1888 / 215 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 23 Aug 1888 18:00:01 GMT) scan diff

Köln, 23. August. (W. T. B.) Se. Königliche der Prinz Friedrich Leopold traf im Auftrage Sr. Majestät des Kaisers und Königs zum Besuch der

internationalen Gartenbau⸗Ausstellung heute

ormittag hier ein und wurde von einer zahlreichen Menschen⸗ menge auf das Herzlichste begrüßt.

Bayern. München, 21. August. (Allg. Ztg.) Prinz und Prinzessin Leopold gaben heute zu Ehren des hier anwesenden Grafen und der Gräfin von Flandern sowie deren ältesten Sohnes ein Mahl. Die Königin⸗Mutter wird Elbigenalp am 28. August verlassen und noch an demselben Tage in Hohenschwangau zu längerem Aufenthalt eintreffen. Die Herzogin Max in Bayern begeht am 30. d. M. ihr 80. Geburtsfest. Die hohe Frau, bekanntlich die einzige noch lebende Schwester König Ludwig's I., ist gegenwärtig das älteste Mitglied des Wittelsbacher Hauses. Herzog Max vollendet am 4. Dezember d. J. sein 80. Lebensjahr.

23. August. (W. T. B.) Der König von Portugal ist heute Morgen 1 Uhr hier eingetroffen und hat im Hotel „Bayerischer Hof“ Wohnung genommen. Der portugiesische Gesandte, Marquis von Penafiel, war seinem Monarchen bis Simbach entgegengereist.

Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 22. August. Die Nr. 35 des „Central⸗ und Bezirks⸗Amtsblattes für Elsaß⸗ Lothringen“, vom 18. d. M., veröffentlicht die Bestimmungen über die Ausführung des Gesetzes, betreffend die Unfall⸗ und Krankenversicherung der in land⸗ und forstwirthschaftlichen Betrieben beschäftigten Per⸗ sonen, vom 6. Mai 1886, erlassen vom Ministerium am 10. d. M., nebst der Wahlordnung, betreffend die Wahlen der Vertreter zur konstituirenden Ge⸗ nossenschaftsversammlung. 8

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 22. August. (W. T. B.)

Der König von Portugal ist nach Munchen abgereist. (Prag. Abdbl.) Die Einberufung der Landtage für den 10. September ist unmittelbar bevorstehend. Gestern fand im Handels-Ministerium unter der Theil⸗ nahme der ungarischen Delegirten die erste Berathung wegen der Sequestration der Ungarisch⸗galizischen Bahn statt. Die Betriebsübernahme durch den Staat soll mit Neu⸗ jahr erfolgen. Das Propinations⸗Ablösungsgesetz für Galizien ist bereits ausgearbeitet; nach erfolgter Kaiser⸗ licher Genehmigung wird dasselbe der parlamentarischen Be⸗ rathung zugeführt.

Pest, 22. August. (W. T. B.) Vierzig Bauern der rumänischen Gemeinde Bombest, welche in Folge der Grenz⸗ regulirung an Ungarn fällt, widersetzten sich der ungarisch⸗ rumänischen Grenzregulirungs⸗Kommission. Der rumänische Delegirte stellte bewaffnetes Einschreiten in Aus⸗ sicht, falls die Bauern ihren Widerstand nicht gütlich aufgeben

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sollten.

Großbritannien und Irland. London, 21. August. (A. C.) Gestern gelangten die Flortenmanöver zum Abschluß und die sich bekriegenden Flotten zerstreuten sich. Admiral Tryon's Geschwader kam von Bantry Bay und steuerte in südlicher Richtung, um Admiral Baird's Flotte zu vermeiden. Das Geschwader kam Nachmittags in Portland an und trennte sich dort. 1 ö

Nach einem parlamentarischen Ausweise sind in dem mit dem 30. Juni abschließenden Vierteljahr 62 Pächter und 5 Afterpächter in Irland in Gemäßheit der Landakte von 1887 und außerdem 42 Pächter und 6 Afterpächter aus anderweitigen Gründen ausgewiesen worden.

8 Aus Kalkutta, vom 19. August, wird telegraphisch be⸗ richtet:

Der Streit mit Thibet nimmt einen sehr ernsten Aspekt an und verspricht sich in einen Grenzkrieg von nich: unbeträchtlicher Bedeutung zu entwickeln, wenn die Eindringlinge nicht bald gründlich geschlagen und aus Sikkim vertrieben werden. Diese Angelegenheit der man Anfangs nur geringe Bedeutung beilegte, hat sich zur wichtigsten politischen Frage in Indien gestaltet, da sie nicht nur die britischen Beziehungen mit sämmtlichen öst⸗ lichen Grenzstaaten, sondern auch die Beziehungen mit China berührt. Nach den jüngsten Ereignissen zu urtheilen, ist China machtlos, irgend welche Autorität in Thibet auszuüben. Die Ankunft des chinesischen Gesandten in Lhassa hat anscheinend die thibetanische Regierung nur zu noch thätigeren Kriegsvorbereitungen angespornt und scheint in Lhassa als ein erwartetes Signal betrachtet worden zu sein, die Vertreibung der britischen Truppen aus Sikkim unverzüg⸗ lich zu versuchen. Es wird gemeldet, daß die Thibetaner jetzt 15 000 Mann Truppen auf den Beinen haben, und daß ein Hülfscorps von 3000 Bhuteas bereit steht, sie in einem Angriff auf die britischen Verschanzungen zu unterstützen. Gerüchtweise verlautet, dieser Angriff werde am 21. d. stattfinden, um der Ankunft von Verstärkungen zuvor⸗ zukommen. Sollte der Feind in Folge seiner bei Weitem überlegenen Anzahl von Streitern in einem Nachtangriff auf Gnatong erfolgreich sein, dann ist es nicht unmöglich, daß er auch in Darjeeling ein⸗ fällt, indem dieser Platz von militärischem Schutz völlig entblößt ist, da nur wenige Mann Gurka⸗Polizei dort stehen. Es wohnt dort eine große Anzahl von Weibern und Kindern, und das Vorrücken der ganzen Garnison nach der Front hat eine zeitweise Panik hervor⸗ gerufen. Jetzt ist indeß der Befehl erlassen worden, die Garnison durch 100 Mann des Derbyshirer Regiments aus Dum Dum zu ersetzen. Die thibetanische Streitkraft droht mit einem Vor⸗ marsch auf Entchi, welches im Herzen von Sitkim liegt und gegenwärtig der Sitz des Radschahs ist Der Feind hat nach allen Richtungen befestigee Wälle aufgeworfen. Inzwischen ist als ein Gegenmanöver eine Straße von Rhenock Bazar nach Patoyoung durch die Schanzgräber eröffnet worden, und von diesem Punkt ist Entchi leicht zugänglich. 700 Mann Verstärkungen befinden sich auf dem Marsche nach Sikkim. Oberst Graham's ursprüngliche Streitkraft von 1600 Mann ist durch 275 Europäer und 4 Kanonen verstärkt worden. Nach der Ankunft der Verstärkungen wird er über 2300 Mann und 8 Geschütze verfügen. Von dieser Streitkraft wird h hng 500 Engländer, 500 Gurkas und 500 Pioniere als Garnison erhalten.

