wurden 2 getödtet und 5 verletzt, und zwar entfallen je eine Tödtung auf die Verwaltungsbezirke der Königlichen Eisenbahn⸗ Direktionen zu Köln (rechtsrheinische) und zu Erfurt, je eine Verletzung auf die Königlich württembergischen und auf die Großherzoglich badischen Staatseisenbahnen sowie auf die Ver⸗ waltungsbezirke der Königlichen Eisenbahn⸗Direktionen zu Erfurt, Bromberg und Hannover; von Bahnbeamten und Arbeitern im Dienst wurden beim eigentlichen Eisenbahn⸗ betriebe 15 getödtet und 71 verletzt, von Steuer⸗ u. s. w. Beamten 2 verletzt, von fremden Personen (einschließlich der nicht im Dienst befindlichen Bahnbeamten und Arbeiter) 11 getödtet und 7 verletzt. Außerdem wurden 2 Beamte bei Nebenbeschäftigungen verletzt. Von den sämmtlichen Unfällen beim Eisenbahnbetriebe entfallen auf: A. Staatsbahnen und unter Staatsverwaltung stehende Bahnen (bei zusammen 30 035,47 km Betriebslänge und 763 720 024 ge⸗ förderten Achskilometern) 122 Fälle, darunter die größte An⸗ zahl auf die Verwaltungsbezirke der Königlichen Eisenbahn⸗ Direktionen zu Köln (rechtsrheinische) (16), zu Breslau (15) und zu Berlin (14), verhältnißmäßig, d. h. unter Be⸗ rücksichtigung der geförderten Achskilometer und der im Be⸗ triebe gewesenen Längen, sind in dem Verwaltungsbezirk der Königlichen Eisenbahn⸗Direktion zu Altona, auf der Main⸗ Neckar⸗Eisenbahn und in dem Verwaltungsbezirk der König⸗ lichen Eisenbahn⸗Direktion zu Köln (rechtsrheinische) die meisten Unfälle vorgekommen. B. Größere Privatbahnen — mit je über 150 km v — (bei zusammen 1729,43 km Betriebslänge und 22 799 271 geförderten Achskilometern) 2 Fälle, und zwar auf die Hessische Ludwigs⸗Eisenbahn. C. Kleinere Privatbahnen — mit je unter 150 km Betriebslänge — (bei zusammen 1658,82 km Betriebslänge und 9 838 981 geförderten Achskilometern) 2 Fälle, und zwar auf die Lübeck⸗Büchener Eisenbahn.
— Die wissentlich widerrechtliche Ueberschreitung der an sich statthaften vorläufigen Festnahme einer Person, beispiels⸗ weise das Fesseln und Binden des Festgenommenen, welcher ohnedies Widerstand zu leisten außer Stande ist, ist nach einem Urtheil des Reichsgerichts, Strafsenats, vom 13. Februar d. J., als vorsätzliche und widerrechtliche Frei⸗ ] aus §. 239 des Strafgesetzbuchs zu be⸗ strafen.
— Durch Allerhöchste Ordre vom 29. v. M. ist dem Kreise Grottkau, welcher den Bau einer Kreischaussee von Perschkenstein über Reisewitz nach Groß⸗Karlowitz ausgeführt hat, gegen Uebernahme der künftigen chausseemäßigen Unter⸗ haltung der Straße das Recht zur Erhebung des Chaussee⸗ geldes nach den Bestimmungen des Chausseegeld⸗Tarifs vom 29. Februar 1840 einschließlich der in demselben enthaltenen Bestimmungen über die Befreiungen, sowie der sonstigen, e die Erhebung betreffenden zusätzlichen Vorschriften — vorbehaltlich der Abänderung der sämmtlichen voraufgeführten Bestimmungen — verliehen worden. Auch sollen die dem Chausseegeld⸗Tarif vom 29. Februar 1840 angehängten Bestimmungen wegen der 1“ auf die gedachte Straße zur Anwendung kommen.
— Durch Allerhöchste Kabinets⸗Ordre ist bestimmt worden, daß die zur Zeit in Betreff des Tragens der Bärte in der Armee bestehende Verschiedenheit dahin beseitigt werde, daß künftig das Tragen der Vollbärte überall gestattet sei.
— Der General der Kavallerie Graf von Waldersee, General⸗Adjutant Sr. Majestät des Kaisers und Königs und General⸗Quartiermeister, ist mit den Offizieren des Großen Generalstabs nach der Provinz Ostpreußen zur Großen Generalstabs⸗Uebungsreise abgereist.
Potsdam, 15. Juni. (W. T. B.) Se. Majestät der Kaiser Friedrich ist ohne Kampf verschieden. Die ganze Familie war beim Ableben zugegen.
Der Reichskanzler Fürst Bismarck ist um 1 Uhr 40 Minuten hier eingetroffen und hat sich nach Schloß Friedrichskron begeben.
Frankfurt a. M., 15. Juni. (W. T. B.) In Folge Ablebens Sr. Majestät des Kaisers bleibt die Börse und Effekten-Sozietät heute geschlossen.
Köln, 15. Juni. (W. T. B.) Soeben verkündet die
Kaiserglocke im Dome die Nachricht von dem Ableben Sr. Majestät des Kaisers und Königs Friedrich. Flaggen überall halbmast. Börsen sind geschlossen.
Aachen, 15. Juni. (W. T. B.) Nach dem Eintreffen der Trauerbotschaft fingen die Glocken sämmtlicher Kirchen zu läuten an. Häuser in tiefem Trauerschmuck.
Sachsen. Dresden, 15. Juni. (W. T. B.) Die Herzogin von Genua ist heute früh auf Schloß Pillnitz eingetroffen.
Die ganze Stadt hat in Folge des Ablebens Sr. Majestät des Kaisers und Königs tiefe Trauer angelegt; alle öffentlichen Vergnügungen sind eingestellt.
Baden. Karlsruhe, 14. Juni. (W. T. B.) Die Großherzoglichen Herrschaften begaben sich heute Vor⸗ mittag, nachdem sie das heutige Bulletin über das Befinden Sr. Majestät des Kaisers erhalten hatten, sofort zu Ihrer Majestät der Kaiserin Augusta und verblieben einige Zeit daselbst. Der Erbgroßherzog und die Frau Erbgroßherzogin, die heute nach Freiburg zurückzukehren gedachten, sind in Baden⸗Baden geblieben.
1 Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 14. Juni. (Th. C.) Der Großherzog empfing am 12 d. M. auf
Schloß Belvedere den beim Großherzoglichen Hofe beglaubigten Königlich belgischen Gesandten Grafen von Straten⸗ Ponthoz in Abschiedsaudienz.
