preußischen Landtage hervorgetreten sind, und diese enthalten alle wünschenswerthen Mittheilungen. Wenn er also hier ausgeführt hat, daß sich eine Steigerung der Domänenerträge in gewissen Prozentsätzen bis vor zwei Jahren ergeben hätte, so hat er das doch gerade diesen, wie ich meine, vollständig genügenden Listen entnommen. Ich habe Ihnen auch in meinen neulichen Ausführungen weiter nichts als den Inhalt der ihm bereits Theil, d. h. bis auf die letzten zwei Jahre, bereits bekannten isten wiederholen können. Es sind im preußischen Abgeordnetenhause bereits alle die Listen mitgetheilt worden bis auf diejenigen pro 1886 und 1887. Es werden in jedem Jahre die Listen der im Vorjahre bereits verpachteten Domänen mitgetheilt. Die Listen über die im Jahre 1885 freigewordenen Domänen sind die letzten bisher publizirten. Im nächsten Jahre wird dem Abgeordnetenhaus die Liste mitgetheilt werden über die von 1886 freigewordenen Domänen. In diesen ergiebt sich eben zum ersten Male seit einer langen Reihe von Jahren ein Rückgang der Domänenerträge, und dasselbe ist in gesteigertem Maße 1887 der Fall. Ich habe ja auch ausdrücklich dabei betont und hervor⸗ gehoben, daß der prozentuale Rückgang gar nicht das Wesentliche dabei ist, daß auch der finanzielle Effekt ganz gleichgültig ist für die Balanzirung des Etats. Was ich als charakteristisch hervorgehoben habe, ist: daß die Zahl der Domänen, die mit einem Minderertrage verpachtet worden sind, eine seit vier bis fünf Jahren steigende ist, so weit steigend, daß in den letzten zwei Jahren die mit einem Minderertrage verpachteten Domänen die mit einem höheren Betrage verpachteten um das Doppelte, in dem letzten Jahre um das Dreifache überstiegen haben. Also ich wüßte in der That nicht, welche Vervollständigung ich ihm noch gewähren könnte nach dieser Richtung. Wünscht er das Schema dieser amtlichen Mittheilungen erweitert und ergänzt? Wenn er sachlich zweckmäßige Vorschläge machen kann, so sage ich meiner⸗ seits: ich bin vollkommen bereit, darauf einzugehen; ich muß aber dabei noch bemerken —: es ist das in den früheren Dis⸗ kussionen auch irrigerweise angenommen worden, als wenn der Herabgang gerade in den Bezirken eingetreten wäre, wo die Zuckerkrisis einen üblen Einfluß geübt hat. Das ist nicht der Fall; in den Gegenden haben sich die Erträge noch ungefähr auf gleicher Höhe gehalten, ja es ist sogar noch eine gewisse Steigerung dort eingetreten. Also gerade in den Gegenden, die ohne Industrie sind, im Osten, in Gegenden mit leichtem Sandboden, sind Mindererträge eingetreten, und das möchte ich auch Denjenigen sagen, die immer wieder über die Zuckerindustrie sprechen, als wie über eine künstliche Treibhauspflanze, die nur ephemere Existenz in Deutschland geführt habe: das ist das größte Mißverkennen der Bedeutung der Zucker⸗ industrie. Keine gesetzgeberische Maßregel hat in höherem Maße dazu beigetragen, ‚heinen intensiven landwirthschaftlichen Betrieb herbeizuführen, wie die Pflege dieser Industrie, und selbst wenn sie zu Grunde gehen sollte, was ich nicht glaube, sicher nicht glaube „ so würden doch an der deutschen Landwirthschaft die Wirkungen nicht verloren sein, nämlich der immense Nutzen, welchen sie in Beziehung auf die Einführung eines intensiven, rationellen landwirthschaftlichen Betriebes gebracht, abgesehen davon, daß in diesen 40 — 50 Jahren große Vermögen in dieser Industrie erworben worden, die den deutschen Wohlstand wesentlich gesteigert aben. Es ist das auch ein item, das jedenfalls für die jetzige Generation die größte Bedeutung gehabt hat. Man kann landwirth⸗ schaftliche und wirthschaftliche Politik überhaupt nicht auf künftige Jahrhunderte machen, sondern man macht sie angemessen den Be⸗ dürfnissen des Tages der jetzt lebenden Generation. Dat Denjenigen gegenüber, die heute über die Höhe der Zollsätze diskutirt haben und die Berechtigung dieser Sätze in Zweifel zogen! Ich gebe vollständig zu: man kann über die Höhe der vorge⸗ schlagenen Sätze streiten. Die Regierungsvorlage stellt sich aber auf ie Basis, wie die Dinge seit Wiedereinführung der Zölle sich that⸗ sächlich entwickelt haben. Wir haben im Jahre 1879 einen niedrigen Zell von 1 ℳ eingeführt. Es sind damals die Ansichten über die Wirkung dieses Zolles weit auseinander gegangen; wir haben nach fünf Jahren gesehen, daß diese Zölle für die Preisbewegung gar keinen Einfluß gehabt haben, daß sie aber sehr angenehme finanzielle Erträge zur Folge gehabt haben. Darauf ist schon im Jahre 1885 bei den Verhandlungen hier in erster Linie der Gesichtspunkt nahegerückt worden: es handle sich doch hier bei der Vorlage um einen Schutz der heimischen Landwirthschaft, nicht um finanzielle Erträge in erster Linie; um Schutz der heimischen Land⸗ wirthschaft, die sich thatsächlich zur Zeit in einer Krisis befindet. Wenn man sich auf diesen Boden stellt, ist es überhaupt keine prinzipielle Frage mehr, sondern eine quantitative Frage: wie hoch ist der Zoll zu messen, daß er dem augenblicklichen Nothstand Abhülfe verschaffen kann. Ob und in welchem Maße er es thut, ist allerdings eine Erfahrungssache. Nun haben die verbündeten Regierungen ihrer Aufstellung das zu Grunde gelegt, was sich nach einer fünfjährigen Erfahrung erwiesen hat, nämlich daß aller⸗ dings die gesteigerten Zölle auf 30 ℳ pro Tonne den Effekt gehabt haben, daß die Inlandspreise gestiegen sind, mäßig über die des Aus⸗ landes; es ist also die schützende Wirkung thatsächlich eingetreten. Trotzdem ist, wenn also relativ unsere Preise höher sind wie die des Weltmarkts, doch andererseits ein absolutes weiteres Sinken der Getreidepreise eingetreten bis zu einem Niveau, wo es zweifelhaft werden muß, ob die deutsche Landwirthschaft noch prosperiren, ja existiren kann, und da, meine ich, ist es durchaus konsequent, daß man zwar in dieser Frage mit der größten Vorsicht vor⸗ geht und sich nach dem bisherigen Verlauf sagt: daß es jetzt zu einem Moment gekommen ist, wo mit angemessener Erhöhung vor⸗ zugehen ist. Als Maßstab ist dabei genommen worden — will kürlich sind diese Sätze nicht gegriffen —, es ist das ja auch in den Motiven ausgeführt und ich habe es bei der ersten Lesung bereits betont; es ist dabei gesagt worden: selbst angenommen, daß sich um diesen Betrag, der jetzt von den verbündeten Regierungen vorgeschlagen wird, die Inlandpreise steigern würden, so würde damit noch nicht der Durch⸗ schnitt der Preise der letzten 10 Jahre erreicht werden. Ich meine, das ist doch ein objektives Merkmal oder ein objektiver Grund für die Bemessung des vorgeschlagenen Satzes. Und das möchte ich auch gegenüber den usführungen des Hrn. Abg. Windthorst befonders hervorheben: es scheint mir doch viel richtiger, daß man, wenn man in einer solchen Frage zweifelhaft sein kann, den thatsäch⸗ lichen Boden, so weit wie er überhaupt vorhanden ist, nicht verläßt, daß man auf dem weiter baut, und ich meine, es wäre demnach richtiger, auch nach seinen Anschauungen heute schon solche Sätze zu bewilligen, von denen man annehmen kann, daß eine weitere Steige⸗ rung in absehbarer Zeit füglich nicht vorgeschlagen werden wird. Ich fürchte gerade, wenn eine niedrigere Normirung als die von den ver⸗ bündeten Regierungen vorgeschlagene Platz greifen würde, so würde die Gefahr eintreten, 9 schon in verhältnißmäßig früher Zeit wieder 168 auf eine Erhöhung der Zölle hier eingebracht werden könnten. Meine Herren, dann hat der Hr. Abg. Rickert — ich muß das