22. August. (W. T. B.) Die „St. James⸗Gazette“, sagt: die Regierung habe Nachrichten über einen ernsteren Aufstand in Maimena (Nord⸗Afghanistan) erhalten. Ishak⸗Khan, der Gouverneur von Balkh, solle in die Sache verwickelt sein. Von Herat seien Truppen nach Maimena ge⸗ sandt worden. (Vgl. Afghanistan.)

Frankreich. Paris, 21. August. (Köln. Ztg.) Im Lager von Chalons werden in diesen Tagen vier Kürassier⸗, sechs Dragoner⸗, zwei Husaren⸗ und sechs Regimenter reitender Jäger zu Kavallerie⸗Manövern unter der Leitung des Generals Galliffet zusammengezogen.

Rußzland und Polen. St. Petersburg, 23. August. (W. T. B.) Das „Journal de St. Petersbourg“ dementirt die auswärts verbreitete Nachricht, daß der Minister von Giers eine abessinische Gesandtschaft empfangen und daß diese die Abtretung einer Insel an Rußland angeboten habe. Die ganze Nachricht beruhe auf reiner Erfindung.

Italien. Rom, 22. August. (W. T. B.) Der ‚Esercito“ kann anderweitigen Blättermeldungen gegenüber versichern, daß bezüglich der Entsendung von Verstärkungen nach Massovah und der Wiederaufnahme der militärischen Operationen im November d. J. noch kein Beschluß gefaßt worden sei. Ebenso entbehre die Nachricht von der Entsendung einer militärischen Kommission an den Negus von Abessinien jeder Begründung.

Schweiz. Bern, 22. August. (W. T. B.) Der Bundesrath hat den Finanzausweis der Schweize⸗ rischen Nordostbahn für den Bau der Moratoriums⸗ linien genehmigt.

Niederlande. Haag, 22. August. (W. T. B.) Die Nachrichten über das Befinden des Königs lauten heute etwas weniger zufriedenstellend. Der Leibarzt Dr. Vinkhuyzen bleibt im Palais zu Loo.

Türkei. Konstantinopel, 20. August. (Prag. Abdbl.)

Der Großvezir ließ an die bulgarische Regierung

die Mittheilung gelangen, daß fortan die strengste Ueber⸗ wachung der macedonischen Grenze stattfinden werde.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 22. August. (W. T. B.) Nach den nunmehr getroffenen definitiven Dis⸗ positionen wird der König, begleitet von dem Ober⸗Komman⸗ danten von Stockholm, Grafen Lagerberg, dem Kabinets⸗ Sekretär Bildt, dem Chef des norwegischen Kadetten⸗Corps, Hofmarschall Frölich, und dem Oberst⸗Lieutenant Harmens, am 30. d. M. in Warnemünde eintreffen und sich von dort aus direkt nach Berlin begeben, von wo Se. Majestät am 3. September hierher zurückzukehren gedenkt.

Amerika. Washington, 20. August. (A. C.) Im

Repräsentantenhause wurde heute eine Vorlage ein⸗

gereicht, betreffend die Bestrafung von Personen, welche mit „Trusts“ Verbindungen unterhalten. Das Repräsentantenhaus nahm sodann die jüngst vom Senat ge⸗ nehmigte Vorlage an, welche die Einwanderung von Chinesen in die Vereinigten Staaten verbietet.

Asien. Afghanistan. Dem „Reuter'schen Bureau“ wird aus Simla, vom 22. August, gemeldet, daß Ishak⸗ Khan, General⸗Gouverneur von Afghanistan und Turkestan, die Einladung des Emirs, nach Kabul zu kommen, abge⸗ lehnt und jetzt eine herausfordernde Stellung ange⸗ nommen habe. Ein Theil der Truppen habe sich gegen Ishak⸗Khan zu Gunsten des Emirs gewandt. Die Garnison von Maimena habe den von Ishhak⸗Khan ein⸗ gesetzten Gouverneur abgesetzt. Auf das Gesuch der Garnison um einen neuen Befehlshaber habe der Gouverneur von Herat den Bruder des dortigen Oberbefehlshabers als Nachfolger des abgesetzten Gouverneurs gesandt. Kämpfe hätten nicht stattgefunden; die Autorität des Emirs scheine gesichert.

Zeitungsstimmen.

Zu der Ernennung des Staats⸗Ministers von Boetticher zum Vize⸗Präsidenten des Staats⸗Ministeriums schreibt die „Nationalliberale Correspondenz“:

Man erinnert sich gern, mit welch' liebenswürdigem Takt Herr von Boetticher den persönlichen Verkehr zwischen Volksvertretung und Regierung zu pflegen und freundlich zu erhalten weiß. Die sozial⸗ politischen Neuerungen der Reichsgesetzgebung hat er mit an⸗ erkennenswerther Umsicht zum Vollzug gebracht, und es wird nicht ohne gute Wirkung bleiben, wenn er nunmehr im preußischen Staats⸗Ministerium seine im Reichsamt des Innern gesammelten sozialpolitischen Beobachtungen und Erfahrungen un⸗ mittelbar und mir verstärktem Einfluß zu verwerthen im Stande ist. Die preußische Staatsregierung hat mit der Berufung des neuen Ministers des Innern und jetzt mit der Ernennung des Vize⸗Präsi⸗ denten an Homogenität und damit auch an Befähigung zu reforma⸗ torischem Vollbringen jedenfalls erheblich gewonnen. Für die bevor⸗ stehende fünfjährige Legislaturperiode des Abgeordnetenhauses eröffnet sich also auch in dieser Hinsicht eine erfreuliche Aussicht. 8

Die „Frankfurter Zeitung“ äußerte kürzlich:

Fast täglich kommen jetzt aus den verschiedenen preußischen Pro⸗ vinzen Nachrichten, daß Konservative und Nationalliberale sich über die Aufstellung gemeinschaftlicher Kandidaten geeinigt, noch häufiger, daß die Nationalliberalen einfach beschlossen haben, für Konser⸗ vative zu stimmen. Eine beglaubigte Meldung, 9. die National⸗ liberalen sich irgendwo zu selbständigem Vorgehen gegen die Konservativen entschlossen oder gar zu diesem Zweck Fühlung mit den Freisinnigen gesucht hätten, liegt nicht vor. Das Kartell steht also in alter Blüthe; es ist ohne eine Abmachung der Parteileitungen, ja selbst trotz des Scheiterns einer generellen Vereinbarung, wie etwas Selbstverständliches auf die Landtagswahlen übertragen worden.

