gegenüber nicht in Betracht, ganz abgesehen davon, daß nach allgemeiner Rechtsregel (vergleiche §. 293 Absatz 1 der Civil⸗ prozeßordnung und Entscheidungen des Reichsgerichts in Civil⸗ sachen Band 7 Seiten 354 ff.) die Gründe einer Entscheidung — als eine solche stellt sich im Gebiet der Unfallversicherung der Bescheid des Feststellungsorgans dar — überhaupt nicht echtskräftig werden. Im Hinblick auf die Besonderheit der Fälle der vorliegenden Art wird auch durch diese Rechtsansicht der natürlichen, einfachen Lebensanschauung und zumal eem einfachen Fassungsvermögen der regelmäßig hier in etracht kommenden Personen Rechnung getragen. Es st unter Umständen ganz verständlich, daß der Berech⸗ igte gegen den Bescheid, durch welchen ein von ihm auf Grund des §. 7 erhobener Anspruch — der wegen der zeit⸗ lichen Beschränkung vielfach geringfügig ist und vielleicht einen Vermögenswerth von nur wenigen Mark darstellt — abgelehnt wird, lediglich um dieser Geringfügigkeit willen keine Berufung einlegt und ihn so rechtskräftig werden läßt, ohne irgend ge⸗ willt zu sein, damit auch auf eine etwaige spätere Dauerrente u verzichten. Hiernach ist Klägerin berechtigt, trotz der rechts⸗ kräftigen Abweisung ihres Anspruchs aus §. 7 Absatz 2 a. a. O. mittelst des Bescheides vom 10. September 1886, nunmehr ine erneute Entscheidung über ihren aus §. 6 Ziffer 2b a. a. O. erhobenen Anspruch im geordneten Instanzenzuge herbeizu⸗ führen. (Vergleiche auch Entscheidungen 319 und 482.)
— Dem Bezirksverbande des Regierungsbezirks Kassel ist für die Grundstücke, welche zu der von ihm beab⸗ sichtigten Erweiterung der Birsteiner Landstraße im Orte Birstein, Kreises Gelnhausen, erforderlich sind, durch Allerhöchste Kabinetsordre vom 24. August d. J. das Ent⸗ ignungsrecht verliehen worden.
— Der Kaiserliche Gesandte am Königlich rumänischen Hofe, von Bülow, ist von dem ihm Neeheche bewilligten Urlaub auf seinen Posten zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.
— Der Gouverneur des hiesigen Invalidenhauses, General der Infanterie von Wulffen, à la suite des 6. Brandenburgischen Infanterie⸗Regiments Nr. 52, ist von Urlaub hierher zurückgekehrt.
— Durch Allerhöchste Kabinets⸗Ordre ist der General⸗ Major Golz, Präses des Ingenieur⸗Comités, mit Wahr⸗ nehmung der Geschäfte der General⸗Inspektion des Ingenieur⸗ Corps beauftragt worden.
8 Dombrowka, 7. September. (W. T. B.) Se. Majestät der Kaiser und König traf heute frü 4 Uhr 21 Min. mittelst Extrazuges auf dem festlich dekorirten Bahnhof hierselbst, in Begleitung des Chefs des Generalstabes, Gasen Waldersee, des Kriegs⸗Ministers Bronsart von Schellen⸗ dorff, des Chefs des Militärkabinets, General⸗Lieute⸗ nants von Hahnke, sowie des dienstthuenden General⸗ Adjutanten ein. Zur Begrüßung Sr. Majestät waren auf dem Bahnhofe anwesend: der kommandirende Genesral Frhr. von Meerscheidt⸗Hüllessem, sowie die Spitzen der Civil⸗ und Militär⸗ behörden. Nach kurzem Aufenthalt erfolgte um 5 Uhr unter begeisterten Hochrufen der zahlreichen Menge die Abfahrt nach dem Manöverfelde bei Konarzewo. — Vormittags 10 ½ Uhr kehrte Se. Majestät der Kaiser hierher zurück. In dem Kaiserlichen Salonwagen war ein Frühstück zu einigen zwanzig Gedecken angerichtet, zu welchem der kommandirende General Frhr. von Meerscheidt⸗Huͤllessem sowie der Ober⸗Präsident Graf von Zedlitz und deren Begleitung zugezogen wurden. — Um 11 Uhr trat Se. Majestät der Kaiser die Rückfahrt nach Potsdam an. Ie, eZen. e. 5 Sigmaringen, 5. September. (Schw. Merk.) Die Königin Pia von Portugal sowie Prinz Alfons trafen heute Mittag hier ein. Zum Empfang der Königin hatten sich der König sowie die Fürstlich Hohen⸗ zollern'schen Herrschaften mit ihrem beiderseitigen Gefolge auf dem Bahnhof eingefunden, woselbst auch die Spitzen der Königlichen, Fürstlichen und städtischen Behörden anwesend waren. Die Königin wird voraussichtlich einige Tage hier verweilen, um sodann mit dem König nach Italien zu reisen.
8 Bayern. München, 7. September. (W. T. B.) Der Prinz von Wales hat auf der Reise nach Gmunden heute sruh den hiesigen Bahnhof passirt.
Württemberg. Friedrichshafen, 5. September. (St. A. f. W.) Die Erbgroßherzogin von Sachsen⸗ Weimar hat heute Vormittag, nach längerem Aufenthalt bei Ihren Majestäten, Friedrichshafen nebst Gefolge wieder ver⸗ lassen, um sich zunächst nach München und sodann auf einige Zeit nach Meran zu begeben.
