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chaftsbetriebe gehörenden Bodenkultur⸗ und sonstigen Bau⸗ arbeiten, insbesondere die diesem Zweck dienende Herstellung oder Unterhaltung von Wegen, Dämmen, Kanälen und Wasser⸗ läufen, als Theile des land⸗ und forstwirthschaftlichen Betriebs gelten, wenn sie von Unternehmern land⸗ und forstwirthschaft⸗ licher Betriebe ohne Uebertragung an andere Unternehmer auf ihren Grundstücken ausgeführt werden. Personen, welche bei Arbeiten der eben gedachten Art beschäftigt sind, unter⸗ liegen der Unfallversicherung auf Grund des landwirthschaft⸗ lichen Unfallversicherungsgesetzes vom 5. Mai 1886, nicht des Bauunfallversicherungsgesetzes, welches letztere nach dem aus⸗ drücklichen Wortlaut des 8 1 Absatz 1 die Unfallversicherung nur auf Arbeiter ausdehnt, die bei der Ausführung von Bauarbeiten beschäftigt und nicht schon auf Grund der früher ergangenen geseße⸗ insbesondere auch des landwirthschaft⸗ lichen Unfallversicherungsgesetzes, gegen Unfall veersichert sind. Der Umstand nun, daß die Inkraftsetzung des letztgenannten en zeitlich erst nach der In⸗ kraftsetzung des Bauunfallversicherungsgesetzes erfolgt ist, beziehungsweise für einige Staaten erst noch erfolgen wird, kann nicht die Wirkung haben, daß für den zwischen dem Inkrafttreten der neh ehazben beiden Gesetze liegenden Zeitraum die in Frage kommenden Arbeiter nach Maßgabe des Bauunfallversicherungsgesetzes, das heißt, also bei der Tiefbau⸗Berufsgenossenschaft, versichert sind. Denn, wenn⸗ gleich es nicht zweifelhaft erscheint, daß nach der Absicht des Gesetzgebers alle bei der Ausführung von „Bauarbeiten“ be⸗ schäftigten Arbeiter vom Zeitpunkte des Inkrafttretens des Bauunfallversicherungsgesetzes ab versichert sein sollen, so geht doch aus den angeführten Bestimmungen in §. 1 Absatz 4 und Absatz 1 des letzteren Gesetzes deutlich hervor, daß die daselbst — Absatz 4 — bezeichneten Arbeiten überhaupt nicht als Bauarbeiten im Sinne dieses Gesetzes, sondern als Arbeiten in land⸗ und forstwirthschaftlichen Betrieben im Sinne des landwirthschaftlichen Unfallversicherungsgesetzes zu gelten haben. Die entgegengesetzte Annahme des Vorstandes läßt sich hier⸗ nach auch nicht aus §. 9vcgaß 3 des Unfallversicherungsgesetzes vom 6. Juli 1884 und §. 9 Absatz 2 des Bauunfallversicherungs⸗ gesetzes vom 11. Juli 1887 rechtfertigen, da die in Rede stehenden landwirthschaftlichen Baubetriebe nach dem vorstehend Be⸗ merkten erst mit dem Inkrafttreten des landwirthschaftlichen Unfallversicherungsgesetzes vom 5. Mai 1886 versicherungs⸗ pflichtig sind und die zugehörigen Feldbahnen bis dahin selbständige, bereits nach dem Ausdehnungsgesetz vom 28. Mai 1885 versicherungspflichtige Betriebe bleiben.
— Ein Berufsgenossenschaftsvorstand fragte an, ob die drei⸗ zehnwöchige Wartezeit des §. 5 Absatz 2 des Unfall⸗ versicherungsgesetzes mit dem Eintritt des schädigenden Betriebs⸗ ereignisses selbst, oder erst mit dem Hervortreten der nach⸗ theiligen Fol en desselben und dem dadurch bedingten Beginn der Kranken Menfanrforge anfange. Das Reichs⸗Versiche⸗ rungsamt hat sich über diese Frage in einem Bescheid vom 25. Juni 1888 (Nr. 535) wie folgt ausgesprochen: Nach dem Sprachgebrauch des Unfallversicherungsgesetzes (vergleiche zum Beifpielt 8§. 1, 51, 53, 57, 59 a. a. D.) und in Ueberein⸗ stimmung mit der ständigen diesfeitigen Praxis ist daran fest⸗ zuhalten, daß als „Unfall“ im Sinne des §. 5 Absatz 2 a. a. O. das Betriebsereigniß selbst anzusehen ist, gegen dessen Leben und Gesundheit schädigende Folgen die Arbeiter versichert sind. Der Eintritt des Betriebsereignisses selbst, nicht erst der offensichtliche Eintritt der nach⸗ theiligen Wirkungen desselben ist der für den Beginn der Fürsorgepfticht der Berufsgenossenschaft entscheidende Zeitpunkt.
Benn diese Wirkungen auch erst später in die Erscheinung treten, so muß, soweit dieselben überhaupt ursächlich auf ein zeitlich bestimmbares konkretes Betriebsereigniß zurückzuführen sind, stets letzteres als die den Anspruch des Verletzten und die Verpflichtung der Berufegenoflegschaft begründende Thatsache angesehen werden. as Betriebsereigniß, der Unfall in diesem Sinne, legt den sich fortentwickelnden Keim zu den später wahrnehmbar werdenden nachtheiligen Folgen, und eben diese Keimlegung enthält die schädliche Einwirkung des Ereignisses auf den Körper selbst. Wenn nicht einmal die Keimlegung nachzuweisen ist, so liegt ein Betriebsunfall überhaupt nicht vor; ist jenes aber der Fall, so muß der Verletzte stets auf das schädigende Ereigniß als den Grund seines Rechts zurückgehen. Hiernach haben die Krankenkassen in ihrem Verhältniß zu den Berufsgenossen⸗ schaften aus eigenen Mitteln nur diejenige Fürsorge zu leisten, zu welcher sie in den ersten dreizehn Wochen nach dem Eintritt des Betriebsereignisses verpflichtet sind. Nach Ablauf dieser Zeit hat in allen Fällen die Berufsgenossenschaft einzutreten, gleichviel wie sich die Fürsorge für den Verletzten bis dahin thatsächlich gestaltet hat, insbesondere unabhängig davon, ob und beziehungsweise für welchen Zeitraum und in welchem Umfange Seitens der Krankenkasse Leistungen an den Ver⸗ letzten wirklich erfolgt sind.
— Der General⸗Inspecteur der Fuß⸗Artillerie, General⸗ Lieutenant von Roerdansz, hat sich auf einige Tage zu Truppenbesichtigungen nach Wesel begeben.
— Der Kaiserlich japanische General⸗Arzt Sschiguro hat Berlin wieder verlassen.
— Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren:
Dr. Thurmann in Anklam, Dr. Landsberg in Stettin, Dr.
