1887 / 220 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 20 Sep 1887 18:00:01 GMT) scan diff

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in, 19. September. (Ostsee⸗Ztg.) Der Ober⸗ Präsident veröffentlicht folgenden Erlaß Sr. Majestät des Kaisers und Königs:

Es ist Mir eine große Freude gewesen, in Meinen hohen Jahren die Provinz Pommern noch einmal besuchen zu können, und in dem warmen Empfange, welcher Mir und der Kaiserin und Königin, Meiner Gemahlin, von ihren Einwohnern bereitet ist, überall die alten Empfindungen treuer Anhänglichkeit und Ergebenheit wieder zu finden, die Meinem Herzen jederzeit so besonders wohlthuend gewesen sind. Indem Ich heute die Provinz verlasse, ersuche Ich Sie, dies zur allgemeinen Kenntnißz zu bringen und dabei mit auszusprechen, wie Ich mit Befriedigung erfahren habe, daß auch die Truppen während der großen Uebungen durchweg gute Aufnahme gefunden haben.

Stettin, den 17. September 1887.

Wilhelm An den Ober⸗Präsidenten der Provinz Pommern.

Stettin, den 17. September 18877.

Den vorstehenden, mir soeben zugegangenen Allerhöchsten Erlaß, welcher sicherlich in der ganzen Provinz mit größter Freude und tief⸗ empfundenem Dank begrüßt werden wird, beeile ich mich hiermit zur

öffentlichen ntniß 1“ Der Ober⸗Präsident Graf Behr⸗Negendank.

Bayern. München, 19. September. (W. T. B.) Die Härzag in von Connaught, welche 8 ihrer Rückkehr aus talien zwei Tage hier verweilte, ist heute Nachmittag nach Berlin weitergereist. Zur Verabschiedung von Ihrer Königlichen Hoheit hatten sich Prinz Ludwig Ferdinand mit Gemahlin und Prinz Alphons am Bahnhof eingefunden.

Sachsen. Dresden, 17. September. (Dr. J.) Der König wohnte heute wieder dem Feldmanöver der 3. Division Nr. 32 bei. Se. Majestät traf in Begleitung des Kriegs⸗Ministers, Generals der Kavallerie, Grafen von höagie, mit 8 von Nieders edlitz ein, während der kommandirende

General Prinz Georg mit Eilzug von Chemnitz in Erlau an⸗ langte. Se. Majestät begab sich zu Wagen nach dem Vorwerk östlich Gepülzig, stieg daselbst zu Pferde und beobachtete, zunächsf von der südlich der Chaussee gelegenen Höhe, das Vorgehen der 6. Infanterie⸗Brigade Nr. 64 aus Erlau und Fberthathetn gegen die von der 5. Infanterie⸗Brigade Nr. 63 besetzte Stellung von Neugepülzig. Nach Schluß der Uebung nahm der König den Vorbeimarsch der Division die Infanterie in Regi⸗ ments⸗Kolonne, die berittenen Truppen in Escadrons⸗ bezw. Batterie⸗Fronten im Trabe südlich Zetteritz ab und sprach Allerhöchstseine Anerkennung aus. Der König und der Prinz Georg kehrten um 12 ½ Uhr mit Sonderzug von Erlau nach Dresden bezw. Niedersedlitz zurück.

19. September. Der König und die Königin haben nach Aufhebung des Hoflagers zu Pillnitz heute die Königliche Villa zu Strehlen bezogen. Die Prin⸗ essin Mathilde ist vorgestern von der Weinburg in osterwitz wieder eingetroffen.

Der König hat bestimmt, daß die Dienstleistung des im 1. Husaren⸗Regiment Nr. 18, Prinzen ehce in Sugust, Herzogs zu Sachsen, . onigliche oheit, unter dem 20. September d. J. bei diesem Regiment zu beendigen ist und daß die Wiedereinrangirung Höchst⸗ desselben in das 1. (Leib⸗) Grenadier⸗Regiment Nr. 100 unter

Stellung à la suite des genannten Husaren⸗Regiments unter dem 1. Oktober d. J. zu erfolgen hat. Der Prinz ist gleich⸗ zeitig zum Hauptmann ernannt worden.

19. September. (W. T. B.) Der österreichische Minister des Auswärtigen, Graf Kälnoky, ist auf der Rückreise von Friedrichsruh nach Wien heute Mittag hier eingetroffen und

im „Victoria⸗Hotel“ abgestiegen.

Württemberg. Friedrichshafen, 17. September. (St.⸗A. f. W.) Die Köͤniglichen Majestäten empfingen heute den Besuch Ihrer Königlichen Hoheiten des Groß⸗ herzogs und der Großherzogin sowie des Erb⸗ großherzogs von Baden, welche Nachmittags gegen 2 Uhr, mittelst Extraboots hier ankamen, bei Ihren Majestäten das Diner einnahmen und gegen Abend wieder nach Schloß Mainau zurückfuhren. Der kommandirende General von Alvensleben, welcher am Mittwoch Nachmittag aus dem Manöverterrain der 27. Division hierher zurückkehrte, begab sich vor 12 Nach⸗ nittag in Begleitung des Chefs des Generalstabes, Obersten von Rauchhaupt, und des Majors im Generalstabe, Schnürlen, nach Dunningen bei Rottweil, um vom 16. bis 19. d. M. den Divi⸗ sionsma növern der 26. Division beizuwohnen. Diesen Ma⸗ növern, welche schon vorgestern begonnen haben, liegt folgende General⸗Idee zu Grunde: „Ein Rhein⸗Corps ist im Vor⸗ 8 Phen von Straßburg gegen den oberen Neckar. An der

onau in der Gegend von Sigmaringen haben Truppen⸗Zusammenziehungen stattgefunden.“ Es ist aus den Truppen der Division ein Rhein⸗ und ein Donau⸗ Detachement gebildet. Vom 16. zum 17. biwakirt die ganze Division. Am Montag, den 19., enden die Manöver der 26. Division; an diesem Tage treffen die Truppentheile der 27. Division in und um Balingen ein, und am 20. und

1. finden die Corps⸗Manöver bei Schömberg nordöstlich von Rottweil statt. Vom 20. zum 21. wird das ganze Armee⸗ Corps biwakiren.

Baden. Kon stanz, 19. September. (W. T. B.) Der Großherzog und die Großherzogin besuchten heute von der Insel Mainau aus die Ausstellung in Bregenz.

er Großherzog kehrte mit der Bahn über Konstanz nach Mainau zurück, während die Großherzogin der Prinzessin Therese von Bayern in der Villa Amsee bei Lindau

inen Besuch abstattete, dann mit dem Dampfboot nach Meers⸗

urg fuhr und sich von da zu Wagen nach Mainau begab.

