Um 3 Uhr empfingen Se. Majestät den Besuch des Groß⸗ fürsten Wladimir und demnächst, nach einer kurzen, dem Maler Doepler jr. gewährten Audienz, den Besuch des Groß⸗ herzogs von Mecklenburg⸗Schwerin und des Herzogs Paul
von Mecklenburg. 8 Se. Majestät arbeiteten darauf längere Zeit allein, empfingen um 6 Uhr den Prinzen Leopold von Bayern, arbeiteten darauf mit dem Regierungs⸗Rath von Brandenstein
und empfingen um 7 ½ Uhr den Oberst⸗Kämmerer Grafen zu
Stolberg Wernigerode.
Am Souper nahmen der Großherzog von Hessen, der
Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin von Baden sowie der Prinz und die Prinzessin Heinrich Theil.
— Ihre Majestät die Kaiserin und Königin Augusta empfing gestern den General⸗Feldmarschall Grafen Moltke und gegen Abend den Besuch Ihrer Königlichen Hoheiten des Prinzen und der Prinzessin von Wales, des Prinzen Albert Victor sowie des Prinzen Christian von Schleswig⸗Holstein und später des Großherzogs von Sachsen. Heute Vormittag empfing Ihre Majestät den Grafen zu Stolberg⸗Wernigerode und stattete mit Ihrer Königlichen I der Großherzogin von Baden Ihrer Majestät der aiserin Victoria einen Besuch ab. Von dort begab Sich Ihre Majestät mit der Großherzogin ach der Friedenskirche, wo Ihre Majestät einige Zeit verweilte.
— Mit Allerhöchster Genehmigung wird in sämmtlichen christlichen Kirchen der Monarchie von den Kanzeln die nach⸗ stehende Bekanntmachung des Ablebens Seiner Hochseligen Majestät des Kaisers und Königs Friedrich am Sonntag, den 24. Juni, verlesen werden:
„Eine neue Heimsuchung hat Gott der Herr über uns verhängt. Nach Seinem unerforschlichen Rathschluß ist binnen wenigen Monaten der zweite Deutsche Kaiser aus diesem Leben abgerufen worden. Am 15. Juni 1888, Vormittags 11 Uhr 12 Minuten, ist unser innigst geliebter Kaiser, König und Herr,
Herr Friedrich,
sanft entschlafen. Seit mehr denn Jahresfrist hat bange Sorge um das Leben des Theuren das preußische und das gesammte deutsche Volk bedrückt. Flammte auch, wenn vor⸗ übergehend Besserung einzutreten schien, immer von Neuem die Hoffnung auf, nur zu bald mußte sie in Enttäuschung enden. Menschliches Wissen und Können, hingebendste Sorg⸗ falt und Pflege, waren machtlos gegen die tückische Krank⸗ heit, welche schleichend die Lebenskraft des geliebten Fürsten untergrub.
Nun hat der Königliche Dulder ausgerungen. Die Kaiserin und Königin trauert um den geliebten, so treu gepflegten Gemahl. Die Kinder beweinen den liebevollen Vater. Die hochbetagte Mutter beklagt den Verlust des einzigen Sohnes. Das Königliche Haus vermißt seimn theures Haupt. Und das “ um den Heimgang seines heißgeliebten Landes⸗ vaters.
Seine edle Männlichkeit, Seine machtvolle Erscheinung, Sein ritterlicher Sinn, Seine Leutseligkeit und Freundlichkeit
ewannen Ihm frühzeitig die Herzen. Vor Allen hingen mit
egeisterung Ihm an die, welche unter Ihm gekämpft und gesiegt hatten. „‚Der Süden und der Norden Deutschlands 81 in der Liebe zu Ihm, in dem Vertrauen auf Ihn ge⸗ einigt.
Allein trotz der Höhe, auf der Er stand, trotz des Ruhmes, der Ihn umstrahlte, trotz der Liebe, die Ihn umgab, war es bsheh e“ tiefster Selbstverleugnung, 88 Ihn Gott ge⸗ fü at. 8
An einem der Gedenktage aus der Zeit der Befreiungs⸗ kriege, am 18. Oktober, im Jahre 1831 geboren, wurde Er in einem Alter, wo andere noch in der Vollkraft des Lebens und Wirkens stehen, dahingerafft. Von Jugend auf für den Thron bestimmt, hat Er denselben nur wenige Tage über drei Monate eingenommen. Ein Friedenswerk wollte Er vollbringen; un⸗ bekümmert um den Glanz ruhmbringender Großthaten, wollte Er zufrieden sein, wenn Seine Regierung dem Volke wohl⸗ thätig, dem Lande nützlich und dem Reiche ein Segen sei. Gott hat es Ihm nicht beschieden, Seine in der Stille gereiften Gedanken und Grundsätze allzumal zu verwirklichen.
Ein siegreicher Held im Kriege, hat Er Sich auch als Helden erwiesen im Dulden und Tragen. Lerne leiden, ohne zu klagen — diese Loosung hat Er selbst geübt. Still, er⸗ geben, voll ungebrochenen Gottvertrauens hat Er Sein schweres Geschick getragen und mit jener erhabenen Tapferkeit, die Er in zahlreichen Schlachten bewiesen, hat Er auch dem nahenden Tod ins Angesicht geschaut.
Nun Er von uns geschieden ist, wollen wir Ihm ein ehrendes Gedächtniß bewahren! Laßt uns Gott danken für Alles, was durch den Entschlafenen für unser Vaterland ge⸗ schehen ist! Laßt uns auch zu Gott flehen, daß er unseren nunmehrigen Kaiser, König und Herrn,
Herrn Wilhelm II.,
ausrüste mit der Kraft aus der Höhe, damit Er Seines erhabenen Berufs warte Gott zu Ehren und dem Volke zum Segen! Wir aber wollen uns demüthigen unter die gewaltige Hand Gottes, damit wir auch erfahren: „Tröstet, tröstet mein Volk! spricht euer Gott“. Amen.“
— Der Ausschuß des Bund esraths für Zoll⸗ und Steuerwesen und die vereinigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Handel und Verkehr sowie für Zoll⸗ und Steuerwesen, für Handel und Verkehr und für Rech⸗ nungswesen hielten heute Sitzungen.