Bloch, Dr. Scharlam und Dr. Eckardt, sämmtlich in Breslau,
Dr. Joel in Görbersdorf, Nischkowsky in Trachenberg,
Dr. Koehler in Soden, Dr. Hüter in Höchst, Dr. Koempel in
e a. M., Dr. Hagen in Weißenthurm, Dr. Jaekel in empfeld.
— S. M. S. „Niobe“, Kommandant Korvetten⸗Kapitän Graf von Haugwitz, ist am 2. Juli cr. in Dartmouth an⸗ und beabsichtigt, am 6. dess. Mts. wieder in See zu gehen.
Sigmaringen, 30. Juni. (Schw. Merk.) Der Fürst,
die Fürstin und der Erbprinz von Hohenzollern
aben sich heute von hier nach Baden⸗Baden begeben. Die ürstin begiebt ich von dort am 3. Juli zu mehrwöchentlichem
urgebrauch na⸗ ranzensbad.
Baden. Karlsruhe, 2. Juli. (W. T. B.) Der Großherzog empfing heute Nachmittag den preußischen Ge⸗ sandten von Eisendecher, welcher sein neues Beglau⸗ bigungsschreiben überreichte.
— (Schw. Merk.) Die Zweite Kammer genehmigte den Nachtrag zum Budget, betreffend die Erbauung eines Palais für den Erbgroßherzog.
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Oesterreich⸗Unga. — Wien, 1. Juli. Die „Presse“ schreibt: Mit dem geseen erfolgten Schluß der Prese, gationen wird nunmehr eine längere Pause in den parla⸗ mentarischen Verhandlungen eintreten, da die Landtage erst im September sich versammeln werden. Eine Ausnahme macht nur der Landtag von Dalmatien, der für den 5. Juli einberufen ist.
Großbritannien und Irland. London, 2. Juli. (A. C.) ladstone hielt am Sonnabend bei einem poli⸗ tischen Gartenfest in Hampstead (Northwest⸗London) eine längere Rede, die fast ausschließlich der irischen Frage ge⸗ widmet war. Nach kurzem Hinweis auf das Ergebniß der Wahl in Thanet, welches er als nicht unbefriedigend für die liberale Partei bezeichnete, fuhr er fort: Wenn sich allenthalben im Lande eine solche E1 vollzöge, wie die in Thanet stattgefundene, wäre das Ergebniß der nächsten Wahl so gut als gesichert und die große Frage, ob Irland Homerule er⸗ halten solle, würde dann eine schleunige Lösung finden. Diese Frage überrage bei Weitem alles Andere und beeinflusse jede
esetzzebung. Das müsse selbst die jetzige Regierung ein⸗ räumen. Dem Volk Englands stehe die endgültige Entschei⸗ edung dieser Frage zu. Schottland, Irland und Wales hätten sich bereits gegen eine Zwangspolitik erklärt, aber in England sei das Volk bei der letzten Parlamentswahl durch falsche Vorspiegelungen getäuscht worden. Die Tories versprachen, Irland lokale Selbstverwaltung zu geben. Statt dessen verhängten sie strengen und systematischen Zwang über Irland. „Der Rumpf von Coörcionisten versuche Irland zu regieren, wie der Schul⸗ meister, welcher Eerebt. daß böse Buben nur mit der Ruthe in Ordnung gehalten werden könnten. Unter solchen Umständen sei es unmöglich, daß in Irland das Gesetz Achtung genieße. Das Zwangsgesetz sollte hauptsächlich ein Gesetz gegen Ver⸗ schwörungen sein, es sei aber gegen Verbindungen gerichtet. Den Ibler könne er nicht loben; gleichwohl sei es ein kleineres Uebel, als Leute in Irland dem Elend preiszugeben. Schließlich beschuldigte Gladstone die Regierung, Zwang in Irland zu einem Grundsatz und zu einer Einrichtung erhoben zu haben. Obwohl Thanet geholfen habe, die Ketten der Gewalt und die Mächte der Ungerechtigkeit zu befestigen, herbe diese Politik von der Nation doch schließlich verworfen werden.
Die englischen Staatseinkünfte in dem am 30. Juni beendeten ersten Quartal des laufenden Finanzjahres 1880,/81 beliefen sich auf 20 075 323 Pfd. Sterl. und überstiegen die des entsprechenden Quartals im vorhergehenden Finanz⸗ jahre um 265 033 Pfd. Sterl. Mit Ausnahme der Ge⸗ bäudesteuer und der jüngsthin um 1 Penny im Pfd. Sterl. ermäßigten Vermögens⸗ und Einkommensteuer weisen alle Einnahmequellen, verglichen mit denen im entsprechenden Quartal von 1887/88, eine Zunahme auf, welche am bedeu⸗ tendsten bei der zum Beginn dieses Finanzjahres in mancher Hinsicht erhöhten Stempelsteuer ist. Der Zuwachs beziffert sich auf 300 000 Pfd. Sterl. Die Einnahmen aus den Zöllen lieferten einen Mehrertrag von 96 000 Pfd. Sterl. und die aus der Post 150 000 Pfd. Sterl.
Frankreich. Paris, 2. Juli. (W. T. B.), Rouvier ist zum Präsidenten der Budgetkommission mit 21 gegen F Stimmen gewählt worden. Rouvier erklärte, die Kommission habe keinerlei politischen Charakter; ihr komme nur zu, gute Finanzen und Ersparungen zu erzielen und die Arbeiten zu beschleunigen, damit das Budget vor Schluß des Jahres genehmigt werde.
Italien. Rom, 2. Juli. (W. T. B.) Der deutsche Botschafter Graf Solms wird dem König morgen sein neues Beglaubigungsschreiben, sowie ein Hand⸗ schreiben des Kaisers Wilhelm überreichen. Morgen Abend begiebt sich der König mit der Königin und dem Kronprinzen nach Monza, von wo der Kronprinz durch die Schweiz und über Brüssel nach London reist. Der König wird am Sonntag hier zurück⸗ erwartet.
Der italienische Konsul Cecchi in Aden ist gestern von dort, an Bord des „Archimede“, in besonderer Mission nach Zanzibar abgereist.
Der preußische Gesandte von Schloezer überreichte dem Papst sein neues Beglaubigungsschreiben.
Türkei. Konstantinopel, 3. Juli. (W. T. B.) Fürst Radolin, welcher gestern früh zur Notifizirung der Thronbesteigung Kaiser Wilhelm's hier eingetroffen ist, wurde mit großen Ehren empfangen und ist im Palais
„An den süßen Wassern Asiens“ abgestiegen.
Rumänien. Bukarest, 3. Juli. (W. T. B.) Gestern hat der General⸗Major Graf von Schlieffen dem König in Sinaja die Thronbesteigung Kaiser Wilhelm's notifizirt. Auf die Ansprache des Generals gab der König seinem tiefen Mitgefühl über den Tod Kaiser Friedrich's Ausdruck und sprach zugleich seine wärmsten Wünsche für Kaiser Wilhelm II. aus.