Dazu bemerkt die „Schlesische Zeitung“:

Besseres können wir einstweilen nicht wünschen. Es wird sich jetzt nur um Verständigung über die einzelnen Kandidaten handeln. So durchaus berechtigt das Bestreben der Nationalliberalen und der ihnen in diesem Punkt zur Seite stehenden Freikonservativen erscheint, den äußersten Flügel der Konservoativen, der nur einen verschwindenden Bruchtheil der Partei ausmacht, deren Presse aber vollständig be⸗ herrscht, von der parlamentarischen Vertretung fernzuhalten, so natürlich erscheint anderntheils das Widerstreben der Konservativen, einen Theil ihres Besitzstandes zu opfern. Ohne Respektirung des Besitz⸗ standes ist das Kartell nicht wohl denkbar. Den Nationalliberalen und Freikonservativen wird also nur übrig bleiben, im Verein mit denjenigen Konservativen, die einem Paktiren mit dem Centrum ab⸗ eneigt sind, in den einzelnen Wahlkreisen die Aufstellung von extrem⸗ konservativen Kandidaten nach Möglichkeit hintanzuhalten. Nachdem die leitenden hochkonservativen Organe, insbesondere „Kreuzzeitung“ und „Reichsbote“, erklärt haben, daß die Partei dem Windt⸗ horst'schen Schulantrag zu welchem sich jüngst erst der schlesische Katholikentag unter Hrn. von Huene’'s Führung feierlichst bekannt hat entgegentreten werde, haben sich die Schwierigkeiten einer Ver⸗ ständigung wesentlich gemindert.. Dem Centrum werden also hoffent⸗ lich die nationalen Parteien allerwärts geschlossen gegenüberstehen. Mit noch größerer Zuversicht darf dies dem Freisinn gegenüber er⸗ wartet werden. An und für sich fällt derselbe politisch überhaupt nicht mehr ins Gewicht; schon seiner numerischen Schwäche wegen kann er nur noch im Bunde mit den Ultramontanen, Polen, Welfen und Sozialdemokraten eine Rolle spielen. Die Lockrufe, durch welche er den linken Flügel der Nationalliberalen zu sich herüberzuziehen ver⸗ suchte, sind ungehört verhallt. Auch hat sich, wie wir rühmend an⸗

erkennen, bei den Nationalliberalen noch in keinem Wahlkr e Seeeh offenbart, mit den Freisinnlern in ein Wahlbündniß ad hoc einzutreten....

In einem Artikel betitelt: „Schutzzoll, Freihandel und

Wissenschaft“ sagt die „Deutsche volkswirthschaftliche Correspondenz“: Mröge die Frage, ob die nationalökonomischen Wissenschaften jemals einen so konkreten Inhalt gewinnen werden, um ihre Sätze ohne Weiteres der Politik eines jeden Landes zu Grunde legen zu können, einmal auf sich beruhen bleiben; so viel steht fest, daß sie gegenwärtig in dieser Lage nicht sind, und daß die Anschauung, welche unsere Gegner als die alleinseligmachende hinstellen, nichts Anderes als den Rang einer wissenschaftlichen Hypothese für sich beanspruchen kann, welche die Erfahrung durchweg eher gegen als für sich hat. Unser Streben ist nun keineswegs darauf gerichtet, jener Hypo⸗ these eine andere gegenüberzustellen, sondern nur darauf, über die wirkliche Lage und die Bedürfnisse aller wichtigen Zweige unserer Produktion fortgesetzt Beobachtungen zu sammeln, die geeignet er⸗ scheinenden Maßregeln zu befürworten und je nach dem Erfolge dieser Maßregeln zu weiteren Schlüssen und Vorschlägen zu gelangen. Würden wir uns demnach heute überzeugen, daß der Schutzzoll in einem bestimmten Falle nichts nützt, sondern schadet, so würden wir uns deshalb noch keineswegs zum Frei⸗ handel bekennen, sondern einfach im gegebenen Falle aus praktischen Gründen für die Beseitigung des betreffenden Schutz⸗ zolls eintreten. Andererseits aber, wenn wir überzeugt sind, daß ein an sich erforderlicher Schutzzoll erst von einer bestimmten Höhe ab wirksam sein könne, so würde uns der etwaige Lärm unserer Gegner nicht abhalten, die erforderliche Höhe zu befürworten. Füͤr uns han⸗ delt es sich eben lediglich um den Zweck der Sache; dieser Zweck ist aber kein nebelhafter, sondern ein ganz positiver; wir streben deshalb dahin, daß dasjenige ermittelt und befolgt werde, was sich als noth⸗ wendig für den Nationalwohlstand herausstellt.

„—— Wie wir der „Kölnischen Zeitung“ entnehmen, äußert sich die Handelskammer zu Wesel in ihrem Jahres⸗ bericht für 1887 über den Terminhandel in Kaffee wie folgt: Der Fachhandel und das inländische Geschäft sind durch diese Börsenmanipulationen arg in Mitleidenschaft gezogen, und es wäre sehr zu wünschen, daß Mittel gefunden würden, den Auswüchsen des Terminhandels vorzubeugen. Ein gesundes Termingeschäft trägt jedenfalls zur Hebung des Handels und zur Ausgleichung großer Konjunkturen bei; die Leichtigkeit aber, mit welcher die Liquida⸗ tionskassen bei dem allzu billigen Depot Spekulations⸗ operationen zulassen, wirkt demoralisirend und führt zur Ueber⸗ spekulation. Die Vermittlung und die Garantie der Liquidations⸗ kassen verwandelt die Spekulationsgebilde von außerhalb des Kaffee⸗ handels stehenden Leuten in offizielle Werthe für den Kaffeemarkt; der Lieferungskontrakt wirkt heute an der Börse als Kaffee⸗Nota, und eine Ueberproduktion solcher Werthe muß dieselbe Wirkung haben wie im Staatshaushalt eine übermäßige Ausgabe von Banknoten ohne ent⸗ sprechende Baardeckung. Wenn die Reichsbank und die übrigen Zettel⸗ banken gehalten sind, zum Schutze des allgemeinen Interesses Baar⸗ deckungen in gewissem Verhältniß zu ihrer Notenausgabe in Depot zu haben, dann darf auch die Gesetzgebung durch Vorschrift eines ent⸗

