1888 / 77 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 20 Mar 1888 18:00:01 GMT) scan diff

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Der Bericht über die gestrige Sitzung des

Reichstages befindet sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (59.) Sitzung des Reichstages, welcher der Staatssekretär des Innern, Staats-Minister von Boetticher und der Staatssekretär des Reichs⸗Justizamts Dr. von Schelling beiwohnten, steht als erster Gegenstand auf der Tagesordnung die Berathung der an Se. Majestät den Kaiser zu erlassenden Adresse.

Der Präsident von Wedell⸗Piesdorf weist auf den gestern gefaßten Beschluß hin, die Allerhöchste Botschaft in einer Adresse an Se. Majestät den Kaiser zu beantworten und liest einen Entwurf derselben vor (dessen Wortlaut wir morgen bringen werden). 8

Das Haus begleitet die Verlesung mit Beifall. Zum Worte meldet sich Niemand und der Präsident stellt fest, daß die Adresse einstimmig angenommen sei, und er⸗ klärt, dieselbe unverzüglich Sr. Majestät dem Kaiser unterbreiten zu wollen; auch werde bei eventuellem Empfange bei den Allerhöchsten und Höchsten Herr⸗ schaften das Präsidium mündlich Sr. Majestät dem Kaiser, Ihrer Majestät der Kaiserin, Ihrer Maäjestät der Kaiserin⸗ Wittwe, Ihren Kaiserlichen Hoheiten dem Kronprinzen und der Frau Kronprinzessin die Gefühle der Anhänglichkeit und der Theilnahme des Reichstages auszudrücken die Ehre haben. (Schluß des Blattes.)

Der Bericht über die gestrige Sitzung des Herren⸗ hauses befindet sich in der Ersten Beilage.

Die heutige 5. Plenarsitzung des Herrenhauses wurde von dem Präsidenten, Herzog von Ratibor, um 12 Uhr 20 Minuten, in Anwesenheit des Vize⸗Präsidenten des Staats⸗ Ministeriums, Ministers des Innern von Puttkamer, und mehrerer Regierungskommissarien, eröffnet. 8

Nach Erledigung der geschäftlichen Mittheilungen erhält zunächst der Referent der Adreß⸗Kommission, Herr Dr. Miquel das Wort. Derselbe theilt mit, daß die Kom⸗ mission in ihrer gestern Abend stattgehabten Sitzung ein— stimmig den vorgelegten Adreßentwurf angenommen habe. Referent verliest hierauf die Adresse, welche folgendermaßen lautet:

Allerdurchlauchtigster Großmachtigster Kaiser und önig! Allergnädigster Kaiser, König und Herr!

Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät Allergnädigste Botschaft an die beiden Häuser des Landtages, mittelst welcher Ew. Majestät uns Allerhöchstihre Thronbesteigung und Aller⸗ höchstihren Willen, die Regierung des Landes unter Wah⸗ rung der Machtfülle der Krone und in gewissenhafter Beob⸗ achtung der verfassungsmäßigen und gesetzlicen Ordnungen zu führen, kund zu thun geruhten, haben wir in Ehrfurcht und mit aller⸗ unterthänigstem Danke vernommen. Mit Gw. Kaiserlichen und Königlichen Majestät, Allerhöchstderen Erlauchten Gemahlin und dem ganzen Königlichen Hause beweint das deutsche Volk den Heimgang Sr. Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm.

Vor Allem die Herzen der treuen Preußen sind von tiefer Trauer und Betrübniß erfüllt und erschüttert über den unermeßlichen Verlust, welchen Ew. Kaiserliche und Königliche Majestät, wie das Vaterland durch das Hinscheiden Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät Durchlauchtigsten, nunmehr in Gott ruhenden Königlichen Herrn Vaters erlitten.

Es schied von uns, nach Gottes Rathschluß ein großer, milder und gerechter Herrscher, ein ruhmgekrönter, lichter Held, der Einiger der deutschen Staaten und Stämme, der Schöpfer des Deutschen Reichs, welches, wieder aufgerichtet in unvergleichlicher Macht und Herrlichkeit, auf den unerschütterlichen Grundlagen der Eintracht der Fürsten und Völker Deutschlands und der einheitlichen Zusammen⸗ fassung der Gesammtkräfte der Nation die fortschreitende Wohlfahrt und Gesittung des deutschen Volkes verbürgt und den innern und äußern Frieden sichert.

Er war ein Vater des Vaterlandes, vor Allem der Vater der Mühseligen und Beladenen. Sein langes Leben, Wirken und Walten stand sichtbar unter Gottes Gnade. Die unbegrenzte Dankbarkeit und Liebe Seines Volkes werden alle Zeiten überdauern. Mit uns trauern die Völker der Erde und geben in erhebender Weise ihr Mit⸗ gefühl kund.

Ew. Kaiserliche und Königliche Majestät besteigen den Thron in ernster Zeit. Aber das Vaterland ist einig und stark. Die Grund⸗ lagen des Staates sind fest gefügt und wohlgeordnet. Unser Heer ist Dank der vorschauenden Weisheit Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät in Gott ruhenden Herrn Vaters ein starkes und sicheres Bollwerk. Unzerreißbar sind die Bande, welche das preußische Volk mit seinem erhabenen Herrscherhause verknüpfen, unbegrenzt ist die Anhänglichkeit desselven an seinen König und Herrn.

In immer gleicher Treue und gleichem Gehorsam folgen wir nunmehr vertrauensvoll der erfahrenen im Kriege und Frieden voll⸗ bewährten Allerhöchsten Führung und Leitung Ew. Majestät.

Mögen Ew. Kaiserliche und Königliche Majestät hierin Trost, Kraft und Stärke finden. Voll Zuversicht sehen wir der Zukunft entgegen.

Das preußische Volk wird zu allen Zeiten das Vertrauen seines Königs bewähren und in guten wie in bösen Tagen in unbegrenzter Liebe und Ergebenheit zu feiih Erlauchten Herrscherhause stehen.