Amerika. Washington, 30. Nähd ner Kabel). (A. C.) Der Kongreß hat die Ernennung eines Konsuls in Boma (Congostaat) genehmigt, damit die Handelsinteressen der Ver⸗ einigten Staaten in dieser Gegend entwickelt werden mögen. — Der kranke General Sheridan trat heute die Reise nach Nonquitt, Massachusetts, an.
Asien. Simla, 30. Juni. (A. C.) (Telegramm des Bureau Reuter.) Es scheint jetzt, daß die jüngst in Gnatong eingetroffenen Abgesandten Namens der Lamas nur mit den von Sikkim zu sprechen wünschten. Die Thibetaner hegen keinen Wunsch, Friedensverhandlun⸗ gen mit der indischen Regierung anzuknüpfen. Unweit Je⸗ lapea steht angeblich eine Truppenmacht von 8000 Mann und Spione besagen, daß eine kriegerische Stimmung unter den Lamas herrsche.
China. Shanghai, 29. Juni. Zwischen Sir John Walsham und dem Lsung⸗li Hamten haben bereits mehrere Besprechungen über den Ausschluß der Chinesen von Australien stattgefunden. Die allgemeine Meinung ist, daß die Regierung von Peking sehr wenig auf die Auswanderungs⸗ frage giebt, sondern nur die Gelegenheit ergreifen will, um 8 der britischen Regierung anderweitige Konzessionen zu erlangen.
Afrika. Cape Town, 1. Juli. (A. C.) (Telegramm des Bureau Reuter.) Das hier garnisonirende 1. Bataillon des Königlich schottischen Regiments segelte heute mit
Artillerie und Gatlingkanonen 8 Zululand ab, um zu 1“ unter dem Befehl des Generals Smyth zu stoßen.
JL Zeitungsstimmen.
Zur Kartellfrage schreibt die „Norddeutsche Allge⸗ meine Zeitung“: 8
Ein Kartell, welches nicht geschlossen wurde, kann weder erneuert, noch kann ein solches Kartell gelöst oder gekündigt werden.
Diese einfachen, Jedem verständlichen Sätze müssen dennoch betont werden, wenn von den Parteibeziehungen für die kommenden Landtags⸗ wahlen die Rede sein soll, weil man sich von den verschiedensten Seiten bemüht, den an sich sehr einfachen Thatbestand zu verdunkeln, um auf diese beliebte, aber wenig ehrliche Weise einseitigen und engherzigen Parteizwecken zu dienen. 1
Gegenüber der thatsächlich bestehenden, wenn auch nicht formal abgeschlossenen und öffentlich proklamirten Wablverbrüderung der Gefolgschaften des Trifoliums Bebel⸗Windthorst⸗Richter schlossen für die damals vorzunehmenden Reichstagswahlen im Januar 1887 die Parteileitungen der Nationalliberalen, der Reichspartei und der Deutsch⸗ konservativen ein Wahlkartell. Dasselbe hat sich bei den Wahlen vom 21. Februar 1887 auf das Glänzendste bewährt und wurde ver⸗ mittelst desselben der angestrebte Zweck vollkommen erreicht.
Seit jener Zeit wurde fortgesetzt an dem Bestande dieses Kartell⸗ verhältnisses gerüttelt. Von Seiten derjenigen Parteien, gegen die es geschlossen worden, war ja vollkommen begreiflich, daß sie Alles aufboten, um Zwietracht bei den in der Hauptsache geeinten politischen Gegnern über Nebendinge hervorzurufen. So war es denn in der Sachlage gegeben, daß die demokratische und Windthorst'sche Presse jede Angelegenheit, die inzwischen zur Erörterung kam, unter den Gesichtspunkt des Kartells brachte, bald dieser, bald jener der Kartell⸗ parteien beweisend, wie sie die von den anderen düpirte sei.
Auch im Lager der Kartellparteien selbst gab es Widerwillige, die auf ihre Eigenart mehr Werth legten als auf die Ziele, zu deren Erreichung und Festhaltung das Kartell geschlossen wurde. Diese Widerwilligen boten fortgesetzt Stoff dar, vermittelst dessen die eigent⸗ lichen Todfeinde des Kartells ihr Garn weiter spinnen konnten.
Angesichts dieser Umstände stand für die preußischen Landtags⸗ wahlen die Frage nicht etwa so, ob das nur für die Reichstagswahlen ad hoe geschlossene Kartell für die Landtagswahlen fortbestehen, oder ob man sich von demselben lossagen resp. dasselbe kündigen solle, sondern die Frage konnte nur lauten, ob das Kartell auf die Landtags⸗ wahlen ausgedehnt werden solle.
Nun hatte bereits für die Landtagswahlen von 1882 in be⸗ schränktem Umfange ein Zusammengehen der Gemäßigtliberalen und der Konservativen stattgefunden, dergestalt, daß für einzelne Wahl⸗ kreise eine bezügliche Verständigung zwischen diesen Parteien stattfand. Dieses Zusammerngehen erfuhr bei den Landtagswahlen von 1885 eine wesentliche Erweiterung, indem für ganze Provinzen derartige Ver⸗ einbarungen erfolgten.
Wesentlich dieser Wahltaktik war die günstige Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses zu verdanken, welche bekanntlich in der ihrem Abschluß nahen Legislaturperiode eine goch befriedigendere geworden, als in der vorhergehenden, also mit dem Fortschreiten der Verständi⸗ gung besser geworden war. Dieser günstigeren Zusammensetzung des Abgeordnetenhaufes waren die gesetzgeberischen Ergebnisse der beiden letzten Legislaturperioden zu verdanken, hinsichtlich deren letzter sich die an den preußischen Landtag gerichtete Thronrede vom 27. Juni dahin aussprach: 8
„Sie koͤnnen am Schlusse einer Legislaturperiode mit Befriedi⸗ gung auf die wichtigen Ereignisse zurückblicken, welche Dank Ihrem einträchtigen Zusammenwirken mit der Regierung erzielt worden sind. Im Rückblick hierauf vertraue Ich, daß es uns auch in Zukunft ge⸗ lingen werde, in gemeinschaftlicher, von gegenseitigem Vertrauen ge⸗ tragener und durch die Verschiedenheit prinzipieller Grundanschauungen nicht gestörter Arbeit die Wohlfahrt des Landes zu fördern.“
Man könnte nun anführen, für Wahlen zum preußischen Ab⸗ geordnetenhause lägen die Grundbedingungen anders als für Reichs⸗ tagswahlen, und es sei nicht nothwendig, das für letztere erforderlich gewesene allgemeine Kartell der reichstreuen Parteien auf erstere aus⸗ zudehnen, nachdem für diese die provinziellen resp. lokalen Abmachungen bereits zu dem gewünschten Erfolge geführt hätten. Obwohl in dieser Erwägung ein durchschlagender Grund nicht gefunden werden könnte, generelle Parteibeziehungen, die sich bei den Reichstagswahlen so vortrefflich bewährt haben, nicht auch bei den Landtagswahlen zu knüpfen, so kann dieselbe doch in Anbetracht des großen Werthes, den unsere Parteien und Parteischattirungen auf dasjenige legen, was sie von einander trennt, statt in den Vordergrund zu stellen, was sie vereinigt, verstanden werden — vorausgesetzt natürlich, daß Die⸗ jenigen, welche statt eines generellen Kartells nur spezielle Verein⸗ barungen empfehlen, auch die Garantie und Verantwortung für die Fortdauer in der günstigen Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses zu übernehmen in der Lage sind. Wie schwer die Bedeutung dieser Verantwortlichkeit wiegt, ergiebt sich aus den, in den oben citirten Sätzen der Thronrede an diese Zusammensetzung geknüpften Hoff⸗ nungen und Erwartungen.....
