— Im Wallner⸗Theater gelangte am Sonnabend ein aus dem Französischen herübergenommener Schwank „Durand und Durand“ von A. Valabréque und M. Ordonneau zum ersten Male zur Aufführung und fand eine im Ganzen freundliche Aufnahme in Gestalt eines ziemlich kräftigen Lacherfolges. Alle lustigen Scenen des dreiaktigen Stückes beruhen auf der Verwechslung zweier Vettern gleichen Namens, von denen der eine Gewürzkrämer, der andere ein berühmter Advokat ist. Der ziemlich einfältige Gewürzkrämer, welcher sich seiner jungen Frau und seinem Schwiegervater gegenüber für den Advokaten ausgegeben hat, geräth bei seinen Bemühungen, seine Rolle, die er in der Verlegenheit eines unglücklichen Augenblicks übernommen hat, weiter zu spielen, in die läächerlichsten Situationen, welche zum Theil erheiternd anmuthen, zum Theil aber in geschmacklose Derbheiten ausarten. Wenn man über die Grundlage der Handlung, welche viele Unwahrscheinlichkeiten birgt, hinwegsieht, so sind die daraus hergeleiteten Verwickelungen glaubhafter und voll wirksamen Humors. Der Advokat, welcher ver⸗ lobt ist, und wiederum seiner adligen Schwiegermutter nicht vornehm genug ist, wird natürlich in den Wirbeltanz der Standes⸗ vertauschungen hineingezogen, bis der letzte Akt alle Wirren zu allge⸗ meiner Zufriedenheit löst. Die auftretenden Personen sind mehr oder weniger gelungene Karikaturen, deren Schwächen keinen Unwillen, sondern nur herzhafte Heiterkeit erregen. Die Darstellung, bei welcher die männlichen Mitglieder im Vordergrund stehen, war vortrefflich. Hr. Guthery gab den mit seinem berühmten Schwiegersohn sich brüstenden, bewundernden Schwiegerpapa vom Lande, bei welchem die kleinbürgerliche Beschränktheit aus jeder Bewegung hervorguckt, mit vielem Humor. Aus dem schwachköpfigen Gewürz⸗ krämer, welcher nicht den Muth zu einem reumüthigen Bekenntniß besitzt, formte Hr. Blencke eine Gestalt, welche stets mehr komisch als bemitleidenswerth blieb. In einer kleinen Episodenrolle, als stotternder Professor der Beredsamkeit, welcher zum Singen greifen muß, um sich fließend verständlich zu machen, erregte Hr. Meißner stürmische Heiterkeit. Die Partie des Advokaten Durand führte Hr. Alexander gewandt durch. Die Damenrollen wurden von Frl. Leuchtmann (Louise), Bender (Paquerette) und Fr. Schmidt (Madame de la Haute⸗Tourelle) zu voller Wirkung gebracht. — An der, den Schluß des Abends bildenden einaktigen Posse „Ver⸗ mischtes“ von R. Jonas ergötzte mehr das Spiel, als der altmodische, tolle Inhalt. Ein eifersüchtiger Ehemann, welcher hinter jedem Fremden einen Rivalen wittert, und harm⸗ lose Leute zwingt, sich unter Tischen und in allen Zimmern zu verstecken, wurde von Hrn. Alexander mit komischem Zorn dargestellt; die Hrrn. Meißner und Guthery führten die Versteckrollen aufs Beste durch. Frl. Schüle spielte die Dienerin und Vertraute der jungen Frau (Frl. Leuchtmann) mit gesunder Komik, so daß auch dieser kleinen Posse der Beifall nicht fehlte.
Schwerin, 2. März. Gestern Abend erfolgte im Hoftheater die trefflich gelungene und sehr beifällig aufgenommene Aufführung des Wagner'schen Musikdramas „Götterdämmerung“. Diese großartige Schöpfung des „Meisters“ darstellen zu können, ist der Schweriner Hofbühne vor Allem durch die Umsicht ihres Chefs, des Großherzoglichen Hoftheater⸗Intendanten Kammerherrn ö von Ledebur, und die unermüdliche Mitwirkung des ereits 30 Jahre an der Spitze der hiesigen Hofkapelle stehenden Hof⸗Kapellmeisters Alois Schmitt, die sich in die Ehren des Abends theilten, möglich geworden.
— Die Gesangskünstlerin Frl. Anna Voges, unter Leitung des Professor Ad. Schultze ausgebildet, gab am Freitag im Saale des Hotel de Rome ihr erstes eigenes Concert. Mit einer nicht sehr umfangreichen, jedoch in der tieferen Tonlage recht wohlklingenden Mezzo⸗Sopranstimme begabt, verbindet die Sängerin zuͤgleich eine gewisse Routine im Vortrage und eine sehr deutliche Aussprache. Ein Uebermaß des Tremolirens, infolgedessen z. B. in der Arie der
““ u “ Andromache aus Max Bruch's „Achilleus“ die Worte: „wie lieblich blühen die Felder“ so schmerzvoll klingen wie die Worte: „Verzweif⸗ lung“ und „Fackel des Krieges“, ist leider eine so oft vorkommende Erscheinung, daß es fast unmodern geworden ist, so etwas zu mißbilligen; das durch den schwankenden Tonansatz entstehende Detoniren, wie es am meisten in dem Liede von Stange: „Ueber den Wolken, über den Wind“ gehört wurde, darf jedoch nicht ungerügt bleiben. Recht gut ge⸗ langen der Künstlerin die beiden Balladen von Löwe „Die Uhr“ und „Heinrich der Vogler“, die mit sehr lebhaftem Beifall aufgenommen wurden. Hr. Felix Meyer unterstützte das Concert durch die sehr gelungene Ausfübrung einiger Violinsoli von Ernst und David; auch der junge Pianist Hans Brüning erntete durch den Vortrag einiger Klavierstücke reichen Beifall, den das zahlreich erschienene Publikum allen Leistungen des Abends zu Theil werden ließ.
