln, auf dessen Souveränetät nicht Feitie 5 lifurvirung Anspruch erheben können. Unter diesen Umständen vermögen die Regierung der französischen Republik und diejenige Sr. Majestät des Kaisers von Brasilien die Gründung der sogenannten „Cunanischen Republik“ nicht enehmigen.“
z gench ee gestrigen Sitzung beschloß der Vorstand des Pariser Gemeinderaths nachstehende Erklärung: In Gemäßheit des Beschlusses vom 27. Juli 1887, welcher den Vorstand des Gemeinderaths auffordert, die nöthigen Maßregeln für die möglichst rasche Orga⸗ nisirung eines . der Vertreter der Gemeinderäthe rankreichs zu ergreifen, hat dieser das Datum des 2. September für die Versammlung des Kongresses wählen zu sollen geglaubt. Seit dem 22. August sind Einladungen an alle Gemeindevertretungen Frankreichs zu diesem. Zweck esandt worden. Erst am 24. erschien im „Journal Pfficiel⸗ ein Annullirungsdekret; die Präfekten er⸗ hielten den Befehl, die dem Kongresse günstigen Beschlüsse zu annulliren. Andererseits gelangten viele Einladungen nicht an ihre Adresse. Angesichts der Sö der Regierung und der verschiedenen der projektirten Versammlung bereiteten Hindernisse hielt der Vorstand es für seine Pflicht, die Eröffnung des “ F. zu verschieben, dessen Datum 8 estgesetzt werden wird.“ . 1 1 ö (Fr. C.) Der Kriegs⸗Minister, General Ferron, empfing heute Nachmittag 2 Uhr die 48 Offiziere der fremden Missionen, welche den roßen Manövern des IX. Armee⸗Corps (Tours) unter Femn Befehl des Generals 1 Bellemare beiwohnen werden. — Der Kriegs⸗Minister beabsichtigt an der Organisation des Geniedienstes bedeutende Aenderungen vorzunehmen. Er läßt die Theilung dieses Dienstes in zwei Partien, Kasernirung und Befestigung, prüfen. Der Kasernirungsdienst wird nach Regionen eingerichtet und, wie dies seit Langem ge⸗ fordert wird, unter die direkten Befehle der kommandirenden Generäle des Armee⸗Corps gestellt werden. Der nach Ver⸗ theidigungs⸗Gruppen organisirte Befestigungsdienst wird unter die Leitung der Ober⸗Kommandanten der Vertheidigung ge⸗ stellt werden. In Folge dieser Decentralisirung können die Stellen der kommandirenden Genie⸗Generäle in den Armee⸗ Corps abgeschafft werden. Die Oberaufsicht wird durch ständige General⸗Inspektoren ausgeübt werden.
Italien. Rom, 13. September. (W. T. B.) Die „Riforma“ erklärt die Nachricht, daß die Ernennung eines Ministers des Aeußern bereits vollzogen sei, für unbegründet. — Mitte Oktober sollen die österreichisch⸗ ungarischen Delegirten zu den Verhandlungen über die Erneuerung des Handelsvertrages hier eintreffen.
