1887 / 218 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 17 Sep 1887 18:00:01 GMT) scan diff

eines Ballons Tempelhoferfeld. Originalz E. Thiel. Der Fischtödter. In der natürlichen Größe. v ungarische Schönheiten. 2 Abbildungen: Frl. Ida von oronvi. Frau Mariska Kolozsy. Die Sonnenfinsterniß am 19. August. 3 Abbildungen. Nach photographischen Aufnahmen von Kanberg u. Co. in Tilsit. Polvtechnische Mittheilungen: Rollladen mit drehbaren Stäben. 5 Figuren. Karl Redl's Rettungssarg. Amerikanische E1“ Zimmerkloset mit Torfmull⸗Streu⸗ apparat. oden: Englisches Herbstjacket. leid aus grünem Surah.

Gewerbe und Handel.

Ueber die Generalversammlung des Vereins zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie Deutschlands, welche Pelesvertg in Frankfurta. M. snttfindet, berichtet „W. T. B.“ Folgendes: Nachdem der Vorsitzende, Direktor Holtz (Berlin) die Versammlung begrüßt und einen Rückblick auf die bisherigen Erfolge des Vereins geworfen hatte, gab General⸗ Sekretär Otto Wenzel ein Bild der Entwickelung der chemischen Industrie während des verflossenen Jahres. Die Produktion sei in fast allen Branchen nicht unbedeutend gestiegen, trotzdem seien die Fabrikate von dem Verkehr ohne Schwierigkeit aufgenommen worden. Im Jahre 1886 seien in den zur chemischen Industrie gehörigen Betrieben 23 528 498 Arbeitstage geleistet und dafür ein Lohn von 61 797 490 gezahlt. Die Preise der Fabrikate seien im ersten Theil des Jahres im Allgemeinen noch weiter zurückgegangen, doch sei namentlich in Folge des Einflusses von Konventionen in dieser Beziehung später ein Stillstand, zum Theil sogar eine Besserung eingetreten, sodaß die Fabriken in Folge des gesteigerten Absatzes fast durchweg günstiger abgeschlossen hätten, als im Vorjahre. Nach Erstattung des Kassenberichts erfolgte die Neuwahl des Vorstandes. Es wurden gewählt: Böttinger (Elberfeld), Dr. Brunck (Ludwigshafen), Dr. Gans (Frankfurt a. M.), Dr. Gericke (Leipzig), Göpner (Opladen), Dr.

rüneberg (Köln), Holtz (Berlin), Dr. Jacobsen (Berlin), Käsemacher (Stettin), Koepp (Wiesbaden), Dr. G. Krämer (Berlin), Dr. Martius (Berlin), (Berlin), Dr. Schenkel (Braunschweig), Stroof (Frankfurt a. M.), Weber (Duisburg) und Hasenclever (Aachen). In Bezug auf die Revision des Patentgesetzes wurde berichtet, daß demnächst über die Stellungnahme der chemischen Industrie nach den Vorschlägen der bezüglichen Kommission über die wünschenswerthe Abänderung des Patentgesetzes Beschluß gefaßt werden soll. Die Berathung über die Alters⸗ und Invalidenversorgung der Arbeiter, sowie über die Frage der Vereinigung öffentlicher Wasserläufe wurde vertagt. Hinsichtlich der Feuerversicherung chemischer Fabriken schlug die Kommission vor, die Bildung einer eigenen, auf Gegenseitigkeit gegründeten Feuerversicherung chemischer Fabriken in Anlehnung an die Organisation der Berufsgenossenschaft ins Auge zu fassen. Ueber die Reform des Markenschutzgesetzes legte O. Wenzel den Entwurf einer an den Reichskanzler zu richten⸗ den Eingabe vor, nach welcher das Markenschutzgesetz dahin abzuän⸗ dern sei, daß in Verbindung mit dem Patentamt ein Markenschutzamt geschaffen werde, welches sowohl die neu angemeldeten, wie die bereits eingetragenen Waarenzeichen auf ihre Berechtigung von Amts wegen zu prüfen und fortlaufend in einem eigenen Centralorgan zu veröffent⸗ lichen habe; als nichtständige Mitglieder des Markenschutzamts seien Sachverständige von den Vorständen der Berufsgenossenschaften zu wählen. Zu dem Bericht der Kommission, betreffend die Frage der Vorbildung der Chemiker, erklärte die Kommission für die Ausbildung der technischen Chemiker die Vorbildung auf einer Realschule für gleichwerthig mit der auf einem humanistischen Gymnassum. Statt der Dokto prüfung nach absolvirtem Studium empfahl sie die Able ung eines Diplom⸗ examens vor einer staatlichen Prüfungskommission. Im Uebrigen beschloß der Verein, eine Kommission zu beauftragen, beim Bundes⸗ rath für den in der chemischen Industrie gewerblich zu verwendenden Spiritus Erleichterungen zu beantragen.

Nürnberg, 15. September. (Hopfenmarktbericht von Leopold Held) Das Geschäft hat sich seit vorgestern verflacht und die Stimmung ist weniger angenehm als zu Beginn dieser Woche. Die Kundschaftshändler zeigen nicht mehr die rege Kauflust wie vorher, während die Exporteure noch zurückhaltend sind, so daß der Markt gegenwärtig fast ausschließlich auf den Kundschaftshandel an⸗ gewiesen bleibt. Die heutigen Zufuhren betrugen ca. 1400 Ballen vom Land und etwa 700 Ballen per Bahn. Verkauft wurden an⸗ nähernd zwei Drittel dieser Abladungen. Notirungen: Gebirgshopfen 90 100 ℳ; Martthopfen Ia. 85 88 ℳ, do. mittel 75 80 ℳ, do. gering 55 65 ℳ; Hallertauer 76— 95 ℳ; Württemberger 75 —- 108 ℳ; Badische 70 108 ℳ; Elsässer 75 85