— Am Sonnabend veranstaltete der junge Pianist Theodor Bohl⸗ mann, unter Leitung des Prof. Klindworth ausgebildet, im Saale der Sing⸗Akademie mit dem Philharmonischen Orchester sein erstes öffentliches Concert. Ein Blick auf das Programm, das außer zwei Klavierconcerten von Rubinstein und Liszt noch die große F-moll- Sonate von Beethoven und Klavierstücke von Chopin, Brahms und Lißt enthielt, ließ eine bedeutende künstlerische Leistung erwarten. Wir bestätigen es gern, daß diese Erwartung nicht unerfüllt geblieben ist. Der Concertgeber ist ein geborner Virtuos. Sein Auftreten macht den Eindruck der Sicherheit; er gebietet über eine ungewöhnlich vor⸗ geschrittene technische Fertigkeit; sein Anschlag, im Forte edel und ohne Härte, ist im Piano von größter Zartheit. Hierzu kommt eine sehr lebendige, oft sogar leidenschaftlich erregte Art des Vortrags, die besonders in dem Rubinstein'schen und dem Liszt'schen Concert sehr hervortrat. Beethoven's Sonate (appassionata) gelangte dagegen nicht so klar zur Ausführung wie wir sie sonst an dieser Stelle zu hören ge⸗ wöhnt sind. Ob der Spieler überhaupt auch auf klassischem Gebiet so heimisch ist wie auf dem der modernen Vir⸗ tuosität, ist wohl erst nach ferneren Leistungen zu beurtheilen. Das Nocturne von Chopin trug er mit tief eingehender und feinsinniger Schattirungsweise vor. Ein Gleiches gilt von der zweiten Rhapsodie von Brahms und der höchst schwierigen Ballade (H- moll) von Liszt. Nach stürmischem Beifall und Hervorruf fügte der unermüdliche Künstler noch die große As-dur⸗Polonaise von Chopin am Schluß des Concerts hinzu. — Das Philharmonische Orchester führte die sehr komplizirte Begleitung beider Concerte nach — wie wir hören — nur einmaliger Probe mit musterhafter Präzision und Decenz aus. 1
— In einem Concert, welches Fr. Olga Sillem morgen (Dienstag, 8 Uhr) in der Sing⸗Akademie veranstaltet, wird der mitwirkende Cello⸗Virtuose Hr. Johannes Smith aus Dresden die Sere⸗ nade und Tarantelle aus dem Concert von Lindner, eine Sarabande von Bach, ein Rondo von Boccherini und Popper's „Spinnerlied“ zum Vortrag bringen.
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Mannigfaltiges.
Der Commers alter Corpsstudenten, der am Sonnabend in der Philharmonie abgehalten wurde, gestaltete sich zu einer dem Ernst der Zeit entsprechenden patriotischen Feier. Der Saal war auf's Reichste geschmückt: auf der Bühne stand inmitten exotischer Pflanzen die Büste des Kaisers. Dahinter erhob sich ein mächtiger Schild mit dem Reichsadler und den Fahnen aller deutschen Lande An den Brüstungen der Galerien sah man die Namen der deutschen Unirersitätsstädte, umgeben von den Fahnen der dort befindlichen Corps. Von den Logen herab wehten die Banner der Berliner Corps. Die Betheiligung war auch diesmal eine lebhafte, wenn auch nicht ganz so groß wie sonst. Das Präsidium lag in den bewährten Händen des Staatsanwalts Lademann (Berliner „Märker“), der nach dem ersten Allgemeinen „Wo zur frohen Feierstunde“ den Kaisertoast ausbrachte.
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Redner legte feierliches Zeugniß ab von der aufrichtigen Anhänglichkeit und Hingabe der deutschen Corpsstudenten an das Kaiserhaus und vereinigte die allerseits tief empfundenen Herzenswünsche in den einen: „Möge Gottes Gnade sich groß erweisen an unserem verehrten ritter⸗ lichen Kronprinzen, der sein schweres Leiden in geduldiger Ergebung und mit dem unerschütterlichen Muthe eines echten Hohenzollern trägt. Aber wie allerwegen, so auch hier, wo die innigsten Familienbande und des Vaterlandes Wohl getroffen werden, leuchte Allen voran das Vorbild des erlauchten Vaters, Sr. Majestät unseres erhabenen Kaisers: Möchte der Kelch des Leidens an Ihm vorübergehen, möchte es Ihm vergönnt sein, den Blick wieder ungetrübt in die Zukunft zu richten!“ In tief bewegter Stimmung folgten die Anwesenden der Aufforderung zu einem Salamander auf Se. Majestät den Kaiser und sangen alsdann entblößten Hauptes die Nationalhymne. — Unter den ein⸗ gegangenen Telegrammen rief namentlich das der alten, gleichfalls zum Kneipabend vereinigten deutschen Corps⸗Studenten in St. Petersburg Beifall hervor. Beim Semesterreiben brachte der Vertreter des ältesten 115. Semesters, Geheim⸗Rath Peters⸗Strelitz, seinem Studien⸗ genossen, dem Reichskanzler Fürsten von Bismarck, einen urkräftigen Salamander dar. In üblicher Weise schloß der „Landesvater“ den offiziellen Theil, dem eine lange Fidelitas und gestern ein Frühschoppen im Kaiser⸗Wilhelmszelt folgte.
Der 8. Deutsche Geographentag wird in den Tagen vom 4. bis 6. April hierselbst und zwar im großen Saale des Architekten⸗ hauses abgehalten werden. Mit dem Kongreß verbunden wird eine Ausstellung, die das weite Gebiet der Höhenmessung umfassen soll. Für den 7. April ist eine Exkursion nach Rüdersdorf geplant. Am Donnerstag, den 5. April, findet im Hotel Arnim ein Festmahl statt. Bekanntlich wurde auch der erste Deutsche Geographentag im Jahre 1881 in Berlin abgehalten.
