1888 / 50 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 24 Feb 1888 18:00:01 GMT) scan diff

einmal das Verhältniß korrigirt werden solle. Die be⸗ absichtigte Wohlthat für den Grundbesitz sei nur eine scheinbare, der Grundbesitz dürfe nicht noch mehr mobi⸗ lisirt werden. Die Erleichterung des Besitzwechsels würde den kleinen Grundbesitz bald zum Spekulationsobjekt machen. Wie der entstehende Ausfall für den Fiskus zu decken sei, habe der Abg. Hansen nicht nachgewiesen. Er werde also mit vielen seiner Freunde gegen den Antrag stimmen und beantrage, eventuell in dem Antrage Hansen die Worte „Veräußerungs⸗ verträge sowie“ zu streichen.

Abg. von Below⸗Saleske erklärt, mit der Mehrheit seiner Partei für den Antrag stimmen zu wollen. Er hätte eine Ausdehnung des Antrags auf die zur Unterstützung von Fa⸗ milienmitgliedern errichteten Familienstiftungen gewünscht, ohne diese Frage in die Diskussion werfen zu wollen. Der Ausfall an Stempeleinnahmen lasse sich durch die Neuregu⸗ lirung der direkten Steuern oder eine Steigerung des Mo⸗ biliarstempels decken. en,degehc Dr. von Scholz, dessen Rede wir morgen im Wortlaut nachtragen werden, schließt sich dem Wunsch an,

daß der Stiftungsstempel für alle wohlthätigen Stiftungen wegfallen möge, aber bei einer Reform der Stempel⸗ gesetzgebung seien zwar viele Millionen zu lassen, aber keine zu gewinnen. Auf die Stempeleinnahmen könne er nicht verzichten. Durch den Antrag Erffa werde der finanzielle Effekt des Antrags Hansen bedeutend vermindert,

in dieser Form könne der Antrag vielleicht im nächsten Fahre

berücksichtigt werden, weil der Stempel für acht⸗ und Miethsverträge sich überhaupt nur auf etwa eine Million belaufe. Dem gegenwärtigen Ueberschuß in den Finanzen ständen sehr viele Wünsche und zu befriedigende Beduͤrfnisse gegenüber. Eine Beseitigung der drückenden Bergwerksabgabe sei eher nöthig. Seitens der Volksvertre⸗ tung dürfe nicht an dem Gleichgewicht in den Uöapgen ge⸗ rüttelt werden. Er bitte höchstens um Annahme des Antrags in der Form des Antrags Erffa; nöthig sei es aber nicht, es werde auch so geschehen, was geschehen könne. 1 Abg. Freiherr von der Reck erklärt sich für unveränderte Annahme des Antrags Hansen. Abg. Seer tritt gleichfalls für den Antrag Hansen ein. Abg. Dr. Wehr weist darauf hin, daß der Staat durch das Ihess Polizeikostengesetz 4 ½ Millionen neuer Einnahmen erhalte.

Die Abgg. von Below⸗Saleske und Freiherr von Zedlitz und Neukirch beantragen, wie der Abg. Erffa, die Worte „Veräußerungsverträge sowie“ zu streichen und am Schluß des Antrags Hansen die Worte hinzuzufügen: „und demnächst

auf die entsprechende Ermäßigung des Stempels für Veräuße⸗

rungsverträge auf Immobilien Bedacht zu nehmen.“

Abg. Rickert erklärt sich für eine Ueberweisung des An⸗ trags an eine Kommission, um demselben eine Form zu geben, in welcher er von der Regierung angenommen werden fönne⸗

Bei Schluß des Berichtes ergreift der Finanz⸗Minister, Dr. von Scholz, nochmals das Wort.

Die soeben erschienene, im Reichsamt des Innern herausgegebene „Amtliche Liste der Schiffe der deutschen Kriegs⸗ und Handels⸗Marine mit ihren Unterscheidungs⸗Signalen für 1888“ bildet den Anhang zum internationalen Signalbuch, welches in erster Auflage unter dem Titel „Signalbuch für die Kauffahrtei⸗ schiffe aller Nationen“ im Juni 1870 vom Reichskanzler⸗Amt und in zweiter Auflage unter dem Titel „Internationales Signalbuch“ im Januar 1884 vom Reichsamt des Innern herausgegeben ist.

Das Signalbuch gewährt den Schiffen die Möglichkeit, durch Signale sich zu erkennen zu geben und sonstige Mit⸗ theilungen unter einander, sowie mit Signalstationen, auch dann auszutauschen, wenn die signalisirenden Theile ver⸗ schiedener Sprachen sich bedienen.

u diesem Zweck enthält das Signalbuch eine große An⸗ zahl sowohl vollständiger Sätze, als auch zur Verbindung mit einander geeigneter Satztheile, einzelner Wörter, Namen, Silben, Buchstaben und Zahlen, welche durch Gruppen von je 2, 3 oder 4 der 18 Signalbuchstaben B, C, D, F, G, H, J, K, L, M, N, P, Q, R, S, T, V und W bezeichnet sind. Solcher Gruppen, deren jede anders geordnete oder andere Buchstaben enthält als alle übrigen, giebt es 306 von je 2 Signalbuchstaben (BC, BD, BF, BG u. s. w. bis WV), 4896 von je 3 Signalbuchstaben (B0D, BCF, BO0G, BCH u. s. w. bis WVT) und 73 440 von je 4 Signalbuchstaben (BCDF, BODG, BCDH, BODJ u. s. w. bis WyPs).

Alle 306 Gruppen von 2 Signalbuchstaben, alle 4896 Gruppen von 3 Signalbuchstaben und von den Gruppen von 4 Signalbuchstaben die ersten 18 960 (B0D F bis GPWV) dienen zur Bezeichnung der in das Signalbuch aufgenommenen Sätze, Satztheile, Wörter u. s. w.

