1887 / 252 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 27 Oct 1887 18:00:01 GMT) scan diff

Das Seminar für drientalische Sprachen ist eute Mittag um 12 Uhr feierlich eröffnet worden. Von der Zinne der alten Börse wehren deutsche und preußische Fahnen, den Eingang zierten Topfgewächse, und auch der Saal, in dem der Akt stattzand, prangte in reichstem Schmuck. Rechts von der Redyertribüne hatten die Professoren, Do⸗ zenten und Lektore des Seminars sich niedergelassen. Eine glänzende Versammlung füllte den übrigen Raum. Vom Auswärtigen Amt waren der Staatssekretär Graf von Bismarck⸗Schönhausen und der Wirkliche Geheime Legations⸗Rath Humbert, vom Reichs⸗Justizamt derStaatssekretär Dr. von Schelling anwesend. Das Kultus⸗Ministerium war durch den Minister Dr. von Goßler, den Unter⸗Staatssekretär Dr Luca⸗ nus, die Ministerial⸗Direktoren Greiff und de la Croix, das Staats⸗Mieüsterium durch den Unter⸗Staatssekretär Homeyer, die Universität durch den Rektor magnisicus Prof. Schwendener, den Dekan der philosophischen Fakultät, Prof. Adolf Wagner und den Uniwersitätsrichter Dr. Daude offiziell vertreten. Ihnen hatten sich viele Professoren angeschlossen. achdem die Erschienenen Platz genommen, betrat der Staats⸗Minister Dr. von Goßler die Rednertribüne und hielt folgende Ansprache: Hochgeehrte Herren!

Die Weihe eines Hauses zu begehen, ein altes Haus einem neuen, aus den Bedürfnissen der jüngsten Zeit erwachsenen Berufe zu widmen, ist die Aufgabe dieser festlichen Stunde, eine Auf⸗ gabe, über deren Bedeutung und Tragweite die Gegenwart so vieler ausgezeichneter Vertreter unserer Nation für Nah und Fern ein unzweideutiges Zeugniß ablegen wird. Wollte ich wie ein terndeuter des orientalischen Alterthums nach Zeichen und Wundern spähen, wollte ich die Gestirne, welche an dem Geburts⸗ morgen dieser Anstalt sich über dem östlichen Horizont erheben, und ibre Konstellationen zu den gebietenden Wesen an der lichten

immelshälfte zu erforschen suchen, so würden alsbald ch zahlreiche Erscheinungen dem Blicke darbieten, welche dem verheißungsvollen Morgen einen segensreichen Tag als Nach⸗ folger versprechen. In den schaffensreichen Tagen unseres Aller⸗ nädigsten Kaisers und Herrn, Sr. Majestät Kaiser Wilhelm, aus - fernsichtigen Fürsorge Seiner Regierung hervorgegangen, von dem Wohlwollen der berufenen Vertreter unseres Volkes durch alle Vor⸗ bereitungsstadien getragen, durch das Entgegenkommen orientalischer Regierungen in ganz wesentlichen Stücken gefördert, mit sichtlicher Theilnahme von der Oeffentlichkeit in allen deutschen Landen aufgenommen, thut diese Pflanzstätte neuen Unterrichts am beutigen Tage den ersten Schritt ins Leben, und Ihre Gegenwart, hochgeehrte Herren, ist ihr ein freundliches Glückauf zum Werk!

Die Wissenschaft des Orients, meine Herren, gehoöͤrt nicht zu den jüngsten Zweigen am Baum des deutschen Geisteslebens. Sie ist gleichzeitig mit dem Studium des klassischen Alterthums im Zeitalter des Humanismus in Deutschland gegründet, in die deutschen Univer⸗ sitäten eingezogen, und seitdem in gesegnetem Wachsthum zu einer großen, fast ganz Asien und große Theile von Afrika umspannenden Entwickelung gelangt.

Johann Reuchlin, ein Sohn Schwabens, einer der hervorragendsten Gestalten in der Geschichte des deutschen Geistes, der Vater unserer griechischen und lateinischen Stu⸗ dien, war zugleich der Erste, der an deutschen Universitäten Hebräisch lehrte, in Tübingen und Heidelberg, und das Studium dieser Sprache durch seine Werke den Juͤngern der Wissenschaft all⸗ gemein zugänglich machte. Was er begründet, wird auf allen unseren Hochschulen mit Eifer fort und fort gepflegt. Das Studium der hebräischen Sprache und des Alten Testaments ist bis in die Gegen⸗ wart hinein das Centrum, gegen welches die meisten der auf vorder⸗ asiatischem Boden sich bewegenden Studien gravitiren.

Hochgeehrte Herren! Ich darf Sie nicht von dem Anwachsen unterhalten, welches die Orientstudien erfahren, seitdem die Engländer sich den unteren Ganges erkämpft und das Verständniß der klassischen

iteratur der Brahminen erschlossen haben, seitdem die Räthsel der Keil⸗ schrift gelöst, und die Bauinschriften eines Nebucadnezar, wie die Kriegsberichte eines Tiglatpilesar und b. Gestalten, welche früher nach den skizzenhaften Berichten der Bibel mehr wie traum⸗ hafte Schemen in unseren Vorstellungen lebten, nun aber mit historischem Fleisch und Blut bekleidet wie lebensfrische Träger der Weltgeschichte vor unseren Augen auftauchen, ihre, während mehrerer Jahrtausende verschwiegenen Geheimnisse dem Forschergeist unserer Tage haben preisgeben müssen. Fast alle Kulturgebiete des in Völkern und Sprachen so reich gegliederten Asiens sind in den Bereich deutscher Forschung eingezogen worden. Der Strom derselben ist immer breiter und tiefer geworden, aber seine Richtung ist stets dieselbe geblieben, die Richtung auf das Alterthum, auf die klassischen Sprachen und Literaturen Asiens, die in der Haupt⸗ sache vergangenen Jahrhunderten und Jahrtausenden angehören. Was dagegen die lebenden Volksmundarten anbetrifft, welche aus jenen klassischen Sprachen zum Theil durch eine oder mehrere Mittel⸗ stufen hindurch sich entwickelt haben, so ist deren Schicksal sowohl in Asien selbst wie in Europa viel weniger von der Gunst des Schick⸗ sals getragen worden. Ein gebildeter Araber kann nicht begreifen, warum ein Orientalist dem Patois ungebildeter Leute seine Formen und Redewendungen abzulauschen sucht. Für ihn giebt es nur eine arabische Sprache, diejenige, die Allah durch den Mund seines Propheten zu der Mensch⸗ heit geredet, und diese ist längst erstorben. Nicht dieselben, aber ähn⸗ lich waren zum Theil die Gesichtspunkte, nach denen die Gelehrten Europas vorgingen und vorgehen mußten. Wollten sie die Grundlage der eigenthümlichen Kulturen des Morgenlandes erforschen, so mußten sie seine heiligen Schriften verstehen lernen und zu diesem Behufe Sprachen studiren, die von den jetzt gesprochenen Idiomen zum Theil o weit abstehen, wie das Gothische in Ulfilas' Bibelübersetzung oder das Hochdeutsche in Otfried's Evangelien⸗Bearbeitung von dem Hoch⸗ deutsch unserer Tage.

