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““] a 5 Die für den Verband zur Erfüllung seiner Aufgaben er⸗ forderlichen Geldmittel werden von den einzelnen Gemeinden und Gutsbezirken des Fürstenthums nach dem Verhältniß der 8 beean zu entrichtenden direkten Staatssteuern auf⸗ gebracht.
„Zeder Gemeinde⸗ oder Gutsbezirk hat die auf ihn ent⸗ fallende Beitragsquote nach dem für die Gemeindeumlagen bestehenden Fuße aufzubringen. E11“ Greiz, am 11. April 1888. Fürstlich reuß⸗plauische Landesregierung.
Faber.
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In Apenrade wird am 20. Juli d. J. Steuermannsprüfung begonnen werden.
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Die Nummer 29 des Reichs⸗Gesetzblatts, welche von heute ab zur Ausgabe gelangt, enthält unter
Nr. 1811 die Verordnung über die Inkraftsetzung des Gesetzes, betreffend die Unfall⸗ und Krankenversicherung der in land⸗ und forstwirthschaftlichen Betrieben beschäftigten Personen, vom 5. Mai 1886 für das Fürstenthum Schwarz⸗ burg⸗Sondershausen. Vom 26. Juni 1888.
Berlin, den 29. Juni 1888. Kaiserliches Post⸗Zeitungs⸗Amt. Didden.
Königreich Preußen.
Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht:
den Gerichts⸗Assessor Fuchs in Hanau zum Amtsrichter in Niederaula, 9
den Gerichts⸗Assessor Kindermann in Volkmarsen zum Amtsrichter in Netra, und
den Gerichts⸗Assessor Stahn in Breslau zum Amtsrichter in Ruhland zu ernennen; sowie 1
dem Amtsrichter Forchhammer zu Wvck auf Föhr den Charakter als Amtsgerichts⸗Rath zu verleihen.
Zustiz⸗Ministerium.
Der Rechtsanwalt Cohn in Rogasen ist zum Notar für den Bezirk des Ober⸗Landesgerichts zu Posen, mit Anweisung seines Wohnsitzes in Rogasen, ernannt worden.
Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten.
Dem “ der höheren Mädchenschule zu Hagen, Rektor Wenzel, ist der Titel eines Direktors dieser Anstalt beigelegt worden.
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Bekanntmachung.
In der im Monat Mai 1888 zu Berlin abgehaltenen Turnlehrerinnen⸗Prüfung haben das Zeugniß der Be⸗ fähigung zur Ertheilung des Turnunterrichts an Mädchen⸗ schulen erlangt:
8 11 Elise, Lehrerin zu Quednau bei Königs⸗ erg i. Pr.,
2) Barchmann, Guniltha, desgl. zu Berlin,
3) Behrend, Emmy, desgl. daselbst,
4) Bender, Bernhardine, Handarbeits⸗Lehrerin daselbst,
5) Beyer, Anna, Lehrerin daselbst,
6) Blumenreich, Fanny, desgl. daselbst,
7) Bodländer, Eveline, desgl. daselbst,
8) Margarethe, desgl. daselbst,
9) Bosse, Martha, zu Gandersheim in Braunschweig,
10) Brauer, Martha, zu Friedenau bei Berlin,
11) Braun, Marie, Handarbeits⸗Lehrerin zu Berlin,
2) Burckhardt, Martha, Zeichenlehrerin daselbst, Drewke, Hedwig, daselbst, 8 Dümcke, Helene, daselbst, Fennig, Antonie, zu Gr. Glogau, ) Foß, Bertha, Handarbeits⸗Lehrerin zu Anklam, ) Fründ, Ernestine, Zeichenlehrerin zu Harber, Kreis Lüneburg, 8 8
18) Gennrich, Martha, Lehrerin zu Berlin,
19) Gläsemer, Minna, desgl. daselbst, 1
20) Gräber, u“ „Handarbeits⸗Lehrerin daselbst,
21) Grosse, Anna, Lehrerin daselbst,
22) Hanau, Agnes, zu Lüben i. Schl.,
23) Herzog, Emma, Handarbeits⸗Lehrerin zu Stettin,
24) Hildebrand, Margarethe, zu Buschin, Kreis Schwetz, b
25) Hoffmann, Agnes, Lehrerin zu Berlin,
28) Kasten, Margarethe, Handarbeits⸗Lehrerin
daselbst, 25) Koch, Margarethe, Lehrerin daselbst,
28) Krohn, Anna, desgl. daselbst,
29) Kupke, Klara, Handarbeits⸗Lehrerin daselbst, 30) Kusserow, Emilie, desgl. zu Stettin,
31) Langhammer, Elisabeth, Lehrerin zu Berlin, 32) Lannes, Elisabeth, daselbst,
33) Liba, Anna, zu Nieder⸗Ullersdorf, Kreis Sorau, 34) Lieder, Anna, Handarbeits⸗Lehrerin zu Berlin, 39 Lilienthal, Emmy, daselbst,
36) Lincke, Olga, Handarbeits⸗Lehrerin zu Grabow a. Oder, 8
37) Lüderitz, Agnes, Lehrerin zu Berlin,
38) Lützow, Martha, daselbst,
30) Meinecke, Klara, Handarbeits⸗Lehrerin zu Star⸗ gard in Pommern,
40) Michaltseck, Agnes, Lehrerin zu Berlin,
41) Mindt, Anna, desgl. daselbst,
42) Mittmann, Elisabeth, desgl. daselbst,
43) Müller, Martha, desgl. daselbst,
44) Müller, Mathilde, desgl. daselbst,
45) Neumann, Johanna, desgl. zu Stettin,
46) Neumann, Agnes, desgl. zu Berlin,
47) Penning, Anna, desgl. daselbst,
48) Rabbow, Emma, Handarbeits⸗Lehrerin zu Stettin, 49) Rühlow, Agnes, desgl. daselbst,
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g. 1800 Scheidtmann, Gertrud, Lehrerin zu Rudow bei rlin,
51) Schülein, Klara, desgl. zu Eberswalde,
52) Schulz, Klara, Handarbeits⸗Lehrerin zu Berlin,
53) Schulz, Emmy, desgl. daselbst, b
54) Sengstock, Elisabeth, desgl. zu Stettin⸗Grünhof,
55 botta, SePer. erin zu Berlin,
56) Steinbrück, Ella, Handarbeits⸗Lehrerin daselbst,
7) Toselowski, Marie, Lehrerin daselbst, 8
58) Le Viseur, Antonie, desgl. daselbst, “ 59) Wangelin, Elise, zu Driesen a. d. Netze,
60) Warnkroß, Lina, zu Anklam, 1 61) von Wedell, Marie, Lehrerin zu Berlin,
62) Wegner, Katharine, zu Berlin, b
63) Wiesner, Helene, zu Stettin,
64) Wilberg, Margarethe, zu Berlin, 8
65) Wilke, Gertrud, Handarbeits⸗Lehrerin daselbst,
66) Wöllert, Gertrud, Lehrerin daselbst,
67) Wolff, Johe. desgl. daselbst,
68) Wolff, Klara, Handarbeits⸗Lehrerin daselbst, 1 Zimmermann, geb. Müller, Margarethe, daselbst G 70) Zippel, Marianne, zu Kottbus.