sprechend hohen Depots regulirend einwirken auf die Etablirung anderer

offizieller Werthe für einzelne Zweige des Handels. Der Umsatz a den Terminmärkten von Havre, New⸗York, Hamburg und Antwerpen betrug während der ersten drei Monate dieses Jahres (1888) beinahe 18 Millionen Ballen, also das doppelte Quantum derselben Zei des vorigen Jahres. Zweifellos werden bei den furchtbaren Summen von Courtage⸗ und Kommissionsgeldern, welche an diesen Plätzen verdient werden, bald auch andere Artikel, wie Baumwolle, Zucker, Getreide, Petroleum u. s. w., in den Wirkungskreis der Liqui dationskassen gezogen werden, und auch diese Werthe werden die betreffenden Märkte gefährden. Bei der Ausgabe von Reichs banknoten gilt als erster Grundsatz, daß der dritte Thei durch Baardeckung geschützt sein muß, überhaupt darf di Differenz zwischen Notenemission und Baardeckung eine bestimmt Grenze nicht überschreiten. Die Liquidationskassen dagegen begnüge sich bei der Aufrechterhaltng von Kaffeewerthen sehr zweifelhafter Herkunft gewöhnlich mit etwa 5 % Depot und mit sehr fraglichen Margenzahlungen. Die Wirkungen sind denn auch nicht ausgeblieben und sie werden, wenn die Gesetzgebung nicht eingreift, sowohl be Kaffee als auch in anderen Artikeln durch die Gewinnsucht der Ver⸗ mittelungspersonen immer weiter getrieben werden. Die daraus ent stehenden Krisen werden in demselben Grade an Umfang und Ver derblichkeit für den Waarenhandel zunehmen.

Centralblatt für das Deutsche Reich. Nr. 34. Juhalt: Konsulatwesen: Ernennungen. Exequatur⸗Ertheilung. Militärwesen: Abänderungen in dem Gesammtverzeichniß der den Militäranwärtern in den Bundesstaaten vorbehaltenen Stellen. Neues Gesammtverzeichniß der zur Anstellung von Militäranwärtern verpflichteten Privat⸗Eisenbahnen. Bankwesen: Status der deutschen Notenbanken Ende Juni 1888. Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebieieiet. .

Veröffenllichungen des Kaiserlichen Gesundheits⸗ amts. Nr. 34. Inhalt: Gesundheitsstand. Volkskrankheiten in der Berichtswoche. Oeffentliches Gesundheitswesen in Berlin 1883 bis 1885. Sterbefälle in deutschen Städten von 40 000 und mehr Einwohnern. Desgl. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in Berliner Krankenhäusern. Desgl. in deutschen Stadt⸗ und Landbezirken. Statistische Mittheilungen aus Breslau. Witterung Zeitweilige Maßregeln ꝛc. Veterinärpolizei⸗ liche Maßregeln. Medizinal⸗Gesetzgebung ꝛc. (Preußen.) Untersuchung der nach den Nordseehäfen zu befördernden Schweine. (Baden.) Verkehr mit Nahrungsmitteln. (Sachsen⸗ Altenburg.) Verpflichtung der Hebammen. (SItalien.) Mißbräuch⸗ liche Ausübung der Heilkunst. (Desgl) Unterweisung der Aerzte in der Gesundheitstechnik. (Schweiz) Arbeit in den Fabriken. (Frankreich.) Sanitätsstatistik. (Afrika. Kongo⸗Staat.) Handel mit geistigen Getränken. Verhandlungen von gesetzgebenden

Körperschaften. (Oesterreich.) Bekämpfung der Pellagra. Ver⸗

mischtes. (Preußen. Berlin.) Milch. (Braunschweig.) Milch⸗ untersuchungen im chemischen Laboratorium.

Centralblatt der Baunverwaltung. Nr. 33A. Inhalt: Nichtamtliches: Ueber die kulturgeographische Bedeutung der Flüsse und ihre Entwicklung als Verkehrswege. Zur Eröffnung des Hauptbahnhofes in Frankfurt a. M. (Fortsetzung.) Der Thurm Eiffel und andere Bauten der Pariser Weltausstellung von 1889. VIII. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Architekten⸗ und Ingenieur⸗Vereine in Köln. (Schluß.) Vermischtes: Ein neuer Windmesser. Bau einer zweigeleisigen Drehbrücke. Neue Rohr⸗ verbindung für Dampfheizungen. Reinigen von Abgußrohren. Anordnung der Schienenstöße.

8 Statistische Nachrichten.

Die Pfennigsparkasse zu Darmstadt, die ein Vor⸗ bild für viele hundert Städte geworden ist, zählte im 7. Betriebs⸗ jahre 3780 Einleger, welche in 77 440 Einzahlungen 54 010 ein⸗ legten, wovon 52 146 in 8261 Posten in die städtische Sparkasse übertragen wurden. Seit Eröffnung der Pfennigsparkasse (Oktober 1880) wurden 392 976 75 in die städtische Sparkasse über⸗ tragen und 147 610 zurückgenommen. Es treten zwar alljährlich der Pfennigsparkasse mehrere Hundert neue Einleger bei, dagegen geht aber eine weit größere und immer zu⸗ nehmende Zahl der Pfennigeinleger als Markeinleger zur

städtischen Sparkasse über, an welcher letzteren man jetzt die Wirk⸗ samkeit der Pfennigsparkasse am klarsten erkennt. Im Jahre 1879, vor Errichtung der Pfennigsparkasse, waren bei der städtischen Spar⸗ kasse an Einlegern mit Guthaben unter 100 vorhanden 3387. Im Jahre 1886 betrug die Zahl derselben aber 9014, mithin hat sich die Zahl dieser Sparer seit Errichtung der Pfennigsparkasse um 5627 vermehrt, also nahezu verdreifacht. Ferner war bei der städtischen

Sparkasse die Gesammtzahl aller Einleger 11 729 im Jahre 1879

mit 4 091 192,98 Einlagekapital und kam auf einen Einleger ein Guthaben von durchschnittlich 349 Im Jahre 1886 betrug dagegen die Gesammtzahl der Einleger 21 792, das Einlagekapital 6 438 078,35 und

kam auf jeden Sparer ein Durchschnittsguthaben von 295 So

konnte die städtische Sparkasse in Darmstadt durch die Vermittelung der Pfennigsparkasse die kleinen Ersparnisse der weniger bemittelten Klassen ansammeln, und ibre nützliche Aufgabe vollständiger erfüllen. Von jenen Ersparnissen wurde ein Theil zurückgenommen, theild zur Zahlung größerer Bedürfnisse, theils um in Fällen der Noth sich elbst zu helfen, anstatt im Pfandhaus Hülfe zu suchen; der größere Theil der Ersparnisse aber bleibt aufbewahrt, um auch für spätere Zeiten die Wohlfahrt der Familien zu sichern. („Der Arbeiterfreund.“) Straßburg i. E., 21. August. Nach den neuesten „Beiträgen zur Forststatistik von Elsaß⸗Lothringen“ wurden in Elsaß⸗ Lothringen im Rechnungsjahr 1886/87 an schädlichem Wild erlegt bezw. gefangen: 942 Wildschweine, 14 Wölfe, 2331 Füchse, 25 Wildkatzen. Hiervon im Ober⸗Elsaß: 351 Wildschweine, 5 Wölfe (Oberförsterei Altkirch), 946 Füchse, 30 Wildkatzen; Unter⸗ Elsaß: 299 Wildschweine, 549 Füchse, 59 Katzen; in Lothringen: 292 Sauen, 9 Wölfe, 836 Füchse, 36 Wildkatzen Die Anzahl der erlegten Wölfe ist eine wesentlich geringere als in den Vorjahren, wo ie Ziffer durchschnittlich um 40 betragen hatte. Von den 14 Wölfen ind 7 in Gemeinde⸗ bezw. Anstalts⸗, 3 in Privatwaldungen erlegt orden