Aber bei alledem, hochgeehrte Herren, fehlte keineswegs die lebens⸗ warme Gegenwart unter den Vorlagen der deutschen Universitäts⸗ studien, wenn sie auch nicht in der Weise und in der Absicht gepflegt wurde, wie es in diesem Hause geschehen soll. Ich könnte hier das Persische nennen, das schon seit mehr als 200 Jahren in Deutschland heimisch ist. Herzog Friedrich III. von Holstein⸗Gottorp hegte den Plan, den Handel Persiens über Moskau nach seinen Landen zu lenken

nd schickte zu dem Ende seinen Bibliothekar, den Adam Olearius oder Oelschläger über Moskau nach Persien. Eine Frucht dieser höchst denkwürdigen Reise war die deutsche Uebersetzung des „Gulistan“ oder „Rosengartens“ von Sadi, eines der Prunkwerke der persischen Lite⸗ ratur, welche Olearius 1654 in Schleswig herausgab. Die Sprache, welche Sadi schrieb, und ebenso Firdusi, oder richtiger Firdausi, der Verfasser des „Schahname“, ist dieselbe, welche noch heutigen Tags von allen Gebildeten Persiens gesprochen und weit über Persiens Grenzen hinaus an vielen muhamedanischen Eöeee. als Ausdruck höchster Gesittung angewendet wird. eit tausend Jahren ist sie stationär geblieben, und es scheint fast, als habe die alles zersetzende Püit ihr gegenüber einen Theil ihrer Zerstörungskraft ein⸗ gebüßt. Aehnlich wie das Persische ist auch das Türkische frübzeitig aus leicht begreiflichen Gründen an den Centren deutscher Studien bekannt geworden. Die Sprache, die jetzt diesseit und jenseit des Bosporus gesprochen wird, ist in allem esentlichen dieselbe, die vor 600 Jahren Osman sprach, der Ahnherr der Sultane und der Be⸗ gründer ihres Reichs, dem zu Ehren das türkische Volk seine Sprache die osmanische nennt.

Wenn also auch auf vielen Universitäten Deutschlands die Ge⸗ legenheit geboten war, Persisch und Türkisch und andare lebende Sprachen zu lernen, so war doch auch dieser Unterricht wenig dazu Ppethan, für das praktische Leben im Orient vorzubilden, denn Lehrer und Schüler hatten gleich wenig Veranlassung, den mündlichen oder schriftlichen Gebrauch dieser Sprache zu üben.

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20 Universitäten, jede mit einem oder mehreren orientalischen Lehr⸗ stühlen, in einem Laade, das weder eine asiatische oder afrikanische Kolonie hatte, noch auch einen nennenswerthen Handel dorthin betrieb, alles um der reinen Wissenschaft willen, das war der Sland der Dinge in unserem Vaterlande bis in die jüngste Zeit hinein.

Hochgeehrte Herren! Das Haus, das wir heute seiner Bestim⸗ mung übergeben, ist nicht ein Heim reiner Wissenschaft. Nicht die reine, sondern die angewendete Wissenschaft soll hier gepflegt werden. Ist, wie wir soeben ausgeführt haben, der Lehrberuf des Seminars im Organismus unserer Universität keineswegs etwas absolut Neues, so ist dagegen vollkommen neu so⸗ wohl der Umfang wie die Tendenz des Studienplans, der hier zur Ausführung gelangen soll. Von der westlichen Grenze des arabischen Sprachgebiets, wo es den Atlantischen Ocean berührt, bis zum fernen Inselreich des Mikado, sind fast alle großen lebenden Sprachen des nördlichen und östlichen Afrika, des westlichen, südlichen und östlichen Asien hier vertreten: das Arabische in den zwei Mun darten, die in Aegvpten und Syrien gesprochen werden; die Verkehrssprache Ost⸗Afrikas, das Suaheli, das sich vom Indischen Ozean bis in die Gegend der central⸗afrikanischen Seen erstreckt und dort mit dem von Norden eindringenden Arabisch be⸗ rührt; das Türkische, das über das Gebiet des türkischen Volksstammes hinaus als Sprache der türkischen Verwaltung und Beamten von großer praktischer Bedeutung ist; das Hindustani oder Urdi, das neben zahlreichen Provinzial⸗Dialekten als eine Art Hoch⸗Indisch in den meisten Theilen des nördlichen und centralen Indiens gesprochen und fast überall verstanden wird; das Chinesische in zwei Mundarten. welche ihre Centren im höchsten Norden, in Peking und im tropischen Süden, in Canton haben, und zuletzt und nicht das geringste, das Japanische. Längst ist der deutsche Seemann auf den Meeren Ost⸗ asiens trotz Typhone mit zahlreichen Schiffen heimisch und erfolgreich thätig, aber die deutsche Wissenschaft ist ihm dorthin nur ausnahms⸗ weise gefolgt.

Der Unterricht in allen diesen Idiomen ist für Diejenigen be⸗ stimmt, welche den Wunsch hegen, nicht sie zu kennen, wer kann überhaupt von sich sagen, daß er eine Sprache kennt! sondern sie zu können, wenigstens so weit zu können, um selbständig den ersten Anforderungen der Praxis genügen und allein erfolgreich weiter arbeiten zu können. Von dem strengen Befolgen dieses rein prak⸗ tischen Lehrberufes hängt die Zukunft unserer Anstaltab. Uebung der Hand zu deutlicher Schrift, des Auges zu schnellem Lesen und Entziffern; Uebung der Zunge zu korrekter Aussprache, des Ohrs zu schnellem Erfassen und Versteben; Erlernung der im täglichen Verkehr häufigsten Formen und Wörter, Uebungen im mündlichen und schriftlichen Ausdruck, das ist das Ziel, dem der Unterricht des Seminars zustreben muß. Und wenn die Lehrthätigkeit, fest gegründet in wissenschaftlicher Erkenntniß, in praktischem Können und reicher Erfahrung, dies Programm voll und ganz zur Ausführung bringt, dann ist dem Seminar eine segensreiche Wirksam⸗ keit gesichert, und es wird nicht nöthig sein, den Einrichtungen des⸗ selben, welche einstweilen bis zur Gewinnung weiterer Erfahrun mehr den Charakter des Provisorischen tragen, eine wesentlich veränderte Gestalt zu geben. Natürlich ist dabei voraus⸗ zusetzen, daß auch der andere Theil, daß auch die Schüler Das⸗ jenige leisten, was für das Gedeihen das Seminars von ihnen gefordert werden muß. Das Studium fast aller orientalischer Sprachen, an und für sich in hohem Grade mübsam, ist durch die Schwierig⸗ keiten der Schrift von allen Seiten wie mit einer schwer ersteigbaren Mauer umgeben, und es erfordert in dem Anfänger ein nicht geringes Maß von Standhaftigkeit, die Fluchtanwandlung, welche vor einem Urwalde orientalischer Charaktere auch den Kühnsten unter ihnen be⸗ schleicht, siegreich niederzukämpfen.