Fes. Darmstadt, 19. September. (Darmst. Ztg.) Der Großherzog hat sich von Romrod, wo derselbe den Uebungen der Hessischen Division beigewohnt hatte, gestern um Besuch des Grafen und der Gräfin Görtz nach Schlitz xegeben. Die Prinzessinnen Frene und Alice trafen gestern aus England hier wieder ein. Mecklenburg⸗Schwerin. Rostock, 17. September. Gestern Nachmittag kamen der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin von Oldenburg mit Prinzessin Tochter nebst Dienerschaft von Neustadt in Holstein auf einem wfer, an die Stadt. In Fürstlicher Equipage fuhren Ihre Königlichen Hoheiten nach Gelbensande zu einem kurzen

Besuch ortigen Jagdschloß bei dem Gr Großherzogin.

Reuß ä. L. Greiz, 18. September. (Chemnitzer Tgbl.) Das Befinden der Fürstin hat sich gebessert und ist jetzt ein vollkommen beruhigendes.

Segenrichenaea. Toblach, 19. September. (W. T. B.) Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz machte am Sonnabend einen achtstündigen Ausflug nach den Platz⸗ wiesen, von wo Höchstderselbe sehr befriedigt zurückkehrte. Am Abend wurde Sr. Kaiserlichen Hoheit von der Toblacher Kurkapelle im Nationalkostüm ein Ständchen dargebracht, für welches der Kronprinz freundlichst dankte. Gestern unternahm Höchstderselbe einen Ausflug nach Höhlenstein und Schluder⸗ bach. Se. Kaiserliche Hoheit fühlt Sich sehr wohl und dürfte bis Anfang Oktober hier bleiben. Das Wetter ist prachtvoll.

Großbritannien und Irland. London, 18. Sep⸗ tember. (A. C.) In einem Schreiben an das Parlaments⸗ Mitglied Dr. Robertson sagt der Erste Lord des Schatzamts, Smith: die Regierung werde das Haus der Gemeinen gleich zum Beginn der nächsten Session angehen, eine Neu⸗ regelung der Geschäftsordnung des Hauses sn genehmigen, um den übermäßig langen Sitzungen ein Ende zu setzen, welche die Mitglieder und Beamten des Hauses

während der verflossenen Session erschöpften. u“ F rankreich. Paris, 19. September. (W. T. B.)

Wie verlautet, wird der Conseils⸗Präsident Rouvier die erste sich bietende Gelegenheit ergreifen, um noch vor dem Wiederzusammentritt der Kammern in Paris eine politische Rede zu halten, die als Antwort auf das jüngste Manifest des Grafen von Paris dienen solle. Verschiedene Abendblätter wollen wissen: mehrere den Intransi⸗ genten angehörige Deputirte würden bei der Wieder⸗ aufnahme der Kammersitzungen die Initiative ergreifen zu einem Antrage, durch welchen die Regierung aufgefordert wer⸗ den soll, das Geseß über die Ausweisung der Prinzen zur vollen Anwendung zu bringen. Basly und Came⸗ linat würden den Antrag auf Einziehung der Güter der Prinzen wieder aufnehmen. 8

Italien. Rom, 17. September. (Italie.) In der ita⸗ lienischen Ar mee werden am 1. November folgende Truppen⸗ theile neu formirt werden. Es werden gebildet: zwei neue Kavallerie⸗Regimenter, zu denen von den bereits vor⸗ handenen Kavallerie⸗Regimentern die letzten 12 Mannschaften abgeben. Bei jedem der bestehenden 12 Artillerie⸗Regi⸗ menter werden vier neue Farkerilen gebildet, ferner ein neues Regimentreitender Artillerie und ein Regiment Gebirgs⸗Artillerie an Stelle der bisherigen Brigaden. Bei dem 13. und 14. Festungs⸗Artillerie⸗Regiment werden je 4 neue Compagnien gebildet. Bei dem 1. und 2. Genie⸗Regiment werden je 4, bei dem 3. 3 Com⸗ pagnien Sappeurs neu formirt und außerdem bei letzterem eine Compagnie Specialisti. Endlich treten die 4 bHEE“ vom 3. zum 4. und eine Compagnie Train vom 4. zum 3. Genie⸗Regiment über.

Serbien. Belgrad, 19. September. 68 T. B.) Heute fand die erste Sitzung des Verfas ungs⸗Aus⸗ schusses statt. Derselben wohnten die Minister und sämmt⸗ liche Mitglieder des Ausschusses bei. Nach Verlesung der Dekrete, betreffend die Einsetzung des Ausschusses, und nach Ernennung des Ausschußmitgliedes, Justiz⸗Ministers Avaku⸗ movic, zum Präsidenten, verlas der Minister⸗Präsident Ristic eine Depesche des Königs aus Gleichen⸗ berg, in welcher der Minister⸗Prüstdent beauftragt wird, den Verfassungs⸗Ausschuß im Namen des Königs mit dem aufrichtigen Wunsche zu begrüßen, daß derselbe zum Wohl des Vaterlandes und zur Zufriedenheit des Königs seine Auf⸗ gabe glücklich lösen möge. Die Depesche, deren Verlesung die

kitglieder des Ausschusses stehend anhörten, wurde mit Zivio⸗ Rufen aufgenommen. Der Minister⸗Präsident Ristic setzte sodann in längerer Rede die Aufgabe des Ausschusses aus⸗ einander. Hierauf wurde die Sitzung geschlossen.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 20. Sep tember. (W. T. B.) Der türkische Botschafter, Schakir Pascha, hat sich zu vierzehntägigem Aufenthalt nach der Krim begeben.

Dänemark. Kopenhagen, 19. September. (W. T. B.) Durch einen heute veröffentlichten offenen Brief des Königs wird der Reichstag auf den 3. Oktober ein⸗ berufen.

20. September. (W. T. B.) Prinz Maximilian von Baden traf gestern hier ein, machte dem König einen Besuch und empfing den Besuch des Kronprinzen von Dänemark und des Königs von Griechenland. Abends wohnte der Prinz mit der Königlichen Familie der Mika do⸗Vorstellung im Theater bei. Für heute ist derselbe zur Hoftafel in Fredensborg geladen.