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Von dem im Auftrage der Provinzialverwaltung von Schlesien Seiters des Königlichen Regierungs⸗Baumeisters Lutsch in Breslau bearbeiteten und herausgegebenen Verzeichniß der Kunstdenk⸗ mäler Schlesiens (Breslau, Verlag von Wilh. Gottl. Korn), einem auf insgesammt fünf Bände berechneten Werk, ist, wie die „Schles. Ztg“ meldet, bisher der erste Band vollständig, der zweit⸗ Band beinahe vollständig erschienen. Der fertig vorliegende erste Band behandelt die Kunstdenkmäler der Stadt Breslau. Vom zweiten Bande, welcher die Kunstdenkmäler der Landkreise des Regierungsbezirks Breslau behandeln soll, sind die drei ersten Lieferungen der Oeffentlichkeit übergeben worden. Davon umfaßt die erste Lieferung die Grafschaft Glatz und das Fürstenthum Münsterberg, die zweite das Fürstenthum Schweidnitz und die dritte die Fürstenthümer Brieg und Breslau. Die die Fürsten⸗ thümer Oels⸗Wohlau, die freien Standesherrschaften Trachen⸗ berg und Militsch, sowie vom Fürstenthum Glogau den Kreis Guhrau

behandelnde vierte und letzte Lieferung des zweiten Bandes iegt im Manuskript fast fertig vor und soll zu Pfingsten des Jahres 1889 erscheinen. Auch das Manuskript für den übrigen Theil des Fürstenthums Glogau und für das Fürstenthum Sagan ist schon bedeutend gefördert. Gegenwärtig bereist Hr. Lutsch den südlichen Theil des Regierungsbezirks Liegnitz, besonders die Kreise Löwenberg und Hirschberg, Theile des ehemaligen Fürstenthums Jauer. Es wird beabsichtigt, gleichzeitig mit der Schlußlieferung des zweiten Bandes zu Pfingsten 1889 die erste Lieferung des dritten, den Re⸗ gierungsbezirk Liegnitz umfassenden Bandes, welche den Hauptbestand⸗ heil des Fürstenthums Glogau und das Fürstenthum Sagan umfaßt, er⸗

cheinen zu lassen. Ferner ist in Aussicht genommen, zu Pfingsten 1890 das Verzeichniß der Kunstdenkmäler der Fürstenthümer Liegnitz und Schmeidnitz⸗Jauer und zu Pfingsten 1891 das derfenigen Kunst⸗ denkmäler berauszugeben, welche sich in der Markgrafschaft Oberlausitz, sowie (vom vierten Bande Oberschlesien“) in dem zu den ehemaligen Fürstenthümern Brieg und Oels ge⸗ hörigen Kreise Kreuzburg, im Fürstenthum Falkenberg, im Bischofsland Neisse, in den Fürstenthümern Oppeln und Ratibor und in dem von freien Standesherrschaften eingenommenen ehe⸗ maligen Kreise Beuthen befinden. Im Frühjahr 1892 soll der Schlußband des Werkes erscheinen, welcher Nachträge (darunter folche aus dem Nachlaß des verstorbenen Direktors Dr. Luchs) und ausführliche Register (Ortsregister, Sachregister, Verzeichnisse der Künstler und der Werkmeister), sowie wahrscheinlich auch Uebersichts⸗ karten der einzelnen Regierungsbezirke enthalten wird. Nach Vollendung des Ganzen wird Hr. Lutsch im Auftrage des Kuratoriums des Schlesischen Museums der bildenden Künste seine bei der Arbeit an dem Verzeichniß der Kunstdenkmäler gesammelten Abbildungen, Pläne u. s. w. schlesischer Kunstdenkmäler in einem besonderen

afelwerk herausgegeben.

Longfellow's Dichtungen. Ein literarisches Zeit⸗ bild aus dem Geistesleben Nordamerikas, von Alexander Baumgartner. Zweite vermehrte und verbesserte Auflage. Mit Longfellow's Porträt. Freiburg im Breisgau, Herder'sche Ver⸗ lagshandlung 1887. kl. 8. S. XIX u. 384. Der vor mehreren Dezennien erhobene Vorwurf, Europa und die übrigen Erdtheile hätten noch keinen amerikanischen Namen in die Listen der Dichter eingetragen, hat aufgehört eine Wahrheit zu sein, seit in den letzten fünfzig Jahren eine Reihe hervorragender Talente, William Lullen Bryant, Washington Irving und Fenimore Cooper, welche sich an Milton, Addison und Walter Scott anschlossen, die amerikanische Literatur weiter zu bilden unternahmen. Anerkannt der hervor⸗ ragendste amerikanische Dichter ist aber wohl Longfellow, geboren 1807 zu Portland in Maine (Nord⸗Amerika), gestorben am 24. März 1882. Byron ausgenommen, hat kein englischer oder amerikanischer Dichter der Neuzeit sich eine solche Volksthümlichkeit errungen wie er. In Deutschland hat ihn zuerst Freiligrath eingeführt, welcher im Jahre 1854 das Hauptwerk Longfellow's: „Das Hiawathalied“, über⸗ setzte. Die gesammte literarische Thätigkeit des Dichters in ihrem inneren geistigen Zusammenhange darzulegen und so ein einheitliches Bild seines Wirkens zu zeichnen, hat Baumgartner, bereits bekannt durch seine Arbeiten über Lessing, Goethe, Calderon, übernommen. Die jetzt zum zweiten Mal erschienene Schrift beruht auf den eingehendsten Studien des Dichters. Durch das öftere Hin⸗

nziehen der Briefe und Tagebuchblätter Longfellow's in die Dar⸗

ellung empfängt diese einen frischen, warmen und überzeugenden Inhalt. Aus dem Leben und Charakter des Dichters gestaltet sich vor unseren Augen ein interessantes Bild des Poeten, dessen Werke vortrefflich übersetzt und geschickt erläutert werden. Die Gedichte sind zugleich mit seinem Leben in Verbindung gebracht und sowohl deren vaterländischer als der tief religiöse Sinn gewürdigt. In einer Reihe be⸗ deutsamer Kulturbilder, namentlich in „The Song of Hiawatha“ und „The Courtship of Miles Standish“ hat er den Amerikanern in der Poesie so⸗ zusagen Amerika erst entdeckt. Die „Evangeline, an Acadian tale“, eine prächtige romantische Idylle, ist durch die ergreifendsten christ⸗ lichen Motive ein verklärres Seitenstück zu Goethe’s „Hermann und Dorothea“. Im Anhang hat der Verfasser nicht nur Longfellow's Werke in chronologischer Folge und deren deutsche Uebersetzungen aufgezählt, sondern auch die Literatur über den Dichter mitgetheilt.