Großbritannien und Irland. London, 5. September. (A. C.) Eine Depesche aus Ottawa macht Mittheilungen über die Sitzung des kanadischen Kabinets, in welcher
die Zoll⸗Repressalien⸗Vorlage des Präsidenten Cleveland erwogen wurde. Danach telegraphirte die bri⸗ tische Regierung, gleich als es bekannt wurde, daß der Kongreß angegangen werden würde, eine Repressalien⸗Vorlage egen Canada anzunehmen, an den Minister⸗Präsidenten Sir John Macdonald und ersuchte ihn, über die Ausdehnung und die Natur der Handelsbeziehungen, die zwischen den Vereinigten Staaten und Canada seit der Konföderation der britischen nordamerikanischen Provinzen bestanden haben, ausführlich zu berichten; ferner klar anzugeben, welche Vorstellungen Seitens der Vereinigten Staaten wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten in den den Bürgern der Vereinigten Staaten vertragsmäßig zugestandenen Rechten gemacht worden; endlich vollstän⸗ dige Auskunft zu liefern über die Wirkung, welche eine Ausführung der vorgeschlagenen Repressalien auf Canada aus⸗ üben dürfte. Diese Information wurde vorbereitet und vor ihrer Absendung an die britische Regierung dem Kabinet vor⸗ elegt. Aus zuverlässiger Quelle verlautet, daß Lord Salis⸗ zury bei der Gelegenheit dieser canadischen Regierung einschärfte, sich gegenwärtig der größten Vorsicht zu befleißigen, da jeder falsche Schritt die feindselige Stimmung gegen Canada ver⸗ schlimmern würde. Auf Seiten mehrerer Minister gab sich eine starke Neigung kund, unverzüglich die anstößige Verordnung aufzuheben, welche amerikanischen Schiffen beim Benutzen canadischer Kanäle Differenzialgebühren auferlegt; aber Die⸗ jenigen, welche diesen Schritt beanstandeten, gaben als Grund dafür an, daß es so aussehen könnte, als ob die canadische
8
1“
Regierung durch Furcht zu dieser Maßregel ewungen worden sei. Alsdann wurde hervorgehoben, daß Präsident Cleveland nicht befugt sei, den Abschnitt 29 des Washingtoner Vertrages ohne vorherige zweijsährige Kündigung zu suspen⸗ diren, falls er sich nicht eines Vertragsbruches schuldig machen wolle. Es kam indeß zu keinem endgültigen Beschluß. Wie verlautet, ist in Folge der Einmischung der Reichsregierung ein ernster Bruch in Sir John Macdonald's Kabinet nicht un⸗ wahrscheinlich. “
Aus Simla vom 4. September liegt folgendes Telegramm des Reuter'schen Bureaus vor: 1 8
Heute ging die Genehmigung des Staatssekretärs ein, im Herbst einen Streifzug nach den schwarzen Bergen zu unternehmen. Brigade⸗General Me Queen wird den Zug befehligen, welcher wahr⸗ scheinlich am 1. Oktober aufbrechen und aus dem 1. Bataillon des Suffolk⸗ und des Regiments der “ dem 2. Bataillon der Northumberland⸗Füsiliere, des Sussex⸗Regiments und der Seaforth⸗ Hochländer, der 2. Batterie der 1. Brigade der schottischen Division, der 3. Batterie der 1. Brigade der irischen Division und 11 Regi⸗ mentern bengalischer Infanterie bestehen wird.
Aus Calcutta vom 4. September wird gemeldet:
Bis iößt haben in Sikkim noch keine Gefechte stattgefunden. Obwohl Oberst Graham schon vor einer Woche Verstärkungen erhalten hat, wird er doch abwarten, bis das Wetter umschlägt, und dann in das Chumbithal vorrücken.
Frankreich. Toulon, 6. September. (W. T. B.) Die in Dienst gestellten Kriegsschiffe sind hier wieder ein⸗ getroffen. Die Flottenmanöbver werden als beendet an⸗ gesehen.
Griechenland. Athen, 6. September. (W. T. B.) Die „Pol. Corresp.“ veröffentlicht ein Schreiben, welches den freudigen Eindruck hervorhebt, den die Verlobung des Kronprinzen mit der Prinzessin Sophie von Preußen überall in Griechenland hervorbringe. Man gebe sich in allen griechischen Kreisen der Erwartung hin, daß die Anknüpfung so reger verwandtschaftlicher Bande zwischen dem Deutschen Kaiserhause und dem griechischen Königshause die Befestigung und Vertiefung der Beziehungen zwischen Griechenland und Deutschland zur erwünschten Folge haben werde.
— 7. September. (W. T. B.) Der Minister des Innern, Lombardos, ist gestorben. Die Beerdigung desselben soll auf Kosten des Staats stattfinden.
Zeeitungsstimmen
Unter der Ueberschrift „Die Wahlbewegung und die Parteien in Preußen“ sagt der „Hamburgische Korre⸗ spondent“: .
Wie sehr auch die Auffassungen über die Tragweite der Er⸗ nennung Hrn. von Bennigsen's auseinandergehen oder wohl richtiger auseinander zu gehen scheinen, so ist doch deren voraussichtliche Wirkung auf die bevorstehenden Wahlen zum preußischen Landtage wenigstens nach einer Richtung bereits zu übersehen. Sie wird unzweifelhaft verhüten, daß der Wahlkampf in einer Weise geführt wird, welche dem Zusammengehen der nationalen Parteien im Reich und bei den Reichstagswahlen nachtheilig sein würde. Dafür sprechen wesentlich drei Gründe.
Zunächst werden die Nationalliberalen nach dem Verhalten der freisinnigen Presse nur noch schärfer von links bekämpft als vorher und daher naturgemäß mehr zum Anschluß nach rechts gedrängt werden. Sodann ist von der konservativen Partei ein ungleich ent⸗ gegenkommenderes Verhalten zu erwarten, als dies anfänglich den Anschein hatte. Nicht nur ist der anfänglich von den Heißspornen der Partei in Aussicht genommene Eroberungszug gegen den rheinisch⸗ westfälischen und hannoverschen Besitzstand der Nationalliberalen auf⸗ gegeben, sondern das offizielle Organ der Partei deutet bei Besprechung der Ernennung Bennigsen's an, daß von derselben in der extremen konservativen Richtung, wie sie von der „Kreuz⸗Zeitung“ und dem „Reichsboten“ vertreten wird, eine Gefahr für die Stellung der kon⸗ servativen Partei im Staatsleben erkannt wird. Wenn dieser Er⸗ kenntniß für die Wahlen dahin praktische Folge gegeben wird, daß die Partei selbst auf die thunlichste Ersetzung der Männer der äußersten Rechten durch gemäßigte Parteigenossen hinwirkt, so fällt eines der wesentlichsten Hindernisse für ein weitgehendes G der Nationalliberalen mit den Konservativen fort.
enn nicht die Wahl gemäßigt konservativer, aufrichtig dem Zusammenwirken mit den Mittelparteien geneigter Männer ist selbst unter dem Gesichtspunkte der Angliederung der jetzt partei⸗ freien früheren Nationalliberalen bedenklich, vielmehr ist es allein die Unterstützung solcher Extremen, welche, wie politisch, so insbesondere vom wahltaktischen Standpunkte aus den Nationalliberalen nicht erwünscht sein dürfen. Werden aber derartige extreme Elemente im Einvernehmen mit den Nationalliberalen durch gemäßigte Männer ersetzt, so wird auf den Anschluß der früheren Parteigenossen um so mehr zu rechnen sein, als diese durch die symptomatische Bedeutung der Ernennung Bennigsen's ohnehin in der Neigung, die nationale e zu fördern, auf welche die Regierung sich stützt, bestärkt werden.