Möge die Gnade des Allmächtigen Gottes Ew. Kaiserliche und Königliche Majestät schützen und behuüten! Möge Ew. Kaiserliche und Königliche Majestät theuere Gesundheit bald mit Seiner Hülfe wieder⸗ hergestellt sein und mögen Ew. Kaiserliche und Königliche Majestät lange in Weisheit und Kraft zum Segen des Vaterlandes des Hohen Königlichen Amts walten.

In tiefster Ehrfurcht ersterben

Ew. Kaiserlichen und Königlichen Majestät allerunterthänigstes, treugehorsamstes Herrenhaus.

Berlin, den 20. März 1888.

Das Haus nimmt ohne Debatte den Antrag der Kom⸗ mission auf Annahme der Adresse an.

Der Präsident erbittet und erhält hierauf für das Prä⸗ sidium die Erlaubniß, die Adresse Sr. Majestät dem Kaiser und König überreichen und bei dieser Gelegenheit zugleich den Empfindungen der Treue und Ergebenheit des Hauses Ausdruck geben zu dürfen, damit, zumal Se. Majestät durch Besuche und Geschäfte ohnehin stark in Anspruch genommen seien, eine zweimalige Audienz vermieden werde. 1

Die Adresse wird in dem Zimmer der Matrikel⸗Kommission

zur Unterschrift Seitens der Mitglieder des Hauses ausgelegt.

„Es folgt als zweiter Gegenstand der Tagesordnung der Bericht der 9. Kommission über die Entwürfe einer Kreis⸗ ordnung für die Provinz Schleswig⸗Holstein und

eines Gesetzes, betreffend die Einführung der Pro⸗ vinzialordnung vom 29. Juni 1875 in der Provinz Schleswig⸗Holstein.

Herr Dr. Miquel schlägt die en bloe-Annahme vor, und

nach einer kurzen Bemerkung des Grafen Brockdorff⸗Ahlefeldt beschließt das Haus demgemäß.

Sodann wird auf Antrag des Referenten, Herrn Dr. Dern⸗

8 burg, der Gesetzentwurf, betreffend den Rechtszustand

einiger

vom Fürstenthum Lippe⸗Detmold an Preußen

abgetretener Gebietstheile in den

Kreisen Herford, Bielefeld und Höxter, sowie die Abtretung einiger preußischer Gebietstheile an Lippe⸗Detmold, ohne Debatte genehmigt.

Graf von der Schulenburg⸗Angern referirt demnächst über den 39. Bericht der Staatsschulden⸗Kommission hinsichtlich der Verwaltung des Staatsschuldenwesens im

Rechnungsjahre vom 1. April 1886/87 und empfiehlt, die Vorlage durch Kenntnißnahme für erledigt zu erklären.

Das Haus beschließt demgemäß und erledigt in gleicher Weise auf Antrag des Referenten, Herrn Dr. Baumstark, auch die Nachrichten von der Verwaltung der preußischen Staatsbergwerke, Hütten und Salinen pro 1886/87. Schluß der Sitzung 1 ½ Uhr. Nächste Sitzung Mittwoch hr.

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Der Bericht über die gestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten befindet sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (39.) Plenarsitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Minister der öffentlichen Arbeiten, von Maybach, der Minister für Landwirthschaft, Domänen und Forsten, Dr. Lucius, der Justiz⸗Minister, Dr. von Friedberg, nebst zahlreichen Kommissarien beiwohnen, werden als vom Herrenhause eingegangen verkündet: der Gesetzentwurf, betr. die Vereinigung der Landgemeinden Geestemünde und Geesten⸗ dorf; der Gesetzentwurf, betr. Erweiterung der Stadtgemeinde und des Stadtkreises Harburg, und der Gesetzentwurf, betr. die Verfassung der Realgemeinden in der Provinz Hannover.

Auf der Tagesordnung steht als erster Gegenstand die Berathung des Antrages der Abgg. von Benda und Gen. auf Erlaß einer Adresse an Se. Majestät den Kaiser und König, deren Entwurf bereits in dem Bericht über die gestrige Sitzung mitgetheilt worden ist. 1

Zur Geschäftsordnung beantragt der Abg. Dr. Freiherr von Schorlemer⸗Alst, den Adreßentwurf, welcher seinem Wort⸗ laut nach im Senioren⸗Konvent von allen Parteien des Hauses einstimmig festgestellt worden sei, ohne Debatte durch Akklama⸗ tion anzunehmen, um dadurch den Gesinnungen, welche im Adreßentwurf ausgesprochen seien, einmüthige, begeisterte Zu⸗ stimmung zu geben.

Der Präsident von Köller stellt fest, daß dagegen kein Wider⸗ spruch erhoben wurde, und erklärt unter dem Beifall des Hauses die Adresse für einstimmig angenommen. Er werde dieselbe Sr. Majestät in der Weise überreichen, welche Sr. Majestät die am meisten genehme sein werde. Der Präsident erbittet und erhält ferner vom Hause die Ermächtigung, falls ein Empfang stattfinden sollte, im Namen des Hauses auch Majestät der Kaiserin und Königin die Gesinnung unwandelbarer Treue und ehrfurchtsvoller Er⸗ gebenheit, von denen das Haus erfüllt sei, aussprechen zu dürfen.

DParauf tritt das Haus in die dritte Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Feststellung des Staatshaushalts⸗Etats für das Jahr vom 1. April 1888/89. 1 8

In der Generaldiskussion erkennt der Abg. Dr. Windt⸗ horst an, daß die Finanzlage besser geworden sei, allerdings nur durch die Auflegung neuer Steuern. Die Veranlagung zu den Steuern sei zu scharf, und er würde eine Aufforderung in dieser Richtung an die Regierung richten, wenn nicht schon in dem Allerhöchsten Erlaß darauf hingewiesen worden wäre.

Abg. Rickert richtet die Frage an die Regierung, ob die von dem Finanze Minister in der ersten Etatsberathung in Aussicht gestellte Vorlage bezüglich der Wittwen⸗ und Antritts⸗ gelder der Volksschullehrer noch in dieser Session an das Haus gelangen werde? Allerdings scheine keiner der gegen⸗ wärtig am Ministertisch anwesenden Herren zu einer Antwort kompetent zu sein. Eine Reform der direkten Steuern sei nur möglich, wenn die Regierung sich mit der Volksvertretung über die Quotisirung der Einkommensteuer einige.