— Ein Restaurateur, welcher vorsätzlich gesund⸗ Seitl Nahrungsmittel anschafft und in seine
Zirthschaftsräume bringt g wecke der Zubereitung und Verwendung derselben für seine Gäste, macht sich, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, II. Strafsenats, vom 17. Fe⸗ bruar d. J, dadurch des Versuchs des Feilhaltens gesund⸗ heitsschädlicher Nahrungsmittel schuldig. Zur Annahme der Vorsätzlichkeit genügt der Umstand, daß der Restaurateur zwar nicht weiß, daß die Gegenstände gesundheitsgefährlich, weil er zPeihlt öber, sc 78 P len 98 von ihrer Beschaffenheit
t „ aber ihren Verkauf a
sie gesundheitsgefährlich sind. EE
— Ueber die Frage, ob ahlreiche, in einem Stadt bezirk und zwar uneingezäunt im srgen vanh. belegene kleine Par⸗ zellen, welche meistens von Fabrikarbeitern gepachtet sind und
von diesen zum Gemüse⸗ und Kartoffelbau für den eigenen Hausbedarf bewirthschaftet werden, als Hausgärten im Sinne des §. 1 Absatz 5 des landwirthschaftlichen Unfall⸗ versicherungsgesetzes anzusehen seien, hat das Reichs⸗ Versicherungsamt sich in einem Bescheide vom 28. Mai d. J. (Nr. 532) dahin ausgesprochen, daß behufs Herbeiführung einer Entscheidung empfohlen werden müsse, für Aufnahme der in Rede siehenden Be⸗ triebe in das Unternehmerverzeichniß (§. 34 des landwirtb⸗ schaftlichen Unfallversicherungsgesetzes) unter eingehender Dar⸗ legung der thatsächlichen Verhältnisse Sorge zu tragen, damit die Berufsgenossenschaft Veranlassung habe, zu der Frage selbst Stellung zu nehmen, und damit eventuell eine end⸗ gültige Entscheidung in dem durch 1 38 a. a. O. (vergleiche auch Artikel VI 8 er 2 des preußischen Ausführungsgesetzes vom 20. Mai 1887) geordneten Verfahren herbeigefüͤhrt wer⸗ den könne. Im Uebrigen wurde darauf hingewiesen, daß bei Auslegung des landwirthschaftlichen Unfallversicherungs⸗ esetzes davon auszugehen sei, daß jeder Betrieb, der einer Art nach als ein land⸗ oder eö anzusehen ist, ohne Rücksicht auf seinen Umfang dem genannten Gesetz unterfällt. Die bei Berathung des Entwurfs von einer Seite geltend gemachte Absicht, die kleinsten Betriebe von der Wirkung des Gesetzes ganz auszunehmen, fand in dem Gesetze selbst keine Verwirklichung, führte vielmehr nur zur Annahme des §. 16 des landwirthschaftlichen Unfallversicherungsgesetzes, wonach landesgesetzlich oder statutarisch diejenigen Betriebe, welche mit erheblicher Unfallgefahr nicht verbunden sind undin wel⸗ chen ihres geringen Umfanges wegen Lohnarbeiter nur ausnahms⸗ weise beschäftigt werden, von Genossenschaftsbeiträgen ganz oder theilweise frei gelassen werden können. Vergleiche die Be⸗ gründung zu §. 1 des Gesetzentwurfs, Verhandlungen des Reichstages 6. Legislatur⸗Periode, II. Session 1885/86 Band IV Seite 405, sowie den Kommissionsbericht eben⸗ daselbst, Band VI Seiten 1187 ff. Diesem allgemeinen Standpunkt des Gesetzes gegenüber erscheint die Porschrift des §. 1 Absatz 5, wonach die ausschließliche Bewirthschaftun von Haus⸗ und Ziergärten als landwirthschaftlicher Betrieb nicht gelten soll, als eine Ausnahmebestimmung, welche eine ausdehnende Auslegung nicht zuläßt. Die ent⸗ fernt von dem Hause oder der Wohnung des Unternehmers im freien Felde gelegenen, uneingefrie⸗ digten kleinen Parzellen aber deswegen allgemein als Hausgärten anzusehen, weil die auf diesen Flächen gebauten Gemüse, Kartoffeln und dergleichen lediglich für den Bedarf der eigenen Hauswirthschaft des Unternehmers gewonnen werden, hierfür dürfte sich weder in der Entstehungsgeschichte des Gesetzes, noch auch, wie mit Recht bemerkt worden ist, in dem allgemeinen Sprachgebrauch eine ausreichende Stütze finden. Wenn sodann hervorgehoben wird, daß die Be⸗ wirthschaftung der bezeichneten kleinen Parzellen in der Regel von deren Anpächtern ohne fremde Arbeitshülfe bewirkt wird, so wird doch die Verwendung von gesetzlich der Versicherungspflicht unterliegenden Familien⸗ angehörigen des Unternehmers bei Bearbeitung jener Flächen nicht selten sein. Da aber endlich in den Grenzen des §. 41 des Genossenschaftsstatuts auch der Unternehmer selbst und dessen Ehefrau, soweit diese Personen in dem Betriebe thätig sind, der Versicherung unterliegen und zwar auch dann, wenn sie ausschließlich, das heißt ohne Zuhülfenahme fremder Arbeitskräfte beziehungsweise versicherungspflichtiger Familien⸗ angehöriger, die im Betriebe nöthige Arbeit verrichten, so wird schon aus diesem Grunde die Aufnahme der fraglichen kleinen Betriebe in das Unternehmerverzeichniß kaum zu umgehen sein.
— Der Chef der Marine⸗Station der Nordsee, Vize⸗ Admiral Graf von Monts, hat sich von hier aus nach Bremerhaven und Wilhelmshaven begeben.
Württemberg. Stuttgart, 20. Juni. (W. T. B.) Der König ist heute Vormittag nach Friedrichshafen ab⸗ gereist. Die Königin bleibt noch bis zum 30. d. M. hier und folgt alsdann dem König an den Bodensee nach.
Mecklenburg⸗Schwerin. Rostock, 19. Juni. (Meckl. Nachr.) Der Konvent der mecklenburg⸗schwerin'schen Stände wurde heute hier im Fürstensaal des Rathhauses unter Betheiligung einer großen Anzahl von Ständemitgliedern eröffnet, um über die Bewilligung einer Landeshülfe wegen der Elbüberschwemmungen zu berathen.