Amerika. (A. C.) Ueber die Festlichkeiten zur Feier des hundertsten Jahrestages der Unter⸗ zeichnung der amerikanischen Verfassung entnehmen wir den Berichten des „Reuter'schen Bureaus“ Folgendes:

Philadelphia, 17. September. Die Festlichkeiten fanden heute ihren Abschluß mit einer Feierlichkeit zum Andenken an die am 17. September 1787 in Independence Hall abgehaltene Versammlung, in welcher die Konvention die Bundesverfassung unterzeichnete. Die Feierlichkeit fand, begünstigt von schönster Witterung, auf dem Unabhängigkeitsplatz (Independence Square) statt, woselbst eine Tribüne errichtet worden war, die Sitzraum für 10 000 Zuschauer hatte. Diese Tribüne war vollständig gefüllt, und die Volksmenge rings herum zählte etwa 50 000 Menschen, während die nach dem v. führenden Straßen ebenfalls mit Menschen dicht gefüllt waren. Die Haupttribüne auf dem Platz war für den Präsidenten Cleveland, die Kabinets⸗Minister, die kirchlichen Würdenträger, das Richterpersonal, das diplomatische Corps und die Spitzen der Civil⸗ und Militärbehörden bestimmt. Während 2000 Schulkinder und ein starker Männergesangverein patriotische Gesänge und Volks⸗ lieder vortrugen, füllte sich diese Tribüne. Kurz nach 11 Uhr erschien der Präsident, begleitet von den Ministern, und wurde von der Volksmenge mit enthusiastischem Jubel begrüßt. Nachdem der Beifall verklungen, sprach Bischof Potter von der protestantischen Episcopal⸗ kirche ein Gebet; dann wurde ein Choral esungen, worauf Mr. Masson, der Präsident der Centenntal⸗üwmission, die Einleitungsrede hielt, an deren Schluß wiederum ein Choral esungen wurde. Dann erhob sich unter donnerndem Beifall Präsident Cleveland und hielt eine längere Rede, worin er auf die Bedeutung des Gedenktages für die Union

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hinwies. Nach der Ansprache des Präsidenten hielt Richter Miller vom obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten die Festrede. Dann sang ein Sängerchor mit Orchesterbegleitung „Hail Columbia“, in welches Lied die ungeheuere Volksmenge miteinskimmte. Zunächst wurde dann die von Mr. Crawford gedichtete neue Volkshymne von einem 200 Stimmen zählenden Chor mit Orchesterbegleitung abgesungen, worauf Kardinal Gibbons, umgeben von zwei Erzbischöfen und vier Bischöfen der römischen Kirche, ein Gebet rezitirte.

Rachdem nunmehr Orchester und Chor die Volkshymne vom „star

spangled banner“ exekutirt, sprach Dr. Wetherspoon, ein presby⸗ terianischer Geistlicher, den Segen, womit die eindrucksvolle Feier schloß. Am Abend wohnte Präsident Cleveland dem Centennial⸗ Bankett der Hibernischen Gesellschaft bei, an welchem sich über 300 Personen, darunter Kardinal Gibbons und viele Notabilitäten,

betheiligten. 18. September. Heute Abend gaben die historischen und

wissenschaftlichen Gesellschaften in der Academy of Music ein Bankett zu Ehren des Präsidenten Cleveland, welcher eine beim Nach⸗ tisch gehaltene Rede mit einem Toast auf das „Mutterland“ schloß, den Sir Lyon Playfair Namens Englands beantwortete. Der Marquis Chambrun beantwortete den reich. Um 10 Uhr Abends trat Präsident Cleveland mit seiner Gemahlin und den Ministern die Rückreise nach Washington an. Die Feier war im Allgemeinen sehr erfolgreich und wurde trotz der I Volksmassen, die derselben beiwohnten, durch keine Unfälle getrübt.

Mexiko. Mexiko, 16. September. (R. B.) Der Kongreß wurde heute von dem Präsidenten Diaz mit einer Rede eröffnet, in welcher derselbe sagte, daß die Beziehungen Mexikos zu allen ausländischen Mächten freund⸗ schaftliche wären. Der Jahrestag der mexikanischen Unabhängigkeitserklärung wurde heute mit großer Begeisterung gefeiert, und es betheiligten sich auch die Nord⸗ amerikaner an den Festlichkeiten.

Asien. Bombay, 16. September. einer aus Gundamuck datirten Depesche, befindet sich Eyub Khan jetzt in Koi Jaimani in Be⸗ ludschistan. Ein Sirdar und einige Soldaten der Garnison von Ghorian sind fahnenflüchtig geworden, als Eyub Khan sich in der Nähe von Herat befand, um zu ihm zu stoßen. Der Gouverneur von Herat ließ jedoch eine Truppenabthei⸗ lung den Flüchtigen nachsetzen, welche sich nach unbedeutendem Gefecht ergaben, mit Ausnahme des Sirdars, welcher entkam.

Aus Simla, vom 16. September, wird gemeldet: Von Meshed ist die Nachricht hierher gelangt, daß Eyub Khan bis zu einer Quelle in dem wasserlosen Distrikt Dasht⸗i⸗Lut versolgt worden ist. Dort wurde seine Spur verloren.

Japan. (W. T. B.) Einer Depesche der „Times“ vom 19. September aus Japan ist der Mi⸗ nister des Auswärtigen, Graf Inouye Kaoru, seines Postens enthoben und provisorisch durch den Grafen Ito ersetzt worden. Graf Kurado ist zum Handels⸗Minister ernannt worden. Der Ministerwechsel soll mit der Frage der Revision der Verträge mit den fremden Mächten zusammenhängen.

(R7. B.) Nach vom 12. d. M.,

Zeitungsstimmen.

Anläßlich der Kaiser⸗Manöver bei Stettin bringt der „Standard“ einen äußerst Prnpathisch gehaltenen Artikel über den Deutschen Kaiser und Seine Armee:

„Die Besichtigung des pommerschen Armee⸗Corps“, sagt das Blatt, durch den Veteran Kaiser Wilhelm, diesen greisen Fürsten, dessen Jugend Preußens Erhebung von tödtlichem Sturze sah, dessen Mannesalter der militärischen Erstarkung Preußens gewidmet war, und dessen Greisenalter die Wiederaufrichtung des Deutschen Reichs vollendete, erscheint wie ein Markstein inmitten einer kritischen Periode. Wir mögen den Krieg noch so sehr verabscheuen und ganze Bände mit weisen Aussprüchen gegen den Krieg ausfüllen, wer ist unter uns, dem nicht leichter zu Muthe wäre und der nicht ruhiger schliefe in dem Bewußtsein, daß der alte Kriegsheld mit seinen ergrauten Feldherren und seinen jungen Soldaten in Central⸗Europa Wache hält. Fürst Bismarck hat einmal geäußert, daß die Orientalische Frage für Deutschland nicht die Knochen eines pommerschen Grenadiers werth sei; dafür weiß aber die ganze Welt, daß die Pommern und ihre Kameraden jetzt die Hüter des Friedens sind, man wünscht ihnen daher alles Gute.“ Der Artikel bespricht sodann die einzelnen Momente der Parade und fährt fort: „Vor einigen Jahren hat man noch über diese Entfaltung militärischen Pomps gelächelt. Jetzt aber, wo Europa seine Bataillone zählt, und bemüht ist, bei der Schnelligkeit der Mobilmachung auch nur einige Stunden zu gewinnen, jetzt, wo in Frankreich der kriegerische Geist wieder zu erwachen scheint, können wir nicht einen unserer Paladine missen, deren ganzes Denken auf die Erhaltung des europäischen Friedens gerichtet ist.“ Weiter heißt es in dem Artikel: „Die 34 Bataillone, 30 Schwadronen und 2 Artillerie⸗Regimenter, welche am Dienstag vor ihrem Kaiser vorbeidefilirten, sind nur ein kleiner Bruchtheil einer bewaffneten Nation, welche noch in diesem Jahre ihre Kriegsstärke um 150 000 Mann vermehrt hat, einer Nation „loyal to the backbone“, mit einer Armee, welche, obwohl begeistert durch ihre errungenen Erfolge, dennoch nie aufhört, sich für den Krieg immer noch vollkommener zu machen. Die deutsche Armee ist die einzige, bei der man sagen kann, daß die Ausführung nicht hinter den Versprechungen zurückbleibt, denn sie ist die einzige, welche ihre Kraft verheimlicht, statt sich mit derselben zu brüsten.“