Aber der sprachliche Unterricht soll keineswegs isolirt dastehen; die Lehrer werden ihn ergänzen und weiterführen durch das, was sie aus ihrer Kenntniß von Land und Leuten über das betreffende Gebiet ihren Schülern mitzutheilen vermögen. Wissenschaft und Leben sollen gleichen Antheil an diesem Hause haben.

Sprachlicher und realistischer Unterricht sollen sich gegenseitig durchdringend, vorbereiten für alle praktischen Aufgaben des Lebens, welche Deutschen, sowohl Privaten wie Beamten in orientalischen Ländern gestellt werden können.

Hochgeehrte Herren! Beleuchtet in dem Glanz einer herbst⸗ lichen Sonne erhebt sich dieses Haus an der Seite eines ernsten Tempels unserer Religion, neben zwei kostbaren Schatzhäusern von Kunstwerken aller Zeiten und in nächster Naͤhe der Stammburg unseres glorreichen Fürstenhauses. Fürwahr, eine vor⸗ nehme Nachbarschaft, eine Versammlung historischer Größen, welche von ihrer Höhe herab hinunterschauen auf Alles, was sich in ihrer Nähe der Erde entringt und aufwärts dem Lichte entgegenstrebt.

Aber eine noch größere Ehre ist dieser jungen Schöpfung zu Theil geworden. Sie steht nicht allein, nicht ohne Stütze da; sie lehnt sich an an einen großen Organismus, in dem ein reiches, viel gegliedertes, aus den edelsten Theilen unserer Nation genährtes Leben pulsirt. Sie ist ein Theil unserer Universität. Durch die Einfügung in den Organismus der größten Universität Deutsch⸗ lands als eine Weiterbildung des Instituts der Lektoren, ist das Seminar in die erste Reihe der deutschen Unterrichtsanstalten gerückt, und ihm damit die schwere Aufgabe zum Lohn gefallen, diese ehren⸗ volle Stellung durch Leistungen zu verdienen und sich zu erhalten. Es ist dies, wie nicht minder der Hinblick auf die ausgezeich⸗ neten Erfolge der verwandten Anstalten in den Nachbarländern, eine eindringliche Mahnung zur Vorsicht und zur Bescheidenheit. In allen Dingen ab ovo beginnend, hegen wir, wie nun einmal jeder Prfänger das Recht zu haben glaubt, die Erwartung nachsichtig gütiger Beurtheilung, und werden bemüht sein, alle Sehnen zu kräftig nach⸗ haltiger Arbeit anzuspannen, um Schritt zu halten mit dem geistigen Fortschritt der Universität und, soviel an uns liegt, zur Erweiterung und Förderung des deutschen Geisteslebens unser Scherflein beizutragen.

Hochgeehrte Herren! Verfolgen wir die Aufgabe des Seminars aus der Wissenschaft und Lehre in das Leben, so schweifen unsere Blicke unwillkürlich in weite Ferne hinaus auf die unbezeichneten Wege durch die Wüsteneien des Ozeans, und über den Ozean hinaus an fremde Gestade, wo unter einer exotischen Pflanzen⸗ und Thierwelt, unter fremdartigen Menschen und Einrichtungen der Deutsche als Arzt oder Lehrer, als Forschungsreisender, als Techniker, als Missionar, als Kaufmann, als Staats⸗ oder Privatbeamter den Kampf ums Dasein kämpft. Das Seminar will ihn für diesen Kampf vorbereiten und wappnen und ihm denselben erleichtern. Es will für sein bescheiden Theil an den Grundlagen einer neuen Zeit mitarbeiten, einer Zeit, in welcher deutsche Männer auf vielen ihren Vorfahren unbekannten Wegen die tausendfachen Interessen unserer Nation auf deutsche Art, mit deutscher Geschick⸗ Hht und Ausdauer zu verfolgen und zu fördern bestrebt sein werden.

Miöge es dem Seminar auf seiner mit dem heutigen Tage be⸗ ginnenden Lebensbahn beschieden sein, das Pfand des Vertrauens, das man ihm bei seinem Entstehen so bereitwillig gewährt, dereinst in Ehren einzulösen und sich einen würdigen Platz zu erringen in den Annalen deutscher Pflichttreue und deutscher eistesarbeit, zu Nutz und Frommen unseres Vaterlandes!

Im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt übergab so⸗ dann der Minister das Seminar der Universität und erklärte das⸗ selbe zugleich feierlich für eröffnet.

Professor Schwendener,

Der Rektor der Universität, brachte hierauf der neuen Gründung die besten Glückwünsche

dar. Die Feier schloß mit einer Ansprache des Direktors des Seminars, Professor Sachau.

Se. Durchlaucht der Prinz Friedrich von Hohenzollern ist von Urlaub hierher negräsden

Der Kaiserlich ottomanische Divisions⸗General von

sehe⸗ Vascha⸗ General⸗Adjutant Sr. Majestät des Sultans, ist hier eingetroffen.

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Das Schulgeschwader, bestehend aus S. M. Fregatten „Stein“ (Flaggschiff), „Prinz Adalbert“, „Gneisenau“, „Moltke“, Geschwader⸗Chef Contre⸗Admiral von Kall, ist am 25. d. M. in Cadix eingetroffen.

S. M. Kreuzer „Albatroß“, Kommandant Korvetten⸗ Kapitän von Frantzius, ist am 24. d. M. in Soerabaya (Java) eingetroffen und beabsichtigt am 27. d. M. die Heim⸗ reise fortzusetzen.

S. M. Kreuzer⸗Korvette „Luise“, Kommandant Kor⸗ vetten⸗Kapitän Claussen von Finck, mit den Ablösungs⸗ kommandos für S. M. Kreuzer „Habicht“ und S. M. Kanonenboot „Cyclop“ ist am 26. Oktober cr. in Christian⸗ sand eingetroffen.