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 19. Juni. (Th. C) Da die Zeit zu kurz bemessen war, um die Trauer⸗ gottesdienste für Kaiser Friedrich bereits am Montag abhalten zu lassen, so war der heutige Tag für dieselben bestimmt worden. Dem Gottesdienst in der entsprechend geschmückten Stadtkirche wohnten die Groß⸗ herzogin, die Erbgroßherzogin mit ihren beiden Söhnen, die Hofstaaten, der Königlich preußische Gesandte am Uhah Hofe, von Derenthall, die Spitzen der Be⸗ hörden und eine die Kirche bis auf den letzten Plat füllende Trauerversammlung bei. Seitens des Hofes sind die gleichen Trauerverordnungen, wie in Anlaß des Todes Kaiser Wilhelm's ergangen, ebenso Seitens der Be⸗ hörden. Die Bureaux, Schulen und zahlreiche gewerb⸗ liche Etabissements waren heute geschlossen. — Das Groß⸗ herzogliche Haus wird den Geburkstag des Großherzogs in Folge der Trauer in größter Stille in Dornburg begehen. Oeffentliche Feiern dieses Tages waren schon vorher in Folge eines Wunsches Sr. Königlichen Hoheit aufgegeben worden.
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 18. Juni. (Wien. Abdp.) Anläßlich des Heimganges Sr. Maäjestät des Deutschen Kaisers und Königs von Preußen Friedrich III. werden in den Gotteshäusern der beiden evangelischen Gemeinden Wiens feierliche Trauergottesdienste stattfinden, und zwar Donnerstag, den 21. d. M., 11 Uhr Vormittags, in der reformirten Kirche in der Dorotheergasse und Freitag, den 22. d. M., um 10 Uhr Vormittags, in der lutherischen Kirche
in der Gumpendorferstraße.
Trautenau, 18. Juni. Einer der deutschen Abgeord⸗ neten Oesterreichs, Dr. Franz Roser, hielt heute Nachmittag in der in seinem Wahlbezirk gelegenen Gemeinde Porschnitz eine Wählerversammlung ab⸗ in welcher er über die eben abgelaufene Reichsrathssession Bericht erstattete. Er schickte seinem Bericht folgende Worte voraus: „Der ruhmbekränzte Sieger von Wörth, Kaiser Sveeer ist am 15. Juni seinen Leiden erlegen. Die
rauer ist eine allgemeine. Ganz Deutschland bildet eine ein⸗
Kaisers erfüllt
zige trauernde Familie. Die Nachricht von dem Tod des großen jedes deutsche Herz mit Wehmuth. Ueberall,
wo Deutsche wohnen, ja überall, wo fühlende Men schen wohnen wird die Faceht von dem Tod des edelsten der vehrn ergreifend wirken, selbst seine Feinde werden an dessen Bahre trauern. Kaiser Friedrich war ein Fürst im edelsten Sinne des Wortes — er war ein Held und Mär⸗ tyrer, wie man seinesgleichen nicht leicht findet. Er ertrug die Tücke seines Leidens mit ritterlich männlicher Kraft, man kann wohl sagen mit Heldenmuth. Mit heldenhafter assung, mit ungeschwächter illensstärke ist er dem Tode ent⸗ gegengegangen. Trotz seiner schweren Erkrankung, nicht achtend seines Siechthums, trotz des herben Schmerzes um den theuren Vater, ging er mit Eifer, mit Aufopferung an die Arbeit. Er verfolgte nur ein Ziel: Das Wohl des deutschen Volkes. Kaiser Friedrich hat in der kurzen Zeit seines Regierens sich die unbegrenzte Liebe des deutschen Volkes erworben. Er genoß bei Hoch und Nieder Achtung und Liebe. Ich ersuche Sie, meine Herren, sich zum Zeichen der Trauer von Ihren Sitzen zu er⸗ heben.“ Erst nachdem die Versammlung unter einhelliger Se dieser Aufforderung gefolgt war, ging Abg. Dr. Roser an die Erstattung seines Berichtes. Er erwähnte in demselben auch des zwischen Deutschland und Oesterreich geschlossenen Bündnißvertrages vom Jahre 1879 und bezeichnete Kaiser Wilhelm II. als einen Monarchen des Friedens, der mit dem Kronprinzen Rudolf auf das Innigste befreundet sei.
Pest, 19. Juni. (W. T. B.) Im Oberhause widmete der Präsident Baron Vay dem Heimgang des Kaisers
riedrich einen Nachruf: Man werde schwerlich in den Annalen der Nationen einer begegnen, welche solche Theilnahme in der ganzen civilisirten Welt gefunden, wie die leider eingetretene. „Der heimgegangene Bundes⸗ genosse unseres erhabenen Königs und der Monarchie hat sich trotz seiner kurzen Regierung ein esegnetes, bleibendes Andenken zu sichern gewußt. ie das hohe Haus der Magnaten anläßlich des Ablebens Sr. Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm seine Theil⸗ nahme bekundete, so wollen wir anläßlich des Hintritts seines Erlauchten Nachfolgers ein Gleiches thun. (Lebhafte Zu⸗ stimmung.) Lassen Sie uns daher feierlich, eines Sinnes, eines Herzens aussprechen, daß die Mitglieder des hohen Magnatenhauses, an ihren bisherigen Gefühlen festhaltend, auch bei diesem Anlaß den innigsten Antheil nehmen an der tiefen Trauer des Deutschen Reichs.“
Nach allseitiger Zustimmung Seitens des Hauses wurde der Minister⸗Präsident ersucht, den Ausdruck der theilnahms⸗ vollen Trauer der Regierung des Deutschen Reichs zur oEo 1 19. Juni. (W. T. B.) Der Budgetausschuß der österreichischen Delegation nahm das 11“ des Heeres sammt den in demselben enthaltenen Mehr⸗ forderungen unverändert nach der Regierungsvorlage an, nachdem dieselben Seitens des Kriegs⸗Ministers eingehend motivirt worden waren.
Großbritannien und Irland. London, 19. Juni. (W. T. B.) Im Unterhause wurde bei der Ee e ber dene der Lokalverwaltungsbill der Unterantrag zum §. 7, welcher die Bestimmung enthält, daß die Ernennung des Chefs der Polizei dem Magistrat verbleibe, von der Regierung bekämpft und schließlich mit 246 gegen 216 Stimmen “ 19 (W. T. B
Manchester, 19. Juni. T. B.) Der Bürger⸗ meister richtete an Se. Majestät den Kaiser Wtlge’n. dia Schreiben, in welchem er der tiefen Trauer Ausdruck giebt, welche die Bürger Manchesters empfanden, als die Nachricht von dem Hinscheiden Kaiser Friedrich's eintraf; er (der Bürgermeister) bittet die göttliche Vorsehung, sie möge Sr. Majestät in der gegenwärtigen Prüfungszeit Trost gewähren.
