— Dem Reichstage sind folgende Drucksachen zu⸗ Die Ergänzung 0
iegenden Entwurfs des Reichshaushalts⸗Etats für as Etatsjahr 1888 /89, nebst Anlagen und einer Denk⸗ schrift, ferner der Vierte Bericht der Kommission für
die Petitionen.
entwurf, vom Fürstenthum Lippe⸗Detmold an Preußen ab⸗
Mittheilung zugegangen, da
— In der heutigen (8.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Finanz⸗Minister, Dr. von Scholz und mehrere Kommissarien beiwohnten, stand als erster Gegenstand auf der de erts, we her erste Berathung des Gessherünt⸗ betreffend den Erlaß der Wittwen⸗ und Waisengeldbeiträge der unmittelbaren Staats⸗
eamten.
Nach unerheblicher Debatte wurde der Gesetzentwurf an
ine besondere Kommission von 21 Mitgliedern verwiesen.
Die Berathung des Rechenschaftsberichts über die weitere Ausführung des JSn. vom 19. De⸗ zember 1869, betreffend die Konso idation Preußi⸗
cher Staatsanleihen, wurde durch Kenntnißnahme für erledigt erklärt. —
Der Nachweis über die Verwendung des in dem
tat der Eisenbahnverwaltung für 1. April 1886/87 nter Titel 41 der einmaligen und außerordent⸗ ichen Ausgaben vorgesehenen Dispositionsfonds on 1 500 000 ℳ wurde der Budgetkommission überwiesen.
Als vierten Gegenstand der Tagesordnung erledigte dann das Haus in erster und zweiter Berathung den Gesetz⸗ betreffend den Rechtszustand einiger
etretener Gebietstheile in den Kreisen Herford, ielefeld und Höxter, sowie die Abtretung eini⸗ ger preußischer Gebietstheile an Lippe⸗Detmold, nd schließlich die erste und zweite Berathung des Gesetz⸗ ntwurfs, betreffend die Einrichtung von Kehr⸗ ezirken für Schornsteinfeger. Schluß der Sitzung 1 Uhr 30 Minuten. Nächste Sitzung Montag 11 Uhr.
— Dem Hause der Abgeordneten ist Seitens des Ministers für Landwirthschaft, Domänen und Forsten die ß in der Uebersicht der von er Staatsregierung gefaßten Entschließungen uf Anträge und Resolutionen des Hauses der bgeordneten aus der Session des Jahres 1887 ein rrthum stattgefunden hat. In Betreff der Petition des Vereins der Spiritusfabrikanten ꝛc. (siehe Nr. 22 d. Bl.) soll s nicht heißen: „Eine den Gegenstand betreffende Vorlage wird dem Landtage zugehen“,
ondern es soll heißen: 28 ½ betreffenden Erwägungen schweben noch“.
— Auf die Tagesordnung einer der nächsten Plenar⸗
sitzungen des Hauses der Abgeordneten werden nach
iner Mittheilung des Präsidenten von Köller gesetzt werden: I. Mündlicher Bericht der Budgetkommission über den Etat
er Verwaltung der direkten Steuern für das Jahr vom
.April 1888/89. Berichterstatter: Abg. Dr. Mithoff. Antrag der
1“ Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: a. Kap. 4 der Einnahme unverändert zu genehmigen;
b. Kap. 6 der dauernden Ausgaben unverändert zu bewilligen.
II. Mündlicher Bericht der Budgetkommission über die ein⸗ maligen und außerordentlichen Ausgaben des Etats der Staats⸗ archive für das Jahr vom 1. April 1888/89. Berichterstatter: Abg. Francke Komhgch. Antrag der Budgetkommission: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: Kap. 1 a. der einmaligen und außer⸗ ordentlichen Ausgaben unverändert zu bewilligen.
III. Mündlicher Bericht der Budgetkommission über die ein⸗
maligen und außerordentlichen Ausgaben des Etats für das Bureau
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des Staats⸗Ministeriums für das Jahr vom 1. April 1888/89.
Berichterstatter: Abg. Francke (Tondern). Antrag der Budget⸗ kommission: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: Kap. 1
5 und außerordentlichen Ausgaben unverändert zu ewilligen.
— Die unbeschränkte Fulassung der Revision bei Klagen egen einen Gerichtsvollzieher ohne Rücksicht auf den
erth des Beschwerdegegenstandes beschränkt sich, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, IV. Civilsenats, vom 19. De⸗ zember v. J., nur auf Schadensersatzansprüche gegen Gerichts⸗ vollzieher aus pflichtwidrigen Amtshandlungen derselben, be⸗ zieht sich aber nicht auf Ansprüche gegen Gerichtsvollzieher lediglich aus dem civilrechtlichen Mandatsverhältsniß derselben
zu ihren Auftraggebern.
— Ein vom 2. März 1885 bis 1. September 1885 als Rangirer im Eisenbahndienst beschäftigt gewesener Arbeiter, welcher vom letzteren Tage an sich durch Tagelohn anderweit ernährt hatte, am 8. Februar 1886 aber wiederum in den Eisenbahndienst, und zwar als sogenannter Rottenarbeiter eingetreten war, verlor durch einen Unfall, den er am 2. März 1886 während der Arbeit erlitt, das Augenlicht voll⸗ ständig, so daß ihm die Rente für völlige Erwerbsunfähigkeit gewährt wurde. Derselbe hat wegen der Berechnung des maßgeblichen Jahresarbeitsverdienstes, wonach das dreihundert⸗ fache des Tagesarbeitsverdienstes anderer Rottenarbeiter im gleichen Betriebe zu Grunde gelegt wurde, Berufung und Rekurs ergriffen, und verlangt, daß auf den von ihm sruher als Rangirer bezogenen höheren Verdienst Rücksicht genommen werde, weil er diese Stellung noch innerhalb des letzten Jahres vor dem Unfall bekleidet habe. Der Rekurs ist durch
8 8 des Reichs⸗Versicherungsamts vom 14. No⸗
vember v. (459) e worden. Nach dem vom Kläger selbst angegebenen Sachverhältniß ist er nicht ein volles Jahr vor dem Unfall im Betriebe der Fhenbabawermalang beschäftigt gewesen. Mithin kommt es auf seinen individuellen Verdienst, in welchem die vor dem 1. September 1885 zeit⸗
6 weise als Rangirer herssstetn Dienste mit dem entsprechend
höheren Lohn eventuell zum Ausdruck gelangen würden, nicht an, vielmehr kann nach §. 5 Absatz 4 des Unfallversicherungs⸗ gesetzes ausschließlich derjenige Betrag berücksichtigt werden, welchen während des bezeichneten Vorjahres Arbeiter derselben Art in demselben Betriebe durchschnittlich bezogen haben. Da nun der Kläger seit seinem letzten Wiedereintreten in den Eisenbahndienst und auch zur Zeit des Unfalls unstreitig lediglich als Rottenarbeiter fungirtg, so ist der für letztere er⸗ mittelte Durchschnittsverdienst mit Recht der Rentenfestsetzung zu Grunde gelegt worden.