Dem „Hamburgischen Correspondenten“ wird über die Verlängerung der Legislaturperioden des Reichs⸗ tages und des preußischen Landtages aus Berlin geschrieben:

.. Wienn jetzt der Gedanke wieder aufgenommen wird, so liegen dafür die triftigsten Gründe vor. Die letzten Wahlen mit ihrer tiefgehenden Erregung haben das Bedürfniß längerer Ruhe⸗ pausen klarer denn je gemacht. Umfassende Gesetzgebungswerke, u. A. das Bürgerliche Gesetzbuch, stehen aufs Neue in Aussicht. Im Reichstage wie im Preußischen Landtage besteht eine gleich zusammen⸗ gesetzte Mehrheit. Es ist daher angängig, die Maßregel in beiden Körperschaften zugleich vorzunehmen. Der preußische

andtag steht am Ende seiner Legislaturperiode. Sollen, wie es erwünscht ist, die nächsten Wahlen bereits auf fünf Jahre erfolgen, so muß die Verlängerung in der bevorstehenden Session beschlossen werden. Wir zweifeln nicht daran, daß die Mehrheitsparteien in 18 Körperschaften sich für ein entsprechendes Vorgehen einigen werden.

Und zwar empfiehlt es sich, eine Verlängerung auf 5 Jahre zu beschließen. Ein Zeitraum von 5 Jahren ist lang genug, um den Nach⸗ theilen der gegenwärtig zu kurzen Perioden wirksans abzuhelfen; er ist andererseits aber nicht so lang, daß der Abgeordnete Gefahr liefe, die lebendige Fühlung mit seinen Wählern zu verlieren. Eine ungerade Jahreszahl endlich empfiehlt sich, um von vornherein die Mißdeutung auszuschließen, als ob die Verlängerung der Legislaturperioden der Vorläufer der Verlängerung der Budgetperiode oder gar der Auf⸗ e des Erfordernisses jährlicher Berufung des Reichstages sei.

ie Budgetberathung im Reichstage und mehr noch im preu⸗ ßischen Landtage ist ohne Zweifel von Mißbräuchen nicht frei; sie verliert sich nur zu oft in Wortgefechten ohne praktischen Nutzen ü22 die Geschäfte des Reichs und des Landes und trägt sicher nicht dazu bei, die Autorität und das Ansehen

Toast auf Frank⸗

in Amsterdam 19,6, in Brüssel 22,3,

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der Volksvertretung zu heben. Allein eine zweijährige Budget⸗ periode würde nur in sehr geringem Umfange den vorhandenen Uebel⸗ ständen abhelfen, deren Beseitigung vielmehr nur von der energischen Selbstbeschränkung der parlamentarischen Versammlungen selbst zu er⸗ warten ist. Uebrigens scheint eine Wendung zum Besseren bereits eintreten zu wollen. Jedenfalls aber wiegen die nach dieser Richtung von der Einführung zweijähriger Etatsperioden etwa zu gewärtigenden Vortheile die Bedenken nicht auf, welche der Maßregel vom finanz⸗ technischen und konstitutionellen Standpunkt entgegenstehen. Es empfiehlt sich daher, selbst den Schein zu vermeiden, als wolle man an der verfassungsmäßigen Einrichtung der Budgetperioden rütteln. bb der Legislaturperioden auf fünf Jahre sei daher die Parole!“

—. In der „Rheinisch⸗Westfälischen Zeitung“

lesen wir: „Eiie höchst bedeutsame Kundgebung für den Schutzzoll in England ist auf der diesjährigen Herbstversammlung des Iron and Steel In⸗ stitute erfolgt, welche am Mittwoch, den 14. September in Manchester eröffnet worden ist. Es erregte diese Kundgebung um so größeres Aufsehen, weil man auf dieselbe nicht allein nicht im mindesten vor⸗ bereitet war, sondern dieselbe auch von so autoritativer Seite, nämlich von dem Vorsitzenden des Instituts, nicht erhofft hatte. Der Vorsitzende, err Daniel Adamson, erklärte nämlich in seiner Eröffnungsansprache, daß die Metallurgie seit dem Inslebentreten des Instituts ganz nam⸗ hafte Fortschritte gemacht habe, zumal aber in der Fabrikation von Eisen und Stahl. Seit dem 5— Meeting biete die kommerzielle Situa⸗ tion, welche das Eisen⸗ und Stahlgeschäft in so hervorragendem Maße beein⸗ flusse, etwas hoffnungsvollere Aussichten. Bevor aber das Geschäft für die Besitzer von Eisenwerken zu einem lohnenden sich gestalten könne, müsse noch eine fernere erhebliche Besserung sich einstellen. In welcher Weise eine derartige Besserung sich zu vollziehen im Stande sei, lasse sich schwer sagen; aber selbst wenn sie eintrete, werde England sich in Folge der von ihm beobachteten Handelspolitik, welche letztere in direktem Widerspruch mit den Seitens der Großstaaten des europäischen feNang und Amerikas anerkannten Grundsätzen stehe, stets im Nach⸗ theil befinden. So lange man in England dem Kaufmann gestatte, sich mit größerem Profit im Auslande zu versorgen, statt sich mit einem bescheidenen Verdienst beim Ankaufe im Binnenlande zu begnügen, werde der größte und hervorragendste Zweig des britischen Gewerbes, die Eisenindustrie, leiden, während der fremdländische Konkurrent auf Kosten Englands triumphire. Es sei eine Frage von überaus ernster Bedeutung, ob eine vorzunehmende Richtigstellung der Handelsverhält⸗ nisse des Landes nicht allein ausführbar, sondern in Wirklichkeit auch unerläßlich sei. England habe bisher dem ausländischen Konkurrenten vollständig offen und zur Verfügung gestanden. Wie habe es aber seine eigenen Landeskinder behandelt? Wenn der Bewohner eines in der Nachbarschaft des nächsten Marktstädtchens Ashton⸗under⸗Lyne gelegenen Dorfes Besen fabrizire, um die Thürschwelle eines in Ashton wohnenden Freihändlers zu fegen, sei dann ein solcher Dorf⸗ bewohner im Stande, seine Waare in Asfhton in Konkurrenz mit einem dortigen Produzenten zu verkaufen? Nicht im Mindesten! Der Bewohner von Ashton habe die Markteinrichtungen geschaffen und bestreite die aus der Instandhaltung derselben erwachsenden Kosten. Könne man es ihm daher verdenken, wenn er dem von aus⸗ wärts kommenden Verkäufer sage, daß er, sofern er seine Waaren in Ashton zu verkaufen gedenke, eine Steuer oder einen Soll zu bezahlen habe, wodurch er annähernd auf die gleiche Basis mit den einheimischen Fabrikanten und Händlern gestellt werde! Tvrotz der Richtigkeit dieses Grundsatzes sei England als Nation liberaler als diejeni en, welche das Regiment in den großen Städten des Landes führten. Man gestatte zum Beispiel dem belgischen 11“ seine Eisen⸗ und Stahlwaaren auf den zollfreien ärkten Englands ohne irgendwelche Behinderung abzusetzen und zu verkaufen, vermisse aber jede Initiative der englischen Regie⸗ rung, welche darauf gerichtet wäre, den Produzenten des eigenen den belgischen Märkten die gleichen Verkaufsbedingungen