Frankreich. Paris, 18. Juni. (Köln. Ztg.) In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer 18)-2, mte einen Antrag auf den Tisch des Hauses, wonach jedes ohne nach ewiesene Gründe während eines Monats abwesende
arlamentsmitglied als ausgetreten angesehen wird. Die Lammer sprach sich mit 385 gegen 9 Stimmen für die Dring⸗ lichkeit dieses Antrags aus.
Spanien. Madrid, 19. Juni. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Senats verlas der Präsident eine Mittheilung des deutschen Botschafters Freiherrn von Stumm, in welcher dem Senat für seine Beileidskundgebun⸗ gen anläßlich des Todes Kaiser Friedrich's der Dank ausge⸗ sprochen wird; diese Kundgebung sei dem Kaiser Wilhelm übermittelt worden. Der Senat beschloß, die Mittheilung den Akten einzuverleiben.
8 In der Deputirtenkam mer erklärte der Minister des Innern, Moret, es berechtige Nichts zu der Annahme, daß die Regierung von ihrer bisherigen Politik, welche auf absoluter Vengraggeat beruhe, 88.- sc werde. Von der Absicht, irgend welche Bündnisse mit auswärtigen Mächten abz ieß sei eden kens heehe g chten abzuschließen, sei
Schweiz. Bern, 19. Juni. Sitzun des Ständeraths wurde von dem Präsidenten Schoch mit folgenden Worten eröffnet:
„Gestern ist in der Friedenskirche zu Potsdam Kaiser Friedrich von Deutschland beigesetzt worden, nachdem ihm der Tod am 15. d. M. die Erlösung von langem Leiden gebracht hatte. Der Kaiser aus dem Hause Oesterreich, welcher in der ersten Periode des Deutschen Reichs den Namen „Friedrich III.“ führte, war 53 Jahre hindurch Träger der Krone; auf dem Haupt des edlen Sprossen aus dem Stamme der Hohenzollern hat sie nicht einmal doppelt so viele Tage geglänzt; und diese kurzen Herrschertage waren noch dazu ebensoviele schwere Schmerzenstage; eine tückische Krankheit hatte den herrlichen Kern im Mark getroffen und so sank er, der vorher so hoch und prächtig emporgeragt, in der Vollkraft der Jahre zusammen Kaiser Friedrich hat ein leuchtendes Beispiel gegeben, wie herbe Leiden mit Ergebung und Mannesmuth zu tragen sind. Ehren auch wir die Heldenhaftigkeit, die er nicht nur auf Schlachtfeldern, sondern besonders auch auf seinem eigenen schweren Leidensgang bewiesen hat! Geben auch wir dem Gefühl der herzlichen Theil⸗ nahme an den Leiden, von welchen das Herrscherba us des großen Deutschen Reichs betroffen worden ist, Ausdruck. Ich ersuche Sie,
meine Herren, sich zu Ehren des Hochseligen Kai jedri den Sitzen zu erheben!“ ““
Belgien. Brüssel, 19. Juni. (W. T. B.) Bei den heutigen Stichwahlen für den Senat und die Kammer gewannen die Katholiken sämmtliche acht Sitze im Senat, und außer den bereits innegehabten 14 Sitzen in de Kammer noch e inen, den bisher die Liberalen beseßern Von der libe⸗ ralen Liste wurde Bürgermeister Buls allein gewählt. Nach den offiziellen Resultaten besteht die Kammer aus 97 Katho⸗ liken und 41 Liberalen, und der Senat aus 50 Katho⸗ liken und 19 Liberalen. v11“ 8
(W. T. B.) Die heutige
8 dem Rechte ein treuer Wächter zu sein.“ e
Serbien. Belgrad, 19. Juni. (W. T B.) Das Amtsblatt“ veröffentlicht die Anordnung des Königs, vonach für Kaiser Friedrich die Hoftrauer auf vier Pochen anberaumt wird.
. Dänemark. Kopenhagen, 19. Juni. (W. T. B.) In er heutigen Sitzung des Staatsraths wurde das pro⸗ isorische Gesetz vom 2. November 1885, betreffend die Ver⸗ gehen gegen die öffentliche Ruhe und Ordnung, sowie gegen
b reßvergehen, welches ein schärfender Zusatz zum allgemeinen hürgerlichen Strafgesetz war, aufgehoben.
Amerika. Chicago, 19. Juni. 8b T. B.) Die epublikanische Konvention zur Aufstellung von Kan⸗ didaten dieser Partei für die Präsidentschaft und die
Vize⸗Präsidentschaft der Vereinigten Staaten trat heute hierselbst zusammen. Der Versammlungssaal, pelcher etwa 10 000 Personen faßt, war gefüllt. Nach Wahl eines provisorischen Bureaus mit Thurston von Nebraska als Vorsitzenden der Konvention vertagte sich Letztere auf morgen. Andeutungen auf die Präsidentschaft Blaine's riefen leb⸗ haften Beifall hervor.
Zeitungsstimmen.