— (Centralbl. d. Bauv.) Gemäß §. 33 des Verfassungs⸗ statuts der Königlichen Technischen Hochschule in Berlin vom 28. Juli 1882 „können Studirende, welche den Lehrgang einer der Abtheilungen I bis IV zurückgelegt haben,
des dem Reichstage vor⸗
auf Grund einer vor dieser Abtheilung zu bestehendae b sonderen Prüfung ein Diplom erhalten, welches ihre Kennt⸗ nisse und ihre kechnische Ausbildung bekundet; die Diplom⸗ Ertheilung, sowie die für dieselbe zu bestehenden Prüfungen werden durch besondere Vorschriften geregelt“. Diese werscheisten über die Diplomprüfung, und zwar für die Abtheilungen II, III und IV, sind nunmehr durch Ver⸗ fügung des Unterrichts⸗Ministers vom 21. Dezember 1887 genehmigt und unter dem 6. Januar d. J. vom Rektor und Senat der Technischen Hochschule erlassen worden. Die Diplom⸗ prüfungen sollen den Nachweis liefern, daß der Prüfling sich durch akademisches Studium ddiejenige Ausbildung in seinem Fach erworben hat, welche eine ausreichende Grundlage für eine selbständige, praktische und wi enschaftliche Thätigkeit gewährt. Die Diplomprüfung zerfällt in eine Vorprüfung und eine Hauptprüfung und findet nach den folgenden Fach⸗ gebieten statt: 1) Ingenieurbaufach (Abth. I1); 2) Maschinen⸗ baufach, 3) Schiffbaufach und 4) Schi Fee e e c (Abth. III); 5) technische Chemie und 6) Hütten’ ach (Abth. IV). Der Vorprüfung hat ein zweijähriges Studium an einer technischen Hochschule voranzugehen, der Hauptprüfung der Nachweis der erfolgreich abgelegten Vorprüfung und eines mindestens drei⸗ bezw. vierjährigen Studiums an einer technischen Hochschule. Voraussetzung für die Zulassung zu den Diplomprüfungen ist ferner die auf Grund des Ver⸗ fassungsstatuts erfolgte Immatrikulation als Studirender an der Technischen Hochschule in Berlin. Die Abnahme der Vor⸗ prüfung und der Hauptprüfung erfolgt durch die für die ein⸗ zelnen Fachgebiete bestehenden Prüfungskommissionen. Nach erledigter Prüfung wird dem Prüfling je nach dem Fachgebiet, für welches die Prüfung abgelegt wurde, ein Diplom als Bau⸗Ingenieur, Maschinenbau⸗Ingenieur, Schiffsbau⸗Ingenieur, Schiffsmaschinenbau⸗Ingenieur, technischer Chemiker oder Hütten⸗Ingenieur ertheilt.
— Das Mitglied des Herrenhauses, Rittergutsbesitzer von Karstedt 8 Fretzdorf bei Wittstock, ist am 25. d. M. nach soeben vollendetem 77. Lebensjahre verstorben. Auf Präsentation des Verbandes des alten und des befestigten Grundbesitzes in das Herrenhaus durch Allerhöchsten Erlaß vom 24. November 1854 auf Lebenszeit berufen, war der Ver⸗ storbene am 30. November 1854 in dasselbe eingetreten.
— Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Großherzoglich na n Ober⸗Zolldirektor Oldenburg ist hier ein⸗ getroffen.
— Der General⸗Lieutenant Graf von Kanitz, à la suite der Armee, ist von Schmuggerow in Vorpommern zu kurzem Aufenthalt hier eingetroffen.
— Der General⸗Lieutenant von Verdy du Vernois, Gouverneur von Straßburg i. E, ist zur Abstattung persönlicher Meldung hier angekommen.
— Aus Fulda, vom 25. Januar, wird der „Wiesbadener Presse“ geschrieben: Dem gestrigen Einzuge folgte heute die Weihe des neuen Bischofs von Fulda, die früh Morgens durch Läuten aller Kirchenglocken und durch Geschützsalven eingeleitet wurde. Um 8 Uhr seßte sich die Prozession mit Musik in Bewegung: 138 Priester in Chorröcken und mit Barett folgten im Zuge den Schulen und Vereinen. Die Bischöfe von Limburg und Mainz, in
deren Mitte der Bischof Weyland, hinter denselben der Erz⸗
bischof von Freiburg, schritten, in vollem Ornat unter dem Baldachin einher. achdem die Prozession in den Dom ein⸗ Phogen war, fuhren der Ober⸗Präsident der Provinz Hessen⸗Nassau,
raf Botho von Eulenburg, der Regierungs⸗Präsident von Rothe, drei weitere Regierungsvertreter und höhere Abgesandte am Portal der Kathedrale vor und nahmen die Ehrenplätze ein. Die Weihe nahm 3 Stunden in Anspruch. Unter den Tönen des Tedeum schritt der Neukonsekrirte mit Mitra und Stab durch den Hauptgang des Domes und spendete seinen ersten bischöflichen Segen. Auf den Thron zurückgekehrt, nahm er die Huldigung des Diözesanklerus entgegen und hielt hierauf vom Hochaltar aus seine erste Ansprache. Unter Hinweis auf den von heute datirten Hirtenbrief, der das Weitere sage, beschränkte er sich auf die Danksagung an den Deutschen Kaiser und den Papst für die Bestätigung seiner Wahl und an alle Mitwirkenden und Theilnehmer an der Konsekrationsfeier. Von 1 Uhr ab war im bischöflichen Palais die übliche Gratulations⸗Cour. Um 3 Uhr begann in den Sälen der Orangerie das vom Domkapitel ge⸗ gegebene Festessen zu 160 Gedecken. Den ersten Toast brachte der Bischof von Fulda auf die Träger der kirchlichen und weltlichen Gewalt, auf Papst und Kaiser aus, worauf der Ober⸗Präsident erwiderte. Der Fackelzug, Abends 7 Uhr, gestaltete sich zu einer wahrhaft großartigen
vation: man zählte über 1500 Fackeln und Lampions. Im Hofe des bischöflichen Palais machte der Zug Halt, und 170 Sänger brachten mit dem Lied „Gott in der Natur“ den Sangesgruß, nach dessen Beendigung ein Mitglied der städtischen Deputation eine Ansprache hielt, die den Bischof zu dankender Erwiderung veranlaßte. Um 8 Uhr begann die Illumination des Domes und der Umgebung.