Griechenland. Athen, 25. August. (P. C.) Am
15. November erlischt das zwischen Griechenland und Frankreich abgeschlossene Uebereinkommen in Betreff der französischen Mission zur Organisirung der griechischen Land⸗ und Seestreitkräfte. Man versichert, daß das Uebereinkommen, was den General Vasseur betrifft, nicht erneuert werden soll und nur der Vize⸗Admiral Lejeune mit seinem Adju⸗ tanten Dupon noch weiterhin in Griechenland ver⸗ bleiben wird, da man seine Anwesenheit zur Durchführung einer vollständigeren Bereitschaft der griechischen Marine für unumgänglich nothwendig erachtet. Zu diesem Zweck wurden drei große Panzerschiffe bestellt, welche noch vom Admiral Lejeune eingerichtet, bezw. organisirt werden sollen. General Vasseur verläßt Griechenland, ohne den eigentlichen Zweck seiner Mission erfüllt zu haben. Bei seiner Berufung hatte man die Vervollkommnung des Mobilisirungswesens, worin Vasseur ein Fachmann ist, und die Einübung der Reserven in dem Waffen⸗ gebrauch im Auge. Anfänglich reichte dazu die im Vor⸗ anschlag ausgeworfene Summe nicht aus, und später kamen die Ereignisse von Philippopel hinzu, welche keine heit zu Organisirungsarbeiten ließen. Trotzdem hat eneral Vasseur sehr viele und wesentliche Neformen
in dem griechischen Heerwesen eingeführt, und sind nach seinen Plänen an den Grenzen und vielen Küstenpunkten Befestigungen angelegt worden, welche die Vertheidigungs⸗ fähigkeit des Landes erhöht haben. — Der Finanz⸗ Minister hat durch ein Cirkular die Nomarchen ver⸗ ständigt, daß die Regierung den Entschluß faßte, von der ihr von der Kammer ertheilten Ermächtigung, betreffend die Ein⸗ führung des Branntwein⸗Monopols, Gebrauch u machen. Die Branntweinerzeuger werden aufge⸗ der Regierung ihre hierauf bezüglichen Vor⸗ chläge zu unterbreiten. Eine im Piräeus stattgehabte Ver⸗ ammlung von Branntweinproduzenten ging resultatlos aus⸗ einander, doch heißt es, daß sich zwei Konsortien konstituirt haben, welche die Bildung einer großen Aktiengesellschaft zur pachtweisen Uebernahme des Branntwein⸗Monopols anstreben.
Dänemark. Kopenhagen, 13. September. (W. T. B.) Der Kaiser von Rußland nahm heute an einem Ausfluge Theil, den die Königliche Familie nach Frederiksborg machte. — Der Prinz von Wales wird, wie bis jetzt be⸗ stimmt, am 21. d. M. mit der Yacht „Osborne“, die se vian⸗ zessin von Wales später üͤber Land die Rückreise nach England antreten.
Afrika. Egypten. Kairo, 13. September. (W. T. B.)
Der Nil ist hier fortdauernd im Steigen begriffen und be⸗ ginnt auch bei Wadi⸗Halfa wieder zu steigen.
In dem „Bromberger Tageblatt“ lesen wir über die kommerziellen Beziehungen Deutschlands zum Auslande: *)
Seitdem die Heldenthaten unserer Armee auf französischem Boden uns ein einiges mächtiges Vaterland unter dem milden und weisen Scepter unseres Kaisers schufen, haben die Deutschen nicht allein an Achtung im Ausland gewonnen, sondern die Machtstellung des jungen Reichs hat auch vorzugsweise dazu beigetragen, dem deutschen Handel, der deutschen Industrie einen maßgebenden Platz auf dem Weltmarkt zu gewähren, und zwar geschah dies insbesondere durch einen zeit⸗ gemäßen, überlegten und in seinen Folgen durchaus glücklichen Rück⸗ tritt von dem Freihandelssystem zur Schutzzollpolitik, welche ja auch in früheren Zeiten scon ihre segensreiche Einwirkung auf die vaterländischen Verhältnisse nicht verfehlt hatte. ein angemessenes Schutzzollsystem die überhandnehmende Einfuhr von