Zu der Proklamation Sr. Majestät des Kaisers und Königs äußert der „Hannoversche Courier“:
In dem Aufruf „An Mein Volk!“ erklärt der Kaiser und König mit besonderer Feierlichkeit nach dem Beispiel seiner Väter, Gott gelobt zu haben, „dem Volke ein gerechter und milder Fürst zu sein, Frömmigkeit und Gottesfurcht zu pflegen, den Frieden zu schirmen, die Wohlfahrt des Landes zu fördern, den Armen und Bedrängten ein In diesem Gelöbniß
s jungen Herrschers liegt für das Volk die sicherste Bürgschaft, daß die Bahnen nicht verlassen werden, auf denen Preußen von Geschlecht zu Geschlecht unter Führung seiner Fürsten sich empor⸗ gerungen hat zu seiner heutigen Größe, alle Hindernisse siegreich über⸗ windend. Kaiser Wilhelm hat die ruhmvollen Vorbilder seines Groß⸗ vaters und Vaters vor Augen, die wohl zu unterscheiden wußten zwischen aufrichtiger Frömmigkeit und Gottesfurcht, welche einem wahrhaft gläubigen und christlichen Herzen entspringen, und der Heuchelei, welche die Maske der Frömmigkeit urd Gottesfurcht vornimmt, um blishge Zwecke zu verfolgen, den Guten Fallstricke zu legen und
en Argen und Bösen zu Würden und Ehren zu verhelfen. Die Geschichte der Könige Friedrich Wilhelm II. und Friedrich Wil⸗ helm IV. lehrt mit Flammenschrift, wohin die Fürsten gerathen, wenn sie Frömmlern und Heuchlern ihr Ohr leihben. Kaiser Wil⸗ helm wird jene von sich weisen, wie es einst sein Großvater gethan, er will die wahre Frömmigkeit und Gottesfurcht dem Volke er⸗ halten, darum müssen die Scheinheiligen und Lippenfrommen fern eehalten werden, sie, die der wahren Religion so viel Schaden und
bbruch thun. 1
Wie Kaiser Friedrich gelobte, ein gerechter und in Freud und Leid ein treuer König zu sein, so will auch König Wilhelm ein treuer Fürst seinem treuen Volk sein. Und auf die Treue seiner Preußen
ann sich der König zu jeder Zeit verlassen, sie haben in jeder Noth und Gefahr Pmentweh zur Hohenzollernfabne gehalten und ihr Wahl⸗ spruch wird immer bleiben: Treue um Treue!
Die „Danziger Zeitung“ bemerkt:
y.. Die kurzen Sätze der Proklamation sind inhaltsvoll genug. Er gelobt, dem Beispiele seiner Väter zu folgen. Wer da weiß — und Jedermann weiß es —, wie ernst und ideal die Hohen⸗ pllernfürsten stets ihren hohen Beruf aufgefaßt haben, wie namentlich die letzten beiden Herrscher Musterbilder aller Regententugenden waren, der wird auch zu schätzen wissen, ein wie hohes Ziel sich eer junge Kaiser gesteckt hat. Und er betont außer der Frömmigkeit besonders die Milde und Gerechtigkeit, Eigenschaften, die seinen Vorgängern in hervorragendem Maße eigen waren. Er will die Bedrängten schützen — welche Aufgabe ist eines Königs vürdiger? Er will dem Rechte zu seinem Rechte verhelfen — was iert den Herrscher eines Volkes mehr, als Unparteilichkeit und Gerechtigkeit? Sein Großvater war ein Friedenshort; sein Vater herkündete als ersten Grundsatz: Deutschland zu einem Hort des Friedens zu machen. In ihre Fußstapfen tritt würdig der Enkel mit seiner Versicherung, den Frieden schirmen zu wollen. Dieses feierliche Gelöbniß wird, wie es uns Deutsche mit hoher Befriedigung erfüllt, des Eindrucks auch im Aus⸗ aande nicht entbehren und sicherlich diejenigen Befürchtungen zerstreuen, die von mißgünstiger Seite früber hier und da bezüglich der Ge⸗ ünnungen des jungen Fürsten erweckt worden sind. Wie die bis⸗ herigen, so klingen namentlich die letzten Theile vielfach an Kaiser riedrich's Proklamation harmonisch an. Friedrich betonte die „un⸗ rennbare Verbindung zwischen Fürst und Volk“; auch sein Nachfolger weist auf diese Gemeinschaft hin. Jener hatte gelobt, „ein gerechter und n Freud und Leid treuer König zu sein“; auch dieser, nachdem er das reue Festhalten des Volkes am Königshause anerkannt, ver⸗ pricht der „treue Fürst eines treuen Volkes“ zu sein. Der Vater rachte dem Volk sein „rückhaltloses Vertrauen“ entgegen; auch der Sohn betont sein „Vertrauen zum preußischen Volk“. Dank ihm ür dieses Wort! Wir wiederholen das Gelübde, welches des Volkes Antwort auf Friedrich's großherzige Ansprache war, auch jetzt: Kaiser Wilhelm's Vertrauen findet Vertrauen. Treu und ergeben, wie allen Hohenzollern, gelobt das Volk auch dem jetzigen Kaiser unwandelbare Treue, der unter so beispiellos chwierigen Umständen sein hohes, verantwortungsvolles Amt über⸗ ommen hat. Es ist ein wahres Wort, wenn Kaiser Wilhelm zum Schluß seine Zuversicht setzt auf die Gegenseitigkeit der Liebe, welche hn mit dem Volke verbindet. Unsere inbrünstigen Wünsche vereini⸗ gen sich mit den seinigen, daß seine Regierung dem Vaterlande zum
hegen gereichen werde. 8 “ Heil Kaiser Wilhelm!