Württemberg. Stuttgart, 27. Januar. (St.⸗A.
f. W.) Die Kammer der Abgeordneten trat heute in
die Berathung des Ausführungsgesetzes zu dem Reichsgesetz
vom 5. Mai 1886, betreffend die Unfall⸗ und Krankenver⸗
der land⸗ und forstwirthschaftlichen rbeiter.
Baden. Karlsruhe, 26. Januar. “ f. W.) Die Zweite Kammer berieth heute das Budget der Bade⸗ anstalten. Der ordentliche Etat wurde mit 275 025 ℳ Einnahmen und 261 101 ℳ, Ausgaben genehmigt. Als außer⸗ ordentliche Ausgaben wurden für Baden⸗Baden bewilligt zum Neubau eines Landesbades 221 000 ℳ zum Neubau eines Frauenbades (2. Rate) 100 000 ℳ, zum Ankauf einer Wasser⸗ berechtigung 5400 ℳ
Bremen, 26. Januar. (Hann. C.) Zum Zollanschluß am 1. Oktober d. J. sind die Vorarbeiten im vollen Gange. Die Ernennung des Zolldirektors und anderer Beam⸗ ten für den bremischen Staat zur Einleitung und Vor⸗ bereitung des demnächstigen Ueberganges in den Zollverein hat schon stattgefunden; ebenso sind im Freihafenbezirk und an anderen Stellen Abfertigungsräume und Niederlagen theils im Bau begriffen, theils nahezu vollenett.
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Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 27. Januar. (W. T. B.)
Die Regierung legte dem Abgeordnetenhause eine Deklaration, die Kabelschutz⸗Konvention betr., vor.
Die „Wiener Abendpost“ veröffentlicht den Ausweis der direkten und indirekten Steuern im Jahre 1887. Die direkten Steuern ergaben insgesammt einen Reinertrag von 104 966 767 Fl., demnach um 3 500 000 Fl. mehr als im Jahre 1886. Die indirekten Abgaben ergaben einen Rein⸗ ertrag von 184 082 229 Fl., also 5 912 681 Fl. mehr als im Jahre 188è6. 86
Pest, 27. Januar. (W. T. B.) Im Oberhause ge⸗ langte ein Königliches Reskript zur Verlesung, welches den Baron Vay zum Präsidenten ernannte.
Im Unterhause theilte der Minister⸗Präsident Tisza mit, er werde morgen am Schluß der Sitzung die Inter⸗ pellationen betreffs der auswärtigen Politik der Regierung beantworten.
Der volkswirthschaftliche Ausschuß des Unter⸗ hauses nahm den Gesetzentwurf, betreffend den Han⸗ delsvertrag mit Deutschland, an. Auf verschiedene Anfragen erklärte der Staatssekretär Matlokovits, die Regie⸗ rung glaube sicher, daß es gelingen werde, mit Deutschland einen Handelsvertrag auf breiterer Grundlage abzuschließen. In der dem vorliegenden Entwurf entsprechenden Vorlage spreche sich auch die deutsche Regierung in gleichem Sinne aus. Der Zeitpunkt des Abschlusses der gegenwärtigen Konvention, welcher in Deutschland mit der Erhöhung der Getreidezölle zusammenfiel, sei jedoch kein günstiger gewesen. Mit der Frage der Aufhebung des Identitätsverfahrens be⸗ schäftige die Regierung sich ernstlich. Er wolle sich bei dieser Gelegenheit nicht darüber äußern, welchen Einfluß eine der⸗ artige Verfügung auf den Getreide⸗Export Oesterreich⸗Ungarns hätte, doch sei es zweifellos, daß die Freiheit des Verkehrs dem Getreidehandel zum Vortheil gereichen würde.
Großbritannien und Irland. London, 26. Januar. (A. C.) Wie der „Irish Times“ aus London gemeldet wird, soll die irische Regierung entschlossen sein, gegen die Ur⸗ heber des Feldzugsplans energisch vorzugehen. Es würden demnach weitere Verhaftungen erwartet.
— 27. Januar. (W. T. B.) Der parnellitische Parlaments⸗Deputirte für Monaghan, Patrick O'Brien, welcher wegen einer aufrührerischen Rede am 20. d. verhaftet worden war, ist zu 4 Monaten Gefängniß verurtheilt worden.
Frankreich. Paris, 26. Januar. (Köln. Ztg.) Die Rechte der Deputirtenkammer hat jetzt ihr Pro⸗ gramm veröffentlicht: Sie fordert in erster Linie die Ernennung eines Ausschusses, welcher beauftragt würde, vor dem 30. Juni d. J. die Bilanz der Finanzlage “ aufzustellen; ferner Reform des Budgetausschusses, KControle des Rechnungshofs über die Kosten der Staatsschatz⸗ Verwaltung, gesetzliche Restegangs der finanziellen Befugnisse des Finanz⸗Ministers, “ der General⸗Schatzmeister und Departemental⸗Einnehmer, Reform der Steuereinnahme, ein neues Unterrichtsgesetz, Abtretung der Hafenbauten an die Handelskammern, welche ermächtigt würden, sowohl von fran⸗ zösischen als von ausländischen Schiffen Hafengebühren zu erheben, gesetzliche Festsetzung des zur Pension berechtigenden Alters, Reform der Verwaltung der Kolonien einschließlich Algeriens, Ueberlassung der Staatsbahnen an die Privat⸗ industrie.