Die Begrüßungsfeier zu Ehren des Hrn. Dr. Peters wird am Mittwoch, den 7. März, Abends 8 ½ Uhr, im großen Saale des Architektenhauses, Berlin, Wilhelmstraße 92/93, stattfinden.
(D. Kol.⸗Ztg) Der Reisende Selous ist im Januar auf dem Diamantenfelde in Kimberley eingetroffen. Die Nachrichten der südafrikanischen Zeitungen, daß Lobengulu, der König des Matebele⸗ Reichs, Begleitmannschaften, welche er ihm auf seiner Reise nach dem Norden mitgegeben hatte, habe ermorden lassen, erklärt Selous in bestimmtester Weise für unwahr; der Goldreichthum des Maschona⸗ landes indessen wird auch von ihm bestätigt. Am Mazoe und seinen Nebenflüssen befinden sich nach seiner Meinung die reichsten Alluvial⸗ goldfelder der Welt.
London, 3. März. Wie das „Reuter'sche Bureau“ aus Tamatave, vom 25. v. M., meldet, legte am 22. Februar ein heftiger Orkan einen großen Theil der Stadt in Trümmer. Elf Schiffe an der Küste, darunter der deutsche Schuner „Irene“, gingen verloren; zwanzig Personen sollen das Leben eingebüßt haben.
Bern, 3. März. (W. T. B.) Aus vielen Gebirgsgegenden laufen fortdauernd Berichte über große Verschüttungen durch Lawinen ein. Im Kalkanthal (Canton Graubündten) ist ein 80 Einwohner zählendes Dörfchen Selma vollständig verschüttet worden, sodaß nur der Kirchthurm aus dem Schnee hervorragt. Ebenso sind im Visperthal (Canton Wallis) bei dem Dorf Randa 40 Gebäude unter dem Schnee begraben. Aus beiden Orten hat die Bevölkerung noch rechtzeitig flüchten können. Die Zugänge zu mehreren kleineren Thälern sind gesperrt.
Basel, 3. März. (W. T. B.) Nach hier eingegangenen Nach⸗ richten ist das Dorf Trasquara an der italienisch⸗walliser Grenze durch eine Lawine voöllig zerstört.
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au und
testimmungen unter nachstehenden Bedingungen
Wetterbericht vom 4. März 1888, 8 Uhr Morgens.
4 °9.
Bar. auf 0 Gr.
1. d. Meeressp. red. in Millim.
Temperatur in °Celsius
1“
50 C.
—
Mullaghmore 76 Aberdeen 758 N. Christiansund 748 NNO Stockholm. 752 SSW Kopenhagen. Haparanda. —S NO
NW 3 4 1
3 halb bed. Schnee — 3 2 Nebel — 8 still wolkenlos — 20 2 wolkenlos — 30 1 Schnee — 14 1 bedeckt — 14
2 ꝓ —2£ο
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St. Petersbg. Moskau... Cork, Queens⸗ 11)J1211. Brest Helder Ja Hamburg .. Swinemünde Neufahrwasser Memel “ Münster Karlsruhe .. Wiesbaden. München Chemnitz Berlin . .. WI Breslau . . .
Jle d Nix..
22ö2— + 0”n S“ C
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2 wolkig
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3 wolkig
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4 bedeckt¹)
3 wolkig
4 heiter
2 halb bed.
1 wolkig
4 bedeckt
3 heiter
2 halb bed.
5 bedeckt
5 wolkig
757 WNW L beiter
759 NW 2 wolkenlos WNW 4 bedeckt ONO Zßsheiter
a“ ONO I hbeiter
W65 ONO A4 bedeckt
1¹) Gest. Nachm starke Schneeböen. Uebersicht der Witterung.
Gefolgt von Nord⸗ und Nordweststürmen ist das Minimum, welches gestern bei Memel lag, nordost⸗ wärts nach Rußland fortgeschritten, während ein Theilminimum über Jütland erschienen ist, welches Wind und Wetter des Nordseegebiets, sowie des nordwestlichen Deutschlands beeinflußt. Das baro⸗ metrische Maximum liegt westlich von Irland. Ueber Deutschland ist das Wetter bei mäßiger, vorwiegend südwestlicher und westlicher Luftströmung veränder⸗ lich und wieder ungewöhnlich kalt, so daß die Tempe⸗ ratur 2 bis 13 Grad unter der normalen liegt. Die Zugrichtung der oberen Wolken ist über
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6 9
ꝓg 8G 8
888 S 8
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Deutschland sehr unregelmäßig. Bamberg hatte gestern Gewitter und Schneesturm. Deutsche Seewarte
—
Wetterbericht vom 5. März 1888, Uhr Morgens.
0 —
V
u. d. Meeressp.
red. in Millim.
K.
9 8
Wind. Wetter.
Stationen.
Temperatur in ° Celsius
—5b C. = 40
762 760 753 75² 753
Mullaghmore Aberdeen .. Christiansund Kopenhagen. Stockholm Haparanda. St. Petersbg. Moskau. Cock Queens⸗ . V
town
Helber. ... NNW
.J“ WNW I heiter NW 1 halb bed.
Hamburg.. — Swinemünde N 6 bedeckt S 3 bedecki)
Neufahrwasser b SO 3 fehlt
Memel 2 Münster... 755 WNW A heiter Karlsruhe .. 59 SW 3 bedeckt Wiesbaden W 2 Schnee?2) München NW 6 heiter Chemnitz .. WNW 4 wolkig e““ WNW 5 halb bed.³)
S 1 bedeckt
SW
ONO
2
2 bedeckt 2 wolkenlos bedeckt 1 wolkig 2 wolkig
—2 —2 — 5
1
Wien. Breslau ... 4 bedeckk 3 wolkenlos
“
1) Hafen feste Eisdecke. ²) Schneehöhe 11 cm ³) Schneehöhe 7 cm. Uebersicht der Witterung.