Die 66. Lieferung des Prachtwerks: „Die österreichisch⸗ ungarische Monarchie“ bringt über Architektur, Plastik und Malerei in Ober⸗Oesterreich einen interessanten Artikel aus der Feder dis Erzherzogs Johann. Eine Reihe sauber ausgeführter Illustrationen

chmückt das Heft.

Europäische Wanderbilder. 141, 142 „Erfurt in Thüringen“. Mit 15 Illustrationen, einer Karte und einem Stadt⸗ plan von Louis Röll. Verlag von Orell Füßli & Co. in Zürich. (Preis 1 ℳ) Schon der beilige Bonifacius kannte die uralte Blumen⸗ stadt Erfurt als einen befestigten Wohnsitz von Ackersleuten und er⸗ richtete innerhalb der Stadt auf dem Marienberge ein hölzernes Kirchlein, an dessen Stelle jetzt der auf gewaltigen Cavaten ruhende prächtige Dom mit der Kirche St. Severi steht. Die 1392 gestiftete

V Universität, die den Ruhm hat, zuerst alle vier Fakultäten ver⸗

einigt besessen zu haben, wurde 1816 aufgehoben. Die ehemalige starke Festung wird in mehreren Armen von der Gera durch⸗ flossen. Hervorragend sind die vielen gothischen Kirchen, die der Stadt den Namen sacra Erferdia verliehen haben, ferner das schöne neue Rathhaus und die vielen hübschen Patrizierhäuser aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Wer dieser, an der Pforte des Thüringer Waldes innerhalb ausgedehnter Blumenfelder gelegenen thüringischen Hauptstadt einen Besuch machen will wird reichliche Belehrung in dem mit vielen Illustrationen geschmückten Wanderbild dieses Namens finden. Bemerkenswerth ist noch, daß von Erfurt aus die Theater und die Stätten der Kunst und Wissenschaft der nahe gelegenen thüringischen Residenzstädte, sowie der zwischen den be⸗ waldeten Höhen und den grünen Thälern liegenden berühmten Sommerfrischen leicht aufgesucht werden können.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Ueber die Aussichten des Weinbaues in den Rhein⸗ gegenden schreibt die „Frankfurter Ztg.“: Schwerer als in anderen Jahren läßt sich heuer ein Ueberblick über die Aussichten des Wein⸗ baues gewinnen, da die Beurtheilung derselben diesmal außer⸗ gewöhnlichen Schwankungen unterliegt. Bis in den Juni hinein lauteten die Berichte überaus hoffnungsfreurig, daß man glauben konnte, es sei bereits ein Herbst von seltenem Er⸗ gebniß in Menge und Qualität gesichert. Dann aber, als Tag auf Tag kalten Regen brachte, wurden die Beurthei⸗ lungen zusehens trüber, und es tauchten hier und da ernste Besorgnisse auf, denen man anderwärts jedoch bestimmt widersprach. In der Pfalz hatte sich die Traubenblüthe recht befriedigend ent⸗ wickelt. Darauf folgte eine Regenzeit, die etwa sechs Wochen hin⸗ durch anhielt. Dadurch gerieth die Entwickelung ins Stocken, so daß Trauben in manchen Weinbergen, besonders in unteren Lagen, noch um 5— 6 Wochen in ihrem Wachsthum zurück sind. Am Obergebirge zeigt sich leider hier und da wieder der sogenannte schwarze Brenner, im Obergebirge und in der Mittelhardt auch der Brand. Besser sieht es in Deidesheim, Ruppertsberg, Forst, Wachenheim, Dürkheim, Ungstein ꝛc. aus. Besonders die gut gepflegten Weinberge und die höheren Lagen lassen nichts zu wünschen übrig; ihre Trauben sind, wenn auch nicht so voll, doch satt und gesund, nicht so groß, aber gleich großbeerig. Wenn das Wetter jetzt anhaltend gut bleibt, so können sich unsere Hoffnungen doch noch einigermaßen verwirklichen. Freilich hatten wir vor zwei Bochen mehr gesunde Beeren als heute aufzuweisen; von einem Ausstichwein ist keine Rede mehr. Dagegen können wir bei günstiger Witterung immer noch einen halben Herbst und einen guten brauchbaren Mittelwein erzielen. Auch in Rhein⸗ hessen kann der Stand der Weinberge bis jetzt noch nicht ungünstig genannt werden. Zwar sind die Trauben, besonders die rothen, im Wachsthum zurückgeblieben, aber die lange Regenperiode hat die Sache noch nicht gerade verdorben, so daß man, wenn die Reife gut wird, quantitativ wohl einen guten Herbst in Aussicht nehmen kann. Im Rheingau kann man, wie die Weinberge heute stehen, immer noch annehmen, daß sämmtliche Gemarkungen in ihren guten Lagen eine vollkommene Ernte geben können. Die geringeren Lagen da⸗ gegen, die hoch, nahe dem Walde gelegen sind, werden viel weniger geben. Das erklärt sich daraus, daß die dortigen Stöcke gerade bei schlechtem Wetter in Blüthe standen und die Blüthe daher unfruchtbar ausfiel. Die Trauben der feinen Lagen dagegen hatten bei Beginn des schlechten Wetters schon verblüht, so daß den gut abgeblühten Trauben der Regen gerade zu statten kam, indem er das Abfallen der Fruchtansätze verhütet und die Entwickelung der Trauben ge⸗ fördert hat. Immerhin aber darf man noch auf einen recht brauch⸗ baren guten Mittelwein rechnen, ja es dürfte sogar einen vorzüg⸗ lichen Wein geben, wenn die jetzige warme trockene Witterung bis zur Lese aushalten sollte. Die Trauben sind namentlich in den gut verblühten Berglagen, z. B. des Rüdesheimer und Rauenthaler Berges, sehr schön und recht gut entwickelt und ebenso weit vorangeschritten, wie sie im Jahre 1886 um dieselbe Zeit gewesen sind. Auch im Moselthal ist der Traubenansatz in diesem Jahre sehr schön und es sind massenhaft Trauben da, abgesehen von den kleinen Bergen in geringen Lagen, wie überhaupt von solchen dieses Jahr nicht viel zu erwarten steht. Leider zeigt sich in einzelnen Orten, namentlich an der Saar, wieder die Peronospora; hoffentlich wird dieselbe durch Bespritzen der Stöcke ausreichend bekämpft. Der anhaltende Regen hat die Trauben gut wachsen und recht voll werden lassen, aber auch sehr viel Holz gebildet und den Boden zu sehr abgekühlt. Selbst wenn wir jetzt noch dauernd gutes Wetter bekommen sollten, so ändert das doch nichts mehr daran, daß die Weinberge in der Reife zurückgeblieben sind. Im besten Falle hätte man also einen guten Mittelwein zu erhoffen.