Auf Antrag der Deputirten Siegfried und Delmas haben die drei Gruppen der Linken je zwei Bevoll⸗ mächtigte zum Zweck einer Vereinbarung eines gemein⸗ samen Geschäftsprogramms für die begonnene Session ernannt. Diese traten gestern zum ersten Mal unter dem Vorsitz Lockroy's zusammen und beschlossen, die Regierung aufzufordern, vom Senat eine rasche Erledigung der Militär⸗ Organisationsvorlage zu verlangen und der Kammer eine Vorlage über das Vereinswesen vorzulegen. Unter den andern zur baldigen Behandlung empfohlenen Entwürfen befinden sich die Reorganisirung der Handelskammern, die Verantwortlich⸗ keit bei Arbeiterunfällen, Organisation des Volkskredits ver⸗ mittelst der Sparkassengelder, Schutz der Handelsmarken, gegenseitige Hülfsvereine, Altersunterstützungskassen.
— 27. Januar. (W. T. B.) Der „Agence Havas“ zufolge sprach der italienische Botschafter, Graf Menabrea, dem Minister des Auswärtigen, Flourens, gegenüber den Wunsch der italienischen Regierung aus, auf die weiteren Verhandlungen wegen des Handelsvertrages zu verzichten. — Die französische und englische Regie⸗ rung unterzeichneten die Vollmachten für die gemischte Schiffahrtskommission für die neuen Hebriden.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 25. Januar. Die „St. Petersburger Zeitung“ schreibt: In unserem Militärgerichtswesen ist neuerdings eine vichtige Aenderung getroffen worden. Durch Allerhöchsten Befehl wurde die zwar nur zeitweise eingeführte, in der That aber vielfach angewandte Maßregel, Civilrichtern die Anwartschaft auf Anstellungen im Militärgerichtsdienst zu verleihen, endgültig aufgehoben. Es sind hierzu künftighin ausschließlich Offiziere zu verwenden, welche die militärisch⸗jzuridische Akademie absolvirt haben. Sollten diejenigen Offiziere, welche alle Bedingungen des Kursus in genannter Akademie erfüllt, nicht zur Besetzung der vakanten Richterstellen genügen, so können auch solche Offiziere angestellt werden, welche nicht allen Bedingungen entsprochen. Im Interesse der Mannszucht innerhalb der Armee ist es jedenfalls, ng alle Stellungen im Militärgerichts⸗ wesen ausschließlich mit Offizieren besetzt werden. Der Geist der Militär⸗Strafgesetzgebung ist eben ein ganz anderer, wie der der bürgerlichen und es dürfte Civilrichtern, namentlich solchen, die niemals Soldat gewesen, sehr schwer fallen, sich wirklich voll in denselben hineinzuarbeiten.
— 28. Januar. (W. T. B.) Der Chef des General⸗ stabes im Marine⸗Ministerium, Tschichatschew, ist zum Kommandirenden des Uebungsgeschwaders für die kommenden Uebungsfahrten ernannt worden; die Fla offiziere dieses Geschwaders und der Kommandirende des Fernllürie⸗ Lehrgeschwaders und des Marine⸗Schulgeschwaders sind gleich⸗ falls bereits ernannt worden.
Spanien. Madrid, 28. Januar. (W. T. B.) Die Königin sabella ist nach Sevilla abgereist; die Königin⸗Regentin und die Minister gaben derselben das Geleit nach dem Bahnhofe.
Portugal. Lissabon, 17. Iunnuar. (P. C.) Der Zu⸗ stand des Königs Dom Luiz ist andauernd ein leidender. Es ist aber die Hoffnung berechtigt, daß der König, dessen Gesundheit durch seine Rundreise im Lande einigermaßen er⸗ schüttert wurde, bald wieder hergestellt sein wird. — Unter den Gesetzentwürfen, welche das Kabinet dieser Tage in den Cortes eingebracht 86 befindet sich das Budget pro 1888/89, das mit einem Fehlbetrag von 800000 Fr. abschließt,
und eine e die Einführung der Taback⸗
regie, sowie ein Gesetzentwurf bezüglich der Verpachtung der südlichen Eisenbahnlinien in den Provinzen Alemtejo und Algarve für die Dauer von 40 Jahren. — In einigen Provinzen Portugals waren kürzlich in Folge der Einführung einer Reform der Gewerbesteuer, welche mit 1. Ja⸗
den Patriotismus hielt,
EII
8 11“ G nuar 1888 ins Leben trat, Unruhen entstanden. Die Regie⸗ rung sah sich angesichts dieser Erscheinung veranlaßt, die Durch⸗ führung dieser Steuerreform einzustellen, und es wurde auch bereits in den Kammern eine vollständige Abänderung des neuen Gesetzes beantragt. — Die Cortes, welche seit dem 2. d. M. wieder tagen, haben die Einsetzung eines parla⸗ mentarischen Ausschusses behufs Untersuchung der Angelegenheit Hersent beschlossen. Hersent wird bekanntlich beschuldigt, einige höhere Beamte durch Bestechung für seine Offerte, betreffend die Hafenbauten in Lissabon, ge⸗ wonnen zu haben. — Die portugiesische Regierung hat den Kabinetten der Mächte zur Kenntniß gebracht, daß sie die Uebernahme des Protektorats über die Küste von Dahomey ablehne. Dieser Schritt des Lissaboner Kabinets ist darauf zurückzuführen, daß der König von Dahomey den von ihm vertragsmäßig übernom⸗ menen Verpflichtungen gegenüber Portugal nicht nachgekommen ist. — Vor Kurzem ist in Rio de Janeiro, wo die portu⸗ giesische Kolonie ungefähr 100 000 Köpfe zählt, eine amt liche Finanzagentur der portugiesischen Regierung errichtet worden. — Die letzten Nachrichten aus den portu⸗
iesischen Kolonien in Afrika lauten neuerdings Hede daß die Stadt Lorenzo⸗Marques in kom⸗ merzieller, wie in gewerblicher Beziehung immer größeren Aufschwung nimmt, wozu insbesondere der Ausbau der neuen Eisenbahnlinie beiträgt. Desgleichen steigert sich die Handels⸗ bewegung in Loanda, der Hauptstadt von Angola, welche durch den Ausbau der Eisenbahn nach Ambaca und die Wasser⸗ leitung aus dem Bengofluß nach der Stadt begünstigt wird. In dem neuen portugiesischen Congogebiet wurden auf Grund des im unabhängigen Congostaat festgestellten Tarifs Ausfuhrzölle für verschiedene einheimische Waaren eingeführt. Fast in den ganzen portugiesischen Fseie c.ies in Afrika waren die Regengüsse der gegenwärtigen Jahreszeit sehr reich⸗ lich, so daß man eine ergiebige Ernte erhofft. Die Hotten⸗ totten hatten gegen Ende des vergangenen Jahres einen ihrer gewohnten Einfälle in den Süden der Provinz Angola unternommen, wurden aber energisch zurückgeschlagen.