Die „Schlesische Zeitung“ schreibt:
Herzerhebend und herzerfreuend sind die Worte, welche Wilhelm II. nach der Beisetzung der irdischen Hülle seines heißgeliebten Vaters an bein Preußenvolk gerichtet hat. Zu diesem nur spricht er in Kundgebung. An den Satzungen des nationalen Staatsrechtes streng esthaltend, gleichzeitig aber seine eminente Stellung als Oberhaupt des Reichs in ihrer vollen Bedeutung würdigend, hat er den Reichstag zu iner außerordentlichen Session berufen, um vor diesem in feierlicher Thronrede sein Wort an die ganze deutsche Nation zu richten. „In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister“, sagt unser Dichter. Be⸗ chränkung aber charakterisirt das eben an uns ergangene schöne Königswort „An Mein Volk“ noch nach anderer Richtung. Auf den ersten Blick mag es Manchen überraschen, daß dasselbe von Achtung und Wahrung der verfassungsmäßigen Rechte und Pflichten beine Silbe enthält. Aber auch das beruht auf reiflicher Erwägung. Zu dem Zwecke, die Verfassung zu beschwören und damit dem preußischen Volke in bindendster Weise Bürgschaft für die Heilig⸗ haltung seiner Rechte und Freiheiten zu gewäbren, soll der preußische Landtag gleichfalls zu einer außerordentlichen Session berufen werden. Beides wäre nach dem Buchstaben des F Rechtes aller⸗ dings nicht geboten. Einer Berufung des Reichstages, eines Appells an die Vertreter der ganzen deutschen Nation bedurfte es nach den Satzungen des Staatsrechtes überhaupt nicht, die Beschwörung der preußischen Ver⸗
fassung aber hätte füglich bis zur Einberufung des im Herbst dieses Jahres eu zu wählenden Landtages hinausgeschoben werden können, da die Ver⸗ assung eine Frist, binnen welcher der König den Eid auf das Staatsgrund⸗ esetz zu leisten hat, nicht bestimmt. Daß Wilhelm II. trotz dessen
n anderer Weise entschieden hat, daß er die parlamentarischen Ver⸗ etungen in Reich und Staat schon in seinen ersten Regierungsacten
weit in den Vordergrund stellt, zeugt von dem Geist, der ihn erfüllt und in seiner Regierung lebendig bleiben soll. Aber neben diesem Geiste des modernen Repräsentativsystems, ohne welches der moderne Kulturstaat nicht mehr denkbar ist, waltet in unserem Königlichen Preußen, noch ein anderer Geist, der sich nicht in Paragraphen fassen, dem sich auf einem beschriebenen Blatte Papier“ pragmatisch nicht Ausdruck geben läßt. Es ist der Geist gegenseitiger Liebe, gegenseitiger Treue, gegenseitiger Pflicht, in dem Fürst und Volk sich einander verbunden wissen. Und dieser Geist ist es, der den mit den Worten „An Mein Volk“ beginnenden Appell des lieben jugendlichen Königs so herzerquickend durchweht. In dem ersten Theil der Königlichen Kundgebung gedenkt der pietätvolle Sohn der Tugenden seines heimgegangenen Vaters, des Königlichen Dulders, „dessen Herz“, wie er mit gerechtem Stolze sagt, „stets für alles Große und Schöne geschlagen“. Dann aber folgt, die Perle des Ganzen, ein Gelöbniß, wie es frömmer, schlichter und wärmer noch kein Erdenfürst vor seinem Volk gethan: „Auf den Thron Meiner Väͤter berufen, habe Ich die Regierung im Aufblick zu dem Könige aller Könige übernommen und Gott gelobt, nach dem Beispiel Meiner Väter Meinem Volke ein gerechter und milder Fürst zu sein, Frömmigkeit und Gottesfurcht zu pflegen, den Frieden zu schirmen, die Wohlfahrt des Landes zu fördern, den Armen und Bedrängten ein Helfer, dem Rechte ein treuer Wächter zu sein. Das Herz wurde uns zumeist warm bei den Worten: „den Armen und Bedrängten ein Helfer“. Es mahnt dies lebhaft nicht nur an die große Botschaft unseres unvergeßlichen ersten Kaisers, es läßt das köstlichste Juwel im Ruhmesdiadem der preußischen Hobenzollern herrlich aufleuchten. Nachdem acht Jahr⸗ hunderte hindurch die Feudalherrschaft den Bauer und überhaupt den kleinen Mann als ein Wesen behandelt hatte, das von Gott dazu be⸗ stimmt sei, Frohndienste zu leisten und in Elend zu schmachten, und nachdem dann der dynastische Absolutismus dies Erbgut übernommen und ein weiteres Jahrhundert hindurch wucherisch ausgebeutet hatte, war es Preußens erster Friedrich Wilhelm, der in den Armen und Geringen die Menschenwürde zu Ehren zu bringen begann. Indem er den Schulzwang einführte und damit für eine allgemeine Volksbildung den Grund legte, brach er mit den Ueberlieferungen langer Jahr⸗ hunderte. Die Hohenzollern wurden zu „Helfern der Armen und Be⸗ drängten“. 3
Der dritte und letzte Theil der an das Preußenvolk gerichteten Worte unseres jugendlichen Königs ist der Ausdruck vornehmster, wahrhaft Königlicher Bescheidenheit nnd dabei herzlichster Liebe, innigsten Vertrauens zu seinem Volk. Jedes umschreibende, jedes erläuternde Wort kann der Wirkung nur Abbruch thun. Heißt es doch wörtlich: „Wenn Ich Gott um Kraft bitte, diese Königlichen 1u zu erfüllen, die Sein Wille Mir auferlegt, so bin
dabei von dem Vertrauen zum preußischen Volk ge⸗ tragen, welches der Rückblick auf unsere Geschichte Mir gewährt. In guten und in bösen Tagen hat Preußens Volk stets treu zu seinem Könige gestanden. Auf diese Treue, deren Band sich Meinen Vätern gegenüber in jeder schweren Zeit und Gefahr als un⸗ zerreißbar bewährt hat, zähle auch Ich in dem Bewußtsein, daß Ich sie aus vollem Herzen erwidere, als Fürst eines treuen Volkes, beide gleich stark in der Hingebung für das gemeinsame Vaterland.“ Ein König, der aus des Herzens Tiefe so zu seinem Volke spricht, darf seines Volkes gewiß sein. .
Gott segne, Gott schirme Ihn und in Ihm das Vaterland!
Die Wiener „Presse“ schreibt:
In ihrer schlichten, aber klaren Sprache verkündet die Prokla⸗ mation Kaiser Wilhelm's ein starkes, frommes, gerechtes Regiment, und nicht minder liegt eine ernste Güte in dem Versprechen, ein „milder Fürst“ sein zu wollen und ein „Helfer der Armen und Be⸗ drängten“. Wir können über die allgemein hohen Tugenden hinaus, die sich in der Proklamation mit überzeugender Gewalt geltend machen, die Anzeichen eines nach bestimmten Partei⸗ richtungen individualisirten politischen Programms in dem Re⸗ gierungserlaß des jungen Monarchen nicht finden. Es wäre wohl auch kaum zu erwarten gewesen, daß Kaiser Wilhelm II. mit einem bestimmten Programm den Thron bestiegen hätte, denn über allen Parteien steht die Königliche Würde und Pflicht. Nur ein Wort macht sich in seiner mehrfachen Wiederholung als die sittliche Grundlage des Regierungsgedankens geltend, den der Fürst vor seinem Volk zum Aus⸗ druck bringen will: es ist der Gedanke der Treue. Der Monarch verspricht, dem „Recht ein treuer Wächter“ zu sein, er kennt in der Treue das unzerreißbare Band, welches das preußische Volk jederzeit mit seinen Königen verbunden hat, und so will auch er ein treuer Fürst eines treuen Volkes sein, dem er sein Vertrauen und das Bewußtsein gegenseitiger Liebe entgegenbringt. Das sind milde, gute, boffnungsfrohe und hoffnungerweckende Worte; in dieser Erklärung zeigt sich das Kraft⸗ und Pflicht⸗ bewußtsein des Regenten, und damit ist eine allzeit sichere Grundlage gegeben, auf der sich alle loyalen Unterthanen in ihren Pflichten zusammenfinden können. Daß Kaiser Wilhelm nur jene konservativen Tugenden hervorhebt, welche zwar viele Konservative ausschließlich für sich beanspruchen, die aber als Maximen auch jedem wohldenkenden Manne geläufig sind, damit hat er seine Regierung außer und über die Kontroversen der Parteien gestellt und hat allen Parteien den Weg der allgemeinen patriotischen Pflicht, den Weg zu seinem Herzen, zu seinem Vertrauen gewiesen.