Frankfurt a. O., 27. Oktober. (W. T. B.) Die Grundsteinlegung für das vom III. Armee⸗Corps ihrem einstigen Corps⸗Commandeur, dem Prinzen Friedrich Carl, Königliche Hoheit, zu errichtende Denkmal fand in Anwesenheit Ihrer Königlichen Hoheiten der Prinzen Wil⸗ helm und Friedrich Leopold, des kommandirenden Generals Grafen Wartensleben, von Deputirten aller Regimenter des III. Armee⸗Corps und der Spitzen sämmtlicher Behörden statt. Zu Ehren der Anwesenheit der Prinzen waren die Straßen reichlich geflaggt und Ehrenpforten errichtet. Ihre Königlichen Hoheiten wurden auf dem Bahnhof von sämmt⸗ lichen Kriegervereinen und einem zahlreichen Publikum be⸗ geistert begrüßt. Bei der Feier hielt der Divisionspfarrer D. Thiel die Festrede. Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen Friedrich Leopold und Wilhelm thaten die ersten Hammer⸗ chläge. Beide Prinzen dinirten sodann mit dem Offtzier⸗ Corps des Leib⸗Regiments.

Hannover, 26. Oktober. In der gestrigen (5.) Sitzung des Hannoverschen Provinzial⸗Landtages fand die Weiterberathung des Haushalts⸗Etats für 1888/89 statt.

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Oesterreich⸗ungarn. Wien, 26. Oktober. (Pr) Gestern Vormittag trat das Exekutiv⸗Comité er Rechten zusammen und nahm den Bericht des Abgeordneten Dr. Rieger über die gestern dem Präsidium des Czechen⸗ klubs von der Regierung eröffneten Mittheilungen entgegen.

Pest, 25. Oktober. (Wien. Ztg.) Die ungarischen Delegations⸗Mitglieder hielten heute, Nachmittags 5 Uhr, unter dem Vorsitz des Grafen Franz Zichy eine Konferenz ab. In derselben wurden Kardinal Erzbischof Haynald zum Präfidenten und Graf Ludwig Tisza zum Vize⸗Präsidenten vorgeschlagen und aufgestellt.

Der Finanz⸗Ausschuß setzte die Berathung des Ge⸗ setzentwurfs über die Tabackgefälle fort und gelangte bis zum §. 27. Die Berathung wird morgen fortgesetzt.

Schweiz. Bern, 25. Oktober. (Bund.) Der Bundes⸗ rath hat den Entscheid getroffen, daß die Nor dostbahn⸗ gesellschaft wieder genügend erstarkt sei, um den Bau der Linien Thalweil —Zug, Bülach —Schaffhausen, sowie der rechtsufrigen Zürichseebahn in die Hand zu I“ und 'was die Linien Etzweilen —Schaffh ausen und Koblenz Stein betrifft, die bezüglichen Ver⸗ tragspflichten zu erfüllen. Nach einem früheren Bundes⸗ beschluß hat der Bundesrath auch zu bestimmen, in welcher Reihenfolge der Bau der genannten Linien zu geschehen habe, und dann, unvorgreiflich den gesetzlichen Befugnissen der Bundesversammlung, für jede einzelne Linie die Ausweis⸗ und Bautermine neu festzusetzen. In Erfüllung dieser Verpflichtung wurde beschlossen, daß mit dem Bau der „rechtsufrigen Zürichseebahn“ zu beginnen sei. Dem Alt-Ständerath Zschokke ist die nachgesuchte Entlassung von der Stelle eines Delegirten für die schweizerisch deutschen Handelsvertrags⸗Unterhandlungen ertheilt worden.

(N. Zürch. Ztg.) Der Bundesrath wird am nächsten Donnerstag mit der Berathung des Budgets für 1888 be⸗ ginnen.

Großbritannien und Irland. London, 26. Oktober. (A. C.) Die Königin gedenkt ihren Aufenthalt in Bal⸗ moral zu verlängern, bis die Prinzessin Beatrice von ihrer Niederkunft wieder genesen ist. Anläßlich der Geburt einer Prinzessin in Balmoral bemerkt das Hof⸗ journal, daß seit dem Jahre 1600 kein Mitglied der König⸗ lichen Familie das Licht der Welt in Schottland erblickt habe.

Der Marquis von Hartington hielt vorgestern Abend in Nottingham eine Ansprache an eine große Unionisten⸗Versammlung, in welcher der Herzog von St. Albans den Vorsitz führte. Nach einigen absprechenden Bemerkungen über das neue liberale Programm miß⸗ billigte der Redner in sehr scharfen Ausdrücken die jüngsten Auslassungen Gladstone's über die Zu⸗ stände in Irland, weil dieselben dazu angethan seien, den Arm der Gerechtigkeit zu schwächen. Die liberalen Unionisten würden sich keine Zugeständnisse durch Zwang, Gewaltthaten oder Verachtung des Gesetzes abringen lassen, und in dieser

altung würden sie nicht allein von der loyalen Bevölkerung rlands, sondern auch von der englischen Demokratie unter⸗ stützt werden.

Chamberlain, Sir Lionel Sackville West (der britische Gesandte in Washington) und Sir Charles Tupper (der Ober⸗Kommissar für Canada in London) sind zu Be⸗ vollmächtigten ernannt worden, um mit den von den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu ernennenden nepalmäͤcht ten gewisse Fragen bezüglich der nordamerika⸗ nischen ische rer zu erwägen und zu lösen. Chamberlain trifft, begleitet von zwei boheren Beamten des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten, Anfangs November in Washington ein.

Die Arbeitslosen hielten gestern wieder auf den Trafalgar⸗Square ein Meeting ab, das von der Po lizei nicht behelligt wurde. Nachdem einige Führer Reden ge balten, marschirten die Demonstranten um 1 ½ Uhr unter Vorantragung einer rothen Fahne durch die Hauptstraßen des Westends nach dem aristokratischen Viertel Bel gravia und dann wieder zurück nach dem Square. Der Umzug verlief ohne jede Ruhestörung; gleichwohl wurden in Piccadilly und anderen Geschäftsstraßen des Westends bei der vensfenchg des Zuges rasch viele Läden geschlossen. Die Arbeitslosen sangen ihr Lieblingslied „Die 128,Ss. Armen von Alt⸗England“ und pfiffen die „Marseillaise“. Vor verschiedenen Clubs in Pall Mall brachen sie in aus. Um 4 ½ Uhr wurde die Kundgebung auf dem Trafalgar⸗

hahh mit den üblichen drei Hochs auf die oziale Revolution zum

gebracht, worauf sich die Menge frie

dlich zerstreute.

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(A. C.) Aus Indien wird dem „Reuter'schen Bureau“ telegraphirt: 1 Simla, 25. Oktober. In Verfolg des allgemeinen Plans für die Vertheidigung Inviens werden Anstalten getroffen r Errichtung von Blockhäusern behufs Vertheidigung der haupt⸗ sacblichsten Eisenbahnbrücken. Man glaubt, daß die Frage be⸗ treffs der afgbanischen Grenze am oberen Oxus im Lauf des nächsten Jahres zum Gegenstand gemeinschaftlicher Erwägung Seitens Englands und Rußlands gemacht werden wird. Als vorläufiger Schritt wird, der Erwartung gemäß, eine gemeinsame Kom⸗ mission entsandt werden, um die Geographie dieser Gegend, über welcke gegenwärtig noch wenig bekannt ist, zu studiren. Einem von der „Times of India“ veröffentlichten Telegramm zufolge befindet sich Evub Khan bei seinem Schwiegervater in Koi Jaimani im

nördlichen Belutschistan.