Von den übrigen Gruppen von 4 Signalbuchstaben sind die 1440 Gruppen von G2BC bis GWVT zur Bezeichnung der Schiffe der Kriegs⸗Marinen und die letzten 53 040 Gruppen von HBOD bis WVTS zur Bezeichnung der Schiffe der Handels⸗Marinen in der Art bestimmt, daß jedem Kriegs⸗ und beziehungsweise Kauffahrteischiff eins dieser (1440 + 53 040 =) 54 480 Signale als Unterscheidungs⸗Signal zuzutheilen ist.

Jedem Staat stehen alle Unterscheidungs⸗Signale behufs

Vertheilung auf die Schiffe seiner Flagge zur freien Ver⸗ ügung. Schiffe von verschiedenen Flaggen führen daher viel⸗ ach dasselbe Unterscheidungs⸗Signal, Schiffe unter derselben lagge niemals. „Diie Vertheilung der Unterscheidungs⸗Signale auf die einzelnen Schiffe wird durch die zuständigen Behörden der verschiedenen Staaten bewirkt. Jedem deutschen Kauffahrtei⸗ schiffe wird gleich bei der Eintragung in das Schiffsregister ein solches Unterscheidungs⸗Signal zugetheilt und in seinem Schiffs⸗Certifikat vermerkt. So lange das Schiff unter deutscher Flagge fährt, behält es dieses Unterscheidungs⸗Signal auch beim Wechsel seines Heimathshafens oder seiner Register⸗ behörde unverändert bei.

Die nach der systematischen Reihenfolge der Unter⸗ scheidunge Signale geordnete Liste ergiebt, welche Unter⸗ cheidungs⸗Signale den einzelnen Schiffen der deutschen Kriegs⸗ und Handels⸗Marine beigelegt worden sind.

Für die Schiffe anderer Staaten, welche das Signalbuch ebenfalls angenommen haben, sind ähnliche Listen vorhanden. Die Art und Weise, wie die Unterscheidungs⸗Signale zu signalisiren sind, ergiebt sich aus dem in dem Signalbuche enthaltenen Abschnitt über „Einrichtung und Gebrauch des Signalbuches“. Will ein Schiff sich einem andern Schiffe, einer Signalstation u. s. w. zu erkennen geben, so muß es außer seinem Unterscheidungs⸗Signal stets auch seine National⸗

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. Flagae zeigen, da, wie oben erwähnt, Schiffe verschiedener Flaggen vielfach dasselbe Unterscheidungs⸗Signal führen.

Ein Schiff, welches das Unterscheidungs⸗Signal eines anderen Schiffes wahrnimmt, kann sodann dessen Namen, Heimathshafen, Ladungsfähigkeit und Dampfkraft aus der betreffenden Liste sofort ersehen. Besitzt es die Liste nicht, so wird es sich behufs späterer Feststellung oder Weitermeldung di Nationalität und das Unterscheidungs⸗Signal zu merken aben.

Alljährlich erscheinen neue Ausgaben dieser Schiffsliste und im Laufe jeden Jahres drei bis vier Nachträge zu derselben. . Q¶EwEen.

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Ein Arbeiter ließ sich während der Mittagspause mit

feinem gleichfalls im Betriebe beschäftigten Arbeiter in eine

Neckerei ein, er stürzte aus diesem Anlaß in die zum Betriebe gehörige und auf der Betriebsstätte gelegene, halb mit frisch gelöschtem Kalk gefüllte Grube und verstarb in Folge hiervon. Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfall und einer den Zwecken des Betriebes dienenden Einrichtung ist laut der Re⸗ kursentscheidung des Reichs⸗Versicherungsamts vom 16. Januar d. J. (Nr. 478) hiernach als vorhanden anzu⸗ sehen und wird auch nicht dadurch aufgehoben, daß der Unfall während der für das Mittagessen und die Erholung der Ar⸗ beiter bestimmten regelmäßigen Pause eintrat, da die letzteren auch während dieser Leit in Folge des G Aufenthalts an der Betriebsstätte den Ge⸗ ahren der zu letzterer gehörigen Einrichtungen ausgesetzt bleiben. Darin aber, daß der Unfall durch eine Neckerei ver⸗ anlaßt wurde, wie sie während der Erholungspausen unter Arbeitern nicht selten stattfindet, kann ebenfalls ein den Ent⸗ schädigungsanspruch gesetzlich ausschließender Umstand nicht er⸗ blickt werden, da immerhin nur die nicht ausreichend geschützte Kalkgrube die wesentliche Ursache der tödtlichen Verletzungen geworden ist. en h Entscheidungen 281, 354, 455, „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1887 Seite 29, 147 und 1888 Seite 70.)

Der Unternehmer einer Ziegelei, welcher daneben Land⸗ wirthschaft und Pferdezucht treibt, verwendet seine 14 Ge⸗ spanne und die zu ihrer Bedienung angenommenen Geschirr⸗ führer nach Bedarf in seinen verschiedenen Betrieben. Einer von diesen Geschirrführern wurde verletzt, indem er beim Einfahren von zwei jungen Pferden eigener Zucht unter

den Wagen gerieth, und starb demnächst an den Verletzungen.“

Den von seiner Wittwe gegen die Ziegelei⸗Berufsgenossenschaft erhobenen Entschädigungsanspruch hat das Reichs⸗Ver⸗ sicherungsamt durch Entscheidung vom 22. November v. J. (Nr. 479) in Uebereinstimmung mit dem Schiedsgericht zurückgewiesen. Der Unfall ist nicht in der Ziegelei, sondern im Gehöft und bei einer Beschäftigung eingetreten, welche lediglich dem landwirthschaftlichen Betriebe des Unternehmers angehörte. Maßgebend für diese Entscheidung war nur das Verhältniß am Tage des Unfalls und nicht die Erwägung, ob das einzufahrende Gespann demnächst überwiegend in der Ziegelei oder in der Landwirthschaft benutzt werden sollte.