Wie das Interesse, wird aber auch endlich die Neigung der Nationalliberalen, in den Ostprovinzen die Konservativen über die einzelnen Fälle von wirklich praktischer Bedeutung hinaus zu be⸗ kämpfen, durch die neueste Wendung abgeschwächt sein. Die Gefahr einer klerikal⸗konservativen Politik liegt nicht vor, für absehbare Zeit braucht wenigstens mit derselben nicht gerechnet zu werden. Wenn daraus also ein Beweggrund, in den Ostprovinzen die Konservativen in weiterem Umfange zu bekämpfen, hergeleitet wurde, so ist jetzt wenigstens eine der Voraussetzungen fortgefallen, unter denen eine weitergehende, selbständige Aktion der Nationalliberalen in Aussicht genommen war. Es werden also wohl nur diejenigen wenigen Wahlkreise als Kampffeld übrig bleiben, deren Eroberung Seitens der Konservativen bei den letzten Wahlen nur als ein Ergebniß der damals mangelhaften Organisation der Nationalliberalen und des daraus sich ergebenden Uebergewichts der Linksliberalen bei der Aufstellung der Kandidaten und bei der Leitung des Wahlkampfes angesehen wird. Die Zahl dieser Wahlkreise ist nicht erheblich, sie wird schwerlich über den Kreis derjenigen hinaus⸗ gehen, in welchen 1887 Nationalliberale und Konservative sich wenigstens im ersten Wahlgang gleichfalls bekämpften. Noch weniger zahlreich werden voraussichtlich die Fälle sein, in welchen es zur Sammlung der Partei nothwendig erscheint, wenigstens im ersten Wahlgang trotz nicht vorhandener Aussicht auf Wahlerfolg eigene Kandidaten aufzustellen. Wenn überdies für ein Zusammengehen bei etwaiger Stichwahl gesorgt wird, so dürfte daraus schwerlich eine für 2 sammenschluß der nationalen Elemente schädliche Verstimmung resultiren.
Die Beseitigung der Möglichkeit einer klerikal⸗konservativen Mehrheit erscheint äußerst unwahrscheinlich. Einige welsische und klerikale Wahlkreise werden zwar mit Aussicht auf Erfolg angegriffen. Die Konservativen müßten aber noch ungleich mehr Sitze verlieren, als die Nationalliberalen bestenfalls zu erobern hoffen dürfen, um unter die zur Mehrheitsbildung nothwendige Zahl hinunterzusinken. Die Freisinnigen mögen in dem einen oder anderen bei den letzten Wahlen verlorenen Wahlkreise Hoffnung auf besseren Erfolg haben,
allein ihre schon ohnehin stark reduzirten Hoffnungen haben, wie aus dem Verhalten ihrer Presse bei der Berufung des Herrn von Ben⸗ 9 3
nigsen zum Ober⸗Präsidenten von Hannover hervorgeht, dadurch einen
neuen empfindlichen Schlag erbalten. 1 2
Es ist daher vom Standpunkt des dauernden Zusammenschlusses der nationalen Parteien auch taktisch richtiger, den (Schwerpunkt der bevorstehenden Wahlaktion nicht sowohl auf die Beseitigung der äußeren Möglichkeit, als auf die Beseitigung oder wenigstens Ab⸗ schwächung der inneren Voraussetzung für die Bildung einer klerikal⸗ konservativen Mehrheit im preußischen Abgeordnetenhause zu legen — und zwar durch Stärkung der gemäßigten Elemente in der konser⸗ vativen Fraktion auf Kosten der extremen.
— Im Hinblick auf die Ersatzwahl im 6. Berliner Reichstagswahlkreise bemerkt das „Posener Tageblatt“ über die Pflichten der Kartellparteien:
Wenn an leitender Stelle der Berliner Kartellbewegung erst ein⸗ mal die absolute Nothwendigkeit erkannt und in Gemäßheit derselben dafür gesorgt wird, den breiten Schichten des Volkes per⸗ sönlich näher zu treten, dann wird die nationale Sache ihre werbende Kraft zu voller Höhe entfalten können. Es ist ein Irrthum, zu glauben, daß man Berliner Wähler en masse nur durch ein Programm allein schon zu gewinnen vermöge. Man wende nicht ein, daß bei der letzten allgemeinen Reichstagswahl das nationale Programm im 6. Berliner Reichstagswahlkreise 16 000 Stimmen auf sich vereinigte. Das geschah unter dem Druck von Ereignissen, die Herz und Nieren des gesammten deutschen Volks er⸗ griffen. Ja, damals war das Eis gebrochen, aber, statt die Bruch⸗ stelle offen zu halten und allmählich zu erweitern, zogen sich die Berliner Wortführer der nationalen Sache wieder in ihre kühle Abgeschlossenheit zurück — worauf dann das im Stich gelassene Terrain schleunigst von anderen Besitz⸗ lüsternen okkupirt wurde. Dazu kam diesmal noch, daß der Kartellkandidat es nicht einmal der Mühe werth hielt, persönlich seine Sache zu führen, was von Vornhinein auf Tausende von Wählern den Eindruck machen mußte und auch in der That machte, daß es den verbündeten nationalen Parteien mit ihrem Wahlfeldzug gar nicht Ernst sei. Also fort mit der bisherigen Lauheit, die mehr Schaden stiftet, als völlige Enthaltung! Die nationale Sache in Berlin braucht Männer, welche ihrem Publi⸗ kum Aug in Aug gegenübertreten, welche ihre Meinung in kerniger Weise darzulegen und ebensowohl durch die Macht ihrer Persönlichkeit als durch ihre Beweisführung zu imponiren wissen. Während des größten Theils des Jahres die Hände in den Schoß legen und dann, wenn die Zeit drängt, Alles mit einem Male zwingen wollen, das thut es in Wahlgeschäften ebenso wenig, als in irgend einer anderen Lebensaufgabe. Erst gilt es, Fühlung mit den breiten Schichten des Volkes suchen, dann, die gewonnene Fühlung festhalten und vertiefen. Nach dieser Taktik sind Fortschritt und Sozialdemokratie in Berlin verfahren und haben sich das Reich erobert, trotzdem ihr Programm dem Volke nur Steine statt des Brotes bietet. Wie ganz anders, mit vollen Händen, ge⸗ stattet das Programm der Kaiserbotschaft vom 17. November 1881 seinen Wortführern, dem Volke zu nahen, sobald sie es erst über sich gewinnen werden, von Gegnern zu lernen, wie man das Vertrauen der Wähler erringt.
— In der „Deutschen Correspondenz“ lesen wir: 8
Zu wiederholten Malen haben wir über Stimmen zu berichten Gelegenheit gehabt, die gegen den vordem sich breit machenden Abusus laut wurden, daß die deutsche Handelswelt immer noch deutsche Waaren unter fremder Bezeichnung verkaufte. Gottlob ist der Wider⸗ wille gegen ein derartiges nicht nationales Vorgehen von Jahr zu Jahr lebhafter geworden und das Ausland selbst, insbesondere Eng⸗ land und Frankreich, hat nicht unerheblich dazu beigetragen, die An⸗ schauungen des deutschen Handelsstandes über diesen Gegenstand im Sinne des nationalen Denkens und Fühlens zu festigen.