Frankreich. Paris, 25. Oktober. (Fr. C.) Morgen oder übermorgen soll der Deputirte Godefroy Cavaignac dem Budget⸗Ausschuß über das ordentliche Kriegs⸗ budget Bericht erstatten. General Boulanger hatte ursprünglich für 1888 dieselben Kredite verlangt wie für 1887, dann aber, als das Ministerium Goblet zu Ersparnissen auf⸗ gefordert worden war, in eine Herabsetzung von 9 Millionen gewilligt. Als General Ferron ans Ruder kam, schlug er einen neuen Abstrich von 10 Millionen vor; Cavaignac seinerseits hält es nun für möglich, weitere 9 Millionen zu ersparen, und der Kriegs⸗Minister hat sich mit ihm darüber einverstanden erklärt. Die so ermöglichte Ersparniß würde im Ganzen 28 Millionen ausmachen. Der Berichterstatter soll den Vorschlag machen wollen, die 9 Millionen, von denen zuletzt die Rede war, zur Wiederaufnahme der 19 000 Mann in das Heer, welche im vorigen Jahr beseitigt wurden, zu verwenden.

Der Pariser Gemeinderath faßte gestern nach der Ernennung Hovelacque’'s zum Vorsitzenden den Beschluß, den Kongreß der Gemeinden Frankreichs, der im September aus verschiedenen Gründen nicht hatte abgehalten werden können, auf den Mai 1888 in das Hotel de Ville ein⸗

uberufen: ein Beschluß, den der Minister des Innern selbstver⸗ sändlich wieder aufheben wird. Im Laufe der Sitzung verlas der Seine⸗Präfekt vier Dekrete, welche eben so viele Beschlüsse des Pariser Gemeinderaths aufheben. Der erste bezieht sich auf die Ausdehnung der parlamen⸗ tarischen Diäten auf die Generalräthe und Gemeinderäthe, der zweite auf die Entziehung der staatsbürgerlichen und bürgerlichen Rechte, der dritte auf die Benutzung der Schul⸗ häuser durch die Gemeinderäthe zu Wahlzwecken, der vierte endlich auf die Bewilligung von 10 000 Fr. für die streikenden Weber von Cholet. Die Antwort der Väter der Stadt Paris war, daß sie die drei ersten Beschlüsse von Neuem faßten und den vierten genau in die Form kleideten, die sie früheren Geldsendungen für Streikende ge⸗ geben hatten, welche von der Regierung v worden waren.

26. Oktober. (W. T. B.) Die Budgetkommission strich mit 8 gegen 5 Stimmen den für die fen2 ge Botschaft beim päpstlichen Stuhl geforderten Posten. In Folge dieses Votums gab der Berichterstatter Casimir Perier seine Entlassung.

27. Oktober. (W. T. B.) Der Deputirte Wilson bestätigte einigen Journalisten gegenüber, daß er sein Mandat als Deputirter nicht niederlegen werde. Der heute stattfindenden Kommissionssitzung werde er beiwohnen, um seine Stimme für die Einleitung einer Untersuchung ab⸗ e welche ihm Gelegenheit zur Recht fertigung bieten werde.

ESerbien. Belgrad, 26. Oktober. (W. T. B.) Der „Polit. Corresp.“ wird gemeldet: Der Kriegs⸗Minister ordnete die Entsendung einer größeren Abtheilung Linien⸗ truppen nach Kurschumlje an, da eine etwa 600 Mann starke Schaar Arnauten bei dem Grenzdorf Mavritz aufgetaucht ist. Am Sonnabend wird sich der Minister⸗ rath mit weiteren Maßregeln zur Sicherung der Grenze beschäftigen.

Schweden und Norwegen. Christiania, 25. Oktober. Nachdem Staatsrath Stang in einer gestern unter dem Vorsitz des Königs abgehaltenen Staatsrathssitzung angemeldet hatte, daß seine Funktionszeit als Mitglied der Staatsrathsabtheilung in Stockholm abgelaufen sei, befahl der König dem Staatsrath Astrup, sich nach Stockholm zu be⸗ geben, um in die dortige norwegische Staatzrathsabt eilung einzutreten. Dem Staatsrath Kildal wurde bis auf Weiteres die Verwaltung des Departements der öffentlichen Arbeiten und dem Staatsrath Stang das Justiz⸗ und Polizei⸗Depar⸗ tement übertragen.

Dänemark. Kopenhagen, 26. Oktober. Die Königin wird Anfangs nächster Woche nach Penzing abreisen, um die Prinzessin Thyra, Herzogin von Cumber⸗ land, zu besuchen, unterwegs jedoch einige Zeit in Rumpen⸗ heim verweilen. Der Dampfer „Danebrog“, der die Königin nach Lübeck führen soll, wird bereits in Stand gesetzt.

Afrika. Egypten. Kairo, 25. Oktober. (A. C.) Das „Reuter'’sche Bureau“ meldet:

Eine Abtheilung Kavallerie, 135 Mann stark, und befehligt von dem Oberst⸗Lieutenant Wodehouse, nahm gestern Abend eine Rekognoszirung südlich von Wady⸗Halfa vor und entdeckte, daß das Eisenbahngeleise aufgerissen worden war. Auf ihrem weiteren Marsche sah die Rekognoscirungs⸗Expedition einige auf Kameelen reitende Derwische und solgte denselben. Bei der Ankunft im Gernai⸗Paß fand sie denselben von etwa 150 sudane⸗ sischen Schützen besetzt. Es entspann sich ein scharfes Scharm 88⁷ das mit dem Rückzuge der Sudanesen nach einer starken Stellung endete. Oberst Wodehouse hielt es nicht für angezeigt, sie dahin zu verfolgen, sondern kehrte langsam nach Wady⸗Halfa zurück. Der Ver⸗ lust der Sudanesen wird als erheblich bezeichnet.

Zeitungsstimmen.