Sachsen⸗Altenburg. 13. Juni. (Chemn. Tgbl.) Der Herzog ist am Montag über Heidelberg und Baden⸗Baden zu einem 14tägigen Ausenthalt nach der Schweiz abgereist.
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Gotha, 14. Juni. (Goth. 8tg In der heutigen Sitzung des gemeinschaftlichen Landtages für die Herzogthümer Coburgtund Gotha wurde zunächst, dem Antrage der Kommission gemäß, das
Gesetz, eine Abänderung des Gesetzes über die Organisation der Justizbehörden erster Instanz betreffend, angenommen, ebenso der Antrag des Ministeriums, betreffend die Genehmi⸗ gung der Etatsüberschreitung bis zu dem Betrage von 2000 ℳ
für jedes der Etatsjahre 1887/88 und 1888/89. Hierauf er⸗ 1 folgt. die Vertagung des Landtages durch den Staats⸗Minister von Bonin has
meuß j. L. Gera, 13. Juni. (Magd. Ztg.) Der regierende Fürst hat sich von Schloß Oberstein bei Gera zu einem längeren Sommeraufenthalt nach Schleiz begeben.
Hamburg, 15. Juni. (W. T. B.) Sofort nach Ein⸗ treffen der Nachricht des Ablebens Sr. Majestät des
Kaisers Friedrich wurden Flaggen in Stadt und Hafen halbmast gezogen.
Börsen geschlossen.
Pest, 14. Juni (W. T. B.) ungarischen Delegation
wurde das udget Falk
Oesterreich⸗Ungarn. In dem Ausschusse der für auswärtige Angelegenheiten des Auswärtigen verhandelt. Referent hob hervor, seit der letzten Session sei eine wesentliche Veränderung der politischen Lage nicht eingetreten. In diesem negativen Resultate liege die günstigste Kritik für die Leitung der auswärtigen Politik; denn diese strebe keinerlei positive Einflußnahme auf den Gang der Orientangelegenheiten an; sie sei lediglich bemüht, das im Berliner Vertrage stipulirte Selbstbestimmungsrecht der dortigen Staaten zu wahren. Referent beantragt, der Ausschuß möge, nachdem der Minister des Auswärtigen in allen Punkten an seinem von den Delegationen gebilligten Programme festgehalten habe und da der gegenwärtige Zustand im Orient diesem Programme vollständig entspreche und da dieses Resultat mit durch⸗ aus friedlichen Mitteln erreicht wurde, bei den Delegationen beantragen, daß dieselben auch in diesem Jahre der Leitung der auswärtigen Politik ihre volle Anerkennung und Zustim⸗ mung ausdrücken. Apponyi, Csernatony und Horvath schließen sich dem Antrage Falk's an. Alle Redner wünschen, daß in dem Berichte die herzlichste eenmung zu der Politik be⸗ 1 welche in dem Bündniß mit Deutschland aus⸗ gedrückt sei.
Der Minister des Auswärtigen, Graf Kälnoky dankte für die Anerkennung der Seitens der Leitung der auswärtigen Politik geübten Reserve bei der Erörterung spezieller Fragen und gab sodann ein Exposé über die auswärtige Lage. Der Minister hob hervor, daß im Orient in den letzten Monaten nichts eingetreten sei, was eine bleibende Veränderung der dortigen Lage hätte hervorrufen können. Namentlich habe sich nichts ergeben, was die österreichische Regierung drängen könnte, etwas zu thun, was nicht in der Situation liege und auch nicht allseitige Zustimmung und Unterstützung jener Faktoren finden würde, mit denen die Regierung wenn möglich in allen Fragen, namentlich aber in der Orientfrage, einig und gemeinsam vorzugehen wünsche. Allgemein herrsche das Gefühl vor, daß die durch die europäische Lage hervorgerufene Span⸗ nung nachgelassen habe, und diese ” entspreche allen Wünschen. Andererseits dürfe man sich aber auch der Thatsache nicht verschließen, daß von den Ursachen, welche im letzten Winter und früher die Besorgnisse um den Weltfrieden hervor⸗ riefen, keine geschwunden sei. Die Fragen über Bulgarien seien bei der politischen Situation im Großen nur ein relativ wichtiger Faktor; für Kesterreich⸗Ungarn jedoch entschieden wichtiger als für dfe meisten europäischen Mächte. Wenn an ℳ%œ% Moharchie gewisse Besorg⸗ nisse für die friedliche Entwickelung der Zukunft heran⸗ träten, so sei deren Qwelle nicht allein in den Zuständen der Balkanhalbinsel zu suchen, sondern in der allgemeinen europäischen Lage, in den Machtverhältnissen der einzelnen Staaten, in den tiefgehenden Divergenzen nicht so sehr der Kabinette als der Bevölkerung, in den Gegensätzen darüber, was zu erhalten und zu zerstören sei, und in den Fluk⸗ tuationen von Ansichten und Gefühlen, die sich zeitweilig glätten, aber auch plötzlich zur Sturmfluth anwachsen können. Diese Verhältnisse müßten neben den Phasen der Orient⸗ frage immer im Auge behalten werden; wenn konstatirt worden sei, daß in den letzten Monaten eine wessentliche Veränderung der politischen Lage sich nicht ergeben habe, so habe sich dies auch auf diese allgemeine politische Lage bezogen. Es sei vielleicht jetzt eine Phase relativer und bedeutender Beruhigung im Vergleich zu der Lage bei Beginn des Jahres. Er wolle keineswegs diese Ruhe fortscheuchen und die Hoffnung schwächen, daß es gelingen könne, die EEööG für die Zukunft auf eine mehr gesicherte
asis zu stellen. Andererseits aber sei es seine Pflicht, darauf hinzuweisen, wie es ebensowohl möglich sei, daß diese Unsicher⸗ heit, unter welcher man seit Jahren zu leiden habe, eine längere Dauer behalte. Diese Erkenntniß habe eben noth⸗ wendig gemacht, daß die Staaten, welche zur Siche⸗ rung ihrer Machtstellung und des Friedens gezwungen waren, ihre Wehrkräfte zu verstärken, sich nicht darauf be⸗ schränken können, unter dem jeweiligen Drucke eines momen⸗ tanen Alarms vorübergehende Sicherheitsmaßregeln zu ergreifen, sondern bedacht sein müssen, auch organisch ihre Kräfte zu stärken und zu vervollkommnen, um ruhig jeder Eventualität, — und auch einer unvermutheten, — entgegen⸗ treten zu können. Ein solcher Zustand sei aber noch immer besser als der Krieg. Die im Berichte des Aus⸗ chusses angeregte Erwähnung des Bundesvertrages mit Deutschland acceptire er mit größter Befriedigung und Dankbarkeit; es bestehe wohl für Niemand Zweifel darüber, daß die Allianz Oesterreich⸗Ungarns mit Deutschland von allen Völkern der Monarchie als Gewähr des Friedens, als einer der nützlichsten und segensreichsten politischen Akte der letzten Zeit anerkannt werde. Es sei wohl kaum früher ge⸗ schehen, daß ein als geheim abgeschlossener Staatsakt, der auf diese Weise in die Oeffentlichkeit gebracht sei, mit so allseitiger Billigung begrüßt wurde. Dies sei zugleich ein vollgültiger Beweis der vollen Ehrlichkeit und Lauterkeit des Bündnisses, sowie dafür, daß es auf die wichtige Basis der Erhaltung des Friedens und der Staatswohlfahrt beider Theile gestellt sei.