London, 16. September. (W. T. B.) Wollauktion. Angeboten wurden 12 500 B., verkauft 12 000 B. Stimmung fest

bei gute Nachfrage. Paris, 15. September. (Köln. Ztg.) Die französische Handelsbewegung während der ersten acht Monate dieses Jahres bezifferte sich wie folgt: Einfuhr 2748 Millionen (1886 3704 Millionen), Ausfuhr 2095 Millionen (1886 2061 Millionen). Konstantinopel, 17. September. (W. T. B.) Die Bilanz der Türkischen Taback⸗Regie⸗Gesellschaft pro 28. Februar 1887 weist an Aktiven auf: Noch ausstehende Einzahlungen auf Aktien ⁊b50 000 000 Fr., Kasse 1 282 927 Fr., disponible Fonds bei Banken und Bankiers 3 328 851 Fr., Werthpapiere im Portefeuille 4 578 722 Fr., bestehend in circa 3 000 000 Staatsbahn⸗Prioritäten, circa 500 000 Köln⸗Mindener Eisenbahn⸗Obligationen, circa 1 100 000 privilegirte Ottomans⸗Obligationen, Vorschüsse, an Tabackbauern 2 535 383 Fr., Immobilien, Maschinen und Mobiliar 7059 293 Fr., Taback in Blättern und Halbfabrikaten 14 675 093 Fr., Taback verarbeitet 2 877 561 Fr., diverse Bestände 1 225 576 Fr., diverse Außenstände (10 030 413 Piaster) ca 2 300 000 Fr, Kosten des ersten Etablissements 1 367 075 Fr, Conto der einzelnen Verkaufsstellen 803 236 Fr., Verlust im dritten Geschäftsjahr 1886/87 (7 568 677 Piaster), circa 1 667 000 Fr. der Verlust im zweiten Geschaftsjahr betrug 10 222 605 Piaster, Verlust im ersten Geschäftsjahr 1884/85 18 663 593 Piaster. Von diesem Verlust pro 1886/87 entfallen rund 1 450 000 Fr. auf den Ausfall aus den egyptischen Exportzöllen und nur 220 000 Fr. auf den eigentlichen Monopolbetrieb. Den vorstehenden Aktiven stehen neben dem Kapital (100 Mill. Fr) und unwesentlichen Kautionen im Betrage von circa 31 400 Fr. Passiva im Betrage von 4844 türk. Pfund = 106 568 Fr. gegenüber. . St. Petersburg, 17. September. (W. T. B.) Die Privat⸗ . banken haben den Zinsfuß für Vorschüsse auf On⸗call⸗Rechnung auf 6 ⅛, also auf denjenigen der Reichsbank erhöht. Der Börsen⸗ chroniker des „Journal de St. Petersbourg“ befürchtet. daß die Reichsbank diesen Zinsfuß weiter erhöhen und dadurch die Privat⸗ banken ebenfalls zu weiterer Zinssteigerung veranlassen werde. 1 New⸗York, 16. September. (W. T. B.) Baumwollen⸗ Wochenbericht. Zufuhren in allen Unionshäfen 125 000 B. Ausfuhr nach Großbritannien 30 000 B. Ausfuhr nach dem Kontinent 3000 B., Vorrath 190 000 B.

Submissionen im Auslande.

Belgien.

1) 4. Oktober. Rathhaus zu Brüssel. Bau von Schweine⸗ ställen am Schlachthaus zu Brüssel und einer Mauer daselbst längs des Quai de!⸗Industrie. Voranschlag 135 687 Fr. Kaution 6800 Fr. Näheres im Rathhaus zu Brüssel.

M2) Nächstens. Börse zu Brüssel. Lieferung von 400 000 k 1 russischen Mineralöls, in 8 Loosen von je 50 000 kg zu liefern 83 Malines (Mecheln). Näheres bei der Verwaltung der Staats⸗

eisenbahnen. Italien.

26. September, 2 Uhr. Neapel. Territorial⸗Direktion des Militär⸗Kommissariats des X. Armee Corps. Lieferungen farbiger

Tuchstoffe zu Uniformen, verschiedener farbiger Baumwollen⸗Gewebe zu Hemden, Unterbeinkleidern, Futterzwecken ꝛc., sowie anderer Aus⸗ rüstungsgegenstände. Lieferungsbedingungen sind bei der erwähnten Direktion sowie bei den übrigen Militär⸗Commissariats⸗Direktionen einzusehen; die Muster der zu liefernden Gegenstände liegen dagegen bei den Militär⸗Central⸗Magazinen zu Florenz, Neapel und Turin zur Ansicht vor.

30. September. Direktion.

Lieferung von 9 Dampfbarkassen.

Näheres an Ort und Stelle. 8

Verkehrs⸗Anstalten.

Am 1. Oktober d. J. treten auf den Strecken der Königlichen Eisenbahn⸗Direktion Berlin die dieser Nummer beigefügten Fahrpläne in Kraft. Dieselben sind bei allen Stationskassen zum Preise von 25 (für Plakatfahrpläne) und von 5 (für Zeitungs⸗ beilagen) zu haben.

Das Bureau des Kaiserlich deutschen Ober⸗Inspektors Trommer, Vertreters der deutschen Reichs⸗, Staats⸗ und Privatbahnen des deutsch⸗italienischen Verbandes in Mailand, wird vom 29. d. M. ab in die via S. Maurizio Nr. 21 verlegt werden.

Die von Korinth nach Aegion (Vostitza) führende Eisenbahn ist am 21. v. M. eröffnet worden. Die Eröffnung der Strecke von Aegion bis Patras erwartet man im Oktober d. J.

Hamburg, 16. September. (W. T. B.) Der Postdampfer „Hammonia“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packet⸗ fahrt⸗Aktiengesellschaft ist, von Hamburg kommend, gestern Abend in New⸗York eingetroffen.

London, 16 September. (W. T. B.) Der Castle⸗Dampfer „Pembroke“ hat heute auf der Heimreise Madeira passirt und der Union⸗Steamer „Mexican“ ist am Donnerstag auf der Ausreise in Capetown angekommen.