Die „Landeszeitung für Elsaß⸗Lothringen“ schreibt über parlamentarisches Regiment:

Die englische Staatsverfassung ist seit dem Beginn dieses Jahr⸗ hunderts in allen Staaten des Kontinents als das Vorbild betrachtet worden, nach welchem sich die eigenen Verfassungseinrichtungen zu ge⸗ stalten haben, wenn sie sich dem Ziele der Vollkommenheit nähern wollen; der darin zum Ausdruck gelangenden Dreitheilung der Ge⸗ walten wurde aber nach dem Vortritt Jean Jacques Rousseau's, dessen Ideen in der französischen Revolution sich verkörperten, noch als ferneres und gleichzeitig zu erstrebendes Ziel die Idee der Volks⸗ souveränetät hinzugefügt. Diese Gedanken haben die inneren Kämpfe aller Staaten während dieses Jahrhunderts beherrscht, und der Libe⸗ ralismus ist in Verfolg derselben allenthalben bestrebt gewesen, das Schwergewicht der Volksvertretungen zu verstärken und

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den Gewalten Schritt für Schritt die Macht abzugewinnen, die nach seiner Meinung nur zu Unrecht dem Volke und seiner Vertretung vorenthalten und verkürzt werde. 3 3

Heutzutage ist das lebende Geschlecht über den Werth des englischen Staatsrechts und der Volkssouveränetät ganz anderer Mei⸗ nung geworden, beute ist der durch diese Ideen hervorgerufenen Be⸗ fangenbeit, von welcher fast drei Menschenalter eingenommen waren, eine große Nüchternheit gefolgt, welche eingesehen hat, daß es weniger darauf ankommt, ob „die Grenzen zwischen der Gewalt der Regierung und der Repräsentation etwas weiter vorwärts oder rückwärts gezogen sind“, als vielmehr darauf, daß der Staat seine sittlichen und wirth⸗ schaftlichen Aufgaben gewissenhaft erfüllt und daß seine Unterthanen in der Erfüllung ihrer Lebensaufgaben nicht gehindert, sondern unter⸗ stützt und gefördert werden. Zu dieser Erkenntniß hat in Deutsch⸗ land nicht nur die kraftvolle Bethätigung des segensreichen monar⸗ chischen Regiments beigetragen, sondern auch die Erfahrungen, welche mit dem parlamentarischen Streben nach Gewalt und mit der parla⸗ mentarischen Herrschaft in andern Staaten gemacht worden sind.

Die letzten Vorgänge in einem Nachbarstaate werden sogar Seitens eines deutschen demokratischen Blattes, der „Frankfurter Zeitung“, auf den allzu großen Einfluß der Deputirten und die Ohnmacht der jeweiligen Ministerien zurückgeführt; der Deputirte suche so führt das genannte Blatt aus —, um seinen Freunden gefällig zu sein, auf die Minister zu drücken mit der Drohung, bei nächster Gelegenheit gegen sie zu stimmen und sie zu stürzen; die Minister geben dem Drucke nach, 8 schaffen neue Stellen, um sich selbst im Sattel zu erhalten, und dasselbe wiederholt sich in kleinerein Maßstabe bei den von ihnen abhängigen Beamten.

Das demokratische Blatt bezeichnet also mit kurzen Worten die moralische Korruption als eine Wirkung des zu weit greifenden Ein⸗ flusses der Deputirten und des durch keine Schranken niedergehaltenen parlamentarischen Regiments. Als einziges Heilmittel hiergegen empfiehlt es: „Man entwinde den Deputirten die Drobung mit der Ministerkrisis, das Ministerium darf nicht allein von der Kammer abhängig sein.“.. . . Im Grunde also erhebt es seine Stimme für diejenigen konstitutionellen Verhältnisse, welche in Deutschland die herrschenden sind. 8

Das Urtheil des demokratischen Blattes ist gewiß in dieser Frage unverdächtig, und beweist, daß die Zahl der Schwärmer für „parla⸗ mentarisches Regiment“ immer geringer wird. Und die „Freisinnigen“ gehören noch zu diesen wunderbaren Leuten, wie kürzlich Hr. Bam⸗ berger wieder bewiesen hat, welcher die Zustände in Frank⸗ reich und England für uns herbeisehnt, und dieselben mit den Worten treffend charakterisirt: „Dort steht der Macht der Krone, das Parlament aufzulösen, die Macht des Parlaments gegenüber, die Ministerien aufzulösen, d. h. zu beseitigen.“ Das ist das Ziel aller „Freisinnigen“ und dieses Ziel ist die Triebfeder aller ihrer Politik, ob sie sich in Agitationen wirthschaftlicher Natur oder in Angriffen gegen Steuerprojekte, Heerwesen und Regierung bewegt. Die „Frei⸗ sinnigen“ wollen mit diesem ihren Streben nichts Anderes, als das Volk um den Segen der Erfahrung bringen, welche ein jeder auf⸗ merksame Beobachter des politischen Lebens in Europa hat machen können, und das Rad der Geschichte aufhalten und rückwärts drehen. Daß aber weder sie noch irgend eine Macht der Welt hierzu im Stande sind, ist für uns keine Frage. Ihr Streben nach „par⸗ lamentarischem Regiment“ wird Niemanden anders als sie selbst zu Grunde richten.

Der „Hamburgische Korrespondent“ sagt in einem „Die neuen kolonialen Bedürfnisse“ überschriebenen

Artikel:

Bei weitem dringlicher (als eine Kolonialarmee) ist der Antrag, den der Deutsche Kolonial⸗Verein an den Bundesrath gerichtet hat, unsere subventionirten Dampferlinien durch eine Linie nach Ost⸗Afrika zu erweitern. In dem ursprünglichen Gesetz⸗ entwurf war dieselbe bereits vorgesehen, und die Regierung hat darauf nur verzichtet, um nicht den ganzen Plan zu gefähr⸗ den. Schon damals wies die Begründung der Vorlage darauf hin, daß der deutsche Handel mit Ost⸗Afrika in raschem Wachsen begriffen sei; seitdem aber hat die Ent⸗ wickelung der Ostafrikanischen Gesellschaft solche Fortschritte gemacht, daß Gefahr im Verzuge scheint. Die Petition weist darauf hin, daß Aden eine wachsende Bedeutung erreiche, indem der Waarenaustausch Englands und Oesterreichs allein dort 1885 14 Mil⸗ lionen Mark betragen habe, daß Zanzibar ein immer wichtigerer Mittelpunkt des Handels werde, Mozambique sich hebe, die Delagoa⸗ Bai mit ihrem vortrefflichen Hafen nach Vollendung der Bahn, die diesen mit Transvaal verbinde, ein großes Hinterland gewinne, daß der Handel Natals schon jetzt den Zanzibars um das Doppelte über⸗ treffe, Port⸗Elisabeth der Haupthafen der Ausfuhr afrikanischer Wolle sei, und daß endlich mit dem Mittelpunkt Süd⸗Afrikas, der Kavstadt, ihrem Handel und ihren Schiffahrtsanstalten der natürliche Endpunkt dieser Linie gegeben sei.