Berlin, den 23. Juni 1888. Der Minister der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten. Im Auftrage: de la Croix.
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Der dem Kreissekretär Trichert zu Birnbaum auf Grund des §. 46 des Gesetzes vom 20. Juni 1875 ertheilte Auftrag zur kommissarischen Verwaltung der Vermögensangelegenheiten der katholischen Kirchengemeinde zu Kähme ist erloschen und die Verwaltung dem Kirchenvorstande in Kähme übergeben worden.
Mit Bezug auf unsere Bekanntmachung vom 7. März 1883 bringen wir dies zur öffentlichen Kenntniß. 8
Posen, den 26. Juni 1888. 1
8 Regierungs⸗Präsidium zu Posen. In Vertretung: von Holwede.
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Die Nummer 24 der Gesetz⸗Sammlung, welche von heute ab zur Ausgabe gelangt, enthält unter
Nr. 9302 das Gesetz, betreffend die Vertheilung der öffent⸗ lichen Lasten bei Grundstückstheilungen und die Gründung neuer Ansiedelungen in der Provinz Schleswig⸗Holstein. Vom
13. Juni 1888. 8b Berlin, den ast Juni 1888. 8 Königliches Gesetz⸗Sammlungs⸗Amt. Didden.
Richtamtliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 29. Juni. Se. Majestät der Kaiser und König hörten gestern von 10 bis 11 Uhr den Vortrag des Generals von Albedyll.
Darnach empfingen Se. Majestät den Kriegs⸗Minister, später den Geheimen Admiralitäts⸗Rath Dietrich, letzteren zum Vortrage über den Bau neuer Schiffe.
Nach dem Diner empfingen Se. Majestät den General⸗ Adjutanten von Versen zu einem längeren Vortrage.
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— Der hiesigen Stadtverordneten⸗Versammlung ist auf deren Beileidskundgebung anläßlich des Hin⸗ scheidens Sr. Majestät weiland Kaisers Friedrich das nachstehende Dankschreiben Ihrer Maäjestät der Kaiserin Augusta zugegangen:
Tiefbewegt habe Ich Ihre Beileidsbezeugung empfangen, gewohnt von dieser Stelle Empfindungen ausgesprochen zu sehen, die weite Kreise erfüllen. Aufrichtig dankbar erwidere Ich dieselben und bin Mir wohl bewußt, wie der Schmerz des Mutterherzens überall getheilt und verstanden wird. Das beweisen die vielen an Mich gelangenden Kundgebungen treuen Mitgefühls in dieser trauervollen Zeit, welche den Blick immer wieder nach Oben lenkt, damit die verstummende Klage zum Danke werde für das schöne Vermächtniß Meines heimgegangenen Sohnes: ein Vorbild duldender Kraft und ergebender Entsagung.
Baden⸗Baden, den 25. Juni
— Der Bundesrath nahm in der am 28. d. M. unter dem Vorsitz des Staats⸗Ministers, Staatssekretärs des Innern, von Boetticher, abgehaltenen Plenarsitzung den Vor⸗ trag der Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Handel und Verkehr über den dritten, vierten und sechsten Bericht der Vollzugskommission für den Zollanschluß Hamburgs entgegen, erklärte sich mit der Versetzung der Stadt Dieuze aus der IV. in die III. Servisklasse einverstanden und beschloß, das Gesuch des Rathes der Stadt Pirna wegen Versetzung der Stadt in eine höhere Servisklasse bis zur nächsten gesetzlichen allgemeinen Revision des Servistarifs und der Klasseneintheilung der Orte zurückzulegen. Die Eingabe des Magistrats und der Stadtverordneten der Stadt Neisse wegen Herabsetzung des für die alte evangelische Garnisonkirche zu Neisse in den Reichshaushalts⸗Etat für 1888 89 eingesetzten Kaufpreises wurde dem Vorsitzenden des Bundesraths überwiesen. Die Zustimmung wurde ertheilt: dem Entwurf von Ausführungs⸗ bestimmungen zum Zuckersteuergesetz und dem Gesetzentwurf für Elsaß⸗Lothringen über die Gewährung von Beihülfen an Land⸗ wirthe aus Anlaß des ihnen verursachten Schadens durch Schwarz⸗ wild. Den zuständigen Ausschüssen wurden zur Vorberathung übergeben: Die Vorlage, betreffend die Behandlung der aus den Schutzgebieten eingehenden wissenschaftlichen Sammlungen, die Anträge Bremens wegen Herstellung eines Schwimmdocks
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und betreffend den Normalgehalts⸗Etat der bremischen Zollbeamten, und der Antrag Bayerns wegen Zu⸗ lassung fremder Scheidemünzen in mehreren bayerischen Grenz⸗ bezirken. Auf eine Eingabe des Präsidenten des Allgemeinen deutschen Jagdschutzvereins beschloß die Versammlung, an die verhündeten Regierungen das Ersuchen zu richten, mit thunlichster Beschleunigung Maßregeln zum Schutz des asiatischen Steppenhuhns behufs Erzielung der Einbürgerung des⸗ selben in Deutschland zu treffen. Ueber die Eingabe eines Gutsbesitzers in Hessen wegen Doppelbesteuerung wurde in ablehnendem Sinne Entscheidung getroffen. Endlich wurde über die Wiederbesetzung mehrerer erledigter Stellen bei Disziplinarkammern Beschluß gefaßt.
— Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für Handel und Verkehr und für Eisenbahnen, Post und Tele⸗ graphen hielten heute eine Sitzung.
— Die Einziehung der Defraudationsstrafe vom Steuerdefraudanten nach dessen Ableben im Wege eines gegen den Defraudanten resp. dessen Nachlaß gerichteten Strafverfahrens ist, nach einem Urtheil des Reichsgerichts, I. Strafsenats, vom 19. April d. J., reichsgesetzlich unzulässig; entgegenstehende landesrechtliche Bestimmungen haben keine Gültigkeit.
— Die Stadtverordneten⸗Versammlung von Köln beschloß im Juli 1879, daß für Aufstellen von Bauzäunen auf städtischen Straßen und Plätzen eine Miethe von 10 ₰ für den Quadratmeter und die Woche erhoben werden solle. Das Königliche Polizei⸗Präsidium in Köln erklärte sich mit diesem vorschriftsmäßig publizirten Beschlusse einverstanden und außer⸗ dem bereit, dem ferneren Antrage der städtischen Verwaltung entsprechend, in der zu ertheilenden Baukonzession die Zahlung der Miethe für die Bauzäune an die Stadtkasse zur Be⸗ dingung zu machen. Im Juli 1883 reichte der mit dem Bau des neuen Justizgebäudes auf dem Avppelhosplatze beauftragte Bauinspektor B. ein Gesuch um Aufstellung eines Bauzauns bei dem Polizei⸗Präsidium ein. Dieses ertheilte die Erlaubniß unter der Bedingung, daß für die Aufstellung des Bauzauns eine Miethe von 10 ₰ für jeden Quadrat⸗ meter des abgesperrten Raumes und für die Woche erhoben werde. B. ließ den Bauzaun herstellen, aber die Königliche Regierung zu Köln verweigerte die Zahlung der Miethe, auch wies sie das Polizei⸗Präsidium an, sowohl in dem vorliegenden Falle als auch in anderen Fällen die Bewilligung eines Bau⸗
zauns an die erwähnte Bedingung nicht mehr zu knüpfen.
In Folge dessen erhob die Stadt Köln gegen den Fiskus die Klage auf Zahlung von 13 216 ℳ 40 ₰ bis zum Juni 1886 und von weiteren 89 ℳ 30 ₰ pro Woche vom Juni 1886 bis zur Entfernung des Bauzauns. Die Klägerin wurde in beiden Instanzen abgewiesen, und die von ihr eingelegte Revision wurde vom Reichsgericht, II. Civil⸗ senat, durch Urtheil vom 24. April d. J. zurückgewiesen, indem der höchste Gerichtshof begründend ausführte: „Der klägerische Anspruch ist in erster Linie auf die Behauptung eines Mieths⸗ vertrages gestützt. .. Das Ober⸗Landesgericht führt zunächst aus, daß der Bauinspektor B. nicht ermächtigt gewesen sei, ein Miethsverhältnis der Art, wie es hier in Frage steht, sei es ausdrücklich oder stillschweigend, einzugehen. Wenn nun demgegenüber gerügt wird, daß das Ober⸗Landesgericht in dem dem B. ertheilten Auftrage zur Ausführung des fraglichen Baues nothwendig auch die Ermächtigung desselben, die polizeiliche Genehmigung zur Errichtung des Bauzaunes unter der daran geknüpften Bedingung der Miethzahlung zu erwirken, habe finden müssen, so handelt es sich hier zunächst um ein rein thatsächliches Vorbringen, und es ist ferner übersehen, daß vom Ober⸗ Landesgericht festgestellt ist, daß die Vertreter des Beklagten vor dem B.'schen Bericht Kenntniß davon, daß es sich um eine so bedingte Genehmigung handle, nicht gehabt haben. — Was⸗ endlich die zweite Art der Klagebegründung betrifft, nach welcher dieselbe sich als die Geltendmachung eines Schaden⸗ ersatzanspruchs wegen Usurpation städtischen Terrains dar⸗ stellt, so hat das Ober⸗Landesgericht diesen mit einer doppelten Motivirung zurückgewiesen. Zunächst hat dasselbe ausgeführt, daß, nachdem die Bedingung der ertheilten Genehmigung durch die Königliche Regierung aufgehoben worden, die Sache so angesehen werden müsse, als wenn jene Genehmigung von vornherein unbedingt gegeben sei, und sodann hervorgehoben, daß auch die Annahme eines der Klägerin durch die Errich⸗ tung des Bauzaunes entstandenen Schadens jeder irgend aus⸗ reichenden Unterlage ermangele. In der einen und anderen Richtung ist nun ein Revisionsangriff nicht erhoben worden.“
— Die Königliche Akademie der Künste veranstaltet am 2. Juli d. J, Nachmittags 1 Uhr, im Saale der König⸗ lichen akademischen Hochschule für Musik, Potsdamerstr. 120, eine Trauerfeier zum Gedächtniß Sr. Hochseligen Majestät des Kaisers und Königs Friedrich III.