auch noch mit einem Wort erwähnen, es ist auch von anderer Seite geschehen — wieder auf die steigenden Erträge der Domänen im Königreich Sachsen hingewiesen, die Erträge der Domänen⸗, der Schatullengüter. So weit wie ich die Zahlen verfolgt habe, handelt es sich hier um einen Besitz von 3 — 4000 ha. Meine Herren, das würde ich nicht als typisch überhaupt für die Be⸗ wegungen, die sich landwirthschaftlich vollziehen, glauben anführen zu können, ich würde überhaupt die Erfahrungen in Liesem Lande nicht als Norm gelten lassen können. Es handelt sich hier genau um die⸗ selbe Frage, die damals bei Gelegenheit der Diskussion über die Holzzölle ꝛeine gewisse Rolle gespielt hat. Sachsen ist ein unge⸗ woöhnlich begünstigtes und bevorzugtes Land, welches eine bevorzugte Lage hat, ein hochentwickeltes Eisenbahnverkehrsnetz, eine außer⸗ ordentlich hoch entwickelte Industrie, einen großen schiffbaren Fü. genug, es ist mit all den Vorzügen ausgestattet, die nur auch die bevorzugtesten Regierungsbezirke — Provinzen kann man kaum sagen — von Preußen haben. Mit dem Regierungsbezirk Düsseldorf oder der Provinz Sachsen kann man allenfalls das Königreich Sachsen ver⸗ Tficher, nicht aber mit den Gesammtverhältnissen von Deutschland. lso ich meine, ein solcher Hinweis auf ein derartig exceptionell
günstig situirtes Land ist nicht in diesem Fall beweisend. Das wãre ähnlich, als wenn man die Vortheile der einzelnen Ortschaften, die in der Nähe großer Städte liegen, anerkennen und deuten wollte als typisch für die Gesammtlage der deutschen Landwirthschaft; z. B. sind mir in der Nähe von Leipzig Wirthschaften bekannt, in denen das Grünfutter und das Heu korbweise verwerthet wird an die Leipziger Droschkenkutscher, in denen große Flächen mit Speisekartoffeln bebaut werden, die quadratruthenweise verkauft und von dem Käufer selbst ausgemacht werden. Ja, daß bei derartigen Betrieben auch unter heutigen Zeitverhältnissen noch eine Steigerung möglich ist, auch noch heute hohe Erträge erzielt werden, das fällt mir gar nicht ein, in Abrede zu stellen, ich muß nur aber bestreiten, daß sie all⸗ gemein für landwirthschaftliche Verhältnisse typisch sind. Dagegen von dem preußischen Domänenbesitze kann man das wohl mit Recht sagen, und da handelt es sich um rund 340 000 ha, die sich über die ganze Monarchie erstrecken, auch die mittleren Westprovinzen umfassen, mit Ausnahme von Westfalen und der Rheinprovinz.
Meine Herren, ich glaube mich Hrn. Rickert gegenüber auf diese Bemerkungen beschränken zu dürfen und wende mich nur noch mit zwei Worten zu den vorliegenden Anträgen. Ich habe bereits die Gründe erörtert, die nach Meinung der verbündeten Regierungen da⸗ gegen sprechen, überhaupt verringerte Zollsätze für Roggen und Weizen vorzuschlagen, ich glaube deshalb meinerseits nur wiederholt und dringend diejenigen Sätze empfehlen zu koͤnnen, die von den verbündeten Regierungen vorgeschlagen sind, also 6 ℳ für Roggen und Weizen. Die Herren von Ow und Windthorst schlagen 5 ℳ vor. Ich weiß nicht, ob diese Anträge eine Majorität in diesem Hause haben werden, und ich bin ebenso wenig in der Lage, in Bezug auf diese Anträge irgend eine Meinung, eine autorisirte Ansicht Namens der verbündeten Regierungen aussprechen zu können. Das aber würde ich glauben sagen zu dürfen: die Anträge, die unter diese Sätze heruntergehen, sind meines Erachtens völlig unannehmbar. Ich würde in jedem Falle glauben, daß die Anträge des Hrn. Pfafferott und Genossen und die des Hrn. Grad und Genossen, die auf 4 ℳ und tiefer zurückgehen, unbedingt abgelehnt werden müssen.
Dem Hrn. Abg. Pfafferott, dessen Ausführungen ich nicht voll⸗ ständig habe folgen können, aus denen ich aber mit großer Freude entnommen habe, daß wenigstens in der Gegend von Hildesheim noch Bauern unter glücklichen Verhältnissen leben „wie die Prinzen“ — ich gratulire ihnen dazu, daß sich dort eine so wohlhabende Bevölke⸗ rung noch befindet; ich erinnere mich aber ziemlich deutlich, daß auch aus der dortigen Gegend recht dringende Vorstellungen hierher ge⸗ langt sind, die eine Erhöhung der Getteidezölle anstrebten, und ich würde diesen Aeußerungen mindestens doch wohl ebenso viel Ge⸗ wicht beilegen dürfen als seinen Ausführungen. Um so mehr, als ich, soweit ich habe folgen können, doch auch einige große thatsächliche Irrthümer in seinen Bemerkungen gefunden habe. Der Herr Ab⸗ geordnete hat z. B. von Frankreich gesprochen als von einem Lande — ich habe ihn wenigstens so verstanden —, welches keines Getreide⸗ imports bedürfe. Habe ich das richtig so gehört? (Zurufe rechts: Ja wohl!) Nun dann muß ich sagen: das ist ein außerordentlicher hand⸗ greiflicher Irrthum. In dem Buche von Neumann⸗Spallart wird der Werth des Ueberschusses des nach Frankreich importirten Getreides an⸗ gegeben im Jahre 1880 auf 734 Millionen Franken, 1881 auf 435 Millionen, 1882 auf 469 Millionen Franken u. s. w. Also auch dieses Land ist nicht in der Lage, ohne Getreide⸗Import existiren zu können. Dieses Land unterscheidet sich ja von dem unserigen in sehr vielfacher Beziehung, besonders auch dadurch, daß in Frankreich die Bevölkerungszunahme nicht entfernt eine solche ist wie die unserige, sondern im Gegentheil, sie ist eine stationäre, theilweise sogar eine zurückgehende. Also ich meine, die Erfahrungen bezüglich Frankreichs sprechen keineswegs gegen die Vorschläge der ver⸗ bündeten Regierungen. Auch dieses Land, welches dieser hohen Ge⸗ treideeinfuhr bedarf, hat sehr hohe Getreidezölle und hat außer den Getreidezöllen, wie ich neulich schon erwähnt habe, noch Oktroi auf Fleisch, auf Wein, auf Brot. Also diese Rücksicht, die dort bezüglich der landwirthschaftlichen Zölle genommen ist, wird lediglich meines Erachtens auf die Lage der französischen Landwirthschaft genommen. Wenn also dieses Land, wo der Werth des nothwendigen Getreide⸗ Imports, der Brotfrüchte, so hohe Dimensionen hat, glaubt, auf die heimischen landwirthschaftlichen Verhältnisse diese Rücksicht. nehmen zu müssen, so würde ich sagen: für ein Land wie Deutschland, welches in viel geringerem Maße ein Industrieland ist als Frankreich, welches in viel höherem Maße darauf hingewiesen ist, im Interesse der Pflege der landwirthschaft⸗ lichen Bevölkerung seine Wirthschaftspolitik einzurichten, — da würde ich glauben, das gilt mit doppelter Beweiskraft auch für Deutschland, was dort gilt. Ich würde also aus seinen Deduktionen nicht die Begründung einer Ermäßigung der vorgeschlagenen Zölle folgern können, sondern im Gegentheil die Annahme der vollen von den ver⸗ bündeten Regierungen vorgeschlagenen Sätze, und daß das hohe Haus 19 beschlieten möge, erlaube ich mir Ihnen wiederholt dringend zu empfehlen.