— Zu dem Erlaß des preußischen Handels⸗Ministers an die Aeltesten der Berliner Kaufmannschaft äußert sich die „Deutsche volkswirthschaftliche Correspondenz“ wie folgt:
Dem Erlaß des Handels⸗Ministers vom 24. Februar d. J., be⸗ treffend den Terminhandel an der Getreidebörse zu Berlin, ist vor wenigen Wochen ein zweiter gefolgt. Dieser zweite Erlaß entscheidet über die von dem Aeltestenkollegium der Berliner Kaufleute am 3. April d. J. an den Handels⸗Minister gerichteten Vor⸗ schläge und Bedenken in endgültiger Form und trägt dem Kollegium auf, die von dem Handels⸗Minister für un⸗ erachteten Reformen im Getreidehandel bis zum 1. Oktober d. J. in Ausführung zu bringen. Schon damals war die ganze manchesterliche Presse darüber einig, daß der Erlaß vom 24. Februar die Kompetenzen des Handels⸗Ministeriums überschreite, daß dem Handels⸗Minister zu derartigen Reformen, wie sie auf dem Gebiete des Terminhandels in Getreide gewünscht werden, keinerlei Recht zustehe. Allein man blieb bei einer Erörterung der Kompetenz⸗ frage nicht stehen, man ging auf jener Seite sofort daran, den Ge⸗ treidespekulanten die Wege zu zeigen, die sie zum Zwecke der Um⸗ gehung der vom Handels⸗Minister geplanten Reformen zu wandeln hätten. Selbstverständlich wurde nach dem Grundsatz der Selbst⸗ hülfe vorgegangen und der Rath ertheilt, die Herren von der Getreidebörse möchten eine Sezession vornehmen, die geheiligten Räume des Börsensaales verlassen und in irgend einem miethweise aufgenommenen Lokale nach den althergebrachten Vorschriften und Regeln weiter arbeiten, reecte also eine Winkelbörse gründen. Die „Voss. Ztg.“ hat es nicht unterlassen, diesen verderblichen Rathschlag bei dem nun vorliegenden Anlasse mit kräftiger Stimme wieder er⸗ tönen zu lassen, indem sie in ihrer Nummer 300 vom 27. Juni 1888 den Herren Spekulanten folgende Ermunterung zum Ausharren in der Opposition gegen die geforderten Maßnahmen veröffentlicht: „Wir sind gespannt, wie die Aeltesten versuchen werden, die Sache durchzufüuhren. Als Zwangsmittel stehen ihnen nur die Ver⸗ weigerung der amtlichen Notiz und ein Verbot an die vereideten Makler, anders, als nach dem abgeänderten Schlußschein zu handeln, zu; darum aber werden sich die Getreidehändler nicht kümmern. Wie man sie hindern sollte, auch ferner nach den jetzigen Usancen zu handeln, ist nicht abzusehen, und selbst wenn man ihnen die Kün⸗ digung auf solche Geschäfte an der Börse verbieten wollte, so ließe sich dieses Hinderniß durch Gründung eines Liquidationsvereins oder durch die Verlegung des Kornmarktes nach einem benachbarten freien
jetzt i 0 Sonntagsbörs jet n der s genannten So intagsbörse der
Lokal umgehen, ähnlich wie es früher der Fmegen 88* Een Fondshandel betrie be⸗
wird.“ Klar und deutlich weist die „Vossische Zeitung“ die Herrenf von der Getreidebörse an, entweder zu den früheren primitiven Zeiten des Getreidehandels zurückzukehren oder einfach den Berliner Getreide⸗ markt zu einer „Winkelbörse“ zu degradiren; jedenfalls ist sie dafür, daß man sich außerhalb des Gesetzes stellt, mag dabei heraus⸗ kommen was da will. Der Vergleich mit der „Sonntagsbörse“ und den „Effektensozietäten“, die neben der ordentlichen Fondsbörse an denjenigen Tagen. wo die letztere geschlossen ist, fungiren, hinkt voll⸗ ständig; denn diese Art von Vereinigungen lehnen sich doch an die an, während hier eine vollkommen außerhalb der Getreide⸗ örse stehende Vereinigung von Getreidespekulanten geplant wird. Es ist selbstverständlich, daß derarrige Projekte von der Getreide⸗ börse niemals werden acceptirt werden, die „Vossische“ giebt sich wahrlich vergebene Mühe, eine Revolution in Scene zu setzen, deren Endziel die Zerstörung des bedeutsamen Berliner Getreide⸗ marktes sein würde. Allein die „Vossische“ vermag auch keinerlei Momente anzuführen, welche den Beweis erbringen könnten, daß einer⸗ seits eine Berechtigung des Handels⸗Ministers. derartige Verfügungen zu treffen, wie solche der Erlaß enthält, nicht bestehe, andererseits aber diejenige Kommission, welche nach dem Inhalt des Erlasses über die Qualität des Getreides zu entscheiden haben soll, die ihr zuge⸗ wiesene Funktion nicht zu vertreten vermöchte. Der Artikel 3 des preußischen Einführungsgesetzes zum Deutschen Handelsgesetzbuch wäre doch nichtssagend, wenn dem Handels⸗Minister nicht gestattet sein sollte, eine derartige Reform in der Börsenordnung, wie sie hier ver⸗ langt wird, und welche die Abänderung der Schlußscheine und die Bestellung der Schiedskommission betrifft, ins Leben zu rufen. Die Bestimmungen dieses Artikels, demzufolge der Handels⸗ Minister die Abänderung und Ergänzung bestehender Börsenordnungen zu genehmigen hat, und demzufolge in den Börsenordnungen auch zu bestimmen ist, wie die laufenden Preise und Courfe festgestellt werden sollen, wäre eben leerer Schall, wenn trotz beobachteter Unregel⸗ mäßigkeiten auf diesem Gebiete es dem Handels⸗Minister verwehrt bliebe, zur Beseitigung solcher Unregelmäßigkeiten die Initiative zu ergreifen. Die „Vossische Zeitung; meint zwar, es sei komisch, Handelsleuten vorzuschreiben, in welcher Waare sie ihr Geld anlegen und wie sie Handel treiben sollen. Allein, wenn diese Aeußerung ernst gemeint wäre, hätte es ja gar keinen Anstand, daß die Herren Spekulanten einen Theil des zu liefernden Weizens etwa in den im 17. Jahrhundert beliebten Amsterdamer Tulpenzwiebeln sich liefern ließen und es wäre zum Mindesten auch unberechtigt, daß man jetzt 668 Gramm pro Liter Roggen fordert. Und nun endlich noch ein Wort über die Schiedsrichterkommission. Es ist ganz und gar nicht gerechtfertigt, zu behaupten, nur solche Männer, welche durch lange Jahre auf der Getreidebörse thärig gewesen, seien im Stande, betreffs der Qualität der Waare ein richtiges Urtheil abzugeben. Wir sind der festen Ueberzeugung, daß die Getreidebörse eine Unzabl von Personen beher⸗ bergt. die unausgesetzt für Hunderttausende von Mark Geschäfte ab⸗ schließen, ohne eine Ahnung davon zu besitzen, wie die von ihnen ge⸗ kauften und verkauften Qualitäten Weizen, Roggen und Hafer aus⸗ sehen. Am besten ist es, wenn man nach keiner Seite hin über⸗ treibt und der ministeriellen Anordnung mit weisem Wohlwollen entgegentritt.