— Der General⸗Feldmarschall Graf von Moltke, Chef des Generalstabes der Armee, hat sich auf seine Besitzun Kreisau in Schlesien zurückbegeben.
— Der General⸗Feldmarschall Graf von Blumen⸗ thal, General⸗Inspecteur der IV. Armee⸗Inspektion und Chef des Reitenden Feldjäger⸗Corps, ist nach Quellendorf bei Cöthen abgereist.
— Nach Beendigung des seit dem 22. d. M. stattgehabten Informations⸗Kursus bei der Militär⸗Schießschule in Spandau begaben sich die zur Theilnahme kommandirten ä“ mit dem heutigen Tage in ihre resp. Garnison zurück.
Baden. Karlsruhe, 28. Juni. (W. T. B.) Die „Karls⸗ ruher Zeitung“ theilt mit: Se. Majestät der Kaiser überreichte unmittelbar vor der Eröffnung des Reichstages in Gegenwart aller anwesenden Bundesfürsten dem Groß⸗ herzog von Baden ein Kabinetsschreiben, welches demselben die Beförderung zum General⸗Oberst mit dem Range eines Feldmarschalls kundgiebt. Das Kabinetsschreiben, zu dessen Veröffentlichung Se. Majestät die Ermächtigung er⸗ theilt hat, lautet: G
Durchlauchtigster Fürst, freundlich geliebter Vetter, Bruder und Onkel! Der heutige bedeutungsvolle Tag in seinem schönen und feier⸗
lichen Ausdruck für die Größe und Einigkeit des deutschen Vatet⸗
landes hat die stets in mir für Ew. Königliche Hoheit lebenden Gefühle aufrichtiger Verehrung und tief empfundener Dankbarkeit ganz besonders warm angeregt. Mir sind viele Mittheilungen meines theuren in Gott ruhenden Großvaters über Ew. Königlichen Hoheit
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so wesentliche Mitwirkung an der Neuerstehung des Deutschen Reichs lebhaft in Erinnerung gekommen; mir steht auch die warme Liebe und Freundschaft meines theuren Großvaters und meines geliebten Vaters für Ew. Königliche Hoheit bell vor Augen und ich gedenke mit tiefer Dank⸗ barkeit, wie Ew. Königliche Hoheit mir jederzeit ein väterlicher mich so oft nützlich berathender Freund gewesen ist. Ich habe den leb⸗ haften Wunsch, diesen Empfindungen heute Ausdruck zu geben und bitte Ew. Königliche Hoheit, dies freundlichst darin erkennen zu wollen, daß ich hierdurch Ew. Königlichen Hoheit Beförderung zum General⸗Oberst mit dem Range eines General⸗Feldmarschalls ver⸗ füge. Möge — das ist heute der lebendige Wunsch meines Herzens — Gottes gnädiger Wille mir für den vor mir liegenden ernsten Lebensweg Ew. Königlichen Hobeit Rath und Freundschaft noch recht lange erhalten. Ich verbleibe mit berzlicher Liebe und unveränder⸗ licher aufrichtiger Freundschaft Ew. Königlichen Hoheit freundwilliger Vetter, Bruder und Neffe. 6 b “
Berlin, 25. Juni 1888. 1 Wilhelm I. R.
Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 28. Juni. (Th. C.) Der Großherzog läßt durch das Staats⸗Ministerium nach⸗ stehenden höchsten Dankerlaß veröffentlichen:
Zu Meinem diesjährigen Geburtstag sind Mir wiederum aus allen Theilen des Landes von Stadtvertretungen, Gemeinden, Körper⸗ schaften und einzelnen Personen überaus zahlreiche Zuschriften und Glückwünsche zugegangen. Noch ehe Ich dafür danken konnte, riefen Mich ernste Pflichten zur Eröffnung des Reichstages und jetzt bei Meiner Rückkehr finde Ich neue Zuschriften in ungezählter Menge. Aufrichtig gerührt durch so viele Beweise von Liebe und Theilnahme ist es Mir doch unmöglich, für Alles im Einzelnen zu danken. Ich beauftrage Sie daher, Meinen Dank öffentlich zur Kenntniß zu bringen und zugleich auszusprechen, wie sehr alle diese Kundgebungen Meinem Herzen wohlgethan haben.
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Oesterreich⸗Ungarn. Pest, 28. Juni. (W. T. B.) Die österreichische Delegation genehmigte einstimmig in dritter Lesung die gefaßten Beschlüsse, nachdem deren Uebereinstimmung mit den Beschlüssen der ungarischen Delega⸗ tion konstatirt worden. Die votirten Budgets entsprechen den Regierungsvorlagen. Graf Kälnoky gab sodann im Aller⸗ höchsten Auftrage der Anerkennung und dem besonderen Dank des Kaisers für die Hingebung, Opferwilligkeit und patriotische Einmüthigkeit Ausdruck, mit welcher die Delega⸗ tion ihre schweren und wichtigen Aufgaben vollendet habe, und sprach ferner im Namen des gemeinsamen Ministeriums dessen wärmsten Dank für das von der Delegation dem Ministerium bewiesene Entgegenkommen und ehrenvolle Ver⸗ trauen aus. Nach einer Schlußrede des Präsidenten Smolka, worin dieser die besondere Bedeutsamkeit der Einmüthigkeit hervorhob, mit welcher die Beschlüsse der Delegation gefaßt wurden, und zugleich der gemeinsamen Regierung für die bereitwilligst ertheilten, erschöpfenden Aufklärungen und Be⸗ gründungen dankte, wurde die Session mit einem dreimaligen, begeisterten Hoch auf den Kaiser geschlossen.