Wiederum, wie vor Kurzem, sind wir heute in der Lage, den Bericht einer Handelskammer zu citiren, welcher in ebenso einfacher wie offener Weise die Weisheit unseres Herrschergeschlechts, die Voraussicht des ersten Staatsmannes der Welt preist, die den deut⸗ schen Handel von den ihn beengenden Fesseln befreit und bewirkt haben, daß der deutsche Kaufmann eine Ehre darin setzt, deutsche Waaren unter deutscher Bezeichnung zu verkaufen und der Konkurrenz gegenüber mit offenem Visir zu kämpfen. Folgendermaßen läßt sich hierüber der Bericht der Handelskammer von Reichenbach⸗Schweidnitz und Waldenburg für das Jahr 1887 vernehmen:
„Wenn sich die Fürsorge aller Herrscher aus dem Hohenzollern⸗ schen Hause auch stets in hohem Maße auf die Interessen der Gewerbe⸗ treibenden ausgedehnt hat, so dürfte doch die Regierung kaum eines derselben durch einen so mächtigen Aufschwung des Handels und der Industrie gekennzeichnet sein, als diese letzte. Wohl wirken dabei die hervorragenden Fortschritte in der Kenntniß der Naturkräfte, durch welche unser Jahrhundert sich auszeichnet und die nun beginnt, Allge⸗ meingut zu werden, in bedeutsamer Weise mit, und bei allen Völkern, welche sich dieselbe angeeignet haben, sehen wir ihren mächtigen Einfluß, aber keines derselben tritt dabei mehr in den Vordergrund, als das deutsche. Dies verdanken wir vor Allem der großen befreienden That unseres erhabenen Herrschers, der Wiederbegründung und Macht⸗ entfaltung des Deutschen Reichs. Durch sie wurde der Muth und die Thatkraft der Fabrikanten und Kaufleute in einer Weise an⸗ gespornt und gefördert, wie bei keinem anderen Volk der gegenwär⸗ tigen Generation. Deutsche Fabrikate suchen heute nicht mehr wie früher unter fremder Vermittelung ein schüchternes Plätzchen auf dem,. Weltmarkt zu erringen, sie haben den Wettbewerb mit ihren früheren übermächtigen Konkur⸗ renten auf der ganzen Linie aufgenommen und sind als Deutsche überall gesucht und gern gekauft. Nicht mehr hören wir die Klagen deutscher Kaufleute aus der Fremde, daß ihre Interessen keinen Schutz fänden und sie genöthigt wären, bei den Vertretern anderer Nationen Hülfe zu suchen. Eine große Zahl deutscher konsularischer Beamten steht ihnen heut mit Rath und That bei, die deutsche Post vermittelt ihre Correspondenz, und die deutsche Kriegsflagge, welche sich auf allen Meeren entfaltet und fern im Osten und Westen mit Achtung begrüßt wird, deckt sie vor der Willkür des Auslandes.“
Der Schutz der nationalen Arbeit und der nationalen Produk⸗ tion hat bei dieser Wandlung kräftig mitgewirkt, er ist also entgegen den Warnungen der Pessimisten, die eine Versumpfung der Thätigkeit und eine Erlahmung in der Konkurrenzarbeit prophezeiten, zum Besten des Gesammtwohles ausgefallen. Die frühere Devise: „billig und schlecht“ ist Gottlob längst über Bord geworfen, der deutsche Kauf⸗ mann ist unter dem Schutz einer weisen Regierung in die Lage ver⸗ setzt worden, qualitativ das Beste zu leisten und von Tag zu Tag dem ersten und gefährlichsten Konkurrenten gegenüber bestehen zu können. Zuerst gewann uns diese Fürsorge den einheimischen Markt und, nachdem derselbe errungen war, ging man leichten Herzens daran, sich auch auf dem Weltmarkte zu behaupten. Der vorerwähnte Bericht spricht darüber in folgender anerkennender Weise:
„Durch eine weise Zollgesetzgebung ist dem deutschen Fabrikanten der weitaus größte Theil des heimischen Marktes gesichert und sind ihm die Mittel und die Muße gewährt worden, seine industrielle Thätigkeit auf die Höhe der Zeit zu bringen. Deutschland, das noch vor wenigen Jahrzehnten ein blutarmes Land war, dem keine Kolonien zu Gebote standen, in denen, wie bei anderen Nationen, ungezählte Millionen seit Jahrhunderten für die Bereicherung des Mutterlandes mitgearbeitet haben, das einen guten Theil seiner besten Kräfte zur Vertheidigung seiner Grenzen opfern muß, steht heute finanziell fest auf eigenen Füßen, es besitzt heute die Mittel, um seine Industrie in der größten Vollkommenheit zu erhalten und sich des Genusses einer hochentwickelten Kultur zu erfreuen. Das Alles verdanken wir unserem Hochseligen Kaiser; seiner Regierung wird auch in der Geschichte deutschen Handels und deutscher Industrie ein ruhmvolles Blatt ge⸗ widmet sein.“
volkswirthschaftlichen
Statistische Nachrichten.
Von der „Deutschen Kriminalstatistik“ ist jetzt der Jahr⸗ gang 1886 als Band 30 der „Statistik des Deutschen Reichs“ erschienen. Die Anordnung des Tabellenwerks ist dieselbe wie in den vorhergehenden 4 Jahrgängen; der erläuternde Text ist im Reichs⸗Justizamt und im Kaiserlichen statistischen Amt bearbeitet und dieses Mal mit einer Anzahl interessanter kartographischer Darstellungen versehen. Die Zahl der wegen Verbrechen und Vergehen gegen Reichsgesetze im Jahre 1886 von deutschen Gerichten Verurtheilten betrug 353 000, d. i. 1 % der strafmündigen (über 12 Jahr alten) Einwohner (0,72 % der Einwohner überhaupt); darunter waren 271 857 männliche, 61 563 weibliche Verurtheilte, d i. 1,7 bezw. 0,4 der entsprechenden strafmündigen Einwohnerzahl. Von wesentlichen Veränderungen in den Kriminalitätsverhältnissen den Vorjahren gegenüber ist namentlich die Abnahme der Diebstahlsvergehen hervorzuheben. Im Jahre 1882 wurden 103 050, im Jahre 1886 nur 88 816 Personen wegen Dieb⸗ stahls (§§. 242/44 des Strafgesetzbuchs) verurtheilt.
— Nach Mittheilung des Statistischen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 26. August bis inkl. 1. September cr. zur Anmeldung gekommen: 162 Che⸗ schließungen, 889 Lebendgeborene, 45 Todtgeborene, 606 Sterbefälle.