Präsident von Köller bemerkt, daß seines Wissens heute im Finanz⸗Ministerium die Vereidigung der Beamten stattfinde und daß deshalb kein Vertreter dieses Ministeriums an— wesend sei.

Damit schließt die Generaldiskussion und das Haus geht zur Spezialberathung über. (Schluß des Blattes.)

Die XIII. Kommission des Hauses der Ab⸗ geordneten zur Vorberathung des Gesetzentwurfs, be⸗ treffend die Regulirung der Stromverhältnisse in der Weichsel und Nogat, hat beantragt:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen:

1) dem Gesetzentwurf in der Fassung der Kommissionsbeschlüsse seine Zustimmung zu geben.

2) Die Petitionen II Nr. 388 und 397 durch die Beschluß⸗ fassung über den Gesetzentwurf für erledigt zu erachten.

In Bezug auf die Bestimmung des §. 3 des Reichs⸗

gesetzes vom 17. Juli 1881, betreffkend Zuwiderhand⸗

lungen gegen die österreichisch⸗ungarischen Zoll— gesetze, hat das Reichsgericht, II. Strafsenat, durch Urtheil vom 3. Januar d. J. ausgesprochen, daß zur Strafbarkeit dieser Defraudation (d. i. des Unternehmens, die österreichisch⸗ ungarischen Ein⸗ und Ausgangsabgaben zu hinterziehen) die Feststellung des Bewußtseins des Thäters von seiner Hinter⸗ ziehung (des Dolus) erforderlich ist. Die Bestimmung des §. 137 des Vereinszollgesetzes, wonach der Thäter nachzu⸗ weisen hat, daß eine Defraudation nicht beabsichtigt gewesen sei, findet auf die Entziehung österreichisch ungarischer Zölle keine Anwendung.

Ein Arbeiter hatte durch einen Betriebsunfall das Leben verloren. Von seinen noch lebenden beiden Eltern erhob der Vater mit der Behauptung, daß der Getödtete sein einziger Ernährer gewesen, Ansprüche auf die Ascendenten⸗ Rente gemäß §. 6 Ziffer 2b des Unfallversicherungsgesetzes. Nachdem er von der Berufsgenossenschaft sowie vom Schieds⸗ gericht abgewiesen worden, legte er Rekurs ein. Während des schwebenden Rekursverfahrens starb er selbst, und seine Ehefrau, die Mutter des getödteten Arbeiters, er⸗ klärte nunmehr, daß der Rekurs nur noch sie betreffe. Die Berufsgenossenschaft bemängelte unter Anderem die Legitimation der Ehefrau. Das Reichs⸗Versiche⸗ rungsamt hat darauf in seiner Entscheidung vom 23. Ja⸗ nuar d. J. (Nr. 498 der „Amtlichen Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“) Folgendes ausgeführt: Die Legitimation der Ehefrau zur Fortsetzung des von dem Ehemanne veranlaßten Verfahrens wird zu Unrecht von der Beklagten bestritten. Sie tritt in der That nicht sowohl als Erbin ihres Ehemannes, als welche sie sich nicht bezeichnet noch ausgewiesen hat, sondern als schon bei Lebzeiten des Rekursklägers neben diesem renten⸗ berechtigte Ascendentin des Getödteten auf. Das Unfall⸗ versicherungsgesetz vom 6 Juli 1884 betrachtet die

in §. 6 Ziffer 2 b statuirten Ansprüche, wie der Absatz 2 daselbst deutlich ergiebt, unter dem Gesichtspunkte, daß dieselben den Ascendenten gruppenweise nach der Gradesnähe der Verwandtschaft zu dem Verstorbenen zustehen. Es spricht von Ansprüchen der Eltern, Großeltern ꝛc., nicht von solchen des Vaters, der Mutter, des Großvaters, der Großmutter ꝛc. In Wirklichkeit wird auch mit ver⸗ schwindenden Ausnahmen die Eigenschaft des Verstorbenen als einzigen Ernährers stets entweder beiden Eltern, sofern diese noch leben, oder keinem von beiden gegenüber vorliegen. Denn falls dem einen Theil derselben aus eigenen oder anderweiten fremden Mitteln Einkünfte zum Lebensunterhalt zu Gebote stehen, neben welchen die Zuwendungen des Verstorbenen nicht in dem Maße als wesentlich in Be⸗ tracht gekommen sind, um ihn als einzigen Ernährer er⸗ scheinen zu lassen, so wird der rechtlichen und moralischen Pflicht des gemeinschaftlichen Lebens und der gegenseitigen Unterstützung der Ehegatten entsprechend regelmäßig auch der andere Theil seinen verhältnißmäßigen Antheil daran mit⸗ zugenießen in die Lage gesetzt sein. Im vorliegenden Fall konnte das Feststellungsorgan nach Maßgabe des ihm vor⸗ liegenden Materials bei Erlaß des ablehnenden Bescheides füglich nicht im Zweifel sein darüber, daß das Verlangen nach Rente, welches freilich von dem Ehemanne allein, ohne nähere Angabe für wen, indessen mit ausdrücklicher Bezugnahme auf das Unfallversicherungsgesetz, gestellt war, die Ansprüche der Eltern im Sinne des §. 6 Ziffer 2 b a. a. O. geltend zu machen bezweckte. Diese Absicht geht denn auch deutlich aus der Berufungsschrift des Klägers hervor, worin die Bedürftigkeit beider Ehegatten in gleicher Weise zur Begründung angeführt wird. Rechtlich liegt die Sache so, daß der Ehemann in vermutheter Vollmacht der Ehefrau zugleich für diese klagend aufgetreten ist, und letztere durch ihre Erklärung, der Streit betreffe nach des ersteren Tode nunmehr sie allein, ihre Genehmigung des Verfahrens ausdrücklich zu erkennen gegeben hat. In derselben Sache hat das Reichs⸗Versicherungsamt bei der materiellen Prüfung des erhobenen Anspruchs ausgesprochen, daß als Grundlage der Entscheidung in Fällen des §. 6 Ziffer 2 b a. a. O. ledig⸗ lich die zur Zeit des Unfalls obwaltenden Verhältnisse in Betracht kommen. (Vergleiche Entscheidung 396, „Amtliche Nachrichten des R.⸗V.⸗A.“ 1887 Seite 210.)