Die ungarische Delegation votirte heute Mittag sämmtliche von ihr gefaßten Beschlüsse endgültig und hielt am Nachmittag ihre Schlußsitzung. Nach Promulgirung der inzwischen sanktionirten Beschlüsse sprach der gemeinsame Finanz⸗Minister Baron Kallay, wie Graf Käͤlnoky gegenüber der österreichischen Delegation gethan, die Anerkennung des Kaisers und den Dank der gemeinsamen Regierung aus. Präsident Graf Tisza betonte in seinem Rückblick auf die Verhandlungen die Einmüthigkeit der Beschlüsse und gab der Hoffnung auf die Konsolidirung der europäischen Verhältnisse unter Wahrung der Interessen der Monarchie Ausdruck. In das sodann von dem Präsidenten ausgebrachte Hoch auf den Kaiser stimmte die Versammlung mit Begeisterung ein.
Großbritannien und Irland. London, 28. Juni. (W. T. B.) Der deutsche Botschafter, Graf von Hatzfeldt, hat einen kurzen Urlaub angetreten.
Das Oberhaus nahm die zweite Lesung der Bill, be⸗ treffend die Bildung von Aktiengesellschaften, an.
Frankreich. Paris, 27. Juni. (Fr. C.) Die Depu⸗ tirtenkammer nahm in ihrer gestrigen Sitzung bei Fortsetzung der Berathung des Gesetzes, betreffend die Verantwor⸗ tung für die den Arbeitern in der Ausübung ihrer Berufsthätigkeit zustoßenden Unfälle, in zweiter Lesung folgende zwei Paragraphen des Artikels 1 an:
„Jeder Unfall, welcher den Arbeitern und Angestellten in den Fabriken, Manufakturen, Zimmerplätzen, Transportunternehmungen,
ruben, Bergwerken, Steinbrüchen und außerdem bei allen Betriebs⸗ arten zustößt, die sich der Maschinenkraft bedienen, berechtigt das Opfer oder seine Angehörigen zu einer Entschädigung, deren Höhe und Modus festzustellen sind.
Diese Entschädigung fällt dem Betriebsunternehmer zur Last, welches auch die Ursache des Unfalls gewesen sein mag.“
— 28. Juni. (W. T. B.) Der Präsident Carnot empfing heute Vormittag den General von Alvensleben, welcher ihm die Thronbesteigung Kaiser Wilhelm’s notifizirte, sowie den deutschen Botschafter Grafen Münster, welcher ihm sein Beglaubigungsschreiben überreichte.
Das Ministerium hat die Demission des Unter⸗ Staatssekretärs der Kolonien, Delaporte, nicht an⸗ genommen. — In einem heute Vormittag abgehaltenen Ministerrath wurde beschlossen, die 2900 Bürgermeister der Hauptkantonsorte einzuladen, am 14. Juli der Revue und einem großen, auf dem Marsfelde stattfindenden Banket beizuwohnen. Zu demselben werden ferner alle Deputirten, Senatoren und Munizipalräthe von Paris eingeladen.
Die Deputirtenkammer nahm heute nach lebhafter Debatte den Antrag der Rechten an, daß künftig die An⸗ wesenheit der effektiven Majorität der Mitglieder der Budget⸗ kommission und anderer parlamentarischer Kommissionen zur Gültigkeit der Abstimmungen in den Kommissionen erforder⸗ lich sein solle. Rouvier hatte den Antrag bekämpft, weil er bezwecke, die Obstruktion zu organisiren; auch Minister⸗ Präsident Floquet hatte sich dagegen ausgesprochen, weil dieser Antrag geeignet sei, die parlamentarischen Arbeiten zu verzögern.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 29. Juni. (W. T. B.) Der Kaiser und die Kaiserin gaben gestern im Palais zu Peterhof ein Galadiner, 5 welchem General von Pape, dessen Adjutant Graf zu Eulenburg, Graf von Pourtalés, der Militär⸗Bevollmächtigte Oberst von Villaume und die übrigen Mitglieder der deutschen Botschaft gelade
Italien. Rom, 28. Juni. (W. T. B.) Der F von Pleß hat heute Rom verlassen und die Rückreise nach Deutschland über Florenz und Ala angetreten.
Der Fürst Lichnowsky wurde vom Papst im Thronsaal des Vatikan empfangen, um die Thron⸗ besteigung Kaiser Wilhelm's anzuzeigen. Nachdem dies geschehen, sprach sich der Papst in der verbind⸗ lichsten Weise über den Kaiser Wilhelm aus. Was die religiöse Lage anlange, so hoffe er, daß sich dieselbe immer mehr bessern werde. Nach der Audienz lud der Papst den Fürsten Lichnowsky in seine Privatzimmer ein, wo er sich mit demselben eine halbe Stunde unterhielt. Später begab sich der Fürst mit dem preußischen Gesandten von Schloezer zu Kardinal Rampolla, welcher morgen ein Diner zu Ehren des Fürsten giebt.
. Spanien. Madrid, 28. Juni. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer lehnte das Amendement der Konservativen, den Zolltarif zu erhöhen, mit 135 gegen 54 Stimmen ab.
Schweden und Norwegen. Christiania, 29. Juni. (W. T. B.) Der Präsident des Storthings, Steen, be⸗ antragte ein Mißtrauensvotum gegen das jetzige Ministerium. Wahrscheinlich finden die Verhandlungen darüber am Sonnabend statt.