Marine⸗Verordnungs⸗Blatt. Nr. 14. — Inhalt: Be⸗ kleidungs⸗Bestimmungen der Admirale, Seeoffiziere ꝛc. — Bekleidung des Seebataillons.
Annalen der Hydrographie und Maritimen Meteo⸗ rologie. Organ des Hydrographischen Amts und der Deutschen Seewarte. Herausgegeben von dem Hydrographischen Amt der Admiralität. Sechzehnter Jahrgang. 1888. Heft VI. — Inhalt: Meteorologische Beobachtungen im Cumberland⸗Sunde. Von Dr. Franz Boas in New⸗York. — Beiträge zu den Segelanweisungen für die Westküste von Afrika. Nach dem Bericht S. M. Kr. „Habicht“, Kommandant Korv.⸗Kapt. von Schuckmann II. — Beschreibung der Insel Diego Garcia. — Geographische Lage 1 Plätze an der Ostküste Australiens. — Vierteljahrs⸗Wetter⸗Rundschau der Deutschen Seewarte an der Hand der täglichen synoptischen Wetterkarten für
den Nordatlantischen Ozean. Sommer 1884. (Schluß.) Mit Tafel
8 und 9. — Kleine Notizen. — Tabellen. — Kartenbeilagen.
Statistische Nachrichten.
Das Mai⸗Heft der Monatshefte des Kaiserlichen Statistischen Amts enthält eine Uebersicht über den Verbrauch von gestempelten Wechselblankets und über die Einnahme an Wechselstempelsteuer im Jahre 1887/88, ferner Monatsnachweise über Auswanderung, Großhandelspreise, Waarenver⸗ kehr und über Zuckererzeugung und „Versteuerung im Deutschen Reiche.
— Gemäß den Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesund⸗ heitsamts sind in der Zeit vom 17. bis 23. Juni cr. von je 1000 Bewohnern, auf den Jahresdurchschnitt berechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin 20,1, in Breslau 27,7, in Königsberg 23,6, in Köln 20,2, in Frankfurt a. M. 19,4, in Wiesbaden 17,0, in Hannover 17,5, in Kassel 12,4, in Magdeburg 21,0, in Stettin 22,6, in Altona 21,9, in Straßburg —, in Metz 27,6, in München 34,7, in Nürnberg 27,5, in Augsburg 17,5, in Dresden 20,1, in Leipzig 16,1, in Stuttgart 14,1, in Karlsruhe 20,9, in Braunschweig 16,1, in Hamburg 26,9, in Wien 25,4, in Pest 31,6, in Prag 38,8, in Triest 22,7, in Krakau 30,8, in Amsterdam —, in Brüssel 20,7, in Paris 19,2, in Basel —, in London 14,5, in Glasgow 22,8, in Liverpool 16,0, in Dublin 20,7, in Edinburg 11,9, in Kopenhagen 21,1, in Stockholm 19,2, in Christiania 25,7, in St. Petersburg 35,2, in Warschau 23,3, in Odessa —, in Rom 20,5, in Turin 21,8, in Venedig 25,9, in Alexandria 28,4. — Ferner in der Zeit vom 26. Mai bis 2. Juni cr. in New⸗BYork 24,5, in Philadelphia 17,2, in Baltimore 15,5, in Kalkutta 26,8, in Bombay 26,4, in Madras —.
. In der Berichtswoche hat die Sterblichkeit in den meisten euro⸗ päischen Großstädten wieder etwas zugenommen und wurden nament⸗ lich aus den größeren deutschen Orten höhere Sterblichkeitsziffern mitgetheilt. Einer sehr geringen Sterblichkeit (bis 15,0 pro Mille und Jahr berechnet) erfreuten sich Kassel, M.⸗Gladbach, Essen, Stutt⸗ gart, Plauen, London und Edinburg. Günstig (bis 20,0 pro Mille und Jahr) blieb auch die Sterblichkeit in Leipzig, Hannover, Augs⸗ burg, Frankfurt a. M., Wiesbaden, Bremen, Elberfeld, Aachen, Braunschweig, Paris, Liverpool, Stockholm. Mäßig hoch (etwas über 20,0 pro Mille und Jahr) war die Sterblichkeit auch in Berlin, Köln, Düffeldorf, Magdeburg, Dresden, Karlsruhe, Mainz, Brüffel, Dublin u. a. Hohe Sterblichkeitszahlen (über 35,0 pr. M.) wurden aus deutschen Städten nicht gemeldet. — Unter den Todesursachen kamen Darmkatarrhe und Brechdurchfälle der Kinder in gesteigerter Senn zum Vorschein und führten besonders in Berlin, Breslau,
Hamburg, München, Königsberg, Wien, Pest, St. Petersburg u. a. viele Sterbefälle berbei. Die Theilnahme des Säuglingsalters an der Sterblichkeit war deshalb auch eine gesteigerte. Von je 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, in Berlin 84, in München 125 Säuglinge. Akute Entzündungen der Athmungsorgane waren nicht selten, zeigten aber gegen die ve, eine Abnahme der durch sie bedingten Sterbe⸗ fälle. — Von den Infeltionskrankheiten wurden Sterbefälle an Masern Diphtherie, Keuchhusten und Peocken etwas seltener, an Scharlach, Unterleibstyphus etwas häufiger gemeldet. — So haben Todes⸗ fälle an Masern in Hamburg, London, Wien und seinen Vororten, sowie in Paris abgenommen, während sie in Prag, Krakau und besonders in St. Petersburg zahlreicher wurden. Erkrankungen kamen jedoch vielfach, so aus Berlin, Ham⸗ burg, den Regierungsbezirken Düsseldorf, Schleswig, Wiesbaden
ferner aus Wien, Pest, Edinburg, St. Petersburg in großer Zahl zum Vorschein. — Das Scharlachfieber forderte in Berlin, Hamburg, Danzig, Wien, Kopenhagen, St. Petersburg mehr Opfer, dagegen hat ihre Zahl in Pest, London und Warschau abgenommen. Neue Erkrankungen zeigten sich in Berlin, Hamburg, Wien, Kopen⸗ hagen nicht selten. — Die Sterblichkeit an Diphtherie und Croup war in Hamburg, Breslau, London, Paris, Kopenhagen, St. Petersburg, Warschau eine kleinere, dagegen in Berlin, Dresden, München, Frankfurt a. M., Wien, Pest eine etwas größere als in der Vorwoche. Erkrankungen wurden in Breslau, Hamburg, Kopen⸗ hagen seltener, in Berlin, Wien, Stockholm, Christiania und St.