Spanien. Madrid. Königlich spanische Sanitäts⸗General⸗

Sanitätswesen und Quarantänewesen. Cypern. Durch Verfügung der 8 der Insel Cypern ist über diejenigen daselbst anlangenden Schiffe, welche Neapel nach dem 31. Juli, oder einen andern Hafen Italiens südlich von Gaësta und Manfredonia nach dem 7. August d. J. verlassen haben, eine zehn⸗ tägige Quarantäne verhängt worden. Rumänien.

Die bezüglich der Provenienzen aus Venedig rumänischerseits angeordneten Quarantänemaßregeln („R⸗A.“ Nr. 214 vom 13. Sep⸗ tember 1887) sind wieder aufgehoben worden.

Rußland.

Zufolge einer im „Odessaer Amtsblatt“ vom 8. September 27. August 1887 veröffentlichten Verfügung des General⸗Gouverneurs von Odessa ist der als verseucht erklärte Theil des italienischen Küstengebiets (⸗R.⸗A.“ Nr. 195 vom 22. August 1887) nördlich bis Ancona auf dem östlichen und bis Civitavecchia auf dem westlichen Ufer ausgedehnt worden.

Berlin, 17. September 1887.

hre Majestät die Kaiserin und Königin hat in tettin dem Provinzialverband des Vater⸗ ländischen Frauenvereins Tausend Mark und dem Ober⸗ Bürgermeister zur Vertheilung unter die wohlthätigen Anstalten und Vereine dieselbe Summe überwiesen.

Im Salon des Vereins Berliner Künstler (Wilhelm⸗ straße 92, Architektenhaus) ist seit gestern das Kolossalgemälde „Der Frühling“ von Hans Makart ausgestellt. Das Bild, an welchem der Meister noch bis kurz vor seinem Tode emsig gearbeitet hat, ist bis auf geringe Kleinigkeiten vollendet. Mit dem „Sommer“ (den wir auch seiner Zeit in Berlin zu sehen bekommen haben) hatte Makart im Jahre 1882 begonnen, der „Frühling“ war gefolgt, „Herbst“ und „Winter“ sollten den Cyklus beschließen. Leider blieb der schöne Plan zur Hälfte unausgeführt Der „Frühling“ zeigt einen Zauberhain: aus einem Gehänge von Gräsern, Lianen und Blumen hervor bricht ein schäumender Wasserquell. Eine Jungfrau sitzt am Ufer. Ihre weichen Formen sind von einer faltenreichen weißen Gewandung überflossen. Eben hat sie mit einer Schale aus der vollen Fluth geschöpft und reicht das Gefäß mit freundlicher Geberde einem stattlichen Jüngling, der, in ritterliches Kleid gehüllt, von einem ungestümen Pferde gestiegen ist und begehrend nach dem Trunke greift. Ein übermüthig Volk von Genien und Amoretten belebt dieses in tropischer Pracht erstrahlende Gehänge, aus dessen Laub hervor der Uebermüthigste einen Bogen in der Richtung des Reitersmanns spannt. Zwischen allen Gräsern hindurch, aus dem blauenden Himmel hernieder, strömt volles, warmes, erquickendes Licht. Es ist ein Concert von hellen Tönen, wie es nur aus dem Zusammenwirken eines liebevollen Studiums der Meister des Cinquecento in Verbindung mit einer selbständigen großartigen Naturanschauung resu tiren kann. Das Bild ist ein höchst anmuthiges Gedicht. Die geringen Spuren der Unfertigkeit die sich daran finden, treten nur bei einer genauen Prüfung in einzelnen Partien zu Tage. Von den sonst ihm nicht fern gebliebenen Zeichnungssünden, in deren Verübung der Meister fast ebenso wie in der souveränen Farben⸗ beherrsckung seine Verwandtschaft mit manchem großen Alten erwies, ist an diesem Werke nichts wahrzunehmen. Klar und scharf, auch in der Perspektive tadellos, heben sich seine Einzeltheile ab. Die Ausstellung war bereits am ersten Tage sehr zahlreich besucht. Die hochinteressanten, originellen neuen Gesellschaftsräume des Ver⸗ eins Berliner Künstler, welche kennen zu lernen das größere Publikum noch keine Gelegenheit hatte, sind für die Besucher der Ausstellung kostenfrei zugängig.

Die Ziehung der Loose für die Lotterie zum Besten des der deutschen Militär⸗Musiker wird am 29. September d J. bestimmt in der Königlichen Kriegs⸗ Akademwie, woselbst die Gewinne für das große Publikum öffentlich ausgestellt waren, stattfinden Loose zu 1 sind in der Expedition der „Deutschen Militär⸗Musiker⸗Zeitung“, Berlin SW., Lindenstr. 106, in den größeren Musikalienhandlungen Berlins und einigen anderen Verkaufsstellen noch zu haben. Sendungen durch die Post ist das Porto (10 für einfache, 30 für eingeschriebene Sendung) beizufügen. Bei auf eines Looses hat man nicht nur die Aussicht auf einen schönen Gewinn (werthvolle Kunstgegenstände, Bilder, Teppiche, Instrumente, auch Flügel, Silbersachen ꝛc.), sondern man trägt auch sein Scherflein zu einem guten, wohlthätigen Zweck bei. 86

Die 1864 er Krieger im Kreise Gelsenkirchen haben sich zu einer Vereinigung zusammen gethan, welche bezweckt, durch Zahlung eines monatlichen Beitrages nach und nach so viel Geld zu sammeln, als erforderlich, um in 2 Jahren den Jubeltag des Düppeler Sturmes durch den gemeinschaftlichen Besuch des Düppeler Schlachtfeldes zu feiern. Sie veröffentlichen einen Aufruf dahin, daß sich solche Vereinigungen überall da bilden mögen, wo sich 1864 er Krieger befinden, und bitten behufs Errichtung eines allgemeinen Vereins sich vorläufig den Gelsenkirchener Kameraden anguschließen und dieses dem Vorsitzenden, Kaufmann Hrn. Jul Müller in Gelsen⸗ kirchen, anzuzeigen, welcher auch zur Ertheilung jeder gewünschten Auskunft gern bereit ist. Zur Feier ist vorläufig der 29. Juni 1889 (Uebergang nach Alsen) in Aussicht genommen.