Dänemark. Kopenhagen, 26. Juni. Der König empfing heute im Schloß Bernstorff den hiesigen Kaiserlich deutschen Gesandten Baron von den Brincken, der seine neuen Kreditive als außerordentlicher Gesandten und bevollmächtigter Minister Kaiser Wilhelm's II. am hiesigen Hofe überreichte. — Der König verlieh heute vor dem Diner zu Ehren des deutschen General⸗Lieutenants von Hahnke und des Haupt⸗ manns von Seckendorff ersterem das Großkreuz und letzterem das Commandeurkreuz des Danebrog⸗Ordens.
Die Arbeiten an der Westfront der Kopenhagener Landbefestigung sollen jetzt in Angriff genommen werden. Wie die „Nat.⸗Tid.“ meldet, ist die der nöthigen Erdmassen von ca. 310 000 Kubikklafter an vier Unternehmer für eine Summe von 2 470 000 Kronen vergeben.
Zeitungsstimmen.
Zu der Eröffnung des Reichstages bemerkt der „Staats⸗ Anzeiger für Württemberg“:
Der Kaiser und die deutschen Fürsten ehren den Reichstag und in ihm das deutsche Volk hoch durch die feierliche persönliche Betheili⸗ gung, und sie geben damit zugleich aller Welt den vollwichtigsten Beweis für die unverbrüchliche Zusammengehörigkeit der deutschen Fürsten und des deutschen Volkes. Der 25. Juni 1888 wird somit ein denkwürdiger Tag in der deutschen Geschichte werden. Man wird ihn als die feierliche Erneuerung des Tages von Versailles rühmen. Die gewaltige Epoche der Gründung des Reichs ist abgeschlossen; es beginnt eine neue Zeit; die junge Generation übernimmt mit feier⸗ lichen Gelöbnissen das Erbe der Väter. Möge diese neue Zeit eine Zeit des Friedens sein!
— In einem Artikel „Die landwirthschaftlichen Inter⸗ essen und die Usancen der Berliner Getreidebörse“ schreibt die „Deutsche landwirthschaftliche Presse“:
Schon gelegentlich der Verhandlungen des Reichstages über die zuletzt erfolgte Erhöhung der Getreidezölle erfuhr man, daß Seitens des preußischen Handels⸗Ministers beabsichtigt werde, auf eine Reform der Usancen des Getreide⸗Termingeschäfts der Berliner Börse hinzuwirken.
Den ersten Anstoß zu diesem Vorgehen des Handels⸗Ministers dürften die im Zusammenhange mit der Getreidezollfrage vorgenom⸗ menen Untersuchungen über die Beeinflussung des Brolpreises durch die Getreidepreise gegeben haben. Das Ergebniß dieser Untersuchungen ließ sich dahin zusammenfassen, daß zwar der Brotpreis steigenden Bewegungen des Getreidepreises im Allgemeinen folge, nicht aber sinkenden, und daß zwischen der Bewegung der Getreide⸗, Mehl⸗ und Brotpreise ein erkennbarer Zusammenhang nicht nachzuweisen wäre.
Schon vor Jahren wurde aus amtlichen Preisnotirungen fest⸗ gestellt, daß — ganz abgesehen vom Brotpreise — schon die Mehl⸗ preise den Getreidepreisen nicht folgen. Es wurden Beweise dafür geliefert, daß bei steigendem Getreidepreise sinkende Bewegungen der Meblpreise und umgekehrt vorkämen. Hieraus wurde gefolgert, in der für den Konsumenten ausschlaggebenden Brotpreisbildung wirke ein unbestimmbarer, willkürlicher Faktor von solchem Einflusse mit, daß der etwaige preissteigernde Einfluß eines Zollsatzes neben demselben verschwinde.
Die Untersuchung dieser einmal in Fluß gerathenen Preisbildungs⸗ fragen hat jedoch bei diesem Resultat sich nicht begnügt, obwohl dasselbe für die damals ventilirte Zollfrage entscheidend war. Man ist vielmehr dazu vorgeschritten, überhaupt diejenigen Faktoren zu sondiren, welche bestimmend auf die Getreidepreise wirken, und lag die Anregung hierzu in dem Umstande vor, daß erkannt wurde, wie die Terminspekulation in Getreide, oder doch gewisse Usancen der⸗ selben, herabdrückend auf den Stand der Preise für Effektivwaare wirken, also auf denjenigen Preis, den der landwirthschaftliche Produzent zu bedingen vermöge — ohne das diese Preisdrückung dem Brot⸗ konsumenten jemals einen Nutzen brächte.
Es ergab sich nämlich — zunächst für die Berliner Getreide⸗ börse —, daß das Terminspekulationsgeschäft, also eine Geschäfts⸗ branche, welche meist mit Papierweizen und Papierroggen operirt und bei ihren Abschlüssen weniger die zukünftige Versorgung der Konsu⸗ menten mit der benöthigten Brotfrucht, als meist einzig und allein Spekulationen auf zukünftige Preisdifferenzen im Auge hat, daß also diese Geschäftsbranche besondere Einrichtungen getroffen hatte, ver⸗ mittelst deren sie die Preise dergestalt Feeinsluffen kann, daß sie bei ihren Spekulationen nicht wegen der Lieferung verkaufter Getreide⸗ quanten in Verlegenheit gerathen kann.