etersburg ein wenig häufiger als in der Vorwoche zur Anzeige ge⸗ racht — Sterbefälle an Unterleibstyphus kamen aus Königs⸗ berg, London, Paris, St. Petersburg etwas häufiger zur Mittheilung. Aus Wien wird 1 Todesfall, aus St. Petersburg 7 Erkrankungen an Flecktyphus berichtet. — An epidemischer Genickstarre kamen aus Metz und Kopenhagen je 1 Todesfall, aus letzterem Ort auch 2 Erkrankungen zur Anzeige. — Dem Keuchhusten erlagen in Berlin weniger, in Paris, London, Stockholm fast die gleiche Zahl von Kindern wie in der Vorwoche. — Rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut haben in Kopenhagen weniger Erkrankungen hervorgerufen. — An Pocken kamen aus St. Petersburg und Rom je 1, aus Wien, Warschau, Triest je 4, aus Paris 6, aus Prag 24 Sterbefälle zur Anzeige. Erkrankungen wurden aus Breslau und aus dem Regierungsbezirk Aachen je 1, aus Hannover 2, aus Berlin, Wiehtund Budapest je 4, aus St. Petersburg 6 Erkrankungen mit⸗ getheilt.
Der Gesundheitszustand in Berlin war auch in dieser Berichts⸗ woche ein günstiger, und die Sterblichkeit eine mäßig hohe, wenn auch eine etwas weniger günstige als in der Vorwoche. In Folge der höheren Temperatur der Luft, die in der Berichtswoche vor⸗ herrschte (das Thermometer stieg am 23. Juni bis 27,0 Grad C.) kamen Darmkatarrhe und Brechdurchfälle der Kinder in ansehnlich gesteigerter Zahl zum Vorschein und forderten auch erheblich mehr Opfer. Der Antheil des Säuglingsalters an der Gesammtsterblichkeit war in Folge dessen auch ein erheblich gesteigerter. Auch akute Ent⸗ zündungen der Athmungsorgane waren häufiger von tödtlichen Ausgängen begleitet. — Das Vorkommen der Infektionskrankheiten zeigte meist eine kleine, nur bei Masern eine erhebliche Steigerung der gemeldeten Erkrankungen. Typhöse Fieber blieben beschränkt, an Scharlach und Kindbettfieber kamen etwas weniger Erkrankungen als in der Vor⸗ woche zur Anzeige. Erkrankungen an Diphtherie waren besonders im Stralauer Viertel häufiger. Erkrankungen an Masern gewannen in der diesseitigen Luisenstadt und im Stralauer Viertel größere Ver⸗ breitung. Weitere Erkrankungen an Pocken gelangten 4 zur Meldung. Erkrankungen an Keuchhusten waren häufig, die Zahl der Sterbefälle etwas vermindert. Rosenartige Entzündungen des Zellgewebes der Haut wurden, gleichwie rheumatische Beschwerden aller Art, seltener zur Beobachtung gebracht. 1
Kunst, Wissenschaft und Literatuir.
Von dem Werk: „Bau und Kunstdenkmäler Thü⸗ ringens“, im Auftrage der Regierungen von Sachsen⸗Weimar⸗ Eisenach, Sachsen⸗Meiningen⸗Hildburghausen, Sachsen⸗ Altenburg, Sachsen⸗Coburg und Gotha, Schwarzburg⸗Rudolstadt, Reuß älterer Linie und Reuß jüngerer Linie, bearbeitet von Dr. P. Lehfeldt, Verlag
von Gustav Fischer, Jena, liegt uns das Heft II. vor. Dasselbe
behandelt wiederum einen Amtsgerichtsbezirk, und zwar den in Sachsen⸗Altenburg belegenen Amtsgerichtsbezirk Roda. Der Ort erhielt 1310 Stadtrechte, 1523 die Bestätigung des seit vielen Jahren hbergebrachten Rechts zur Abhaltung eines Wochenmarkts und litt im Bruderkrieg 1450, sowie im dreißigjährigen Krieg 1638 durch Brand. Ueberschwemmungen richteten wiederholt großen Schaden an und sollen u. a. viele Urkunden des Klosters vernichtet haben. Roda nebst dem ganzen Fürstenthum Altenburg kam 1826 an den bisherigen Herzog Friedrich von Hildburghausen, den Nachkommen von einem anderen Sohne Ernst’s des Frommen, als besonderes Herzogthum, und dieser wurde der Stifter der neuen Linie Sachsen⸗ Altenburg. Dem kleineren Umfang des Amtsbezirks entsprechend ist dieses Heft nicht so stark wie das erste, welches den benachbarten Amtsgerichtsbezirk Jena umfaßte. Aber die in ihm gegebenen Abbil⸗ dungen und Beschreibungen von Denkmälern und Kunstgegenständen zeigen, daß Roda und Umgegend keineswegs arm an derartigen Schätzen ist, sondern auch recht beachtenswerthe Gegenstände besitzt, an denen der Kunstfreund und Alterthumsforscher seine Freude haben kann. Roda selbst besitzt einige Kunstdenk⸗ mäler, welche von Interesse sind. Die Kirchenruine des ehe⸗ maligen Cistercienserinnenklosters wird in Abbildungen gezeigt; des⸗ gleichen eine hübsche Ansicht, welche ein Blick aus der Nord⸗ kapelle durch das Kreisfenster nach dem Chor gewährt. Ferner ist in Lichtdruck ein Portalbogenfeld wiedergegeben. Die Illustrationen zeigen uns ferner folgende interessante Bau⸗ und Kunstgegenstände: Die Südostansicht der Kirche zu Drackendorf, die Ueberreste der romantisch oberhalb des Städtchens Lobeda gelegenen Lobedaburg, ferner ein Zimmer im Wohnhause des Hrn. Putze zu Erdmannsdorf, welches die charakte⸗ ristischen Merkmale einer alten thüringischen Bauernstube aufweist; das in spätgothischem Stil kunstvoll gearbeitete Altarwerk, welches sich ehemals in der Kirche zu Gernewitz befand, der Chor und die Kanzel in der Kirche zu Gröben, romanisch gehaltenes Altarbruchstück der Kirche zu Karlsdorf, Relief an der größten Glocke zu Karlsdorf, 71 der Emporenbrüstungen zu Kleinebersdorf, Taufstein zu
örsdorf, Malerei an der nördlichen Empore in der Kirche zu Ottendorf (Geißelung des Heilandes), Glasbilder in der Kirche zu Ottendorf aus dem Jahre 1624, spätgothisch gearbeitetes Altar⸗ werk in der Kirche zu Rabis, welches sich durch eigenartige Be⸗ handlung der Köpfe auszeichnet, Haus des Hrn. Muͤller in Ottendorf, Hostienbüchse in der Kirche zu St. Gangloff, von 1755, Grundriß der Kirche ebendaselbst, Chor mit Kanzel in der Kirche zu Schöngleina, derselbe stammt aus dem achtzehnten Jahrhundert und ist im Misch⸗ stil gehalten, Haus von Hrn. Guthmann in Trockhausen. Schloß⸗ schild an einer Thür der Kirche zu Unterrenthendorf, Südostansicht des Rothvorwerks bei Weißbach, ehemaliges Schloß des Hrn. von Meusebach, Gotteskasten in der Kirche zu Bobeck u. a m. Außerdem ist dem Heft beigefügt eine Karte des Amtsgerichtsbezirks Roda. Die Illustrationen sind zum Theil von C. Timler (Jena) angefertigt und verrathen einen tüchtigen Zeichner; von demselben rührt auch die ge⸗ schmackvolle und vornehm entwoxfene Randleiste auf dem Umschlag her. — Das zweite Heft schließt sich somit dem ersten würdig an und läßt den übrigen mit Erwartung entgegensehen.