London, 16. September. (W. T. B.)

3 In der Nähe von Doncaster fand heute ein Zusammenstoß

zweier Eisenbahn⸗

züge mit Vergnügungsreisenden statt, wobei gegen 20 Personen ge-

tödtet und 70 verletzt sein sollen.

Im Deutschen Theater wird morgen, Sonntag, „Romeo und Julia“ und am Montag „Die Welt, in der man sich langweilt“ sescben. Am nächsten Sonnabend, d. 24., geht das vieraktige Lust⸗ piel „Wenn der Sommer kommt“, von Charles Delannoy, zum ersten Mal in Scene. Außerdem bringt das Wochenrepertoire noch Aufführungen von „Don Carlos“, „Faust“ und „Goldfische“.

Im Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theater wird sehr eifrig an der Fertigstellung der neuen elektrischen Beleuchtung ge⸗ arbeitet, mit welcher Direktor Julius Fritzsche in nicht allzuferner Zeit das Publikum zu überraschen gedenkt, und zwar vermuthlich gelegentlich der ersten Aufführung der vorbereiteten großen Novität: „Berlin in Wort und Bild“.

Im Belle⸗Alliance⸗Theater eröoͤffneten gestern Abend die

Mitglieder des Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theaters ihr Gesammt.. Gastspiel mit einem Volksstück „Stahl und Stein“ von Ludwig Es ist selbstverständlich, daß wir es in diesem neuen

Anzengruber. Werk Anzengruber's wiederum mit einer Bauerntragödie voll tiefer

Gedanken, und bei den einfachsten Elementen der Handlung packenden,

für unsere Nerven zuweilen fast zu kräftigen Wirkungen zu thun haben. Aber es ist bedauerlich, daß der Fortgang der Handlung durch lang⸗ athmige Erzählungen gehindert wird, welche gestern für den Zuschauer um so störender waren, als es zuweilen schwer hielt, die undeutlich sprechenden oder mit dem Dialekt nicht hinreichend vertrauten

Erzähler zu verstehen. Im Uebrigen half das Dichterwort über mancherlei Mängel in dem Aufbau des Dramas fort. Gleich in der ersten Scene, welche im Wirthshausgarten spielt, und voll Leben und Bewegung den Zuschauer fesselt, lernen wir sämmtliche auftretenden Personen und ihren Platz in dem sich aufbauenden, Drama kennen. Da fisen auf der einen Seite die Bauer

auf der andern Seite die Bauernburschen mit ihren Mädchen; da giebt es Zank und Streit, welcher verstummt, als der neue, strenge Bürgermeister erscheint; da lernen wir endlich den Mann kennen, dessen tragisches Geschick im Mittelpunkt

der Handlung steht, und welcher in der Gemeinde nur als „der Ein-

sam“ bekannt ist. Dieser „Einsam“ ist der natürliche Sohn des Bürgermeisters; vor Jahren hat er im Streite einen Gegner, der ihm seine Geburt vorwarf, getödtet und dafür seine Strafe verbüß Seitdem ist er den Menschen, die etwa noch ein hätten nehmen können, aus dem Gesicht verschwunden und lebt, ohne sich zu erkennen zu geben, in der Nähe des heimathlichen Dorfes seines Vaters auf einer unwegsamen und schwer zugänglichen Stelle des Gebirges. Der neue Herr Bürgermeister will in seiner Gemeinde wieder Zucht und Ordnung herstellen, welche unter seinem milden Vorgänger stark in’s Wanken gekommen war. So sieht er sich gezwungen, auch dem, in der Gemeinde gefürchteten, „Einsam“ gegenüber das neue Regiment geltend zu machen, und da der Einsiedler bei einer zufälligen Begegnung im gütlichen Wege nicht mit sich reden läßt, so werden ihm Gendarmen auf den Hals geschickt, wobei es natürlich Kampf und Tod giebt. Als dann der sterbende „Einsam“, auf einer Bahre heruntergeschafft, im Dorfe anlangt, erkennt der Bürgermeister aus den Papieren in ihm seinen Sohn Eine ergreifende Schlußscene spielt sich an der Bahre vor der versammelten Gemeinde ab, und die mahnenden Worte des Pfarrers, daß zum gottseligen Leben nicht allein der Glaube, sondern auch die Liebe gehöre, schließen als versöhnender Hinweis auf die Liebe Gottes die bedeutende Handlung ab. Um diese Haupt⸗ personen gruppiren sich eine Anzahl theilweise prächtig gezeichneter Charaktere aus der Gemeinde. Da ist die junge Nichte des Bürger meisters, in welcher wir die harte Seele des Onkels, durch das weibliche Wesen etwas gemildert, wiedererkennen; da ist der Bauergreis, der alle Personen und alle Zustände begeifert,