Ein tiefes Minimum, von Nordwesten kommend. liegt über Pommern und veranlaßt auf seiner West⸗ seite ziemlich lebhafte westliche und nordwestliche Luftströmung; das Wetter ist über Deutschland ver⸗ änderlich und fast allenthalben wärmer, stellenweise finden Schneefälle statt. Die Temperatur liegt noch erheblich unter der normalen. Schneehöhe in Ham⸗ burg 3, Wilhelmshaven, Berlin und Altkirch 7, Karlsruhe 11, Königsberg 35 cm.
Deutsche Seewarte.
Aönigliche Schauspiele. Dienstag: Opern⸗ haus. 60. Vorstellung. Die Zauberflöte. Oper in 2 Akten von Mozart. Dichtung von Schikaneder. Anfang 7 Uhr.
Schauspielhaus. 65. Vorstellung. Die Weis⸗ heit Salomo’'s. Schauspiel in 5 Akten von Paul Heyse. In Seene gesetzt vom Direktor Anno. Anfang 7 Uhr.
Mittwoch: Der
Opernhaus. 61. Vorstellung.
Waffenschmied. Komische Oper in A. Lortzing. Anfang 7 Uhr.
Schauspielhaus. 66. Vorstellung. Tante Therese. Schauspiel in 4 Akten von Paul Lindau. Fngeene gesetzt vom Direktor Anno. Anfang 7 Uhr.
3 Akten von
Zeutsches Theater. Die be⸗
rühmte Frau. 1 Mittwoch: Herzog Ernst.
Dienstag:
Donnerstag: Die berühmte Frau. Die nächste Aufführung von Faust findet am Freitag, den 9. März, statt.
Wallner-Theater. Dienstag: Zum 4. M.:
Durand und Durand. Schwank in 3 Akten von A. Valabrégue und M. Ordonneau. Hierauf: Vermischtes. Posse mit Gesang in 1 Akt von R. Jonas.
Mittwoch: Durand und Durand. — mischtes.
Victoria-Theater. Nur noch 13 Vorstellungen. Halbe Preise! Dienstag: Zum 601. Male: Die Reise um die Welt in 80 Tagen, nebst einem Vorspiel: Die Wette um eine Million. Großes Ausstattungsstück mit Ballet von A. d'Ennery und Jules Verne.
Mittwoch und folgende Tage: Die Reise um die Welt in 80 Tagen.
Walhalla-Theater. Dienstag: 5. Gesammt⸗ Gastspiel der Münchener Mitglieder des Königl. Theaters am Gärtnerplatz, unter Leitung des bayer. Hofschauspielers Hrn. Max Hofpauer. Zum 5. M.: Der Herrgottschnitzer von Ammergau. Volks⸗ stück mit Gesang und Tanz von Dr. L. Ganghofer und H. Neuert. 1
Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.
Friedrich-Wilhelmstädtisches Theater.
Dienstag: Mit neuer Ausstattung. Zum 26. M.: Die Dreizehn. Operette in 3 Akten mit freier Benutzung eines französischen Sujets von F. Zell. Anfang 7 Uhr. 1
Mittwoch u. folgende Tage: Die Dreizehn.
Sonnabend, 10. März. Zum 1. Male: Die
Hochzeit des Reservisten. b
Residenz-Theater. Dienstag: Zum 74. Male: Francillon. Schauspiel in 3 Akten von A. Dumas (Sohn). Deutsch von Paul Lindau.
Mittwoch: Francillon.
Belle-Alliance-Theater. Dienstag: Gastspiel der Fr. Marie Geistinger mit den Mitgliedern des Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theaters. Neu ein⸗ studirt: Drei Paar Schuhe. Lebensbild mit Gesang in 3 Akten und einem Vorspiel von Carl Görlitz, bearbeitet von Alois Berla. (Leni: Fr. Marie Geistinger, als Gast.)
Mittwoch und folgende Drei Paar Schuhe.
Central-Theater. Dienstag: Mit ganz neuen Dekorationen, Kostümen und Requisiten. Zum 11. Male: Die Himmelsleiter. Gesangsposse in 4 Akten von W. Mannstädt. Anfang 7 ½ Uhr.
Mittwoch: Dieselbe Vorstellung.
Tage:
Concert-Haus. Dienstag: Gesellschafts⸗ Concert des Kapellmeisters Herrn Karl Meyder, 75 Künstler (10 Solisten). Streich⸗Orchester 50 Künstler. 1 “
Circus Renz. Dienstag: Große Vorstellung. Dieselbe eröffnet: Ein großartiges Caroussel, geritten von Damen und Herren mit 30 Pferden. — „Vierfache Fahrschule.“ — Concert u. Bal hippique von 8 arab. Schimmelhengsten, dressirt und vor⸗ geführt von Hrn. Franz Renz. — „Demetrius“, Apportirpferd, vorgef. von Hrn. Otto Hager. — Auftreten der 5 Phänomene der Luft. — Auftreten der Geschwister Cottrelly. — Harlekin à la Edison, oder: „Die elektrische Dame.“ Komische Ballet⸗Pantomime. — Auftreten der vorzüglichsten Reitkünstlerinnen und Reitkünstler.
Mittwoch: Vorstellung. E. Renz, Direktor.
Familien⸗Nachrichten.