zu schaffen. Man kann sich denken, welche Sensation diese unerwartete und kräftige Unterstützung der Fair⸗Trade⸗Bewegung in der Versammlung bervorrief, zumal da sie von so überaus gut unterrichteter und durch⸗

aus patriotischer Seite kam.

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Marine⸗Verordnungs⸗Blatt. Nr. 18. Inhalt: Seeklarbesichtigungen. Friedens⸗Geldverpflegungs⸗Reglement. Wittwen⸗ und Waisenversorgung. Inventarien⸗Etat. Kriegs⸗ feuerwerkerei. Personalveränderungen. Benachrichtigungen.

Justiz⸗Ministerial⸗Blatt. Nr. 33. Inhalt: Allge⸗ meine Verfügung vom 10. September 1887, betreffend die Führung des Portokontobuchs. Erkenntniß des Reichsgerichts vom 9. Mai 1887.

Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 38. Inhalt: Amtliches: Personal⸗Nachrichten. Nichtamtliches: Bahnanlagen am Rheinufer in Deutz. Wanderungen durch Ostdeutschland zur Er⸗

forschung volksthümlicher Bauweise. Der Panama⸗Kanal. Ver⸗ mischtes: Umbau der Moskauer „Handelsreihen“. Umgestaltungen in Venedig. Regelung des Drucks in Gasleitungen.

ESetatistische Nachrichten. 1

1 Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheits amts sind in der Zeit vom 4. bis 10. September cr. von je 1000 Bewohnern, auf den Jahresdurchschnitt berechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin 24,8, in Breslau 28,8, in Königsberg 31,3, in Köln

97g⸗ in Frankfurt a. M. 20,5, in Wiesbaden 14,6, in Hannover 14,7, in

Kassel 13,4, in Magdeburg 21,5, in Stettin 20,4, in Altona 18,6, in Straßburg 27,3, in Metz 22,0, in München 32,7, in Nürnberg 28,2, in Augsburg 25,5, in Dresden 24,4, in Leipzig 25,3, in Stuttgart 15,6, in Karlsruhe 16,9, in Braunschweig 28,8, in Hamburg 25,9, in Wien ö24,8, in Pest 28,7, in Prag 24,4, in Triest 31,7, in Krakau 33,5, in Paris 19,5, in Basel —, in London 16,7, in Glasgow 19,4, in Liverpool 21,0, in Dublin 27,9, in Edinburg 18,8, in Kopenhagen 24,9, in Stockholm 21,1, in Christiania 19,0, in St. Petersburg 23,0, in Warschau 32,0, in Odessa 30,2, in Rom —, in Turin 20,5, in Venedig 26,5, in Alexandrig 46,2. Ferner in der Zeit vom 14. bis 20. August: in New⸗ York 27,7, in Philadelphia 21,7, in Baltimore 22,8, in Kalkutta 22,7, in Bombay 25,9, in Madras 41,2. Die Sterblichkeit hat in der Berichtswoche in den meisten Groß⸗ städten Europas, besonders in den deutschen, abgenommen, nur in den englischen und skandinavischen Städten werden mehrfach etwas Fse Sterblichkeitsziffern als in der Vorwoche gemeldet. nsbesondere wurden aus den deutschen Städten wieder etwas mehr Sterbefälle an Darmkatarrhen und Brechdurchfällen mitgetheilt als in der Vorwoche und war die Zahl derselben namentlich in Berlin, München, Dresden, Breslau, Köln, Frankfurt a. M., Straßburg, Danzig, Nürnberg, Wien, Pest, Prag, Kopenhagen, Warschau, St. Petersburg eine gesteigerte, dagegen in Hamburg, Leipzig, Königsberg, Hannover, Bremen, Magdeburg, Stetkin, Braunschweig, London, Paris eine etwas verminderte. Einer sehr günstigen Sterblichkeit (bis zu 15,0 pro Mille und Jahr) erfreuten sich Han⸗ nover, Lübeck, Kassel, Wiesbaden. Groß war die Zahl der Städte, in denen die Sterblichkeit eine günstige (noch nicht 20,0 pro Mille und Jahr) zu nennen war, wie Stuttgart, Bremen, Barmen, Elber⸗ feld, Altona Mainz, Karlsruhe, Mannheim, Freiburg i. B., Kiel, otsdam, Mülhausen i. E., Darmstadt, Würzburg, Paris, London, Glasgow, Edinburg, Amsterdam, Christiania u. A. Eine hohe Sterblichkeitsziffer (über 35,0 pro Mille) wird von deutschen Städten nur aus Chemnitz gemeldet. Die Theilnahme des Säuglingsalters an der Gesammtsterblichkeit war im Allge⸗ mei eine etwas kleinere als in der Vorwoche, in Berlin