*) Im Anschluß an den Artikel: „Der Siegeszug des deutschen Handels.“
Seitdem wir durch
außen her auf dasjenige Maß beschränkten, welches Deutschland kon⸗ sumiren kann, ohne die eigene Produktion zu schsdigen, haben die deutschen Industriellen eben durch die gewonnene Sicherheit des Ab⸗ satzes auf dem inländischen Markt ihre Produktionsfähigkeit derart vermehren können, daß sie es nunmehr wagen konnten, sich mit ihren Erzeugnissen auf das unermeßliche Feld zu 8 welches der Erd⸗ ball bietet, und auf welchem bis dahin wohl das fran⸗ zösische und englische, nicht aber das deutsche Produkt ge⸗ kannt und beliebt gewesen war. Binnen Kurzem sollte sich das erheblich ändern. Rasch wurden die deutschen Fabrikate in Amerika beliebt, nicht allein im Norden, sondern auch in Mittel⸗ und Süd⸗Amerika und ebenso wie im Kapland entwickelt sich auch in Nord⸗Afrika und Australien, welch letzterem Erdtheil wir durch die jüngsten großen Weltausstellungen nahe stehen, ein reger Handels⸗ verkehr mit deutschen Fabrikaten. In demselben Maße, wie unsere Industrie sich in jenen bezeichneten Ländern heimisch machte, begann der französische Handel zurückzugehen, und seit 1882 ist der Export von Industrieprodukten aus jenem Lande beständig in der Ab⸗ nahme begriffen. Betrug derselbe im genannten Jahre noch 1853 Millionen Francs, so ist er in drei Jahren schon auf 1500 Millionen gesunken, ungeachtet aller diesem Lande zu Gebote stehenden wirthschaftlichen Mittel und Gebiete, auf dem Kontinent sowohl wie in den Kolonien. Dabei ist die Einfuhr nach Frankreich unaufhörlich gestiegen und erreichte an Industrie⸗ Erzeugnissen im vorigen Jahre den Werth von über 800 Millionen, anstatt 470 Millionen im Jahre 1877. Das „Warehouse“ be⸗
ründet diese Thatsache gegenüber der deutschen aufblühenden Industrie dahin, daß Frankreich die ihm früher eigene Fähigkeit originellen Schaffens verloren habe und sich damit begnüge, die fremden Ideen zu verarbeiten. Wie wäre dies allerdings anders möglich in einem Lande, wo die Unsicherheit und Unbeständigkeit der politischen Verhältnisse nothwendig auch auf die wirthschaft⸗ lichen einen üblen Einfluß ausüben muß. Dies von Jahr zu Jahr zunehmende Herabsinken der Ausfuhr jenes Landes wird be⸗ sonders an einem Fabrikat bewiesen, welches früher eine dominirende Stellung in der ganzen Welt hatte, nämlich den „Articles de Paris“, welche noch im Jahre 1880 für 10 ½ Millionen exportirt wurden, .“ die Ausfuhr im Jahre 1883 auf 723 000 Fr. fiel, d. h um 93 %. 3
Nicht in demselben Maße freilich, aber doch in genug auffallender
Weise vollzieht sich der Rückgang Englands auf dem industriellen Gebiet, und besonders ist dies daraus erkennbar, daß die Armatur⸗ gegenstände, für welche England früher das Weltmonspol hatte, jetzt fast ausschließlich von Deutschland bezogen werden. Vulkan, Gruson und besonders Krupp sind in der ganzen Welt be⸗ kannte Firmen, wer kennt englische Gleichstehende? Der englische Antheil am Welthandel, welcher im Jahre 1874 noch 24 % betrug, ist seitdem nach den im Brückner'schen kolonialpolitischen Jahrbuch enthaltenen Aufzeichnungen um 5 % gesunken; der britische Antheil an der Kohlengewinnung betrug nach diesen Aufzeichnungen noch im Jahre 1868 gleich 53,6 % gegen 46,4 % der übrigen Länder, und ist heute auf 40 gegen 60 % herabgemindert, während der Rück⸗ gang der englischen Baumwollenindustrie daraus