— Statistisches Jahrbuch für das Großherzogthum Baden. Neunzehnter Jahrgang, 188é6. — Mit der Herausgabe des statistischen Jahrbuchs wird die Aufgabe versolgt, für das Großherzogthum Baden eine Sammlung des hauptsächlichsten statistischen Zahlenmaterials zu bringen, welches sich im Gange der verschiedenen Zweige der Staatsverwaltung durch jährliche oder regel⸗ mäßig wiederkehrende oder durch einmalige besondere Aufzeichnungen und Erhebungen ergiebt. Diese Aufgabe ist auch dem gegenwärtigen Jahrbuche für 1886, dem neunzehnten in der Reihe der bisherigen Jahrgänge, gestellt worden. Dasselbe schließt sich in seiner Einrichtung, sowie nach dem Inhalt der rischen Darstellungen im Allgemeinen den in und Anordnung des Stoffes gegen die früheren Jahr⸗ gänge abgeänderten und erweiterten Jahrgängen für 1885 und 1884 an. Für einige Gegenstände sind jedoch, entsprechend der in dem Eingang des vorhergehenden Jahrbuchs ausgesprochenen Absicht, theils zur weiteren Bereicherung des Inhalts Erweiterungen und Er⸗ gänzungen, theils zur Vereinfachung und besseren Uebersicht Kürzungen und Weglassungen eingetreten. — Der statistische Stoff des Bandes ist folgendermaßen geordnet: I. Abtheilung Gebiet, Bewohnung und Stand der Bevölkerung. II. Bewegung der Bevölkerung. III. Boden⸗ benutzung, Land⸗ und Forstwirthschaft. IV. Gewerbe. V. Verkehr und Verkehrswege. VI. Handel, Kredit und Versicherung, Preise und Löhne. VII. Gesundheitswesen und Versorgung. VIII. Unterricht und Bildung. IX. Rechtspflege. X. Verwaltung und Polizei. XI. Finanzen. XII. Kirche. XIII. Prüfungen 1877— 1886. Anhang A. Die größeren Gemeinden. Anhang B. Ergebnisse der an den meteorologischen Sta⸗ tionen des Großherzogthums Baden im Jahre 1886 angestellten Be⸗ obachtungen.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Von dem „Neuen Lausitzischen Magazin“, welches Professor Dr. Schönwälder, Sekretär der Oberlausitzischen Ge⸗ sellschaft der Wissenschaften in deren Auftrage herausgiebt, liegt uns das 1. Heft 64. Bandes vor (Görlitz, Selbstverlag der Ge⸗ sellschaft und in Kommission der Buchbandlung von E. Remer). In dem Heft gelangt die von der Gesellschaft gekrönte Preisschrift des Dr. Carl Franke, betitelt: „Grondzüge der Schriftsprache Luther’s , zur Publikation. Der Verfasser versucht darin eine historische Grammatik der Schriftsprache des Reformators aufzustellen und gelangt dabei zu folgenden Ergebnissen: Im Lautstande, der Schreibweise und der Wortbiegung hat er sich der hochdeutschen Kanzleisprache angeschlossen und zwar besonders der kurfächsischen; neben dieser sind nachweisbar noch die Kaiserliche und die Nordost⸗Thüringens auf ihn von Einfluß gewesen, desgleichen auch seine thüringische Mundart, wiewohl die mitteldeutsche Färbung seines Lautstandes zum größten Theil der Einwirkung der kursächsischen Kanzleisprache zuzuschreiben ist. Im Wortschatz, der Wortbildung und im Satzbau hielt er sich aber in richtiger Erkenntniß des deutschen Sprachgeistes an die lebendige Sprache des Volkes, welche er im Beichtstuhl und auf der Kanzel sich schon in hohem Grade angeeignet und veredelt hatte. So ist denn seine Spräche dem Kerne nach eine echte Volkssprache, hervorgegangen aus der Ausdrucksweise des gewöhnlichen Volkes, veredelt durch die des zum Herzen des Volkes redenden Predigers und umkleidet mit der Schreibweise der hochdeutschen Kanzleien. Die Schwächen und Mängel dieses Kleides hatte Luther's scharfes kritisches Auge bald erkannt, und diese Erkenntniß drängte ihn zur Reform der Schriftsprache. Ein zunächst unbedeutender Anfang der⸗ selben ist hinsichtlich des Lautstandes und der Rechtschreibung seit dem Jahre 1520, dem fünften Jahre seiner nachweisbaren schriftstellerischen Thätigkeit, zu konstatiren. Schon bedeutender wird die Umwandlung auf diesen beiden Gebieten 1522; auch beseitigt er noch einige syn⸗ taktische Mängel, indem er sich namentlich in seinen Uebersetzungen freier von dem Originale macht und dem deutschen Sprachgeiste mehr anpaßt. 1523 säubert er seinen Wortschatz noch von einigen Fremd⸗ wörtern und die Wortbiegung von einigen veralteten mittelhochdeut⸗ schen Formen. Sein Streben nach Einheit in dem Lautstande und der Rechtschreibung tritt aber besonders in den Jahren 1524 bis 1526 hervor, indem er die veralteten mittelhochdeutschen und die dialektisch mitteldeutschen Formen sowie die unnütze Häufung der Konsonanten zu beseitigen sucht. — Zwar hört die Läuterung der Rechtschreibung nach 1530 mit Ausnahme der Großschreibung der Hauptwörter und die des Lautstandes nach 1531 fast ganz auf, ohne zur vollständigen Einheit geführt zu haben; doch haben Luther's Schriften seit diesem Jahre bedeutend mehr einheitliches Gepräge als die der damaligen Kanzleien, und auch die Rechtschreibung ist viel geregelter. Bis zu dieser Zeit bat er auch die Wortbiegung von mehreren mittelhochdeutschen oder mitteldeutschen Formen gesäubert, sodaß die neuhochdeutschen immer mehr überwiegen; vollständig wird aber das Schwanken zwischen ihnen und den mittelhochdeutschen nicht beseitigt. — Die Frage: Welche Verdienste hat Luther um die neuhochdeutsche Schriftsprache? beantwortet Franke dahin: Am Wertscha und Satzbau war die deutsche Kanzleisprache auf dem Wege, sich und damit überhaupt die Schriftsprache der lebendigen Volkssprache immer mehr zu entfremden. Dieser Entfremdung der Schriftsprache durch die Kanzleisprache gebot Luther ein energisches Halt, indem er an Stelle letzterer seine Bibelübersetzung dem deutschen Schriftthum als klassisches Muster hinstellte. So hat denn Luther das unsterbliche Verdienst um die deutsche Schriftsprache, den im Werden begriffenen Einheitsprozeß ihrer äußeren Form wirklich vollzogen und sie hinsichtlich des inneren Kernes zurückgeführt zu haben zu ihrem ewig jungen Quell, der lebendigen Sprache des Volkes.