Verlobt: Frl. Maria Claren mit Hrn. Hermann Morkramer (Bonn). — Frl. Luise Schaeffer mit Hrn. Gerichts⸗Referendar Fritz Riedel (Hirsch⸗ berg i. Schl.) — Frl. Minna Schütte⸗Felsche mit Hrn. Pastor Dr. Heinrich Wiese (Leipzig- Triebusch). 1
Verehelicht: Hr. Paul Colsmann mit Frl Elisabeth Berthels (Langenberg). — He. Stal⸗
meister und Kammerherr Otto Frhr. v. Rodde
mit Frl. Philippine v. Schewe (Schwerin i M.) Geboren: Ein Sohn: Hrn. Victor Gierlinge (Dülken). — Hrn. Emil Lerique (Königsberg Hrn. Tuchfabrikant Martin Classen (Aachen,
— Hrn. Baron Bodo v. Alten (Berlin). — Hm. Lieutenant Hans v. Wurmb (Hannover). — Hm. Ferd. Droß (Berlin). — Hrn. Rechtsanwal
Timendorfer (Berlin). — Hrn. Gerichts⸗Assessor
Herm. Krüger (Swinemünde). — Eine Tochter: Hrn. Ernst Zangenberg (Chemnitz). — Adolf Wigand (Linse bei Bodenwerder a. Wes — Hrn. Apotheker Gg. Riedel (Renchen ir Baden). — Hrn. Prof. Emil Krause (Frei⸗ berg i. S.). 8
Gestorben: Hr. Major z. D. Karl v. Dirings⸗ hofen (Nervi). — Fr. Oberprediger Emilie Alberti geb. Weymann, (Eberswalde). — Hrn. Gustar Thomas Sohn Bruno (Berlin). — Frl. Auguste Bork (Berlin). — Hrn. R. Borchmann Tochte⸗ Alice (Runau bei Schönlanke). — Hr. Kanzlei⸗ Rath a. D. Theodor Bauch (Gr. Strehlitz). — Fr. Hauptmann Maria Flemming, geb. Bevper (Hirschberg i. Schl.). — Hrn. Dr. phil. Alber⸗ Borenschen Tochter Valesca (Kassel). — Hr. Gym nasial⸗Professor Dr. Ernst Richter (Königsberg — Fr. Auguste Cadura, geb. Kinne (Magdeburg
☛
8
“ Redacteur: Riedel. Berlin:
— Verlag der Expedition (Scholz)
Druck der Norddeutschen Buchdruckerei und Verlagh Anstalt, Berlin SW., Wilhelmstraße Nr. 32.
Sechs Beilagen (einschließlich Börsen⸗Beilage)
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zeiger und Königlich Preußischen
Berlin, Montag, den 5. März
Staat
Königreich Preußen.
Konzessions⸗Urkunde
r die Werra⸗Eisenbahn⸗Gesellschaft, betreffend den
Betrieb der auf das preußische Staatsgebiet
tfallenden Strecke einer Eisenbahn von Immelborn nach Liebenstein.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen ꝛc.
Nachdem von der Werra⸗Eisenbahn⸗Gesellschaft darauf getragen worden ist, ihr die Konzession zum Bau und Betrieb ner für den Betrieb mittelst Dampfkraft und für die Beförderung n Personen und Gütern im öffentlichen Verkehr bestimmten Eisen⸗ ahn untergeordneter Bedeutung von Immelborn nach Liebenstein r das preußische Staatsgebiet zu ertheilen, wollen Wir in Gemäß⸗ eit des zwischen Preußen und Sachsen⸗Meiningen wegen Anlage der enannten Eisenbahn abgeschlossenen Staatsvertrages vom 28. No⸗ ember d. J. diese Konzession, sowie das Recht zur Entziehung und ßeschränkung des Grundeigenthums nach Maßgabe der gesetzlichen
Feerburs⸗ ertheilen. I.
Die Eisenbahn⸗Gesellschaft ist in Beziehung auf den im preußischen taatsgebiet belegenen Theil der Zweighahn den bestehenden und den nftig ergehenden Reichs⸗ und preußischen Landesgesetzen und Ver⸗ rdnungen, insbesondere den Bestimmungen des preußischen Gesetzes ber die Eisenbahn⸗Unternehmungen vom 3. November 1838 und m Gesetze vom 16. März 1867 über die Besteuerung von Eisen⸗ ahnen, sowie dem Eingangs bezeichneten Staatsvertrage unterworfen, essen Bestimmungen dieselbe Gültigkeit für die Gesellschaft haben llen, als wenn sie ausdrücklich in diese Konzession aufgenommen bären.
II.
Für den Bau innerhalb des preußischen Staatsgebiets gelten sbesondere folgende Bestimmungen:
1) der Staatsregierung bleibt vorbehalten: B
die Feststellung der Bahnlinie in ihrer vollständigen Durch⸗ führung durch alle Zwischenpunkte,
die Bestimmung der Zahl und der Lage der Stationen und Haltestellen,
die Feststellung der Projekte aller für den Betrieb der Bahn bestimmten baulichen Anlagen und Einrichtungen.
Für alle durch die Ausführung der genehmigten Projekte etwa edingten Benachtheiligungen des Eigenthums oder sonstiger Rechte es Staats bleibt demselben der Anspruch auf vollständige Ent⸗ chädigung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen gegen die Fisenbahn⸗Gesellschaft vorbehalten.
2) Die Eisenbahn⸗Gesellschaft hat allen Anordnungen, welche egen polizeilicher Beaufsichtigung der beim Bahnbau beschäftigten Arbeiter getroffen werden mögen, nachzukommen.
3) Falls die in Artikel II des Staatsvertrages festgesetzte Bau⸗ rist nicht innegehalten wird, kann die ertheilte Konzession durch aandesherrlichen Erlaß zurückgenommen und die im §. 21 des Gesetzes hom 3. November 1838 vorbehaltene Versteigerung der vorhandenen ahnanlagen eingeleitet werden. Sofern die Regierung von dem Vor⸗ ehalt der Versteigerung der Bahnanlagen Gebrauch zu machen be⸗ bsichtigt, soll jedoch die Zurücknahme der Konzession nicht vor Ab⸗ auf der in dem allegirten §. 21 festgesetzten Schlußfrist erfolgen.
III.
Nach Eröffnung des Betriebes ist die Eisenbahn⸗Gesellschaft zur Aenderung und Erweiterung der Bahnhofsanlagen verpflichtet, sofern und soweit solches der Minister der öffentlichen Arbeiten im Interesse hes Eisenbahnverkehrs, insbesondere im Interesse der Sicherheit des
etriebes für erforderlich L IV.
Für die Erfüllung der in §. 24 des preußischen Eisenbahngesetzes hom 3. November 1838 festgesetzten Verpflichtung ist die Eisenbahn⸗ Gesellschaft mit ihrem gesammten Vermögen verhaftet, zur Bildung ines besonderen Erneuerungs⸗ resp. Reservefonds für die Strecke Immelborn-—Liebenstein jedoch nicht verpflichtet (efr. Artikel VII des hben erwähnten Staatsvertrages).