Serbien. Belgrad, 26. Januar. (Wien. Ztg.) Der König wohnte heute der Sava⸗Feier in der Hochschule bei, wo der Professor und Akademiker Stretikovic eine Rede über welche den Beifall des Königs erntete. Sodann wurde in Gegenwart des Königs die von demselben gegründete Preisvertheilung an jene Hörer der Hochschule vor⸗ genommen, welche sich durch ausgearbeitete Themata aus⸗ gezeichnet hatten. Der König beehrte jeden derselben mit einer längeren Ansprache.
Bulgarien. Philippopel, 26. Januar. (Wien. Ztg.) Von allen Städten, den Bruderschaften, dem bulgarischen und griechischen Klerus treffen Adressen an den Prinzen Ferdinand ein, in welchen demselben für seine Ankunft im
ande, durch welche Ordnung und Ruhe gesichert wurden, gedankt, die Ergebenheit für den Thron betheuert und versichert wird, daß er auf ihre Mitwirkung undalle Opfer zur Vertheidigung der Freiheit und Unabhängigkeit des Landes zählen könne. In seinen Antworten auf diese Adressen erklärte der Prinz, daß die Bevölkerung des südlichen Bulgarien immer ihre Pflicht S. habe; er hoffe bei der gesammten Nation der gleichen
reue und Ergebenheit zu begegnen, wenn das Land in eine ernste Lage gerathen sollte. Nikolajew erhielt den Großcordon des Alexander⸗Ordens. Mehrere Truppenkommandanten wurden mit verschiedenen Klassen desselben Ordens dekorirt.
Asien. Bombay, 26. Januar. (R. B.) Das nach Sikkim gesandte Expeditions⸗Corps, bestehend aus 1000 Mann Truppen, einem Lagergefolge von 300 Mann und 500 Mauleseln, ist in Siliguri, am Fuße des Dar⸗ jeeling⸗Gebirges, angelangt. Das Corps hat die Aufgabe, die nach Thibet führende Straße auszubessern. — Kapitän Yate kam am 15. d. in Kham⸗Ab an. Die Errichtung von Grenzpfählen an der russisch⸗afghanischen Grenze ist nunmehr vollendet.
Zeitungsstimmen.
Die ẽ „Ostpreußische Zeitung“ schreibt über unsere Finanz⸗ und politische Lage:
Eines ist immerhin in letzter Zeit erreicht worden: die deutsch⸗ freisinnigen Blätter haben aufgehört zu versichern, unsere Regierung treibe ein böswilliges Spiel mit Kriegsgerüchten und der Hervorrufung gegenstandsloser Kriegsbefürchtungen, und verfolge unter diesem Deck⸗ mantel Pläne der inneren Politik und vor Allem der Erzielung endloser Steuerbewilligungen. Man ist — sagen wir so einsichtig geworden, zu begreifen, daß es ein kaum erhöͤrtes Maß von Gewissenlosigkeit einer Regierung sein würde, in einer so schwierigen und gefahrenschwangeren politischen Lage, wie es die heutige ist, mit dem Feuer zu spielen; ganz zu geschweigen des ganz besonderen Anspruchs auf Vertrauen und Achtung, den sich unsere heutige Regierung doch wohl erworben hat. So beginnt man denn widerwillig zuzugeben, daß die Regierung zu ihrer vorsichtigen und vorsorglichen Haltung durch außer ihr liegende Verhältnisse gezwungen ist, und dem nämlichen Gedanken⸗ gange ist es wohl, auch zuzuschreiben, wenn das Gesetz über die Landwehr zweiten Aufgebots und den Landsturm so geringen Schwierigkeiten begegnet ist und auch die Beschaffung der Mittel voraussichtlich als eine unausweichliche Pflicht anerkannt werden wird. Daran aber, die gesammte Finanzpolitik unserer Re⸗ gierung als eine solche zu bezeichnen, die zwar fortwährend Erleich⸗ terungen und besondere Verwendungen in Aussicht stelle, in Wahrheit aber nur auf stetige Steigerung der Steuern bedacht sei, um für ihre („volksfeindlichen“) Zwecke immer mehr Mittel zu gewinnen, daran hält man um so eifriger fest und hat sich hierfür sowie für die Beurtheilung der „wirklichen“ finanziellen Leistungen unserer Regierung ein System geschaffen, welches selten im Stich läßt. Um ein Beispiel anzuführen: wenn unsere Eisen⸗ bahnen große Ueberschüsse abwerfen, so sind hieran nach den deutsch⸗ freisinnigen Blättern nur die großen Getreidemassen Schuld, die zur Vermeidung des drohenden Zolles eingeführt worden sind (es ist dies übrigens nicht einmal wahr, sondern diese Ueberschüsse bezw. Mehr⸗ erträge sind hauptsächlich den ungeheueren Kohlen⸗ und Eisen⸗ transporten zuzuschreiben, die in den letzten Jahren Dank unseren blühenden industriellen Verhältnissen stattgefunden haben, und es er⸗ scheint daher keineswegs so verwerflich, wenn diese Industriezweige nach Tarifermäßigungen verlangen); sind aber in Folge solcher Imvportspekulationen große Getreidemassen ins Land gekommen und fallen in Folgz dessen auf einige Zeit die Getreidezollerträge nur gering aus, so wirft man der Regierung die Geringfügigkeit der den Kreisen mittels der lex Huene gewährten Subventionen vor, und verhöhnt die Kreise mit der Kleinheit der Summen, die ihnen bis jetzt nur zugeführt werden konnten. Unsere Leser werden ohne Weiteres zugeben, daß mit dieser Art von Polemik und Kritik das Blaue vom Himmel herunter bewiesen, und die beste, vorsorglichste und so sehr wie überhaupt möglich auf gute Verwaltung bedachte Regierung in Augen gedankenloser Zeitungsnachbeter schlecht ge⸗
macht werden kann. Glücklicher Weise ist selbst das zeitunglesende Publikum gegen dieses Verfahren allgemach stark abgestumpft worden.