. — Mit der Erzählung „Eine Marmorgruppe“, deren sehr an⸗ ziehenden Schluß das jüngst ausgegebene neunte Heft von „Unsere Zeit (herausgegeben von Friedrich Bienemann; Leipzig. b. Brockhaus) bringt, hat M. Asmus sich als beachtenswerthe
ichterin erwiesen. Der Leser wird an der feinen Schürzung der Verwickelung, wie an ihrer durchaus gesunden Lösung seine Freude haben. Professor Schwicker in Pest entwirft auf Grund der dem ungarischen Reichstage zugegangenen und von demselben genehmigten Vorlagen den Plan der Regulirung des Eisernen Thores an der unteren Donau und schildert die Geschichte der Bestrebungen zur Erfüllung dieses den Handelsinteressen Oesterreichs und Deutschlands in bohem Grade dienstbar werdenden Werkes; eine Skizze des Strom⸗ laufs auf der betreffenden Strecke erläutert die beabsichtigten Maß⸗ nahmen. „Das deutsche Kunsthandwerk auf der nationalen Aus⸗ stellung zu München“ wird von H. E. von Berlepsch charakterisirt.
Eintheilung
Heinrich Adler greift in Ergänzung der im letzten Heft veranschaulichten
agrarpolitischen Fragen auf ihren letzten Gedanken, die Selbsthülfe der Landwirthe durch Association, in seinem Aufsatz „Landwirthschaft, Zwischenhandel und Konsum“ zurück. Von Wilh. Rullmann wird auf Grund des von F. von Krones herausgegebenen Werkes über Moritz
einzelnen tabella⸗
von Kaiserfeld (Leirzig. Duncker u. Humblot) ein Charakterbild dieses österreichischen und steirischen Staatsmannes geliefert. Consul Marshall in 22⸗ entwirft in seinen „Reisebildern aus Neugriechenland“ eine an⸗ chauliche Darstellung seiner Streifzüge durch Akarnanien und Aetolien, wobei er auch der Vertheidigung Messolonghis im Jahre 1826 ein⸗ gehend gedenkt. „Darwin's Verhältniß zu deutschen Naturforschern“ wird von Dr. Wilh. Breitenbach auf Grund des vom Sohne des berühmten Gelehrten veröffentlichten Briefwechsels dargestellt. W. 8 Uhland endlich bringt interessante Mittheilungen über den zum undertjährigen Gegüchtnch der Revolution von 1789 in Paris im Bau befindlichen Eiffel⸗T in seiner Vollendung ist beigegeben. „Todtenschau“ den Abschluß des Heftes. — Erzählungen aus der mittleren, neuen und neuesten Geschichte. Von Prof. Dr. Ludwig Stakcke, Prorektor a. D. II. Theil: Erzählungen aus der neuen Geschichte (bis 1815) in biographischer Form. 12. Auflage. Oldenburg, Druck und Verlag von Gerhard Stalling, 1888. (Pr. 2 ℳ 50 ₰.) — Von diesen fesselnd geschriebenen, kurz gefaßten Darstellungen der bedeutendsten historischen Ereignisse der Neuzeit ist bereits die 12. Auf⸗ lage nöthig, geworden, was für die Beliebtheit und weite Verbreitung der Stacke'schen Geschichtserzählungen hinreichend zeugt. Auch die 1 Auflage hat vielfache Verbesserungen und Berichtigungen erfahren
urm; eine Abbildung des geplanten Werkes Wie gewöhnlich bildet die
Land⸗ und Forstwirthschaft.
Das in Fachkreisen mit großem Interesse erwartete Urtheil des Preisgerichts für die auf der Breslauer Ausstellung der Deutschen Landwirthschafts⸗Gesellschaft in Wettbewerb getretenen deutschen Saatgutzüchter wird soeben veröffentlicht. Das wesentlich Neue bei dieser Bewerbung war, daß das Preisgericht nicht allein auf Grund des ausgestellten Saatgutes zu entscheiden hatte, sondern auf einer Rundreise durch Besichtigung der sich be⸗ werbenden Güter feststellen mußte, daß auf denselben Saat⸗ gut erzeugt wird, welches qualitativ dem ausgestellten entspricht, und zwar in Quantitäten, welche die Leistungsfähigkeit des Züchters erweisen. Es kamen hierbei in erster Linie Winterweizen und Hafer in Betracht, von denen mindestens 10 ha, in zweiter Linie Roggen und Gerste, von denen 5 ha in Anbau be⸗ griffen sein mußten. Die drei großen silbernen Denkmünzen der Ge⸗ sell chaft wurden (in alphabetischer Ordnung) Hrn. Klostergutspächter F. Heine, Emersleben, Provinz Sachsen, Hrn. Amtsrath Rimpau, Schlanstedt, Provinz Sachsen, und Hrn. Gutsbesitzer O. Steiger, Leutewitz, Königreich Sachsen, zugesprochen. Ehrende Anerkennungen in Form eines Diploms erhielten die Hrrn. G. Bestehorn zu Bebitz, F. Knauer zu Gröbers, H. Rimpau zu Anderbeck und Major von Trotha zu Gänsefurth. Ein eingehender Bericht des Preisgerichts wird in dem nächsten Jahrbuch der Gesellschaft in Aussicht gestellt. Karlsruhe, 4. September. (Karlsr. Ztg.) Ernteausfall im Jahr 1888. Die vorläufigen Berichte, welche die Großherzog⸗ lichen Bezirksämter alljährlich über den Ausfall der Getreide⸗ und Futterernte erstatten, konnten in diesem Jahre zu einem großen Theile erst Ende August zur Vorlage gelangen, da die Getreideernte infolge der ungünstigen Witterung sich erheblich verzögert hat. Das regnerische Wetter des zu Ende gehenden Sommers hat sowohl die Getreideernte als die Futter⸗ ernte nachtheilig beeinflußt und einen guten Theil der Hoff⸗ nungen, die der Landwirth bei Beginn des Sommers hegen durfte, nicht zur Erfüllung gelangen lassen Mit Ausnahme des Hafers, der im Gegensatz zu vorigem Jahr, in welchem er durch die Trockenheit des Sommers nachtheilig beeinflußt wurde, in diesem Jahre gut ge⸗ rathen ist, sind sämmtliche Getreidearten, wenn man den Ernteausfall im ganzen Großherzogthum ins Auge faßt, hinter dem Durchschnitt früherer Jahre zurückgeblieben. Dies gilt von dem Körnerertrage, noch mehr aber von dem Ertrage an Stroh. — Wenn man das Ernteergebniß bezüglich der einzelnen Getreide⸗ arten nach den verschiedenen Landesgegenden betrachtet, so hat der Weizen nur in der Rheinebene und in dem begleitenden Berg⸗ und Hügellande den Durchschnitt gerade noch erreicht; in der Bodensee⸗ gegerd, im Schwarzwald, im Odenwald und in der Main⸗ und Tauber⸗ gegend ist er ziemlich schlecht heres Spelz ist fast durchweg hinter dem Durchschnitt zurückgeblieben, Roggen hat denselben nur in der oberen Rheinebene erreicht und ist insbesondere im Schwarzwald ziemlich schlecht gerathen. Ein besseres Ergebniß als die vorgenannten Getreidearten hat die Gerste geliefert: dasselbe wird in der Bodensee⸗ gegend als ein gutes, im Schwarzwald als ein ziemlich gutes und im Odenwald als ein durchschnittliches bezeichnet; nur in der Rhein⸗ ebene ist der Durchschnitt nicht erreicht worden. Hafer ist, wie schon oben bemerkt, fast durchweg gut gerathen, Mischfrucht hat in der Bodenseegegend und in der oberen Rheinebene den Durch⸗ schnitt überschritten, ist aber im Uebrigen hinter dem⸗ selben zurückgeblieben. Raps hat in der Rheinebene einen Durchschrittsertrag geliefert, sonst aber denselben nicht er⸗ reicht. Das Ergebniß der Heuernte ist fast durchweg, sowohl bezüglich der Menge als bezüglich der Ausfallsgüte, hinter dem Durchschnitt zurückgeblieben, da das Wachsthum durch die andauernde Trockenheit im Monat Mai, die Güte durch unausgesetztes Regenwetter zur Zeit des Einbringens nachtheilig beeinflußt wurde. Besser sind die Acker⸗ futterkräuter (Klee, Luzerne, Esparsette) gerathen; dieselben haben im Allgemeinen einen Durchschnittsertrag, in der oberen Rheinebene einen ziemlich guten Ertrag geliefert.