Sollte die Eisenbahn⸗Gesellschaft die in Preußen belegene Bahn⸗ recke ganz oder theilweise anderweit veräußern oder verpachten oder onst den Betrieb darauf Anderen abtreten wollen, so ist zu jeder ieser Maßnahmen die Zustimmung der preußischen Staatsregierung othwendig.
VI.
Die Staatsregierung behält sich das Recht vor, das Eigenthum
der in Preußen belegenen Bahnstrecke nebst allem beweglichen und un⸗
beweglichen Zubehör nach Ablauf von 30 Jahren vom Tage der Be⸗ riebseröffnung an gerechnet oder auch später nach einer in beiden Fällen mindestens ein Jahr vorher zu bewirkenden Ankündigung äuflich zu erwerben Als Kaufpreis für das schulden⸗ und astenfrei zu übertragende Eigenthum der bezeichneten Bahn⸗ recke zahlt die Staatsregierung das auf diese Strecke ver⸗ wandte, in §. 6 des preußischen Gesetzes vom 16. März 1867 (Gesetz⸗Samml. S. 465) näher definirte Anlagekapital abzüg⸗ ich der durch drei Sachverständige — von denen einen die preußische Regierung, den zweiten die Eisenbahn⸗Gesellschaft bezeichnet, während er dritte als Obmann von den beiden anderen gemeinschaftlich ge⸗ wählt und, wenn diese sich nicht einigen können, von dem Reichs⸗ isenbal amt bestellt wird, — zu bestimmenden etwaigen Werth⸗ erminderung der Bahn und des Zubehörs. Zu dem vorbezeichneten Zubehör gehört insbesondere ein der Länge der in Preußen belegenen gtrecke entsprechender Theil des für die Zweigbahn beschafften Be⸗ riebsmaterials, sowie das zur Bahnverwaltung und zur Transport⸗ erwaltung dieser Strecke gehörige Inventarium. FII.
Die Aushändigung einer Ausfertigung dieser Konzessionsurkunde an die Eisenbahn⸗Gesellschaft und die Veröffentlichung derselben in Gemäßheit des Gesetzes vom 10. April 1872 erfolgt erst nach Er⸗ heilung der Herzoglich sachsen⸗meiningenschen Konzession für die auf
meiningenschem Gebiet belegene Strecke der Bahn.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und eigedrucktem Königlichen Insiegel. Gegeben Berlin, den 19. Dezember 1887.
(L. S.) Wilhelm. — von Puttkamer. Maybach. Lucius. Friedberg. von Boetticher. von Goßler. von Scholz. Bronsart von Schellendorff.
Nichtamtliches.
Preußen. Berlin, 5. März. Im weiteren Ver⸗ auf der vorgestrigen (52.) Sitzung des Reichs⸗ ages folgte die Fortsetzung der zweiten Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Rechtsverhältnisse der deutschen Schutzgebiete.
Die Berathung hatte bei dem Antrag Rintelen abgebrochen
werden müssen, nach welchem die Bestimmungen der Kongo⸗
Akte über die freie Ausübung aller Kulte auch in dem deut⸗ schen Schutzgebiet gelten sollten. Der Abg. Windthorst hatte beantragt: in Erwägung, daß nach den Erklärungen der Kom⸗ missarien der verbündeten Regierungen die Geltung dieser Bestimmungen selbstverständlich sei, über den Antrag Rintelen zur Tagesordnung überzugehen, und gleichzeitig die nament⸗ liche Abstimmung über diese motivirte Tagesordnung beantragt. Bei derselben hatte sich die Beschlußunfähigkeit des Hauses herausgestellt.
Abg. Dr. Windthorst zieht heute mit Rücksicht auf die Ge⸗ schäftslage des Hauses seinen Antrag auf namentliche Abstim⸗ mung zurück.
Der Antrag Windthorst auf motivirte Tagesordnung, und der Antrag Rintelen werden gegen die Stimmen des Centrums, B ê- Deutschfreisinnigen und der Sozialdemokraten ab⸗ gelehnt.
Plr. III ermächtigt den Reichskanzler zur Veröffentlichung eines neuen Textes des Gesetzes, wie er sich nach den ange⸗ nommenen Veränderungen ergiebt. Der Antrag wird mit einem Amendement Hammacher, das Gesetz mit dem Tage seiner Verkündigung in Kraft treten zu lassen, angenommen, nachdem der Kommissar, Geheime Legations⸗Rath Gutbrod er⸗ klärt hat, daß von Seiten der verbündeten Regierungen Be⸗ denken gegen den letztgenannten Vorschlag nicht obwalten.
Es folgt die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend Abänderungen und Ergänzungen der Gewerbeordnung — Antrag Lieber⸗Hitze wegen der Sonn⸗ tagsruhe. Die Kommission hat den Antrag mehrfach ge⸗ ändert. §. 105, wonach die Festsetzung der Verhältnisse zwischen den Arbeitgebern und Arbeitern Gegenstand freier Ueberein⸗ kunft ist, soll unverändert bleiben.
Neu hinzugefügt werden sollen sechs neue Paragraphen 105 a bis 105f.
§. 105a lautet nach dem Kommissionsbeschluß:
„Zum Arbeiten an Sonn⸗ und Feiertagen können die Gewerbe⸗ treibenden die Arbeiter nicht verpflichten. — Welche Tage als Festtage gelten, bestimmen unter Berücksichtigung der örtlichen und konfesstonellen Verhältnisse die Landesregierungen.“
Referent Abg. Hegel hebt hervor, daß die Beschlüsse der Kommission einstimmig gefaßt seien unter Verzicht auf eine Reihe verschiedenartiger Wünsche und in der Hoffnung, daß nunmehr auch die verbündeten Regierungen, nachdem ihnen in dem Gesetz soweit gehende diskretionäre Befugnisse einge⸗ räumt seien, sich mit demselben einverstanden erklären würden.