Staats⸗Minister Dr. von Scholz:
Wenn ich den Hrn. Abg. Rickert richtig verstanden habe, so hat er die Begründung der Vorlage bei einigen Punkten in einer solchen Weise bemängelt, daß ich glaube, zu ein paar Worten der Erwiderung auf der Stelle verpflichtet zu sein.
Es ist in der Begründung der Vorlage Seite 7 angeführt, daß in der Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses vom 21. Januar d. J. darauf hingewiesen sei, daß bei der Veranlagung zu den direkten Staatssteuern schon in den letzten Jahren ein Sinken des Steueraufkommens, also auch des Einkommens, in den ländlichen Bezirken zu Tage ge⸗ treten, nach den Veranlagungsresultaten für das Jahr 1886/87 aber zum ersten Mal ein positiver Rückgang in der Steuerfähigkeit der ländlichen Bevölkerung eingetreten sei.
Ich habe im preußischen Abgeordnetenhause am 21. Januar d. J. diese Mittheilung gemacht, und wenn ich den Hrn. Abg. Rickert, wie ich nochmals hervorheben will, richtig verstanden habe, hat er die thatsächliche Richtigkeit dieser Mittheilung nicht anerkannt, sondern geglaubt, aus den Drucksachen, die dem Abgeordnetenhause über die Veranlagung zu den direkten Steuern zugegangen sind, sie sogar widerlegen zu können. Ich bin nicht im Stande gewesen, den einzelnen Zahlenangaben des Herrn Abgeordneten ganz genau zu folgen; ich will aber meiner⸗ seits die Zusammenstellung, die ich bei jener Erklärung im Abgeord⸗ netenhause vor Augen gehabt habe, jetzt auch hier wiederholen.
Zunächst, meine Herren, würde ich mich nicht gewundert haben, wenn der Hr. Abg. Rickert vielleicht dagegen protestirt hätte, daß man aus der Veranlagung zu den Steuern sofort einen ganz richtigen Rückschluß machen könnte auf die Gestaltung der Einkommens⸗ verhältnisse; wenn er alle die Einwendungen, die in dieser Beziehung sich ja durchaus nicht von der Hand weisen lassen, hervorgesucht hätte, um diese Behauptung einigermaßen zu erschüttern. Das hat er aber, soviel ich gehört habe, nicht gethan. Es gelten alle Schlüsse in dieser Beziehung natürlich nur mit einem gewissen Vorbehalt und nur insofern am richtigsten, als die Vergleichung, meine Herren, an die Hand giebt, wie sich die Verhältnisse geändert haben. Die Fehler, die dabei vorkommen, wenn man aus der Steuerveranlagung auf das Einkommen schließt, sind dieselben in dem einen wie in dem andern Jahre, und indem man die beiden Jahre vergleicht, fallen die Fehler in ihrer Wirkung fast ganz weg, es bleibt das Richtige, was die Ver⸗ “ b
a hat sich herausgestellt, meine Herren, für das Ksnigrei Preußen, daß die Veranlagung zur Cderren, ft und Klafaigreich in den Städten vom Jahre 1885/86 bis zum Jahre 1886/87 ge⸗ wachsen ist um 1 845 615 ℳ gegen das Vorjahr, in den ländlichen Ortschaften dagegen nur um 47 355 ℳ, also in den Städten ist das Veranlagungssoll für beide: Einkommen⸗ und Klassensteuer ge⸗ wachsen um 1 845 615 ℳ, in den gesammten ländlichen Ortschaften des Königreichs Preußen nur um 47 355 ℳ, und zwar setzt sich dieses letztere kleine Plus zusammen aus einem effektiven Rückgange der Einkommensteuer von 112 572 ℳ
und einem Wachsthum der Klassensteuer von 159 99) Meine Herren, dieses letztere Wachsthum der Klassensteuer ist un, weniger etwa ein Zeichen des wachsenden Wohlstandes der bethein Steuerträger, nicht einmal ein Zeichen des stationären Befinden ih selben; sondern auch dieses Plus ist vielmehr Zeichen des Rückganges des Wohlstandes der ländlig02 Bevölkerung, wenn Sie erwägen, daß dasselbe kommi üe eine Bevölkerungszunahme von 148 587 Köpfen; einer foli Bevölkerungszunahme bei der Klassensteuer steht nur eine Vüct lagungszunahme von 159 927 ℳ gegenüber und bei der Einkomad steuer, wie gesagt, ein effektiver Rückgang der Veranlagung n 112 562 ℳ 1 * Meene Herren, wenn man nun aus diesem Bilde für die Ges monarchie noch ausscheidet di jenigen Provinzen und Regierunge die ganz überwiegend einen Schluß auf die Lage der Land wirthscht zulassen, weil sie eben dort die Hauptbeschäftigung, die Ha 1 nahrungsquelle ist, dann stellt sich das Ergebniß dahin mn an dem geringen Plus von überhaupt 47 375 ℳ der L nicht nur keinen Antheil gehabt hat, sondern daß in den Prol Ostpreußen, Westpreußen, Posen und den Regierungsbezirken Ks Breslau, Oppeln, welche ich als diejenigen bezeichnen will, die ic die hauptsächlichsten landwirthschaftlichen ansehe, abermals Rückgang von 52 320 ℳ in der Steuerveranlagungf gefunden hat; meine Herren, Sie werden mir zugeben. daß Thatsachen gegenüber die Bemerkung, welche hier in den M dieser Vorlage aufgenommen worden ist, gewiß nicht ange werden kann. Ich bitte Sie aber, noch einen Augenblick mir zug lauben, Ihnen eine andere Vergleichung vorzuführen, die noch lähr reicher ist. Wir haben in Preußen zuletzt in der Gesetzgebung der Jahre 1875 eine Aenderung des Klassensteuergesetzes vorgenomma die von Einfluß gewesen ist auf die materielle Gestalter. der Steuer. Es sind da die Einkommen von 900 bis 1200 ℳ m ders zur Veranlagung bestimmt worden. Seit dem Jahre 1875 la aber eine Aenderung in unserer Gesetzgebung bezüglich der Veranlagun zur Klassen⸗ und Einkommensteuer nicht stattgefunden. Wenn ich un vergleiche das Jahr 1876 — also nach der letzten gesetzlichen Va⸗ änderung — mit dem Jahre 1885/86 — also ein Zeitraum von neh