Die geschäftlichen Manipulationen der Terminspekulation in Papierwaare kommen aber nicht nur in den an der Börse notirten Terminpreisen zum Ausdruck, sondern auch im sogenannten Reguli⸗ rungspreise, und dieser letztere beeinflußt direkt den Lokalpreis für effektive Waare. Nun wird aber im ganzen Lande, wenigstens östlich von der Elbe, der Geschäftsabschluß über Getreide zwischen den Land⸗ wirthen und den Getreidehändlern vielfach derart verabredet, daß nur festgestellt wird, wie viel Mark mehr oder weniger — je nach der Entfernung von den der Getreidezufuhr benöthigten Landestheilen und der hieraus sich ergebenden Frachtquote — der Landwirth erbalten soll, als der Berliner Preis an dem Lieferungstage amtlich notirt ist. Auf diese Weise sind die amtlichen Preisnotirungen der Berliner Börse maßgebend für denjenigen Preis geworden, den der Landwirth in den Getreide im Ueberschuß produzirenden Provinzen bedingen kann.
Richtig ist ja nun zwar, daß Spekulationsgeschäfte in Getreide ebensowohl à la hausse wie à la baisse erfolgen. Wo immer Jemand à la baisse spekuliren will, muß ein Anderer vorhanden sein, der à la hausse spekulirt, damit ein Preisnotirungen beeinflussender Geschäfts⸗ abschluß zu Stande kommen kann. Aber der Einfluß der Baisse⸗ spekulation auf die für den Produzenten zu bedingenden Preise für seine Effektivwaare ist ein ganz anderer, weit wirksamerer als der der Haussespekulation. Wie der Brotpreis steigenden Getreidepreisen zwar folgt, von sinkenden aber erst nach geraumer Zeit und auch dann nicht in entsprechendem Maße Notiz nimmt; wie also die Preise der zwischen Produzent und Konsument sich ein⸗
ürst] schiebenden Zwif
“ 1 händler dem Konsumenten den Vortheil sinkender Engrospreise des Rohproduktes vorenthalten, ebenso wirkt die Spekulation auf die dem Produzenten gewährten Preise — nur in umgekehrter Ordnung. Drückt die Baissespekulation auf die Preis⸗
otirungen der Börse, so kommt dieser Preisdrack sofort im ganzen
Lande für die Produzenten zur Geltung; wirkt andererseits die Hausse⸗ spekulation preissteigernd, so bleibt das wirkungslos für die Preis⸗ notirung der Effektivwaare. Ein durch die Terminspekulation bewirkter Preisdruck kommt also in den Preisen zum Ausdruck, welche der Land⸗ wirth für sein Getreide bedingen kann, während das preissteigernde Element der Haussespekulation für ihn ohne Wirkung bleibt.
Nun unterscheiden sich Hausse⸗ und Baissespekulation noch in einer anderen, unsere volkswirthschaftlichen Interessen sehr wesentlich berührenden Weise. Die Haussespekulatiou bemüht sich, Effektiv⸗ waare vom Markte fern zu halten, während die Baissespekulation denselben mit Waare zu überfüllen trachtet, damit an dem jeweiligen Ablaufstermin ihrer Spekulationsgeschäfte, also wenn das Geschäft „regulirt“ wird, die Preise in Folge starken Angebots sich ihr günstig, d. b. niedrig gestalten. Die Haussespekulation kommt auch bei Er⸗ füllung ihrer Spekulationsverpflichtungen nie in Verlegenheit, wohl aber die Baissespekulation. Läuft nämlich das Terminspekulations⸗ geschäft ab, so kann der Käufer des auf Lieferung gehandelten Getreides verlangen, daß der Verkäufer „liefere“, d. h. ihm effektive Waare zu dem vorher bedungenen Preise über⸗ weise. Lieferung wird verlangt, wenn der Tagespreis am Verfalltage des Termingeschäfts dem Käufer günstiger ist, als dem Verkäufer. Ist nun der Haussespekulant Verkäufer, so wird er in diesem Fall niemals in Verlegenheit sein, das zu liefernde Getreide⸗ Quantum zu beschaffen, indem bei sinkenden Preisen ihm stets möglich ist, seinen voraussichtlichen Bedatf noch vor Ablauf des Termin⸗ geschäfts vorher mit Vortheil zu decken. Anders aber die Baisse⸗ spekulation. Stehen für diese beim Ablauf ibrer Terminverpflichtungen die Preise ungünstig, d. h. höher als bei Abschluß des Geschäfts an⸗ genommen war, und wird dann vom Käufer Lieferung beansprucht, so kann sie nur mit großem Schaden der Lieferungsverpflichtung nach⸗ kommen und muß außerdem gewärtigen, daß ihre Deckungskäufe à la hausse wirken.
Die Baissespekulation wird also ihre Zwecke fördern, einmal, wenn sie ausländisches Getreide dem Markte zuführt, und zwar in größeren Mengen, als der fortlaufende Konsum zu absorbiren vermag, dann aber muß sie stets darauf eingerichtet sein, nöthigenfalls „liefern“ zu können.
Geliefert kann jedoch nur in solcher Waare werden, welche den Schlußscheinbedingungen, d. den für den Terminhandel der be⸗ treffenden Getreidebörse festgestellten Qualitätsbestimmungen entspricht. Die Baissepartei der Spekulation hat also ein Interesse daran, daß der Begriff „lieferbar“ sich auf möglichst geringwerthige Qualitäten erstrecke, während der Haussepartei diese Qualitätsfragen mehr oder weniger gleichgültig sein können.
Aus den hier skizzirten Verhältnissen der Terminspekulation in Getreide hat sich an der Berliner Börse eine „Usance“ entwickelt, nach welcher Qualitäten als lieferbar gelten, die für Mablzwecke unterwerthig oder überhaupt nicht zu brauchen sind. Bis vor Kurzem noch war in Berlin „Rauhweizen“ lieferbar, dessen Annahme jeder Müller verweigerte, weil er nicht im Stande ist, backfähiges Mehl aus demselben herzustellen; ebenso können noch jetzt geringe Weizen⸗ und Roggenqualitäten „geliefert“ werden, weil sie den Schlusschein⸗ bedingungen entsprechen. Darüber, ob dieses der Fall ist, hat eine von den Börsen⸗Interessenten eingesetzte Sachverständigen⸗Kommission schiedsgerichtlich und unter Ausschluß jeder Anrufung der ordentlichen und der Handelsgerichte laut Schlusschein zu entscheiden.