Abg. Hitze: Die einstimmige Annahme der Kommissions⸗ beschlüsse enthebe ihn der Nothwendigkeit einer weiteren Be⸗ gründung unseres Antrages. Hoffentlich werde diese Ein⸗ müthigkeit sich auch auf den Bundesrath erstrecken und das Gesetz von den Arbeitern dankbar aufgenommen werden.
Abg. Nobbe: Die Reichspartei werde für den Antrag, wie er aus der Kommission hervorgegangen sei, stimmen, in der Erwartung, daß die verbündeten Regierungen denselben wohl⸗ wollend prüfen und dem Hause in der nächsten Session nach dem⸗ selben Prinzip ihrerseits einen Gesetzentwurf vorlegen würden. Der Sonntag habe für ihn eine vorwiegend ethische Bedeutung in Bezug auf das Familienleben und die gesammte soziale Stellung unseres Arbeiterstandes. Ziehe man dem Arbeiter den Sonntag ab, so behalte man einen mit der Kulturent⸗ wickelung unzufriedenen Menschen. In Einzelheiten könne man ja verschiedener Meinung sein, aber im Großen und Ganzen hätten die Antragsteller das hohe Verdienst, diese Frage angeregt zu haben. Die §§. 105 und 105 a werden einstimmig angenommen.
Nach §. 105 b dürfen Arbeiter in Bergwerken, Salinen, Aufbereitungsanstalten, Brüchen und Gruben, Hüttenwerken, Fabriken und Werkstätten, Werften und Bauten aller Art an Sonntagen nicht beschäftigt werden. Gehülfen und Lehrlinge im Handelsgewerbe dürfen Sonntags nicht länger als fünf Stunden beschäftigt werden. Zu welcher Zeit, setzt die Orts⸗ Polizeibehörde fest, die auch für die Dauer von vier Wochen Ausnahmen gestatten kann.
Nach §. 105 c finden die Vorschriften des §. 105 b keine Anwendung auf Arbeiten zur Reinigung und Instandhaltung, von denen der Fortgang des eigenen oder eines fremden Be⸗ triebes abhängig ist — den Arbeitern muß dann aber der zweite Sonntag mindestens frei bleiben — sowie auf Arbeiten zur Beseitigung eines Nothstandes. (Letztere Bestimmung ist von der Kommission hinzugefügt.)
Abg. Kalle will auch die Gast⸗ und Schankwirthschafts⸗ sowie Verkehrsgewerbe von den Bestimmungen des §. 105 b ausgenommen wissen; Abg. Singer will diese Einschränkung nur insoweit zulassen, als sie den Personenverkehr umfaßt.
Abg. Struckmann hat den Antrag eingebracht, daß auch der Gewerbebetrieb auf Messen, Jahrmrkten und sonstigen Vergnügungen eine Ausnahme bilden soll, zieht jedoch seinen Antrag für die zweite Lesung zurück.
Abg. von Kleist⸗Retzow erklärt sich für den Antrag Kalle und gegen den Antrag Struckmann. Der Antrag Singer sei nicht gut durchführbar, und man könne es dem feinfühligen Eisenbahn⸗Minister überlassen, für seine Eisenbahnarbeiter die nöthigen Erleichterungen am Sonntag zu schaffen. Wahrhaft erhebend sei es, wie in den letzten Jahren in der deutschen Nation das christliche Bewußtsein immer mehr erwacht und nach der Heldenthat der Kaiserlichen Botschaft die Sonntags⸗ feier als Korrelat der Sozialreform erkannt sei. Nehme der Reichstag den Kommissionsbeschluß einstimmig an, so könnten die Regierungen unmöglich nein sagen. Dann werde der Fei nicht mehr fern sein, wo das ganze Volk den Sonntag heilige.
Abg. Baumbach: Auch er vünsche, daß die verbündeten Regierungen zu der Sonntagsfrage Stellung nehmen möchten. Den Antrag Singer halte er für undurchführbar, derselbe stehe auch im Widerspruch mit einem früheren von Singer unterstützten Antrage Grillenberger bezüglich der Sonntags⸗ arbeit. Einen großen Erfolg könne er sich von dem Antrage bei den vielen Ausnahmebestimmungen nicht a r hoffe aber, daß die verbündeten Regierungen selbst die Sache⸗ in die Hand nehmen und womöglich in der nächsten Session einen Gesetzentwurf vorlegen, dabei aber auch ein Arbeiter⸗ schutzgesetz nicht vergessen würden. .“
Abg. Singer: Die Sozialdemokraten hätten keine Bedenken gegen den Antrag Struckmann; ebenso würden sie für den Antrag Kalle eintreten. Den Personenverkehr wollten sie freilassen, weil sie den Arbeitern, namentlich der großen Industriestädte, nicht die Möglichkeit rauben wollten, auf
billige Weise in das Freie zu kommen und in guter Luft Er⸗
holung zu finden. Ganz anders liege die Sache bei dem Güterverkehr. Für den Großhandel sei derselbe heutzutage kein Bedürfniß. Er weise auf England und Amerika hin, wo Handel und Industrie umfangreicher als in Deutschland seien und doch die Sonntagsruhe streng durchgeführt sei. Die Re⸗ gelung der Frage des Gesammtverkehrs dem Arbeits⸗Minister zu überlassen, gehe nicht an. Es würde dadurch eine Ungleich⸗ heit der Bestimmungen in den einzelnen Theilen des Reichs herbeigeführt werden.
Abg. Hitze: Der Antrag Singer erreichte den Zweck, den Güterverkehr am Sonntag zu verbieten, nicht; denn die Ge⸗ werbe, denen die Sonntagsarbeit verboten sei, seien in §. 105 b ausdrücklich aufgeführt; andererseits gehe der Antrag über den Rahmen des Gesetzes hinaus. Solche materielle Aenderung hätte in der Kommission vorgebracht werden müssen; darüber hier in zweiter Berathung zu entscheiden, sei nicht möglich.