und München jedoch eine größere. Von 10 000 Lebenden starben (aufs Jahr berechnet) in Berlin 135, in München 161 Säug⸗ linge. Akute Entzündungen der Athmungsorgane blieben allgemein in beschränkter Zahl Todesursachen. Von den Infektionskrankheiten wurden Sterbefälle an Masern, Scharlach, typhösen 185 und Keuchhusten in etwas größerer, an Diphtherie und Pocken in etwas eringerer Zahl mitgetheilt als in der vorhergegangenen Woche. So aben Masern in Berlin, Altona, Darmstadt, Kopenhagen etwas mehr Sterbefälle veranlaßt, während in Paris, London, Dublin die Zahl derselben abnahm. Erkrankungen an Masern waren besonders in Kopenhagen sehr zahlreich, auch in den Regierungsbezirken Aachen und Düsseldorf kamen Masern nicht selten zum Vorschein. Das Scharlachfieber hat in Berlin, London, Liperpool, Warschau etwas mehr Todesfälle hervorgerufen; auch war in Berlin, Hamburg, Wien, Edinburg, Stockholm und Christiania die Zahl der gemeldeten Neuerkrankungen eine größere. Die Sterblichkeit an Diphtherie und Croup war in Berlin, München, Leipzig, Altona, Christiania eine etwas gesteigerte, dagegen in Breslau, Hamburg, Nürnberg, Pest, Paris, London u. A eine geringere. Neue Erkrankungen wurden in Berlin weniger, in Hamburg, Nürnberg, Stockholm, Christiania, St. etersburg in wenig veränderter Zahl mitgetheilt. Typhöse ieber bedingten in Hamburg, Paris, London und St. Petersburg etwas mehr, in Berlin etwas weniger Sterbefälle; Erkrankungen haben nur in St. Petersburg zugenommen. An Flecktyphus kamen aus Danzig j, aus London 2 Todesfälle zur Mittheilung. Der in der vorigen Woche aus Berlin gemeldete Flecktyphus hat sich nachträglich als eine Erkrankung an Unterleibstyphus herausgestellt. Rosen⸗ artige Entzündungen des Zellgewebes der Haut waren in Wien und Kopenhagen nicht selten. An epidemischer Ge⸗ nickstarre kamen aus Berlin 2 Todesfälle, aus St. Petersburg 1, aus Berlin auch 2 weitere Erkrankungen zur Berichterstattung. Der Keuchhusten rief in Berlin weniger, in London, Edinburg, St. Petersburg mehr Todesfälle hervor. Aus Hamburg werden 2 weitere Erkrankungen und 1 Todesfall an Trichinose mit⸗ getheilt. Einzelne Pocken⸗Todesfälle kamen aus Wien, Pest und Lemberg, je 3 aus Prag und St. Petersburg, 6 aus Triest, 7 aus Paris, 25 aus Warschau zur Meldung; neue Erkrankungen nur aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf und Pest je 1, aus Wien 4, aus St. Petersburg 9. Die Nachrichten über die Cholera in Italien lauten wieder ungünstiger. In Rom soll die Zahl der Cholerafälle vom 12. bis 15. September sich auf 56 belaufen. In Messina ist in der Nacht vom 9. zum 10. September ein Neuausbruch der Cholera (mit 18 Fällen) aufgetreten. Auch aus Palermo und Trepani werden aus den ersten Tagen des September eine größere Zabl von Cholerafällen gemeldet. In der Provinz Catania ist die euche im Erlöschen. In der Präsidentschaft Bombay hatte die Cholera in der ersten Hälfte des Monats August größere Verbreitung gewonnen.

Die Nr. 394 der „Mittheilungen der Großherzoglich hessischen Centralstelle für die Landesstatistik“ hat fol⸗ genden Inhalt: Schulbildung der Ersatzmannschaften 1886/87. Prozesse in Bezug auf die Zölle und Steuern des Reichs, sowie die privativen inneren indirekten Steuern und Abgaben 1886/87. Zur Statistik der evangelischen Kirche im Großh. Hessen 1885. Vergl. meteorol. Beobacht. Mai 1887. Preise der gewöhnl. Ver⸗ brauchsgegenstände Juni 1887. Vorläufige Ergebnisse des Betriebs der Eisenbahnen Juni 1887. Steuerrückvergütungen für ausge⸗ führtes Bier 1886 87. Tägliche Wasserstände April, Mai und Juni 1887. Sterblichkeitsverhältnisse Juli 1887. Anzeige.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Sitzungsberichte der Königlich preußischen Aka⸗ demie der Wissenschaften zu Berlin. Berlin, Verlag der Königlichen Akademie der Wissenschaften, in Kommission bei Geor Reimer. 1887, Nr. XIX bis XXIII. In der Tripel⸗ Nummer XIX, XX, XXI, vom 14. und 21. April, ist eine Mit⸗ theilung über die Resultate der von Dr. J. Wilsing in Potsdam, im dortigen Astrophysikalischen Observatorium, angestellten Pendel⸗ beobachtungen zur Bestimmung dermittleren Dichtigkeit der Erde veröffentlicht. Der Apparat, welchen der Verf. der Arbeit benutzt hat, ist ein Pendel, welches von Repsold mit aus⸗ gezeichneter Sorgfalt ausgeführt worden ist. Dasselbe besteht aus einem 1 m langen gezogenen Messingrohr von 4 em Durchmesser, dessen Enden Kugeln aus Rothguß von etwa 550 g Gewicht tragen. Durch die Mitte des Rohrs ist die mit ihm fest verbundene 6 cm lange Achatschneide geführt, welche auf einem gleichfalls aus Achat bestehenden Lager von gleicher Länge aufliegt. Am oberen Ende des Instru⸗ ments können drei kleine, leicht zu entfernende Messingscheiben aufgelegt werden. Die Beobachtung der Schwingungsdauer mit und ohne Scheiben liefert die für die Rechnung nothwendigen Reduktionskonstanten, also das Trägheitsmoment und die Lage des Schwerpunkts des Pendels. Unmittelbar neben der Schneide befinden sich kleine Spiegel, welche eine genaue Beobachtung der Oscillationen mit Hülfe des Fernrohrs ermöglichen. Eine Korrektionsschraube am oberen Ende dient zur Berichtigung der Gleichgewichtslage. Durch die Wahl des Materials (Messing, Glas, Achat) wurden magnetische Störungen ausgeschlossen; außerdem waren als leitende Gesichtspunkte bei der Konstruktion dieses außerordentlich einfachen und mechanisch übersichtlichen Apparats maßgebend: Erzielung möglichst großer Stabilität und Sicherheit gegen Durchbiegung bei geringem Gewicht, ferner Vermeidung von inneren Spanaungen, also Homogenität und symmetrische An⸗ ordnung der einzelnen Theile in Bezug auf die Schneide; endlich Vermeidung der störend auftretenden Temperatureinflüsse. Die Bewegung des Pendels ist noch bei einer Schwingungs⸗ dauer von 3 bis 4 Minuten von vollkommener Regelmäßigkeit. Die Schwingungsdauer wurde aus den Durchgangszeiten bestimmter, zur Gleichgewichtslage symmetrisch gewählter Skalenstriche gefunden. Diese Durchgangszeiten ließen sich am Chronometer auf Zehntel Zeit⸗ sekunden schätzen. Der Beobachtungsraum befindet sich im Sou⸗ terrain des Observatoriums und hat eine quadratische Grundfläche von 4 m Seitenlänge. In seiner Mitte ist eine eiserne Konsole für das Pendel an einem starken, vom Fußboden isolirten Backsteinpfeiler an⸗