Die wesentlichsten Vortheile dieses großen Verkehrs sind bis jetzt den Engländern zugefallen. Der Norddeutsche Lloyd nimmt zwar Waaren in Durchfracht nach allen Plätzen Ost⸗Afrikas an, muß sie aber in Aden an die India Steam Narigation Sege abgeben, welche sehr hohe Frachten berechnet, z. B. nach Zanzibar 20 per Kubikmeter, während sie bis Aden nur 22 ½ beträgt; dazu ist die Beförderung schleppend und sehr langsam. in neuer Zweig der Lloyd⸗Linie würde diese Straße rasch ganz für ich gewinnen, da die englische Linie in keiner Weise den gerechten

nforderungen des Handels und noch weniger der Passagiere entspricht. Der Handel Deutschlands nach Ost⸗Afrika betrug 1885 rund 29 Millionen Mark, wovon auf Kapland 7 ½ Millionen, auf Zanzibar 3,3 Millionen kamen. Mit einer selbständigen Dampfer⸗ linie würde derselbe, auch wenn diese vorläufig nur eine Zweiglinie wäre, bei der die Umladung in Aden nicht zu vermeiden, sicher einen großen Aufschwung nehmen. Hoffen wir deshalb, daß uns die nächste Reichstagssession eine Vorlage für die Erweiterung unserer subventio⸗ nirten Linien durch einen Zweigdienst von Aden bis Kapstadt bringe. An dem Entgegenkommen des Reichstages ist nach dem Erfolge der bisherigen Linien nicht zu zweifeln.

Die „Wochenschrift für Spinnerei und Weberei“ theilt über deutsche und englische Importeure in Süd⸗Amerika Folgendes mit: 1

Es kann nachgerade keinem Zweifel mehr unterliegen, daß deutsche Kaufleute ihre englischen Nebenbuhler in Spanien sowohl, als in denjenigen südamerikanischen Staaten, die früher unter spanischer Herrschaft standen, aus dem Felde geschlagen haben. Ueberall, wo die spanische Sprache vorherrscht, geht der englische Handel zurück, wäh⸗ rend sich der deutsche Handel hebt. So schreibt z. B. der britische Konsul in Valparaiso, daß man in Chili einen baumwollenen Artikel, „Cottonade“ genannt, vielseitig der wollenen Waare vorzieht und 87 erstere eine Nachahmung der in Porkshire fabrizirten Herrentuche ist und meistens von Deutschland importirt wird, obgleich dasselbe Material auch von England bezogen werden kann. Deutschland liefert jetzt ⁄¶ aller wollenen Artikel, die in Chile eingeführt sind. Von der großen brasilianischen Provinz Rio Grande do Sul wird gleichfalls offiziell berichtet, daß die Deutschen sich sehr bemühen, den ganzen Handel in ihre Hände zu bringen. Voriges Jahr importirten dieselben mehr als fünfmal so viel Wollstoffe als England, während sie zweimal so viel Leinen lieferten. Bis jetzt haben sich englische Baumwollenwaaren noch einigermaßen behauptet, doch ist es wahr⸗ scheinlich schreibt der Konsul Großbritanniens —, daß Deutsch⸗ land auch darin bald das Uebergewicht gewinnen wird. Der Konsul in Santos berichtet gleichfalls, daß Deutschland mehr Fort⸗ schritte im Handel macht, als irgend ein anderes Land. Von Central⸗Amerika liegen ähnliche Berichte vor, und der englische Konsul in San José im Staat Costa Rica meldet unter Anderem: „Deutschland ist schnell zu einem gefährlichen Neben⸗ buhler in diesem Markt emporgewachsen und liefert Fabrikate,

die wenn nicht geradezu besser wenigstens ebenso gut und billig sind, als sie von Sheffield geschickt werden. Die Gründe, auf welche

der Niedergang des englischen Handels zu Gunsten des deutschen zurückgeführt wird, sind nach „N. Fin. u. Verl. Bl.“ hauptsächlich, daß 1) englische Geschäftshäuser nur vorübergehend in fremden Märkten etablirt bleiben; wenn der Chef einer Firma stirbt oder sich ins Privatleben zurückzieht, so wird das Geschäft gewöhnlich liquidirt, weil keine Einrichtungen zur Fortführung desselben getroffen sind. Dadurch fällt die alte Connexion zu Boden, die cine so große Rolle im Verkehr mit fremden Nationen spielt, und 2) daß ein gänzlicher Mangel an geeigneten Geschäftsreisenden besteht, die sowohl befähigt, als gewillt sind, alle legitimen Mittel zur Hebung des Geschäfts anzuwenden; die meisten englischen Vertreter wissen nichts von der Landessprache und bekümmern sich ebensowenig um die Bedürfnisse des Markts. In beiden Bezie⸗ hungen haben indeß die Deutschen einen entschiedenen Vorsprung. Einmal etablirte Firmen existiren thatsächlich für immer (voraus⸗ esetzt, daß sie nicht bankerott arben), weil fortwährend jüngere Kräfte - Pee k. und eventuell Theilhaber werden, und was die Reisen⸗ den betrifft, so wird keiner angestellt, wenn er nicht der Sprachen mächtig ist, die in den betreffenden Kolonien gesprochen werden. Außerdem ist diese Klasse von Kommerziellen so gründlich geschult, daß sie jeder vernünftigen Erwartung entspricht. Nach der Ansicht des englischen Konsuls in Santos liegt in der merkantilischen Erzie⸗ hung der Gehülfen das Geheimniß des deutschen Erfolges.

Statistische Nachrichten.

Ueber die Volkszählung in Hamburg vom 1. Dezember 1885 entnehmen wir dem hier schon angezogenen Heft XIV. der vom Statistischen Bureau der Steuer⸗Deputation bearbeiteten und heraus⸗ gegebenen „Statistik des Hamburgischen Staates“ folgende weiteren Angaben: Die Zahl der in Stadt, Vorstadt und Vororten belegenen bebauten Grundstücke betrug 15 908, die Zahl ihrer Be⸗ wohner 467 468; rechnet man die Grundstücke, auf welchen sich „Anstalten“ befinden, ab, so verbleiben 15 634 Grundstücke mit 446 410 Bewohnern. Von den bebauten Grundstücken (mit Einschluß der Anstalten) hatten 71,6 % nicht mehr als 30 Bewohner; auf diesen Grundstücken wohnten im Ganzen nur 26,4 % der Einwohnerschaft des städtischen Gebiets; auf Grundstücke mit 31 bis 100 Bewohnern kamen 22,8 % der Grundstücke und 40,7 % der Bewohner, auf Grundstücke mit über 100 Bewohnern 5,6 % der Grund⸗ stücke und 32,9 % der Bewohner. Ueber das Religionsbekenntniß der Einwohnerschaft Hamburgs geben folgende Daten Aus⸗ kunft: Von der gesammten Einwohnerzahl des Hamburgischen Staats, 518 620 Personen, und zwar 252 853 männlichen und 265 767 weiblichen waren evangelisch⸗lutherisch 224 462 männliche und 242 824 weibliche, zusammen 467 286 Einwohner, Protestanten 935 männliche und 1059 weibliche, zusammen 1994, evangelisch⸗reformirt 4245 männliche und