— Ueber das Ergebniß der vorjahrigen Berliner akademischen Ausstellung bringt Heft 18 der „Kunst für Alle“ (Ausstellungs⸗ heft Nr. 2) folgende Mittheilung: Das Ergebniß ist für die Ver⸗ anstalter ein überaus günstiges gewesen, was der großen Betheiligung der Künstler zu danken ist. Es waren von diesen eingeschickt worden 1187 Oelgemälde, 202 Aauarelle, Stiche und Zeichnungen, 205 plastische Kunstwerke und 17 architektonische Entwürfe, im Ganzen 1611 Kunstwerke, von denen im Ganzen 1324 und zwar 974 Oel⸗ gemälde, 134 Zeichnungen, Aquarelle, 37 Kupferstiche und Radirungen, 163 Bildwerke und 16 architektonische Entwürfe zur Ausstellung ge⸗ langten. Ihr Versicherungswerth belief sich auf etwa 3 040 000 ℳ Auch diese Ausstellung erfreute sich der lebhaften Unterstützung des he e. von dem sich gegen 7000 Personen den fortdauernden Be⸗ uch der Ausstellung durch den Erwerb einer Saisonkarte gesichert hatten, während über 265 000 Personen die Tageskassen passirten. Die hierdurch erzielte Einnahme hat sich auf über 134 000 ℳ und die Gesammteinnahme der Ausstellung überhaupt auf gegen 170 000 ℳ belaufen, denen Ausgaben in Höhe von etwa 106 000 ℳ gegenüberstehen, so daß über 60 000 ℳ als Ueberschuß dem Kunstausstellungsfonds der Akademie, dessen Zinsen bekanntlich zu Unternehmungen im Interesse der Künstler und zu Unterstützungen von Ausstellern und deren Hinter⸗ bliebenen Verwendung finden, zugeführt werden konnten. Verkauft wurden von den zur Ausstellung gelangten Kunstwerken einschließlich der für die Verloosung angekauften — es waren bei der mit der Fngfcel ns verbundenen Lotterie 150 000 Loose abgesetzt worden —
halten sind. .—.Vom alten zum neuen Reich.“ Die politische Neu⸗ gestaltung Deutschlands und seine Einigung durch Preußen. Von R. Pape. (Leipzig, Wilhelm Grunow, 1888.) Der Verfasser unter nimmt in den vorliegenden Abhandlungen, welche zum großen Theil bereits im letzten halben Jahr in den „Grenzboten“ erschienen sind, den Versuch, den weiteren Kreisen unseres Volks ein kurzes, klares und anschauliches Bild vorzuführen von der politischen Um⸗ gestaltung, welche unter großen Opfern nöthig war, um aus dem ohnmächtigen, verrotteten und verfallenen heiligen römischen Reich ein lebenskräftiges, machtvolles neues Deutsches Reich zu schaffen. Der Verfasser wurde zu diesem Unternehmen durch den Gedanken bewogen, daß es nicht ohne Werth sein dürfte, über die politische Umgestaltung Deutschlands, über die Entwickelung der verschiedenen Verfassungsformen auseinander und die bedingenden Momente der politischen Neugestaltung in zusammenhängender Form mit genauer Beobachtung der einschlägigen Punkte einen längeren Aufsatz zu schreiben, da selbst in gebildeten Kreisen seiner Meinung nach die Kenntniß der Geschichte der letzten hundert Jahre in ihrer vorbereiten⸗ 8 den Bedeutung für die Neuentstehung des Reichs keines⸗ wegs eine genügende sei. Die Literatur über diese Frage ist ja keine geringe, doch ist der Stoff in ihr nicht geordnet und gesichtet; ihn zu zu sammeln, kostet viel Mühbe und Arbeit und setzt, wenn vielleicht auch nicht eine so sehr große Gelehrsamkeit, so doch mindese
sehr große Belesenheit in der historisch⸗politischen Literatur voraus. Den umfangreichen Stoff in populären Vorträgen einem größeren Leserkreise verständlich zu machen, war die Absicht des Verfassers. Um nun ein wahrheitsgetreues Bild zu geben, hat er nicht umhin gekonnt, alle die trübseligen Zustände, wie sie zur Zeit des zwischen Preußen und Oesterreich bestehenden Dualismus herrschten, wenn auch mit schonender Hand, so doch ihrer wirklichen Natur entsprechend zu schildern. Aber er thut dies nicht, um alte Wunden wieder auf⸗ zureißen sondern im Gegentheil, um davor zu warnen, daß nicht etwa blinde Leidenschaften die Bevölkerungen der beiden Länder wieder in jene alten Fehler zurücktreiben, die soviel Unheil hervorgebracht haben. Das ist der zweite, durchaus anerkennenswerthe Zweck diese Werks. Endlich soll es allen Deutschen im Reich, die mit Sto sich der Einheit, der Größe und des Glanzes ihres unter Kaiser Wilhelm verjüngten und wiedergeborenen Vaterlandes erfreuen, eine eindringliche Mahnung sein, die unschätzbaren Güter, welche die Nation errungen hat, um jeden Preis zu beschützen, zu vertheidigen und für alle Folgezeit zu bewahren. Das Buch entstand noch vor dem Heim⸗ gang Kaiser Wilhelm's, dicht vor seinem Erscheinen wurde der ruhmvolle Herrscher aus seinem gesegneten Leben abberufen. Der Verfasser zollt dem dahingegangenen Fürsten die verdiente An⸗ erkennung, aber während er dazu auffordert, all die Liebe und Verehrung dem Sohne Wilbelm's, dem Kaiser Friedrich zu übertragen, wurde sein Buch durch das letzte traurige Ereigniß wieder überholt, auch Kaiser Friedrich weilt nicht mehr unter den Lebenden. Nichtsdestoweniger besteht seine Mahnung in voller Bedeutung fort, denn auch dem Enkel Kaiser Withelm's, unserem jetzigen Kaiser Wilhelm II., wird das deutsche Volk Treue um Treue entgegen ⸗ bringen. Aus dem Gesagten geht hervor, was der Verfasser mit seinem Buch bezweckt, allen Patrioten wird er daher mit demselben eine willkommene Gabe geboten haben. — Der Verfasser behandelt zunächst das Deutsche Reich im vorigen Jahrhundert und geht dann auf die Auflösung des alten Reichs, die Zeit Napoleon's ein; der Rheinbund, der Deutsche Bund, der Nord⸗ deutsche Bund und das neue Reich bezeichnen sodann die einzelnen Stadien, welche Deutschland zu durchlaufen hatte, ehe es wieder vereint zu einem Reich unter einem Kaiser auferstand. Im Anhang giebt der Verfasser eine Uebersicht über die Zusammensetzung des schwäbischen Reichskreifes, die Zusammensetzung des Deutschen Reichs⸗ tages im Jahre 1792, die Mitglieder des Rheinbundes. Den Beschluß machen der Deutsche Reichstag im engeren Rath und im Plenum und der Bundesrath des Noredeutschen Bundes und des Deutschen Reichs.