Sanitäts⸗, Veterinär⸗ und Quarantänewesen.

Egypten.

Der internationale Gesundheitsrath in Alexandria hat in seiner Sitzung vom 7. Auaust 1888 beschlossen, gegen Ankünfte aus Baras das Reglement zur Verhütung der Cholera⸗Einschleppung in Kraft zu setzen.

In derselben Sitzung ist Folgendes angeordnet worden:

1) Die Einfuhr von Lumpen aus der Seuche verdächtigen oder verseuchten Ländern nach Egypten ist untersagt. 1

2) Alle Bettgegenstände, Leibwäsche und Gebrauchsgegenstände von Personen, welche in verdächtiger Weise erkrankt oder an einer verdächtigen Krankheit gestorben sind, werden vernichtet, sofern nicht durch eine Bescheinigung des Schiffsarztes die ordnungsmäßige Des⸗ infizirung der genannten Gegenstände nachgewiesen wird.

Rußland.

Zufolge einer Anordnung des General⸗Gouverneurs zu Odessa werden die Provenienzen aus Ostindien in den Häfen des Odessger Quarantänebezirks der vorschriftsmäßigen Quarantäne⸗Observation unterzogen. .“

Gewerbe und Handel.

Nach einer in der „Gaceta de Madrid“ vom 5. d. M. ver⸗ öffentlichten Königlichen Verordnung vom 18. Juli 1888 ist der Bau der Eisenbahnlinie Jativa Alcoy (70 km) mit einer Bau⸗ frist von vier Jahren genehmigt worden.

Die nächste Börsenversammlung zu Essen findet am 27. August 1888 im „Berliner Hof' statt.

Der Bruttogewinn der Kulmbacher Exportbrauerei⸗ Gesellschaft, vorm. C. Rizzi, für das mit Ende Juli ab⸗ geschlossene Geschäftsjahr 1887/88 beträgt 80 434 gegen 59 918 im Vorjahre. Der Aufsichtsrath hat beschlossen, der Generalversammlung die Vertheilung einer Dividende von 9 % gegen 6 % im Vorjahre vorzuschlagen.

Die Aktien⸗Zuckerfabrik Immendorf schließt die Campagne 1887/88 mit 184 755 (1886/87 67 285 ℳ) Reingewinn und vertheilt 12 % Dividende gegen 5 ½ % im Vorjahre. Die Fabrik erzielte 846 312 (1886/87 488 345 ℳ) Bruttogewinn, wovon 27 476 reiner Ueberschuß bleiben bei 427 200 Aktien⸗ kapital. Im Vorjahre wurde der Gewinn durch Unkosten und Ab⸗

schreibungen absorbirt.

Wien, 23. August. (W. T. B.) Von den theils im eigenen Betriebe, theils im Stnaatsbetriebe befindlichen 177 km der Oesterreichischen Lokal⸗Eisenbahn⸗Gesellschaft betrugen im Juli d. J. die provisorischen Brutto⸗Einnahmen 64 694 Fl. gegen eine provisorische Brutto⸗Einnahme von 60 968 Fl. und eine definitive von 74 778 Fl. im Vorjahre. Für die Zeit vom 1. Januar bis Ende Juli 1888 betrugen die provisorischen Einnahmen 444 661 Fl. gegenüber den provisorischen Einnahmen des Vorjahres von 429 329 Fl. und den definitiven von 475 242 Fl Die der am 26 Februar

8 8 8 8

eröffneten Theilstrecke Nieder⸗Lindewiese —Ziegen⸗ als, welche in obenerwähnten 177 km nicht inbegriffen ist, betragen is Ende Juli 35 581 Fl. 8 London, 22. August. (W. T. B.) An der Küste angeboten Weizenladung. 8 Verkehrs⸗Anstalten.

Der „Berliner Aktionär“ schreibt: Die Ortsvereine von Frie⸗ denau, Steglitz, Lichterfelde (Potsdamer Seite) und Zehlen⸗ dorf haben auf eine an die Königliche Eisenbahn⸗Direktion gerichtete Eingabe, betreffend die Beschleunigung des Baues der Geleise der Potsdamer Bahn, folgende Antwort erhalten:

„Auf Ihr sehr gefälliges Schreiben vom 21. v. M. erwidern wir ergebenst, daß, wie die Herren Antragsteller wohl annehmen können, die Vorbereitungen für den Ausbau des neuen Geleisepaares auf der Strecke Berlin Zehlendorf von allen dabei in Betracht kommenden Behörden auf das Eifrigste betrieben und gefördert werden. Daß nach Abschluß derselben die Ausführung ohne Zeit⸗ verlust in Angriff genommen wird, ist so selbstverständlich, daß es eines besonderen Hinweises hierauf nicht bedarf. Im Uebrigen können wir nicht umhin, unserm lebhaften Bedauern über die Art der Beurtheilung Ausdruck zu geben, welche den dem Verkehr zwischen den Vororten und der Hauptstadt dienenden Einrichtungen und Maß⸗ nahmen in dem erwähnten Schreiben zu Theil wird. Bei dem weit⸗ gehendsten Entgegenkommen, welches berechtigten und erfüllbaren Wün⸗ schen in Bezug auf Erleichterung und Verbesserung der für die Vor⸗ orte in Betracht kommenden Verkehrseinrichtungen Seitens der Königlichen Staatseisenbahn⸗Verwaltung jederzeit zu Theil geworden ist, glaubten wir eine andere Auffassung bei den Bewohnern der Vororte voraussetzen zu dürfen, als solche in dem mehrerwähnten gefälligen Schreiben niedergelegt ist. Wir glaubten hierauf um so mehr rechnen zu können, als die Entwickelung der Vororte zu ihrer heutigen Bedeutung ausschließlich dadurch ermöglicht worden ist, daß die Verkehrsbeziehungen derselben zu Berlin Seitens der Eisenbahn⸗ verwaltung jeder Zeit eifrigste Pflege erfahren haben. Wenn wir nach dem Vorstehenden es uns auch versagen müssen, auf die Einzelheiten des Schreibens näher einzugehen, so wollen wir doch nicht unterlassen, die in demselben enthaltenen Anschuldigungen auf das Entschiedenste zurückzuweisen. Wir stellen ergebenst anheim, die Herren Mitunter⸗ zeichneten gefälligst mit Nachricht versehen zu wollen.“

Die italienische und die japanische Postverwaltung entsenden in nächster Zeit Beamte zum Studium des Post⸗ und Telegraphendienstes nach Deutschland. Die siamesische Verwaltung hat um Entsendung eines deutschen Beamten zur Fortführung der von deutschen Beamten begonnenen Neuordnung des Post⸗ und Tele⸗ graphendienstes in Siam ersucht.