als zehn Jahren —, Klaf kommensteuer im Jahre 1876 in Preußen gewesen 75 547 000 ℳ-” ich runde ab —, im Jahre 1885/86 85 758 000 ℳ, die Veranlagun ist in diesem Zeitraum mehr gewachsen um 10 211 000 ℳ Von diesen Mehr fallen 9 201 000 ℳ auf die Einkommensteuer, 1 009 000 ℳ auf die Klassensteuer. Aber, meine Herren, was haben nun zu diesen 10 21] 000 % einerseits die Städte und andererseits das platte Land beigetragen, Zu dem Plus von 10 211 000 ℳ hat das platte Land in Ganzen nicht mehr als 534 000 ℳ beigetragen; daß Wachsen des Einkommen⸗ und Klassensteuersolls anf dem platten Lande der ganzen preußischen Monarcit in 10 Jahren, meine Herren, ist 534 040 ℳ! und zwar lat hier die Einkommensteuer ein mäßiges Mehr von 1 271 590 ℳ d geben, die Klassensteuer aber ein Minus von 737 550 ℳ Ich mölte noch hervorheben, daß an diesem geringen Mehr von 534010 4 nun aber die östlichen Provinzen keineswegs ihren Ar⸗ theil gehabt haben, sondern daß darunter solche sind, die geradezu in diesem zehnjährigen Zeitraum ein Minu aufweisen. Es hat das Veranlagungssoll in der Provinz Ie⸗ preußen von 1876 zu 1885/86 sich um 89 085 ℳ verringert; in da Provinz Westpreußen um 186 141 ℳ, um 52 785 ℳ verringert, in der Provinz Posen sich um 82 023 9% verringert, in Schlesien sich um 146 474 ℳ verringert, im Ganzn bei den von mir bezeichneten Landestheilen sich um 556 508 ℳ verringer, also um mehr als eine halbe Million Mark verringert! Mein Herren, hier ist allerdings für die Regierung der überzeugende Beweiz daß da, wo die Landwirthschaft die Hauptnahrungsquelle bildet, me nicht neben ihr eine reiche und gewinnbringende Industrie steht, de Erscheinungen überall dieselben traurigen sind, daß ein Rückgang da Einkommensverhältnisse stattfindet, welchen ein entsprechender Ric⸗ gang der Steuerveranlagung folgt.
Ich könnte die Einzelheiten noch weiter illustriren, namentlih wenn man den ganz landwirthschaftlichen, in Beziehung auf de industrielle Ausstattung am niedrigsten gestellten Regierungsbeilk Marienwerder speziell hervorheben wollte. ch versage mir das aba und halte nur gegenüber den Anzweiflungen des g Abg. Ricket das unbedingt aufrecht, was in der Begründung der Regierungsvorlagt von diesem Gesichtspunkt aus für die Erhöhung der Getreidezölle ge⸗ sagt ist. Die Herren werden selbst aus anderen deutschen Staata die gleiche Erscheinung gewiß zu kontroliren in der Lage sein; ich uß innere mich, daß wir aus dem Großherzogthum Sachsen⸗Weimar au den letzten Steuerstatistiken gerade dieselben Schlüsse ziehen sehen, wie sie bei uns gezogen worden.
Abg. von Fischer: Grundsätzlich halte er den Zollsatz vr 6 ℳ für durchaus angemessen, leider aber sei keine Aussich, daß ein solcher im Hause zur Annahme gelange. Diese Ge⸗ wißheit habe er dadurch erhalten, daß zwischen den verschiedene Interessentengruppen im Centrum eine Einigung zu Stand ekommen sei. Deshalb sei er entschlossen, für die 5 ℳ n timmen. Hr. Rickert halte es für ein klägliches Resultat, da die Petitionen für die Zollerhöhung nur 170 000 Unterschriften enthielten. Aber wie groß würde Hrn. Rickert diese Zahl von— 170 000 Unterschriften erscheinen, wenn es ihm einmal 3 länge, sie für eine von ihm vertretene Anschauung zu be⸗ kommen. Hr. Rickert sage, man solle nicht auf ein Gut hir— weisen, um die Nothlage der Landwirthschaft zu zeigen, welches noch 2 ½ Proz. ergäbe, die Schiffsrhederei an der Ostsee ver⸗ diene nicht so viel. Wenn die Rhederei so schlecht be— stellt sei, dann thue es ihm leid, aber man dürfe doc darum nicht die berechtigten Klagen der Landwirthschat ignoriren. Es sei die Befürchtung ausgesprochen worden, daß man mit Zollerhöhungen das Ausland zu Retorsionen reize gegen die deutsche Industrie. Er theile diese Befürchtung nicht. Denn Deutschland wisse, wie es behandelt werde Mehr als schon geschehen sei, könne nicht passiren, und die Zölle von Rußland aus wirkten ja heute schon prohibitir. Hr. Rickert meine, gerade die Süddeutschen sollten in erster Linie für die Beseitigung des Identitätsnachweises eintreten Aber er (Redner) müsse ihm sagen, die Leute, welche in wirthschaftlicher Erkenntniß immer noch nicht weiter gekommen seien, wie er (Redner), hätten in Süddeutschland vorläufig die Mehrheit. Der Abg. von Mirbach habe den engen zZu⸗ sammenhang zwischen vetddire schaf⸗ und Industrie auß den östlichen Provinzen sehr richtig geschildert, er (Redner) könne die Richtigkeit dieses Bildes aus süddeutschen Verhältnissen nur bestätigen. Es sei eben eine Frage, die Nord und Süd gemeinsam umfasse, man stehe nicht vor einem bayerischen, nicht vor einem ostpreußischen Ba anic e, sondern vor einem Interesse, welches für die Hälfte der Nation eine Lebensfrage sei. Das Haus könne diese Interessen nicht unbe⸗ rücksichtigt lassen, ohne auch die andere Hälfte zu schädigen, deshalb bitte er, der Landwirthschaft den erwünschten Schut zu gewähren.
Die Diskussion wurde geschlossen.
Es folgten einige Bemerkungen persönlicher Art und zur Geschäftsordnung. 3 Abg. Mooren referirte Namens der
8 8 dar
Kommission unten großer Unruhe des Hauses über Darauf wurde zur Abstimmun über Roggen und Weizen 6 ℳ, als Roggen 5 ℳ namentlich stattfand.
geschritten, welche sowohl über Weizen 5 ℳ und
losen Abgg. von Hornstein und Böckel.