die Bauern zu Zank und Streit aufreizt und gelegentlich auch etwas

Fhelee sich zu Schulden kommen läßt; da ist der selbstbewußte emeindeschreiber, der Wirth und seine treuherzige Mutter, da fehlt endlich nicht der gutmüthige und leichtherzige Bauerbursche Tonerl, der mit seiner Cenzi in wilder Ehe lebt lauter köstliche Typen voll Poesie und Naturtreue. Was mit diesen Gestalten der Dichte ins Werk gesetzt hat, hat auf der Bühne seine volle Wirkung gethan, obgleich man im Einzelnen auch gegen die Dar⸗ stellung mancherlei einwenden darf. Zunächst, was das Allgemeine anbetrifft, so bot die dialektische Sprache den Darstellern, wie erwähnt, große Schwierigkeiten dar, die nicht von Allen völlig überwunden wurden. Der Zuschauer, der schon in der ersten Scene mächtig ge⸗ fesselt wird, leidet schwer darunter, wenn ihm weiterhin bedeutsame Worte des Dialogs, ja längere Stellen wie in dem Zwiegespräch „Pauli's“ mit dem „Einsam“ verloren gehen. Allerdings ent⸗ schädigt hierfür die ausgezeichnete Besetzung der Haupt⸗ rollen. Den „Einsam“ gab Hr. Binder sehr wirksam und vor Allem mit verständlicher Sprache. Den „Bürgermeister“ spielte der Regisseur Hr. Epstein einheitlich und mit verständiger Hervorhebung des Wesentlichen in dem Charakterbilde. Eine prächtige Figur, wenn auch nicht ganz frei von Uebertreibung, schuf Hr Steinberger aus dem alten heimtückischen Bauern „Seldinger“; episodisch trat Hr. Guthery als Ge meindeschreiber „Zirl“ mit seiner drastischen Komik in den Vordergrund. Hr. Klein, der den „Tonerl“ gab, verdient gleichfalls für Spiel und Gesang anerkennende Erwähnung. Die Damenrollen traten weniger bedeutend hervor. Frl. Baumgarten, welche des Bürgermeisters Nichte gab, sprach zuweilen undeutlich, fand sich aber im Ganzen mit der wenig sympathischen Rolle recht geschickt ab; besser noch waren Frl Urban, des Wirths Mutter, und Frl. Barbieri (Cenzi). Das nsemblespiel zeugte von sorgfältiger Schulung, wodurch in der ersten und letzten Scene des Stücks die schönsten Wirkungen erzielt wurden. Das Publikum war von der dichterischen Kraft des Werkes und von der Kunst der Hauptdarsteller tief ergriffen und gab in lebhaftem

Beifall nach den Aktschlüssen seine Befriedigung über das Dar⸗-

gebotene kund. 8

Belle⸗Alliance⸗Theater. In dem prächtigen Sommer⸗ garten, der nun bald für die Dauer der Wintersaison geschlossen wird, findet morgen noch einmal ein großes Gartenconcert statt, dessen Anfang (der vorgerückten Jahreszeit wegen) auf 4 Uhr angesetzt

ist. Bei günstiger Witterung wird der Garten noch einmal durch

bengalische Beleuchtung einen zauberhaften Anblick gewähren.

Central⸗Theater. Die Träger der Posse „Höhere Töchter“, von Mannstädt, haben sich in ihren charakteristischen Rollen einzeln und in Scenengruppen photographiren lassen, und so fesseln Hr. Emil Thomas, der unverwüstliche Kluckhuhn, Karl Weiß, Anna Grünfeld, Frl. Dora, Hr Tielscher u. s. w. auch in den Schaukästen die Aufmerk⸗ samkeit des Publikums. Die Kabinetsbilder (aus dem Atelier von Meyer) sind recht gelungen.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Scho lz).

Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlags⸗Anstalt, Beerlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32. 9

Vier Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage),

und das Verzeichniß der gekündigten Schuldverschreibungen der Preußischen Staats⸗ Fesb vom Jahre 1850, 1852 un sowie die Winter⸗Fahrpläne für die Bezirke der e.g5 Eisenbahn⸗Direktionen zu Berlin und Kranrfurt a. M. und der Berliner Stadt⸗ und Ringbahn.

Berlin:

Interesse an im

Berlin, Sonnabend, den 17. September

chs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen

Staats⸗Anzeiger.

1887.

Deutsches Reich.

Zur Ausführung des §. 27 des Gesetzes vom 17. Juni 1887 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 237), betreffend die Fürsorge für die Wittwen und Waisen von Angehörigen des Reichsheeres und der Kaiserlichen Marine, wird hierdurch das Nachstehende bestimmt. . 3 ö11“

Die Zulässigkeit der auf Grund des §. 27 des Gesetzes vom 17. Juni 1887 ergehenden Anträge auf Befreiung von Wittwen⸗ und Waisengeldbeiträgen ist von dem der obersten Militärverwaltungsbehörde des Kontingents bezw. dem Chef der Kaiserlichen Admiralität zu erbringenden Nachweise folgen⸗ der Voraussetzungen vössugg zu machen:

1) Der Offizier ꝛc. muß auf seinen Todesfall entweder seiner Ehefrau oder seinen Kindern eine Leibrente oder ein Kapital, oder seinen nicht namhaft gemachten gesetzlichen Erben ein Kapital versichert haben. bE1ö zu Gunsten bestimmter anderer Angehörigen, als der Ehefrau oder der Kinder, sind auch dann nicht zu berücksichtigen, wenn diese Angehörigen zur Zeit die alleinigen gesetzlichen Erben des Offiziers ꝛc. sind. Kapitalversicherungen, welche lediglich auf den Namen des Versicherungsnehmers lauten, oder in welchen ein anderer Versicherter nicht benannt ist, gelten als für die gesetzlichen Erben genommen.

2) Der Versicherungsvertrag muß mit einer inländi⸗ schen Lebensversicherungs⸗ oder Rentenanstalt geschlossen sein und ebenso, wie die Versicherungen bei der Lebensversicherungs⸗ anstalt für die Armee und Marine, auch für die Kriegsgefahr Gültigkeit haben oder auf dieselbe ausgedehnt werden können.

Die Berücksichtigung von Versicherungen bei ausländi⸗ schen Anstalten ist von der besonderen Genehmigung der obersten Militärverwaltungsbehörde des Kontingents bezw. des Chefs der Kaiserlichen Admiralität abhängig.¹ 8

3) Die versicherte Leibrente das versicherte Kapital müssen mindestens betragen!;]

a. bei Offizieren, Aerzten im Offiziersrang! und Ingenieuren des Soldatenstande, sowie höheren Beamten. .1000 15 000 b. bei Subalternbeamten, einschließ⸗ 6 lich der Registratoren bei den Ge⸗ Ieratt c. bei Deckoffizieren, Zeugfeldwebeln, Zeugsergeanten, Zeugobermaaten, Wallmeistern und Unterbeamten . 200 3 000

Im Sinne dieser Bestimmung sind als höhere Beamte die nach den Tarifklassen I bis III, als Subalternbeamte die nach der Tarifklasse V, als Unterbeamte die nach der Tarif⸗ klasse VI des Gesetzes vom 30. Juni 1873 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 166) zum Bezuge des Wohnungsgeldzuschusses berechtigten, bezw. die diesen gleichzustellenden Beamten anzusehen.