— Zwei Welten sind unser. Von Hugh Macmillan D. D. L. L. D. 5. R. S. K. Verfasser von „Bibellehren in der Natur“, „Der rechte Weinstock“, „Der Feiertag der Felder“. Ueber⸗ setzt von Klara Schütz. Gotha, „Friedr. Andr. Perthes, 188 (Preis: geb. 5 ℳ) — Dieses in seiner Heimath mit dem größten Beifall aufgenommene Buch ist ein trefflich gelungener Versuch, die Naturwissenschaften mit ihren neuen Ergebnissen unmittelbar für den Dienst der Religion zu verwerthen. Die Naturanschauung des Ver⸗ fassers ist ebenso umfassend, als tief eindringend, und die scharfsinnige Art, in welcher er seine auf dem Naturgebiet gewonnenen Erkennt⸗ nisse für die Erläuterung und Veranschaulichung religiöser Wahrheiten verwendet, ist oft von überraschender, aber auch über⸗ zeugender Wirkung. Die Gegenstände, an welche er seine tiefsinnigen und interessanten Wahrnehmungen knüpft, sind von der verschiedensten Art. Bald sind es die Sandkörner, bald die Bergquellen, bald die Sommerblüthen, bald die Schneeflocken, welche ihn beschäftigen. Auch der Sfflesne welche uns mit den Grundsätzen und der Methode des Verfassers bekannt macht, sei noch besonders gedacht. Die Uebersetzerin bat mit Fleiß und Sorgfalt gearbeitet, wenn es ihr gleich nicht hat gelingen können, alle Schwierigkeiten in der Wiedergabe eines aus so tiefem Studium hervorgegangenen Buches zu überwinden.
— Das siebente Heft, mit welchem der zweite Band dieses Jah gangs von „Unsere Zeit“ herausgegeben von Friedrich Bienemann (Leipzig, F. A. Brockhaus) anhebt, wird angesichts der bevorstehenden Feier des 100 jährigen Geburtstags König Ludwig's I. von Bayern passend eingeleitet durch eine Studie von Ferdinand Gregorovius „Die Villa Malta in Rom und ihre deutschen Erinnerungen“. Im Folgenden liefert Heinrich Reimann einem künftigen Liszt⸗Biographen eine werthvolle Vorarbeit in der Zeichnung der Entwickelungsjabre, die „Der junge Liszt“ 1823 — 1834 in Paris durchlebt hat. Der Nationalökonom Dr. Gustav König zieht in einem Vortrag über „Das heutige Frankreich“ aus der Beobachtung des Pariser Lebens beachtenswerthe Schlußfolgerungen fur den Charakter der heutigen Franzosen. Die anziehendsten Ger hälde der, nun bereits geschlossenen historischen und internationale zue Jubig ums⸗
Kunstausstellung in Wien“ führt Fritz Lemmermayer , er vor. Zum ersten Male unseres Wissens wird in der deutsch. 3, se eine eingehende Beschreibung der neuen stolzen Stadt Südamerikas vo
Emil Dürer unter dem Titel „Die Wunder von La⸗Plata“ gebrach 8 Der Verfasser der rühmlich bekannten russischen Literaturgeschichte, Alexander von Reinholdt, charakterisirt „Konstantin Akssakow, den Historiker des Slawophilenthums“. Die Naturwissenschaften sind
schritte und den gegenwärtigen Stand der geologischen Forschung“
vertreten. Rudolf Eckert endlich widmet dem „Recht auf Arbeit“ und
seiner Durchführung zunächst eine kurze geschichtliche Untersuchung, um dann für Stöpel’'s Vorschlag der Benutzung der Arbeiterkolonien zur Lösung der Aufgabe einzutreten. Der Erklärung des vom Kaiserlich deutschen Postamt neuerdings eingeführten transpvortablen Fernsprech⸗ apparats mit Mikrophon von der Berliner Firma Mix u. Genest durch W. H. Uhland und einer Todtenschau folgt aus der Feder des Herausgebers ein Gedenkblatt, niedergelegt „Am Sarge Kaiser Friedrich’s“. 8
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— Im Verlage des Berliner Lithographischen Instituts (Julius Moser, Berlin W., Potsdamerstraße 110) erschien: „Die deutsche Armee und Kaiserliche Marine.“ Eintheilung der Truppen, Quartierstand, Landwehr⸗Bezirke ꝛc. nebst Gesetz vom 11. Februar 1888, betreffend Aenderungen der Wehrpflicht. Nach amtlichen Duellen bearbeitet von G. Knost, Lieutenant a. D. 1. Jahrgang. — Dies nütz⸗ liche und für jeden, der Auskunft über Armee⸗Eintheilung u. s. w. haben will, empfehlenswerthe Nachschlagebuch hat folgenden Inhalt:
inthei — greich Preußen und den im
durch die Darlegung Dr. Hans Pohlig's in Bonn über „Die Fort.