Das Wiener „Fremdenblatt“ findet in den schwung⸗ vollen, knappen und kernigen Worten Kaiser Wilhelm's an seine Preußen Programm genug. Sie sind das Programm eines Fürsten, der sich seiner erhabenen Aufgabe klar bewußt ist. Mit lebhaften Sympathien begrüßt man auch bei uns in Kaiser Wilhelm den würdigen Sohn seines edlen Vaters, einen Schirmer des Friedens, welchem der deutsch⸗österreichische Freund⸗ schaftsbund geweiht ist.
Die „Times“ meint hinsichtlich der Thronbesteigung des Kaisers Wilhelm, es dürfe als ausgemacht gelten, daß Deutsch⸗ land den Frieden wünsche und fortfahren werde, denselben zu wünschen, so lange der Frieden möglich sei zu Bedingungen, die mit der Würde, Wohlfahrt und Stabilität des Reichs vereinbar seien. Wenn, was jedoch durchaus nicht glaubhaft sei, der europäische Friede gestört werde, so werde dies nicht der Fall sein, weil Deutschland etwa aufgehört hätte, den Frieden weniger zu wünschen, sondern weil andere Mächte weniger friedfertig gesinnt seien als Deutschland.
Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheits⸗ amts. Nr. 25. — Inhalt: Gesundheitsstand. Volkskrankheiten in der Berichtswoche. — Flecktyphus im Reg.⸗Bez. Danzig. — Epidemische Genickstarre im Reg.⸗Bez. Oppeln. — Sterbefälle in deutschen Stäadten von 40 000 und mehr Einwohnern. — Desgl. in größeren Städten des Auslandes. — Erkrankungen in Berliner Krankenhäusern. — Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. — Cholera in Singapore. — Pocken auf Cuba. — Desgl. in Cal⸗ cutta. Epidemien in Italien, 3. und 4. Vierteljahr 1887. — Sterblichkeit in deutschen Orten mit 15 000 und mehr Einwohnern, 4. Vierteljahr 1887. — Desgl. in größeren Verwaltungsgebieten des In⸗ und Auslandes. — Witterung Zeitweilige Maß⸗ regeln ꝛc. Thierseuchen in Oesterreich⸗Ungarn. — Hühner⸗Cholera in Italien. — Thierseuchen in Großbritannien. — Medizinalgesetzgebung ꝛc. (Preußen.) Medikamente zur Behandlung von Gefangenen. — (Reg⸗Bez. Düsseldorf.) Anpreisen von Heil⸗ und Geheimmitteln. — (Württemberg.) Verbreitung der Tuberkulose des Rindviehs. — (Frankreich.) Leichentransport von den Kolonien nach Frankreich. — (Großbritannien.) Vieheinfuhr aus Schleswig⸗ Holstein. — (Spanien.) Vieheinfuhr. — (Brasilien, Argentinien
und Uruguay.) Sanitätsvertrag. — Rechtsprechung. (Reichsgericht)
Klagerecht wegen Rauchbelästigung. Vermischtes. Warner's Safe Cure. — (Bayvern.) 1886/87 geprüfte Doktoren und Kandidaten der Medizin. — Geschenkliste.
1 Statistische Nachrichten.
Der Stand des Taubstummen⸗Unterrichts in Preußen. — Nach dem „Statistischen Handbuch für den Preußischen Staat“ (Berlin 1888) gab es am 1. April 1884, dem letzten Er⸗ hebungstermin, 96 Anstalten bezw. Unterrichtsgelegenheiten für Taub⸗ stumme, mit 381 Klassen, in denen insgesammt 3991 Schulpflichtige (darunter 2362 Knaben und 1629 Mädchen) von 463 Lehrkräften unterrichtet wurden. Unter den Lehrkräften waren 132 Hülfskräfte und 63 Lehrerinnen, unter den Schülern und Schülerinnen 863 im Internat und 3128 im Externat. Die Anstalten zerfallen in öffent⸗ liche (Königliche oder Provinzial⸗Unterrichtsanstalten) und solche An- stalten, welche von Gemeinden, Vereinen, aus Stiftungsfonds oder
letzterer 21 mit 93 Klassen. Die gesammten Ausgaben für diesen
Zweig des Unterrichtswesens stellten sich auf 1557 953 ℳ oder 416 ℳ
pro Kopf. Folgende Nachweisung enthält die wichtigsten Daten für
die einzelnen Provinzen: “
Zahl Ausgaben (ℳ)
der Anstalten: Zög⸗ über⸗ pro
öffentl. andere linge Kopf 391 340
274 338 8 401 419 366 520 399 457
Lehr⸗ kräfte Ostpreußen Westpreußen Berlin Brandenburg
osen Schlesien Sachsen Schleswig⸗ Holstein Hannover Westfalen Hessen⸗Nassau Rheinland 2 Hierbei ist zunächst zu bemerken, daß Brandenburg liche Anstalt und 41 Unterrichtsgelegenheiten besitzt und daß in Schlesien keine öffentliche Taubstummen⸗Unterrichtsanstalt vorhanden ist. Die Provinz unterstützt jedoch die drei großen, vom Vereine für den Unterricht Taubstummer in Breslau geleiteten Anstalten mit be⸗ deutenden Beträgen. Die öffentlichen Anstalten und Schulen (bezw. Unterrichtsgelegenheiten in Brandenburg) werden von den betreffenden Provinzialverbänden unterhalten bezw. unterstützt, in Hessen⸗Nassau von den Kommunalverbänden der Regierungsbezirke Kassel und Wiesbaden. der Staat, für die
89 435 60 335 87 161
484 322 627
419
„Die Kost in Ostpreußen
andere die Stadt Berlin. der nichtöffentlichen Anstalten werden getragen:
vom ostpreußischen Centralverein für Erziehung taubstummer Kinder unter Beihülfe der Provinz; in Westpreußen von den Städten unter Beihülfe der Provinz, wozu die Kostgelder Zöglinge kommen; in Brandenburg und Schülerinnen; in Pommern theils von dem Provinzialverbande,