Die Vorschrift in Nr. 4 der die Einführung von Hundesteuern in den Stadtgemeinden gestattenden Aller⸗ höchsten Kabinets⸗Ordre vom 29. April 1829 (von Kamptz, Annalen, Band XIII S. 354,

daß Differenzen über die Unentbehrlichkeit eines Hundes zur Bewachung oder zum Gewerbe an Orten, wo eine be⸗ sondere Polizeibehörde außer dem Magistrat besteht, durch diese, anderenfalls aber durch die vorgesetzte Regierung auf die Reklamation des Eigenthümers ohne weiteren Rekurs zu entscheiden sind, ist nach einem Endurtheil des II. Senats des Ober⸗Ver⸗ waltungsgerichts vom 13. d. M. durch §. 18 des Zu⸗ ständigkeitsgesetzes vom 1. August 1883 beseitigt. Ueber jene Differenzen haben danach lediglich die Verwaltungsgerichte zu entscheiden.

Die Bevollmächtigten zum Bundesrath, Königlich bayerischer Staats⸗Minister Dr. Freiherr von Lutz, Groß⸗ herzoglich badischer Präsident des Staats⸗Ministeriums, Dr. Turban, und Bürgermeister der freien Hansestadt Bremen, Dr. Gildemeister, sind von Berlin wieder abgereist.

Die General⸗Lie utenants: von Rauch, Commandeur der 19. Division, von Wissmann, Commandeur der 25. (Großherzoglich Hessischen) Division, von Brandenstein, à la suite des XIII. (Königlich Württembergischen) Armee⸗Corps und Commandeur der 9. Division, von Fran ckenberg⸗Lütt⸗ witz, Commandeur der 20. Division, Graf von W aldersee, Kommandant von Hannover, von Zglinitzki, Inspecteur dern 1. Feld⸗Artillerie⸗Inspektion, von Körber, Inspecteur der 3. Feld⸗Artillerie⸗Inspektion, 6 Byrn, Kommandant von Dresden, von Tschirschky und Bögendorff, Comman⸗

deur der 24. Division (2. Königlich sächsischen), haben Berlin

wieder verlassen.

Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren: de la Bruyeêre in Kraupischken, Wilh. Heidenreich in Ragnit, Dr. Reichmann in Glogau, Dr. Schoenholz in Borgentreich, Dr. Staats in Herford, Dr. Zengerling in Driburg.

Das Schulgeschwader, bestehend aus S. M. Kreuzer⸗Fregatten „Stein“ (Flaggschiff), „Prinz Adal⸗ bert“, „Gneisenau“ und MNE Geschwader⸗Chef Contre⸗Admiral von Kall, ist am 19. März cr. in Madeira eingetroffen und beabsichtigt, am 21. März cr. wieder in See zu gehen.

Potsdam, 19. März. (W. T. B.) Dem hiesigen Magistrat ist folgendes Dankschreiben Sr. Majestät des Kaisers und Königs zugegangen:

Das ernste Mitgefühl, welches Sie in Ihrer Zuschrift vom 9. d. M. an dem Hinscheiden Sr. Majestät des in Gott ruhenden Kaisers und Königs zu erkennen gegeben, hat Mich tief gerührt. Ich danke Ihnen für diese anhängliche Gesinnung, welche sich bei der Bürgerschaft Potsdams, Meiner getreuen Vaterstadt, stets bewährt hat, von ganzem Herzen, freue Mich aber auch des hohen Vertrauens, welches Mir bei dem Antritt Meines jetzigen schweren und verant⸗ wortlichen Berufs von Ihnen entgegengebracht wird.

Charlottenburg, den 17. März 1888.

Friedrich J. R.

An den Magistrat und die Stadtverordneten zu Potsdam.

Stettin, 19. März. (W. T. B.) hiesigen Kaufmannschaft haben an Se. Majestät den Kaiser Friedrich anläßlich des Hinscheidens Sr. Majestät des Kaisers Wilhelm eine Adresse gerichtet, worin sie die tiefe Trauer der Kaufmannschaft kundgeben.

Breslau, 19. März. (W. T. B.) Der Provinzial⸗ Ausschuß beschloß in seiner heutigen Sitzung, bei dem nächsten Provinzial⸗Landtage die Bewilligung eines ent⸗ sprechenden Beitrages zu den Kosten für ein in Breslau zu errichtendes Reiterstandbild des Hochseligen Kaisers Wilhelm zu beantragen.

Hessen. Darmstadt, 19. März. (W. T. B.) Der

Großherzog, der Erbgroßherzog und die Prinzessin

Irene sind von Berlin hierher zurückgekehrt.

Die Vorsteher der

Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 19. März. (W. T. B.)

Folgender Erlaß Sr. Majestät des Kaisers ist heute

veröffentlicht worden:

„Wir Friedrich von Gottes Gnaden, Deutscher Kaiser, König von Preußen, thun kund und fügen hiermit zu wissen: Nachdem Unseres geliebten Herrn Vaters Majestät, weiland Kaiser Wilbhelm, nach Gottes Rathschluß aus dieser Zeitlichkeit geschieden, ist die Deutsche Kaiserwürde und damit in Gemäßheit der Reichs⸗ gesetze die Regierung der Reichslande auf Uns über⸗ gegangen. Wir haben dieselbe im Namen des Reichs über⸗ nommen. Entschlossen, die Rechte des Reichs über diese deutschen, nach langer Zwischenzeit wiederum mit dem Vaterlande vereinigten Gebiete zu wahren, sind Wir Uns der Aufgabe bewußt, in denselben deutschen Sinn und deutsche Sitte zu pflegen, Recht und Gerechtigkeit zu schirmen und die Wohlfahrt und das Gedeihen der Bewohner zu fördern. Bei Unserem Bestreben, dieser Aufgabe gerecht zu werden, zählen Wir auf das Vertrauen und die Ergebenheit der Bevölkerung, sowie auf die treue Pflichterfüllung aller Behörden und Beamten. Wir fordern und erwarten die gewissenhafte Beachtung der Gesetze, dagegen werden auch Wir Jedermanns Rechten Unsern Kaiserlichen Schutz gewähren. Durch unparteiische Rechtspflege und eine gesetzmäßige wohlwollende und umsichtige, aber mit fester Hand geführte Verwaltung wird die unverjährbare Verbindung Elsaß⸗Lothringens mit dem Deutschen Reiche wieder eine so innige werden, wie sie in den Zeiten Unserer Vorfahren gewesen ist, bevor diese deutschen Lande aus der uralten und ruhmvollen Verbindung mit ihren Stammesgenossen und Landsleuten losgerissen wurden Wir befehlen, diesen Erlaß durch das Gesetzblatt zu verkünden.“

Gegeben Charlottenburg, 15. März 1888.