und 5788 weibliche, zusammen 15 135, Deutsch⸗Israeliten 8325 männ⸗ liche und 8452 weibliche, zusammen 16 780 Personen; ohne Bekennt⸗ niß (konfessionslos) wurden 1992 männliche und 1153 weibliche, zu⸗ sammen 3145 Einwohner verzeichnet; ferner waren noch nicht getauft 459 männliche und 402 weibliche, zusammen 861 Personen, eine Angabe über das Bekenntniß war nicht vorhanden bei 645 männlichen und 450 weiblichen, zusammen 1095 Einwohnern. Der Rest entfällt arf die zahlreichen christlichen und jüdischen Sekten, auf Frei⸗ denker, Muhamedaner und Heiden. Die Evangelisch⸗Lutherischen machten von der gesammten Einwohnerschaft aus 1885 90,25 % (1880 91,91, 1871 990,68, 1867 90,69) %; die Römisch⸗Katholischen 1885 2,98 88880 2,67, 1871 2,33, 1867 2,08) %; die Israeliten 1885 3,25 (1880 3,56, 1871 4,16, 1867 4,45) % ꝛc. Was die Staatsangehörigkeit der Einwohnerschaft Hamburgs betrifft, so waren 301 658 Personen oder 58,23 % Angehörige des Hamburgischen Staats, 147 601 oder 28,48 % waren preußische Unterthanen, 30 420 oder 5,87 % waren Mecklenburg⸗Schweriner, 25 378 oder 4,90 % Angehörige anderer deutscher Bundesstaaten, 11 697 oder 2,26 % An⸗ gehörige außerdeutscher europäischer Staaten, endlich 1531 Personen oder 0,29 % Angebörige außereuropäischer Staaten. Die Bevölkerung des Hamburgischen Staats setzte sich nach der Gebürtigkeit folgendermaßen zusammen: Es waren am Zählungsort eboren 262 840 oder 50,7 %, überhaupt im Hamburgischen Staat 278 642

inwohner oder 53,8 %. Aus Preußen stammen 165 510 oder fast 32 %; von den letzteren wieder entfallen auf Schleswig⸗Holstein 80 793 oder 15,6 %, aus Hannover 40 372 oder 7,8 %°. Dem Deutschen Reich gehörten der Geburt nach an 505 095 Einwohner oder 97,5 %. Ferner stammten 10 461 oder 2 % aus dem übriger Europa, 2008 oder 0,4 % aus Amerika, 211 oder 0,04 % aus Asien, 113 Einwohner aus Afrika, 50 aus Australien, 10 aus Polynesien und 21 waren auf See geboren.

St. Petersburg, 23. Oktober. (R. C.) Ueber die russische Geistlichkeit bietet der 852 List.“ folgende statistischen Angaben: Zur Zeit stehen im aktiven Dienst 1418 Protohiereis, 34 375 Priester, 6810 Diakone und 42 371 Pfalmensänger. Außerdem sind wegen Krankheit oder Alters außer Etat gesetzt 86 Protohiereis, 1433 Priester, 804 Diakone und 3716 Psalmensänger, im Ganzen 6040 Personen, während sich 84 974 im aktiven Dienst befinden. Rechnet man hierzu noch 29 735 Mönche und Nonnen, so ergiebt sich eine Gesammtzahl von 120 709 Personen. Von den 667 bestehenden Klöstern sind 420 Mönchs⸗ und 247 Nonnenklöster.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Morgen, am 28. Oktober, sind 100 Jahre seit dem Tode des volksthümlichen Märchendichters Joh. Carl August Musäus ver⸗ flossen. Geboren zu Jena im Jahre 1735, widmete derselbe sich dem Studium der Theologie. Bekannt ist es, daß er aber demnächst nicht Landpfarrer wurde, da sich die Bauern seiner Einführung widersetzten, und zwar deshalb, weil er einmal getanzt hatte. Darauf Wurde er 1763 Pagenhofmeister in Weimar und 1770 Professor am dortigen Gymnasium. Musäus starb daselbst schon am 28. Oktober 1787, erst 52 Jahre alt. Schon mit 25 Jahren begann derselbe seine litera⸗ rische Thätigkeit. Seine Schriften bezweckten die Bekämpfung ver⸗ kehrter Zeitrichtungen und haben deshalb fast alle eine satirische Fär⸗ bung, zeigen dabei aber immer, daß der Autor Gemüth und Seele, sowie ein allen Menschen wohlwollendes Herz besaß. 1]

Von der „Gewerbehalle, Organ für den Fortschritt in allen Zweigen der Kunstindustrie“ (unter Mitwirkung bewährter Fach⸗ männer redigirt von Ludwig Eisenlohr und Carl Weigle, Architekten in Stuttgart; Verlag von J. Engelhorn daselbst) liegt uns die 11. Lieferung 25. Jahrgangs 1887 vor. Dieselbe bringt als Pracht⸗ stück des älteren Kunstgewerbes auf der ersten Tafel einen Nautilus becher aus der städtischen Sammlung zu Nymwegen vb von dem Bildhauer Leeuw daselbst) zur Anschauung: ein Werk, das durch die sprudelnde Fülle phantastischer origineller Erfindung und dabei doch stets strenger Einfügung der ausschweifenden Gedanken in schöne maß⸗ und schwungvolle Form den Abstend. unserer heutigen, mehr und mehr auf schlimme Abwege gerathenden Kunstindustrie von der damaligen Höhe des Kunsthandwerks leider wieder recht grell in die Augen springen läßt. Auch eine Tafel mit alten Schmiedearbeiten giebt von der Tüchtigkeit und dem feinen Formgefühl der alten Handwerker vorzügliches Zeugniß; dieselbe zeigt ein schönes Grabkreuz vom Friedhof zu Mühlthal bei Leoben und eine Anzahl originell stilisirter Schlüsselschildchen aus Schmiedeeisen (steierische Arbeiten aus dem 16. und 17. Jahrhundert, aufgenommen von Professor C. Lacher in Graz). Auf einem anderen Blatt sind gravirte Ornamente von einem chinesischen Gefäß im Kaiserlich König⸗ lich österreichischen Museum in Wien (aufgenommen von W. Kolar daselbst) abgebildet, welche deshalb interessant sind, weil sie, abweichend von der neueren ost⸗asiatischen Kunst, die mehr und mehr in Naturalismus ausartet, noch der strengen Kunstvorschrift des in den Raum Kompponirens folgen. Die Reihe der abgebildeten neueren Arbeiten eröffnet eine Tafel mit der (Renaissance⸗) Standuhr, welche zu dem (in der letzten Lieferung der „Gewerbehalle“ veröffentlichten)

Ehrengeschenk für die Universität Heidelberg gehört (entworfen vom

3976 weibliche, zusammen 8221, römisch⸗katholisch 9347 männliche

1u

ungetauft oder 8

8

56

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