Legen wir uns einmal die Frage vor, welches für die Finanz⸗ politik unserer Regierung der leitende Gedanke gewesen ist, und ob derselbe den Verhältnissen gemäß seine Erfüllung gefunden hat. Die Regierung wollte mittelst dieser Politik Mittel schaffen für die Sozialreform und für die Entlastung der Gemeinden, wollte die “ des Reichs nach Kräften unabhängig machen von denen der
inzelstaaten, und wollte endlich, um in der Militärfrage, in Besol⸗ dungsfragen ꝛc. mehr Freiheit zu haben, über die allzu große Knappheit der bisher verfügbar gewesenen Mittel hinaus⸗ kommen; leise und nur zaghaft war auch der doppelte Gedanke aufgetreten, die Landwirthschaft zu entlasten, den Handel und das mobile Kapital aber etwas stärker in Mitleidenschaft zu ziehen. Dafür, daß von den verfügbar gewordenen Mitteln immer wieder ein großer Theil für militärische und maritime Zwecke dienstbar gemacht werden mußte, können wir nichts; nicht wir haben den gegenwärtigen poli⸗ tischen Zustand geschaffen, sondern derselbe ist das Produkt jener unglückseligen Zeiten, in denen der deutsche Reichs⸗ gedanke verloren gegangen war, und es ist nichts daran zu ändern, daß wir die Lasten tragen müssen, welche uns durch die Thaten und Versäumnisse jener traurigen Zeit aufgeladen wor⸗ den sind. Auch ist es nicht wahr, daß die Annexion Elsaß⸗Lothringens unsere Lage ungünstiger gemacht habe, wie sie sonst sein würde; militärisch hat diese Annexion unsere Lage außerordentlich gebessert, und ob die Franzosen bei Schonung ihrer Empfindlichkeit friedliebender geworden sein würden, das vermag kein Mensch auch nur mit Wahr⸗ scheinlichkeit darzuthun. Ebenso wenig sind unsere Ausgaben für Flotte und Kolonien zu tadeln; ein großer, Welthandel und Welt⸗ industrie betreibender Staat kann schlechterdings nicht umhin, seinen Antheil an den noch herrenlosen Gebieten zu bean⸗ spruchen, und die Wahrscheinlichkeit wenigstens, daß die okkupirten Gebiete für uns eine Quelle reichen Segens sein werden, ist in vollstem Maße vorhanden. Daß wir nun für unsere Wehrkraft zu Land und Wasser in erster Reihe sorgen müssen, liegt so sehr in der Natur der Verhältnisse, daß man dies wohlmeinenden und patrio⸗ tischen Leuten wahrlich nicht erst zu beweisen brauchen sollte, und daß, mag man noch so sehnsüchtig eine Zeit niedriger Steuern herbei⸗ wünschen, gerade die gegenwärtige Zeit keine solche ist, in der dem Ideal ausgedehnter Steuerbefreiungen groß nachgestrebt werden könnte, das sollte gleichfalls jeder verständige Mensch sich selbst sagen. Eine Beschuldigung, unsere Regierung verschwende oder übe doch nicht nach Kräften weise Sparsamkeit, ist unseres Wissens bisher kaum er⸗ hoben worden. Es ist demnach geschehen, was geschehen konnte, um wenigstens die Steuerlast gleichmäßiger zu vertheilen und um die ganz besonders drückenden Gemeindesteuern zu ermäßigen. Ein erster Schritt in dieser Richtung geschah durch die lex Huene; ein zweiter soll eben jetzt durch die Uebernahme eines ansehnlichen Theils der Schullasten (20 Millionen Mark) auf die Staatskasse geschehen, wogegen dann die Gemeinden auf das, zum so großen Theile von ärmeren und dabei kinderreichen Leuten aufzubringende Schulgeld verzichten müssen. Niemand wird hiernach behaupten können, die Regierung strebe ihren oben angedeuteten Zielen nicht unentwegt nach; wenn sie nicht eher an dieselben herantreten konnte, so hat dies seinen sehr einfachen Grund darin, daß sie erst seit Wahl des jetzigen Reichstages auf eine einigermaßen entgegenkommende Stimmung bei der Volksvertretung gestoßen ist.
Die Aussichten für die Zukunft haben sich nunmehr folgender⸗ maßen gestaltet. Das Gleichgewicht in den Finanzen des Reichs sowie der preußischen Monarchie ist hergestellt; für die einmaligen Ausgaben zur Ausrüstung von Landwehr und Landsturm werden die Mittel durch eine Anleihe beschafft werden müssen, was um so un⸗ bedenklicher ist, als unsere Finanzverwaltung eine vortreffliche und unser Schuldenstand (von Eisenbahnschulden abgesehen) nur ein geringer ist, und bei den letzterwähnten Schulden so eben erst eine großartige Tilgung vorgenommen werden konnte. Da nun gehofft werden kann, daß die Staatseinnahmen sich trotz der, immer noch nicht ganz beschworenen Kriegsbefürchtungen in auf⸗ steigender Richtung bewegen, und eine ausgiebigere Heranziehung des mobilen Kapitals zu den Staatslasten immer noch “ so wird es, wills Gott, möglich sein, den Weg einer Entlastung der Ge⸗ meinden und dadurch auch der Landwirthschaft weiter zu verfolgen; man denkt in dieser Hinsicht bekanntlich an eine Ueberweisung der Grund⸗ und Gebäudesteuer oder doch eines bedeutenden Theiles der⸗ selben an die Gemeinden. Eine allmähliche Erhöhung der Gehälter, bei welcher in erster Reihe auch an die Volksschullehrer zu denken sein wird, dürfte hiermit Hand in Hand gehen. Dabei dürften die nöthigen Mittel für Durchführung der Sozialreform immer noch verbleiben, ebenso die Mittel zu den zahlreichen Meliorationen, Wasserbauten ꝛc., die seit lange mit Sorgfalt und Eifer betrieben werden; und der Stand unseres Eisenbahnwesens wird es ermög⸗ lichen, immer neue Linien zu erstellen (wie wir dies in Ostpreußen sehr deutlich wahrnehmen) und so das Eisenbahnnetz zu ver⸗ vollständigen. — Wir verkennen nicht, daß mit alledem für die sroße Aufgabe einer durchgreifenden Steuerreform, einer allgemeinen Schulausstaltungs⸗Gesetzzebung und mancher anderen idealen Ziele unseres Staatswesens erst Vorarbeiten geschaffen sein werden. Aber wenn einmal die Zeit der Kriegsbefürchtungen vorüber sein wird und es sich dann zeigt, daß wir selbst in dieser ge⸗ fährdeten und wirthschaftlich wenig günstigen Periode gewaltige Fort⸗ schritte in Steuerwesen, wirthschaftlichen Einrichtungen, gemeindlichen und Schulverhältnissen ꝛc. gemacht haben, dann wird es nicht allzu schwer sein, an alle diese Dinge die ausgleichende, einen ein⸗ heitlichen Gesichtspunkt durchführende Hand zu legen. Erst die staat⸗ liche Existenz, dann das um innerer Verhältnisse willen Nothwendige, dann endlich das Wünschenswerthe!