4) Der den zu 1 bis 3 bezeichneten Erfordernissen ent⸗ sprechende Versicherungsvertrag muß vor dem 21. Juni 1887 abgeschlossen sein.

5) Die Versicherung muß Verfügungsrecht des Offiziers ꝛc. schränktes sein.

6) Versicherungen einer Leibrente oder eines Kapitals zu einem geringeren, als dem zu 3 vorgeschriebenen Betrage können mit Genehmigung der obersten Militärverwaltungs⸗ behörde des Kontingents bezw. des Chefs der Kaiserlichen Admiralität berücksichtigt werden, wenn der Versicherungs⸗ vertrag den zu 1, 2, 4 und 5 bezeichneten Erfordernissen ent⸗ spricht und die Versicherung bis spätestens den 30. Sep⸗ tember 1887 auf den zu 3 bestimmten Satz erhöht wird.

1n

Beim Zutreffen der unter I bezeichneten Voraussetzungen kann ein Offizier ꝛc. auf seinen Antrag durch die oberste Militärverwaltungsbehörde des Kontingents bezw. den Chef der Kaiserlichen Admiralität von Entrichtung der Wittwen⸗ und Waisengeldbeiträge befreit werden, wenn er den nachfol⸗ genden Bedingungen sich unterwirft:

1) Die Police oder der Vertrag und die Quittungen über die zuletzt fällig gewordenen Prämien sind der obersten Militär⸗ verwaltungsbehörde des Kontingents bezw. dem Chef der Kaiserlichen Admiralität oder der von denselben zu bestim⸗ menden Behörde zum Gewahrsam auszuhändigen.

2) Die Entrichtung der während dieses Gewahrsams shci werdenden Prämien erfolgt unmittelbar durch die

ehörde. Die hierzu sowie zur Bestreitung etwaiger Neben⸗ kosten (Porto ꝛc.) erforderlichen Beträge werden bei Aus⸗ zahlung des Gehalts, der Pension oder des Wartegeldes des Offiziers ꝛc. einbehalten.

3) Der Offizier ꝛc. verpflichtet sich, während der Zeit, in welcher die Police oder der Vertrag im Gewahrsam der Be⸗ hörde sich befindet, jeder Cession oder Verpfändung des An⸗

noch bestehen und das über dieselbe ein unbe⸗

spruchs aus dem Versicherungsvertrage sich zu enthalten und Abänderungen desselben nur mit vorgängiger Genehmigung

der obersten Militärverwaltungsbehörde des Kontingents bezw. des Chefs der Kaiserlichen Admiralität vorzunehmen.

4) Für Fälle, 1 das versicherte Kapital nicht nur mit dem Tode des O

Bedingungen:

a. Der Offizier ꝛc. hat durch eine der obersten Militär⸗ des Kontingents bezw. dem Chef der Kaiserlichen Admiralität oder der von denselben ihm bezeich⸗ neten Behörde spätestens am 30. September 1887 vorzulegende durch die Landesgesetze vorgeschriebenen Form rechtsverbindlich darin zu willigen, daß das Kapital nach seiner zu Lebzeiten des Offiziers ꝛc. etwa eintretenden welche die Police in Verwahrung at, bei der Versicherungsanstalt erhoben und demnächst in

verwaltungsbehörde Erklärung in der

6 igkeit von der Behörde,

in denen nach dem Versicherungsvertrage

ssiziers 18. sondern auch mit dem Eintritt eines bestimmten Lebensalters desselben zur Zahlung fällig wird, gelten folgende besondere

b. Die angekauften Werthpapiere werden von der Behörde aufbewahrt, die Zinsscheine in angemessenen Zeiträumen vor ihrer Fälligkeit dem Offizier ꝛc. ausgeantwortet.

9) Auf Antrag des Offiziers ꝛc. und mit Genehmigung der obersten Militärverwaltungsbehörde des Kontingents bezw. des Chefs der Kaiserlichen Admiralität kann die zinsbare Anlegung des Kapitals auch in anderer, als der zu a. be⸗ eichneten Weise erfolgen, wenn der Offizier ꝛc. den ihm zu sülennen Bedingungen, durch welche das Kapital seiner Ver⸗ ügung entzogen wird, sich unterwirft.

5) a. Der Offizier ꝛc. hat vor der ihm zu bezeichnenden Dienststelle zu Protokoll oder schriftlich in beglaubigter Form zu erklären:

daß er auf Grund des §. 27 des Gesetzes vom 17. Juni 1887 seine Freilgssüng von Entrichtung der Wittwen⸗ und Waisengeldbeiträge beantrage, indem er ür seine etwaigen künftigen Hinterbliebenen auf das in den §§. 9 32 des bezeichneten Gesetzes bestimmte Wittwen⸗ und Waisengeld ausdrücklich verzichte, ob⸗ wohl ihm bekannt sei, daß, falls dem Antrage statt⸗ gegeben werden sollte, dieser Verzicht ein endgültiger und unwiderruflicher sei, und deshalb die bei seinem Ableben etwa hinterbleibende Wittwe oder die ihn überlebenden Kinder keinerlei Unterstützung aus Reichs⸗ mitteln zu gewärtigen haben würden.

Die A.“ der cefftihen Erklärung hat durch eine Behörde bei aktiven Angehörigen des Heeres oder der Marine in der Regel die vorgesetzte Dienstbehörde oder durch einen öffentlichen Beamten zu erfolgen, welcher zur Führung eines Dienstsiegels berechtigt ist.

In der protokollarischen oder schriftlichen Erklärung hat der Offizier ꝛc. zugleich den vorstehenden unter 1 bis 4 be⸗ zeichneten Bedingungen sich zu unterwerfen.

b. Falls der Offizier ꝛc. verheirathet, ist die zu a vor⸗ geschriebene Erklärung von seiner Ehefrau mit zu

c. Die Erklärung des Offiziers ꝛc. und die etwa erforder⸗ liche Beitrittserklärung seiner Ehefrau sind bis spätestens zum 30. September 1887 abzugeben. 8

““

Beim Eintritts der im §. 6 des Gesetzes vom 17. Juni 1887 bezeichneten Voraussetzungen werden die bei der Behörde aufbewahrten Versicherungspapiere (II 1) bezw. Werth⸗ papiere ꝛc. (II 4) dem Offizier ꝛc. oder den empfangs⸗ berechtigten Hinterbliebenen desselben ausgehändigt. 8 8 8 8 1 k.