Der §. 105 b wird hierauf angenommen, ebenso nach Ablehnung des Antrags Singer der §. 105 c mit dem Amende⸗ ment Kalle.
.105 d giebt dem Bundesrath die Befugniß, Ausnahmen zu gestatten für Betriebe, die eine Unterbrechung der Arbeit nicht gestatten, die auf bestimmte Jahreszeiten beschränkt sind oder in gewissen Jahreszeiten durch unabwendbare Verhältnisse zu einer außergewöhnlich verstarkten Thätigkeit genöthigt sind. Aber auch hier muß den Arbeitern der zweite Sonntag frei bleiben. Die vom Bundesrath erlassenen Bestimmungen müssen dem Reichstag in seiner nächsten Session vorgelegt werden.
Abg. Kalle weist darauf hin, daß bei Feststellung des Grundsatzes, daß jeder zweite Sonntag unter allen Umständen“ den Arbeitern frei bleiben müsse, manche Betriebe auf das Schwerste geschädigt würden. Er beantrage die thunlichste Freilassung jedes zweiten Sonntags für diese Fälle festzusetzen. Die Arbeiter im Molkereibetrieb, die Konditoren, die Friseure, Barbiere, Photographen müßten einen Theil des Sonntags arbeiten dürfen.
Abg. Grillenberger erklärt, daß, wenn diese Aenderung des Abg. Kalle angenommen würde, die Sozialdemokraten nicht nur gegen diesen Paragraphen, sondern gegen das ganze Gesetz stimmen würden.
Abg. Hitze ist seinerseits außer Stande, einem Antrage von so weittragender Bedeutung, der in zweiter Lesung neu eingebracht werde, seine Zustimmung zu geben.
Abg. Schmidt (Elberfeld) ist ebenfalls mit der Einschaltung des Abg. Kalle nicht einverstanden.
Der §. 105 d. wird mit dem Amendement Kalle ange⸗ nommen.
Die §§. 105e und 105 f, wonach gleiche Ausnahmen Seitens der höheren Verwaltungsbehörde erlassen werden können für Betriebe, die der Befriedigung täglicher Bedürf⸗ nisse dienen oder von Wind und unregelmäßiger Wasserkraft abhängig sind — und Seitens der Ortspolizei bei eintretender Gefahr und zur Verhütung unverhältnißmäßigen Schadens, werden ohne Diskussion angenommen.
Nach Artikel II werden die Strafvorschriften des §. 146 auf diese neuen Paragraphen ausgedehnt; nach Artikel III finden die §§. 105 — 133 auf Gehülfen und Lehrlinge in Apotheken und im Handelsgewerbe nur Anwendung, soweit sie sich ausdrücklich darauf beziehen; nach Artikel IV endlich soll der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes durch Kaiser⸗ liche Verordnung bestimmt werden.
Diesen Artikeln stimmt das Haus ohne Debatte zu.
Schließlich beantragt die Kommission folgende Resolution:
„Im Hinblick darauf, daß die auf dem Gebiet der Kultus⸗ gesetzgebung liegenden Vorschriften, soweit dieselben die äußere Heilighaltung der Sonn⸗ und Festtage betreffen, durch die in diesem Gesetzentwurf vorgesehenen Bestimmungen nicht außer Kraft gesetzt werden, daß aber in zahlreichen Fällen Zweifel darüber ent⸗ stehen können, in welchem Umfange die bestebenden Vorschriften über die Sonntagsarbeit aufgehoben werden, sowie im Hinblick darauf, daß jene Vorschriften nicht nur in den einzelnen Theilen des Reichs erheblich von einandar abweichen, sondern auch mit den Bestimmungen des Gesetzentwurfs theilweise in Widerspruch stehen, den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, bei den verbündeten Regie⸗ rungen eine Revision der in ihren Gebieten geltenden Vorschriften über die Sonntagsarbeit in Anregung zu bringen.“
Eine Debatte über die Resolution findet nicht statt; die Abstimmung wird erst in dritter Lesung erfolgen; ebenso wird bezüglich der zu diesem Gegenstand eingegangenen Petitionen verfahren werden.
Es folgt die zweite Berathung des von den Abgg. Ampach und Genossen beantragten Gesetzentwurfs, betreffend Abände⸗ rungen des Zolltarifgesetzes. (Aufhebung des Identitätsnachweises.)
Die Kommission hat mit 15 gegen 11 Stimmen eine Fassung des Antrags beschlossen, wonach bei der Ausfuhr von Weizen, Roggen, Hafer, Gerste, Buchweizen, Hülsenfrüchten, Raps und Rübsaat in Mengen von mindestens 500 kg auf Antrag der Betheiligten übertragbare Einfuhrvollmachten er⸗ theilt werden sollen, welche innerhalb neun Monaten zur zoll⸗ freien Einfuhr einer gleichen Menge derselben Waare ermäch⸗ tigen sollen. Dieselben Vollmachten sollen den Inhabern von Getreidemühlen, Preßhefe⸗, Malz⸗ und Cakesfabriken, sowie von Oelmühlen bei der Ausfuhr ihrer Fabrikate ertheilt werden; das Ausbeuteverhältniß hat in diesen Fällen der Bundesrath festzusetzen. Das Gesetz soll nach dem Beschluß der Kommission am 1. Oktober d. J. in Kraft treten.
Dagegen beantragt Abg. von Wedell⸗Malchow, bei der Ausfuhr der oben genannten Getreidearten auf Antrag der Betheiligten 90 Proz. des für die Einfuhr gleichartiger Waaren zu zahlenden Zolls baar zu vergütigen, während bei der Ein⸗ fuhr der vorgenannten Waaren der tarifmäßige Zoll baar zu entrichten sein soll.
Abg. von Kardorff beantragt in Uebereinstimmung mit von Mirbach für den Fall der Ablehnung der Kommissions⸗ beschlüsse: die durch das Zolltarifgesetz vom 24. Mai 1885 den