Friedrich. Fürst von Hohenlohe.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 20. März. (W. T. B.)

N. 5 ℛh 5 ; H ;5. Die „Presse“ meldet: Vom Ministerium des Aeußern ist heute mit den Vertretern des österreichisch⸗ungarischen Lloyd ein Uebereinkommen wegen Erneuerung des Post⸗ und Schiffahrtsvertrages abgeschlossen worden. Darnach erhält der Lloyd für die von Oesterreich Ungarn subven⸗ tionirten Linien 1 300 000 Fl. und für die von Oesterreich besonders subventionirten Linien 872 680 Fl., also zusammen eine Subvention von 2 172 680 Fl.

Pest, 19. März. (W. T. B.) Im Oberhause wurde ein Dankschreiben des Fürsten Bismarck auf die Beileidsbezeugungen des Reichstages verlesen und zur Kenntniß genommen.

Großbritannien und Irland. London, 19. März. (W. T. B.) Das Oberhaus lehnte in seiner heutigen Sitzung mit 97 gegen 50 Stimmen den Antrag Lord Rosebery's auf Einsetzung eines Comités zur Berathung einer Reform des O berhauses ab. Im Lauf der Debatte erklärte Lord Salisbury: das von Lord Rosebery ent⸗ wickelte Projekt sei groß angelegt, aber nicht klar. Er würde eine Verstärkung des Oberhauses durch lebenslängliche Mit⸗ glieder gern sehen, aber es wäre gefährlich, bei der Zusammen⸗ setzung desselben das Prinzip der Erblichkeit abzuschaffen. Wenn Lord Rosebery eine Bill einbringen wolle, werde sie die Regierung einer Prüfung unterwerfen.

Im Unterhause befürwortete der Präsident des Comités der Lokalregierung, Ritchie, in längerer Rede die beiden Gesetzentwürfe, betreffend die Herstellung einer Lokalregierung in England und Wales, und beantragte die Bildung von Grafschafts⸗ und Distriktsräthen mit ausgedehnten Befugnissen für die Lokalverwaltung auf allen Gebieten. U. A. sollen denselben die lokalen Steuer⸗ Angelegenheiten, die Unterhaltung von Wegen und Chausseen, die Einrichtung von Industrieschulen, die Theilung der Grafschaften in Wahldistrikte für das Parlament obliegen; die Polizeiverwaltung soll einer Kommission übertragen werden, die von dem Grafschaftsrath und den Richtern der Grafschaft ernannt wird. Die Grafschaftsräthe sollen in direkter Abstimmung gewählt werden. Die zuerst gewählten Grafschafts⸗

räthe bleiben zum Theil drei Jahre in ihrer Stellung; alsdann tritt die Hälfte der Mitglieder zurück; die verbleibenden Mitglieder sowie die neu zu wählenden bleiben sechs Jahre im Amt. London wird als eigene Grafschaft mit einem Lord⸗Lieutenant, beson⸗ deren Magistratsbehörden und einem Grafschaftsrath konstituirt; die Polizei verbleibt unter dem Minister des Innern. Das Gesetz über die Lokalverwaltung wurde in erster Lesung an⸗ genommen; die zweite Lesung ist auf den 12. April angesetzt. Melbourne (Australien), 19. März. Am gestrigen Sonntage fanden in vielen Städten der australischen Kolonien Trauergottesdienste für den Kaiser Wilhelm statt.

Frankreich. Paris, 19. März. (W. T. B.) Im Senat brachte heute der Minister Fallières das von der Kammer beschlossene Budget ein. Der Präsident Leroyer widmete dem verstorbenen Senator Carnot, dem Vater des Präsidenten, einen warmen Nachruf und hob darauf zum Zeichen der Trauer die Sitzung auf. In der Deputirten⸗ kammer theilte heute der Präsident Floquet mit, Cassagnac habe eine Interpellation eingebracht über die Beweg⸗ gründe, welche die Maßregeln gegen General Bou⸗ langerveranlaßthätten. Der Conseils⸗Präsident Tirard erklärte, die Motive für die Maßregeln gegen Boulanger seien bereits in dem vom „Journal officiel“ veröffentlichten Bericht des Kriegs⸗Ministers General Logerot auseinander⸗ gesetzt. Die Regierung habe allerdings angesichts der Haltung Boulanger's seit den letzten Maßregeln beschlossen, neue Maßregeln gegen denselben zu ergreifen, welche sie voraussichtlich morgen mittheilen könne. Auf Antrag Tirard's wurde darauf die Berathung der Interpellation auf morgen vertagt und die Sitzung aufgehoben.