Bei der Ernennung von Beisitzern des Schieds⸗ gerichts auf Grund des §. 105 Absatz 1 des Gesetzes vom 5. Mai 1886, betreffend die Unfall⸗ und Krankenver⸗ sicherung der in land⸗ und forstwirthschaftlichen Betrieben beschäftigten Personen, kommt die Vor⸗ schrift des §. 51 Absatz 3 a. a. O. in Anwendung, wonach nur wählbar sind die Genossenschaftsmitglieder und die von ihnen bevollmächtigten Leiter ihrer Betriebe.

Da an die Stelle der Berufsgenossenschaft bei den Staats⸗ betrieben, auf welche sich die Anweisung vom 16. Juli v. J. bezieht, der Staat getreten ist, so können, nach einem Cirkular⸗ erlaß des Ministers für Landwirthschaft 2ꝛc. vom 8. d. M., die von der Ausführungsbehörde zu ernennenden Beisitzer nur aus den vom Staate angestellten Betriebsleitern gewählt wer⸗ den. Als solche sind lediglich die unmittelbaren Zetrieb leiter (Oberförster, Gestüts⸗Direktoren u. s. w.) anzusehen, nicht etwa auch die Mitglieder der Regierung oder die Unterbeamten der Betriebsleiter.

In dem durch §. 18 des Zuständigkeitsgesetzes vom 1. August 1883 vorgeschriebenen Verfahren Beschluß⸗ fassung des Gemeinde⸗Vorstandes mit nachfolgender Klage sind auch solche Anträge zu erledigen, welche, ohne die er⸗ folgte ö zu bemängeln, eingetretener Veränderungen wegen eine Herabsetzung der Steuer im Laufe des Steuerjahres bezwecken (Endurtheil des II. Senats des Ober⸗Verwaltungsgerichts vom 4. November 1887).

Der Kaiserliche Gesandte in Japan, von Holleben, hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub angetreten. Während der Abwesenheit desselben von seinem Posten in Tokio fungirt der Legations⸗Sekretär Freiherr von Dörn⸗ berg als interimistischer Geschäftsträger.

Die Deputation des Kaiserlich russischen In⸗ fanterie⸗Regiments „Kaluga“ Nr. 5 hat vorgestern Abend die Rückreise nach Rußland angetreten.

Bayern. München, 23. Februar. (W. T. B.) Die Abgeordnetenkammer bewilligte in ihrer heutigen Sitzung bei der Berathung des Etats für Reichszwecke die Matri⸗ kularbeiträge in Höhe von 30 700 000 ℳ. Der Regierungs⸗ kommissar Raesfeldt erklärte gegenüber dem Referenten Geiger, daß die Ausgaben für das orientalische Seminar insofern auch Reichsausgaben seien, als dadurch viele Kosten für Dolmetscher erspart blieben.

Württemberg. Stuttgart, 23. Februar. Das gestrige Bulletin aus Florenz über das Befinden des Königs meldet: „Fortgang ungestört. Dr. Fetzer.“

Der „Staats⸗Anzeiger f. W.“ schreibt: „Die Trauer⸗ nachricht von dem Ableben Sr. Großherzoglichen Hoheit des Prinzen Ludwig von Baden macht in unserer Haupt⸗ stadt wie beim ganzen württembergischen Volke den schmerzlichsten Eindruck und erregt die aufrichtigste und herzlichste Theilnahme. Die Katastrophe trat so rasch ein, daß das Großherzogliche Elternpaar nicht einmal den Trost hatte, den geliebten Sohn, der erst nach ihrer Abreise nach San Remo erkrankt war, noch einmal im Leben zu sehan⸗ Auch Se. Majestät den Kaiser muß der Schlag er veeeaeea treffen, denn er war diesem Enkel mit besonderer Liebe zugethan und interessirte sich sehr 195 den viel⸗ versprechenden Jüngling. Prinz Ludwig Wilhelm Karl Friedrich Berthold war geboren zu Baden am 12. Juni 1865, Second⸗Lieutenant im 1. Garde⸗Ulanen⸗ Regiment und à la suite des 1. Badischen Leib⸗Grenadier⸗ Regiments Nr. 109. Der Prinz stand also erst im 23. Lebens⸗

jahre. Das ganze deutsche Volk theilt den Schmerz der schwergeprüften Eltern, welche so jäh und plötzlich ihren hoff⸗ nungsvollen Sohn zu beweinen haben, und denen es nicht er⸗ spart blieb, von dem Krankenlager des Bruders zu dem Sterbebett des Sohnes eilen zu müssen.“

Baden. Karlsruhe, 23. Februar. Ein heute Vor⸗ mittag ausgegebenes Extrablatt der „Karlsruher Ztg.“ meldet den heute früh nach 6 Uhr erfolgten Tod des Pr Ludwig Wilhelm, sowie daß 5 Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin um 10 Uhr Vormittags in Freiburg erwartet wurden.

In der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer hielt der erste Vize⸗Präsident Friderich mit bewegter Stimme folgende Ansprache: „Meine Herren! Tief bewegt nehmen wir Alle Antheil an dem außerordentlichen Verlust, welcher unser Fürstenhaus und das ganze Land betroffen hat, durch den Tod Sr. Großherzoglichen Hoheit des Prinzen Ludwig Wilhelm. Ein hoffnungsvoller Sprosse des Zähringer Hauses ist der Famäle⸗ und dem Lande in voller Kraft und Frische des jugendlichen Alters entrissen. Die Hoffnungen und Wünsche, die wir auf den edlen Prinzen setzten, sollten nicht in Erfüllung gehen. Schwer ruht die Hand des All⸗ mächtigen auf e erhabenen Fürstenhause. Wir flehen, daß er den schwer heim Rüchtie Eltern Stärke verleihe, um den großen Verlust ergeben zu tragen.“ Die Sitzung wurde darauf aufgehoben.

(W. T. B.) Nach ärztlicher Mittheilung hatte bei dem Prinzen Ludwig der gestrige Morgen mit hohem Fieber begonnen, welches Mittags unter Schweißausbruch eine geringe Abnahme erfuhr, während gleichzeitig Delirien auftraten; ein entscheidender Rückgang des Fiebers kam aber nicht zu Stande, vielmehr steigerten sich die Zunahme der Temperatur am Nachmittag und die Delirien während des Abends und der Nacht zu so hochgradiger Aufregung, daß nach Mitternacht ein schlimmer Ausgang unabwendbar erschien. Erst gegen Morgen wurde der Prinz ruhiger und entschlief sanft um 6 Uhr 5 Minuten.