Reichspartei Beuthen, Delbrück, Dietze (Barby), Günther (
so ist die Veranlagung der Klassen⸗ und Eir
in der Provinz Pommern shh
die eingegangenen Petitionen,
Der Zollsatz von 6 ℳ für Weizen und Rogger wurde mit 238 gegen 108 Stimmen abgelehnt. Für denselben immten die Deutschkonservativen, die Hälfte der Reichspartei, die Polen, vom Centrum der Abg. Kersting und die fraktions⸗ Gegen denselben
die Nationalliberalen, die
timmten die Freisinnigen, 1 das Centrum mit Aus⸗
Sozialdemokraten, Elsässer, d nahme des Abg. Kersting, die Welsen, und von der unter Anderem die Abgg. Graf Arnim, Zormann, Ampach, Baumbach (Altenburg), Jarß Carolath⸗ achsen), Fürst
atzfeld, Holtz, von Kulmiz, Leuschner (Sachsen), Müller
Marienwerder), Herzog von Ratibor und von Unruh⸗Bomst.
Der Zoll von 5 ℳ für Weizen wurde mit 227 gegen 125 Stimmen angenommen. Für denselben stimmten Deutschkonservative, Reichspartei, Polen, die Mehrheit des Centrums (mit Ausnahme der Abgg. Bock (Aachen), Pfafferott, Stötzel und Wolff), die meisten Elsässer und folgende National⸗ liberale: Brünings, Burkhardt, Clemm (Ludwigshafen), von Degenfeld, Engler, Esser, Feustel, von Fischer, Fieser, Haar⸗ mann, Keller (Württemberg), Kleine, Krämer, Jahns, Klumpp, Leuschner (Sachsen), Noppel, Leemann, Schreiner, Scipio, Smiths und Stöcker (Rothenburg).
Der Zoll von 5 ℳ für Roggen wurde mit 213 gegen 126 Stimmen angenommen. Die Fraktionen stimmten ebenso wie bei der Abstimmung für Weizen; einige Elsässer, die für 5 ℳ Weizenzoll gestimmt hatten, nahmen diesmal an der Abstimmung nicht Theil. Der Abg. Müller (Sanger⸗ hausen) von er Ab⸗ stimmung.
Um ¾7 Uhr wurde die Fortsetzung der Berathung auf Mittwoch 11 Uhr vertagt.
den Nationalliberalen enthielt sich
Session 1887. Protokoll der zweiten Sitzung.
Berlin, den 6. Dezember 1887.
Der Vorsitzende, Staats⸗Minister von Boetticher, eröffnet die Sitzung um 10 Uhr. —
Das Protokoll der gestrigen Sitzung liegt auf.
Als Regierungskommissare sind anwesend: der Direktor im Reichs⸗ amt des Innern, Herr Bosse, und der Geheime Regierungs⸗ Rath im Reichsamt des Innern, Herr von Woedtke.
Für die Dauer der Session ist außer den gestern aufgeführten Herren noch entschuldigt Herr Rosenbaum; für heute entschuldigt ist Herr Kiepert, für morgen entschuldigt sich Herr Sartori, für die Sitzung am 8. d. M. Graf zu Eulenburg⸗Prassen.
Der Vorsitzende macht sodann das Ergebniß der Wahlen für den Permanenten Ausschuß des Volkswirthschaftsraths bekannt. “
Es sind gewählt:
1) aus der Sektion des Handels: 8 Kommerzien⸗Rath A. Fftcngl. Kaufmann und Stadtrath F. Hagen, Rentner F. Kalle, Kaufmann und Stadtrath H. Koch⸗ hann, Kommerzien⸗Rath Passavant;
2) aus der Sektion des Gewerbes:
Kommerzien⸗Rath Dr. E Jansen, Geheimer Finanz⸗Rath H. Jencke, Geheimer Ober⸗Bergrath a. D. Leuschner, Fabrik⸗ und Grubenbesitzer Schimmelfennig, Tischlermeister Vorderbrügge;
3) aus der Sektion der Land⸗ und Forstwirthschaft:
Herzoglich Arembergischer Forstinspektor Clauditz, Ritterguts⸗ besitzer Freiherr von Langermann⸗Erlenkamp, Landrath a. D. und Rittergutsbesitzer von Nathusius, Landrath a. D. und Rittergutsbesitzer von Roeder, Gutsbesitzer E. Wessel.
Von den Ministern für Handel und Gewerbe, für öffentliche
Arbeiten und für Landwirthschaft sind gewählt: . Geheimer Kommerzien⸗Rath W. Herz, Kommerzien⸗Rath Delius, Stellmacher B. Fritsche, Geheimer Kommerzien⸗Rath A. Heimendahl, Geheimer Kommerzien⸗Rath O. Henschel, Werkmeister N. Spengler, Freier Standesherr Fürst von Hatz⸗ feldt, Oekonomie⸗Rath und Rittergutsbesitzer Kiepert, Landwirth Fr. B. Waldeyer, Hofbesitzer Kahlcke.
Auf der Tagesordnung steht die Fortsetzung der Generaldebatte han die Grundzüge zur Alters⸗ und Invalidenversicherung der
rbeiter.
Herr Schimmelfennig erklärt seine volle Sympathie mit dem Prinzip der Grundzüge. Die gegen letzteres von Herrn Hagen gerich⸗ teten Angriffe erachtet er für unzutreffend. Insbesondere be⸗ streitet er, daß durch die in Aussicht genommene Alters⸗ und Invalidenversicherung eine Bevormundung der Arbeiter hinsichtlich der Verwendung ihres Lohnes herbeigeführt und eine vernünftige wirthschaftliche Selbstverwaltung der Arbeiter gehindert würde Vielmehr werde die Mehrzahl der Arbeiter durch die ihnen in Aussicht stehende feste Rente in erhöhtem Maße angetrieben wer⸗ den, an ihre alten und invaliden Tage zu denken und nach Möglich⸗ keit auch sonst für diese Zeit zu sorgen. Als Aufbringungsmodus empfiehlt Redner jedenfalls für die ersten Jahre nach dem Inkraft⸗ treten des Gesetzes das Versicherungsprinzip beziehungsweise das Prämienverfahren. Es müsse zunächst auf diesem Wege ein aus⸗ reichender Kapitalbestand angesammelt werden, der es ermöglicht, etwa eintretende Handelskrisen und anderweitige Störungen sicher zu über⸗ stehen; auf einem in der Gegenwart gelegten festen Fundament müsse die Zukunft weiterbauen können.
Sodann empfiehlt Redner, neben den Knappschaftskassen auch die Fabrikpensionskassen, deren segensreicher Einfluß und Beliebtheit in 8 Kreisen der Arbeiter hervorgehoben wird, thunlichst aufrecht zu erhalten.