20. März. W. T. B.) Eine von zahlreichen Deputirten der äußersten Linken unterzeichnete Er⸗ klärung protestirt gegen die Wahlkundgebung für den General Boulanger und sagt:

„Wir haben uns zwei Aufgaben zur Wiederherstellung des Vaterlandes gestellt; wir wollen die Republik auf demo⸗ kratische Reformen stützen und sind entschlossen, ohne Wanken alle Gegenanstrengungen zu bekämpfen, welche die Geister entnerven und die Ansichten irreleiten. Die Wahl eines Generals, der sich weigert, seinen Degen niederzulegen, würde ein wirkliches Plebiszit darstellen. Ein Plebiszit aber würde die Abdi⸗ gtion eines freien Volkes bedeuten. Das Hineindrängen von höheren Offizieren in die Politik ist nicht nur eine Drohung für die Insti⸗

tutionen eines freien Landes, sondern es ist auch eine Schwächung unserer Rüstung, indem es unsere Kräfte dem Auslande gegen⸗ über getheilt erscheinen läßt. Es hat das immer eine Unter⸗ drückung unserer Rechte zur Folge gehabt und sich durch eine Nieder⸗ lage gestraft. Wir fordern alle guten Bürger dringend auf, die gefährliche Manifestation zurückzuweisen im Namen der Traditionen Frankreichs und des demokratischen Prinzips sowie im Interesse der Republik und des Vaterlandes.“

Italien. Rom, 19. März. (W. T. B.) Die De⸗ putirtenkammer begann heute die Spezialdebatte des Budgets des Aeußern. Der Deputirte Chiaves sprach das vollste Vertrauen zu dem Minister⸗Präsidenten Crispi aus, beklagte jedoch, daß die Geschäfte des Auswärtigen Amts bereits seit längerer Zeit zusammen mit dem Minister⸗ Präsidium und nicht von einem besonderen Minister wahr⸗ genommen würden. Crispi erwiderte, daß Niemand mehr als er das Gewicht seiner Stellung fühle; er würde sich, wenn es anginge, gewiß gern derselben entledigen und zwar nicht blos bezüglich der Verantwortlichkeit in Betreff des Auswärtigen Amts. Man befinde sich besser in der beschei⸗ denen Ausübung seines eigenen Berufs als in einem Ministerium; man habe dabei allerdings Augenblicke der Genugthuung, doch seien diese sehr selten. Es bedürfe großer Selbstverläugnung, um Minister zu bleiben. Er könne die Beweggründe nicht mittheilen, die ihn veranlaßten, die Verantwortlichkeit für die äußere Politik nicht aufzugeben, aber er würde befürchten, durch ein Aufgeben derselben die Interessen des Landes zu schädigen. Er bitte Chiaves und die Kammer um Ent⸗ schuldigung, wenn er seinen Worten über diese Angelegenheit nichts mehr hinzufügen könne; er wünsche jedoch, daß die Kammer baldigst in eine eingehende Verhandlung über die gesammte Politik des Kabinets eintrete, um deren vollständigen Willen zu kennen. Er werde, falls er des Ver— trauens der Vertreter des Landes entbehren sollte, nicht zögern, seinen Posten zu verlassen, um ihn Denjenigen zu überlassen, welche das Vertrauen und die Symvathie der Kammer besitzen.

Zeitungsstimmen.

Der tiefe Eindruck, den das Leichenbegängniß Kaiser Wilhelm's in Aller Herzen hervorgebracht hat, wird von der Presse treu wiedergegeben, und es mischen sich Betrachtungen über die Zukunft Deutschlands in die Klage um seinen heim⸗ gegangenen Herrn. Der „Hannoversche Courier“ schreibt:

In den Festräumen des Berliner Schlosses hängen die drei historischen Gemälde: die Krönung in Königsberg, die Kaiserhuldigung in Versailles, der Siegeseinzug in Berlin. Wie tiefergreifend für den Beschauer, der von diesen Fenstern aus gestern auf den weiten Platz herniedersah, auf welchem die sterbliche Hülle des Kaisers am Schloß seiner Ahnen vorüberzog. Und hinter seinem Sarge schritt nicht der Sohn und Nachfolger, den uns diese Bilder so kraftvoll und majestätisch an des Vaters Seite zeigen, sondern innerlich aufs Tiefste ergriffen und erschüttert der Enkel als der Vertreter und Re⸗ präsentant Kaiserlicher Majestät. Hinter ihm schritt trauernd Europa in der Gesammtheit seiner Fürstenhäuser und Regierungen. Aber dieses Europa wird sich überzeugt haben, daß der Heimgang des großen Begründers des Deutschen Reichs wohl sein Volk in tiefste, schmerzlichste Trauer versetzen konnte, eine Trauer, die noch vermehrt ist durch die Krankheit Kaiser Friedrich's, daß aber die Grundlagen, welche Kaiser Wilhelm mit treuer und sorgender Hand gelegt, dadurch nicht berührt, sondern nur neu gefestigt worden sind. Weit über sein Leben und sein Sterben hinaus hält das Wirken des großen Kaisers sein Reich zusammen, und die Nation, welche sich seiner nicht mehr freuen darf, wird um so treuer zu seinem Ver⸗ mächtniß, zu dem Werke seines Lebens stehen. Was dem deutschen Volk inmitten seiner aufsteigenden Bewegung vielleicht gefehlt hat, war das Läuterungsfeuer ernster Prüfung. Wir glaubten einem solchen in der Gluth neuer heißer Schlachten entgegengehen zu sollen, die Vorsehung hat es anders beschlossen; mitten in der Sorge um den Kronprinzen erlischt die Lebensflamme des Kaisers. Möge unser Volk diese Flammenschrift verstehen und sich namentlich davor hüten, die innere Zwietracht, den Hader der Parteien nun um so lebhafter zu entfesseln; das geweihte Haupt, das über Deutschland geleuchtet und in welchem uns die Sicherheit gegeben war, daß innerer Hader das Reich nicht zerstören werde, ist zur Ruhe gebettet, und je schwieriger die Regierungs⸗ verhältnisse sich gestalten, um so nothwendiger ist die Eintracht der Parteien, die mehr denn je zur patriotischen Pflicht wird. In diesem Zeichen werden wir über die schwere Prüfung siegen, welche Kaiser Wilhelm's Heimgang uns auferlegt, aber auch nur in diesem!

Die „Weser-Zeitung“ vergleicht die Vergangenheit mit der Gegenwart und führt aus:

Die Theilnahme der Deutschen auf dem ganzen Erdenrund zeigt uns ebenfalls eine große Umwandlung. Früher war, ein Deutscher zu sein, nichts, womit man im Auslande stolz auftreten konnte. Oft rechtlos wegen des Mangels an bewaffnetem Schutze und stets ver⸗ spottet wegen der daheim herrschenden Zerrissenheit, genoß der Deutsche im Auslande kein Ansehen; er wurde als Einzelner wohl wegen seiner Tüchtigkeit und seines Charakters geehrt, aber ein nationales Ansehen als Deutscher fand er nicht. Darüber ist oft die Anhänglichkeit an das Vaterland zu Grunde gegangen. Seit 1870 ist das aber anders geworden. Seitdem stehen die Deutschen im Auslande stets im Herzen zu uns; oft lassen sie uns ihre werkthätige Hülfe empfinden, und eben jetzt wieder bekunden sie durch zahlreiche Telegramme und Adressen, daß sie eins sind mit uns in der Todtenklage über den verewigten Einiger Deutschlands.