— Die „Volkswirthschaftliche Correspondenz“ be⸗ merkt zu dem neuesten, vor Kurzem erschienenen Bericht der Handels⸗ und Gewerbekammer in Pest über die Verhältnisse des Handels, der Gewerbe und des Verkehrswesens 1884 und 18855?
Wenn die Budapester Handels⸗und Gewerbekammer ihren neuesten Bericht mit den Worten beginnt: Die Lage unserer Volkswirthschaft war in den Jahren 1884 und 1885 eine ungünstige; Landwirthschaft, Gewerbe, Handel und Verkehr empfanden gleich süer den Einfluß jener Faktoren, welche auf die Kräfte der Wirthschaft nicht nur Europas, sondern der ganzen Welt lähmend einwirkten — so lassen sich diese Behauptungen mit gleichem Recht auch auf das Jahr 1886 und den größten Theil von 1887 anwenden; und wenn es weiter heißt, die augenfälligste der wirthschaftlichen Erscheinungen sei die Abnahme der Rentabilität der Produktion gewesen, so ist es bekannt, daß diese Erscheinung leider das Charakteristikum der wirth⸗ schaftlichen Thätigkeit auch in den übrigen europäischen Produktions⸗ ländern und speziell in Deutschland bildete und erst seit Kurzem hierin Anzeichen der Besserung sich bemerkbar machten.
Einen der wichtigsten Produktionszweige Ungarns bildet bekannt⸗ lich die Landwirthschaft. Dieselbe hatte denn auch von den wirth⸗ schaftlichen Unzuträglichkeiten und namentlich dem niedrigen Preis⸗ stande in den letzten Jahren in besonders hohem Grade zu leiden, wie dies bekanntlich auch in Deutschland nicht minder der Fall war. Das Sinken des Preises der landwirthschaftlichen Produkte, heißt es im Budapester Handelskammerbericht, die zeitweilige Abnahme der Rentabilität der Produktion verursachte einen starken Niedergang der Kaufkraft der Landwirthschaft treibenden Klassen, welcher in Folge der zwischen sömmtlichen Produktionszweigen bestehenden Wechselwirkung auf das ganze Gebiet der Produktion zurückwirkte. Sämmtliche Industriezweige verspürten die Wirkung dieser Erscheinung, und zwar nach zwei Richtungen: Nicht blos der Absaß der Industrieartikel nahm ab, sondern es ging auch der Preis derselben zurück, wofür der Umstand, daß auch die Produktionskosten sich niedriger stellten, nur in sehr geringem Maße Ersatz bot, da sich die Ermäßigung der Produktionskosten erst nach längerem Zeitraum fühlbar zu machen pflegt. 1
Diese Schilderung stimmt vollständig mit den Wahrnehmungen
überein, welche auch in Deutschland gemacht worden sind und bekannt⸗ lich einen wichtigen Anlaß mit zur Erhöhung der landwirthschaft⸗ lichen Zölle gebildet haben. Die deutschen andelskammern haben dieser Ansicht ja auch mehrfach Ausdruck geliehen. Wir erinnern hier nur daran, was die Handelskammer zu Lüneburg in ihrem letzten Jahres⸗ bericht über das Jahr 1886 anführt, wo es heißt, daß, trotz⸗ dem die Getreideernte in allen Gattungen an Körnerertrag recht er⸗ giebig gewesen sei und auch die anderen Früchte des Landmanns gute Resultate ergeben hätten, dennoch der bsatz in den Kaufmanns⸗ geschäften kleiner als gehofft geblieben sei, weil eben dem Landmann die lohnenden Preise für seine Produkte gefehlt hätten; die gewöhn⸗ lichen Bedürfnisse des platten Landes, selbst sämmtliche Kolonial⸗ waaren, seien den Landleuten, oft wider ihren Willen, durch die Hausirer in das Haus gebracht und gegen Butter, Eier, Flachs u. s. w. ab⸗ gelett worden. In analoger Weise bemerkt die Handelskammer zu
avensburg in Württemberg, daß die niederen Fruchtpreise die Kauf⸗ lust der ländlichen Bevölkerung zurückgehalten hätten; und die Kammer in Rottweil meldete, die Landwirthschaft sei leider in keiner rosigen Lage, auch die Kauffähigkeit der bäuerlichen Kundschaft gering sei.
Wir sehen also, daß die Budapester Handelskammer die schwer wiegenden Argumente vollinhaltlich bestätigt, welche bei der Debatte über die Erhöhung der landwirthschaftlichen Zölle im deutschen Reichstage als besonders ins Gewicht fallend hervor⸗ gehoben worden waren, von deren Gegnern allerdings mit großer Beharrlichkeit als übertrieben hingestellt oder ganz geleugnet wurden. Wenn man nun in Ungarn über die deutsche Getreidezollerhöhung ganz besonders ungehalten war, so be⸗ stätigt man andererseits selbst offen die trüben Folgen der landwirth⸗ schaftlichen Nothlage; gleichwohl will man uns aber diejenigen Ii. welche allein noch zur Abhülfe zu Gebote standen, nicht gestatten!
Centralblatt für das DeutscheReich. Nr. 4. — Inhalt: Militärwesen: Aufnahmebedingungen für das Potsdamsche große Militärwaisenhaus. — Konsularwesen: Bestellung eines Konsular⸗ Agenten; Entlassung. — Marine und Schiffahrt: Abänderungen des Tarifs der an der Sulinamündung zu erhebenden Schiffahrtsabgaben. — Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet.
Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 3 A. — Inhalt: Nichtamtliches: Aus dem preußischen Staatshaushalts⸗Etat für 1888/89. — Vorrichtung zur Entseuchung von Kleidungsstücken und Lagerungsgegenständen (Henneberg's Desinfector). — Vermischtes: Auffindung des Kabeirion bei Theben in Beotien. — Gleichstellung des Studiums auf den technischen Hochschulen. — Deutsches Zeichen⸗ papier. — Oeffentliche Parkanlagen in London. — Plan einer Eisen⸗ bahn das Euphrat⸗Thal entlang. — Ueberschwemmungen in China. — Bücherschau. — Neue Patente.