Der Minister stimmt Czernatony vollkommen zu, welcher auf die Wichtigkeit des Bündnisses mit Italien als eines Komplements zu dem Bündniß mit Deutschland hin⸗ ewiesen habe. Gerade für Oesterreich⸗Ungarn, welches mteresen nach Süden, Osten, nach dem Mittelländischen
eer und nach dem Orient, also parallel mit Italien, wahr⸗ zunehmen habe, sei dieses Freundschaftsverhältniß von großer Bedeutung, abgesehen davon, daß dasselbe ein Verhältniß der Sympathie und Gegenseitigkeit mit einem Nachbarstaat her⸗ stellte, welches nicht nur beiderseits vollkommene Sicher⸗ heit, sondern auch ein Einstehen für gleiche Ziele und Interessen in sich schließe.é Der Minister spricht die Genug⸗ thuung über den mit Italien abgeschlossenen Handels⸗ vertrag aus, der gewiß auch beitragen werde, die Freund⸗ schaft beider Staaten zu erhöhen. Besonderes Verdienst an
diesem Erfolg gebühre dem Minister⸗Präsidenten Crispi, der mit großer Energie und erleuchtetem Verständniß die Richtung der italienischen Politik zu erfassen und zu beleben gewußt habe. Der Minister pflichtet der Bemerkung bei, daß die Interessen der Monarchie in der Orientfrage mit denen der Balkanvölker identisch seien; doch möchte er sie dadurch ergänzen, daß diese Interessen zugleich euro⸗ päische seien, was für die Stellung Oesterreich⸗Ungarns in dieser Richtung eine wesentliche Stärkung bedeute. Die Ziele der Orientpolitik Oesterreich⸗Ungarns seien dieselben wie jene der meisten europäischen Kabinete; dieselben wurden in England, welches hierbei wesentlich in Betracht komme und dessen politische Richtung mit der von der österreichisch⸗ungarischen Regierung bezeichneten vollkommen übereinstimme, mit großer Sympathie aufgenommen. Nachdem der Minister hierauf noch auf spezielle Fragen einzelner Delegirten über die Orientbahnen und Errichtung eines zwischen Salonichi und Uesküb gelegenen Konsulats geantwortet hatte, beschließt der Ausschuß ein⸗ stimmig, dem Minister des Auswärtigen die Anerkennung und Zustimmung auszusprechen.
Auf die Ausführungen Apponyi's betreffs der Erhebung der Gesandtschaft in Madrid zur Botschaft erklärte der Minister⸗Präsident, es sei für das monarchische Europa von hohem Interesse, daß die weitere Entwickelung Spanien gestatte, jene Stellung wieder einzunehmen, die seiner großen historischen Vergangenheit entspreche. Auf eine Anfrage Falk's wegen der Orientbahnen erwiderte der Minister⸗ Präsident, die Bahn von Salonichi sei recht gut gebaut. Einige Schwierigkeiten, namentlich betreffs des Postdienstes, welche Seitens der türkischen Behörden hervorgetreten, seien bereits beseitigt. Man könne hoffen, daß nunmehr ein ge⸗ sicherter Postverkehr auch künftig keine Unterbrechung erleide; es dürfte noch zwei Monate dauern, bis die Konstantinopeler Linie zur Eröffnung vollkommen bereit sei. Den Bulgaren müsse man die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß sie trotz der Schwierigkeiten den Bau der Bahn nicht unterbrochen und denselben ohne Anlehen aus den eigenen Staatseinnahmen bestritten haben, was freilich die Verzögerung erkläre.
Großbritannien und Irland. London, 14. Juni. (W. T. B.) Das Unterhaus nahm die zweite Lesung der Weinzoll⸗Bill an. — Der erste Lord des Schatzes Smith gab mit dem Ausdruck des tiefsten Bedauerns Mittheilung von einem heute Nachmittag 3 Uhr in Berlin aufgegebenen Telegramm über den wenig Hoffnung gewährenden Zustand Sr. Majestät des Kaisers Friedrich.
Das Oberhaus nahm die erste Lesung der Regierungs⸗ Bill, durch welche das Aktiengesellschaftsgesetz abge⸗ ändert und insbesondere die Gründung betrügerischer Gesellschaften verhütet werden soll, an.
— 15. Juni. (W. T. B.) Die Nachrichten über die verhängnißvolle Wendung in dem Befinden des Deutschen
Kaisers haben hier überall lebhaftes Mitgefühl erweckt. Die
Morgenblätter besprechen den Zustand in der theilnahmvollster Weise, spenden der Kaiserlichen Familie, wie dem deutschen Volk Trost und zollen den großen Eigenschaften des Kaisers Friedrich hohe Bewunderung.
Frankreich. Paris, 13. Juni. (Fr. C.) Die Deputirten⸗ kammer setzte heute die Berathungen über die Reglemen⸗ tirung der Arbeitszeit in den Fabriken und Werkstätten für Frauen und Kinder fort. Danach ollen die Frauen nicht über zehn Stunden täglich und Unerwachsene bis zum 18. Jahre nicht über acht Stunden arbeiten dürfen. Ein Beschluß wurde nicht gefaßt.
— 14. Juni. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer nahm den Gesetzentwurf, wonach die Paßgebühren herab⸗ gesetzt werden, ohne Debatte einstimmig an.