Die Baissespekulation ist auf Grund dieser Umstände auf das höchst sinnreiche Mittel verfallen, Läger zwar geringwerthigen Ge⸗ treides zu halten, das aber doch den Lieferungsbedingungen entspricht. Hiermit effektuirt sie gegebenen Falls ihre Lieferungen; da aber der andere Kontrahent diese Waare niemals acceptiren wird, weil er sie am Effektivmarkte nicht verwerthen kann, so erfolgt die Regulirung der Terminspekulationen durch die Ausgleichung der Preisdifferenz, und das gerade ist es, was die Baissespekulation bezwecken will.
Hält man sich nun gegenwärtig, in welcher Weise, wie oben erörtert, die Terminspekulation die Preise der Effektivwaare, und diese allein interessiren die Landwirthschaft — sollten es wenigstens — zu deren Schaden beeinflußt, so wird klar, wie diese den Zwecken der Baissepartei dienenden Usancen des Terminspekulationsgeschäfts den Preisstand des Getreides auch für die effektive Waare reduziren müssen, ohne daß die Aktionen der Haussepartei diesen schädigenden Einfluß paralvsiten können.
Der Handels⸗Minister hatte in Anbetracht dieser Verhältnisse vom Aeltesten⸗Kollegium der Berliner Kaufmannschaft, welche bekanntlich Korporationsrechte genießt und deren „amtliche“ Preisnotirungen öffentlichen Glauben haben, wodurch gerade dieselben für die Getreide⸗ verkäufe der Landwirthe in den Provinzen masgebend geworden sind, bereits vor einiger Zeit verlangt, es sollten die Qualitätsbestimmungen der Schlußscheine höher als bisber normirt werden. Außerdem aber hatte der Handels⸗Minister eine Reorganisation des schiedsgerichtlichen Verfahrens durch die Sachverständigen⸗Kommission beansprucht.
Letztere Instanz wird nämlich von den am Getreihegeschäft interessirten Firmen aus den Besuchern der Produktenbörse gewählt. Nun dürfen zwar die an einem durch schiedsgerichtliches Verfahren zu schlichtenden Streite über die Lieferungsfähigkeit der angebotenen Waare theilnehmenden Sachdverständigen kein eigenes Interesse an dem jeweilig zu entscheidenden Einzelfall haben; hat aber erst einmal eine Sachverständigen⸗Kommission einen Posten geringwerthiger, zu Lieferungszwecken der Terminspekulation an Lager gebaltener Waare für lieferbar erklärt, so wird es stets schwer halten, diese Entscheidung umzustoßen. Außerdem aber liegt auf der Hand, daß, wenn auch die Sachverständigen an dem zu ent⸗ scheidenden Einzelgeschäft nicht betheiligt sind, deren Gesammtinteresse allein in der Richtung dessen der Getreidebörse, keineswegs aber in derjenigen der Interessen der Landwirthschaft und der Getreidekon⸗ sumenten verläuft. Wie sehr aber die letzterwähnten beiderseitigen Interessen von den Geschäftsabschlüssen der Spekulation und den über dieselben gefällten schiedsgerichtlichen Entscheidungen berührt werden, liegt nach dem oben Dargelegten auf der Hand. Der Handels⸗Minister hat daher beansprucht, es sollten in Zukunft die Sachverständigen auf Vor⸗ schlag des Aeltesten⸗Kollegiums von der Staatsaufsichtsbehörde ernannt werden, dabei aber Bedingung sein, daß die vorzuschlagenden resp. zu ernennenden Sachverständigen keinen eigenen Getreidehandel betreiben. Der Handels Minister wollte also auch hier dem Grundsatze allge⸗ meinere Geltung verschaffen, daß Niemand Richter in eigener Sache sein soll; ein Vorgehen, welches gewiß die Billigung aller Derjenigen finden dürfte, welche die Börse und ihre Institutionen für eine Ein⸗ richtung halten, welche bestimmt ist, allgemeinen wirthschaftlichen Zwecken und nicht nur den einseitigen des Handelsstandes zu dienen
Dessenungeachtet hat die Berliner Börse dem Vorgehen des Handels⸗Ministers widersprochen; die amtirenden Sachverständigen legten ihr Amt nieder, wurden aber von den Interessenten der Pro⸗ duktenbörse sämmtlich wiedergewäblt, wodurch denselben das übrigens gar nicht in Frage gestellte Vertrauen ihrer Kommittenten dokumentirt werden sollte. Außerdem machte das Aeltesten⸗Kollegium dem Han⸗ dels⸗Minister Vorstellungen, welche die Unausführbarkeit der von ihm erhobenen Forderungen darthun sollten. Diese Vorstellungen scheinen jedoch auf die Entschließung des Handels⸗Ministers keinen Einfluß geübt zu haben, denn wie an der Berliner Börse in der vorigen Woche verlautete, hat in einem erneuten Reskripte der Handels⸗ Minister die von ihm gestellten Forderungen aufrecht erhalten und deren Inkraftsetzung zum 1. Oktober d. J. beansprucht.
Im landwirthschaftlichen Interesse beruht es, daß der Handels⸗ Minister auf seiner Entschließung beharrt und etwaigen Widerstand der Börse bricht. Die Landwirthschaft und die Getreidekonsumenten aber werden dem preußischen Handels⸗Minister, der bekanntlich kein Anderer als der Fürst Bismarck ist, für die seinerseits in dieser Sache ergriffene Initiat
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