1“

1“ 11u.“ 8 8 1 8 Die endgültige Freilassung von Entrichtung der Wittwen⸗ und Waisengeldbeiträge kann auf Grund des §. 27 des Gesetzes vom 17. Juni 1887 erst dann verfügt werden, wenn die zu I bezeichneten Voraussetzungen nachgewiesen und die zu II bestimmten Bedingungen erfüllt bezw. deren Finekgttubg von Seiten des Offiziers ꝛc. gewährleistet ist. Bis zu einer solchen Verfügung sind die gesetzlichen Wittwen⸗ und Waisen⸗ geldbeiträge vorbehaltlich der etwaigen Zurückerstattung zu erheben. Berrlin, den 12. September 1887. Der Reichskanzler. von Bismarck.

Statistische Nachrichten.

Die Selbstmorde in Preußen 1885. (Stat. Corr.) Eine wichtige Aufgabe der amtlichen Statistik bildet seit lange die Ermittelung der Selbstmorde, weil diesen für die Beurtheilung der ethischen wie sozialen und wirthschaftlichen Zustände des Volkslebens eine hohe Bedeutung beiwohnt. Es ist sehr schwierig, die Selbstmorde in ihrer Gesammtheit zu erfassen, aber bis an die Grenze der Möglichkeit in Preußen auf Grund eines Verfahrens gelungen, welches im Wesent⸗ lichen auf einem Vergleiche der durch die betreffende Spezialerhebung gewonnenen Daten mit den standesamtlichen Sterbekarten beruht und schon früher von uns näher erläutert worden ist. Nachdem solchergestalt die Selbstmorde bereits für 1883 und 1884 ermittelt waren, liegt nunmehr auch das Ergebniß dieser Erhebung für 1885 vor. Wir theilen daraus einige Angaben mit, indem wir im Uebrigen auf das demnächst erscheinende Heft XCI der „Preußischen Statistik“ ver⸗

weisen. Es starben durch Selbstmord in Preußen:

1883 4933 männl., 1238 weibl., zusammen 6171 Personen,

1884 4691 1209 5900 81 8 1885 4811 121 18 6028 8 Trat hiernach von 1883 zu 1884 eine Abnahme in der Gesammtzahl der Selbstmorde um 4,39 % ein, so zeigt sich 1885 wieder eine Zu⸗ nahme derselben um 2,17 %; die letztere betrug bei den Selbstmorden mengache Personen 2,56, bei denen weiblicher Personen dagegen nur 0,66 %. 8

Was den Beweggrund des Selbstmordes anlangt', so lehrt für Preußen die Statistik, daß alljährlich ungefähr ein Drittel der Selbst⸗ morde durch Geisteskrankheit herbeigeführt wird, daß bei den übrigen aber noch eine Anzahl anderer Gründe, darunter namentlich Lebens⸗ überdruß, Trauer, Kummer, Reue, körperliche Leiden u. a. die Ver⸗ anlassung bildet. Leider stellen sich der Ermittelung des wirklichen Beweggrundes der Selbsttödtung so große Schwierigkeiten Hactgecgen daß dies stets nur für eine begrenzte Anzahl derselben möglich sein wird. 1885 konnte die Triebfeder der Selbstmorde in 4928 Fällen, d. h. 81,75 % der Gesammtzahl ermittelt werden, und zwar er⸗

gaben sich als Beweggrund:

Lebensüberdruß körperliche Leiden 102 Geisteskrankheit . . . .. 527 1582 114X4“ 60 168 Laster 3 C1“ 2 37 659

ö1“ 5 23 Kummer 101 766

Reue, Scham, Gewissensbisee. 352 83 4235 Aerger und Streit . . . . . 20 18

bei Personen: männlichen weiblichen zee

110 477

sonstige Gründe. . . ... 12 4928

Erfahrungsmäßig bilden, was die Art der Ausführung des Selbst⸗

mordes anbetrifft, in Preußen Erhängen und Ertränken, nächstdem

Erschießen und Vergiften die bei Weitem am häufigsten angewandten

Mittel; dies war auch im Jahre 1885 der Fall, wie aus folgenden

Angaben hervorgeht. Es fanden 1885 Selbstmorde statt

durch voon Personen:

männlichen weiblichen zusammen

vX“ 30buo9 536 3632

Erdrosseln oder Erwürgen . . . 5 3 1

b1112A4*“ 686

W1A1AAAe“*“ 619

11444“ 15

Schnitt in den Hals . . . . . 102

Heffnen der Adern. 37

Bauchaufschneiden. G“

Einnehmen von Gift.

Einathmen giftiger Gase . .

Ueberfahrenlassen durch die Eisen⸗

Sturz aus der Höhe .. . . . 1“ .X“

aiiere 1“ 1“ 8 9 überhaupt.. 4811 1217 6028.

Einen sehr bemerkenswerthen Einfluß übt auf die Neigung zum

Selbstmorde das Alter aus, wie die Schlußübersicht zeigt. Von

100 000 lebenden Angehörigen der einzelnen Altersklassen starben 1885

in Preußen durch Selbstmord in den Altersklassen 8Z

von 0 bis 10 Jahe Aber 10 15 7 4

zusammen

15 20 20 25 25 30 30 40 50 60 70 u“ 80 Saähzhzb1“ Ganzen einschl. der Selbst⸗ mörder unbekannten Alters 34,2 8,4 21, 8 Es ergiebt sich hieraus, daß sowohl bei den Männern wie auch bei den Frauen mit zunehmendem Alter im Allgemeinen die Neigung zum Selbstmorde wächst; bei der Altersklasse von 25 bis 30 Jahren ließ sich aber, wie in den früheren Jahren, so auch 1885 eine Ab⸗ nahme in dieser Neigung erkennen.