Italien. Rom, 14. Juni. (W. T. B.) Der ZJustiz⸗ Minister hat im Senat das neue Strafgesetzbuch einge⸗ bracht. Die Deputirtenkammer nahm vor dem Eintreten in die Spezial⸗Berathung des Marinebudgets eine Tagesordnung an, durch welche sie das Vertrauen in den Marine⸗Minister bekundet. Der Minister⸗Präsident Crispi ist heute Abend hierher zurückgekehrt.
Spanien. Madrid, 13. Juni. Alkoholsteuergesetz ist in beiden Cortes angenommen worden.
— 14. Juni. (W. T. B.) Das neue Kabinet ist nun⸗ mehr definitiv wie folgt gebildet: Sagasta Vorsitz, Alonzo Martinez Justiz, Armijo Auswärtiges, Capdepon Kolonien, Arias Marine, Moret Inneres, Puigcerver Finanzen, Canalejas Arbeiten und Oryan Krieg. — Das amtliche Blatt veröffentlicht ein Dekret, durch welches der Chef der Artillerie ermächtigt wird, bei der Firma Krupp 5 Geschütze nebst dem dazu erforderlichen Zubehör für 1 920 000 Fr. zu kaufen; dieselben sind zur Vertheidigung der befestigten Küstenplätze bestimmt.
Belgien. Brüssel, 15. Juni. (W. T. B.) Die liberal progressistische Vereinigung hat in einer gestern Abend abgehaltenen allgemeinen Versammlung be⸗ schlossen, sich der Theilnahme an der Stichwahl am nächsten Dienstag zu enthalten.
Amerika. Washington, 13. Juni (per Kabel). (A. C.) Präsident Cleveland unterzeichnete heute die Vorlage, welche ein Arbeits⸗Departement im Staats⸗ Ministerium ins Leben ruft. 8
In heutiger Sitzung des Senats hielt Mr. Hals (Maine) eine heftige Rede gegen den Fischereivertrag. Mr. Blair (New Hampshire) lenkte Mr. Hale’s Aufmerksam⸗ keit auf die Forts, welche von den Briten in Britisch⸗Kolum⸗ bien errichtet werden. Mr. Hale erwiderte, er glaube nicht, daß irgend welche kluge britische Staatsmänner mit einem anderen Gefühl als dem der Besorgniß und Furcht einen Konflikt mit den Vereinigten Staaten betrachteten⸗ Die Dinge, auf welche Mr. Blair hinweise, ständen indeß im Zusammenhange mit dem von Großbritannien stels eingeschlagenen Verfahren. Es treffe Fürsorge für die Zu⸗ kunft. Mr. Hale drückte auch die Meinung aus, daß der Plan für eine Schiffseisenbahn zwischen der Fundy⸗Bai und dem St. Lorenzgolfe, mittelst welcher eine hinreichende Anzahl von Kanonenbooten nach den Seen zur Beherrschung derselben befördert werden könnten, von großer Wichtigkeit sei. New⸗York, 13. Juni (per Kabel). (A. C.) Mr. Phelp?, der amerikanische Gesandte am Hofe von St. James, reis⸗ heute an Bord des norddeutschen Lloyddampfers „Aller“ wn England behufs Wiederaufnahme seiner diplomatischen Ub'⸗ liegenheiten. 1
(W. T. B.) Das Häusern der
sichtspunkt des menschlich Berechtigten und Wünschenswerthen, der
I11“ 11““ “ 8 Afrika. Egypten. Kairo, 13 Juni. (A. C.) (T g », 13. Juni. (A. C. ele⸗ gramm des „Bureau Reuter“.) Ein Bote ist hier E Iigexsmamen mit Briefen, welche Quittungen enthalten über
in fd. Sterl von Lupton Pascha, der eris in Oindurman gefangen vHale c der von den Derwischen
Australien. Sydney, 13. Juni. (A. C T des Bureau Reuter.) Die hier tagende Hedere. 0Nlchr tretern der australischen Kolonien, welche die Chinesen⸗Einwanderungsfrage lösen soll, beschloß die Reichsregierung anzugehen, ihre guten Dienste bei China anzuwenden zu Gunsten des Abschlusses eines Vertrags ähn⸗ lich dem zwischen China und den Ver. Staaten bestehenden. Die Kolonien ihrerseits wollen die Kopfsteuer aufheben, sowie die gesetzlichen Bestimmungen betreffs des Tonnengehalts und anderer Dinge. Chinesen würde nicht gestattet werden ohne Pässe von Kolonie zu Kolonie zu reisen.
Zeitungsstimmen.
Die „Deutsche volkswirthschaftliche Correspon⸗
den 8
eutsche Waaren im Auslande. Von dem Grundsatze „Billi und schlecht“ scheint die deutsche Industrie in ihren heee; r sich gründlich abwenden zu wollen. Und dies mit vollem Rechte Denn eine verständige und umsichtige Konkurrenz kann in der That ihre Aufgabe nicht darin erkennen, dem Gegner durch eine gewisse Auf⸗ dringlichkeit einen Vorsprung abzugewinnen, sondern ihn durch bessere Qualität der Waare langsam aber sicher zum Rückzuge zu zwingen. Einige sensationelle Ereignisse der juͤngsten Zeit haben die Gediegenheit der deutschen Arbeit und der deutschen Marke in das hellste Licht gestellt. Wir erinnern zu wiederholten Malen an die Sheffielder⸗ Rasirmesser, die mit der Bezeichnung: „In Hamburg geschliffen“ auf den englischen Markt gebracht wurden und ohne diese Bezeichnung dortselbst keinen Absatz finden konnten, an die Bemühungen des fran⸗ zösischen Handels⸗Ministers Lockroy, den französischen Markt vor deutschen Provenienzen zu verschließen, indem er die Bezeichnnng der⸗ selben als französische Waare dürch drakonische Maßregeln zu ahnden versuchte mittelst eines Gesetzes, das vor zehn Jahren in Frankreich einfach zu den Unmöglichkeiten gehört hätte.