ebracht. Das Instrument befindet sich in einem Holzkasten, der zu Ling Schutz gegen Temperatureinflüsse noch mit einem Blech⸗ mantel umgeben ist. Das Beobachtungsfernrohr ist gleichfalls auf einem Backsteinpfeiler in einem an den Raum unmittelbar an⸗ schließenden Gange gelagert. Als anziehende Massen dienten zwei gußeiserne Cylinder, deren Gewicht (je 325 kg) durch Wägung direkt bestimmt wurde. Sie waren mit Hülfe eines Systems von Rollen so auf⸗ gehängt, daß sie sich gegenseitig im Gleichgewicht hielten und ihre horizontal gerichteten Achsen durch die Mittelpunkte der oberen bezw. unteren Pendelkugel gingen. War dann die Gleichgewichtslage des Instruments durch Brohachtung von vier aufeinander folgenden Elon⸗ gationen bestimmt, so wurde die Stellung der Massen vertauscht und sofort die neue Gleichgewichtslage ermittelt. Die Differenz beider Stellungen des Pendels gab das Maß für die doppelte Anziehung der Massen. Der numerische Betrag der Ablenkungen des Pendels oder der Unterschied der Csh cea harsg bei beiden Stellungen der an⸗ ziehenden Massen liegt je nach der Justirung der Empfindlichkeit des Instruments zwischen 1 und 10 Bogen⸗Minuten. Doch wird es möglich sein, bei noch größeren Empfindlichkeitsgraden zu beobachten, wenn es gelungen ist, die Temperaturstörungen, welche dann im Gange der Gleichgewichtslage merklicher hervortreten, vollkommen zu beseitigen. 37 Beobachtungsreihen mit den Kugeln am Pendel ergaben den Werth 5,651 0,017, 31 andere, bei welchen die Kugeln abge⸗ nommen waren, 5,731 0,020. Als wahrer Werth für die mittlere Dichtigkeit der Erde ergiebt sich daraus 5,594 +† 0,032. Diese Zahl ist erheblich kleiner als das von Jolly mit der Wage gefundene Resultat (5,69) und nur unbedeutend größer, als die Beobachtungen mit der Torsionswage im Mittel ergeben haben (Cavendish fand 5,48. Reich 5,49 und in zweiter Bearbeitung 5,58, Baily 5,66, Cornu und Baille 5,56), In demselben Heft ist die Adresse der Akademie an ihr Mitglied, Hrn. Ernst Beyrich, zur Feier seines 50 jährigen or⸗Jubiläums, am 12. April 1887, abgedruckt.

Beiliegt demselben das Verzeichniß der

1887 bei der Akademie eingegangenen Druckschriften. Das Doppel⸗ heft XXII, XXIII, vom 28. April, enthält zunächst eine Arbeit von A. Dillmann, über die apokryphen Märtyrergeschichten des Cyriacus mit Julitta und des Georgius. Dann bespricht Th. Mommsen einen höchst interessanten, neu aufgefundenen alten Reisebericht nach dem gelobten Lande. Die Pilgerfahrten, welche eine vornehme Dame aus dem südlichen Frankreich wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts von Jerusalem aus in Palästina sowie nach dem Sinai unternahm und in einem von Konstantinopel an ihre Klosterschwestern daheim gerichteten, buchartigen Brief ausführ⸗ lich schildert, waren bisher nur bekannt in den dürftigen Auszügen, welche Petrus Diaconus, der die Handschrift in der Bib io⸗ thek seines Klosters von Monte Cassino benutzte, seiner Schrift „De locis sanctis“ daraus einfügte. Jetzt hat der verdiente Bibliothekar von Arezzo, Franc. Gamurrini, die Ueberreste der durch wunderliche Zufälle in die Stadtbibliothek von Arezzo verschlagenen und von ihm dort aufgefundenen Handschrift veröffentlicht. Dieselbe ent⸗ hält auch noch ungedruckte Stücke von Hilarius (einen trac tatus de mysteriis und Hymnen). Die pilgernde Dame, nach des Herausgebers Vermuthung Silvia aus Aquitanien, ging von Jerusalem nach dem Sinai und auf demselbe Wege wieder zurück. Erhalten ist uns von ihrem Bericht der Schluß der Hinreise von Pharan zum Sinai, die Beschreibung der dortige heiligen Stätten und die ganze Rückreise von Sinai nach Suez und weiter nach Pelusion, dann von da zu Lande nach Jerusalem. Der Bericht ist für die Topographie der Sinai⸗Gegend und des angren zenden Gebiets von Egypten von Bedeutung. Neben manchem ande ren interessanten Detail sind hervorragend wichtig die Angaben übe die Strecke von Suez nordwärts, wo die Pilgerin, die überhaup nur bei heiligen Stätten verweilt, die in den Büchern Mosi erwähnten Orte besucht hat und in ihrer Weise

Clysma, das heutige Suez, erscheint in dem Bericht als der Ort wo die Israeliten das Rothe Meer durchschritten, und es ist die Legend in allen Einzelheiten ausgemalt bis auf die Maße der Spur⸗ und der Radweite von Pharao's Wagen. Unter Anderem ergiebt sich ferner aus der Handschrift die Identität von Thou, der Hauptstadt des Landes Gosen mit dem später so genannten Arabia. Merkwürdig sind auch die An gaben über die Organisation des späteren römisch⸗indischen Handels⸗ verkehrs. Die wüste Strecke von Suez bis zum Kanal war damal bereits in Händen der Sarazenen; die römische Herrschaft beschränkte sich, wie die Pilgerin sagt, auf eine Kette von Posten und Klöstern.

Im Selbstverlage des Herausgebers Willy Eschenbach in Berlin (Vereins⸗Druckerei Gebr. Cohn, Poststr. 6) C.) ist vor Kurzem das „Telephon⸗Bestell⸗Buch“ in 3. Auflage für den Preis von 1 50 erschienen. Dasselbe enthält ein nach Branchen ge⸗ ordnetes Verzeichniß sämmtlicher Theilnehmer des Fernsprechnetzes und bietet zur Erleichterung des geschäftlichen Verkehrs eine nicht un⸗ wichtige Handhabe. Mitte Januar 1888 soll dasselbe in 4. Auflage zur Ausgabe gelangen.