Braunschweig. Braunschweig, 23. Februar. (W. T. B.) Die Landesversammlung hat heute den Gesetzentwurf, betreffend die Einführung zweijähriger Finanz⸗ perioden

nommen. 8

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 22. Februar (Wien. Abdp.) Im Abgeordnetenhause des Reichsraths beantwortete heute der Ackerbau⸗Minister Graf Falkenhayn die Inter⸗ pellation der Abgg. Dr. Roser und Genossen, betreffend die Gefährdung der Franzensbader Heilquellen durch ohne behördliche Bewilligung erfolgte Grabungen. Sodann gelangten mehrere Wahlberichte zur Verhandlung.

—,. 23. Februar. (W. T. B.) Die Erzherzogin Elisabeth ist heute zum Besuch ihrer Tochter, der Königin⸗ Regentin, nach Madrid abgereist.

Die „Presse“ bespricht das Communiqué des russischen „Regierungs⸗Anzeigers“ und giebt zu, daß die Stellung des Prinzen von Coburg keine durchaus legale sei, weist aber darauf hin, daß Rußland es verschuldet habe, wenn dieser Usurpator auf den bulgarischen Thron habe gelangen können. Durch die russische Passivität seien allmählich lebensfähige Thatsachen geschaffen worden, welche halb⸗ wegs die Ruhe auf der Balkanhalbinsel involvirten. Ueberall fordere die öffentliche Meinung, daß, wenn schon der Usurpator geopfert werden müsse, man doch vorher wissen solle, wie der russische Kandidat aussehe und wie Rußland Bulgarien an Ruß⸗ land geknüpft sehen wolle. Die „Neue freie Presse“ hebt hervor, wie leicht vor 6 Monaten eine Verständigung mit Rußland gewesen wäre, wenn damals dasselbe auf dem gleichen Boden wie heute gestanden hätte. Das Communiqué sa als Programm nicht ausreichend; Rußland sollte nicht äumen zu zeigen, daß es bereit sei, sein Interesse an Bul⸗ garien mit den übrigen Mächten zu konformiren.

Pest, 22. Februar. (Wien. Abdp.) Im Abgeordneten⸗ hause wurde das Budgetgesetz in dritter Lesung votirt. Die Modifikationen des Oberhauses zur Veterinär⸗Gesetzvorlage wurden ohne Diskussion angenommen. Die Gesetzentwürfe über die Feststellung der Strafbestimmungen zum Schutz der unter⸗ seeischen Kabel und über die Inartikulirung der betreffenden Erklärung wurden nach kurzer Diskussion mit einigen Kylistischen Amendements angenommen. Es hätte nun die internationale Konvention hinsichtlich der Beilegung der Grenzstreitig⸗ keiten zwischen der österreichisch⸗ungarischen Monarchie und Rumänien verhandelt werden sollen, da jedoch hinsichtlich der darin enthaltenen Benennung von einzelnen Territorien Be⸗ denken auftauchten, wurde die Vorlage über Antrag des Minister⸗Präfidenten an den Justizausschuß zurückgewiesen.

Großbritannien und Irland. London, 23. Februar. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Oberhauses erklärte der Premier Lord Salisbury zu der bulga⸗ rischen Angelegenheit unter Bezugnahme auf eine Aeußerung Lord Stratheden’s: der Berliner Kongreß habe für die bulgarische Fürstenwahl die einstimmige Zustimmung aller Mächte gefordert. Eine einstimmige Zu⸗ stimmung sei stets zu erreichen, wo keine Schwierigkeit vor⸗ handen sei; sie sei aber schwer zu erreichen, wenn keine Ein⸗ helligkeit bestehe. Bei der Erwägung der Vortheile einer Konferenz müsse man zwischen den verschiedenen Arten von Konferenzen unterscheiden. Eine Konferenz wie die jüngst in Washington stattgehabte könne zu einer Vereinbarung führen, und die Berufung einer solchen Konferenz dürfe im Allgemeinen mit Vertrauen unternommen werden. Eine Konferenz von Vertretern einer großen Anzahl von Mächten dagegen komme selten zu einem befriedigenden Resultat, wenn die Mächte nicht schon vorher über das zu bewerkstelligende Hauptresultat einig seien. Eine so solenne Maßregel, wie es eine Konferenz sei, erscheine, wenn sie nicht erfolgreich sei, eher geeignet, die Differenzen zu accentuiren und zu erhöhen und die Gefahr zu vergrößern, e sollte daher mit Zögern unternommen werden, wenn eine sichere Aussicht auf Erzielung einer Uebereinstimmung nicht vorhanden sei. Vom gegenwärtigen Standpunkt aus betrachtet, glaube er nicht, daß die bulgarische Differenz in sich selbst eine un⸗ mittelbare Gefahr involvire. Er hoffe, ein gewöhnlicher diplomatischer Meinungsaustausch werde etwaige Meinungsverschiedenheiten beseitigen, und unterschreibe von Herzen die von dem Fürsten Bismarck in seiner jüngsten großen Rede ausgedrückte Ansicht, daß es eine Schmach

und vierjähriger Wahlperioden, ange⸗

für Europa wäre, wenn dasselbe wegen einer so unbedeutenden Angelegfn 82 wie es die bulgarische sei, in Krieg gestürzt erden sollte.

8 Im Unterhause äußerte der Unter⸗Staatssekretär, Baron Worms: er hoffe, daß die Zuckerprämien⸗Kon⸗ erenz am 5. April d. J. in London wieder zusammen⸗ treten werde. Die günstige Aufnahme, welche seine Mit⸗ theilungen bei den ausländischen Regierungen gefunden hätten, ermuthige ihn zu der Hoffnung auf Er⸗ reichung eines befriedigenden Resultats. Das Unter⸗ haus lehnte sodann mit 261 gegen 186 Stimmen das Amendement Lefsvre ab, in welchem das Bedauern aus⸗ gesprochen wird, daß in der Thronrede Maßregeln, be⸗ treffend die rückständigen irischen Pachtzinsen, nicht erwähnt werden. Hierauf wurde die Adresse endgültig an⸗ genommen. .