Derartige Symptome lieferten den glänzendsten Beweis für die Berechtigung des Grundsatzes, daß nur der Sieg über den inneren Werth des Fabrikats die Herrschaft und den Genuß der gemachten Eroberung dauernd zu verbürgen vermöge. Bereits in dem Bericht der Handels⸗ und Gewerbekammer von Chemnitz für das Jahr 1886 war hervorgehoben worden, das Mittel, durch welches sich die deutschen Fabrikate allem Wettbewerbe zum Trotz einen dauernden und überlegenen Platz auf dem Weltmarkt sichern werden, bestehe nicht darin, zu der Hervorbringung minder⸗ werthiger Waaren seine Zuflucht zu nehmen, sondern mit allen Kräften darnach zu streben, immer bessere, edlere und schönere Qualitäten zu erzielen, damit die ausländische Industrie nicht mehr den Ruf größerer Vollkommenheit besitze, dieser Ruf vielmehr in erster Linie der heimischen Produktion gebühre. Bereits erschallen vom Auslande aus immer lauter die Stimmen, welche die Verbrei⸗ tungsfähigkeit der deutschen Erzeugnisse auf die größere Güte derselben zurüͤckzuführen gezwungen sind. Nach dieser Richtung sind die Hebel einzusetzen, welche einen immer größeren Aufschwung bewirken und dazu führen werden, daß die Superiorität deutschen gewerblichen Fleißes aller Welt vor Augen gebracht werde.
— Während nun der Chemnitzer Bericht im Interesse der Superiorität des deutschen Handels die Aufmerksamkeit der Fabri⸗ kanten auf die Hebung der Qualität der veurschen Waaren lenkt, be⸗ schäftigt sich der diesjährige Handelskammerbericht für Aachen und Burtscheid mit der Frage des nationalen Handels in der Weise, daß er auf jenen Appell zurückkommt, der Ende 1887 an die deutschen abrikanten ergangen ist: „Deutsche Waaren — deutsche Marken, beißt es dort, das ist der Grundsatz, der in der deutschen Geschäftswelt noch immer nicht zur allgemeinen Geltung gelangt ist. Allzu häufig noch bezeichnen deutsche Fabrikanten ihre Waaren mit außerdeutschen Fabrikationsorten, Marken und Firmen, geben ihnen eine fremdsprachige Aufmachung und vertreiben sie nach ausländischem Maß und Gewicht, ohne durch einen angemessenen Zu⸗ satz die deutsche Herkunft der deutschen Waare kenntlich zu machen.“ Der Bericht untersucht den Ursprung dieser Unsitte, der noch eben aus jenen Zeiten stamme, wo es nothwendig war, die Gediegenheit und Preiswürdigkeit der Waare auf das Conto desjenigen Landes zu schreiben, dessen Sprache, Fabrikationsorte und Namen der Konsument auf der Waare finde. Anstatt den Ruf der deutschen Produktion zu mehren, arbeite man also den Konkurrenznationen in die Hände und die Fruͤchte der mühevollen und eifrigen Arbeit der deutschen Ge⸗ schäftswelt ernten schließlich Diejenigen, die an der Beseitigung der deutschen Konkurrenz das dringendste Interesse haben, ein Vorgehen, das weder patriotisch noch klug genannt werden kann. Noch beklagenswerther sei es aber, wenn sich deutsche Fabrikanten dazu hergäben, in Deutschland selbst ihre Waaren unter fremdländischer Bezeichnung zu verkaufen. Thatsächlich werden ja allerdings gewisse deutsche Produkte erst auf dem Umwege über das Ausland als nicht deutsches Fabrikat in Deutschland vertrieben. Ein zielbewußtes Vorgehen werde auf diesem Gebiete leicht Wandel schaffen; deutsche Moden seien schon durch die Hutmacher mit Erfolg eingeführt und deutsche Möbel haben den Geschmack des Publikums für das Fremdländische schon verdrängt. Wenn die Fabrikanten fest zusammenhalten, werden eben auch auf anderen Gebieten die deutschen Waaren nicht mehr nöthig haben, sich hinter dem erborgten Flitter des Auslandes zu verbergen. Indem wir auf diese Enunziationen zurückkommen, wollen wir nicht verabsäumen, daran zu gemahnen, daß es eben die Wirkungen unserer „praktischen“, unserer „nationalen“ Wirthschaftspolitik sind, welche derlei Symptome hervorgebracht haben, während nach den Grundsätzen des „Laissez faire“, des Freihandels, es als widersinnig erscheinen würde, wenn man dem Einzelnen zumuthen wollte, er solle sein Privatinterese auch nur vorübergehend in den Dienst der Allgemeinheit stellen. Der Schutz der heimischen Arbeit und der heimischen Produktion macht sich gerade nach der von uns hier geschilderten Richtung bereits in der aller⸗ wohlthätigsten, die kühnsten Erwartungen übersteigenden Weise geltend, und es steht zu erwarten, daß ein kräftiges, zielbewußtes Vor⸗ Pebern nach den Grundsäͤtzen dieser „praktischen“ und „nationalen“
irthschaftspolitik allmählich zu Konsequenzen führen wird, welche auch die starrsten Anhänger des Manchesterthums, insofern dieselben ihre Loyalität nicht gänzlich dem Parteiinteresse untergeordnet haben, zu der Ueberzeugung drängen müssen, daß der Leiter unserer jetzigen Wirthschaftspolitik wieder einmal mit einer geradezu staunenswerthen oraussicht auf ein großartiges Ziel losgegangen ist. 8 18
— Der „Schwäbische Merkur“ schreibt:
Die Frage der Arbeiterschutzgesetzgebung wird in absehbarer Zeit kaum von der Tagesordnung verschwinden. Seit Jahren besteht in ihr ein gewisses Mißverhältniß zwischen dem Reichstage und den ver⸗ bündeten Regierungen. Die Volksvertretung hat eine Reihe von Schutzbestimmungen in fertige, gesetzgeberische Form gebracht, der Bundesrath aber unterläßt es, diesen Beschlüssen beizutreten. Im Grunde wird indeß kein Unbefangener behaupten wollen, daß die Re⸗ gierungen an Arbeiterfreundlichkeit hinter dem Reichstage zurückständen. Der Unterschied wird vielmehr darin zu suchen sein, daß der Reichs⸗ tag die in der Schutzfrage zu thuenden Schritte mehr unter dem Ge⸗