Herr Kalle giebt seiner Befriedigung darüber Ausdruck, daß mit einer einzigen Ausnahme die bisherigen Redner übereinstimmend ihr Einverständniß mit den Grundsätzen der Vorlage erklärt haben und hofft, daß Herr Hagen in Zukunft die segensreichen Folgen des in
Aussicht stehenden Gesetzes in gleicher Weise anerkennen werde, wie
für das zunächst gleichfalls von ihm ange⸗ feindete Krankenversicherungsgesetz nunmehr zugegeben habe. Auch der Redner ist der Ansicht, daß die gesicherte Aussicht
auf eine Rente am Lebensabend den Arbeiter nachdrücklichst anspornen
er dies
wird, außerdem noch die Möglichkeit einer entsprechenden Lebens⸗
haltung nach Fortfall seiner Arbeitsfähigkeit sich zu sichern, keines⸗ wegs aber den Trieb zum Sparen bei üen lähmen wird. Letzteres treffe vielmehr für denjenigen zu, der sich in der Zukunft lediglich auf die Armenpflege angewiesen sieht. Soweit der Arbeiter heute spare, thue er dies nicht selten nur für die Armenpflege, die natur⸗ emäß erst dann eintrete, wenn sämmtliche Ersparnisse aufgezehrt seien. Redner bezeichnete es zwar als in hohem Grade erwünscht, gleichzeitig mit der Invalidenversicherung auch die Wittwen⸗ und Waisenfürsorge zu regeln. In den Kreisen der Wittwen und Waisen werde das Elend am stärksten empfunden und sei eine erhöhte Für⸗ orge besonders am Ort. Die Unterstützung der Wittwen und Waisen der Schwerpunkt der ganzen Armenpflege. Auch sei an denjenigen Orten, wo Großindustrie vorherrsche, die Zahl der hülfsbedürftigen Invaliden eine geringe, da es von den betheiligten Industriellen als ein nobile officium angesehen werde, den Arbeiter, der im Dienst er Induftrie seine Krafte aufgerieben habe, durch Gewährung leichter Beschäftigung im Verdienst zu erhalten. Trotz dieser Erwägungen
st Redner damit einverstanden, daß 8 Regelun 89 5 .
Waisenversorgung erst später in Angriff genommen werde; es sei nicht angängig, der Industrie und den anderen in Betracht kommenden Berufszweigen, welchen schon durch die Alters⸗ und Invalidenversicherung neue schwere Opfer auferlegt würden, gleichzeitig auch noch die mit der Wittwen⸗ und Waisenversorgung verknüpfte weit erheblichere Mehr⸗ belastung aufzubürden. Wie in der bisherigen Durchführung der sozialpolitischen Gesetzgebung, so sei auch im gegenwärtigen Stadium ein vorsichtiges, schrittweises Vorgehen geboten
Herr Kahe ist mit dem gleichzeitigen Erfassen sämmtlicher gegen Lohn oder Gehalt arbeitender Pecsonen des Arbeiterstandes, sowie der untergeordneten Betriebsbeamten und mit der Gewährung einer Rente, nicht einer Kapitalversicherung, einverstanden. Den Beitrag des Arbeiters hält Redner in gleicher Weise gerechtfertigt, wie den Reichszuschuß. Ersterer sei nöthig, um auch bei dem Arbeiter ein nachdrückliches Interesse für die sachgemäße Durchführung der Ver⸗ sicherung wachzurufen und der Mitwirkung der Arbeiter, insbesondere zur thunlichsten Verhütung der Simulation, sicher zu sein; für den Reichszuschuß komme in Hetracht daß die Alters⸗ und Invaliden⸗ versicherung, wie auch die für die Zukunft in Aussicht gestellte Wittwen⸗ und Waisenfürsorge dem Staate mittelbar zu gute komme, und in Folge dieser Gesetzgebung viele Armenunterstützungen, welche bisher von den Gemeinden als Gliedern des Staats aufgebracht wor⸗ den seien, sich erübrigen würden. Außerdem könne der Reichszuschuß als ein Opfer angesehen werden, das die Gesammtheit zur Herbei⸗ führung einer friedlichen Lösung der sozialen Frage, demnach zu ihrer Ruhe und Sicherheit darbringe. Uebrigens wird die Alters⸗ und Invalidenversicherung nach Ansicht des Redners voraussichtlich eine entsprechende Revision der Armengesetzgebung nöthig machen.
Hinsichtlich des Aufbringungsmodus hält Herr Kalle das Deckungs⸗ verfahren theoretisch zwar für richtig, praktisch aber für bedenklich. Er würde eventuell mit dem Umlageverfahren unter Bildung eines starken Reservefonds sich einverstanden erklären. Die bestehenden Berufsgenossenschaften erscheinen Herrn Kalle als die berufensten Träger der Alters⸗ und Invalidenversicherung. Der Apparat der Berufsgenossenschaften, der für die Zwecke der Unfallversiche⸗ rung zu schwerfällig sei, würde durch die Uebertragung der Alters⸗ und Invalidenversicherung an die Berufsgenossenschaften den erwünschten weiteren Inhalt bekommen. Die Ueberweisung der Alters⸗ und Invaliden⸗ versicherung an eine Reichsanstalt, wie dies von Herrn Jencke und Anderen empfohlen worden sei, würde den Berufsgenossenschaften einen tödt⸗ lichen Stoß versetzen und deren weiteren Bestand in Frage stellen. Der Vorschlag der Bildung einer Reichs⸗Versicherungsanstalt sei offenbar der Befürchtung entsprungen, die Berufsgenossenschaften würden nicht in der Lage sein, die bei der Durchführung der Alters⸗ und Invalidenversicherung erwachsende Arbeitslast zu bewältigen. Dies treffe jedoch nicht zu, im Uebrigen lasse sich die Durchführung der Versicherung wesentlich vereinfachen, wenn man dieselben Grund⸗ sätze, welche für die Berechnung der Unfallrente maßgebend seien, auch 9* die Berechnung der Alters⸗ und Invalidenrente in Anwendung
ringe.
Hiernach müßte diejenige Berufsgenossenschaft zur Zahlung der nach dem Individuallohn zu bemessenden Rente verpflichtet werden, bei der die Invalidität eingetreten beziehungsweise das 70. Lebens⸗ jahr vollendet worden sei, unter Verzicht auf die Mitverpflichtung anderer Berufsgenossenschaften. Dabei müßte eine kürzere — etwa sechsmonatliche — Beschäftigung in einem zur Berufsgenossenschaft gehörenden Betriebe als Wartezeit gefordert und dem aus dem Be⸗ trieb nach dem Eintritt der Invalidität ausgeschiedenen Arbeiter die Geltendmachung seines Anspruchs bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Austritt aus dem Betrieb vorbehalten werden. Die Bemessung der Rente — und dementsprechend auch der Beiträge — nach Maßgabe des Individuallohns sei gerechter, als diejenige nach der Beitragszeit; die Verschiedenheiten in der Belastung der einzelnen Berufsgenossenschaften würden sich im Wesentlichen ausgleichen und die Durchführung der Versicherung un⸗ gemein vereinfacht werden, da man das einzelne Individuum nicht für die ganze Dauer seiner Arbeitsthätigkeit zu versolgen nöthig habe, sondern bis zum Eintritt der Invalidität beziehungsweise der Alters⸗ grenze wie bei der Unfallversicherung nur mit Köpfen und Lohnsummen zu rechnen habe.
Der Regierungskommissar, Geheime Regierungs⸗Rath von Woedtke begrüßt mit Freuden die beifällige Beurtheilung, welche das Prinzip der Grundzüge von fast sämmtlichen Rednern gefunden habe. Er geht sodann auf verschiedene Detailfragen ein, gegen welche im Laufe der Debatte Bedenken geäußert worden sind.