Das „Dresdener Journal“ widmet Kaiser Wilhelm's Beisetzungstage die folgenden Worte:

Im ernsten, feierlichen Sinnen, in tief bewegter Theilnahme wenden sich am heutigen Tage die Herzen des gesammten deutschen Volkes der Trauerstätte zu, wo die ehrwürdige irdische Hülle jenes von Gott hochgesegneten Mannes zu Grabe geleitet wird, welcher der Schöpfer des Deutschen Reichs war. Wie Sein Leib in die kühle Gruft, so ist Sein Andenken in die begeisterungswarmen Seelen aller Vaterlandsfreunde eingebettet. Und dieses Angedenken schläft nicht den Todesschlaf. Es lebt fort und ist bereit, täglich aufzuerstehen, ein leuchtendes Vorbild, jederzeit, ein ermuthigender Trost in trüben Tagen. So wird es wirken für und für als Erinnerung an die stille bescheidene Größe ruhmvoller Thaten, welche die Zusammengehörigkeit und mächtige Entwickelungs⸗ kraft unseres Volkes gefördert und durch edle Erhebung gefeit haben gegen den Wogenschlag des Mißgeschicks. Sollte er antoben dereinst an die starken Schutzwälle des deutschen Staatenbundes, so wird uns der stolze Rückblick in die junge glorreiche Vergangenheit des neuen Reichs den Blick für die Gegenwart und Zukunft klären, und die Manen des verblichenen Helden werden dem Kaiser und unseren Fürsten das Banner des deutschen Genius voraustragen, hoffnungsvoll und ohne Wanken in das Morgengrauen kommender Tage!

Die, Berliner Politischen Nachrichten“bemerken über den Erlaß des Handels⸗Ministers an die Aeltesten der Kaufmannschaft in Betreff der Berliner Getreidebörse:

Wenn aus den Glossen, womit manche Blätter das Schreiben des Handels⸗Ministers an die Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft begleiten, auf die Anschauungsweise der hinter jenen Blättern stehenden

geschlossn werden darf, so wäre man in

Inspiratoren 3 8 den betheiligten Kreisen von dem Vorgehen der kom⸗

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petenten Staatsautorität nur sehr mäßig erbaut. Die Berliner Produktenbörse möchte am liebsten ihre Zuflucht zu dem Standpunkte des: Sint ut sunt aut non sint nehmen und von Reformen gemeinnütziger Tendenz verschont bleiben. Nun gestehen wir jedem Angegriffenen bereitwilligst das Recht zu, sich nach besten Kräften seiner Haut zu wehren, freilich aber unter der Voraus⸗ setzung, daß es wirklich „seine“ Haut ist und nicht etwa eine fremde Haut, aus der er sich für seinen Privatbedarf die Riemen schneidet. Wie steht es nun in dieser Hinsicht mit der Berliner Produktenbörse?

Nach der Definition des Handels⸗Ministers soll die Getreidebörse in erster Linie den Absatz und die lohnende Verwerthung der Erzeug⸗ nisse der heimischen Landwirthschaft fördern. Unsere heimische Land⸗ wirthschaft ruht bekanntlich auf den beiden Grundpfeilern des Brod⸗ korn⸗ und des Kartoffelbaues, letzterer zu Zwecken der Branntweinbrennerei. Richtig verstanden, besteht also die volkswirthschaftliche Aufgabe und damit die legitime Eristenz⸗ berechtigung der Berliner Produktenbörse in der Vermittelung und Regulirung des Großverkehrs zwischen den Produ⸗ zenten und den Konsumenten. Daß sie sich im Laufe der Jahre dieser ihrer Aufgabe merklich entfremdet hat, wird jetzt so ziemlich allgemein eingesehen; nur das Wie des Herganges enteieht sich noch immer der Erkenntniß des Laienpublikums, weil es bisher von einem engen Adeptenkreise als sorglich zu behütendes Geschäftsgeheimniß angesehen und auch behandelt wurde.

Jeder Produzent hat ein begreifliches Interesse daran, möglichst theuer zu verkaufen, umgekehrt jeder Konsument, möglichst billig zu kaufen. Die naturgemäße Regulative beider Tendenzen liegt in dem Verhältniß zwischen Angebot und Nachfrage, wenn nämlich letztere nicht künstlich und systematisch entstellt wird. Was aber soll dazu sagen. daß thatsächlich an der Berliner Produktenbörse sich Zustände herausgebildet haben, kraft deren eine kleine, aber äußerst kapitalkräftige Minderheit von Spekulanten sich zum Diktator des Geschäfts in landwirthschaftlichen Erzeugnissen auf⸗ geworfen hat, die Preise nach ihrer souveränen Willkür „regulirt“ und, indem sie einestheils dem Produzenten wahrhaft ruinöse Preise auf⸗

erlegt, anderntheils den Konsumenten auf alle Weise übertheuert, für

sich selber jahraus, jahrein Millionen profitirt, um deren Betrag die Oh G

werkthätigen Schichten unseres Volkes zu kurz kommen! Ob der Coup in der Weise ausgeführt wird, daß man die Landwirthe durch Vor⸗

schußzahlungen in ein direktes Abhängigkeitsverhältniß von dem Ring

der Spekulanten bringt, oder so, daß durch Anhäufung großer Massen geringwerthigen russischen Getreides in zollfreien Niederlagen de Preis unnatürlich gedrückt wird, oder daß man endlich, wie es au dem Spiritusmarkt geschieht, durch Transaktionen in rein fingirte Waarenmengen, die sich jährlich in die Hunderttausende von Hekto

litern belaufen, sein Schäfchen scheert: jeder dieser Fälle läuft immer vieder auf die Thatsache hinaus, daß sich zwischen den Produzenten

und den Konsumenten ein Zwischenglied eingeschoben hat, welches keine reelle, sondern eine Schmarotzerexistenz führt, beide Parteien in

Kontribution setzt, beide zu ruiniren droht, selbst aber ein mehr als

behagliches Wohlleben führt. . ...