Babylonisch⸗Assyrische Geschichte von C. P. Tiele 1. Theil: von den ältesten Zeiten bis zum Tode Sargon's II. (Gotha Friedr. Andr. Perthes. 1886. Preis 6 ℳ) Je schwieriger es ist zur Zeit schon eine selbständige babylonisch⸗assyrische Geschichte zu liefern, da das Quellenmaterial meist nur aus den erst neuerdings bekannt gewordenen und noch viel umstrittenen Keilinschriften besteht um so dankbarer ist es anzuerkennen, daß der holländische Gelehrte C. P. Tiele, Professor in Leyden, ein gründlicher Kenner des orientalischen Alterthums, mit sicherer Hand die Fundamente für einen 8 geschichtlichen Aufbau dieser Art gelegt hat. Sein Werk, von welchem bisher nur der erste Theil vorliegt, gehört in die Reihe von „Handbüchern der alten Geschichte“ hinein, welche die Ver⸗ lagshandlung veröffentlicht. In sehr zweckmäßiger Weise hat der Verfasser die allgemeineren und die spezielleren Untersuchungen durch den Druck unterschieden. Es ist überall dafür gesorgt, daß der Leser die Darlegung des Thatbestandes und der wissenschaftlichen Begrün- dung gehörig auseinander halten könne. In klarer Darstellung wird der Ueberblick über das aus umfassendstem Quellenstudium ermittelte Material gegeben und das Ergebniß der Forschung kritisch geprüft. Daß trotz allen aufgewendeten Fleißes noch manche Lücken zurück⸗ bleiben, ist nach Lage der Sache natürlich. Die Geschichte beider Reiche ist nach Tiele die untrennbare Geschichte einer Weltmacht, welche hier in thunlichst deutlichen Umrissen bis zum König Sargon I. 705 v. Chr. fortgeführt wird. 8

Nach Portugal und Spanien. Eine heitere Touristen⸗ fahrt von Otto Rieß. (118 S. 80. Pr. 1 R. von Decker’s Verlag, G. Schenck, in Berlin.) In lebendiger, stets fesselnder und oft humoristischer Schilderung erzählt der Verfasser die Erleb⸗ nisse einer Touristenfahrt mit dem oldenburgisch⸗portugiesischen Dampfer „Portugal“ nach Oporto, Lissabon, Cintra, Gibraltar, Tanger, 8 Malaga, Granada und Sevilla. Wenigen Glücklichen wird es ver⸗ gönnt sein, die Schönheiten, welche der Verfasser schildert, selbst zu sehen, aber Viele werden durch das Lesen des kleinen Buchs angenehm unterhalten werden. 1

Der Leibarzt für fröhliche Zecher. Von Dr. med. 8 Borcherdt. Illustrirt von E. Klein. Verlag von Robert Lutz in Stuttgart. (Pr. 2 ℳ) Der Verfasser hat in dem vorliegenden kleinen Werk den Versuch gemacht, der zechenden Menschheit in theils scherzhafter, theils ernster Weise klar zu machen, was, wie viel, wann, wo und woraus sie trinken soll. Der Verfasser hat sich offenbar angelegentlich mit dem Studium dieser Fragen beschäftigt: er behandelt sie sämmtlich, auch vom wissenschaftlichen Standpunkt aus, eingehend und führt insbesondere den Nachweis, daß nicht die Art des Berauschungsmittels, sondern die Weise, wie es gebraucht wird, die Schädlichkeit oder Unschädlichkeit desselben bedingt. Das kleine Buch ist in lebendiger, anregender Weise geschrieben und mit hübschen, sauber ausgeführten Illustrationen versehen; es wird sich sicherlich unter den fröhlichen Zechern viele Freunde erwerben, da es für sie gute Lehren und manchen vortrefflichen Rath enthält und ihnen eine interessante, fesselnde Lektüre bietet. Die Ausstattung des Werks ist geschmackvoll und elegant. 8

Die Nr. 18 von „Mode und Haus', praktische illustrirte Frauen⸗ zeitung (Vierteljahrspreis 1 ℳ) ist soeben erschienen. Im künstlerisch arrangirten „Modetbeil“ der Zeitschrift befinden sich fünfzehn auf Kinder jeden Alters, auf junge Mädchen, auf Erwachsene und ältere Damen sich beziehende geschmackvolle und praktische, dem einfachen Genre Rechnung tragende Mode⸗Illustrationen, während der Hand⸗ arbeitentheil in 19 leicht auszuführenden Handarbeiten⸗Vorlagen rei⸗ zende Dessins aufweist. In hauswirthschaftlichen Angelegenbeiten, in der Gesundheitspflege, im Erziehungswesen u. s. w. ertheilt der mit 29 interessanten Artikeln versehene „Haustheil“ praktischen Rath. Zur speziellen Unterdaltung der musikalisch gebildeten Abonnenten von „Mode und Haus“ sorgt ein melodiöses, für die Zeitschrift eigens von dem bekannten Musiker Franz Dorn komponirtes Musikstück. Die Illu⸗ strirte Belletristik“ mit dem Original⸗Porträt der Frau Saphie Brajnin und einem stimmungsvollen Stich nach dem neuesten Ge⸗ mälde von Professor Andreotti, „Die Werbung“, bietet aus den Federn erster Schriftsteller fesselnde Lektüre. Den „Kleinen“ bringt die Sevarat⸗Beilage „Die Kinderwelt“ (Redaktion Karl Neumann⸗ Strela) viel Unterhaltendes.

Gewerbe und Handel.

Vom rheinisch⸗westfälischen Metallmarkt bhrrichtet die „Rhein⸗Westf,. Zig.“: Die Entwickelung des Geschäftsganges auf dem rheinisch⸗westfälischen Eisenmarkt hat auch im Verlauf der Woche ihren befriedigenden Verlauf heibehalten und es ist alle sicht vorhanden, daß die jetzige günstige Pövsiognomze des Markdes eine dauernde sein werde, da die Kauflust und zwar wentger für die Spekulation als für den reellen Bedarf im ö8 eber zu. als abnimmt. Auch auf dem schlesischen Markt herrscht in Roheisen sowohl wie in Walzeisen flotter Betried. Weniger defriedigten in der letzten Woche die Nachrichten von England und Schottland. Auch in Amerika hat der Markt nicht mehr ganz die feste Haltung der früheren Wochen, ohne daß man die Geschäftslage indessen eine ungünstige zu nennen