Gegenüber den Ausführungen des Herrn Hagen hebt der Regie⸗ rungskommissar hervor, daß die Grundzüge von der Auffassung getragen seien, es sei nicht angängig, dem Belieben des Arbeiters zu überlassen, ob er sich seinen Lebensabend sicherstellen wolle oder nicht. Der Arbeiter solle nicht blos seiner selbst, sondern auch der Gesammt⸗ heit wegen angehalten werden, für seine Zukunft zu sorgen und sich der Armenpflege thunlichst zu entziehen. Er solle im Interesse der Allgemeinheit, wie in seinem eigenen einem heilsamen Zwange unterworfen werden. Der Gedanke des Herrn von Roeder, den landwirthschaftlichen Arbeiter von der Zahlung des Beitrags zu befreien, sei nur theilweise, etwa bei dem Großgrund⸗ besitz, durchführbar; von den übrigen Landwirthen sei regelmäßig nicht zu verlangen, daß sie neben dem eigenen auch den von dem Arbeiter zu leistenden Beitrag trügen. Im Uebrigen habe der Arbeitgeber nur das Recht, nicht aber auch die Pflicht, die Hälfte des gezahlten Bei⸗ trages dem Arbeiter in Abzug zu bringen, und sei es demselben hier⸗ nach im einzelnen Falle ermöglicht, die Beitragslast dem Arbeiter ab⸗ zunehmen.
Der Herr Regierungskommissar beklagt sich mit dem Hemn Vorderbrügge, daß der kleine Handwerksmeister oder Gewerbetreibende, der vielfach sozial in der gleichen Lage wie der Arbeiter sei, nach den Grundzügen der Segnungen der Alters⸗ und Invalidenversicherung nicht theilhaftig werde. Eine Ausdehnung der Versicherung auf die genannten Personen sei praktisch kaum durchführbar. Jedoch würden diesbezügliche geeignete Vorschläge die wohlwollendste Erwägung finden. Insbesondere sei daran festzuhalten, daß die Geldbestände der Versicherungsanstalten sich aus den Beiträgen der Arbeiter und der Arbeitgeber zusammensetzten, und Renten für die Arbeitgeber, welche aus diesen einheitlichen Beständen entrichtet würden, hiernach zum Theil von den Arbeitern gezahlt würden. 6. könne aber keines⸗ falls eine Fürsorge für die Arbeitgeber aufgebürdet werden.
Wenn Herr von Risselmann meine, daß die bestehenden land⸗ wirthschaftlichen Verhältnisse, insbesondere die den ländlichen Arbeitern thatsächlich bereits jetzt zu Theil werdende Fürsorge, weitergehende gesetzliche Maßnahmen für dieselben nicht erheischten, so sei zuzugeben, daß diese Ansicht für einzelne Gegenden zutreffen könne. Andererseits aber sei vielfach, insbesondere in den Bauerngemeinden, die Lage alter und invalider ländlicher Arbeiter eine derartige, daß allgemein eine Aufbesserung sich empfehle. Der Wunsch auf Erhaltung der be⸗ stehenden Pensionskassen werde möglichste Berücksichtigung finden. Dies werde insbesondere für die Knappschaftskassen geschehen können, soweit die Knappschafts⸗Berufsgenossenschaft nach der Absicht der Grundzüge Trägerin der Alters⸗ und Invalidenversiche⸗ rung werden würde. Auch die für gewisse große Betriebe bestehenden Pensionskassen würden im Rahmen der Grundzüge eine wesentliche Bedeutung behalten. Durch die Bestimmungen unter Ziffer 3 und 4 der Grundzüge würde es ermöglicht, derartige Kassen direkt an der Durchführung der Alters⸗ und Invalidenversicherung Theil nehmen zu lassen, soweit dieselben die a. a. O. näher vor⸗ gesehenen Garantien böten. Im Uebrigen würden diese Kassen auch neben der Alters⸗ und Invalidenversicherung erfolgreich weiter wirken können; insbesondere würden sie dazu übergehen können, ihre bisher durch Unterstützung von Invaliden neben Wittwen und Waisen zer⸗ splitterten Mittel den Wittwen und Waisen in reichlicherem Maße zuzuwenden. 18
Die gleichzeitige Regelung der Wittwen⸗ und Waisenfürsorge mit der Alters⸗ und Invalidenversicherung verbiete vor Allem die hier⸗ durch eintretende erhebliche finanzielle Mehrbelastung. Die im Laufe der Durchführung der Alters⸗ und Invalidenversicherung zu sammeln⸗
der Wittwen⸗ und
den Erfahrungen würden erst die zutreffende Beantwortung der Frage
rmöglichen, ob die Industrie und die übrigen Berufszweige noch wei⸗ tere Lasten zu tragen im Stande sein würden. Im Uebrigen sei es der ernste Wunsch der verbündeten Regierungen, in absehbarer Zeit durch die Regelung der Wittwen⸗ und Waisenfürsorge die sozialpolitische Gesetzgebung ihrer Vollendung entgegenzuführen. Der Vorschlag, die weiteren Kommunalverbände zu Trägern der Versicherung zu machen, sei nicht annehmbar. Eine wesentliche Vereinfachung der Organisation würde dieser Vorschlag nicht herbeiführen; dagegen würde er zu dem nicht erwünschten Ergebniß führen, daß innerhalb der einzelnen Ver⸗ bände die durch die gefährlicheren Berufszweige entstehende höhere Belastung von den minder gefährlichen Berufszweigen getragen werden müßte. Die gegebenen Träger der Alters⸗ und Invalidenversicherung seien vielmehr die Berufsgenossenschaften. In diesen korporativen Verbänden habe die Gesetzgebung die Grundlage geschaffen, auf welcher auch die weitere Ausgestaltung der sozialpolitischen Fürsorge basiren müsse. Die für die Organe der Berufsgenossenschaften ent⸗ stehende Mehrbelastung sei auch nicht derartig, daß dieselbe nicht getragen werden könnte, ohne daß dadurch die Selbstverwaltung der Berufs⸗ genossenschaften ernstlich gefährdet werden würde. Innerhalb der Arbeiterbevölkerung sei der Wechsel in der Berufsthätigkeit nicht wesentlich größer, wie der Wechsel von Ort zu Ort, und erledige sich damit der aus dem beträchtlichen Ab⸗ und Zugang der Arbeiter in den einzelnen industriellen Etablissements entnommene Einwand gegen die Uebertragung der Alters⸗ und Invaliden⸗ versicherung an die Berufsgenossenschaften. Es sei auch unrichtig daß die Grundzüge eine Verquickung verschiedener Organi sationen enthielten. Die Ausführungsbehörden und di wei teren Kommunalverbände fungirten neben den Berufsgenossen schaften. Die Uebertragung der Alters⸗ und Invalidenversicherung auf weitere Kommunalverbände sei nur eine subsidiäre Maßregel, di voraussichtlich von kurzer Dauer sein würde. Mit der in naher Aus⸗ sicht stehenden Ausdehnung der Unfallversicherung auf die von der⸗ selben noch nicht erfaßten Arbeiter würde diese subsidiäre Einrichtung in Wegfall kommen. Gegen die von Herrn Jencke vorgeschlagen Errichtung einer Reichs⸗Versicherungsanstalt spräche neben politische Bedenken auch die Erwägung, daß dieser Behörde eine Arbeitslast erwachsen müßte, die von derselben kaum zu bewältigen sein würde Aus diesen Gruͤnden sei der bereits bei