Vertheilung der Sparkassenbücher nach Werth klassen, Verhältniß der Sparkassenbücher zur Bevöl⸗ kerung und Durchschnitt der Bucheinlagen am Schluß des Rechnungsjahres 1885 bezw. 1885/86 für die preu⸗ ßischen Provinzen, nach der „Zeitschrift des Königlich preußischen Statistischen Bureaus“. Von den Sparkassenbüchern lauteten auf Beträge bis 60 ℳ: in Ostpreußen 40,73 %, in Sachsen 38,69 %, im Stadtkreis Berlin 36,29 %, in Hessen⸗Nassau 33,01 %, in Posen 33,05 %, in v 32,50 %, in Schlesien 30,94 %, im Westpreußen 27,85 %, in chleswig⸗Holstein 27,10 %, in Rheinland 23,74 %, in Pommern 23,70 %, in Hannover 22,43 %, in Westfalen 16,65 % und im Staate überhaupt 29,11 %; auf Beträge über 60 bis 150 ℳ: in Hannover 21,22 %, in Brandenburg und Schlesien je 19,58 %, in Posen 19,53 %, im Stadtkreis Berlin 19,28 %, in Westpreußen 18,78 %, in Pommern 18,14 %, in Sachsen 17,19 %, in Ostpreußen 16,68 %, in Schleswig⸗Holstein 16,58 %, in Hessen⸗Nassau 16,09 %, in Rheinland 15,51 %, in Westfalen 14,46 7% und im Staate überhaupt 17,93 %; über 150 bis 300 ℳ: in Hannover 17,47 %, in Pommern 17,31 %, in Westpreußen 16,81 %, in Schlesien 16,33 %, in e 16,31 %, Brandenburg 16,10 %, im Stadtkreis Berlin 15,91 %, in Rheinland 15,37 %, in Westfalen 14,51 %, in Hessen⸗Nassau 14,48 %, in Schleswig⸗Holstein 13,71 %, in Sachsen 13,46 %, in Ostpreußen 13,11 % und im Staate überhaupt 15,38 %; über 300 bis 600 ℳ: in Pommern 18,03 %, in Westfalen 17,27 %, in Rhein⸗ land 17,07 %, in Westpreußen 16,35 %, in Schlesien 15,93 %, in Brandenburg 15,43 %, in Posen 15,38 %, im Stadtkreis Berlin 15,27 %, in Hannover 14,96 %, in Hessen⸗Nassau 14,64 %, in Schles⸗ wig⸗Holstein 13,95 %, in Sachsen 13,17 %, in Ostpreußen 12,97 %, im Staate überhaupt 15,35 %; über 600 ℳ: in Westfalen 37,13 %, in Schleswig⸗Holstein 28,66 %, in Rheinland 28,31 %, in Hannover 23,92 %, in Pommern 22,82 %, in Hessen⸗Nassau 20,58 %, in West⸗ preußen 20,21 %, in Sachsen 17,49 %, in Schlesien 17,22 %, in Ostpreußen 16,51 %, in Brandenburg 16,39 %, 8 Posen 15,73 %, im Stadtkreis Berlin 13,25 % und im Staate überhaupt 22,23. Es entfallen auf je 100. Einwohner an Sparkassenbüchern: in Schleswig⸗Holstein 31,02, in Sachsen 25,64, in Hannover 23,79, im Stadtkreis Berlin 20,09, in West⸗ falen 17,14, in Brandenburg 10,60, in Hohenzollern 15,44, in Hessen 13,49, in Schlesien 13,41, in Pommern 12,87, in Rheinland 10,88, in Westpreußen 5,39, in Ostpreußen 4,82, in Posen 4,04 und im Staate überhaupt 14,87; auf je ein Sparkassenbuch an Einlagen: in Westfalen 1122,26 ℳ, in Schleswig⸗Holstein 779,26 ℳ, in Rhein⸗ land 653,02 ℳ, in Hannover 630,57 ℳ, in Hessen⸗Nassau 459,53 ℳ, in Westpreußen 426,51 ℳ, in Sachsen 405,40 ℳ, in Posen 385,20 ℳ, in GB 345,44 ℳ, in Schlesien 330,50 ℳ, in stpreußen 327,255 ℳ%, in Pommern 325,54 ℳ, in Brandenburg 323,22 ℳ, im Stadtkreis Berlin 260,05 und im Staate überhaupt 537,11 ℳ. In der Regel sind im Westen, namentlich in Westfalen, die größeren, im Osten die kleineren Konten häufiger als im Durchschnitt des Staats. Bei dem Verhältniß der Einwohnerzahl zu dem Bestande an Sparkassenbüchern beobachten die einzelnen Provinzen nicht durchweg dieselbe Reihenfolge, wie bei dem Kopfbetrage der Einlagen. An erster Stelle steht allerdings wieder Schleswig⸗Holstein mit 31,02, an letzter Posen mit 4,04, demnächst Ostpreußen mit 4,82 und Westpreußen mit 5,39 Büchern auf 100 Einwohner. Dagegen befindet sich Westfalen hier mit 17,14 nicht allzuweit über dem Staatsdurchschnitt und wird außer von Schleswig⸗ Holstein auch noch von Sachsen mit 25,64, von Hannover mit 23,79 und von Berlin mit 20,09 übertroffen, von Brandenhurg mit 16,60 und Hohenzollern mit 15,44 aber annähernd erreicht. Unter dem Ge⸗ sammtdurchschnitt bleiben noch Hessen⸗Nassau mit 13,49, Schlesien mit 13,41, Pommern mit 12,87 und Rheinland mit 10,88 Spar⸗ kassenbuͤchern auf 100 Einwohner.

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olchen Werthpapieren zinsbar angelegt werde, in denen nach 5 1 Wohnorts die Anlegung von Mündel⸗

den Gesetzen seines geldern erfolgen dark.

im Ganzen . . . 3871 1057 unbekannte Gründe . . 940 160 1100