erkenntlich ist, daß im Jahre 1868 von aller nach Europa gelangenden Baumwolle 58,7 % in England, gegen 41,2 % auf dem Kontinent verbraucht wurden, und im Jahre 1882 sich das Verhältniß schon wie 52,3 zu 47,7 stellte. Daß der deutsche Handel und die deutsche Pro⸗ duktion bei diesem zahlenmäßig aufgeführten Rückgang der genannten In⸗ dustrie am meisten gewonnen haben, ist unbestritten, und wenn sich der wirthschaftliche Aufschwung Deutschlands wegen mannigfacher poli⸗ tischer, administrativer und territorialer Aenderungen bei uns nicht in so vergleichbaren Zahlen einzeln anfütren läßt wie bei andern Ländern (der Beitritt großer Handelsplätze zum Zollverein schließt z. B. eine solche Vergleichung aus), so liegt doch in der Zunahme des Außen⸗ bandels von 1060 Millionen im Jahre 1850 auf 6000 Mill. im Jahre 1880 und auf etwa 10 000 Mill. in der Gegenwart der beste Beweis für diesen Aufschwung. Unser Handel mit dem äußersten Orient China und Japan hat sich innerhalb 20 Jahren verzehnfacht, deutsche Maschinen, deutsche Manufaktur und deutsche Droguen versorgen das Reich der Mitte und sein benachbartes Insel⸗ reich, während deutsche Gebräuche und Anschauungen wie Einrichtungen durch die dorthin gehenden Gelehrten, Beamten und Offiziere in jenen Ländern Eingang gewinnen, was wiederum die Handelsverhältnisse belebt, und der Industrie, besonders auch der Schiffsbau⸗Industrie Vortheile bringt. Auch in Brasilien hat unser Handel an Intensität gewonnen, und Hugo Zoeller nennt Porte Allegre eine deutsch⸗brasi⸗ lianische Handelsstadt, insofern dort ungefähr 300 deutsche Geschäfte zu zählen sind, einige von ganz bedeutendem Umfang. Zur Hebung unserer dortigen Handelsbeziehungen hat die deutsch⸗brasilianische Ausstellung sehr viel beigetragen. Deutsches Eisen und Eisenfabrikate kommen in belangreichen Posten auf den dortigen Markt, ebenso deutsche Tuche, Wäschefabrikate und Porzellanwaaren, deren Import für Rio de Janeiro allein auf 20 Millionen gestiegen ist, gegen 9 Millionen vor 10 Jahren. Auch in den La Plata⸗Staaten ent⸗ wickelt sich unser Handel bedeutend. Die südamerikanischen in Halb⸗ kultur befindlichen Staaten haben die vielseitigsten Bedürfnisse, welche sie aus Europa decken müssen, und es wird Sache der deutschen Ge⸗ schäftsthätigkeit sein, sich hier noch mehr Absatzterrain zu erobern, als dies bisher in der kurzen Zeit unseres wirthschaftlichen Auf⸗ schwungs nach außen hin geschehen konnte. Eine große Schwierigkeit ist in jenen Staaten allerdings für uns vorhanden, welche darin besteht, daß alle Verkehrs⸗ und Transportmittel, beispielsweise in Uruguay, in englischen Händen sich befinden. Auch in der Berg⸗Industrie sind uns die Briten dort zu⸗ vorgekommen, was natürlich unsere Bemühungen sehr beeinträchtigen muß. Von den übrigen Ländern, wo der deutsche Handel blüht, sei noch Spanien genannt, welches sich von dem englischen Einfluß nach und nach vollkommen emanzipirt hat. Die Spanier selbst sind un⸗ thätig in Handel und Gewerbe, und so ernährt das Reich die Be⸗ völkerung, mit Ausnahme der Provinzen Valencia und Catalonien, nothdürftig durch den Ackerbau. Unser Gewerbefleiß ist auf dem besten Wege, hier ein nennenswerthes Feld zu gewinnen, denn die deutsche Einfuhr stieg bereits seit dem Jahre 1875 von 9 Millionen auf 175 Millionen Pesetas (à 80 ₰). Diesen er⸗ freulichen Fortschritten gegenüber ist allerdings zu bemerken, daß wir in Nord⸗Amerika