Berathung des Unfallversicherungs gesetzes gemachte gleichartige Vorschlag abgelehnt worden und dies müss mit um so größerem Recht auch jest geschehen. Die von Herrn Kalle in Anregung gebrachte Reform der Armengesetzgebung würde vielleicht nicht zu vermeiden sein, jedoch verhehlt sich Redner nicht die außer⸗ gewöhnlichen Schwierigkeiten, welche ein Vorgehen auf diesem Gebiet mit sich bringen würde. Das Gewicht der gegen das Deckungs⸗ prinzip erhobenen Einwendungen würde von dem Redner keineswegs verkannt, er glaube aber gleichwohl an diesem Aufbringungsmodus festhalten zu müssen. Daß im Unfallversicherungsgesetz das Umlage⸗ verfahren angenommen worden sei, könne hierbei nicht ent⸗ scheidend sein. Die Voraussetzungen seien dort andere gewesen, insbesondere habe das Unfallversicherungsgesetz nur mit Bei⸗ trägen aus dem kontinuirlichen Stande der Arbeitgeber zu rechnen. gehabt. Redner verkennt nicht, daß auf dem Wege des Deckungsverfahrens sehr beträchtliche Summen festgelegt werden. Er weist aber darauf hin, daß bereits auf ver⸗ wandten Gebieten so erhebliche Bestände angesammelt sind, daß die durch die Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer entstehende weitere Kapitalanhäufung einen entscheidenden Einfluß auf die Gestaltung der Geldverhältnisse, insbesondere den Cours der Werthpapiere und die Höhe des Zinsfußes kaum ausüben würde. Auch seien die Ausfüh⸗ rungen des Herrn Jencke, wonach bereits nach Ablauf von 7 bis 8 Jahren die angesammelten Kapitalien die Höhe von einer Milliarde erreichen würden, nicht zutreffend. Nach überschläglichen Berechnungen eines mathematischen Sachverständigen würde ein solcher Betrag erst viel später erreicht werden, und auch im Beharrungszustande würde wohl der festgelegte Betrag nicht erheblich über eine Milliarde hinaus⸗ gehen Auch sei die Berechnung des Herrn Jencke, wonach beim Umlageverfahren der Beitrag des Arbeiters sich schließlich nur auf 8 ⅜ ℳ stellen würde, nicht zuzugeben. Der Regierungskommissar glaubt diesen Betrag auf mindestens 11 bis 12 ℳ annehmen zu müssen. Er bedauert dabei, nicht in der Lage zu sein, die sämmt⸗ lichen rechnerischen Unterlagen der Denkschrift zur Kenntniß des Volkswirthschaftsraths zu bringen. Diese Unterlagen lägen zur Zeit einer ersten Autorität auf versicherungstechnischem Gebiet zur Begutachtung vor. Auf alle Fälle glaubt Redner hervorheben zu müssen, daß die Grundlagen der Berechnung derartige sind, daß die in der Denkschrift nur überschläglich angegebenen Belastungsziffern bei den speziellen Rechnungen sich als zu hoch erweisen möchten. Im Interesse einer sicheren Rechnung seien alle maßgebenden Faktoren in der möglichst ungünstigen Weise in Betracht gezogen und alle Ansätze möglichst vorsichtig gemacht worden. Den oben erwähnten Betrag von mindestens 11 bis 12 ℳ erachtet Redner aber für den Arbeiter als völlig unerschwinglich; desgleichen hält er es auch für innerlich nicht gerechtfertigt, wenn, wie dies beim Umlageverfahren geschehen müßte, der Arbeiter der Zukunft zu Gunsten des Arbeiters der Gegenwart erheblich belastet wird. Auch vom Standpunkt des Arbeitgebers aus, insbesondere zur dauernden Erhaltung einer exportfähigen deutschen Industrie, sei das Prämienverfahren weniger bedenklich, als das Um⸗ lageverfahren. Der Vorschlag des Herrn Jansen, für die ersten Jahre bis zur Ansammlung des nöthigen Kavpitalbestandes an dem Deckungs⸗ verfahren festzuhalten und für später den Uebergang zum Umlage⸗ verfahren vorzubehalten, ist für den Redner diskutabel. b
Dem Antrage des Herrn Kalle gegenüber, die Höhe der Rente nach Maßgabe des Individuallohns festzusetzen, weist der Herr Redierungekommisfar auf die kaum zu überwindenden praktischen Schwierigkeiten dieses Vorschlags hin. Die Feststellung der Beiträge der 12 Millionen Versicherten nach Maßgabe des jeweiligen Arbeits⸗ verdienstes würde eine Erschwerung der Verwaltung herbeiführen, welche die Durchführbarkeit der ganzen Einrichtung in Frage stellen müßte. Andererseits würde die Bemessung der Rente unter sorg⸗ fältiger Abwägung der Verhältnisse während der gesammten bisherigen Arbeitszeit wiederum praktisch undurchführbar, und endlich die von Herrn Kalle vorgeschlagene Berechnung der Rente nach Maßgabe des Individuallohns zur Zeit der Invalidität neben den praktischen Bedenken auch innerlich nicht gerechtfertigt sein. Wenn „man einmal auf die individuellen Verhältnisse zurückgehen wolle, so dürfe man bei Berechnung einer Rente, welche das Facit aus dem Leben des Arbeiters ziehe, nicht den Lohn in Betracht ziehen, den er am Lebens⸗ abend, oder bei abnehmender Arbeitskraft erhält. Wenn ferner nach dem Vorschlag des Herrn Kalle nur diejenige Berufsgenossenschaft, bei welcher die Invalidität eingetreten beziehungsweise das 70. Lebens⸗ jahr vollendet worden ist, für die Rente in Frage kommen würde, so würde hierdurch nach Ansicht des Redners ein „Abschubsystem“ sich entwickeln, das im höchsten Grade erbitternd auf die Arbeiter wirken müßte. .
Herr Herz bringt der Vorlage lebhafte Sympathie entgegen. Einzelnen spricht er sich zunächst für das Prämienverfahren aus; das Umlageverfahren eigne sich für diese Art der Versicherung nicht. Bei der Unfallversicherung, wo für die Zahlung der Beiträge nur die Arbeitgeber, im Ganzen seßhafte Personen in Betracht kämen, s das etwas Anderes. Nach Jahresfrist mit den Arbeitern abzurechnen, sei ein Ding der Unmöglichkeit. — Des Weiteren hält der Redner die Uebertragung der Versicherung an die Berufsgenossenschaften nicht für vortheilhaft. Es gebe eine gewisse Grenze für die Arbeiten, welche die Selbstverwaltung bestreiten könne; bei Ueberschreitung diese Grenze stelle sich die Selbstverwaltung viel theurer, als bezahlte Arbeit. In der Müllerei⸗Berufsgenossenschaft seien in der Zeit vor 1. Oktober 1885 bis 31. Dezember 1886 im Ganzen 711 963 ℳ für Verwaltungskosten ausgegeben worden, welcher Summe der Betrag von nur 55 000 ℳ an Renten für entschädigte Unfälle gegenüberste Solche Beispiele zeigten, daß man die Selbstverwaltung nicht zu w ausdehnen dürfe. — Außerdem spricht sich der Redner dafür aus, die bestehenden Pensionskassen ruhig fortbestehen zu lassen. Die Renten nach Maßgabe der Grundzüge seien auf das bescheidenste Maß be⸗
Im
schränkt; bei einer Rente von 120 ℳ könnten die Arbeiter auf ander Unterstützung nicht verzichten 8 8