Statistische Nachrichten.
Nach dem neuesten „Jahrbuch der preußischen Gerichts⸗ verfassung“ gab es im Dezember 1887 an preußischen Ge⸗ richten bei 28 318 470 preußischen Gerichtseingesessenen und 241 252 Eingesessenen aus anderen Staaten 14 Ober⸗Landesgerichte (inkl. Jena), 94 Landgerichte (inkl. Bezirk Jena 2), 1094 Amtsgerichte (Bez. Fena 7), 28 Orte mit Kammern für Handelssachen, 48 Orte mit Strafkammern der Amtsgerichte, 381 Gerichtstage (Bez. Jena 5) und 27 große Forstgerichtstage. Außerdem sind in Waldeck noch 4 preu⸗ lische Amtsgerichte. Bei den 13 Ober⸗Landesgerichten (außer
eena) waren angestellt: 13 Präsidenten, 37 Senats⸗Präsidenten 235 Räthe, 13 Ober⸗Staatsanwälte, 11 Staatsanwälte und 231. Rechtsanwälte und Notare; bei den Land⸗ und Amtsgerichten 1136 Mitglieder der Landgerichte und 2517 der Amtsgerichte; es kamen auf ein Mitglied der Landgerichte 25 000 Gerichtseingesessene, auf 18 11 256, auf ein Mitglied der Ober⸗Landesgerichte
Von den Landgerichten zählten 28:8, 12:9, 9:10, 8:11, 7: 12, 6:13, 2:14, 3:15, 4:16, 3:17, 3:18, 2: 19, 2: 21, 1:22, 1:26, 1: 94 Mitglieder; von den Amtsgerichten 493: 1, 308: 2, 147:3, 57:4, 37:5, 18:6, 11:7, 4:8, 3:9, 3: 10, 2:11, 1:12, 2:13, 1:14, 1:15, 1:17, 2:18, 1:36, 1:98 Mitglieder.
Gewerbe und Handel.
Nach dem Geschäftsbericht des Berliner Maklervereins war das Jahr 1887 weniger günstig als das vorhergegangene. Dem Rückgang der Umsätze entspricht die Verminderung der von dem Institut zu entrichtenden Börsen⸗Umsatzsteuer. Dieselbe betrug für den Berliner Maklerverein und seine Bevollmächtigten 158 450 ℳ gegen 202 349 ℳ im Vorjahre. Der Antheil des Vereins an der Provisionseinnahme belief sich im letzten Jahre auf 336 435 ℳ oder 135 908 ℳ weniger als 1886. Das Zinsen⸗Conto brachte einen Ertrag von ca. 3 ⅞ %, nämlich 116 020 ℳ gleich 14 728 ℳ mehr als im Vorjahre. Die Handlungs⸗ unkosten betragen 143 943 ℳ gegen 160 604 ℳ in 1886. Der ordent⸗ liche Reservefonds hat mit 300 000 ℳ = 10 % des Aktienkapitals seine gesetzlich und statutarisch vorgeschriebene Höhe erreicht. Es sind daher nur an die Spezialreserve Ueberweisungen zu machen und schlägt die Verwaltung vor, dieselben mit 20 000 ℳ zu bemessen. Diese Reserve wird alsdann 40 000 ℳ betragen. Die diesmalige Gewinnvertheilung würde sich wie folgt stellen; Reingewinn 305 986 ℳ; hiervon entfallen für die Spezialreserve 20 000 ℳ, für Tantièmen 36 060 ℳ Von dem alsdann verbleibenden Rest von 249 926 ℳ soler 1 % Dividende vertheilt werden, wozu 240 000 ℳ erforder⸗ ich sind.
— Der Verwaltungsrath der Allgemeinen Berliner Om⸗ nibus⸗Aktien⸗Gesellschaft hat beschlossen, der bevorstehenden Generalversammlung die Vertheilung einer Dividende von 9 ½ % vor⸗ zuschlagen. Im vorigen Jahre wurden 10 % vertheilt.
— Der Aufsichtsrath der Vereinigten Deutschen Tele⸗ graphen⸗Gesellschaft setzte nach statutenmäßiger Dotirung der Reserve⸗ und Erneuerungsfonds mit je 10 % die Dividende der Stamm⸗ Aktien auf 10 % fest. Für die Hamburg⸗Helgolander Tele⸗ graphen⸗Gesellschaft und für die Gesellschaft des Deutsch⸗Norwegischen Kabels wurde nach gleichen Dotirungen eine Dividende von 5 % normirt. Die betreffenden ordentlichen Generalversammlungen finden am 21. Februar statt.
— In der am 26. Januar in Köln abgehaltenen Hauptver⸗ sammlung des rheinisch⸗westfälischen Roheisenver⸗ bandes wurde festgestellt, daß die Verbandswerke ihre Erzeugungen für das erste Halbjahr und theilweise noch darüber hinaus unter Er⸗ zielung von Preisen, die in den meisten Fällen um 1 ½ — 2 ½ ℳ höher als die Uebereinkunfts⸗Mindestpreise waren, verschlossen haben. Wenn trotz dieser günstigen Lage und trotz der inzwischen gestiegenen Selbst⸗ kosten von einer Erhöhung der Uebereinkunftspreise abgesehen worden ist, so ist dies darauf zurückzuführen, daß man den auf die Ausfuhr Werken den Bezug des Roheisens nicht vertheuern wollte.
—, Die vorgestrige außerordentliche Generalversammlung der Lübeck⸗Büchener isenbahn genehmigte die beantragten Statutenänderungen. Hervorzuheben ist, daß in Zukunft jede Aktie eine Stimme hat, daß die bisherige Dotirung der Bilanzreserve fortfällt und daß die Summe für die Dividendenvertheilung dadurch eine ößere wird. 3
ntwerpen, 27. Januar. (W. T. B.) Wollauktion. Angeboten wurden 1244 B. Buenos⸗Ayres⸗Wollen, von denen 1176 B. verkauft wurden, ferner 785 B. Montevideo⸗Wollen, von denen 560 B. verkauft wurden, und 25 B. Pelades Lavees, die sämmtlich verkauft wurden. Preise unverändert.
New⸗York, 27. Januar. (W. T. B.) Baumwollen⸗ Wochenbericht. Zufuhren in allen Unionshäfen 90 000 B., Ausfuhr nach Großbrikannien 55 000 B., Ausfuhr nach dem Kontinent 48 000 B., Vorrath 928 000 B.