Sanitäts⸗, Veterinär⸗ und Quarantänewesen. Niederlande.
8 Zufolge einer im „Nederlandschen Staatskurant“ veröffentlichten
Bekanntmachung des Königlich niederländischen Ministers des Innern vom 21. August d. J. ist die Ein⸗ und Durchfuhr von Schweinen, von frischem und gesalzenem Schweinefleisch, sowie von ungeschmolzenem Fett, Klauen, Mist und anderen Abfällen von Schweinen nach den Niederlanden verboten worden.
„Die Kommissare in den verschiedenen Provinzen sind ermächtigt, Eö von dem Verbot unter nachstehenden Bedingungen zu ertheilen:
„ a. die Art und Menge der ein⸗ oder durchzuführenden Gegen⸗ stände und die Herkunfts⸗ und Bestimmungsorte sind anzugeben,
b. es ist der Nachweis zu führen, daß die ein⸗ oder durchzuführen⸗ den Gegenstände nicht aus einem von ansteckenden Krankheiten, denen Schweine ausgesetzt sind, heimgesuchten Orte kommen,
Jze, die Güter müssen gehörig verpackt oder zugedeckt und dürfen beim Transport nicht mit Vieh in Berührung gekommen sein. Die⸗ selben sind in dem Fuhrwerk oder Fahrzeug in besonderen nicht für den Viehtransport bestimmten ei unterzubringen.
„ d. Im Interesse der Abwehr von Ansteckung können außerdem für jeden besonderen Fall aus Anlaß lokaler und anderer Umstände durch die Kommissare des Königs besondere Vorsichtsmaßregeln für den Transport, das Lagern und Behandeln der ein⸗ oder durch⸗ zuführenden Gegenstände vorgeschrieben werden. 8
Gewerbe und Handel. v
„Niach dem Bericht der Eilenburger Kattunmanufaktur über das letzte Betriebsjahr kann an die Aktionäre eine Dividende von 4 % vertheilt werden. Vorher sind Abschreibungen in Höhe von 38 555 ℳ gemacht, dem Reservefonds sind 3602 ℳ, dem Extra⸗ reservefonds 11 000 ℳ, dem Delkrederefonds 12 475 ℳ zugewiesen. Die bisherigen Gesammtabschreibungen beziffern sich auf 322 720 ℳ, der Reservefonds umfaßt nunmehr 45 000 ℳ, der Notenreservefonds 21 000 ℳ, der Delkrederefonds 27 267 ℳ Das Immobilienconto umfaßt 254 000 ℳ, das Maschinenconto 45 000 ℳ, das Kupfer⸗ walzenconto 53 000 ℳ, Geschirrconto 400 ℳ
—, Dem Aufsichtsrath der Chemnitzer Werkzeug⸗ maschinenfabrik vorm. Joh. Zimmermann wurde vom Vorstande der Abschluß pro 1887/88 vorgelegt. Derselbe ergiebt
einen Bruttogewinn von 398 145 ℳ und nach Abzug von 169 681 ℳ
Abschreibungen einen Reingewinn von 228 464 ℳ Der Aufsichtsrath genehmigte die Vorschläge des Vorstandes, eine Dividende von 3 ½ % zu vertheilen und nach Abrechnung der Dotirung des Reservefonds sowie der statutenmäßigen Tantiémen 20 000 ℳ für außergewöhn⸗ liche Ausgaben zurückzustellen und 4062 ℳ auf neue Rechnung vor⸗ zutragen. 8
— Dem Geschäftsbericht der Württembergischen Kattun⸗ Manufaktur zu Heidenheim für das Jahr 1887/88 entnehmen wir folgendes: Einschließlich der aus dem Vorjahr übernommenen 27 381 ℳ beträgt der Bruttogewinn 739 839 ℳ (1886/87 899 151 ℳ), wovon für Abschreibungen 142 794 ℳ abgehen, dem Obligationen⸗ Tilungsfonds 9500 ℳ, dem Delcredere⸗Conto 15 216 ℳ, dem Reserve⸗ fonds 40 000 ℳ und dem Pensionsfonds 20 000 ℳ überwiesen werden. Auf das Aktienkapital von 2,24 Mill. Mark wird eine Dividende in der vorjährigen Höhe von 20 % vertheilt und 39 080 ℳ bleiben fü neue Rechnung. Die Anleiheschuld beläuft sich auf 891 500 ℳ, der Reservefonds erhöht sich durch die vorgeschlagene Dotirung auf 540 000 ℳ, das Deleredere⸗Conto enthält 200 000 ℳ Von den oben “ Gesammtabschreibungen entfallen 50 000 ℳ auf Waaren⸗
onto.
Danzig, 7. September. (W. T. B.) Die Einnahmen der Marienburg⸗Mlawkaer Eisenbahn betrugen im August cr., nach provisorischer Feststellung, 177 650 ℳ gegen 164 300 ℳ nach provisorischer Feststellung im August 1887, mithin mehr 13 350 ℳ Die definitive Einnahme im August 1887 betrug 158 648 ℳ
Wien, 6. September. (W. T. B.) Ausweis der Oesterreichisch⸗ ungarischen Staatsbahn in der Woche vom 26. August bis 1. September 773 560 Fl., Mehreinnahme 40 420 Fl. — Ausweis der Südbahn vom 27. August bis 2. September 837 756 Fl., Mehreinnahme 26 668 Fl.