msoweniger verdenken können, als sie nicht nur die gesetzgeberische, ondern auch die administrative Verantwortung für die betr. Gesetze 1übernehmen haben. Je länger diese Fragen erörtert worden sind, nsomehr hat sich gezeigt, daß sie gegenüber der verwickelten Mannig⸗ ltigkeit des wirklichen Lebens meistens noch nicht als spruchreif gesehen werden können. Inzwischen sind die entsprechenden plamentarischen Verhandlungen gar nicht ohne Nutzen gewesen. E haben ohne Zweifel nicht wenig dazu beigetragen, daß sich iwen Kreisen der Arbeitgeber heute doch eine weit größere Bereit⸗ wigkeit zeigt, sich im Interesse der Gesundheit der Arbeiter gewisse EEränkungen aufzuerlegen, als noch vor wenigen Jahren. Und so hat siceine Entwickelung angebahnt, der gegenüber die Schwarzmalerei, mi welcher einzelne Parteien ihre Agitation für die Arbeiterschutz⸗ gesgebung ausstatten, als vollständig grundlose Uebertreibung erseint. Sehr deutlich erhellt dies aus dem Jahresbericht des Fabrikinspektors für Württemberg. Aus demselben ist zu entthmen, daß neben den Unfallverhütungsvorschriften der Be⸗ rufsmossenschaften auch die zur Fernhaltung gesuudheits schädlicher Einfisse von den Arbeitern bestimmten Maßnahmen immer allge einere Anwendung finden, daß besonders für eine ersprieß⸗ liche Befriedigung des Wohnungs⸗, theilweise auch des Nahrungs⸗ bedünisses Seitens der Arbeitgeber Sorge getragen wird. Die Arbezzeit scheint in Württemberg fast nur in der Textilindustrie eine bermäßige Länge aufzuweisen. Ziemlich dieselbe Beobachtung wird) im “ Deutschland gemacht. Daß diesem ungesunden Verhämiß ein Ende gemacht werden muß, wird immer mehr an⸗ erkannt ebenso aber auch, daß der zweckmäßigere Weg dazu die frei⸗ willige Verständigung der Berufsgenossen, nicht der gesetzliche Maximal⸗ oder Nrmalarbeitstag ist. Es ist erfreulich, daß diese Ansicht auch Seitens des württembergischen Fabrikinspektors in einer Weise vertheidgt wird, welche darauf schließen läßt, daß sie in den dortigen industriellen Kreisen vielfach getheilt wird. Auch das Kapitelder Sonntagsarbeit bespricht der in Rede stehende Jahres⸗ bericht, ind es erhellt wieder einmal, daß dasselbe, soweit das Gebiet der eigetlichen Industrie in Frage kommt, durchaus nicht von der Bedeutng ist, zu welcher eine gewisse Agitation es aufbauschen möchte. Das Wort des Berichts: „Die Fabrikanten wissen sehr wohl, aß die Sonntagsarbeit an sich schon ganz unvortheilhaft ist“, dürfte s ziemlich allgemein in Deutschland zutreffen. Von beson⸗ derem Iteresse sind auch die Feststellungen des Berichts in Bezug auf die Frauen⸗ und Kinderarbeit. Eine extreme, nicht nur von den Sozaldemokraten vertretene Forderung will die Ausschließung des Weibs aus der Fabrikindustrie überhaupt. Dem gegenüber ist hervorzuhben, daß der württembergische Inspektor nachtheilige Folgen de Fabrikbeschäftigung für weibliche Arbeiter nicht gefunden at. Und besonders kann er auf Grund der Urtheile vorzugsweise zuständiger Männer berichten, daß die sittliche Haltung der industri⸗ ellen Bevölerung hinter derjenigen der ländlichen nicht zurücksteht. Hinsichtlich der Kinderarbeit endlich ist zu erwähnen, daß die in der württemberg schen Industrie schon an sich geringe Beschäftigung von Kindern noh mehr abgenommen hat. Die gleiche Beobachtung macht man fast überall in Deutschland. Nach alledem ist die An⸗ nahme wohl nicht zu gewagt, daß in unseren Arbeiterverhältnissen eine aus der freien Entschließung der Arbeitgeber entstandene Besse⸗ rung in erfreulichem Fortschreiten begriffen ist.
Amtsblatt des Reichs⸗Postamts. Nr. 26. — Inhalt: Verfügungen: vom 8. Juni 1888. Wegfall der besonderen Zwischen⸗ quittungen der bei Postagenturen beschäftigten Landbriefträger über die Entschädigungen für Bestellung und Einsammlung der mehr als 2 ½ kg schweren Packete ꝛc. — Vom 11. Juni 1888. Postverbindungen nach den Inseln Föhr und Sylt.
Statistische Nachrichten.
Nach Mittheilung des Statistischen Amts er Stadt Berlin sind bei den biesigen S “ desä m vdaen in der Woche vom 3. Juni bis inkl. zur Anmeldung gekommen:
227 Eheschließungen, 854 Lebendgeborene, 26 Todtgeborene, 544 Sterbefälle.
Dresden. Die Ergebnisse der Gewerbezählung vom 5. Juni 1882 liegen nunmehr, nachdem die für das Reich bearbeiteten Frgebnisse vor einiger Zeit veröffentlicht sind, auch für das Königreich Sachsen in einer besonderen Verarbeitung in der „Zeitschrift des Königlich Sächsischen Statistischen Bureaus“ (2. Suprlement zum 22. Jahrg. 1886) vor. Das umfangreiche Heft, welches das Statistische Bureau des Königlichen Ministeriums des Innern über die gewerbtreibenden Personen und die Gewerbe⸗ betriebe Sachsens herausgegeben hat, kann insofern als eine wichtige Ergänzung der auf Sachsen bezüglichen reichsstatistischen Veröffent⸗ lichungen gelten, als es die spezifisch sächsischen Eigenthümlichkeiten des Gewerbslebens auch besonders eingehend behandelt. Zu diesen ge⸗ hören namentlich die hervorragende Stellung der Textilindustrie und der Hausindustrie, denen besondere Abschnitte gewidmet sind, alsdann die in Sachsen besonders starke Betheiligung des weiblichen Geschlechts an der industriellen Güterproduktion. Bei der Bearbeitung der Gewerbe⸗ Statistik sind Haupt⸗ und Nebenbetriebe unterschieden worden. Zu den Hauptbetrieben hat man alle diejenigen gerechnet, in denen minde⸗ stens eine Person mit ibrer Hauptbeschäftigung thätig ist, sei es als Geschäftsleiter, Gehülfe, Arbeiter u. s. w. in der Betriebsstätte selbst, sei es vom Betriebe aus in der Hausindustrie, oder auch in Straf⸗ und Besserungs⸗Anstalten. Betriebe dagegen, in welchen keine Person mit, ihrer Hauptbeschäftigung thätig ist, die vielmehr eine oder mehrere Personen lediglich