voraussichtlich in der Zukunft nicht mehr in der früheren Weise prosperiren werden, weil dort die eigene Produktion einen mächtigen Aufschwung genommen hat und schon nahezu den in⸗ ländischen Markt beherrscht. Daher werden wir vorsorglich unsere Blicke auf andere Gebiete lenken müssen, auf Westindien mit seiner Perle Cuba, welche einen Außenhandel von 500 Mill. Mark hat, die kleinen Antillen mit Barbados, welches einen Außenhandel von 45 Mill. hat. Auch die Molukken⸗ und die Philippineninseln, wie besonders auch das Kapland mit seinem reichen, auf 400. Mill. geschätzten Außenhandel verdienen die Aufmerksamkeit der deutschen Kaufleute und Industriellen. Aber das Gute liegt noch näher und manches läßt sich noch durch intensivere Entwickelung des deutschen Handels mit den südeuropäischen Staaten erreichen, dem durch den neuesten Handelsvertrag mit Rumänien eine feste Unterlage gegeben ist. So möge unser deutscher Unternehmungsgeist rüstig auf der be ⸗
onnenen Bahn fortschreiten, damit Deutschland bei Vermehrung seines Nationalwohlstandes auch seinen kulturellen Aufgaben gerecht werden kann. Vergessen wir aber dabei das Beste nicht, nämlich die Sicherung der inländischen Verhältnisse, und diese kann nur erreicht werden, wenn wir dafür sorgen, daß mit Handel und Industrie unser Nährstand, die Landwirthschaft, gleichmäßige und glückliche Fort⸗ schritte macht. Diese hauptsächlichste Produktion zu schützen, sei die Aufgabe aller nationalgesinnten deutschen Männer.
— Das „Deutsche Tageblatt“ schreibt:
Die heutige deutsche Wirthschaftspolitik soll nach manchesterlichem Verdikt aus einer Kette folgenschwerster Irrthümer und verhängniß⸗ vollster Mißgriffe bestehen, weil sie von dem Grundsatz ausgeht, daß unser Volk vor allen Dingen wirthschaftlicher Herr im eigenen Lande
sein muß, ehe es daran denken kann, von der solchergestalt verbürgten
lied stimmt der englische Vize⸗Konsul in an, indem er konstatirt, daß die englischen 8 wohl die Kopf⸗ als die Handarbeiter — von ihren deutschen Mit⸗
Und ebenso geht es in England selbst, Kolonien.
nationalen Grundlage seiner industriellen Existenz aus thätig und er⸗ folgreich markt von des Regime
auf dem Welt⸗ unter diesem,
Uinte aet enaben “ 1 eichwo at gerade den Gelehrten und mehr noch von den Interessenten Manchesterthums so sehr verketzerten wirthschaftlichen Deutschland nicht nur seinen Platz an der Seite der konkurrirenden Völker genommen, sondern schreitet so rasch voran,
in den einzugreifen.
daß namentlich die manchesterlichen Engländer Noth und Mühe haben, 8 hinter uns nicht allzuweit zurückzubleiben.
Eine zu diesem in den englischen Konsularberichten ständig gewordenen Klage⸗ . Brasilien,
rbeiter — und zwar so⸗
bewerbern fast überall, und noch obendrein ohne sonderliche Anstrengung, ausgestochen werden Das in England allmächtige Manchesterthum ist also
nicht im Stande, den englischen Arbeiter so tüchtig vorzubilden, wie
es das quf wirthschaftlichen „Abwegen“ wandelnde Deutschland thut. Die in brasilianischen Plätzen etablirten englischen Firmen geben durchweg deutschen Kräften vor ihren eigenen Landsleuten den Vorzug. 8 sowie in den englischen Die Energie, womit das Deutschthum sich wirthschaftlich 8 zur Geltung zu bringen weiß, zeigt wohl zur Genüge, was man von der manchesterlichen Phrase halten darf, als würde unsere Leistungs⸗ fähigkeit durch die nationale Wirthschaftspolitik unrettbar zu Grunde gerichtet.
Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheits⸗ amts. Rff 88 1 Inhalt: Gesundheitsstand. — Volkskrankheiten in der Berichtswoche. Cholera⸗Nachrichten. Sterbefälle in deutschen Städten von 40 000 und mehr Einwohnern. — Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Ber⸗ liner Krankenhäusern. Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Land⸗ bezirken. — Flecktyphus im Regierungsbezirk Marienwerder. — Ge⸗ sundheitszustand im ungarischen Heere. — Witterung. — Zeitweilige Maßregeln. — Thierseuchen. Rinderpest in Rußland. — Thierseuchen in Italien, 2. Mai bis 3. Juli. — Veterinärpolizeiliche Maßregeln. — Medizinalgesetzgebung ꝛc. (Berlin) Roßschlächterei. — (Oesterreich) Selbstdispensiren Geitens homöopathischer Aerzte und Wundärzte. — Frankreich) Gypsen der Weine. — (Norwegen) Quarantänewesen. — (Frankre Surinam) Quarantäne⸗Verordnung. — Rechtsprechung. (Reichsgericht) Verkauf von Fleisch einer perlsüchtigen Kuh. (Preußisches Ober⸗Verwaltungsgericht) Kosten der Ausführung des Reichs⸗Impfgesetzes. Vermischtes. (Pennsylvanien) Maßregeln gegen Infektionskrankheiten. — Geschenkliste.
Reichstags⸗Angelegenheiten.
Kannstatt, 13. September. (W. T. B.) Amtliches Er⸗ gebniß der am 9. d. M. im 2. württembergischen Wahl⸗ kreise stattgehabten Reichstagswahl. Es wurden im Ganzen 13 027 Stimmen abgegeben; davon erhielt Landgerichts⸗Rath Veiel in Stuttgart (nat.⸗lib.) 10 204, Bossert (Sozialdemokrat) 2735 und Posthalter Retter (Demokrat) 63 Stimmen. Ersterer ist mithin gewählt.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Grammatik der Tanzkunst. Theoretischer und praktischer Unterricht in der Tanzkunst und Tanzschreibkunst oder Choregraphie Nebst Atlas mit Zeichnungen und musikalischen Uebungs⸗Beispielen mit choregraphischer Bezeichnung und einem besonderen Notenheft für den Musiker, von Friedrich Albert Zorn, Lehrer der Tanz. kunst am Kaiserlich russischen Richelieu⸗Gymnasium in Odessa, sei Februar 1810. Leipzig, Verlag von J. J. Weber. Di Tanzkunst, sagt der Verfasser, gehört unbedingt zu den schönen Künsten, und sie ist nicht die geringste derselben sondern sie ist die lebendige Vereinigung alles dessen, was durch Musik, Bildhauerkunst, Malerei u. dgl. geschaffen werden kann. Sie besitzt die Fähigkeit, im lebenden Bilde das höchste Ideal des Bildhauers und des Malers, die schöne menschliche Gestalt in ihren reizendsten Stellungen und Bewegungen darzustellen, wie sie auf den Wogen der Harmonie zu schweben scheint. Die herrlichen Ballette welche unsere früheren und gegenwärtigen großen Meister zur A führung bringen, sind dafür ein unumstößlicher Beweis. Es fehlt nur noch an einer genügenden Schrift, um diese großartigen Schöpfungen der Nachwelt in der Weise aufbewahren zu können, wie uns durch die Notenschrift die genialen Gedanken eines Mozart, Haydn, Beethoven, R. Wagner u. s. w. aufbewahrt geblieben sind Will heute ein Balletmeister die Komposition eines anderen getreu aufführen, so bleibt ihm nichts übrig, als dahin zu reisen, wo si aufgeführt wird, um sie zu erlernen, und will er ein Ballet auf führen, welches er selbst