Theater und Mussik.

Deutsches Theater. Paul Lindau hat die Muße seines Sommeraufenthalts dazu benutzt, um ein neues vieraktiges Lustspiel zu vollenden, das bereits vom Deutschen Theater angenommen worden ist und im Laufe des Monats Oktober zur Aufführung kommen wird. Der Titel des Stücks steht noch nicht fest.

Mannigfaltiges.

Die deutsche⸗nationale Kunstgewerbe⸗Ausstellung in München 1888. IV. (Aus der „Bayerischen Gewerbe⸗Ztg.“)

Von Bildnerarbeiten sind zu nennen: Lichterweibchen von Geiger und Stöttner und heilige Figuren und Reliefs von Preckel in Regens⸗ burg; Zacharias in Regensburg brachte einen schönen Faltschirm, Donninger in Erlangen Meerschaumwaaren, Behl in Nürnberg Elfenbeinschnitzereien; Krauß in Lichtenfels vertritt die oberfränkische Korbflechterei. 8

Von den Geschäften, welche für Ausstattung des Ausstellungs⸗ raumes besonders thätig waren, seien hervorgehoben: Gebh. Beckert in Nürnberg mit Stuckmarmor, Ceder und Schaaf mit Bildner⸗ arbeiten und Stuckmarmor, Josenhans und Professor Pillon mit gemalten Decken und Arnold mit gedruckten Stoffen.

Besonders erwähnt soll hier auch die Ausstellung der Königlichen Kunstgewerbeschule Nürnberg werden, die einen großen Theil der oberen Galerie einnimmt. Die Schule ist aus der alten deutschen Akademie hervorgegangen und erhielt durch den Direktor Kreling eine weit über Bayerns Grenzen hinausgehende Bedeutung, die auch dessen Nachfolger in der Leitung Gnauth und Hammer zu wahren wußten und wissen.

Unterfranken und Aschaffenburg, welches der polytechnische Cen⸗ tralverein in Würzburg vertrat, hat 31 Aussteller, die zum größten Theile aus den Städten Wuͤrzburg und Aschaffenburg sind.

Von den Ausstellern dieser Abtheilung erwähnen wir die Möbel⸗ fabrikanten: Fäth in Hösbach (Büffet), Friedrich G. in Aschaffen⸗ burg (Schreibrisch), Friedrich W. in Aschaffenburg (Juwelenschrank) und Haas in Würzburg (Rococotresor).

Metallarbeiten sind vertreten durch Goldmeyer in Würzburg (Lüster und Schlüsselschilde ꝛc.), Hagemann in Würzburg (Hausthür⸗ gitter, die Thür selbst ist von Seemann in Würzburg), Luger in Aschaffenburg (schmiedeeiserne Leuchter) und Gebrüder Moritz in Aschaffenburg (Kassaschrank). b

Unter den Bildnerarbeiten ragen ein Lüster in Holz von Gebrüder Herterich in Würzburg, ein Reliquienbehälter von Metzger in Haßfurt und die Schnitzereien der Bischofsheimer Schule hervor.

Die Tapezierarbeiten von Berghof in Aschaffenburg (Polster⸗ möbel) und Rußmann in Aschaffenburg verdienen alles Lob.

Metzner u. Hammer brachten einen Thonofen, Müller⸗Schied⸗ mayer und Wöber aus Würzburg Pianino, Schedelin in Kitzingen Uhren, Vierheilig in Würzburg Einbände, Wörl in Würzburg Heiligenfiguren.

Alles in Allem genommen, zeichnet sich diese kleine Abtheilung durch Vielseitigkeit ihrer Gegenstände nicht minder als durch gute Arbeiten und gute Anordnung aus. 1

Elsaß⸗Lothringen zählt nach dem Katalog 28 Aussteller, wovon 12 auf Straßburg, je 2 auf Forbach, Mühlhausen, Dornach und Oberehnheim und je 1 auf acht andere einzelne Orte kommen.

Straßburg stellte aus: zwei eingerichtete Zimmer, Marmoracheiten Stickereien, Billards, Oefen, dekorative Malereien. 3

Dornach ist durch ein vollständiges Kabinet mit Photographien von Braun vertreten, außerdem mit bedruckten Zeugen. b

1 Forbach glänzt durch die weltbekannten Adt'schen Papiermaché⸗ arbeiten. Mühlhausen ist durch kirchliche Einrichtungsgegenstände (Kanzel ꝛc.) und durch eine Zimmereinrichtung vertreten, Oberehnheim durch Möbel und Drechslerarbeiten, Niederwieller brachte Steingutwaare, Vallerysthal Gläser, Bitsch eine Kücheneinrichtung, Metz einen Blumentisch, Oberbetschdorf Steingutfabrikate.

Die preußische Abtheilung zählt 165 Ausstellungsnummern im Katalog; in Wirklichkeit ist die Zahl der Aussteller viel höher, da 1h Nummern Kollektiv⸗Ausstellungen mit bis zu 30 Ausstellern umfassen. 6

Voranstellen wollen wir das Magazin für Berliner Kunst gewerbe (H. Hirschwald in Berlin). Es vertritt 27 hervor ragende Firmen der Metall⸗, Holz⸗, Email⸗, Glas⸗, Por zellan⸗, Textilbranche, von Gebrauchs⸗ und Ausstattungsgegenstände in geschnittenem und getriebenem Leder, zum Theil in Verbindun mit Holz und Metall, Möbel, Portefeuillearbeiten, getriebenen Gegen⸗ ständen in Kupfer ꝛc.

Ganz vorzüglich ist die Königliche Porzellanmanufaktur ver⸗ treten. Die Arbeiten derselben stellen sich durch hohe künstlerisch Bedeutung nach jeder Richtung hin als die ersten in Deutschland dar;