nebensächlich beschäftigen, sind als Nebenbetriebe betrachtet worden. Die Zahl der 1882 in Sachsen ermittelten, in 20 Gewerbegruppen unterschiedenen Hauptbetriebe beträgt 313 140. Davon gehörten 109 278 (34,9 %) zur Texttlindustrie; 71 760 (22,9 ⁄%) zur Gruppe Bekleidung und Reinigung; 35 519 (11,3 %) zum Handelsgewerbe; 18 825 (6 %) zur Gruppe der Nahrungs⸗ und Genußmittel; 8347 2,7 %) zum Baugewerbe. Die Zahl der in allen Hauptbetrieben beschäftigten Personen betrug 793 760. Von diesen arbeiteten 235 690 (29,7 %) in der Textilindustrie; 114 157 (14,4 %) in den zur Bekleidung und Reinigung gehörigen Gewerben; 68 641 (8,6 %) im Handelsgewerbe; 54 094 (6,8 %) in der Nahrungs⸗ und Genuß⸗ mittelindustrie; 51 675 (6,5 %) im Baugewerbe. Mit Rücksicht auf die in den Betrieben verwendeten Kraftmaschinen unterscheidet die 1882 er Gewerbe⸗Statistik Hauptbetriebe mit Motoren und Haupt⸗ betriebe ohne Motoren. Die Zahl der Hauptbetriebe mit Motoren, in denen zusammen 214 651 Personen beschäftigt wurden, beträgt 9789, diejenige der Hauptbetriebe ohne Motoren, in welchen 579 109 Per⸗ sonen arbeiteten, 303 351. Es betrug demnacedurchschnittlich die Zahl der beschäftigten Personen in einem Hauptbetriebe mit Motoren 21,9 und in einem Hauptbetriebe ohne Motoren 1,9 %. Hinsichtlich der in den Betrieben beschäftigten Personen sind unterschieden worden: Betriebe ohne Gehülfen (212 749), Betriebe mit 1 bis höchstens 5 Gehülfen (88 221 mit 233 940 Personen), Betriebe mit mehr als 5 Gehülfen, und zwar Betriebe mit 6 bis 10 Personen (4991 mit 40 193 Personen), Betriebe mit 11 bis 50 Personen (5864 mit 123 448 Personen), Betriebe mit 51 bis 200 Personen (1114 mit 100 062 Personen), Betriebe mit 201 bis 1000 Personen (193 mit 71 738 Personen) und Betriebe mit mehr als 1000 Personen (8 mit 11 749 Personen). Von den ermittelten 46 307 Nebenbetrieben entfallen 13 307 auf die Textilindustrie und 12 336 auf das Handelsgewerbe. Fast 9 Zehntel der Nebenbetriebe sind Alleinbetriebe (ohne Gehülfen und Motoren). In der für Sachsen wichtigsten Industriegruppe, der Textil⸗ industrie, nimmt hinsichtlich der Zahl der Betriebe und der in den⸗ selben beschäftigten Personen die Weberei die erste Stelle ein. Als⸗
Bundesrath sie mehr unter dem Gesichispunkt der praktischen Durch⸗ führbarkeit beurtheilt. Und das Letztere wird man den Regierungen 8 8
dann folgen die Strickerei und Wirkerei, die Häkelei, Stickerei und
Spitzenfabrikation, die Posamentenfabrikation.é Was die Betheiligung des weiblichen Geschlechts an der Gewerbthätigkeit anlangt, so ist dieselbe in Sachsen beträchtlich stärker, als im Deutschen Reich über⸗ haupt; denn während von allen Gewerbthätigen im Deutschen Reich nur 20,56 Prozent weiblich waren, betrug dieser Prozentsatz für Sachsen 27,78. Dieses stärkere Hervortreten weiblicher Elemente in der gewerbtreibenden Bevölkerung Sachsens hat seinen Grund vorzugs⸗ weise in der starken Entwickelung der sächsischen Textilindustrie, welche einen größeren Prozentsatz weiblicher Personen beschäftigt, als fast alle anderen Gewerbegruppen. Auch die Gruppe der Bekleidung und Reinigung, welche die verhältnißmäßig größte Zahl weiblicher Personen beschäftigt, ist in Sachsen relativ stärker ver⸗ treten als im Deutschen Reich. In Bezug auf die Verwendung weiblicher Personen zu gewerblichen Arbeiten heißt es in diesem neuesten Heft der sächsischen statistischen Zeitschrift: „daß es allerdings zu wünschen sei, dahin zu streben, daß wenigstens die verheiratheten rauen aus den Fabriken verschwinden und mit der Zeit dem häus⸗ ichen Herde und der Pflege ihrer Kinder zurückgegeben werden. Anders stehe es mit den nicht verheiratheten weiblichen Personen. Sobald sich dieselben nicht in einer Haushaltung oder in der Kinder⸗ pflege nützlich machen können, liege es in ihrem eigenen wie im gesammten volkswirthschaftlichen Interesse, daß sie ebenso wie die Männer einen bestimmten Beruf auszufüllen suchen; sie sollten daher auch ebenso wie die Knaben nach dem Verlassen der Volksschule zu einem bestimmten Beruf vorgebildet werden.“
— Nach der „Wiener Wohn.⸗Ztg.“ hat sich im Vergleich zum Vorquartal am 1. Juni d. J. die Zahl der leerstehenden Woh⸗ nungen von 3613 auf 3698 und die Zahl der zu den nächsten Ter⸗ minen (August oder November) zu vermiethenden Wohnungen von 2501 auf 2806 erhöht. Die Gesammtzahl der leerstehenden und der zu den nächsten Ausziehterminen zu vermiethenden Wohnungen hat sich von 6114 des Vorquartals auf 6504, also um 390 Wohnungen, ver⸗ mehrt. Diese Zunahme der zu vermiethenden Wohnungen beruht darauf, daß viele Familien ihre Stadtwohnung über den Sommer auflassen und auf das Land ziehen. Leerstehende und zum August⸗, bezw. November⸗Termin zu vermiethende Wohnungen entfallen: Auf die Zinskategorie bis zu 200 Fl. Zins 1112; auf die Zinskategorie von 201 — 400 Fl. Zins 2567; auf die Zinskategorie von 401 — 600 Fl. Zins 1179; auf die Zinskategorie von 601 — 1000 Fl. Zins 965; auf die Zinskategorie von 1000 — 2000 Fl. Zins 531; auf die Zinskategorie von 2001 — 5000 Fl. Zins 154; auf die Zinskategorie von mehr als 5000 Fl. Zins 6. Die kleinste Zahl leerstehender und zu den nächsten Terminen zu vermiethender Wohnungen entfällt somit auf die Zinskategorie von 201 bis 400 Fl. Jahreszins. und dieser zu⸗ nächst auf die Zinskategorie von 401 — 600 Fl. Jahreszins. Von einem Mangel an kleinen und kleineren Wohnungen kann somit keine Rede sein, umsoweniger, als von den Wohnungen der allerkleinsten Zinskategorie — d. i. bis zu 200 Fl. Jahreszins leichfalls 1102 theils leerstehen, theils zu vermiethen sind.