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Kulturgeschichtliches Bilderbuch aus drei Jahr⸗ hunderten. S München, Verlag von Georg Hirth. Fünfter Band, 4. Lieferung (des ganzen Werkes 52. Lieferung). Preis der Lieferung 2,40 Die vorliegende Lieferung bringt wieder eine Reihe von helio⸗ graphirten schönen Kupferstichen nach Werken berühmter hollän⸗

Herausgegeben von Georg Hirth. Leipzig und

discher Meister oder Faesimilien nach eigenhändigen Radirungen

derselben. Da sehen wir Stiche von Chevillet nach den bekannten beiden Gemälden von Gerhard Ter⸗Borch, betitelt: „Die

ausgebrachte und die erwiderte Gesundheit“ und darstellend zwei an-

muthige, in weißen Atlas gekleidete, am Weinglase nippende Damen; ferner desselben Meisters sogenannten „Holländischen Schulmeister“, die „Junge Frau mit dem Barett“ sowie die „Raufenden Soldaten“. Ferdinand Bol, der hochbegabte Schüler Rembrandt'’s, ist durch ein Faesimile seiner Clair-obscur-Radirung der „Familie am Fenster“ vertreten, welche Bartsch sogar dem großen Lehrer selbst zugeschrieben hat. Diesen Genreblättern reihen sich andere niederer Art von Andries Both (gestochen von seinem Bruder Jan) an, dessen „Fünf Sinne“ in ungenirtem Naturalismus alles Mögliche leisten, sodaß selbst die Werke der jüngsten Malerschule unserer Tage dagegen noch klassisch genannt werden können. Weniger abstoßend, trotz aller de⸗ taillirten realistischen Charakterisirung, sind die Blätter von Peter Nolpe. Scenen aus dem niederländischen Volks⸗ und Kriegerleben darstellend, ebenso diejenigen von Simon de Vlieger (Der Bettler, Die Fischer, Der Marktflecken). Dem Genre reihen sich Porträts von Michael Sweerts und Karel de Moor (Bildniß des Malers Jan van Goven) an. Weiter finden wir in der Lieferung poesievolle Land⸗ schaftsblätter idyllischen Charakters mit schönem Baumschlag von Claude le Lorrain, darunter der „Ochsenhirt“, das „Tanz⸗ vergnügen unter den Bäumen“ und die „Entführung der Europa“, eine große charaktervolle Studie von dem berühmten Jacob Ruysdael, betitelt: „Der Brückensteg oder die Hütte beim Wasser“, andere treffliche Landschaftsaufnahmen von Lucas van Uden, F. de Neue, Simon de Vlieger und besonders Andries Both, in welchen letzteren man den grobnaturalistischen Genrezeichner kaum wiedererkennt. Auch eine Marine, von Jan van Goyen, mit düsteren Gewölkmassen und stimmungsvoller Beleuchtung verdient Hervorhebung. Das Thiergenre endlich vertritt Peter van Laar mit Pferde⸗ und anderen Thierbildern nebst Menschenfiguren von weitgehendem Realismus.

Die letzten Nummern der „»Musikalischen Jugendpost“ (Verlag von Carl Grüninger, Stuttgart) enthalten u. A.: „Der Musikalische Tinkenklecks“, eine Episode aus meiner Kinderzeit von M. L. „FEin Künstler und Künstlerfreund“. Zur Erinnerung an Oskar Pletsch von L. Heilborn. Mit 3 Illustrationen. Einführung in die Oper „Martha“. Von Ernst Pasqué, mit Illustrationen. „Noch einmal der böse Fingersatz“ von Clara Heberlein⸗Köhler. „Schneeglöckchen“, Gedicht von A. Nicolai. „Joseph Haydn“, biographische Erzählung von J. Stieler, mit Illustrationen von Paul Thumann. Ferner Anekdoken, Räthsel, Spiele, sowie eine Musik⸗ beilage, enthaltend zwei leichte, melodiöse Klavierstücke, eine Kom⸗ position für Violine und Klavier und ein Lied u. s. w.

Verkehrs⸗Anstalten.

Aachen, 20. Närz. Die erste englische Post vom 19. März (über Ostende) ist ausgeblieben. Grund: Das Schiff ist wegen Schneetreibens im Kanal in Ostende nicht herangekommen.

Königsberg i. Pr., 20. März. (W. T. B.) Eisenbahn⸗ Strecke Wehlau bis Königsberg ist auf voraussichtlich länger als 12 Stunden gesperrt.

Allenstein, 20. März. (W. T. B.) Die Strecken Allenstein Johannisburg, Allenstein Hohenstein und Korschen Insterburg sind bis auf Weiteres durch Schnee⸗ verwehungen gesperrt.

Stettin, 19 März. (W. T. B.) Das Königliche Eisenbahn⸗ Betriebsamt macht bekannt: Die Strecke Stolp Hebron Damnitz ist bis auf Weiteres durch Schneeverwehungen gesperrt. können nur von Stetrin nach Stolp und von Damnitz bis

ebron— Damnitz befördert werden. Die Strecke Belgard Kolberg ist durch Schneeverwehung gesperrt und unfahrbar. Stolp i. Pomm., 20. März. (W. T. B.) Die Strecken eustettin Belgard, Rummelsburg Zollbrück und IIbrück Bütow sind wegen Schneeverwehungen unfahrbar. Bromberg, 19. März. (W. T. B.) Die Eisenbahn⸗ irektion Bromberg giebt bekannt: Durch den heutigen noch nhaltenden Schneesturm sind die Hauptbahnstrecken Hoch⸗ tüblau Pr.⸗Stargard, Dirschau Marienburg und Stolp Hebron Damnitz sowie die Nebenstrecken S neidemühl Deutsch⸗Krone, Zollbrück Stolp olpmünde, Schlawe Rügenwalde, Neu⸗Stettin

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