schon genannten Verein und der Provinz von den Städten und der Privatwohlthätigkeit; in Sachsen von dem Unterrichtshonorar der der Zöglinge; in Hannover von der Stadt Emden, wozu milde Bei⸗ träge aus der Provinz, sowie diejenigen der Nutritoren kommen; in Hessen⸗Nassau durch milde Beiträge; in Rheinland von den Vereinen zur Förderung des Taubstummen⸗Unterrichts in Aachen und Köln.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
„Die bildliche Musikschrift, erfunden von W. städt“, ist der Titel eines soeben erschienenen Werkes, das den Zweck hat, unter Beseitigung der bisher gebräuchlichen Notenschrift ein Zahlensystem einzuführen, nach welchem jedes Musikstück, gleich⸗ viel in welcher Tonart es sich bewegt, sofort leicht und sicher auf dem Klavier gespielt werden kann. Die Beobachtung, daß Anfängern das Lernen der Noten so viele Schwierigkeiten bereitet, und daß bei fortgeschrittenen, ja selbst bei sehr fertigen Spielern das Primavista⸗Spiel oft ein wunder Punkt ist, brachte den Erfinder auf den Gedanken, daß dies wohl in der zu großen Komplizirtheit unserer Notenschrift liegen müsse. Dieser Ge⸗ danke hat seine volle Berechtigung. Bei der höchst einfachen und übersichtlichen Tasteneinrichtung unseres Klaviers, die eine Gruppe von 12 Tönen in ihrer Wiederkehr durch alle Oktaven stets so leicht erkennbar und erreichbar darstellt, ist es zu bewundern, daß unsere Notenschrift, von dieser Einfachheit abweichend, jeden Ton (z. B. jedes C) in einer anderen Stellung auf dem Notensystem erscheinen läßt, daß sie ferner durch die vielen Hülfslinien, die
doppelte Notirung des unter und über dem eingestrichenen ec liegenden Tastenabschnittes das Zurechtfinden auf der Klaviatur dem Ausüben⸗ den so sehr erschwert. Die Methode der neuen Mustkschrift ist nun eine sehr einfache und übersichtliche, indem sie sich in genauer Uebereinstim⸗ mung mit unserer Tastenkonstruktion befindet. Ein für den ersten Beginn des Lernenden hülfreicher „Tastenbezeichner“ von Papier, gliedert die Klariatur in ihre 2 Haupttheile: B (Baß) und D (Diskant). Die verschiedenen Oktaven erhalten die lateinischen Nummern: I, II, III u. s. w., die zwölf Tasten tragen in jeder Oktave die deutschen Nummern: 1, 2, 3, 4 u. s. w, so daß die Erkennbarkeit der Lagen und das Auffinden der einzelnen Töne mit überraschender Leichtigkeit Gelegenheit hatte. Liniensystem, Kreuze, B's und Quadrate, Hülfs⸗ linien ꝛc. werden gar nicht gebraucht; die Werthbezeichnung der Töne, wie die Takteintheilung ist ebenfalls leicht erkennbar, und so ist wohl anzunehmen, daß das genannte bei Kistner in Leipzig erschienene Werk, dem noch mehrere in dieser Zahlenschrift gedruckte Musikstücke folgen werden, sich in der Kunstwelt nützlich machen und einer allgemeinen Verbreitung entgegensehen wird.
— Von der zweiten umgearbeiteten Auflage des von Ed. Strützki, Königl. Kammergerichts⸗Rath und richterliches Mitglied des Reichs⸗Versicherungsamts, und St. Genzmer, Königl. Land⸗ rath, bearbeiteten „Leitfadens zum Studium des preußischen Rechts für Kandidaten des Justiz⸗ und Verwaltungsdienstes, ins⸗ besondere für Anwärter des Gerichtsschreiberamtes“ ist soeben im Verlage von Franz Vahlen in Berlin, W. Mohrenstraße 13/14, die fünfte Lieferung erschienen. Preis 2,50 ℳ — Inhalts⸗ verzeichniß: Fünftes Buch: Der Strafprozeß. Titel I. Allge⸗ meine Bestimmungen. Titel II. Die Beweismittel. Titel III. Die Sicherungsmittel. Titel IV. Das Verfahren erster Instanz. Titel V. Die Rechtsmittel. Titel VI. Die Wieder⸗ aufnahme eines durch rechtskräftiges Urtheil geschlossenen Verfahrens. Titel VII. Betheiligung des Verletzten beim Verfahren. Titel VIII. Besondere Arten des Verfahrens. Titel IX. Die Strafvollstreckung und die Kosten des Verfahrens. Titel X. Landesgesetzliches Verfah⸗ ren. — Sechstes Buch: Der Civilprozeß. Titel I. Allgemeine Be⸗ stimmungen. Titel II. Das Verfahren in erster Instanz. Titel III. Die Rechtsmittel. Titel IV. Die Wiederaufnahme des Verfahrens. Titel V. Der Urkunden⸗ und Wechlelveches. Titel VI. Ehe⸗ und Entmündigungssachen. Titel VII. Das Mahnverfahren.
—. Civilprozeßordnungund Gerichtsverfassungsgesetz für das Deutsche Reich nebst den Einführungsgesetzen. Mit Kommentar und Anmerkungen, herausgegeben von G. von Wilmowski, Geheimer Justiz⸗Rath, Rechtsanwalt beim Kammer⸗ gericht zu Berlin‚und M. Levy, Justiz⸗Rath Rechtsanwalt beim Kammer⸗
gericht zu Berlin. Fünfte Auflage. Erste Lieferung (Bogen — 5). Berlin, 1888. Verlag von Franz Vahlen, W. Mohrenstraße 13/14.“
(Berlin.)
von Privaten unterhalten werden. Ersterer gab es 75 mit 288 Klassen,
nur eine öffent⸗
Die Kosten für die eine Berliner ö’ 8 osten
bedürftiger von den Eltern der Schüler
theils durch Zinsen von Kapitalvermögen, aus Erträgen von Grund- stücken und dem Schulgelde der Zöglinge; in Schlesien außer dem
Lind⸗
Vorzeichnungen und Versetzungszeichen nebst ihren Doppelzeichen, durch die zweifache Benennung der abgeleiteten Töne (cis und des), die
zu bewerkstelligen ist, wie Referent selbst an einem Kinde zu beobachten 8