London, 6. September. (W. T. B.) An der Küste 1 Weizen
ladung angeboten. (W. T. B.) Wolle ruhig, un⸗
„Bradford, 6. September. verändert, Kreuszuchten und feine Merinos gefragt; Garne gefragter, jedoch sind die angebotenen Preise den Spinnern zu niedrig. Stoffe unverändert.
St. Petersburg, 6. September. (W. T. B.) Aus Nischni⸗Nowgorod wird gemeldet: Nach Ablauf der Konzessions⸗ frist zur Bildung einer Baucompagnie für die Petroleum⸗ leitung Baku⸗Batum beschloß eine Versammlung der zur Messe in Nischni⸗Nowgorod anwesenden Kaufleute: bei der Regierung dahin zu wirken, daß die Bildung einer neuen Gesellschaft für das er⸗ wähnte Unternehmen verhindert werden möge, da die Beförderung von auf der Wolga alljährlich einen immer größeren Umfang gewinne.
Montevideo, 3. September. (W T. B.) Während des Monats August sind hier 73 überseeische Dampfer mit 958 Einwanderern angekommen. Die Waareneinfuhr betrug in demselben Monat ca. 21 000 Tonnen, und die Zolleinnahmen beliefen sich auf ca. 704 000 Pesos.
Submissionen im Auslande.
8 Italien. .1) 7. September. Savona. Reclusorio militare: Papier in verschiedener Größe und Güte, auch buntes und Packpapier, in drei Loosen zu 93 200, 58 590 und 13 650 Lire.
.2) 10. September. Venedig. Direz. d'Art. e Torped. 30 Dip. maritt.: Lieferung von Papier und anderen Kanzleibedürf⸗ nissen.
Voranschlag 8813,82 Lire.
.3) 11. September. Spezia. Dir. Armam, 10 Dip, maritt.: Tischgeräth von Christofle und weißem Metall für die Messen der Kriegsschiffe.
Voranschlag 100 000 Lire; schon einmal ausgeschrieben. Schluß⸗ termin 2. Oktober.
4ℳ) 11. September. Venedig. Dir. Armam. 30 Dip. maritt.: Ein eiserner Heizkessel mit Zubehör für einen Priestmann'schen Bagger.
Voranschlag 2380 Lire.
5) 11. September. Venedig. Ebenda: 36 000 kg Kupfer und 4000 kg Zinn in Broden. Zusammen 94 600 Lire; schon ein⸗ mal ausgeschrieben. Schlußtermin 1. Oktober.
6) 17. September. Perre Annunziata R. Fabbrica Armi: 6000 Stück Leder zu Säbelscheiden. Voranschlag 6000 Lire.
Ferner in Aussicht stehend:
a. bei der Direktion der adriatischen Eisenbahnen in Florenz: Bau eines zweiten Geleises auf der Strecke Lucca — Cerasomma, Linie Pistoia — Pisa.
Voranschlag 556 000 Lire;
b. bei der Direktion der Mittelmeerbahnen in Mailand. Bau des 4. Abschnitts der Linie Aulla — Lucca zwischen Ponte⸗Campia un Castelnuovo, 8325 m. 6
Voranschlag 7 297 000 Lire. —
Galvanisirtes Eisenwellblech zur Erneuerung des großen Daches der inneren Station in Rom, nebst einschlägigen Arbeiten
Voranschlag 55 000 Lire.
Verkehrs⸗Anstalten.
(Telegramm von Köln.) Die erste englische Post vom 6. September, 9 Uhr 45 Minuten Vormittags, hat in Köln den Anschluß nicht erreicht. Grund: Betriebsstörung zwischen Ehrenfeld und Köln.
Hamburg, 6. September. (W. T. B.) Der Postdampfer „Moravia“ der Hamburg⸗Amerikanischen Packet⸗ fahrt⸗Aktiengesellschaft ist, von New⸗York kommend, heute Mittag 1 Uhr auf der Elbe eingetroffen.
London, 6. September. (W. T. B.) Der Castle⸗Dampfer „Norham Castle“ ist heute auf der Ausreise in Capetown an⸗ gekommen. — Der Union⸗Dampfer „Moor“ ist heute auf der Heimreise von Capetown abgegangen.
Theater und Musik.
Im Königlichen Opernhause beendete Fr. Pierson⸗ Brethol gestern Abend ihr erfolgreiches Gastspiel als Valentine in den „Hugenotten“ und krönte mit dieser Schlußrolle die Reihe ihrer künstlerischen Leistungen. Die Sängerin entfaltete in überraschender Weise die Vorzüge ihrer Begabung und bestätigte vollauf alles Lobenswerthe, was von der geschätzten Gastin im Laufe ihres Auftretens hervorgehoben werden konnte. Besonders reizvoll ge⸗ staltete sie in gesanglicher wie schauspielerischer Beziehung d Nachtscene des dritten Akts mit Marcel, wofür sie ei Hervorruf bei offener Scene belohnte. Die dramatische G walt ihres Spieles im vierten Akt bot eine Fülle wirkungsvoller Eindrücke dar; feine Gliederung und naturwahrer Ausdruck arter seelischer Regungen gegenüber den elementaren 8 brüchen des Schmerzes und der Verzweiflung stellten Scenen in den Mittelpunkt des dramatischen J Frl. Leisinger sang die Partie der Margarethe mit tadelloser Techni und spielte mit der ihr eigenthümlichen Vornehmheit, durch welche sie immer fesselnd wirkt. Recht errfreulich die gesangliche Leistung des Hrn. Rothmühl als zu nennen. Hr. Elmblad brachte die derbe und religiöse Gesinnung des Marcel, wie schon früher, in packender Weise zur Geltung. Der Sänger verfügt über einen volltönenden Baß, welche in der Tiefe ausreichende Stärke und in der Mittellage sehr a genehmen Klang besitzt; die Höhe wird zuweilen durch Forcirun in ihrer Wirkung getrübt. Den Pagen sang Frl. Gleiß zufrieden stellend. Hr. Betz wirkte als Graf v. St. Bris, wie immer, mächtig durch die Schönheit seiner Stimme, und auch die übrigen mitwirkenden Kräfte trugen angemessen zu schönem Gelingen des Ensembles bei. 1
Die Czi⸗
— Friedrich⸗Wilhelmstädtisches Theater. bulka'sche Operettenneuheit „Der Glücksritter“ wird in der nächsten Woche, am Sonnabend, den 15. d. M, zum ersten Male in Scene