(A. C.) Der zwischen Großbritannien und den VereinigtenStaaten geschlossene Fischerei⸗Vertrag ist in Washington veröffentlicht worden. Der Vertrag verfügt die Ernennung einer gemischten Kommission zur Absteckung der Gewässer von Canada und Neufundland, betreffs welcher die Vereinigten Staaten in Gemäßheit des Vertrages von 1818 darauf verzichteten, darin Fische zu fan⸗ gen, einzupökeln und zu dörren. Jede Nation soll zwei Kommissaͤre ernennen. Die Absteckung soll auf den britischen Admiralitätskarten verzeichnet werden. Die in der Konvention von 1818 erwähnten drei Seemeilen sollen seewärts von der Ebbehöhe gemessen werden, aber in jeder nicht besonders vorgeschriebenen Bucht oder Rhede sollen solche Meilen gemessen werden seewärts von einer über solche Gewässer gezogenen geraden Linie in dem Theile, welcher der Einfahrt an dem ersten Punkt, wo die Breite nicht 10 Meilen übersteigt, am nächsten gelegen ist. Eine weitere wichtige Bestimmung des Vertrages ist, daß alle Streitigkeiten zwischen den Kommissären einem von dem amerikanischen Staatssekretär zu ernennenden Schiedsrichter unterbreitet werden sollen.

Frankreich. Paris, 23. Februar. (W. T. B.) In einer von der Rechten heute Vormittag abgehaltenen Ver⸗ sammlung wurde von der h beschlossen, die Bewilli⸗ gung der geheimen Fonds abzulehnen; von den 70 Mitgliedern der Rechten, die an der Versammlung theilnahmen, beschlossen jedoch 26, sich der Abstimmung zu enthalten. Dem Vernehmen nach sollen auch mehrere b gewillt sein, sich der Abstimmung zu ent⸗

alten.

h Die Deputirtenkammer beschloß, die Frist zur Er⸗ hebung des provisorisch auf ausländischen Alkohol gelegten Zuschlagszolls bis zum 1. Juni d. J. zu ver⸗ längern. Nach rascher Erledigung mehrerer Artikel des Budgets für das Ministerium des Innern ge⸗ langte der Artikel 17 dieses Budgets zur Berathung, in welchem sich der Posten „Geheime Fonds“ befindet. Der Minister des Innern, Sarrien, und der Minister⸗ Präsident Tirard stellten zu diesem Posten die Ver⸗ trauensfrage. Der Berichterstatter der Budgetkommission, Pichon, erklärte, die Bewilligung geheimer Fonds sei unverträglich miteiner demokratischen Regierung, er bedauere, daß das Kabinet die Vertrauensfrage stelle, die Budgetkommission könne aber ihre innerste Ueberzeugung nicht zum Opfer bringen. Der Minister⸗Präsident Tirard betonte die Nothwendigkeit der geheimen Fonds und konstatirte, daß es Vorsichtsmaßnahmen gebe, die getroffen werden müßten, namentlich zu Spionagezwecken, auf welches Mittel der nationalen Vertheidigung man nicht verzichten dürfe. Die Kammer nahm darauf den Artikel 17 des Budgets mit 248 gegen 220 Stimmen, also mit einer Mehrheit von 28 Stimmen für die Regierung, an.

In dem Prozeß gegen Wilson und Genossen führte heute der Vertheidiger Wilson's, Lente, aus, daß kein Beweis dafür erbracht worden sei, daß Wilson jemals Geld erhalten habe. Die Bittsteller, welche sich an Wilson gewendet, hätten auf Wilson's Zeitungen subskribirt, weil sie gewußt hätten, wie sehr Wilson die Propaganda für die republikanische Sache sic angelegen sein lasse. Die ungerechte gerichtliche Ver⸗ folgung Wilson's sei angestrengt worden unter dem Druck der öffentlichen Meinung und aus Gründen der Politik. Der Vertheidiger wies schließlich, unter Beifallsbezeigungen des Publikums, auf den Schmerz und Kummer hin, der dem früheren Präsidenten Grévy durch das Vorgehen gegen Wilson bereitet worden sei. Die Verkündigung des Urtheils ist auf 8 Tage verschoben worden.

24. Februar. (W. T. B.) In einem Telegramm an den Kriegs⸗Minister erklärt der General Boulanger, daß er allen Schritten, welche auf seine Wahl für die Depu⸗ tirtenkammer abzielten, gänzlich fern stehe.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 23. Februar. (W. T. B.) Das Communiqué des „Regierungs⸗ Anzeigers“ sagt, die jüngsten ausländischen Privatdepeschen melden, daß der Kaiserliche Botschafter in Berlin der deutschen Regierung Vorschläge bezüglich Bulgariens gemacht habe. Um die gegenwärtige Sachlage richtig aufzufassen, ist es unerläßlich, die von der Kaiserlichen Regierung ursprünglich ausgesprochene Anschauung über die bulgarische Frage im Auge zu haben. Der Berliner Traktat dient als Grundlage der in Folge allgemeinen Einvernehmens der Mächte auf der Balkan⸗ halbinsel eingesetzten Dingeordnung. Dieser enthält die einzige internationale Garantie gegen Erschütterungen; welche für die Fünft junger Staaten auf der Balkanhalbinsel gefährlich ist.