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8 Kunst, Wissenschaft und Literatur.
„Unter der Linde“ betitelt W. Heimburg sieben Novellen, welche, zu einem Bändchen vereinigt, im Verlage von Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig, erschienen. Unter den beliebten Schrift⸗ stellerinnen nimmt W. Heimburg eine hervorragende Stelle ein. Ihr anmuthiges Erzählertalent hat sich in einer Reihe fesselnd und ge⸗ schickt geschriebener Romane und Novellen, welche in beliebten Journalen und in Buchform erschienen, auf das Beste bewährt. Die vorliegende Sammlung weist neben gut Gelungenem auch weniger Werthvolles auf. Zu den besten dieser kleiren Novellen gehört unstreitig die erste, betitelt: „Am Abgrund“, in welcher mit psfychologischer Feinheit die Seelenqualen eines in einen verhaßten Beruf wider Willen hinein gedrängten jungen Mannes geschildert werden; sie ist künstlerisch am besten durchgearbeitet und verdient die an sie gewandte Mühe wegen des in ihr behandeltaen dagkharen Stoffes. Schwächer ist schon die zweite Novelle: -Unsere Hausglocke“, welche in ihrem ronvemiemellen Verlaaf sch aber den Durchschnittsstandpunkt kaum erhebt. Auch die dritte „Männe' erreicht trotz ihrer gemüthvollen Schilderung nicht die erste, und die übrigen: „In der Webergasse“, „Großmütterchen“ und „Aus meinen vier Pfählen“ sind nur mittelmäßige Schöpfungen. Immerhin wird das vorliegende Bändchen seinen Leserkreis finden, der sich an demselben erfreuen dürfte.
— „Ueberchinesisches Theater“ betitelt sich eine kleine Schrift, welche soeben im Verlage der Schulze'schen Hof⸗Buchhand⸗ lung (A. Schwartz), Oldenburg und Leipzig, erschienen ist. Der Ver⸗ fasser, von Minnigerode, giebt hier eine interessante Schilderung des chinesischen Theaterwesens, welches von dem unsrigen so erheblich abweicht, daß ein Vergleich kaum zu ziehen ist. Das chinesische Theater wurde einer Sage nach von dem Kaiser Ming Weng, welcher ungefähr um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts regierte, ge⸗ gründet, kam aber nicht zu rechter Blüthe und wurde erst wieder ins Leben gerufen durch drei talentvolle Männer, Tin, Tau und Tschung; dem Letzteren verdankt das chinesische Theater seinen akrobatischen und musikalischen Theil. Dem Publikum im Allgemeinen wurde der Besuch des Theaters aber erst ungefähr ums Jahr 1730 gestattet, nachdem Hong Hai, der zweite Kaiser aus der jetzigen Dynastie, durch einen Befehl die Erlaubniß zur Errich⸗ tung eines öffentlichen Theaters in Peking gegeben hatte. Zur Er⸗ innerung an die drei Gründer Tin, Tau und Tschung findet alljährlich einmal eine besondere Festfeier statt, welche drei Tage dauert und zwar ist von jedem Tage ein ganzes Drittel für diese Feier ausschließ⸗ lich bestimmt. Der Verfasser bietet in seinem Buch eine anziehende Beschreibung eines solchen Festes, dem er in San Francisco beiwohnte. Er schildert die Absonderlichkeiten, Ueberraschungen und phantastischen Ideen des Stückes, dessen kurzgefaßten Inhalt ein Schauspieler in folgenden einfachen Worten ankündigt: „Heute ist der Geburtstag der Göttin der Gnade, wir wollen Alle hingehen und ihr Glück wünschen“ Und nun folgt die meist panto⸗ mimische, durch Akrobatenkunststücke, Aufzüge, symbolische Ceremonien unterbrochene Handlung. — Der Name des besten Schauspiels, das in chinesischer Sprache geschrieben ist, lautet: Lok⸗Kwog⸗Fong; es handelt fast ausschließlich von der Vereinigung der sechs chinesischen Königreiche durch den Premier⸗Minister Schung, einige hundert Jahre vor Christi Geburt. Ursprünglich waren die Schauspiele in China rein historischen Inhalts, bald aber traten gewiss Nuancirungen ein, sodaß man jetzt sieben verschiedene Abarte unterscheiden kann, nämlich: I. Fu⸗Tscheng (Rein histo risches Schauspiel oder Trauerspiel), II. Fai Wud (Lustspiel), III. Oi⸗Yu (Platonisches Liebesdrama), IV. Tai Mong (Höfisches Drama), V. Hong⸗Koi (Ritterliches Drama), VI. YPuen⸗Wang (Ver⸗ folgungsdrama), VII. Po⸗Yeng (Das Verdienst belohnende Drama); die drei letztgenannten sind Melodramen. An die Bedeutung dieser Bühnenwerke, die darin bearbeiteten Stoffe in ihrem Zusammenhange mit den öffentlichen und sittlichen Zuständen in China, knüpft der Verfasser eine Reihe Hharakteristischer Bemerkungen, welche eine eingehendere Kenntniß der chinesischen Gesellschaft vor⸗ aussetzen. Der Schauspielerstand ist kein geachteter in China. Der Schauspieler ist von jeglicher Vertrauens stellung oder staatlichen Anstellung ausgeschlossen, ebenso seine Söhn Enkel und sonstige Nachkommenschaft. Möchte die finanzielle Stellung eines Schauspielers aber noch so glänzend sein, es würde sich kein Chinese dazu hergeben, Berufsschauspieler zu werden und somit einem Stande anzugehören, der zu den verächtlichsten der verächtlichen ehört. Weil aber das Gesetz den Schauspielern nebst ihren Nach⸗ kommen das Ergreifen eines anderen Berufes streng verbietet weil si sozusagen vervehmt sind, halten sie es nicht der Mühe für werth Ersparnisse anzulegen und stecken sogar ziemlich tief in Schulden. Das Resultat davon ist, daß San Francisco die beste chinesische Schauspielertruppe besitzt, weil viele Schauspieler, aus finanziellen Rücksichten gezwungen, ihrem Vaterlande den Rücken kehren. — Das anregend geschriebene Buch wird für viele Leser von Interesse sein. Der Preis desselben beträgt 1 ℳ 8 8