vor nicht mehr als fünf Jahren aufführen ließ, so kostet es ihm fast ebensoviel Mühe wie das erste Mal, wei das ausführende Personal ein anderes geworden ist. Er muß den neuen Kräften jeden Schritt wieder vorzeigen, da er ihnen keine ge⸗ schriebenen Rollen geben kann, vermittelst welcher sie sich einüben 8 könnten. Den ersten Versuch, diesem Mangel abzuhelfen, machte der Balletmeister der großen Oper zu Paris, A. von St. Léon, welcher im Jahre 1852 die ersten Lieferungen einer „Stenochoregraphie“ oder Schnelltanzschreibkunst veröffentlichte, doch starb derselbe zu früh, um sein System vollenden zu können. Der Verf. hat es nun unter nommen, eine solche „Tanzschrift“ systematisch auszuarbeiten und dieselbe in dem vorliegenden Werk veröffentlicht. Er hält seine Tanzschrift für genügend, um darin alle Tänze, alle Ballette so deutlich niederschreiben zu können, daß sie von jenigen, welche seine Grammatik aufmerksam studirt ho gelesen und ausgeführt werden können, wenn sie die dazu nöthige Geschicklichkeit erlangt haben. Er übergiebt seine Lebensarbeit, die Frucht 52jährigen Fleißes der Oeffentlichkeit mit dem Wunsche, daß sie recht bald und vielfach benutzt werden möge Seine Grammatik der Tanzkunst schließt sich ihrem System nach
enau an die Sprachgrammatik an. Nach Zorn entsprechen die ein ens Bewegungen den Mitlauten, die zusammengesetzten Bewegungen den Silben, die Schritte den Wörtern, die Schrittverkettungen den Sätzen oder Phrasen, die Verbindungen mehrerer Phrasen den Perioden. In 16 Abtheilungen und 393 Paragraphen hat er die gesammte Theorie der Tanzkunst und seiner „Tanzschrift wohlgeordnet untergebracht und durch ein sorgfältig gearbei tetes, umfangreiches Inhaltsverzeichniß den Schlüssel zur leichten Orientirung in dem weitschichtigen Stoff dar eboten. In der Ein⸗ leitung legt der Verfasser seine Ansichten über die Tanzkunst als Erziehungsmittel dar und ncf daran sehr ernste und beherzigens⸗ werthe Rügen über den Mißbrauch, der heutzutage auf dem Theater und im Salon mit dieser edlen Kunst getrieben wird. Als Probe einer vom Verfasser geplanten Sammlung der jetzt und eher mals gebräuchlichen National⸗ und Bühnentänze ꝛc. wird eine Be⸗ schreibung der spanischen Cachucha mitgetheilt. Ein Anhang bietet eine kurzgefaßte Anstandslehre. — Die nähere praktische Prüfung un Beurtheilung der Brauchbarkeit des überaus fleißig und gründlich ge arbeiteten Werks, bei dessen Abfassung Zorn alle irgendwie bedeutenden älteren Werke benutzt und sich mit den größten lebenden Meistern be⸗ rathen hat, muß den Fachleuten überlassen bleiben. Jedoch ist als eine gewichtige Anerkennung und Empfehlung die Thatsache z erwähnen, daß die Akademie der Tanzlehrkunst in Berlin be⸗ schlossen hat, das Werk als Lehrbuch anzunehmen. Dem Vorsitzenden dieser Akademie, Königlichem Universitäts⸗Tanzlehrer A. Freising, hat der Verfasser auch sein Buch gewidmet. Jedes Mitglied der Aka demie hat ein Exemplar mit dem Versprechen übernommen, dasselbe
orgfältig durchzuarbeiten und seine Bemerkungen dem Vorstande i scheiftlichen Abhandlung mitzutheilen. Aus diesen Mittheilungen