on diesem Gesichtspunkt aus betrachtete eben die Kaiserliche Regierung auch die Ereignisse, welche sich in Bulgarien seit der Abdankung seines ersten Fürsten abwickelten. Die Ankunft des Prinzen Ferdinand von Coburg in Sofia und seine ge⸗ waltsame Aneignung der Fürstengewalt geschahen zuwider den Stipulationen des Traktats, weswegen die Kaiserliche Regie⸗ rung schon damals erklärte, daß sie nicht die Absicht habe, den Prinzen als gesetzlichen Regenten Bulgariens anzuerkennen, und daß sie gleichzeitig versucht habe, auch andere Kabinette zu bewegen, sich in demselben Sinne auszusprechen. Die Kaiser⸗ liche Regierung habe, gegenwärtig angesichts des allenthalben ausgesprochenen Wunsches, dem bestehenden alarmirenden Zustand ein Ende zu setzen ein Zustand, dessen Wurzel sich vornehmlich in der zweideutigen Lage Bulgariens berge es als ihre Pflicht erachtet, einen neuen Versuch 1 machen, um eine Erklärung der Mächte herbeizuführen über ie Unantastbarkeit der Traktatbestimmungen bezüglich Bul⸗ gariens und der Nothwendigkeit, dasselbe auf den Weg der Gesetzlichkeit hürückfufih Die naturgemäße Folge einer solchen Erklärung der Mäch te müßten Vorstellungen in Kon⸗

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stantinopel sein, um den Sultan zu bewegen, den Bulgaren zu eröffnen, daß die Person, welche gegenwärtig den Titel des Fürsten trage, nicht gesetzlicher Regent Bulgariens, son⸗ dern ein Räuber der Gewalt sei. Nach der Ansicht der Kaiserlichen Regierung gebühre die Initiative zu einer Eröffnung ohne Frage dem Sultan, dessen Rechte als Suzerän durch die ungesetzliche Lage der Dinge in Sofia unmittelbar berührt würden. Ohne der Zukunft vorzugreifen und zur Beseitigung von Zweifeln jeder Natur über die Zwecke und Absichten der Kaiserlichen Regierung, findet dieselbe es durchaus nicht für nöthig, ihre Handlungsweise zu verbergen, welche sie in der bulgarischen Frage zu bethätigen fest entschlossen sei, falls die Gründe, welche die Fortsetzung der Krise provoziren, beseitigt seien. Bulgarien verdanke serte Existenz den Opfern und den Anstrengungen Rußlands, welches schon kraft dessen allein fortfahre, seine Theilnahme diesem Lande zuzuwenden und mit Trauer auf die von ihm zu erleidenden Prüfungen blicke. Die Kaiserliche Regierung bleibt Vorurtheilen, wie Parteilichkeiten fremd und kann es daher nicht mit ihrer Würde vereinbar erachten, sich in innere Streitigkeiten einzumischen; sie ist gleichzeitig auch weit von dem Gedanken entfernt, irgend Jemanden für die Vergangenheit verantwortlich zu machen. Schon aufrichtiges Bekennen der Verirrungen werde in den Augen der Regierung als Unterpfand für eine Wendung zum Besseren gelten. Rußland wünsche ausschließlich nur das Wohl Bulgariens und werde nach Entfernung des Usurpators die erste aufrichtige Erklärung des bulgarischen Volks, ausgesprochen durch dessen Repräsentanten erwarten, um Vergangenes der Vergessenheit zu übergeben, um für Wiederherstellung der auf gegenseitiges Vertrauen begründeten Beziehungen Sorge zu tragen. Hierbei liege der Kaiserlichen Regierung auch jegliche Absicht fern, die Freiheit der Bulgaren irgendwie zu beeinträchtigen, eine Freiheit, welche ihnen durch den Traktat in Allem zugesichert war, was die inneren Einrichtungen des Landes und die Ver⸗ waltung desselben betrifft. Die Regierung kann nicht ver⸗ gessen, daß Bulgarien diese Freiheit vornehmlich Rußland verdankt, und daß nicht in der Unterdrückung, sondern in der Vertheidigung der Rechte des bulgarischen Volks ihre direkte Bestimmung liegt, wenn nur die Personen, welche zur Leitung der Geschicke dieses Volks berufen sind, auch ihrerseits verstehen, sich dieser Rechte vernünftig zu bedienen. Mögen die Bulgaren, durch Erfahrung belehrt, die Nothwendigkeit einsehen, persönlichen Bestrebungen und Berechnungen zu entsagen und ihre Anstrengungen vereinen, um ihre sesnach auf den Weg der Gesetzlichkeit und Wohl⸗ fahrt zu führen; in solchem hess wird jede fremde Einmischung zwecklos und überflüssig werden; die Einsetzung des einstigen Fürsten wird sich unbehindert unter den vom Traktat stipu⸗ lirten Bedingungen vollziehen. Obige Erwägungen haben die Kaiserliche Regierung von Anbeginn der bulgarischen Krise geleitet und veranlaßt, schon von Hause aus den Gedanken an die Eventualität einer Wiederherstellung der Gesetzlichkeit in Bul⸗ garien, mittels Gewaltmaßregeln abzulehnen. Bei alledem versteht es sich von selbst, daß bis zur Entfernung des Usur⸗ pators aus Bulgarien die Kaiserliche Regierung die gegen⸗ wärtige Sachlage in diesem Lande fortgesetzt als eine ungesetz⸗ liche betrachten wird, indem sie in der Ueberzeugung verharrt, daß in der Beseitigung dieses Zustandes das beste Mittel liegt, die allgemeine Ruhe sicherzustellen.

24. Februar. (W. T. B.) Das „Journalde St. Pétersbourg“ bemerkt zu der gestrigen Erklärung des „Regie⸗ rungs⸗Anzeigers“: das in demselben dargelegte Programm der Regierung beweise, daß Rußland von den versöhnlichsten und friedlichsten Gesinnungen beseelt sei. Nur durch moralische Autorität wünsche Rußland zur Wiederherstellung des Rechts zu gelangen. Die russische Regierung denke gewiß nicht daran, die Autonomie Bulgariens, die ja überhaupt erst durch Rußland geschaffen sei, irgendwie anzutasten. Die Mächte, welche auf⸗ richtig den Frieden wollten, könnten es nicht ablehnen, die auf Beruhigung der Gemüther abzielenden Bemühungen Rußlands loyal zu unterstützen. Das Journal erwähnt die in einigen fremden Zeitungen enthaltene Analyse einer angeblichen Cirkularnote, welche die russische Regierung an ihre Vertreter im Auslande gerichtet haben solle, und kann versichern, daß eine solche Note überhaupt nicht existire.

Italien. Rom, 23. Februar. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer hat heute ihre Arbeiten wieder auf⸗ genommen. Vom Finanz⸗Minister wurden mehrere auf finanzielle Maßnahmen bezügliche Vorlagen eingebracht.

Nach einer Meldung aus Massovah machten eine Escadron Kavallerie und ein Jäger⸗Bataillon heute eine Rekognoszirung nach Ailet, woselbst sie von den Be⸗ wohnern sympathisch empfangen wurden.

Genua, 24. Februar. (W. T. B.) Zu dem gestrigen Diner des Präfekten zu Ehren des Admirals Hewett waren sämmtliche Kommandanten der eng⸗ lischen Schiffe, ferner Senatoren, Deputirte und die Behörden geladen. Der Präfekt toastete auf die Königin Victoria, der Admiral Hewett auf den König und die Königin von Italien. Bei dem in Spezzia von dem Admiral Rowly an Bord des „Agincourt“ gegebenen Lunch nahmen der Herzog von Genua, vier italienische Admirale, die Behörden und mehrere Konsuln Theil. Die Abreise des englischen Geschwaders steht bevor.

Niederlande. Amsterdam, 20. Februar. (Köln. Ztg.) Der 71. Geburtstag des Königs, der sich wieder auf dem Wege der Besserung befindet, ist in allen größeren Städten in der herkömmlichen Weise gefeiert worden. Im Haag fand in der Nacht vom 18. auf den 19. Februar an dem Denkmal von 1813 eine 18 oranische Kund⸗ gebung statt. Der Minister des Aeußeren gab dem diploma⸗ tischen Corps ein Mahl, und die Beleuchtung einzelner Plätze ging auch trotz des ungünstigen Wetters im Ganzen glücklich von statten. Da der Geburtstag auf einen Sonntag fiel, so wurden diejenigen Schutter, welche zeligigse Bedenken vor⸗ schützten, von der Theilnahme an der Parade entbunden, mußten sich dafür aber am anderen Tage stellen. Eine der eingreifendsten Veränderungen der Verfassung be⸗ steht darin, daß die Erste Kammer nicht mehr ausschließlich aus den Höchstbesteuerten jeder Provin gewählt werden, sondern daß auch gewisse durch einez Königliche Ver⸗ ordnung näher zu bezeichnende höhere Aemter ihren Trägern das Recht der Wählborkeit in veesen Staatskörper ver⸗ leihen sollen. Dieser Königliche Beschluß ist nunmehr er⸗ senan und es werden in dieser Hinsicht namhaft gemacht: ie Präsidenten der beiden Kammern, der Vize⸗Präsident und die Mitglieder des Staatsraths, die Staatsräthe in außer⸗ ordentlichem Dienst, Präsident und Mitglied der Allgemeinen Rechenkammer, der Direktor des Königlichen Kabinets, die

Ministerial⸗Direktoren, außerordentliche Gesandte und bevoll⸗ mächtigte Minister, Minister⸗Residenten, Präsident, Vize Präsident und Mitglieder des hohen Raths, General⸗Prokurator und General⸗Advokat bei demselben höchsten Richterkollegium, die Präsidenten und General⸗Prokuratoren eines Gerichts hofs, der Fiskal-⸗Advokat für die See⸗ und Landmacht, die Gouverneure der Provinzen, die Universitäts⸗Kuratoren, die Präsidenten und Mitglieder der Königlichen Akademie der Wissenschaften, Admirale, Vize⸗ und Contre⸗Admirale,

Generäle der Infanterie, General⸗Lieutenants und General⸗ Majore, General⸗Gouverneur von Indien und dessen Stell vertreter, Vize⸗Präsident und Mitglied des Raths von Indien, Präsident der Allgemeinen Rechenkammer in Indien, Prä sident des hohen Gerichtshofs daselbst, der Gouverneur von Surinam und derjenige von Curaçao. Die Universitäts Professoren sind zwar ebenfalls wählbar, aber erst nach zehn jähriger Wirksamkeit.

Türkei. Konstantinopel, 24. Februar. (W. T. B.) Der Ministerrath beschäftigte sich gestern mit der bul garischen Frage.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 23. Februar. (W. T. B.) Der hiesige englische Gesandte Corbett ist heute Nachmittag gestorben.

Amerika. New⸗York, 23. Februar. (W. T. B.) Die Nationalkommission der Demokraten beschloß, die Konvention zur Ernennung eines demokratischen Prä⸗ sidentschafts⸗Kandidaten am 5. Juni in St. Louis abzuhalten.

Zeitungsstimmen.

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Der Londoner „Standard“ drückt im Krankheit Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kron prinzen seine Bewunderung für den allen Stürmen gewach senen festen Bau der verrcen Reichseinheit aus und schreibt:

Alles, was geschehen kann, ist geschehen und wird geschehen. Aber wie gering erscheint es, wenn es sich um Leben und Tod handelt. Und dennoch in ihrer tiefen Sorge wissen die Landsleute des Kron⸗ prinzen, daß das feste Gefüge und die Macht des Deutschen Reichs, so werthvoll das Leben Sr. Kaiserlichen Hoheit auch sein mag, auf sichererem Grunde ruht, als auf einem Menschenleben, etwas weniger Prekärem als der glücklichsten Geschicklichkeit des Chirurgen. Zum Glück haben sie ihre nationale Einheit und nationale Größe nicht durch den krampfhaften Ausbruch der Volksbegeisterung erreicht, welche ein Anfall von Kleinmuth oder irregeleiteten Eifers vernichten könnte. Obgleich ihre eigene Tapfer⸗ keit ohne Zweifel der bedeutendste Faltor bei dem großen Werke war, so haben sie doch die Disziplin und die Stetigkeit des Zieles, ohne welche Tapferkeit nur eine Verschwendung der Energie ist, durch eine Herrscherfamilie bekommen, bei welcher das Gefühl der Pflichten gegen den Staat tief und traditionell in der Natur wurzelt. Vom Hohenzollernhaufe kann man mit Recht sagen: Uno avulso non deficit alter. Manche Leute sind gewöhnt, den regierenden Kaiser als Incarnation des militärischen Geistes und den Kronprinzen vor allem als friedliebend zu betrachten, während sein Sohn wieder mehr den kriegerischen Neigungen seiner Vorfahren huldige. Aber That⸗ sache ist es, daß der Kaiser den Krieg aus tiefstem Herzen verabscheut, daß der Kronprinz nicht anstehen würde, das Schwert zur Vertheidi⸗ gung der Ehre und Interessen seines Vaterlandes zu ziehen, und Prinz Wilhelm erst kürzlich dagegen protestirte, daß er keinen Sinn für die Künste des Friedens habe und den Krieg um des Krieges willen liebe. Wir alle hoffen aufrichtig auf die baldige Genesung des Kronprinzen. Mag aber kommen, was da will, das Deutsche Reich wird eines weisen und patriotischen Souveräns nicht entbehren. Der tapfere Sinn, welchen das deutsche Volk jetzt zeigen muß, ist deshalb eher ein persönlicher als ein politischer. Bei der Krankheit des Kronprinzen haben alle Deutschen die Empfindung, daß dieselben persönlich Jeden berührt. Ihre bange Besorgniß wird nicht eher schwinden, bis die Nachrichten von San Remo bestimmter und we⸗ niger zweideutig lauten.

Die „Norddeutsche schreibt:

In der Geschichte unserer neueren deutschen Entwickelung wird der 23. Februar d. J. von bleibender Bedeutung sein. An diesem Tage erklärte zum ersten Mal im Deutschen Reichstage ein elsässischer Abgeordneter fest und offen, für die Interessen seines Heimathlandes vom deutsch⸗nationalen Boden aus eintreten und im Sinne seiner Wähler, nach seinem Gewissen und seiner Ueberzeugung, die Brücke der Verständigung und Annäherung zwischen Elsaß⸗Lothringen und Altdeutschland bauen helfen zu wollen. Der Reichstag hat diese Erklärun⸗ gen mit lautem Beifall, der Vertreter der verbündeten Regierungen sie mit unverhehlter Anerkennung und Sympathie begrüßt, ein gleiches Echo werden sie im gesammten Deutschland wecken. Der Vorgang ist vielleicht um so bedeutsamer, als der betreffende Abgeordnete Dr. Petri Ver⸗ treter der Landeshauptstadt, der alten Reichsstadt Straßburg, im Reichstage ist, welche bisher dorthin seit Jahren den Führer der elsässischen Protestbewegung, den verstorbenen Abg. Kablé, entsandt hatte. Dr. Petri kandidirte zum ersten Male am 21. Februar v. J. gegen Kablé, die Wahl fiel durch eine Reihe mitwirkender Umstände zu Gunsten des Letzteren aus, nicht zum wenigsten in Folge des hohen persönlichen Ansehens, welches der nun Ver⸗ storbene in weiten Kreisen seiner Mitbürger genoß. Daß Hr. Dr. Petri mit den Anschauungen und Gesinnun⸗ gen, welche er gestern im Reichstage bekundete und die seinen Landsleuten durchaus bekannt waren, die Erbschaft seines Vorgängers in der Vertretung Straßburgs im Reichstage antreten konnte, darf vielleicht als ein um so erfreulicheres Symptom und insbesondere als ein unwiderleglicher Beweis dafür gelten, daß die mühevolle fünfzehnjährige deutsche Arbeit in Elsaß⸗Lothringen keine verlorene gewesen ist. Von der ausgestreuten Saat ist manches Korn auf guten Boden gefallen, und wir pflichten Hrn. Dr. Petri vollkom⸗ men bei, wie wir es im vorigen Jahre nach den Reichstagswahlen gethan haben, daß in Altdeutschland die Gesinnung der Bevölkerung des Reichslandes nicht nach den, unter für das Land völlig ab⸗ normen Verhältnissen vollzogenen Reichstagswahlen vom 21. Februar 1887 beurtheilt werden darf.

Der Abg. Petri gehört außer dem Reichstage auch sämmtlichen Vertretungskörpern seiner Heimath, dem Landesausschuß, dem Be⸗ zirkstage des Unter⸗Elsaß und dem Gemeinderath der Stadt Straß⸗ burg an. Es steht zu hoffen, daß das von ihm gegebene Beispiel sich fruchtbringend erweisen werde; in den meisten Fällen bedarf es ja dazu nur eines muthigen, bahnbrechenden Cc es. wie der genannte Abgeordnete ihn gestern bethätigt hat. Wir haben unserer⸗ seits ungeachtet der mannigfachen ungünstigen Eindrücke des letzten Jahres die Ueberzeugung, daß die deutsche Aussaat in Elsaß⸗Lothringen sehr bald zahlreiche Keime treiben werde, niemals aufgegeben, Keime, welche aber zu Halmen und zu Früchten zu gestalten der allmächtigen Hand der Zeit uͤberlassen bleiben muß.

Dr. Petri gehört der jüngeren Generation seiner Landsleute an, er ist erst zu Anfang der achtziger Jahre in die Oeffentlichkeit ge⸗ treten. Im Landesausschuß von Elsaß⸗Lothringen findet er eine Gruppe von Gesinnungsgenossen; vielleicht bewirkt seine That denn als eine solche betrachten wir seine Erklärungen —, daß die ihm gesinnungsverwandten Elemente sich nun auch enger und fester zu größerer Wirksamkeit aneinanderschließen.

Der Beifall des Reichstages, die warme Kundgebung der An⸗ erkennung Seitens des Vertreters der verbündeten Regierungen wird

Allgemeine Zeitung“